Semantik I

Transcription

Semantik I
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Semantik I
Gerrit Kentner
19. November 2010
1 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Was bisher geschah
Kernbereiche der sprachlichen Strukturbeschreibung:
Phonetik / Phonologie
Lautinventar
phonologische Prozesse und Alternationen
Morphologie
Wortbildung und Flexion
Wortstruktur
Syntax
Phrasen- und Satzstruktur
Valenz und Dependenz
Heute:
Bedeutung
1 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Lektüre
Skript Zimmermann, (auf der Website)
Meibauer et al. (2007). Einführung in die germanistische
Linguistik. Metzler, Kap. V
jeweils Kapitel IV: Syntax
2 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Übungen
A
B
C
E
D
F
G
(1)
a.
b.
I
H
J
K
Welche Konstituenten dominiert E?
F, G, H, I, J, K
Ist die Konstituentenabfolge CD selbst eine
Konstituente?
ja, sie wird vollständig und ausschliesslich von B
dominiert.
Ñ
Ñ
3 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Übungen
A
B
C
E
D
F
G
(2)
a.
I
H
J
K
Ist die Konstituentenabfolge GHJ selbst eine
Konstituente?
nein, denn es gibt keinen Knoten der diese
Konstituenten ausschliesslich und vollständig dominiert
Mit welcher/n Konstituente/n bilden die
Terminalsymbole DGH eine Konstituente?
mit C, J, und K
Ñ
b.
Ñ
4 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Verborgener Sinn – Wörtlicher Sinn
Bedeutung
Bisher: Beobachtung und Beschreibung von Sprachstruktur
(Lautstruktur, Wortstruktur, Satzstruktur).
Objekt des wissenschaftlichen Interesses ist im Falle von
Lauten, Wörtern, Sätzen tatsächlich beobachtbar, weil es
materiell realisiert wird.
Zugang zur Bedeutung ist eher indirekt – realisiert wird nur
der Zeichenträger, nicht der Zeicheninhalt (Verweis auf 2.
Sitzung
Semiotik)
Ñ
5 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Verborgener Sinn – Wörtlicher Sinn
Bedeutung
Das semiotische Dreieck
Abbildung: aus: Busch / Stenschke: Germanistische Linguistik
Bedeutung ist im mentalen Bereich angesiedelt
6 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Verborgener Sinn – Wörtlicher Sinn
Bedeutung
Zwei Fragen:
Wovon reden wir, wenn wir von Bedeutung reden?
Wovon reden Semantiker, wenn sie von Bedeutung reden?
7 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Verborgener Sinn – Wörtlicher Sinn
Verborgener Sinn
(Tiefere) Bedeutung eines Gedichts (literaturwissenschaftliche
Interpretation)
Bedeutung von Ironie (= unernste Verkehrung der wörtlichen
Bedeutung einer Behauptung in ihr Gegenteil)
Bedeutung von Übertreibungen (= Behauptungen, die über
das Glaubwürdige hinausgehen)
Bedeutung von Implikaturen (= mitverstandene
Behauptungen, die über die wörtliche Bedeutung hinausgehen)
8 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Verborgener Sinn – Wörtlicher Sinn
Verborgener Sinn
Bedeutung von Ironie (= unernste Verkehrung der wörtlichen
Bedeutung einer Behauptung in ihr Gegenteil)
(3)
Wie war das Mensaessen?
a. Das Steak war wie immer zart und saftig!
Verborgene Bedeutung: Das Steak war wie immer: weder zart
noch saftig.
9 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Verborgener Sinn – Wörtlicher Sinn
Verborgener Sinn
Bedeutung von Implikaturen (= mitverstandene
Behauptungen, die über die wörtliche Bedeutung hinausgehen)
(4)
Der Nachtisch war nicht gifitg.
skalare Implikatur: Diese Aussage verortet den Nachtisch auf
einer Skala zwischen den Endpunkten ‘tödlich’ – ‘3 Sterne’ an
einer Position, die nicht besser ist als die Kategorie: ‘nicht
giftig’
Wörtliche Bedeutung: Detektiv untersucht Giftmord und
äußert (4) - keine Implikatur!
10 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Verborgener Sinn – Wörtlicher Sinn
Metaphern
(5)
Der Gockel hält sich für unwiderstehlich.
(6)
Es regnet mal wieder Bindfäden.
(7)
Klaus hat zwei linke Hände.
11 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Verborgener Sinn – Wörtlicher Sinn
Sprechereinstellungen
Der Ton macht die Musik
(8)
Willst Du allen Ernstes für diesen Frass noch mehr Kohle
verlangen?
(9)
Planen Sie tatsächlich eine Anhebung der Essenspreise?
Wortwahl und Stil erlauben Rückschlüsse auf Einstellung des
Sprechers gegenüber Kommunikationspartner und –thema.
12 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Verborgener Sinn – Wörtlicher Sinn
Gegenstand der Semantik
Ñ
Wörtliche Bedeutung
Voraussetzung für Erkennen des
verborgenen Sinns bei Ironie und Implikaturen, von Metaphern und
Sprechereinstellungen.
Was sprachliche Ausdrücke wörtlich bedeuten, muss nicht
aufregend sein. Aber:
Sprachwissenschaftler sind an der Erklärung des Phänomens
des Sprachverstehens interessiert.
Wie funktioniert Erfassen der wörtlichen Bedeutung?
Was ist das, was da erfasst wird?
13 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Lexikalische Semantik
Was sind Wörter, was bedeuten Wörter?
Systematische Beschreibung von Bedeutung, z.B. anhand
semantischer Merkmale
Problemfelder: lexikalische Lücken, Ambiguitäten
Ziel: Erstellen eines Begriffsnetzes: Wie stehen
Wortbedeutungen in Beziehung?
14 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Wortbegriff
Eine Annäherung:
Wort ist das, was zwischen zwei Leerzeichen steht
(graphisches Wort; Problem: schriftsprachzentrierte
Definition, Problem der Ambiguität)
Wort ist das, was im Lexikon steht (lexikalisches Wort;
notwendigerweise unvollständig wegen Wortneubildungen)
Wort ist eine Laut–, allgemeiner: Zeichenfolge gepaart mit
grammatischer Information (syntaktisches Wort; keine
Unterscheidungsmöglichkeit bei Ambiguitäten der Art:
SchlossSchliessvorrichtung – SchlossGebaeude
Wort ist Zeichenträger (Laut/Schrift) + grammatische
Information gepaart mit Bedeutung
15 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Wortbedeutung
Die Zeichenfolge “Tier” kann sich auf verschiedene Dinge beziehen:
(10)
a.
b.
c.
Hund
Katze
Maus
Handelt es sich hier um Ambiguität??
Beobachtung: Man kann sagen, dass in (10) von 3 Tieren die Rede
ist, d.h. man kann zählen.
16 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Wortbedeutung
Die Zeichenfolge “Schloss” kann sich auf verschiedene Dinge
beziehen:
(11)
a.
b.
Palastartiges Gebäude
Schliessvorrichtung
Beobachtung: Man kann nicht sagen, dass in (11) von 2 Schlössern
die Rede ist.
Zähltest negativ
Ambiguität!
Ñ
17 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Exkurs: Zeugma
(12)
a. Die Zeitung liegt auf dem Tisch. (Druckerzeugnis)
b. Die Zeitung hat angerufen. (Institution)
c. *Die Zeitung liegt auf dem Tisch und hat angerufen
ñ Ist die Zeichenfolge ‘Zeitung’ ambig? - Näheres dazu folgt gleich
(13)
Ich heisse Heinz Erhardt und Sie herzlich willkommen.
18 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Wortbedeutung
Sind ‘klagen’ (i.S. von Schmerz äussern) und ‘klagen’ (Anspruch
vor Gericht geltend machen) ein und dasselbe Wort? Anders
gefragt: Ist ‘klagen’ ambig?
(14)
a. Peter klagt über die Schmerzen in seiner Hand.
b. Rita klagt auf Mietminderung
c. ?Peter und Rita klagen
(14-c) kann nicht im Sinne einer Koordination von (14-a) und
(14-b) verstanden werden
entsprechend ist die Zeichenfolge ‘klagen’ ambig (2
Bedeutungen)
Ñ
19 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Homonymie vs. Polysemie
Mehrdeutigkeiten
zufällige Mehrdeutigkeiten: Homonyme (Homophone und
Homographen) (KieferBaum versus KieferKnochen )
systematische Mehrdeutigkeiten: Polyseme
(15)
Beispiele für Polysemie
a. Schule (Gebäude, Institution, Unterricht)
b. Zeitung (Gebäude, Institution, Druckerzeugnis)
Bedeutungsvarianten polysemer Ausdrücke sind verwandt und
lassen sich auf eine abstrakte Grundbedeutung zurückführen.
20 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Bedeutung polysemer Ausdrücke
(16)
Schule
a. Die
b. Die
c. Die
d. Die
Schule
Schule
Schule
Schule
hat ein Säulenportal.
hat Geld für ein Hilfsprojekt gesammelt.
hat schon wieder angerufen.
macht ihr grossen Spass
21 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Bedeutung polysemer Ausdrücke
Unterspezifikation und kontextuelle Anreicherung der
Kernbedeutung
(17)
Schule ( Zweck von
a. Schule1
( Zweck von x:
b. Schule2
( Zweck von x:
c. Schule3
( Zweck von x:
Repräsentant )
d. Schule3
( Zweck von x:
x: Lehr- / Lernprozess )
Lehr- / Lernprozess & Gebäude )
Lehr- / Lernprozess & Institution )
Lehr- / Lernprozess & Person /
Lehr- / Lernprozess & Unterricht )
22 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Synonymie
Gehweg – Gehsteig – Bürgersteig – Trottoir
(18)
Zwei Ausdücke A und B sind synonym, falls man in jedem
komplexen Ausdruck C, in dem A vorkommt, A durch B
ersetzen kann und umgekehrt, ohne dass sich die
Bedeutung von C ändert.
Echte Synonymie ist Luxus und daher selten.
(19)
Lexikalische Blockierung bei Synonymie
a. *Stehler / Dieb
b. *Kocher (als Nomen agentis) / Koch
23 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Inkompatibilität / Heteronymität
Zwei Ausdrücke A und B sind inkompatibel / heteronym, falls
nichts gleichzeitig unter die durch A und B benannten Begriffe
fallen kann.
(20)
a.
b.
c.
blau – gelb – grün – rot
Montag, Dienstag, Mittwoch...
Rose, Nelke, Tulpe...
24 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Komplementarität
Besondere Form der Inkompatibilität:
Alle Dinge, die sich mit komplementären Ausdrücken bezeichnen
lassen, fallen entweder in den einen oder in den anderen Ausdruck.
Wird der eine Ausdruck negiert, trifft sein komplementäres
Gegenstück zu.
(21)
a.
b.
c.
tot – lebendig
verheiratet – unverheiratet
mündig – unmündig
25 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Antonymie
Gegensatzpaare. Komplementäre Ausdrücke sind antonym. Aber
auch inkompatible Ausdrücke können Antonyme bilden, wenn sie
die Endpunkte einer Skala sind
(22)
a.
b.
c.
d.
e.
tot – lebendig
heiss – kalt
oben – unten
alt – neu
alt – jung
26 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Vertikale Sinnrelationen
Hyponyme (Unterbegriff) und Hyperonyme (Oberbegriffe)
Strukturierung von Wortfeldern / Ziel: Organisation des Lexikons
Pflanze
Baum
Laubb.
Eiche
Buche
Blume
Nadelb.
Lärche
Rose
Tulpe
Iris
Fichte
27 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Vertikale Sinnrelationen
Hyponyme (Unterbegriff) und Hyperonyme (Oberbegriffe)
Pflanze
Baum
Laubb.
Eiche
Buche
Blume
Nadelb.
Lärche
Rose
Tulpe
Iris
Fichte
Schwestern (und Cousinen) im Baum sind Kohyponyme. Kohyponyme
sind inkompatibel.
28 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Vertikale Sinnrelationen
Implikation durch Hyperonymie
(23)
Ñ
Peter hat Buchen gekauft
a. Peter hat Laubbäume gekauft.
b. Peter hat Bäume gekauft.
c. Peter hat Pflanzen gekauft.
29 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Vertikale Sinnrelationen
Meronymie
Teil – Ganzes – Beziehung
(24)
a.
b.
c.
Kopf – Nase
Auto –Reifen
...
Keine Implikationsbeziehung!
(25)
Û
Peter kauft ein Auto
a. Peter kauft einen Reifen
30 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Merkmale
Idee aus der Phonologie: Jeder Laut kann als Merkmalsbündel
exakt beschrieben werden.
{+kons, -sonorant, -kontinuierlich, +labial, +stimmhaft} = [b]
Anwendung auf Semantik
Jeder Ausdruck kann als Bündel semantischer Merkmale
charakterisiert werden.
{+menschlich, +erwachsen, +männlich, +unverheiratet}
= Junggeselle
31 / 33
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Merkmalssemantik
Merkmalsorganisation im Baum
menschl
erwachsen
männl.
unverh.
Kind
weibl
verh.
...
...
Junggeselle Ehemann
Merkmale:
{+/- menschlich, +/-erwachsen, +/-männlich, +/-unverheiratet}
32 / 33
Übungen
Bedeutung
Lexikalische Semantik
Wortbegriff
Ambiguitäten
Bedeutungsrelationen
Merkmalssemantik
(26)
Lexikalische Dekomposition in Merkmale.
a. Kohyponyme bilden eine natürliche Klasse (definiert
durch gemeinsame Merkmale)
b. Je höher das Hyperonym, desto weniger Merkmale
(27)
Probleme:
a. Keine befriedigende Analyse aller Ausdrücke mithilfe
von Merkmalen
b. unklar, wieviele Merkmale angenommen werden
müssen
c. keine unabhängige Evidenz für Merkmale
33 / 33