Kill Bill - Philip Koch

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Kill Bill - Philip Koch
Quentin Tarantino und die totale Reduktion – „Kill Bill”
Lange hat er seine Fans in aller Welt warten lassen, Quentin Tarantino – sechs Jahre sind es
her, seit seinem letzten Film „Jackie Brown“. Und nun können sie, die todessehnsüchtigen
Tarantinomanen, nicht nur ihrem Meister endlich wieder huldigen, sondern auch ihrer eigenen
voyeuristischen Lust an der Gewalt frönen – davon nämlich, gibt es in „Kill Bill“ mehr als
genug.
Dabei scheint sich der Regisseur eines ganz simplen, harmonischen Gleichgewichtsprinzips
verschrieben zu haben: Je mehr Gewalt, desto weniger Plot. Obwohl das so nicht ganz richtig
ist, denn der Regisseur hat, um Kürzungen zu vermeiden, den Film in zwei Teile gespaltet –
die ganze simple Geschichte zieht sich also über 3 Stunden. Es sollte also folgendermaßen
lauten: Je mehr Gewalt, desto platter der Plot.
Der da ist: Uma Thurman spielt die Braut, und ihr Name wird, jedes Mal, da er ausgesprochen
wird, mit einem Piepston zensiert, wird anonymisiert, abstrahiert, wird reduziert, wie der
ganze Film, auf ein Prinzip – das Prinzip Vergeltung: Uma Thurman ist schlicht und einfach
die Braut, die auf Rache sinnt. Vor Jahren war sie Mitglied im Profi-Killer-Team des „Deadly
Viper Assassination Squad“ – die ‚Charlie’s Devils’ gewissermaßen – unter der Führung des
im ersten Teil noch gesichtslos bleibenden Bills. Doch irgendwann hat sie die Schnauze voll
vom Töten, steigt aus und möchte ein neues, ganz normales Leben anfangen. Aber die
Hochzeit in weiß wird für die Schwangere eine Hochzeit in rot – die übrigen Vipers richten
ein Blutbad an, Uma Thurman landet nach einem Kopfschuss aus Bills Pistole im Koma,
verliert ihr Baby, ihren Gatten, ihr neues Leben – als sie aufwacht und erfährt, dass sie von
ihrem Krankenpfleger sexuell missbraucht wurde, brennen sämtliche Sicherungen durch bei
ihr, und dann geht es wieder los, das Töten…
Eine Liste hat sie, mit den Fünf Namen der deadly Vipers, und einer nach dem anderen,
werden sie niedergemäht: Ihr zweiter Mord führt sie nach Japan, wo sie sich ein SamouraiSchwert anfertigen lässt, und sich die schöne O-Ren Ishi vorknüpft, die inzwischen zur
erbarmungslosen Chefin eines Yakuza-Kartells aufgestiegen ist. Dass die Kontrahentin der
Braut gerade von einer der drei Engel von Charlie, Lucy Liu, verkörpert wird, unterstreicht
dabei den satirischen Charakter, mit dem Tarantino seine Geschichte (im weitesten Sinne
handelt es sich um eine) erzählt.
Dass die Rache der Braut nicht zu bremsen ist, zeigt sich vor allem in der langen KampfSzene in einem japanischem Restaurant, von der Uma Thurman schon während der
Dreharbeiten verlautbaren ließ, dass den meisten Menschen sicher schlecht würde, weil an die
Hundert Menschen auf jede nur erdenkliche Art und Weise ihrer Gliedmaßen entledigt
werden und das Kunstblut hektoliterweise verspritzt wird – und übertrieben hat sie
keineswegs, die Lieblingsschauspielerin des Regisseurs. Tarantino muss sich aufgrund der
überbordenden Darstellung von Gewalt zu Recht dem Vorwurf der Gewaltverherrlichung
stellen – er selbst beteuert immer wieder, auf satirische Weise damit umzugehen. Die Grenzen
aber, zwischen Satire und Ästhetisierung der Gewalt, verschwimmen immer wieder in diesem
Film, und besonders der ‚forcierte Style’, mit dem Tarantino seinen Streifen inszeniert,
scheint immer wieder anzudeuten, dass hier die Schönheit der Gewalt, ihre Stilisierung - z.B.
in Form überaus artifizieller Blutfontänen – und die Lust am Tod zum Thema gemacht wird.
Und doch könnte Tarantinos Hommage an das japanische Actionkino der 60er und 70er Jahre
auch genauso gut naturalistisch intendiert sein: Nämlich insofern, als „Kill Bill“ gerade in
seiner Darstellung brutalster Gewalt eine vielleicht gleichwertige Gefahr vieler
‚normaler’ Art-of-War-Filme aufdeckt: Nämlich die Ästhetik der Verharmlosung des
fernöstlichen Schwerkampfes.
Wie dem auch sei, Tarantino zieht sich geschickt aus der Affäre: Er überlässt dem Zuschauer
die Urteilssprechung, indem er die Grenzen verschwimmen lässt, seine Gewalt mit einer Prise
von allem würzt, alles in einen Topf wirft: Satire, Ästhetik, Stilisierung und Naturalismus.
Und so wundert es kaum, dass im vollen Kinosaal die Einen bei Enthauptungen und
Verstümmelungen johlen, lachen, ja klatschen, und die Anderen sich angewidert abwenden,
und sich die psychologisch nicht uninteressante Frage stellen, wie verrückt Quentin Tarantino
wirklich ist.
– Mit „Kill Bill“ bleibt Tarantino leicht hinter der subtilen Meisterlichkeit von „Jackie
Brown“ zurück, indem er zwanghaft versucht, den Stil seines Erfolgsfilmes „Pulp Fiction“ zu
reanimieren, was ihm manchmal gelingt – manchmal aber auch nicht. „Kill Bill“ läuft aktuell
in Münchner Kinos.