November 2012 Friedhöfe in Berlin: Wo die Toten
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November 2012 Friedhöfe in Berlin: Wo die Toten
S4 DIE STADT DER TAGESSPIEGEL Wo die Toten Wo ruhen 1946–47 angelegt 2 WALDFRIEDHOF DAHLEM Gartendenkmal In Berlin gibt es mehr als 200 Friedhöfe – mit Millionen von Biografien. Eine Auswahl zum Totensonntag 2012 HILDEGARD KNEF * 28. 12. 1925 ✝ 01. 02. 2002 – „Für dich wird es immer tausend rote Rosen regnen in unserer, deiner Stadt Berlin“, sagte Klaus Wowereit bei der Trauerfeier für die Schauspielerin. Am Grab zündete Nina Hagen Räucherstäbchen an und warf einen goldenen Schal hinein. Streicher der Berliner Philharmoniker und des Deutschen SymphonieOrchesters spielten den Beatles-Song „Yesterday“. WILLY BRANDT Bundeskanzler (1969–1974) * 18. 12. 1913 ✝ 08. 10. 1992 WOLFGANG MÜLLER * 14. 12. 1922 ✝ 26. 04. 1960 & WOLFGANG NEUSS * 03. 12. 1923 ✝ 05. 05. 1989 – Sie waren als KabarettPartner unterwegs und traten gemeinsam in Spielfilmen wie „Das Wirtshaus im Spessart“ auf: Wolfgang Müller und Wolfgang Neuss. Müller kam 1960 während Dreharbeiten in der Schweiz bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. „Jetzt brauchen wir Sie auch nicht mehr!“, hieß es daraufhin gegenüber Neuss. Als er fast 30 Jahre später starb, wurde er auf seinen Wunsch hin neben dem Filmpartner auf dem Waldfriedhof Zehlendorf beigesetzt. Wer das Grab von Neuss heute sucht, muss das wissen – denn einen offiziellen Grabstein gibt es nicht, nur das übliche kleine Hinweisschild. ERNST REUTER Bürgermeister West-Berlins * 29. 07. 1889 ✝ 29. 09. 1953 Text: Kaspar Heinrich Grafik: Viola Schmieskors BERND ROSEMEYER * 14. 10. 1909 ✝ 28. 01. 1938 & ELLY BEINHORN * 30. 05. 1907 ✝ 28. 11. 2007 – Ein Paar auf der Überholspur waren Bernd Rosemeyer und Elly Beinhorn. Er Rennfahrer, sie Fliegerin. Ihr Eheglück zerbrach jäh, als Rosemeyer im Januar 1938 in seinem Wagen mit rund 430 km/h vom Wind erfasst wurde, sich das Auto mehrfach überschlug und der Fahrer auf der Stelle seinen Verletzungen erlag. Knapp siebzig Jahre später erst war das Paar wieder vereint, als Beinhorn mit 100 Jahren starb und neben ihrem Mann begraben wurde. Kommt, reden wir zusammen / wer redet, ist nicht tot. G OT T F R I E D B E N N * 02. 05. 1886 † 07. 07. 1956 ERICH MÜHSAM * 06. 04. 1878 ✝ 10. 07. 1934 & KRESZENTIA MÜHSAM * 27. 07. 1884 ✝ 10. 03. 1962 – „Und wenn ein Jahr verflossen, dann, die ihr lauft und hinkt, Zechbrüder und Genossen, der Tag sei froh begossen“, schrieb der Schriftsteller und Anarchist Erich Mühsam über seinen Tod. Treue Anhänger folgen ihm in diesem Wunsch und versammeln sich am 10. Juli an seinem Grab. Mühsam war 1934 nach monatelanger Folter im KZ Oranienburg ermordet worden. Seine Witwe „Zenzl“ lag nach ihrem Tod 30 Jahre auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde und konnte erst nach der Wiedervereinigung an der Seite ihres Mannes bestattet werden. Jakob Kaiser, Julius Leber, Paul Löbe, Günter Pfitz- Heinz Berggruen, Klaus Gysi, mann, Erwin Piscator, Harald Juhnke, Karl Schmidt- Hans Scharoun, Otto Suhr 1810 ruhen Rottluff, Renée Sintenis 3 7- ALTE R S T.-MATTHÄUS -KIRCHHOF 3 8- FRIE D HÖFE V OR D E M HALLE S CHE N TOR 9- D OROTHE E NS TÄD TIS CHE R FRIE D HOF 2 C 1 9 B 10 F 11 7G8 6 A D- ULRIKE ME INHOF E- KÖNIGIN LUIS E V ON PRE US S E N F- S IE GMUND BRE ITBART G- AD OLPH V ON ME NZ E L D 11- Z E NTRALFRIE D HOF FRIE D RICHS FE LD E 4 5 6 7 FRIEDHOF RUHLEBEN WALDFRIEDHOF HEERSTRASSE FRIEDHOF STUBENRAUCHSTRASSE ALTER ST.MATTHÄUS-KIRCHHOF mit Krematorium 1924 eröffnet „Künstlerfriedhof“ Hier wurde 2003 das erste buddhistische Gräberfeld Berlins eröffnet. Ein Buddha wacht über die Toten, in Form einer über vier Meter hohen Marmorstatue. Die Bestattungen laufen meist lockerer ab als christliche, Räucherstäbchen und Opferschalen mit Obst gehören dazu. VICCO VON BÜLOW (LORIOT) * 12. 11. 1923 ✝ 22. 08. 2011 – Gelbe Quietscheentchen und Möpse aus Porzellan auf dem Grabstein: Nach der Bestattung von Vicco von Bülow im August 2011 huldigten Fans dem Humoristen mit Anspielungen auf den berühmten Sketch „Herren im Bad“ und mit Loriots Lieblingshund. JONNY K. Schüler und Gewaltopfer * 07. 04. 1992 ✝ 15. 10. 2012 MINNA BRAUN * 1896 ✝ 1922 – Die Krankenschwester Minna Braun hatte 1919 genug vom Leben und nahm eine Überdosis Schlafmittel. Sie wurde leblos an der Havelchaussee gefunden und in der Leichenhalle eingesargt. Doch am nächsten Tag entdeckte ein Polizist, wie sich ihr Kehlkopf bewegte und ließ sie ins Krankenhaus bringen, wo die Scheintote erwachte. Drei Jahre später dosierte Braun das Schlafmittel effektiver – und starb daran. E 45 6- FRIE D HOF S TUBE NRAUCHS TRAS S E 10- JÜD IS CHE R FRIE D HOF WE IS S E NS E E S5 C- HE INRICH V ON KLE IS T 5- WALD FRIE D HOF HE E RS TRAS S E „Selbstmörderfriedhof“ CHRISTA PÄFFGEN (NICO) * 16. 10. 1938 ✝ 18. 07. 1988 – Als Christa Päffgen mit 18 Jahren auf dem Friedhof Grunewald-Forst zu ihrer Mutter Margarete sagte: „Hier will ich mal begraben sein, neben dir“, war sie noch keine Sängerin von Velvet Underground, noch keine Schauspielerin in Fellinis „La Dolce Vita“ – und noch nicht unter dem Namen „Nico“ weltweit bekannt. Nach einem Leben voller Drogen und Alkohol stürzte sie am 18. Juli 1988 auf Ibiza vom Fahrrad und starb an einer Gehirnblutung. B- PE TE R FE CHTE R 4- FRIE D HOF RUHLE BE N FRIEDHOF GRUNEWALD-FORST In der Nähe des Friedhofs macht die Havel einen Knick, schon vor über hundert Jahren wurden dort die Leichen von Selbstmördern angetrieben. Weil deren Beerdigung auf einem christlichen Friedhof verboten war, begrub man sie im Wald – und es entstand ein neuer Friedhof, auf dem sich heute jeder bestatten lassen kann. A - OTTO LILIE NTHAL 2- WALD FRIE D HOF D AHLE M RAINER HILDEBRANDT * 14. 12. 1914 ✝ 09. 01. 2004 – Zu Lebzeiten gründete Rainer Hildebrandt das Mauermuseum am Checkpoint Charlie, nach dem Tod wollte er neben seinem Freund Albrecht Haushofer beerdigt werden, einem von der SS im April 1945 ermordeten Widerstandskämpfer. Das Problem dabei: Der Friedhof für die Opfer von Krieg und Militarismus in Moabit ist seit 1952 für Neubestattungen geschlossen – daher wurde der Wunsch vom Bezirksamt nicht erfüllt. Seine Ehefrau bleibt hartnäckig: Die Urne Hildebrandts steht seit dessen Einäscherung im Krematorium Ruhleben, weil die Witwe keinen anderen Beisetzungsort akzeptiert. VALESKA GERT * 11. 01. 1892 ✝ ~15. 03. 1978 – Als die Tänzerin und Schauspielerin im März 1978 von Nachbarn und Bekannten mehrere Tage lang nicht gesehen worden war, öffnete man gewaltsam ihre Haustür auf Sylt – und fand ihre Leiche. Sie wurde in ihrer Geburtsstadt Berlin beerdigt, allerdings nicht „in einem knallroten Sarg“, wie sie es sich gewünscht hatte. Immerhin war der Sarg mit einem roten Tuch bedeckt und den schwarzen Grabstein ziert ihr Namenszug in Pink. HELMUT NEWTON * 31. 10. 1920 ✝ 23. 01. 2004 – Der Fotograf Helmut Newton, bekannt vor allem durch weibliche Aktbilder, starb im Januar 2004 in Los Angeles nach einem Unfall mit seinem Cadillac. Auf eigenen Wunsch hin wurde er in Berlin bestattet, wo er 1920 als Helmut Neustädter geboren worden war. Den Trauerzug führte eine kleine Kapelle an, die das Lied „Mackie Messer“ aus der „Dreigroschenoper“ spielte, um die Beerdigung nicht todernst erscheinen zu lassen. KLAUSJÜRGEN WUSSOW * 30. 04. 1929 ✝ 19. 06. 2007 & GUSTAV „BUBI“ SCHOLZ * 12. 04. 1930 ✝ 21. 08. 2000 – Am achten Todestag des Boxers Bubi Scholz wurde sein Sarg exhumiert und vom Zehlendorfer Waldfriedhof nach Charlottenburg überführt. Grund waren die Träume seiner Witwe Sabine Wussow: „Bubi ist mir erschienen und hat wieder und wieder gefragt, wieso ich ihn so weit abgeschoben habe“, sagte die Witwe von Scholz und Klausjürgen Wussow damals in einem Interview. PAUL CASSIRER * 21. 02. 1871 ✝ 07. 01. 1926 & TILLA DURIEUX * 18. 08. 1880 ✝ 21. 02. 1971 – Als sich die Schauspielerin Tilla Durieux nach sechzehn Ehejahren vom Verleger und Galeristen Paul Cassirer scheiden lassen wollte, nahm der sich aus lauter Verzweiflung mit einem Schuss in die Brust das Leben. Obwohl Durieux noch einmal heiratete, ließ sie sich nach ihrem Tod neben Cassirer begraben. In ihren Memoiren schrieb sie: „Meine Augen haben durch ihn die Herrlichkeit der Welt gesehen, aber auch die verzweifeltsten Tränen geweint.“ 9 10 11 FRIEDHÖFE VOR DEM HALLESCHEN TOR DOROTHEENSTÄDTISCHER FRIEDHOF JÜDISCHER FRIEDHOF WEISSENSEE ZENTRALFRIEDHOF FRIEDRICHSFELDE 1856 eingeweiht Gräber von 4 Gemeinden 1762 angelegt mehr als 115.000 Gräber „Sozialistenfriedhof“ RIO REISER * 09. 01. 1950 ✝ 20. 08. 1996 – Vor dem schnöden Mammon macht auch die Totenruhe nicht Halt: Nachdem der ehemalige Hof des Musikers Rio Reiser (Ton Steine Scherben) im nordfriesischen Fresenhagen verkauft worden war, mussten sein Leichnam, der Grabstein und der Grabschmuck am 11. Februar 2011 auf den Alten St.Matthäus-Kirchhof umgebettet werden. Sein altes Grab wurde eingeebnet. KURT MÜHLENHAUPT * 19. 01. 1921 ✝ 16. 04. 2006 – Der Berliner Maler sah in den Friedhöfen am Halleschen Tor vor allem einen Park, in dem die Kreuzberger gerne spazieren gehen. „Damit er nicht so traurig aussieht“, gestaltete er die Grabsteine seiner Eltern und der Schwester selbst – im für ihn typischen naiven Stil. Und auch seinen eigenen. Beerdigt wurde er samt Markenzeichen, einem roten Hut. WIDERSTANDSKÄMPFER ✝ 21. 07. 1944 – Graf Stauffenberg und seine Mitstreiter wurden nach ihrem Attentat auf Adolf Hitler im Bendlerblock erschossen und noch in derselben Nacht auf dem St.-Matthäus-Kirchhof begraben. Schon am nächsten Tag wurden die Toten von der SS wieder exhumiert, während eines fingierten Fliegeralarms im Krematorium Wedding verbrannt und die Asche auf Rieselfeldern verstreut. Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich die gleichen Fehler machen. Aber ein bisschen früher, damit ich mehr davon habe. RUDOLF VIRCHOW * 13. 10. 1821 ✝ 05. 09. 1902 – Auf dem Weg zu einem Vortrag sprang der Arzt mit 80 Jahren aus einer fahrenden Straßenbahn und brach sich dabei den Oberschenkelhals. Der Bruch heilte, von den Folgen des Sturzes erholte er sich jedoch nicht mehr. Nach zwei Kuraufenthalten starb er in seiner Berliner Wohnung. Sogar Kaiser Wilhelm II. schickte ein Beileidstelegramm. MARLENE DIETRICH * 27. 12. 1901 † 06. 05. 1992 Horst Buchholz, Dietrich Georg Kolbe, Joachim Ringelnatz GRAB MIT VIELEN NAMEN – Das „Grab mit vielen Namen“ richtete der verstorbene Pfarrer Joachim Ritzkowsky vor zehn Jahren auf dem Friedhof am Halleschen Tor ein. Hier finden Obdachlose einen Begräbnisplatz, ihr Name wird auf einem gemeinsamen Grabstein eingraviert. Ritzkowsky selbst ließ sich 2003 im Gemeinschaftsgrab bestatten, über 500 Menschen kamen zur Trauerfeier. Noch gibt es nur Platz für 40 Urnen, bald schon soll aber eine zweite Grabstätte entstehen. CARL ANDREAS JULIUS BOLLE Gründer der Meierei C. Bolle * 01. 09. 1832 ✝ 28. 09. 1910 GEORGE GROSZ Berliner Maler und Grafiker * 26. 07. 1893 ✝ 06. 07. 1959 Fischer-Dieskau, Arno Holz, 8 E.T.A. HOFFMANN * 24. 01. 1776 ✝ 25. 06. 1822 – Mit einer Flasche Schaumwein erklomm der Schauspieler Ludwig Devrient im Juni 1822 die Friedhofsmauer und lief zum Grab seines Freundes, des Dichters E.T.A. Hoffmann. Die Hälfte der Flasche goss er über das Grab, die andere Hälfte trank er – und rief dem Toten wütend zu: „Komm raus, du!“ Fotos: Kitty Kleist-Heinrich (2), p-a/dpa (5), p-a/akg-images (2), p-a/United Archiv, p-a/Jörg Kolbe, dapd (2), STR/AP/dapd, bpk, Cinetext Bildarchiv WALDFRIEDHOF ZEHLENDORF Toten 1- W A L D F R I E D H O F Z E H L E N D O R F 3- FRIE D HOF GRUNE WALD -FORS T die 1 NR. 21 524 / SONNTAG, 25. NOVEMBER 2012 Max Bruch, Jacob & Wilhelm Grimm, Ovo Maltine, Alfred Messel, Heinrich von Treitschke David Gilly, Henriette Herz, Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, Felix Mendelssohn Bartholdy, Ernst Schering, Rahel Varnhagen von Ense FRITZ TEUFEL * 17. 06. 1943 ✝ 06. 07. 2010 – Als die Urne Teufels nach seiner Einäscherung vom Friedhof verschwand, vermutete die Polizei Grabschändung. Doch die Überreste des Ex-Kommunarden wurden schon bald gefunden: am Grab Rudi Dutschkes auf dem Dahlemer St.-Annen-Kirchhof. Unbekannte hatten sich einen Spaß erlaubt und die beiden Politaktivisten posthum zusammengebracht. Der jüdische Glaube verlangt – wie auch der islamische – die ewige Totenruhe (während in Berlin nur eine Liegezeit von 20 Jahren gesichert ist). Die Gräber werden daher nie „abgeräumt“. Außerdem sind sie stets nach Osten ausgerichtet, dorthin also, wo Jerusalem liegt. Wer als Mann einen jüdischen Friedhof betritt, muss eine Kopfbedeckung tragen, außerdem ist es üblich, sich nach dem Besuch die Hände zu waschen. Der Brauch, Steine auf die Grabsteine zu legen, stammt vermutlich noch aus einer Zeit, in der man die Gräber gegen Tiere schützen musste. Der Friedhof in Weißensee ist der größte noch bestehende jüdische Friedhof in Europa. Er wurde im Jahr 1880 eingeweiht und erstreckt sich über eine Fläche von 42 Hektar. JOHANNES RAU Bundespräsident (1999–2004) * 16. 01. 1931 ✝ 27. 01. 2006 BERTOLT BRECHT * 10. 02. 1898 ✝ 14. 08. 1956 – Brecht hatte große Angst davor, scheintot begraben zu werden und im Sarg aufzuwachen. Wegen seines Misstrauens gegenüber den Ärzten verlangte er, dass man ihm nach seinem Tod mit einem Messer ins Herz sticht – was dann auch getan wurde. ROSA LUXEMBURG * 05. 03. 1871 ✝ 15. 01. 1919 & KARL LIEBKNECHT * 13. 08. 1871 ✝ 15. 01. 1919 – Ist sie’s oder ist sie’s nicht? Diese Frage stellte sich 2009, als eine Wasserleiche in der Rechtsmedizin der Charité untersucht wurde. Rosa Luxemburg war nach ihrer Ermordung in den Landwehrkanal geworfen worden, der Aufbewahrungsort der Leiche danach unklar – doch die unbekannte Tote sei sie wohl nicht, lautete das Ergebnis der Untersuchungen. Eine Grabstätte auf dem „Sozialistenfriedhof“ hat Luxemburg in jedem Fall, gemeinsam mit Karl Liebknecht. Als Anführer des Spartakusbundes und Gründer der Kommunistischen Partei waren beide 1919 für den bewaffneten „Januaraufstand“ verantwortlich – und wurden nach dessen Niederschlagung von Freikorpssoldaten umgebracht. Tausende Linke pilgern jeden Januar zu den Gräbern. SIGMUND ASCHROTT * 14. 06. 1826 ✝ 05. 05. 1915 – Für jüdische Grabstätten gilt eigentlich die Regel: so schlicht wie möglich! Denn nach dem Tod sollen keine sozialen Unterschiede mehr deutlich werden. Der Kaufmann Sigmund Aschrott hielt sich nicht ganz daran, sein Mausoleum aus rotem Granit mit pyramidenförmigem Turm und innen vergoldeter Kuppel gilt als eines der prächtigsten in ganz Berlin. WEITERE GRÄBER IN BERLIN –B– PETER FECHTER * 14. 01. 1944 – ✝ 17. 08. 1962 –A– OTTO LILIENTHAL * 23. 05. 1848 – ✝ 10. 08. 1896 „Opfer müssen gebracht werden“ Am 9. August 1896 machte der Flugpionier einen seiner Sprünge vom Gollenberg, etwa 70 Kilometer nordwestlich von Berlin gelegen. „Weite Luftsprünge“ ließen sich von dort aus machen, hatte Lilienthal festgestellt. Doch nach rund 3000 Versuchen verließ ihn an diesem Tag das Glück: Aus etwa 15 Metern Höhe stürzte er ab und brach sich dabei vermutlich das Genick. Noch bei Bewusstsein wurde er mit einem Pferdewagen in einen Gasthof im nahegelegenen Ort Stölln gebracht. Als sein Bruder aus Berlin eintraf, konnte der Verunglückte noch sprechen, später wurde er in ärztlicher Begleitung im Güterwagen liegend nach Berlin transportiert. Während des Transportes fiel er ins Koma und erlag am folgenden Tag seiner schweren Verletzung. Über Lilienthals letzte Worte herrscht Unklarheit. Von Augenzeugen ist überliefert, er habe gesagt: „Ich muss etwas ausruhen, dann machen wir weiter.“Eine andere, ähnlich lakonische Version ist auf dem Grabstein verewigt: „Opfer müssen gebracht werden“. FRIEDHOF LANKWITZ FRIEDHOF DER AUFERSTEHUNGSGEMEINDE IN WEISSENSEE –C– HEINRICH VON KLEIST * 10. 10. 1777 ✝ 21. 11. 1811 „Er lebte, sang und litt in trüber, schwerer Zeit, er suchte hier den Tod und fand Unsterblichkeit.“ Die Revolution sagt: ich war, ich bin, ich werde sein! ROSA LUXEMBURG * 05. 03. 1871 † 15. 01. 1919 –D– ULRIKE MEINHOF * 07. 10. 1934 – ✝ 09. 05. 1976 Nur der Dreifaltigkeitsfriedhof III in Mariendorf war 1976 bereit, der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof die letzte Ruhe zu gewähren, nachdem sie sich in ihrer Zelle der JVA Stuttgart-Stammheim erhängt hatte. Die Trauerrede hielt der Theologe Helmut Gollwitzer, und in einem am Grab verlesenen Telegramm bezeichnete der Dichter Erich Fried Ulrike Meinhof als „die bedeutendste Frau in der deutschen Politik seit Rosa Luxemburg“. Im Jahr 2002 wurde auch Meinhofs Gehirn eingeäschert und bestattet. Es war ihr nach dem Suizid entnommen und – ohne das Wissen ihrer Angehörigen – in Tübingen und Magdeburg untersucht worden. INSCHRIFT DES GRABSTEINS AM KLEINEN WANNSEE DREIFALTIGKEITSFRIEDHOF III IN MARIENDORF –F– SIEGMUND BREITBART * 22. 02. 1893 ✝ 12. 10. 1925 –E– KÖNIGIN LUISE VON PREUSSEN * 10. 03. 1776 – ✝ 19. 07. 1810 AUGUST BORSIG * 23. 06. 1804 ✝ 06. 07. 1854 – Heute ist es kaum noch vorstellbar, dass zehntausend Menschen beim Begräbnis eines Unternehmers die Straße säumen. Dem Sarg des „Lokomotiven-Königs“, der den 14-Stunden-Tag abgeschafft hatte, folgten 1854 sowohl Arbeiter der Borsigwerke als auch die der befreundeten und konkurrierenden Eisenfabriken und Werkstätten. Johannes R. Becher, Bärbel Bohley, Klaus Bonhoeffer, Thomas Brasch, Hanns Eisler, Johann Gottlieb Fichte, Günter Gaus, John Heartfield, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Ernst Litfaß, Heinrich Mann, Herbert Marcuse, Bernhard Minetti, Heiner Müller, Christian Daniel Rauch, Johann Gottfried Schadow, Karl Friedrich Schinkel, Anna Seghers, Friedrich August Stüler, George Tabori, Helene Weigel, Christa Wolf, Arnold Zweig Ein Ehrengrab für den DDR-Flüchtling und Mauertoten Peter Fechter? Nein, entschied der Senat 2005, 2010 und auch in diesem Jahr. Es würden nur Verstorbene berücksichtigt, „die besondere Verdienste um Berlin erworben haben und über Berlin hinaus hervorragende Leistungen vollbracht haben“, heißt es in einem Schreiben der Senatskanzlei. Fechter war am 17. August 1962 als 18-Jähriger bei einem Fluchtversuch von DDR-Grenzsoldaten erschossen worden und verblutete auf dem Grenzstreifen. Sein Grab auf dem Friedhof der Auferstehungsgemeinde an der Indira-Gandhi-Straße ist als Grabstätte eines Opfers von Krieg und Gewaltherrschaft anerkannt, wodurch er ein dauerndes Ruherecht besitzt. Der „Eisenkönig“ trat in einer Gladiatorenrüstung auf, zerbrach Hufeisen und schlug sich Nägel in den Körper. Er galt als stärkster Mann der Welt und starb mit 32 Jahren an einer Blutvergiftung, nachdem er sich bei einem Auftritt einen Stahlbolzen ins Knie getrieben und sich die Wunde entzündet hatte. ADASS-JISROEL-FRIEDHOF IN WEISSENSEE –G– ADOLPH VON MENZEL *08. 12. 1815 – ✝09. 02. 1905 MAUSOLEUM IM PARK DES SCHLOSSES CHARLOTTENBURG Samuel Fischer, Stefan Heym, Otto Grotewohl, Wilhelm Adolf Jandorf, Liebknecht, Wilhelm Hermann Tietz, Lesser Ury Pieck, Walter Ulbricht Schon am Neujahrstag 1905 hatte der Maler einen vielsagenden Gruß an Kaiser Wilhelm II. geschickt: „Die letzte Stunde ist vor der Tür! Schütze der Himmel Eure Majestät und Ihr ganzes Haus und unser Deutsches Vaterland!“ Als Menzel dann im Februar starb, ordnete der Regent ein Staatsbegräbnis an und folgte mit seiner Familie dem Sarg. DREIFALTIGKEITSFRIEDHOF II IN KREUZBERG