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Populäre Volksmusik – regional verwurzelt? Bernd Adamek-Schyma und Sabine Tzschaschel Die große Beliebtheit von populärer volkstümlicher Musik in Live-Veranstaltungen und Fernsehübertragungen beweist ein anhaltendes Interesse an dieser Musik, die als regional verankert inszeniert, dargestellt und wahrgenommen wird. Aufsetzend auf regionalen Musiktraditionen hat sich aus Popularisierungen traditioneller Musik verschiedener Landstriche ein bedeutendes Segment des Musikmarktes entwickelt, wobei Instrumentierungen, Musikformen sowie musikalische Motive flexibel modifiziert und angepasst werden. Ergänzend zu dieser musikalischen Form stellt sich die populäre Volksmusik insgesamt durch das Erscheinungsbild der Interpreten, d.h. die Kleidung, die äußere Ausstattung und den Dialekt dar, oftmals mit einer Betonung und Verfestigung von regionalen und kulturellen Klischees, die ein emotionales Bedürfnis eines bestimmten Publikums nach heiler Welt, Identifikation mit Heimat, Region und Nation, nach Bodenständigkeit und beschaulicher Alltäglichkeit befriedigen. Die populäre volkstümliche Musik bildet ein ansehnliches Segment der Populäre Volksmusiksendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen 2004/05 nach den Landesrundfunkanstalten Kiel 90,3 Schlagernacht 2004 Das Große Wunschkonzert Extra Die Musikshow 4 1 1 1 1 Hamburg Aber bitte mit Musik Bremen Schlagermarkt mit Carlo Norddeutscher Rundfunk Radio Bremen Achims Hitparade Hannover 10 Magdeburg Klingendes NRW Musiklegenden Westdeutscher Rundfunk 10 Musikantenstadl Hessischer Rundfunk 10 Kein schöner Land Radio Berlin Brandenburg 5 Sonntagskonzert Düsseldorf Musikantendampfer 11 Feste der Volksmusik 19 5 BERLIN Potsdam 4 16 Zauberhafte Heimat 1 Die Schlager des Dresden Jahres 2004 11 Erfurt Mitteldeutscher Rundfunk Lustige Musikanten Zahl der Volksmusiksendungen 19 Wiesbaden Einschaltquoten zum Abwinken Mainz 15 Saarländischer Rundfunk 10 12 Saarbrücken Immer wieder Sonntags Staatsgrenze Ländergrenze Landeshauptstadt Verdichtungsraum 7 Stuttgart Straße der Lieder Melodien der Berge 2 2 Weiß-Blau klingt's am schönstenErntedank 5 Bayerischer Rundfunk 0 2 mm Säulenhöhe =^ 1 Sendung München Südwestrundfunk Rundfunkanstalten überregional ARD, ZDF Bodensee regional und überregional regional Autor: B. Adamek-Schyma S. Tzschaschel Landesrundfunkanstalten © Leibniz-Institut für Länderkunde 2006 104 Hessischer der ARD Rundfunk Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Leben in Deutschland 0 25 50 deutschen Musikwirtschaft: von den 2001 in Deutschland verkauften 245 Mio. Tonträgern und dem Gesamtumsatz von rund 2,4 Mrd. Euro entfielen auf sie etwa 2,5%, d.h. 57,6 Mio. Euro. In den letzten Jahren lagen die Zahlen wegen der allgemeinen starken Umsatzrückgänge auf dem deutschen Phonomarkt entsprechend niedriger, jedoch hatte die Volksmusik 2005 immer noch einen Anteil von 2% am Gesamtumsatz von 1,5 Mrd. Euro. Die anhaltende Popularität und mediale Präsenz von Volksmusik spiegelt durchaus den allgemeinen Trend wider, nach dem laut Bundesverband der phonographischen Wirtschaft „deutsche Musik besonders erfolgreich“ ist und 2005 mit 35% Chartsanteil ein neuer Rekord für nationale Albenproduktionen zu verzeichnen war. Zu trennen ist die hier angesprochene, besonders bei Großveranstaltungen und medial vermittelte populäre Volksmusik von der lokal praktizierten Laienund Hausmusik, die auf kleineren Veranstaltungen oder privat dargeboten wird, sowie von der in den letzten Jahren ebenfalls erstarkten musikalischen Bewegung zu traditionellen Instrumenten, alter folkloristischer Musik und der unter Weltmusik laufenden internationalen Folklore, die hier alle nicht weiter thematisiert werden sollen. Nicht klar zu trennen ist die populäre Volksmusik dagegen von der Schlagermusik. Nicht nur, dass oftmals Schlager- und Volksmusikstars in der gleichen Fernsehsendung auftreten, auch allgemein ist musikalisch eine Tendenz zu vielfältigen Mischformen zu verzeichnen – z.B. populäre Volksmusik mit Dance-, Rock- oder Jazz-Anleihen. Es ist hier also nicht von einem klar umrissenen Genre „populäre Volksmusik“ die Rede, sondern von populärer volkstümlicher Musik im weitesten Sinne. 75 Maßstab 1 : 5 000 000 100 km Volksmusiksendungen in den öffentlich-rechtlichen Sendern haben Konjunktur. Die ARD-Serie „Musikantenstadl“ bannt bis zu einem Fünftel der nationalen Fernsehgemeinde am Samstag Abend vor den Bildschirm . Besonders das ostdeutsche Publikum scheint ein großes Nachfragepotenzial zu bilden, das beim MDR für Einschaltquoten bis zu 23% auf den besten Sendeplätzen am Samstag- oder Sonntagabend sowie für ein entsprechend präsentes Angebot von Volksmusiksendungen sorgt. Erstaunlich gering ist dagegen das Angebot im Bayerischen Fernsehen . Ob hier der Bedarf an Folkloristischem bereits im Alltag gedeckt wird, die Radiosender ein Großteil der Nachfrage befriedigen oder der per Kabel und Sa- Volksmusikkünstler im Fernsehen 2005 Legende siehe Kartenseite Radio Bremen Karel Gott Nana Mouskouri Peter Kraus Norddeutscher Rundfunk (NDR) Claudia Jung Bernhard Brink Brunner & Brunner Albert Hammond Roland Kaiser Andrea Berg Westdeutscher Rundfunk (WDR) Marina Edelhagen das Landesblasorchester NRW Margot Eskens Basta (A-capella Gruppe) Graham Bonney Gunter Gabriel Rabaue Südrundfunk (SR) Grenzlandchor Arnoldstein Günter Wewel Südwestrundfunk (SWR) Hansi Hinterseer Wildecker Herzbuben Gotthilf Fischer Eva Lind Stefanie Hertel Ireen Sheer Hein Simons Kristina Bach Roberto Blanco Claudia Jung Johannes Kalpers Jürgen Marcus Mary Roos Lena Valaitis Klostertaler Feldberger Wind Kinderchor Oberkirch 0 1 2 3 4 5 6 7 © Leibniz-Institut für Länderkunde 2006 Auftritte tellit in Deutschland längst ubiquitäre MDR keine Wünsche mehr offen lässt, sei dahingestellt. Beobachtern der Szene und besonders der medial vermittelten Szene fällt dabei auf, dass die als Events inszenierten Volksmusikveranstaltungen in großen, rustikal gestalteten Hallen und festzeltartig gestalteten Räumen oder unter freiem Himmel vor attraktiven landschaftlichen Naturkulissen ein zwar zahlreiches, aber durchaus nicht gemischtes Publikum bedienen. Die Nahaufnahmen zeigen im „Musikantenstadl“ oder bei den „Lustigen Musikanten“ ein Publikum, das überwiegend im Rentenalter ist, mehr Frauen als Männer, aber auch gerne kleine Kinder. Angesichts der Eingängigkeit der Weisen, der ausschließlich deutschsprachigen Texte und der einfachen Botschaften Häufig im Fernsehen auftretende Volks- Wohnorte populärer Volksmusiker 2005 musikkünstler 2005 nach den öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten nach Postleitzahlen bzw. Staaten Künstler/Gruppe Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) Schwabstedt Maxi Arland Hein Simons Kiel Mitteldeutscher Rundfunk (MDR) Schlotfeld Schwerin Hamburg Westerstede Elb e Bremen Oldenburg O er d Bawinkel BERLIN Potsdam Hannover W er es Magdeburg Hünxe Dortmund Arnsberg Vöhl lbe Fu ld Köln Erfurt Weimar a Wildeck ein Rh Burbach Hennef Werra Mo s Dresden le Saa Buseck Montabaur Aue Johanngeorgenstadt Petersberg Oelsnitz el Erscheinungsbild bayerisch/österreichisch-alpin, traditionell bayerisch/österreichisch-alpin mit Tendenz zu anderen Kategorien neutral, Abendrobe neutral, sportlich-leger Popoutfit keine Angabe Wiesbaden Ma in Obertshausen Mainz HochstettenDhaun Trier Pleystein Bexbach Saarbrücken Karlsruhe Bretten Beilstein Rastatt Stuttgart Baden-Baden Rhei n Zell-Unterharmersbach March Freyung Erstes Deutsches Fernsehen (ARD) au mit Thema a Dresden Landeshauptstadt u Geisenfeld Bühl Oberkirch Freudenstadt Offenburg Verdichtungsraum Regensburg Neutraubling n Do Staatsgrenze Ländergrenze Landeshauptstadt Schirgiswalde E Düsseldorf usitze r Neiße La Eisleben Bad Arolsen Wuppertal Wildecker Herzbuben Ladiner De Randfichten AlpenRebellen Hansi Hinterseer Toni, de klaane Flugficht Rudy Giovannini Kastelruther Spatzen Marianne & Michael Original Naabtalduo Marc Pircher Südtiroler Spitzbuam Vreni & Rudi Angela Wiedl Hein Simons Gunther Emmerlich Mary Roos Andy Borg Stefanie Hertel Uwe Busse Karel Gott Margitta & ihre Töchter Michelle Gaby Albrecht Kristina Bach Ute Freudenberg Eberhard Hertel Geschwister Hofmann Tony Marshall Marlena Martinelli Nana Mouskouri Wencke Myhre Andre Rieu Ireen Sheer Judith & Mel Florian Silbereisen Jantje Smit Bernhard Brink Mara Kayser Leonard Volksmusikspatzen Angelina Belsy Nicole DJ Ötzi Alpirsbach Do n Inn Ismaning Baldham Planegg München USA Bodensee Landsberg Holzkirchen a. Lech Hohenpeißenberg Marktoberdorf Traunstein 0 Norwegen 25 50 75 100 km Maßstab 1 : 3 750 000 Ladiner Marc Pircher AllgäuPower Global.kryner Seer Wolfgang Lindner mit seinen Stadlmusikanten & Chor Patrick Lindner Mainstreet DJ Ötzi Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF) Dänemark Belgien Großbritannien Italien Niederlande Österreich Schweiz Tschechien Ungarn Griechenland Australien k.A. zum Wohnort Einschaltquoten ausgewählter Volksmusiksendungen Jan.04-Nov.05 Autoren: B. Adamek-Schyma S. Tzschaschel © Leibniz-Institut für Länderkunde 2006 MDR/ARD Feste der Volksmusik 2005 ARD Musikantenstadl SWR/ARD Immer wieder Sonntags ZDF Lustige Musikanten MDR/ARD Zauberhafte Heimat MDR Die Schlager des Jahres 2004 MDR Achims Hitparade Hansi Hinterseer Kastelruther Spatzen Marc Pircher Oswald Sattler Johannes Kalpers Angelika Milster Volker Bengl Geschwister Hofmann Mara Kayser Montanara Symphonie Orchester Klostertaler Judith & Mel Wind 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Auftritte bayerisch/österreichisch-alpin, traditionell Rundfunkanstalten überregional regional und überregional regional 0 5 10 15 20 bayerisch/österreichisch-alpin mit Tendenz zu anderen Kategorien neutral, Abendrobe neutral, sportlich leger Popoutfit 25 Prozent keine Angaben zweite Kategorie als Kontur Grenzüberschreitende Kooperationsräume 105 der 씮 Lieder drängt sich die Vermutung auf, dass die populäre Volksmusik das ersetzt, was früher das deutsche Volkslied war, und dass sie auch seine Funktionen hinsichtlich Heimatstiftung, Freude am Mitsingen und Bedürfnis nach heiler Welt übernommen hat. Musik mit Raumbezug Die populäre Volksmusik hat in zweierlei Hinsicht einen räumlichen Bezug. Zum einen wird dieser über die Herkunft der Interpreten bzw. über die Region, die sie als Künstler repräsentieren, ausgedrückt. Dabei wird oftmals durch den musikalischen Stil und das Erscheinungsbild in Aufmachung oder sogar Tracht eine regionale oder lokale Verwurzelung suggeriert . Ob diese regionale Verankerung auch tatsächlich Herkunft der Fahrzeuge bei einem Konzert der Randfichten in Grimma, Sommer 2004 nach Kfz-Kennzeichen e Elster Elb Muldental Grimma Leipziger Land Rochlitz M. Mittweida ße Elster Wei Zwicka Chemnitz F Freital e ber g rei Altenburger er u Land Bremen e RiesaGroßenhain Meißen Döbeln Dresden Leipzig/ Flensburg arz hw Sc de Mul TorgauOschatz Delitzsch rM . Mittlerer Erzgebirgskreis AueSchwarzenberg BERLIN Hannover Magdeburg Bernburg Leverkusen Anzahl der Pkw Frankfurt a.M. 269 2 Busse 20 1 1mm² =^ 4Pkw Bus Pkw Einzugsgebiet Bad Tölz © Leibniz-Institut für Länderkunde 2006 Autoren: B.Adamek-Schyma S.Tzschaschel der Herkunft der Musizierenden entspricht und ob die Trachten tradiert und authentisch sind, ist nicht immer nachprüfbar und für die Wirkung auch unerheblich. Als extremstes Beispiel dafür können die „Wildecker Herzbuben“ dienen, die – in Osthessen beheimatet – mit einer bajuwarisch angehauchten Phantasietracht auftreten. Die zweite Ebene sind die Texte der Lieder und Musikstücke, die entweder inhaltlich oder durch die Verwendung eines Dialekts ebenfalls häufig einen regionalen Bezug aufweisen und damit die räumliche Verankerung unterstreichen wollen . Betrachtet man eine der erfolgreichsten Gruppen der letzten Jahre, „De Randfichten“, zeigt sich, dass es sich hier definitiv um räumlich gebundene Musik mit starker regionaler und lokaler Ausrichtung handelt, die jedoch bundesweit erfolgreich vermarktet und verkauft wird. Das Trio aus Johanngeorgenstadt preist sich auf seiner Homepage (www.randfichten.de) mit „volkstümlicher Musik aus dem Erzgebirge“ an. Analysiert man das Repertoire der Gruppe, so bezieht sich exakt ein Viertel der Titel auf diese Region, aus der sie kommt und deren Dialekt sie singt . Jedoch wurden die Randfichten durch den Verkauf ihrer Schallplatten – ihr Lied vom Holzmichl stand 2004/05 38 Wochen lang in den Verkaufscharts ganz oben und verkaufte sich allein 2004 über 300.000-mal – und einen Vertrag bei einem großen internationalen Schallplatten- und Unterhaltungskonzern bundesweit erfolgreich. Ihre starke Präsenz auf dem bundesweiten Schallplattenmarkt wird flankiert von größtenteils in Ostdeutschland stattfindenden Konzerten und Fernsehauftritten. Etwa 5- bis 8-mal im Monat spielen sie in meist ausverkauften Hallen von vornehmlich kleinen ostdeutschen Orten und Städten zwischen Erzgebirge und Ostsee und ziehen Besucher aus der gesamten Umgebung an . Das Publikum streut durch alle Altersgruppen, und das Merchandising von Fanartikeln blüht. Auch die schwerpunktmäßig im MDR stattfindenden Fernsehauftritte scheinen darauf hinzuweisen, dass diese Gruppe trotz bundesweit erfolgreicher Plattenverkäufe im Bereich Live- und Das Repertoire der Randfichten Arzgebirg, Heimat andere Lieder 25 % 25 % lokale Folklore Party (Tanzen, Musik) 25 % 15 % Träume, Nostalgie 7% Ich hob dich su gern 3% © Leibniz-Institut für Länderkunde 2006 106 Mei Arzgebirg Arzgebirg mei Haamitland, när ze dir do ziehts mich hie. Un dor Wind, mit seiner Hand, streicht ganz sachte drüber hie. Mei ganzes Herz gab ich fürwahr, fei men Arzgebirg do drubm. Hier is mr ball am Himmel dra. Is Fortgieh kännt ich net ertrogn. Wenn de Sonn obnds untergieht und de Nacht zieht friedlich rei, brauch ich dich für mei Gemüt. Halt für immer dir de Trei. Kimmt de Zeit wu ich muß gieh, iss bissl Laabn vorbei. Legt dor mich do drubm när hie. Möcht wuannersch dann net sei ..... Mei Raachermannl Der aane hot zwee Maadle, dr annre hotn Freind. e annrer fand sei Hobby von demr lang schu treimt. Manch aaner trebbts dor Nacht su oftrs ner kaa. Aber mich zieht ewos annersch magisch a. Ich brauch e Raachermannl für mei Gemüt, racht schie aus Holz gemacht, wos ofn Schrankl stieht, rute Backn un e Pfeifl in dr Gusch, wos raacht un raacht und hot doch nie de Hust. Ja su e Raachermannl dos is mei Laabn. Wenns racht schie nabelt, ja do wards im Herz mir warm. Un de Nabelschwodn ziehn durchs ganze Haus. Für dan Maa zieh ich mei letztes Hemml aus ..... Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Leben in Deutschland TV-Auftritte nicht uneingeschränkt gesamtdeutsch populär ist – wie es z.B. Heino oder Maria und Margot Hellwig sind . Die Positionierung der Randfichten auf dem gesamtdeutschen Schallplattenmarkt – kombiniert mit der Popularität im ostdeutschen Konzert- und TV-Bereich – unterstreicht einmal mehr, dass sie als unabhängiges und weiterhin im Erzgebirge ansässiges Familienunternehmen selbstbewusst eine ostdeutsche Erfolgsstory mit bundesweiter Wirkung repräsentieren. Daher dienen die Randfichten – unabhängig von ihrer bayerisch-gebirglerischen Tracht – zur Identifikation all jener Bevölkerungsteile in den neuen Ländern, die mit der Wende auch viele ihrer kulturellen Identifikationssymbole verloren haben. Heimat als Exportgut Da das Heimattümelnde und der Bezug zum Deutsch-Nationalen nach dem Zweiten Weltkrieg auch im Liedgut in Verruf geraten waren, schloss die populäre Volksmusik hier in den letzten Jahrzehnten zunehmend die entstandene Lücke. Sie war besonders auf die mit idealisierenden Images behafteten, vorindustriell und ländlich-bäuerlich geprägten Ferienregionen in den Voralpen und Alpenregionen gerichtet, die auch schon im Heimatfilm der 1940er und 50er Jahre als typisch deutsche Landschaften stilisiert wurden – weitab von den deutschen Real-Landschaftsformen, die überwiegend durch Mittelgebirge und weite Ebenen geprägt sind. Mit der Verbreitung von Massen-Tonträgern erlangte diese popularisierte Volksmusik schon in den 1960er und 70er Jahren eine breite Fangemeinde. Dabei erzielten in Deutschland auch Gruppen hohes Ansehen, die aus dem deutschsprachigen Ausland kamen, vor allem aus Südtirol – z.B. der Trientiner Bergsteigerchor – und aus Österreich. Auch heute machen die Fans nicht an der deutschen Grenze halt – die Popularität des Österreichers Hansi Hinterseer oder der aus Südtirol stammenden Kastelruther Spatzen ist groß ; sie stehen vielen für eine weit über die Grenzen reichende deutsche Kultur, die oft mit den Ausdehnungen Vorkriegsdeutschlands oder sogar denen des Dritten Reichs gleichgesetzt wird. Umgekehrt wird die deutsch-populäre Volksmusik wenig exportiert – vielleicht wegen der begrenzten Verbreitung der deutschen Sprache. Dennoch erleichtern die mediale Inszenierung, die Möglichkeit des weltweiten Exports und die problemlose Verfügbarkeit von Volksmusik über das Internet die symbolische Aufladung für Auslandsdeutsche und Deutsche im Ausland. Dafür stehen Gastspiele des Musikantenstadls in Dubai, Moskau, Peking oder der Karibik, die als Beispiele für die gleichzeitige Vermischung, Hybridisierung und auch Verfestigung regionaler und nationaler Klischees im Rahmen von raumbezogenen Repräsentationen interpretiert werden können. Methodische Anmerkung Der Beitrag widmet sich dem Phänomen „populäre Volksmusik“ in den Medien, ohne dabei musikwissenschaftlich exakt definieren zu wollen, welche Künstler oder Gruppen zu den populären Volksmusikern gezählt werden. Die Fernsehsendungen, die analysiert wurden, tragen den Begriff Volksmusik im Titel oder Untertitel bzw. erklären sich selber zu Volksmusiksendungen. Um den Quellenfundus eindeutig einzugrenzen, wurden alle populären Volksmusiksendungen der Zeit von Januar 2004 bis November 2005 in den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern Deutschlands ausgewählt, insgesamt 133 Sendungen. Die darin aufgetretenen Künstler wurden im Sinne dieses Beitrags als populäre Volksmusiker definiert; 259 Künstler oder Künstlergruppen, die zumindest dreimal in dieser Zeit aufgetreten sind, wurden aufgenommen und verortet. Für die ausgewählten Sendungen wurden die Einschaltquoten ermittelt; diese beziehen sich auf den jeweiligen Sendebereich und den Sendeplatz der Erstsendung. Die Einstufung nach dem Erscheinungsbild der Künstler und Künstlergruppen beruht teilweise auf den analysierten Sendungen, teilweise jedoch auch auf der Selbstdarstellung der Künstler auf CD-Covern und Homepages. Es wurde nicht nur die Kleidung berücksichtigt, sondern auch der Hintergrund (z.B. Aufnahme vor Alpengipfeln) sowie typische Ausstattungsgegenstände. Fazit So gesehen verbindet Musik nicht nur, sondern verankert und setzt Claims im Raum. Durch populäre Volksmusik und ihre Darbietenden werden räumliche Klischees vornehmlich auf der emotionalen Ebene vermittelt. Dies bezieht sich weniger auf konkrete Raumstrukturen, Identifikationsobjekte oder die Qualitäten eines bestimmten Raumausschnittes, sondern produziert vielmehr ein diffuses raumgebundenes Zugehörigkeitsgefühl, das sich – verbunden mit der Eingängigkeit der musikalischen Weisen – in ein wohliges Bewusstsein darüber auflöst, dass man in einen bestimmten Raum hineinversetzt wird bzw. zu einer schönen Gegend dazugehört. Denn schon ein gutes altes Sprichwort besagt ja: „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder!“웇 Tourneen und Auftritte ausgewählter Stars der Volksmusik 2005 Heino, Maria und Margot Hellwig, De Randfichten Stralsund Kiel SchleswigRostock Holstein Lübeck Bremerhaven Kummerower See Linstow Schwerin Hamburg Stade Mecklenburg- Schweriner See Neubrandenburg Vorpommern Hamburg Müritz Papenburg Elb e Bremen Lemwerder Hitzacker Bremen Neuruppin Verden r e Od Havelberg Niedersachsen Sulingen Werneuchen Paaren im Glien Rheine Hannover Osnabrück Bad Gandersheim Berlin Diedersdorf Potsdam Wolfsburg Frankfurt (O.) Sachsen- Bad Nenndorf Minden BERLIN Wese r Brandenburg Luckenwalde Eisenhüttenstadt Magdeburg Lemgo Ahlen Dortmund Willingen Rotenburg Siegen Troisdorf Wiesbaden Trier Mainz Tröglitz Sornzig-Ablaß Gera Altenburg Lommatzsch Mittweida Freiberg Thüringen Niesky Bischofswerda Löbau Freital Niedernhausen Br.-E. Ehr. Fr. Glau. Ho.-E. L. Oelsn. St. Brand-Erbisdorf Ehrenfriedersdorf Fraureuth Glauchau Hohenstein-Ernstthal Limbach-Oberfrohna Oelsnitz/Erzgebirge Steinpleis Tourneen und Auftritte Heino Jubiläumstournee Tourneeroute Auftritt Ma in Maria und Margot Hellwig Tourneerouten Gala der Volksmusik I Gala der Volksmusik II Tauberbischofsheim Überraschungsfest-Tournee Saarland Edelweiß-Tournee Nürnberg Saarbrücken Auftritte auf Tourneen Meckesheim mehrere oder wiederholte Auftritte 1 Auftritt BadenRastatt Bayern Pforzheim Stuttgart n Do Fellbach Ostfildern BadenBaden n Do Ländergrenze Landeshauptstadt Württemberg au au Maria und Margot Hellwig mehrere oder wiederholte Auftritte 1 Auftritt Margot Hellwig solo mehrere oder wiederholte Auftritte 1 Auftritt Bad Füssing Senden Beginn der Tournee Inn Rhein Friesenheim Ende der Tournee München Ammersee Tuttlingen De Randfichten mehrere oder wiederholte Auftritte Chiemsee Starnberger See Reit im Winkl 1 Auftritt Inzell Die To urneero uten der Randfichten sind nicht dargestellt. Bo d en se e 0 © Leibniz-Institut für Länderkunde 2006 Dresden Kamenz Frankfurt a.M. Merzig Autor: B.Adamek-Schyma Weinböhla sit L. Glau. St. Saara Pfalz Staatsgrenze Großenhain Sachsen Penig Jena Weißwasser Strehla Bad Lausick L au Hoyerswerda Höckendorf Chemnitz Br.-E. Holzhau KlaffenHo.-E. Dörtendorf Neustadt Oelsn. bach Zöblitz a.d. Orla Olbernhau Ilmenau Fr. Zwickau Zeulenroda Bad Suhl Pobershau Ehr. BlauenAue Blankenburg Ebersgrün thal Jöhstadt Breitenbr. SteinbachPlauen Langenbach Markneukirchen M ain Rheinland- da Ful ein Rh l Mo se Hessen rra We Dermbach Wetzlar Gotha Erfurt Bad Salzungen Marburg RansbachBaumbach Lobstädt Weimar Elsterwerda Leipzig Grimma Spergau Kammerforst Borken Lichterfeld Halle(Saale) Schkeuditz Sanger- Osterhausen Querfurt hausen Nordhausen Leinefelde Gerbershausen Bad Berleburg Köln Düren Gieboldehausen NordrheinWestfalen Cottbus Bitterfeld e Düsseldorf Beverungen Soest Anhalt Thale Bad Sachsa E lbe N ei ß zer Mülheim Northeim a le Salzkotten Essen Ilsenburg Holzminden Sa e Rh Oer-Erkenschwick in Lübben Cobbelsdorf Darlingerrode 25 50 75 Maßstab 1: 2750000 100 km Auftrittsorte Gera > 100000 Einwohner Aue Grenzüberschreitende Kooperationsräume < 100000 Einwohner 107