Big Bore - Heym Express.indd
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BIG BORE AFRIKA EXPRESS EXPRESS EXPRESS Nomen est omen. Diese Großwildbüchse von Heym heißt schlicht – Express. Die Neukonstruktion steht am Ende einer langen Tradition deutscher Repetierer für die Jagd auf die Big Five und Co. Text und Fotos: Dr. Frank B. Metzner & Niclas Jung 58 Classic Gun Classic Gun 59 BIG BORE G roßwildbüchsen haben bei der Thüringer Waffenmanufaktur Heym Tradition. Diese wurden schon seit den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts als überarbeitete 98er angeboten. Nach dem letzten Krieg entstanden die beiden Eigenkonstruktionen SR 10 und SR 20, welche auf dem MauserSystem aufbauen und bis zu den Kalibern .375 H&H und .404 Jeffery gefertigt wurden. Obwohl eine große Nachfrage bestand, waren beide dennoch keine reinrassigen Großwildrepetierer. Beiden Waffen fehlten der lange, nicht rotierende Auszieher sowie die zwangsgesteuerte Patronenzufuhr der Mauser-Magnumsysteme. Auch vom Gewicht und der Balance her waren die Heym-Büchsen eher für Standardund mittlere Magnumkaliber ausgelegt. Gleiches gilt für die aktuellen Repetierbüchsen SR 21 und SR 30. Der stetig steigende Bedarf an Großwildrepetierern auf 98er Basis und die immer seltener werdenden Original-Mauser-Magnumsysteme veranlassten Heym, eine neue Repetierbüchse zu entwickeln. 1989 war es dann so weit und der von Konstrukteur Franz Würger entworfene Repetierer Express wurde noch im alten Werk im fränkischen Münnerstadt vorgestellt. Bei gefährlichem Wild zählt nur die Stoppwirkung. Daher gilt: Use enough gun! Express, die Erste Franz Würger ließ seine eigenen Vorstellungen in die Idee des 98ers einfließen. Der Verschluss hatte einen zweigeteilten Schlagbolzen, der so gefertigt war, dass man die Schlagbolzenspitze schnellstmöglich auswechseln konnte. Auch wurde der Ausstoßer im Verschlusszylinder integriert. Durch den Anspruch, von der .375 H&H bis zur .600 NE sämtliche Großwildkaliber anbieten zu können, war das Express-System massiv konstruiert und entsprechend schwer. Die Waffe baute hoch auf und hatte einen großen Magazinkasten (mit Platz für fünf Patronen im Kaliber .416 Rigby), was einen sehr kräftigen Schaft erforderte. Das ergab ein Gewicht von wenigstens fünf Kilogramm – heftig für weite Pirschgänge unter der sengenden Hitze Afrikas. 60 Classic Gun Starker Kuder: Kapitaler Leopard mit der neuen Heym Express und gutem Schuss gestreckt. Neben den ganz dicken Pillen gibt es die Express auch in 8x68 S und 9x64 Viel Masse hilft den Rückstoß einer .505 Gibbs zu dämpfen. Bei den in Afrika am weitesten verbreiteten Kalibern .375 H&H und .404 Jeffery sind so viele Kilos jedoch unnötig. Auf diese Umstände musste Heym reagieren, denn andere Waffenhersteller im In- und Ausland zogen nach, und es gab auf einmal eine größere Vielfalt und Konkurrenz an neugefertigten 98er Magnumsystemen. Also machten sich die Heym-Konstrukteure 2008 auf, einen würdigen Nachfolger zu entwickeln. Der Hauptabsatz- markt für Express-Büchsen liegt nach wie vor in den USA, wobei auch in Europa und vor allem in Osteuropa ein neues Interesse erwacht ist. Um die Kundenwünsche genau zu verstehen und um Anregungen für das Design zu bekommen, entschloss man sich, Ralf Martini mit ins Boot zu holen. Der deutsche KanadaAuswanderer gilt als einer der besten Büchsenmacher Nordamerikas. Der Inhaber einiger waffentechnischer Patente ist ein Spezialist für Custom 98er sowie für hochfeine Blockbüchsen. Was aber für dieses Projekt wichtig ist: Ralf Martini fertigt seine Repetierer im guten alten englischen Stil der 30er Jahre. Also mit geradem Schaft ohne jede Erhöhung, mit klaren Linien und einem akkuraten Winkel des Pistolengriffes. Auch für das Oberflächenfinish, für das es in England Ausbildungsgänge von mehreren Monaten gibt, hat er großen Sachverstand. Das Heym-Team, geleitet vom verantwortlichen Konstrukteur Alois Schlembach und Büchsenmacherle- gende Bernd Helbig, war im ständigen Austausch mit Martini. Es galt als erklärtes Ziel, die neue Express leichter und ausgewogener zu gestalten. Das System musste technisch genau dem Mauser-Magnumsystem von 1914 entsprechen – ein Garant für Zuverlässigkeit. Martini fertigte den Prototypen für den Schaft, die Büchsenmachermeister von Heym kümmerten sich um die Metallarbeiten. Bei mehreren Arbeitstreffen in Deutschland und auf den großen Messen in den USA fügte man die Prototypen zusammen. Im Frühjahr 2011 war es schließlich so weit. Nach vier Nullserien konnte die erste neue Express-Büchse in der Gleichamberger Gewehrmanufaktur fertiggestellt und an einen Sammler aus Österreich ausgeliefert werden. Es handelt sich dabei um eine neu gestaltete Büchse, die eine Mischung aus dem alten Heym Express-System und der Mauser Magnum ist. Das System, bestehend aus Verschlusshülse, Magazinkasten samt Abzugsbügel, Magazinklappdeckel, ➢ Classic Gun 61 BIG BORE Offen und ehrlich: Der lange, nicht rotierende Auszieher packt am Hülsenrand sicher zu und führt die Patrone ins Lager HEYM EXPRESS Klassikerin mit gerader Schaftform, die den heftigen Rückstoß eines Großwildkalibers in die Schulter des Schützen und nicht aufs Schlüsselbein leitet. Englische Schaftkappe hinten, Ebenholzabschluss vorne Herz und Verstand: Das neue HeymSystem basiert auf dem MagnumVorbild von Mauser. Schlösschen mit Gasschild und Dreistellungssicherung Quadratisch und praktisch: Hülsenkopf und -brücke mit eckigen Sockeln für die Montage Kurz und trocken: Der Flintenabzug ist werkseitig auf einen Widerstand von 1.250 Gramm justiert Nah und fern: Offene Visierung mit Standkimme auf 35 Meter und Klappkimme auf 75 Meter eingeschossen Stark und schön: Der Magazinkasten und der Abzugsbügel sind als ein Teil aus dem Vollen gefräst. Der Magazindeckel lässt sich über den Knopf vorn im englisch gravierten Abzugsbügel öffnen Auszieher, Schlagbolzen, Schlagbolzenmutter und Schlösschen, wird aus einem vollen Stahlblock 42 CrMoS 4 gefräst. Der wie auf Schienen gleitende Verschluss ist aus gehärtetem Einsatzstahl gefertigt und in der Länge gleich geblieben. Das Design der Systemhülse blieb unverändert – typisch Heym. Der Magazinkasten besteht jedoch nicht mehr aus fünf Teilen, sondern wird zusammen mit dem Abzugsbügel als Einheit aus dem Vollen gefräst. Das weist klare Vorteile in der Stabilität als auch im Meister und Werk: Der Büchsenmacher Ralf Martini in Kanada ist Spezialist für Express-Schäfte und die Custom-Repetierer nach 98er Art 62 Classic Gun Design auf. Die Systemhülse und die Höhe des Magazinkastens sind für einen schlankeren Schaft etwas zarter und niedriger geraten. Heym fertigt die Kästen für vier Schuss exakt auf das Kaliber zu, was bei Waffen dieser Preisklasse ein Novum ist. Die Systemhülse ist mit einer Double-Square-Bridge ausgestattet, welche standardmäßig mit einem 19-Millimeter-Prisma für die amerikanische Talley-Montage ausgestattet ist. Alternativ bevorzugten die ersten Kunden die EAW-Schwenkmontage. Auf Wunsch sind auch eine Suhler Einhakmontage oder eine Integralmontage möglich. Als offene Visierung dient ein Express-Visier mit einer Klappkimme und ein 2,5-Millimeter-Perlkorn, beides ist mittels Ringsattel klassisch um den Lauf gelötet. Die offene Visierung wird auf 35 Meter (Standkimme) und 75 Meter (Klappkimme) eingeschossen. Die Lauflänge beträgt bei allen Kalibern 61 Zentimeter. Der massive, verlötete Magnum-Riemenbügelring ist ebenfalls Standard. Um den Schwerpunkt der Büchse genau in Rigby sind 18 Millimeter stark und die .458 Lott misst sogar 19 Millimeter. Das Waffengewicht fällt dadurch unterschiedlich aus und beträgt 4,2 bis 4,4 Kilogramm – bei einer Gesamtlänge von 114 Zentimetern. Der Purist liebt die Form, der Perfektionist schwärmt vom Schlossgang. die Mitte zu verlagern, wurden eine überarbeitete Laufkontur und ein je nach Kaliber verschiedener Durchmesser nötig. So hat die .375 H&H einen Mündungsdurchmesser von 17 Millimetern, die .404 Jeffery und .416 Der von Heym hergestellte, kaltgehämmerte Lauf ist direkt von vorne in die Systemhülse eingeschraubt, mit einem verlängerten Laufgewinde für höchste Stabilität. Die Zuführung der Patronen aus dem Zick-Zack- Magazinkasten erfolgt 98er-typisch. Der lange nicht rotierende MauserAuszieher greift die Patrone schon beim Magazin am Hülsenrand und führt sie sicher ins Patronenlager. Der 23 Grad schräge Ausstoßer ist als federbelasteter Haken in der hinteren Hülsenbrücke installiert und wirkt im Gegensatz zum alten System direkt auf die Patronenhülse. Hierzu ist der Verschluss in einer Länge von 24 Millimetern im unteren Bereich geschlitzt. Diese Art der Zuführung und des garantierten Auswurfs macht das System bei den Großwildjägern so beliebt. Geöffnet wird der Magazinkasten über den Klappdeckel, mit einem eingelassenen Knopf im Abzugsbügel. Grundsätzlich ist das System aber als Top-Loader gedacht. Weiterhin ist die Systemhülse mit einem Rückstoßstollen und der Lauf mit einer ➢ Classic Gun 63 BIG BORE Potzblitz: Wo Donner ist, ist auch Feuer. Typisch Magnum-Kaliber – Mündungsflamme trotz 61 Zentimeter langen Laufes Chefsache: Berufsjäger-Legende Mark Sullivan (re.) mit Schützling und Heym Express Kunstharzbettung ausgestattet. Um die Rückstoßkräfte besser verteilen zu können, ist hinter dem Rückstoßstollen eine Querverschraubung in den Schaft eingelassen. Der Kammerstängel mit birnenförmiger Griffkugel ist im sogenannten „Oberndorf Style“ gefertigt. Er ist tief an den Verschluss angeschweißt, sehr lang und gerade gehalten. Die ganze Formgebung sieht sehr elegant aus und ermöglicht schnelles Repetieren. Weiterhin dient der Kammerstängel als eine Art dritte Verschlusswarze und greift in eine Aussparung in der Hülse ein. Gesichert wird die Express mittels Dreistellungs-Schlagbolzen-Sicherung. Der horizontale Schwenkhebel ist gut mit dem Daumen der rechten Hand im Anschlag zu bedienen. Auf Anregung der Großwildjäger wurde auf eine Sperrklinke des Sicherungshebels für den schnellen Notfallschuss verzichtet. Das Schlösschen besitzt ein massives Gasschild, welches den Verschluss nach hinten elegant abschließt und bei einem eventuellen Durchbläser vor zurückströmenden Gasen schützt. Über einen Karabinerverschluss lässt sich mit einer 160-Grad-Drehung das Sicherungsgehäuse spielend leicht öffnen und gibt den Schlagbolzen zur Reinigung oder für einen Wechsel frei. Als Abzug dient ein verstellbarer Direktabzug. Die Abzugseinheit ist unterhalb der Systemhülse wie beim 98er angebracht. Der Direktabzug hat eine erstklassige Charakteristik und bricht knochentrocken werksseitig bei 1.250 Gramm. 64 Classic Gun Der Schaft ist komplett im englischen Stil gehalten. Der Vorderschaft mit seinem dunklen Ebenholzabschluss fällt nach vorn recht kurz und flach aus. Die Fischhaut ist extrem fein und nach Holland & Holland-Manier leicht geschwungen per Hand geschnitten. Der Hinterschaft mit deutscher Backe ist für viel Rückstoß gerade gehalten. Die Express ist entweder mit Hochglanzbrünierung oder mit einem matten Finish erhältlich. Der Schaft wird wahlweise mit geschlossenen Poren und einem matten Öl-Finish oder im „London Finish“ hochglanzpoliert mit geschlossenen Poren angeboten. Die Büchse kostet in der Grundausstattung 7.900 Euro und wird im stabilen Langwaffenkoffer ausgeliefert. Auf dem Schießstand Bei der Heym Challenge 2013 konnte CLASSIC GUN die gesamte Kaliberpalette der Heym Express schießen. Dabei kristallisierte sich die .404 Jeffery als beste Wahl in Bezug auf Leistung und Rückstoß heraus. Aber das ist nur ein gefühlter Leistungswert, jeder hat da seine eigenen Vorlieben. Use enough gun: Für den annehmenden Leoparden ist die Express in .404 Jeffery gerade recht E ine Heym Express in .375 H&H bewährte sich bei mehreren Jagdreisen sowie im alltäglichen Revierdienst. Und für einen weiteren Versuch stand uns eine Luxusversion im Kaliber .458 Lott zur Verfügung. Wir verwendeten dazu die Norma Solids mit 32,4 Gramm und einer Mündungsgeschwindigkeit von 700 Meter pro Sekunde. Nach Verlassen des Laufes erreicht das Geschoss 7.964 Joule, bei 100 Metern sind es immerhin noch 5.282 Joule, was bei einem guten Treffer jedes Wild dieser Erde streckt. Fünf Schuss auf 100 Meter mit dieser Munition ergaben ein Trefferbild von sehr guten 3,4 Zentimetern. Mit der neuen Express ist Heym ein großer Wurf gelungen. Der Reptierer überzeugt mit Balance, Präzision, Handhabung und Funktionssicherheit.