Bühnenbrüder - bei Björn Casapietra
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Bühnenbrüder - bei Björn Casapietra
Wochenmagazin der Märkischen Allgemeinen 2./3. FEBRUAR 2008 GESCHICHTE Deportiert und erschossen – Wajdas Katyn-Film 왘 2 AUSGABE 5 IM GESPRÄCH Bühnenstar Sophie Rois als Filmproduzentin 왘 3 HORIZONTE Swingende Rattenmeute aus der Wüste 왘 6 Bühnenbrüder Der eine ist ein bekannter Tenor, der andere ein berühmter Rockgitarrist. Musikalisch trennen Björn Casapietra und Uwe Hassbecker Welten. Trotzdem musizieren sie zusammen. Warum auch nicht, schließlich sind sie Geschwister. Von Marika Bent A ls Björn Casapietra seinen Bruder das erste Mal sah, war er in der Pubertät und als eingefleischtes Einzelkind nicht unbedingt auf das Ereignis vorbereitet. Geschwister kann man sich nicht aussuchen. Es kommt der Tag, da präsentieren die Eltern sie einfach. An jenem Tag stand ein langmähniger Rocker vor ihm, der Uwe Hassbecker hieß und zehn Jahre älter war. Sein großer Bruder. Ein halber nur, aber immerhin. Man sucht automatisch nach Gemeinsamkeiten in den Gesichtern der heute 37- und 47-Jährigen. Zunächst sind da nur Unterschiede. Zwei Typen wie Tag und Nacht, die da nebeneinander auf einem Sofa in Uwe Hassbeckers Wohnung am Berliner Gendarmenmarkt sitzen. Hier der noch immer langhaarige, blonde Silly-Gitarrist Hassbecker, dessen blaue Augen so schön leuchten können. Dort der Tenor und Schauspieler Casapietra, dessen Name italienische Mannhaftigkeit verheißt – ein Versprechen, das dunkle Haare und braune Augen einzulösen scheinen. Wenn Casapietra dann zu sprechen beginnt, ist Italien weit entfernt. Er berlinert leicht. Aus Casapietra wird dann Björn. Eigentlich Björn Herbert Fritz Roberto Kegel Casapietra. So tauften ihn seine Eltern, die italienische StaatsopernPrimadonna Celestina Casapietra und der Dirigent Herbert Kegel. Die Mutter reiste zur Niederkunft im Februar 1970 eigens aus der DDR in ihre Heimatstadt Genua zurück, damit der Sohn die italienische Staatsbürgerschaft bekäme. Er sollte reisen können zwischen den Welten, heimisch sein sowohl in Rauchfangswerder als auch in Italien. „Ich sitze irgendwie zwischen den Stühlen“, sagt Björn Casapietra. Bei der Premiere regnete es rote Rosen auf die Primadonna Uwe Hassbecker ist ebenfalls der Sohn des Dirigenten Kegel. Als Uwe 1960 in Leipzig geboren wurde, stieg sein Vater gerade zum Chefdirigenten des Leipziger Rundfunksinfonieorchesters auf, später wurde er Chef der Dresdener Philharmoniker. Uwes Mutter, Eva Hassbecker, war Sängerin am Opernhaus in Halle, eine Sopranistin wie die Mutter von Björn. Zwei singende Mütter und ein dirigierender Vater. Hier also beginnen die Gemeinsamkeiten. Die Brüder vereint die Liebe, die sie von ihren Müttern bekamen. Liebe in widrigen Umständen. Der international geschätzte Konzertmeister Kegel lebte für die Arbeit, seine Liebe galt der Musik, und so war es an den Müttern, für Herzenswärme zu sorgen. „Das hat viel rausgerissen“, sagt Casapietra, dessen Mutter nicht nur eine original italie- Einstimmung auf die gemeinsame Tournee – der Tenor mit dem klangvollen italienischen Familiennamen Casapietra und der langhaarige Rockmusiker Hassbecker. Zwei singende Mütter und ein dirigierender Vater 쮿 Dirigentenlegende Herbert Kegel (Foto: Archiv) ist sowohl der Vater von Uwe Hassbecker als auch von Björn Casapietra. 쮿 Mit der Opernsängerin Eva Hassbecker bekommt der ehemalige Chefdirigent der Dresdener Philharmoniker 1960 Sohn Uwe. Dieser wächst bei seiner Mutter und bei seinem Stiefvater, dem Komponisten und Dirigenten Thomas Müller, in Halle, auf. 쮿 Die Primadonna assoluta der Ostberliner Deutschen Staatsoper, Celestina Casapietra, bringt 1970 in Genua den Sohn Björn zur Welt. Als Kind berühmter Eltern wächst er in Rauchfangswerder am Ostberliner Stadtrand auf. Nachbarn sind unter anderen Dean Reed und Renate Blume. 쮿 Mit Dean Reeds Adoptivsohn Alexander ist Björn Casapietra in der Jugend befreundet. Dieser bringt ihm die Rockmusik nahe. Zusammen hören sie auch die Platten von Silly. 쮿 Uwe Hassbecker steigt 1986 bei Silly ein. Er ist mit Frontfrau Tamara Danz liiert, die er kurz vor ihrem Tod 1996 heiratet. Seit 2005 tourt die nische Mama, sondern auch eine echte Diva war. Bei Premieren an Ostberlins Staatsoper regnete es rote Rosen auf sie herab. Vor der Schule des Sohns tauchte sie schon mal ganz in weißen Pelz gehüllt mit einem ebenfalls weißen Mercedes auf. Das hat Björn ihr dann verboten. Heute lebt Celestina Casapietra in Berlin und Genua. Uwe Hassbeckers Mutter ist vor zehn Jahren in Halle gestorben. Seit ihrem Tod ist er nur noch selten in seine ehemalige Heimatstadt gefahren. „Da ist nichts mehr, bis auf wenige Freunde“, sagt Hassbecker. Sein Vater verließ die Mutter, als Uwe fünf war. „Da kam eines Tages ein Brief an meine Mutter. Sie war zwei Tage lang krank, hat nur geweint“, erzählt der Sohn. Wenig später schrieb er selbst Briefe an den verschwundenen Vater. Sie blieben ohne Antwort. Als erwachsener Mann traf Uwe Hassbecker den Vater wieder. Sie haben sich gut verstanden. Die Enttäuschung aus der Kindheit aber ließ sich nicht mehr auslöschen. In seiner Wohnung am Gendarmenmarkt bewahrt er eine Biografie des Vaters auf. Das hochformatige Buch mit einer Fotografie von Herbert Kegel auf dem Umschlag steht angelehnt an ein Regal auf dem Fußboden im Wohnzimmer. Ein noch junger Mann blickt ernst vom Einband. „Ich finde, Uwe ähnelt meinem Vater mehr als ich“, sagt Björn Casapietra. Dann berichtigt er sich. „Mein Vater, unser Vater.“ Herbert Kegel beging 1990 Selbstmord. Der berühmte Dirigent litt unter Depressionen. Vielleicht starb er auch an gebrochenem Herzen, ging an seiner letzten Liebe, einer jungen Malerin, zu Grunde. Sohn Björn war damals 20 Jahre alt und machte sich Gedanken über die Zukunft. Der Vater war eigentlich Vergangenheit, nachdem sieben Jahre zuvor auch die Ehe mit Celestina Casapietra gescheitert und er aus der schönen Villa am Zeuthener See ausgezogen war. Der Freitod hat die Brüder einander näher gebracht. Es gibt noch einen dritten Halbbruder im Bunde, der älteste Sohn Kegels. Er ist Arzt in Leipzig und hat an dem Verlust am meisten zu tragen, sagt Casapietra. Vom kostbaren Privileg anderer Geschwister, Erinnerungen an die Eltern zu teilen, können alle drei kaum Gebrauch machen. „Es gibt ja auch keine gemeinsamen Erinnerungen“, sagt Hassbecker. Allein es gibt ähnliche Erlebnisse. Vor allem eines: der Vater bei der Arbeit. „Ich erinnere mich, wie er zu Hause dirigierte, im Geiste die Partituren durchging und ich als kleiner Junge seine Bewegungen nachmachte“, erzählt Uwe Hassbecker. Sein Bruder hat ähnliche Bilder aus der Kindheit vor Augen. Er sei dem Vater dankbar, sagt Björn Casapietra, denn er habe ihn zum Gesang gebracht. Von Dankbarkeit ist auch die Rede in einem Lied, das Björn seinem Vater gewidmet hat. „Vaters Lied“ ist ein süßer Gesang über die Macht der Musik und den Triumph über den Tod, der nur von schönen, edlen Gefühlen erzählt. „Als Kind hab ich ihn gehasst“, sagt Casapietra. Er war 13, als die Ehe der Eltern in die Brüche ging. Zu dieser Zeit tauchte auch Uwe als Bruder das erste Mal auf. Darüber, was Björn Casapietra bis dahin mit seinen Eltern erlebt hat, spricht er offen. Stürmisch muss die Beziehung gewesen sein, im Guten wie im Schlechten. Dem Kind machte sie vor allem Angst. „Ich habe nächtelang nicht schlafen können, weil ich Angst hatte, sie gehen wieder aufeinander los“, sagt Björn Casapietra. Er sah ihre Handgreiflichkeiten mit eigenen Augen und hielt vor allem zur Mutter. Den Vater empfand er als Aggressor. Erst viel später begriff er, dass zur Liebe wie Band wieder. Neue Sängerin ist Anna Loos. 쮿 Björn Casapietra macht nach der Schule eine Ausbildung als Elektromonteur, wechselt zum Bürokaufmann und beginnt 1992 schließlich eine Gesangsausbildung an der Musikhochschule Hanns Eisler. Der Tenor, der auch als Schauspieler in zahlreichen Serien und Fernsehfilmen zu sehen war, hat inzwischen vier Platten veröffentlicht. zum Streit zwei gehören. Da war der Vater schon tot. Was blieb, war die Musik. Sie ist die größtmögliche Annäherung an den Toten. Deshalb schrieb der Sohn jenes Lied, aus dem er alles Schlechte einmal ausblenden und einfach sagen konnte: du fehlst. Man kann es kitschig finden oder aber davon berührt sein. Björn Casapietra liebt es nun einmal sentimental, vielleicht hat er das von seiner Mutter. Als seine ersten Autogrammkarten frisch gedruckt waren, fuhr er nach Dresden an das Grab seines Vaters und legte eine Karte unter einen Stein. Ein kleiner Gruß vom Erfolg. Wirklich zur Ruhe kommen beide nur auf der Bühne Wenn Casapietra vom Vater erzählt, ist er bei sich. Die demonstrativ gute Laune und das strahlende Lächeln knipst er dann aus. Wirklich zur Ruhe kommt er aber nur auf der Bühne, beim Singen hört das Geratter im Kopf endlich auf. Casapietra ist in seiner Welt. Uwe Hassbecker geht es bei Auftritten nicht anders. Auch er braucht die Bühne. Nach dem Tod seiner Frau Tamara Danz 1996 trat die Band jahrelang kaum auf. Seit 2005 touren sie wieder und arbeiten derzeit mit der neuen Frontfrau FOTO: ULLI WINKLER Anna Loos an einer neuen Platte. „Die Auftritte vor Publikum will ich nie mehr missen“, sagt Uwe Hassbecker. In seinem Wohnzimmer, dort wo Tamara starb, gibt es eine kleine Ecke mit asiatischen Steinen, Figuren und einem Bild von der Frau mit der Löwenmähne. Es steht auf dem Fußboden, so wie das Buch über seinen Vater. Man möchte meinen, alles Schwere sei bei Uwe Hassbecker zu Boden gesunken, wo es auf neues Leben trifft. Die Auslegware ist übersät mit Spielzeug der kleinen Tochter Clara. Die Eineinhalbjährige ist erkältet und muss zu Hause bleiben, wo sie ihren Vater auf Trab hält. Papi, ruft es manchmal sanft aus einer Ecke der verwinkelten Wohnung, worauf Uwe Hassbecker ohne Hast nach der Kleinen zu suchen beginnt. Er strahlt Gelassenheit aus. An so einen großen Bruder könnte man sich anlehnen. Oft haben sich die Lebenswege der Halbbrüder bisher nicht gekreuzt. Parallel verlaufen sie erst, seitdem die beiden zusammen musizieren. Als vor einem Jahr Casapietras Sopranistin beim Bühnenprogramm ausfiel, rief er kurz entschlossen bei Uwe an und fragte, ob er Lust auf ein paar gemeinsame Auftritte habe. Daraus wurde eine feste Zusammenarbeit. Bei Casapietras neuer Platte „Verführung“ spielt Hassbecker in mehreren Stücken Gitarre und begleitet den Bruder auch auf dessen Tournee. Für den Tenor spielt der Rocker eine leise, zurückhaltende Akustikgitarre. Auf der Bühne, so stimmen beide überein, entsteht für sie die größte Nähe, dort spüren sie ihre musikalische Verwandtschaft. info Am 3. Februar, 19 Uhr, im Nikolaisaal Potsdam. Tourdaten unter www.casapietra.de