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Geographische Namen – Verwendung von Endonymen und Exonymen Frank-Dieter Grimm und Alois Mayr schiedenste Lebensbereiche, wie z.B. Verkehr und Kommunikation, Tourismus, Hilfsdienste und Polizei, sind Eindeutigkeit und korrekte Schreibweise von Namen unverzichtbar. Für die meisten Länder gibt es geographische Namenbücher, die über die korrekte Schreibweise (einschließlich eventueller 쑺 diakritischer Zeichen), das Genus und andere Aspekte Auskunft geben (z.B. Gemeindeverzeichnisse) (BROGIA- Unter geographischen Namen oder Toponymen versteht man die Eigennamen von Orten und Gebieten auf der Erdoberfläche, wie z.B. von Siedlungen, Flüssen, Gebirgen und Bergen, Inseln, Landschaften, Verwaltungsgebieten und Staaten. Eine Örtlichkeit wird durch ihren Namen wahrgenommen und bekommt durch ihn ihre Identität; durch Namen werden gleichzeitig Örtlichkeiten voneinander unterschieden. Für ver- Exonyme ausgewählter deutscher Städte Flensburg Flensborg (da) Schleswig Slesvig Slesvig lesvik lezvig [Øëåçâèã] (da) (es) (cs) (ru) Kiel Hambourg Amburgo Hamburgo Hamburk Gamburg [Ãàìáóðã] (fr) (it) (es) (cs) Rostock Roztoky (cs) Rostok [Ðîñòîê] (ru) (ru) Schwerin Hamburg Brema (it/es) Brema (pl) Brémy (cs) Zvìøín (cs) verin [Øâåðèí] (ru) We Hanover Hanovre Hanover Hanower Hanover Gannover [Ãàííîâåð] (nl) (fr) (es) (pl) (cs) (ru) Koblenz el Aken Aix-la-Chapelle Aquisgrán Akwizgran Cáchy Achen [Àõåí] Fu lda Mo s Treves (fr) WiesbadenFrankfurt a.M. Treviri (it) Tréveris (es) Mainz Mayence Trewir (pl) Magonza Trevír (cs) Maguncia Trier Trir [Òðèð] (ru) Moguncja Mohuè Majnc [Ìàéíö] Saarbrücken Speyer Espira (es) Spira (pl) pejer [Øïåéåð] (ru) (fr/es) (pl) (cs) (ru) Erfurt Werra le (nl) (fr) (it) (es) (pl) (cs) Sa a (fr) (it) (es) (pl) (cs) (ru) Ma Nuremberg Norimberga Nuremberg Norymberga Norimberk Njurnberg [Íþðíáåðã] in (ru) (hu) na u Do Freiburg i.Breisgau El be Bautzen/Budyin Dresden Dresde Dresda Drezno Drázdany Drezden [Äðåçäåí] Zittau ¯ytawa (pl) Zitava (cs) Cittau [Öèòòàó] (ru) (fr/es) (it) (pl) (cs) (ru) (en) (it) (es) (pl) (cs) (ru) Nürnberg Ratisbona (it/es) Ratyzbona (pl) Øezno (cs) Stuttgart Rhein (it) (ro) (pl/sk) (cs) (ru) Stoccarda (it) tutgart (cs) tutgart [Øòóòãàðò] (ru) Fribourg-en-Brisgau (fr) Friburgo de Brisgovia (es) Fryburg (Bryzgowijski) (pl) Frejburg v Brejsgau [Ôðåéáóðã â Áðåéñãàó] (ru) Lipsia Lipsk Lipsk Lipsko Lejpcig [Ëåéïöèã] Lipcse La Budziszyn (pl) Budiín (cs) Baucen [Áàóöåí] (ru) Augsburg Augusta (it) Ausburgo (es) Augpurk (cs) Regensburg Munich Munich Monaco (di Baviera) Monachium Mnichov Mjunchen [Ìþíõåí] (en) (fr/es) (it) (pl) (cs) (ru) n Do Sarrebruck Saarbruecken Saarbruky Saarbrjukken [Ñààðáðþêêåí] Cottbus/Chosebuz Leipzig Frankfort aan de Main Francfort-sur-le-Main Francoforte sul Meno Francfort del Meno Frankfurt nad Menem Frankfurt nad Mohanem Frankfurt-na-Majne [Ôðàíêôóðò-íà-Ìàéíå] Coblenza (es) Koblencja (pl) Koblenc (cs) Koblenc [Êîáëåíö] (ru) (ru) Göttingen Chociebu¿ (pl) Chotìbuz (cs) Kotbus [Êîòáóñ] (ru) Ne i ß e Aachen Magdebourg (fr) Magdeburgo (es) Magdeburk (cs) tz er usi Köln (en) (nl) (fr) (it/es) (pl) (cs) (ru) Magdeburg (es) (pl) (cs) ale Sa ein Cologne Keulen Cologne Colonia Kolonia Kolín K¸ln [ʸëüí] Potsdam au Inn München Bodensee Endonyme Bautzen/Budyin deutsch/sorbisch Exonyme Sprachfamilien indo europäisch Hauptsprachzweige germanisch romanisch slawisch Sprachen englisch (en) französisch (fr) polnisch (pl) dänisch (da) italienisch (it) niederländisch (nl) spanisch (es) rumänisch (ro) uralisch ugrisch tschechisch (cs) slowakisch (sk) russisch (ru) 0 © Leibniz-Institut für Länderkunde 2005 112 Autoren: F.-D. Grimm, A. Mayr Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Deutschland in der Welt ungarisch (hu) 25 diakritisch – zusätzliches Schriftzeichen, das die besondere Aussprache eines Buchstabens anzeigt Transkription – lat. annähernd lautgerechte Umsetzung eines nichtlateinischen Wortes oder Textes in Lateinschrift Transliteration – lat. buchstabengetreue Umsetzung eines Wortes oder Textes aus einer nichtlateinischen in eine lateinische Schrift einschließlich diakritischer Zeichen Der Ständige Ausschuss für Geographische Namen (StAGN) ist das für die Standardisierung geographischer Namen zuständige Gremium im deutschen Sprachraum. Er ist ein selbstständiges wissenschaftliches, beratend tätiges Gremium ohne hoheitliche Funktionen, dem Wissenschaftler und Praktiker aus Deutschland, der Schweiz, Österreich, Südtirol (Italien) und Ostbelgien (Deutschsprachige Gemeinschaft) angehören. Sie vertreten die Fachgebiete Topographie, Kartographie, Geographie und Linguistik sowie mit geographischen Namen befasste Verwaltungen und Einrichtungen. Sitz des StAGN ist das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) in Frankfurt am Main. Endonyme und Exonyme BERLIN Braunschweig Gotinga Getynga Gotinky G¸ttingen [øòòèíãåí] Rh Od Berlijn (nl) Berlino (it) Berlín (cs) Brunswick (en) Brunswick (es) Brunszwik (pl) Brunvík (cs) Braunvejg [Áðàóíøâåéã] (ru) (ru) Hannover Düsseldorf Elb e (en) (fr) (es) (pl) (cs) VERS er se r Bremen 1999; IFAG 1981; ÖGG 1994; SIE2000; SPIESS 1994; STAGN versch. Jahre). Die Vereinheitlichung geographischer Namen wird als Standardisierung bezeichnet und ist ein wichtiges Anliegen einer Expertengruppe der Vereinten Nationen (United Nations Group of Experts on Geographical Names, UNGEGN), ihrer regionalen Untergruppierungen (z.B. Dutch and German Speaking Division) und des 쑺 Ständigen Ausschusses für Geographische Namen (StAGN) im deutschsprachigen Raum. Standardisierung erleichtert die weltweite Verständigung und bringt wirtschaftlichen und sozialen Nutzen. Die Eindeutigkeit von Namen ist keineswegs selbstverständlich, da es manche Namen mehrfach gibt (z.B. Neustadt) oder zahlreiche Örtlichkeiten mehrere amtliche Namen haben, z.B. Biel/Bienne an der deutsch-französischen Sprachgrenze in der Schweiz, Bolzano/Bozen in Südtirol (Italien) oder Bautzen/Budysin im sorbischen Siedlungsgebiet Ostsachsens. TO 50 75 Maßstab 1: 5000000 100 km Unterschieden werden zwei Typen von geographischen Namen: Endonyme und Exonyme. Als Endonyme bezeichnet man die von der Mehrheit der ansässigen Bevölkerung benutzten Namen, als standardisierte Endonyme die amtlich festgelegten Namensformen; Exonyme sind fremdsprachliche Benennungen, z.B. Namen von ausländischen Orten in deutscher Sprache. Bekannte Beispiele dafür sind Mailand und Rom für die italienischen Städte Milano und Roma, Lüttich für Liège (Belgien), Breslau für / Wroclaw (Polen) oder Karlsbad für Karlovy Vary (Tschechien), wobei im Fall der ehemaligen deutschen Ostgebiete manchmal auch der deutsche exonymische Name früher entstanden ist als das heute geläufige Endonym. Die Verwendung der einen oder der anderen Namensform hat auch politische Aspekte. Die DDR hat sich stets streng an den Empfehlungen von UNKonferenzen orientiert, Exonyme zu reduzieren und deren Verwendung einheitlich zu regeln. Den politischen Hintergrund dieser Praxis bildeten die An- erkennung der deutschen Nachkriegsgrenzen seit der Staatsgründung und später das Streben nach diplomatischer Anerkennung der DDR auf internationaler Ebene. In westdeutschen Schulatlanten war dagegen über lange Zeit die deutsche, also exonymische Bezeichnung besonders der ehemaligen Ostgebiete verpflichtend. Auf Grund von Lage und Geschichte Deutschlands, insbesondere wegen der mehrfachen Änderung seines Staatsgebietes, zählt das Deutsche zu den Sprachen, die in ihrem Wortschatz über besonders viele Exonyme verfügen (SPIESS 1994, S. 1; STAGN 2002b, S. 3). Sie sind besonders zahlreich für Sprachund Siedlungsgebiete, die ehemals Bestandteil des Deutschen Reiches oder Österreich-Ungarns waren (Elsass-Lothringen, ehemalige Ostgebiete, Sudetenland im heutigen Tschechien) oder beliebte Auswanderungsziele darstellten (Ungarn sowie Siebenbürgen und Banat in Rumänien). Insbesondere deutsche Ortsnamen, aber auch andere Toponyme existieren für fast alle Länder Euro- Endonyme und deutsche Exonyme ausgewählter geographischer Objekte außerhalb Europas Endonym Dt. Exonym Staat Staaten pas und der Welt . Umgekehrt gibt es aber auch für eine größere Anzahl von deutschen Städten exonymische Bezeichnungen in verschiedenen Sprachen . Einige Städte nutzen die Vielzahl existierender Exonyme beim CityMarketing als Beweis für ihren internationalen und weltoffenen Charakter. Im Zeichen einer deutlichen Entspannung nach dem Ende des Kalten Krieges und der wachsenden Globalisierung drängen die Vereinten Nationen auf ausschließliche oder bevorzugte Verwendung von Endonymen (Resolutionen II 28 und II 29 1972, V 13 1987 und VIII 4 2002), erkennen aber gleichzeitig – besonders in Gebieten mit veränderter Staatszugehörigkeit – den kul- turhistorischen Wert von Exonymen an (vgl. dazu für den Raum östlich von Oder und Neiße GRIMM 2000). Das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie und verschiedene kartographische Verlage benutzen ausschließlich die amtlichen Endonyme (Amtliche Karte 1: 1 Mio. und Straßenkarten). Das Auswärtige Amt der Bundesregierung und die Kultusministerkonferenz der Länder fordern dagegen aus kulturpolitischen oder didaktischen Gründen die bevorzugte Verwendung deutscher Exonyme (Beschluss der KMK vom 07./ 08.11.1991). Vermittelnde Vorschläge für die Verwendung von Namensformen in Karten und Texten empfehlen die gleichzeitige Benutzung von Endonymen und Exonymen, wobei eine von beiden als nachrangiger einzustufen ist, z.B. durch kleinere Schriftgröße und/oder Anordnung in runden Klammern (STAGN). Aus Gründen der Übersichtlichkeit kann eine der beiden Bezeichnungen entfallen. Weiterhin umstritten ist, welche der beiden Namensformen an erster Stelle platziert werden sollte. Dabei sind natürlich die jeweiligen Zielgruppen von besonderer Bedeutung. Die am meisten verbreiteten deutschen Schulatlanten praktizieren die Nennung beider Namen mit den Exonymen in größerer Schrift und den Endonymen in kleinerer Schrift und in Klammern. Allgemein erscheint es angesichts der Glo- Endonyme und deutsche Exonyme ausgewählter Endonyme und Exonyme europäischer Städte Reykjavik Ìîñêâà Moskva Moskau IS Libau Kopenhagen IRLDublin GB Memel Apenrade Tondern Amsterdam Arnheim Antwerpen Bruxelles/Brussel Brüssel B D Liège/Luik Lüttich Diedenhofen Mulhouse F Mülhausen Liberec Praha Karlovy Vary CZ Karlsbad Straßburg A Delémont Genève Maribor Ljubljana Laibach Mailand HR Florenz Lisboa Lissabon Saragossa H Székesfehérvár Pécs Rom MD Cluj-Napoca Sibiu RO Hermannstadt Bucuresti Bukarest Beograd BIH Belgrad SCG Ñîôèÿ Sofija AL MK Thessaloníki Gelibolu Saloniki Êüñéíèïò Kórinthos Algier Korinth Tunis MA © Leibniz-Institut für Länderkunde 2005 DZ TN Autoren: F.-D. Grimm, A. Mayr Ankara Èåóóáëïíßêç GR Rabat BG Skopje Sofia Tirana Ägypten Beijing Peking VR China Krung Thep Bangkok Thailand La Habana Havanna Kuba Mumbai Bombay Indien Soul Seoul Rep. Korea Kalimantan Borneo Indonesien Tierra del Fuego Feuerland Argentinien/Chile Sinai Ägypten Anden Südamerika Kilimanjaro Kilimandscharo Tansania Qafqaz/Kavkasioni/ Êàâêàç (Kavkaz) Kaukasus Aserbaidschan/ Georgien/Russische Föderation Tschomolungma/ Qomolangma Mount Everest Nepal/VR China Kap Horn Chile Südafrika ÁèÞíá Athína Athen Chang Jiang Jangtsekiang VR China Gangã Ganges Indien Huang He Hoangho VR China Zambezi/Zambeze Sambesi Sambia/Simbabwe/Moçambique Lac Tchad/ Lake Chad Tschadsee Kamerun/Nigeria/Tschad Lake Superior Oberer See Kanada/Vereinigte Staaten Chisinau Klausenburg Stuhlweißenburg I Roma E Sopron Sarajewo Firenze P Kaschau Pressburg Budapest Algerien Kairo Binnenseen UA Koice Fünfkirchen Postojna Zagreb Íîâè Ñàä Adelsberg Agram Novi Sad Neusatz Áåîãðàä Milano Zaragoza SLO Kyïv Kiew Bratislava Marburg a.d. Drau Ödenburg Genf Madrid Wien Êè¿â Ëüâ³â Lemberg SK Algier al-Qãhirah Flüsse Minsk Lviv Neusohl al-Jazãir Städte Kaap die Goeie Hoop/ Kap der Guten Cape of Good Hope Hoffnung Warszawa Banská Bystrica VR China Cabo de Hornos Moskau BY Breslau Russ. Föderation Tibet Kaps Moskva Wilna Prag Sibirien Xizang/Bod Yul Cordilleras de los Andes Ìîñêâà Daugavpils Dünaburg LT Wroclaw Reichenberg Ñèáèðü (Sibir) Gebirge, Berge Warschau Strasbourg Delsberg Neuenburg Bern CH Neuchâtel PL Berlin Nimwegen Thionville Tilsit* Stettin Nijmegen L Luxembourg Luxemburg Paris Königsberg* Sovetsk Kanada Sinã RUS Szczecin NL Antwerp/Anvers Ñîâåòñê Kaliningrad Arnhem London Êàëèíèíãðàä Neuschottland Halbinseln gebräuchlich in Österreich gebräuchlich veraltend historisch Klaipeda Vilnius DK Åbenrå Tønder Nova Scotia/ Nouvelle-Écosse Mikronesien Dorpat Liepaja Riga Køpenhavn Israel Japan Tartu LV Türkei Galiläa Kyushu Reval Windau Anatolien HaGalil Karolinen Tallinn Ventspils Anadolu Kyûshû Helsinki EST Vietnam Caroline Islands * Typ abweichend von der Quelle Stockholm Vietnam Gebiete, Landschaften Inseln FIN Anzahl nach SPIESS 1994 Viet Nam Hauptstadt sonstige Stadt Dünaburg Oslo Südafrika Myanmar Reichenberg Staat, Verwaltungseinheit mit Deutsch als Amtssprache Mongolei Südafrika Georgien zahlreiche (10 - 25) N Mongolei South Africa/ Suid-Afrika Rangun Laibach keine Mongol Tiflis viele (> 25) wenige (1 - 4) Côte dIvoire Yangon Moskau S Argentinien Elfenbeinküste Tbilisi nach STANI-FERTL 2001 einige (5 - 10) Argentinien Côte dIvoire Endonym in nichtlateinischer Schrift Endonym in lateinischer Schrift (transliteriert) deutsches Exonym Typ des Exonyms Häufigkeit deutscher Ortsnamen nach Staaten Argentina Gallipoli TR Ëåõêùóßá Lefkosía/Lefkosa Nikosia CY Maßstab 1 : 22 500 000 balisierung sinnvoll, künftig – besonders bei internationalen Publikationen – den amtlichen endonymischen Namensformen den Vorrang einzuräumen; in historischen Kontexten sollten jedoch traditionelle, heute exonymische Benennungen bevorzugt werden. Wenn für im Ausland gelegene Objekte keine deutschen Exonyme im Gebrauch sind, werden die geographischen Namen des Auslands in der landesüblichen Schreibweise verwendet. Geographische Namen in Ländern mit nichtlateinischen Schriftsystemen müssen durch 쑺 Transliteration oder 쑺 Transkription „übersetzt“ werden.웇 Geographische Namen – Verwendung von Endonymen und Exonymen 113