Klausenmemorial - Alfa Romeo Club 2000 + 2600
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Klausenmemorial - Alfa Romeo Club 2000 + 2600
Klausen-Memorial 2002 Die tollkühnen Männer in ihren brüllenden Kisten Staubfahnen über unbefestigter, mit tiefen Schlaglöchern übersäter Fahrbahn, grazile, zerbrechliche Fahrzeuge, todesmutige Kerle mit manchmal muskelbepackten Oberarmen – so stellt man sich das Klausenbergrennen aus der Retrospektive vor! 1922 bis 1934 wurde auf der Klausenpassstrasse zwischen Linthal und der Passhöhe, auf einer Länge von 21.5 Kilometer eine der anspruchvollsten Bergprüfungen in ganz Europa ausgetragen. Nein, es waren keine Nasenbohrer am Start: Ein halbes Grand-Prix-Starterfeld, sonst in Monza, auf dem Nürburgring oder in Spa-Francorchamps unterwegs, fand den Weg in das entlegene Glarner-Bergtal. Und die „Bergprüfungsfahrt“ (Ausschreibung 1922) mit nur 14 echten Rennwagen, mutierte zwei Jahre später zum „Klausenrennen“ mit der Crème de la Crème des internationalen Rennsportes: Rudolf Caracciola, Giulio Masetti, die Mercedes-Cracks Christian Werner und Otto Merz, Louis Chiron, Hans Stuck, Bernd Rosemeyer, Hans Rüesch - und man höre und staune – auch Alfa-Romeo-Werksfahrer und Rennfahrer-Ikone Tazio Nuvolari sind in den Ranglisten zu finden. Das erste Klausen-Memorial, ausgetragen 1993, endete mit einem Paukenschlag: Rodney Felton (GB), Sieger auf einem Alfa Romeo P3, schaffte es nicht (!), den Streckenrekord von Rudolf Caracciola aus dem Jahre 1934 zu brechen. Und dies, obwohl die Strecke zwischenzeitlich asphaltiert und ausgebaut wurde. Was für eine Leistung des Deutschen, der seinen 354 PS starken Mercedes W25 69 Jahre zuvor mit Todesverachtung über die enge Naturstrasse prügelte, an Felswänden und Abgründen vorbei in 15 Minuten und 22 Sekunden sicher ins Ziel lenkte! In einem wahren Hitchkock-Finale schlug Caracciola seinen Erzrivalen aus dem Auto-Union-Rennstall, Hans Stuck, um gerade mal drei Sekunden – und dies notabene nach 21.5 Kilometer Renndistanz. „Mehr war nicht zu machen“, gab damals ein benommener Caracciola am Ziel den Reportern zu Protokoll. Vor zehn Jahren wurde das Rennen aus seinem Dornröschen-Schlaf aufgeweckt. Hinter dem Klausen-Memorial steht mit Bernhard Brägger aus Altdorf ein Mann, der den Mythos „Klausen-Rennen“ aus dem Dornröschen-Schlaf erweckte. Für die Erstauflage 1993 musste er massivste Widerstände aus Kreisen von „Umweltschutzorganisationen“, aber auch von Regierungsräten aus den beiden Kantonen Uri und Glarus überwinden, bevor sich die Rennwagen und ihre Besitzer aus der ganzen Welt ins Glarner-Land aufmachen konnten. Behilflich dürfte ihm dabei der Urner Regierungsrat Peter Mattli gewesen sein, von dem Brägger sagt, er sei wahrscheinlich der einzige europäische Politiker der mal die Hunaudières-Gerade mit über 300 km/h gefahren sei (Mattli gewann 1971 die Prototypen-Wertung der 24-Studen von Le Mans auf einem Porsche 907). Und im vergangenen September konnte Brägger bei durchzogenen Wetterbedingungen (Samstag schön, Sonntag Dauerregen) die dritte Auflage zusammen mit über 30'000 Zuschauern feiern. Gegenüber den ersten beiden Austragungen wurde auch der Modus geändert: Die lange Gerade vor dem Urnerboden diente der Neutralisation – so konnte einer der gefährlichsten Streckenabschnitte entschärft werden, denn die Piloten liessen es sich nicht nehmen, die restliche Strecke „flat out“ zu heizen. Und die beiden Deutschen Konzerne Mercedes und Audi nützten das Klausen-Memorial 2002 zur Imagepflege: Die Stuttgarter brachten das Weltmeister-Auto von Juan-Manuel Fangio aus dem Jahre 1954 an den Start, pilotiert vom ehemaligen Grand-Prix- und Langstrecken-Piloten Jochen Mass. Versprochen hatte Mercedes zwar, mit dem W 154 zu kommen, technische Gebrechen am Caracciola-Auto aus dem Jahre 1934 verhinderten dies. Die Ingolstädter vertrauten den Auto-Union C von 1936 dem jungen DTM-Piloten Martin Tomczyk an, der aber nur sehr verhalten den Pass hochfuhr. Schliesslich, so munkelte man, sei der Auto-UnionRennwagen auf 16 Millionen Euro versichert. Auch Alfisti kamen im Urner- und Glarnerland auf ihre Rechnung. Das Aushängeschild par excellence aus der Mailänder-Manufaktur war die Alfetta aus dem Jahre 1938, gefahren von Carlo Vögele aus Rapperswil (und Sohn des Industriellen und Rennfahrers Charles Vögele, der seine grössten Erfolge in den 60er Jahren feierte) . Das Triebwerk stammt von Gioacchino Colombo, der aus dem 1,5 Liter-8-Zylinder-Kompressor-Motor knapp 200 PS zauberte. Die Alfetta schlug bei ihrem Erscheinen wie eine Bombe ein: Tripolis, Bern, Monza, Monaco, Silverstone – überall siegten die Mailänder-Autos. Prominente „Chauffeure“ klemmten sich hinter das Lenkrad der Alfettas: Villoresi, Biondetti, Varzi, Trossi, Wimille und natürlich die drei gorssen „F“ Farina (Weltmeister 1950), Fagioli und Fangio (Weltmeister 1951). Der Motor wurde über die Jahre permanent weiterentwickelt: 1951 leistete Fangios Weltmeister-Auto sage und schreibe 425 PS! Vögeles Auto ist die einzig erhalten gebliebene Vorkriegs-Alfetta. Das gesamte Alfa-Romeo-Programm aus der Vorkriegszeit war versammelt: Robert Fink trat mit seinem P3 an (Ex-Nuvolari), verschiedene 1500 und 1750 Kompressor-Autos waren ebenso wie 2300, 2500 und 2900-Typen am Start. Vieles lief wieder ab wie damals: Die Fahrzeug-Abnahme wurde auf dem Zaunplatz in Glarus durchgeführt, das Fahrerlager war in Linthal, nur für die Siegerehrung wurde ein neuer Ort gewählt: Der traditionelle Tell-Denkmal-Platz in Altdorf wurde gegen ein Festzelt in Linthal eingetauscht, so war das Handling für die Organisation und die Rennfahrer etwas einfacher. Die unvergleichliche Atmosphäre blieb, da konnte es Regnen wie es wollte, die Kibitze säumten (diszipliniert) die Strecke und liessen sich zu standing-ovations hinreissen. Die Piloten, auf der rutschigen, nassen Fahrbahn mit sich und ihren Autos mehr als beschäftigt, hörten den Applaus zwar nicht, aber die Begeisterung dürfte trotzdem herübergeschwappt sein. Und der Sieger – er war eigentlich nebensächlich! Wichtig war das Ausführen des Rennwagens auf historischem Gelände, dies zur eigenen Freude und derjenigen der Zuschauer. Und da das Klausen-Memorial auf regelmässige Durchschnittszeiten gefahren wurde, interessiert auch der Sieg nicht mehr. Überhaupt: Es dürfte schwierig sein, einen Oldtimer-Anlass mit so hochkarätigen Fahrzeugen zum Vergleich heranzuziehen. Weder die Mille-Miglia (I) noch Goodwood (GB) oder Monterey (USA) weisen eine solche vielfältige PretiosenDichte auf. Die Schweizer Oldtimer-Szene kann sich auf das nächste KlausenMemorial freuen. Wann es stattfinden wird, darauf mochte sich Organisator Bernhard Brägger (noch) nicht festlegen. Thomas Suter