Harvard Business Manager
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Nachdruck aus dem September-Heft 2013 SCHLANKER ENTWICKELN VON MARTIN HERMS UND ANDREAS ROMBERG STRATEGIEN BEST PRACTICE SCHLANKER ENTWICKELN Der sauerländische Hersteller von Elektroinstallationstechnik Albrecht Jung hat seine Entwicklungsabteilung nach Methoden des Lean-Managements neu ausgerichtet. Das Ergebnis: mehr Innovationen in kürzerer Zeit – und eine neue Unternehmenskultur. VON MARTIN HERMS UND ANDREAS ROMBERG E gal ob Bundeskanzleramt oder BMW-Welt in München – wer dort das Licht anmacht, betätigt einen Schalter aus dem Hause Jung. Schon seit 1912 konstruieren und fertigen die Sauerländer Lichtschalter. Doch in den vergangenen Jahren hat der Innovationsdruck merklich zugenommen: In neuen Gebäuden wird der klassische Schalter meist in ein System eingebunden, das neben der Beleuchtung auch Jalousien oder Heizungsund Klimaanlagen reguliert. Moderne Funktechnik kommt dabei genauso zum Einsatz wie die Steuerung über das Internet oder ein Smartphone. Der Lichtschalter wandelt sich zu einem vernetzten Hightech-Produkt für die Raum- und Gebäudesteuerung. Die Albrecht Jung GmbH & Co. KG stand damit vor Herausforderungen: Neue Produkte sollten nicht nur mehr leisten, sondern auch schneller marktreif sein. Da zu musste das Unternehmen seinen bisherigen Innovationsansatz weiterentwickeln, denn bis dahin verfolgte die Forschungs-und-Entwicklungsabteilung (F&E) Hunderte von Projekten, die meist wenig aufeinander abgestimmt waren. Oft waren die Prioritäten unklar, bei den Abläufen fehlte die Transparenz. Auf die zunehmende Komplexität, Elektronik und Vernetzung der Produkte war das System nicht ausreichend vorbereitet. Im Jahr 2009 entschied sich das Management daher, den Innovationsprozess und die F&E-Abteilung, in der heute 47 Mitarbeiter beschäftigt sind, für die Zukunft neu auszurichten. Zur Unterstützung engagierte Jung 2 HARVARD BUSINESS MANAGER SEPTEMBER 2013 die auf Lean-Management spezialisierte Beratungsgesellschaft Staufen, für die einer der Autoren tätig ist. Die Kosten für das Projekt – etwa für Beraterhonorare und Schulungen – lagen im sechsstelligen Euro-Bereich. Als weitaus größeres Investment erwies sich für das Unternehmen, das 2012 mit insgesamt 700 Mitarbeitern einen Umsatz von 150 Millionen Euro erwirtschaftete, der Aufwand, die Belegschaft einzubeziehen, für Veränderungen zu öffnen und die Neuerungen nachhaltig in der Organisation zu etablieren. Die Umstellung wurde zu einem langen Prozess, der drei Jahre dauerte und 2012 zum Abschluss kam. Mittelständische Traditionsunternehmen wie Jung, das im westfälischen Schalksmühle ansässig ist, tun sich mit neuen Methoden häufig schwerer als beispielsweise Konzerne. Das betraf 2009 auch die F&E-Abteilung, die sich als „kreative Herzkammer“ des Betriebs verstand. Immerhin flossen 7 Prozent des Umsatzes in die Entwicklung. Die Mitarbeiter vertraten selbstbewusst ihre Überzeugung, dass kreative Arbeit Freiräu me brauche – individuelle Herangehensweisen an Projekte inklusive. Die Bereitschaft, an der richtigen Balance zwischen kreativem Freiraum und stringenter Projektabwicklung zu arbeiten, war längst nicht bei allen vorhanden. Viele sahen Veränderungen nicht als notwendig an. Diese Einstellung zielte am Problem vorbei. Denn: Kreativität ist ein sehr kurzer Moment – der Rest ist auch in der Entwicklung anspruchsvolle und manchmal zähe Fleißarbeit. Einige Jahre zuvor hatte Jung bereits die Produktion nach den Methoden des Lean-Managements ausgerichtet. Auf diesen Erfahrungen wollte das Unternehmen nun aufbauen und die gleichen Grundsätze auf die Entwicklung übertragen. Lean Development bedeutet im Prinzip: nicht aus dem Bauch heraus entwickeln, sondern nach einem festen, klar strukturierten Plan. Für Mitarbeiter in der Produktion war es beispielsweise selbstverständlich, dass die Firma die Ergebnisse durch Kennzahlen transparent machte. Für die Kollegen in der F&E-Abteilung war dies zum Teil Neuland. ÜBERZEUGUNGSARBEIT LEISTEN Das Management musste zunächst die Bereitschaft bei der Belegschaft wecken, diesen Weg auch mitzugehen. Den Auftakt bildete ein Workshop, bei dem Experten die Grundlagen des Lean Developments erläuterten. Die Teilnehmer erhielten eine gelbe und eine rote Karte, um das Tempo selbst bestimmen zu können. Sie setzten sie beispielsweise ein, um sich von den Referenten Fachbegriffe näher erklären zu lassen. Geduld ist gerade am Anfang eines Lean-Projekts wichtig. Selbst wenn die Methoden in einer Abteilung des Unternehmens funktionieren, heißt das nicht, dass andere Bereiche sie einfach widerspruchslos akzeptieren. Um zu erfahren, wie eine schlanke Entwicklung die Innovationsgeschwindigkeit steigern kann, folgte im nächsten Schritt ein Planspiel. Die Teilnehmer kamen nicht nur aus der F&E-Abteilung, sondern auch aus angrenzenden Bereichen. Die Denkweisen des Lean Developments, so das Ziel, sollten sich im gesamten Unternehmen verbreiten. Das würde es den Entwicklern später erleichtern, mit der neuen Herangehensweise auf Akzeptanz zu stoßen. Das Ergebnis des Planspiels war beachtlich: Während die Mannschaft, die mithilfe klassischer Methoden entwickeln sollte, nur einen Prototypen zustande brachte, lieferte das LeanTeam gleich zwei Vorserienmodelle ab – und zwar in der Hälfte der Zeit. Den Abschluss der Vorbereitung bildete der Besuch bei einem Unternehmen, das bereits auf schlanke Entwicklung umgestellt hatte. Die Atmosphäre auf der Hinfahrt ist den Beteiligten gut in Erinnerung: eine Mischung aus Verunsicherung, Skepsis, reichlich Trotz, aber auch – schließlich waren hier Entwickler auf Reisen – einer gehörigen Portion Neugierde. Auf der Rückfahrt diskutierten die Teilnehmer bereits lebhaft, wie Lean Development auch bei Jung aussehen könnte. Nebenbei gesagt: Heute dient das Jung-Werk im westfälischen Lünen anderen Betrieben selbst als Best-Practice-Ausflugsziel. Im Anschluss an die Sensibilisierungsphase führten die Projektleiter zahlreiche ein- bis eineinhalbstündige Mitarbeiterinterviews, um den Status quo zu ermitteln und Probleme zu identifizieren. Auch hier befragten sie nicht nur Entwickler. Sie unterhielten sich auch mit Kollegen benachbarter Abteilungen wie beispielsweise dem Einkauf, um ein umfassendes Bild zu erhalten. Dabei forderten sie offene Worte der Mitarbeiter ein, damit diese den Handlungsbedarf ungeschminkt deutlich machten. Aus der Analyse der Interviews ergaben sich vier Handlungsfelder: ■ Organisation: Das Unternehmen musste besser auf verkürzte Modellzyklen oder kurzfristige Kundenwünsche reagieren und dafür seine Mitarbeiter in der Forschung und Entwicklung flexibler einsetzen. Multitasking, bei dem Angestellte den Überblick verloren und damit die Endtermine einzelner Projekte gefährdeten, galt es zu vermeiden. ■ Prozesse: Es fehlte an Klarheit darüber, welche Entwicklungen im Fokus lagen. Künftig sollten sich die Mitarbeiter Meilensteine setzen – klare Termine für Abläufe und Entwicklungsprozesse – und nach Standardprojektplänen vorgehen. Außerdem übernahmen Sie mehr Verantwortung: Sie sollten dafür sorgen, dass nachfolgende Stellen ihre Arbeitsergebnisse auch weiterverarbeiteten. ■ Projektmanagement: Jung musste Engpässe – etwa beim Materialeinkauf oder der späteren Serienfertigung – schneller erkennen und die Rolle und die Aufgaben der Projektleiter schärfen. Insgesamt musste sich das Unternehmen auf weniger Projekte konzentrieren. Zudem sollte in Zukunft die Regel gelten: Die Mitarbeiter müssen nicht jede Aufgabe rechtzeitig abschließen, aber es ist für sie absolut entscheidend, jedes Vorhaben termingerecht zu beenden. ■ Führung: Die Führungs- und Unternehmenskultur hat einen wesentlichen Einfluss auf den Innovationserfolg. Wer Prozesse verbessern will, muss vor Ort präsent sein und zu kontinuierlichen Verbesserungen im Tagesgeschäft ermutigen. Jung verschrieb sich daher eine innovationsfördernde Unternehmens- und Führungskultur. Erfahrene Entwickler dienen heute als Mentoren, die junge Kollegen an eigene Lösungen heranführen, statt ihnen bei Problemen das Ruder gleich wieder aus der Hand zu nehmen. PROJEKTE REDUZIEREN Nach der Interviewanalyse war klar: Jung musste das Dickicht Hunderter parallel laufender Entwicklungsprojekte auf ein gesundes Maß reduzieren. Dafür organisierte das Unternehmen einen Priorisierungs-Workshop, den sogenannten Painful Day. Entwickler, aber auch Mitarbeiter aus dem Vertrieb und dem Produktmanagement mussten sich von einigen lieb gewonneSEPTEMBER 2013 HARVARD BUSINESS MANAGER 3 STRATEGIEN BEST PRACTICE KOMPAKT NEUE ANFORDERUNGEN Das Traditionsunternehmen Albrecht Jung aus dem Sauerland ist seit mehr als einem Jahrhundert auf dem Markt. Der Betrieb stellt Komponenten der Gebäudesystemtechnik her, beispielsweise Lichtschalter. Doch der Innovationsdruck hat durch die zunehmende Vernetzung der Haustechnik in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Die herkömm lichen Entwicklungsprozesse im Unternehmen waren dafür zu langsam und zu unstrukturiert. NEUE ABLÄUFE Das Management verschrieb Jung einen neuen Innovationsansatz: Lean Development. Drei Jahre lang arbeitete das Unternehmen daran, seine Abläufe in der Forschung und Entwicklung neu auszurichten. Es führte unter anderem ausführliche Dokumentationspflichten ein, verbesserte die Abstimmung und standardisierte die Projektpläne. Das Ergebnis: Die F&EAbteilung arbeitet jetzt nicht nur schneller, sie ist auch wesentlich produktiver. 4 HARVARD BUSINESS MANAGER SEPTEMBER 2013 nen Ideen verabschieden – für nicht wenige war das ein harter Einschnitt. Im ersten Schritt definierten die Workshop-Teilnehmer, was ein Projekt überhaupt ist. Danach ordneten sie alle Entwicklungsvorhaben einer von fünf Priorisierungsstufen zu: ■Priorität 1: Produkt ist dem Kunden schon versprochen (Messepräsentation mit Liefertermin); ■Priorität 2: Produkt ist dem Vertrieb schon versprochen (Projektfreigabe mit Liefertermin); ■Priorität 3: Produkt ist dem Produktmanagement versprochen (Produkt-Roadmap, Produktsteckbrief); ■Priorität 4: Vor- und Technologieentwicklung (Roadmaps noch ohne Serienprojektbezug); ■Priorität 5: „Die Schublade“, Thema wird eingefroren (Entwicklung schafft einen dokumentierten Abschluss und stellt die Arbeit daran ein). DOKUMENTATION AUSWEITEN Als zentrales Problem vieler Projekte stellte sich heraus, dass die Mitarbeiter Schwierigkeiten, die im späteren Verlauf auftraten, zu spät erkannten. Die nachträgliche Korrektur machte das gesamte Vorhaben teurer und aufwendiger. Jung ging daher dazu über, bereits in der Konzeptphase möglichst viele Informationen zu einem Projekt strukturiert zu sammeln. Darunter fielen beispielsweise Markt- und Technologieanforderungen oder Forderungen aus der Serviceabteilung und der Produktion. Diese Pflicht zu einer umfassenden Dokumentation rief zunächst interne Widerstände hervor: „Sind wir jetzt Schriftsteller oder Entwickler?“, lautete ein Vorwurf der F&E-Mitarbeiter. Richtig ist, dass sich die Konzeptphase eines Projekts durch diesen Ansatz verlängert. Viele Unternehmen veranschlagen 3 Wochen für das Konzept, 50 Wochen für die Realisierung und 12 Wochen für den Anlauf der Serienproduktion. Die Lean-Methode sieht dagegen eher ein Drittel der Zeit für das Konzept, ein Drittel für die Realisierung und ein Drittel für die Validierung vor. Doch die intensive Vorarbeit zahlt sich in späteren Phasen dann aus: Bei Jung hat sich die Gesamtzeit der Entwicklungsprojekte im Schnitt erheblich verringert – in vielen Fällen um rund 30 Prozent, bei manchen sogar um bis zu 50 Prozent. Solche Zeiteinsparungen sind vor allem dann möglich, wenn das Unternehmen von Anfang an auch die Lieferanten und Kunden einbezieht. Das Umdenken weg vom „Das lösen wir später“ hin zum „Das müssen wir sofort lösen“ war allerdings nicht einfach. So wandten Mitarbeiter ein, dass der Betrieb an Flexibilität verliere, weil er bereits zu Projektbeginn die Risiken – und damit auch die Entwicklungsmöglichkeiten – drastisch reduziere. Auch kurze Abstimmungswege würden nicht mehr möglich sein. Die Antwort auf solche Bedenken sind sogenannte Schnellstraßen: klar definierte Prozesse, die Mitarbeiter zügig und ohne ständige Rückkopplung abwickeln können. Im F&E-Bereich betrifft das beispielsweise Sortimentsergänzungen, Vorausentwicklungen oder die nachgelagerte Serienpflege. BEWUSSTER KOMMUNIZIEREN Mit der Priorisierung und der Neugewichtung der Projektphasen hatte Jung bereits zwei wesentliche Voraussetzungen für eine schlanke Entwicklung geschaffen. Die Befragungen der Mitarbeiter hatten jedoch noch ein weiteres Problem ergeben: Die Entwickler klagten darüber, bei ihrer Arbeit immer wieder aus ihrer Konzentration gerissen zu werden. Um der Ursache auf den Grund zu gehen, führten die Beschäftigten daraufhin über mehrere Wochen einen „Störungsticker“: Sie erfassten, was sie wie lange von ihrer Arbeit abhielt. Das Ergebnis war eindeutig: Der größte Störfaktor war die ungeregelte Kommunikation der Angestellten untereinander – Telefonanrufe und E-Mails inklusive. Interne Abstimmungen schickten die Mitarbeiter als wiederkehrende Einzelfragen hin und her, statt sie in einem kurzen Gespräch auf dem Flur außerhalb des Büros zu bündeln. Solche in den Raum geworfenen Fragen machten es immer wieder notwendig, sich neu zu konzentrieren. Arbeitspsychologen gehen davon aus, dass es 10 bis 15 Minuten dauert, bis jemand nach einer Störung den Faden wieder aufnimmt. Der selbst entwickelte Lösungsansatz fiel radikal aus. Zwischen 9.30 Uhr und 12 Uhr herrscht in der Entwicklungsabteilung nun eine Intensivarbeitszeit. Darin verpflichten sich die Beschäftigten, bewusster und zielgerichteter zu kommunizieren sowie spontane Zurufe zu vermeiden. Natürlich existiert kein mehrstündiges Redeverbot, und bei Bedarf gibt es kleinere Besprechungen auch am Vormittag. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel. In jedem Teambüro hat das Unternehmen über der Tür den Hinweis „Intensivarbeitszeit 9.30 Uhr – 12.00 Uhr“ angebracht – und er ist ernst gemeint. Einige Kollegen aus anderen Unternehmensbereichen belächelten dieses Schweigegelübde zunächst. Doch mittlerweile überlegen weitere Abteilungen, diese Regelungen für eine bewusstere Kommunikation zu übernehmen. Heißt das, es findet kaum noch Kommunikation statt? Mitnichten – sie fällt sogar deutlich intensiver aus. Die Entwickler achten viel genauer darauf, dass sich die richtigen Kollegen über die richtigen Themen austauschen. Dazu gehört, genau festzulegen, wer sinnvollerweise an welchen Treffen teilnimmt und wie STREICHEN PRIORITÄTEN SETZEN Der Mittelständler Albrecht Jung verfolgte vor der Umstellung auf Lean-Methoden Hunderte parallel laufende Entwicklungsprojekte. Dann veranstaltete das Unternehmen einen Workshop unter dem Namen „Painful Day“: Die Mitarbeiter priorisierten die Vorhaben, bis auf der Liste nur noch die aussichtsreichsten Projekte übrig blieben. SCHWEIGEN KONZENTRATION ERHÖHEN Ein Prinzip des Lean-Managements lautet Störungsfreiheit. Die Entwickler bei Jung waren jedoch in ihrer täglichen Arbeit ständigen Ablenkungen ausgesetzt. Hauptgrund war die ungeregelte Kommunikation mit den Kollegen. Darauf verordnete sich die Abteilung selbst ein Schweigegelübde: Zwischen 9.30 Uhr und 12 Uhr verpflichten sich die Mitarbeiter, zielgerichteter zu kommunizieren und spontane Zurufe zu vermeiden. SEPTEMBER 2013 HARVARD BUSINESS MANAGER 5 STRATEGIEN BEST PRACTICE die Raumplanung aussieht. Künftig will Jung auch Büros einrichten, über die einzelne Teams für die Dauer ihres Projekts komplett verfügen können – das soll ihnen eine intensivere Arbeit ermöglichen. BESPRECHUNGEN STRAFFEN Die wöchentliche Besprechung zu den Entwicklungsvorhaben findet nicht mehr in einem Konferenzraum, sondern im Flur statt – ohne Stühle, Kaffee oder Kekse. Das fördert nicht Gemütlichkeit und Passivität, sondern eine energievolle, aufmerksame Zusammenarbeit. Als Dokumentation dient eine Multiprojektwand. Auf ihr befinden sich alle laufenden Vorhaben in Form eines Projektblatts. Die Zeitachse besteht aus fünf Phasen: Idee, Konzept, Realisierung, Validierung, Serie. Mit Ampelfarben ist markiert, ob sich ein Projekt im Zeitplan befindet oder nicht. Auch Kollegen aus anderen Abteilungen können sich hier jederzeit schnell einen Überblick verschaffen. Die drei Meter breite Steckwand schlägt in Sachen Visualisierung jede Powerpoint-Präsentation um Längen. Nicht jeder fühlte sich anfangs dabei wohl, den Stand seines Projekts vor den anderen Projektleitern und Entwicklern zu präsentieren. Deshalb hat das Unternehmen hierfür – wie für die anderen Veränderungen auch – ein Qualifizierungsprogramm aufgelegt. Trainer schulen die Beschäftigten in Präsentationstechniken, Konfliktmanagement und Teamarbeit. FAZIT Für die Mitarbeiter sind die Methoden des Lean Developments heute zur Selbstverständlichkeit geworden. Der Erfolg gibt dem Unternehmen recht: Vorher entwickelte Jung rund 10 Innovationen pro Jahr, nun sind es bis zu 20 – bei deutlich kürzerer Entwicklungszeit. Es hat ein Kulturwandel eingesetzt, der sich sogar in der Außendarstellung niederschlägt. So hatte sich Jung beispielsweise nie um Innovationspreise bemüht. 2012 hingegen wurde Jung in dem Bereich erstmalig prämiert: Beim international anerkannten Plus-X-Award, der Produkte aus den Bereichen Technologie, Sport und Lifestyle auszeichnet, wählte die Jury das Unternehmen zur innovativsten Marke des Jahres. Das Raumbediengerät Smart Control wurde darüber hinaus zum besten Produkt gekürt – ein Gerät mit Touchscreen-Oberfläche, mit dem sich das Licht dimmen, die Jalousien herunterfahren und die Temperatur einstellen lässt. 2013 gewann das Unternehmen erneut mehrere Innovationspreise. Jung galt vorher schon als qualitätsorientierte Premiummarke. Dank ihrer schlanken Entwicklung kann sich die Firma nun auch mit dem Image schmücken, besonders innovativ zu sein. 6 HARVARD BUSINESS MANAGER SEPTEMBER 2013 SERVICE LITERATUR DONALD REINERTSEN: The Principles of Product Development Flow, Celeritas Publishing 2009. ANDREAS ROMBERG: Schlank entwickeln, schnell am Markt, Log_x 2010. HBM ONLINE STEFAN THOMKE, DONALD REINERTSEN: Die sechs Mythen der Produktentwicklung, in: Harvard Business Manager, Juli 2012, Seite 68, Nachdrucknummer 201207068. CHRISTOPH H. LOCH ET AL.: Das Prinzip der roten Karte, in: Harvard Business Manager, Januar 2012, Seite 44, Nachdrucknummer 201201044. JENS-UWE MEYER: Mut zur Geschwindigkeit, in: Harvard Business Manager, Oktober 2010, Seite 108, Nachdrucknummer 201010108. KONTAKT [email protected] NACHDRUCK Nummer 201309060 oder www.harvardbusinessmanager.de © 2013 Harvard Business Publishing MARTIN HERMS ist seit 2007 Geschäftsführer der Firma Albrecht Jung. Zuvor war er in verschiedenen Führungspositionen in der Automobil- sowie der Automatisierungsindustrie tätig. ANDREAS ROMBERG arbeitet seit 2003 als Berater und Managementtrainer bei der Unternehmensberatung Staufen AG und leitet dort die Geschäftseinheit Lean Innovation und Lean Development. Davor war er 15 Jahre lang in der Automobilzulieferindustrie beschäftigt.