Magie – nicht Zaubertricks

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Magie – nicht Zaubertricks
Magie – nicht Zaubertricks (Kultur, Film, NZZ Online)
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Freitag, 31. Oktober 2008, 14:42:28 Uhr, NZZ Online
Nachrichten › Kultur › Film
30. Oktober 2008, Neue Zürcher Zeitung
Magie – nicht Zaubertricks
Marco Kreuzpaintners «Krabat» vertieft Otfried Preusslers Geschichte sog
noch
Thomas Binotto
«Krabat» wird seit 37 Jahren gelesen und ist damit millionenfach in den
Köpfen seiner Leserinnen und Leser «verfilmt» worden. «Krabat» ist
zudem ein Klassiker der Schulbildung und damit beinahe zu Tode
interpretiert. Und nun sollen wir uns im Kino auf die Interpretation eines
jungen Regisseurs einlassen? Auf einen einzigen Film und seine Bilder?
Der Waisenknabe
Krabat (David Kross,
rechts) im Kreis der
Müllersburschen.
(Bild: pd)
Der Vorspann läuft, das Signet eines amerikanischen Major-Studios
erscheint – die Skepsis wird nicht kleiner. Musik und Inszenierung des
Vorspanns erinnern an «Harry Potter» – schon befürchtet man, aus
«Krabat» sei Fantasy-Bombast geworden. Aber dann nimmt der Film
seinen eigenen Weg, und bereitwillig folgt man der verführerischen
Stimme Otto Sanders ins Jahr 1646, wo sich der Waisenknabe Krabat
(David Kross) in einer bitterkalten Winternacht von seinen beiden
frierenden Sternsingerkameraden davonstiehlt. Es wütet der bald
dreissigjährige Krieg, die Pest, der Hunger. Auch in der Lausitz, einem
Landstrich im Dreieck zwischen Deutschland, Polen und Tschechien. Hier
folgt Krabat dem Ruf eines Traums. Dem Ruf in die Schwarze Mühle. Und
so tritt er in die Dienste des Meisters (Christian Redl): «Was soll ich dich
lehren», fragt ihn dieser, «das Müllern oder auch alles andere?» Und
Krabat folgt der inneren Stimme, die so fremd klingt. Er schlägt ein. Die
Mühle beginnt wieder zu mahlen.
Bilder statt Worte
Nun wird der schmächtige Knabe von elf Müllersburschen in ihr hartes
Handwerk eingeführt. Die Sitten sind rau, die Arbeit ist schier nicht zu
bewältigen, aber wenigstens hat er ein Dach über dem Kopf und muss
keinen Hunger leiden. Freundschaften scheint es hier zwar nicht zu
geben, langweilig wird es dennoch nie mit dem tumben Juro (Hanno
Koffler), dem verschlagenen Lyschko (Robert Stadlober) und all den
anderen. Immerhin, der Altgeselle Tonda (Daniel Brühl), freundlich und
schwermütig zugleich, hält seine Hand schützend über den Knaben.
Und dann wird Krabat in «alles andere» eingeführt. In die schwarze
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Magie des Müllers. Lernt zaubern, wird zum zwölften Raben und schleppt
wie die anderen in Neumondnächten mit Gebeinen gefüllte Säcke zum
siebten Mahlgang. Die furchteinflössende Gestalt auf dem Kutschbock,
die über diesen geheimnisvollen Mahlgang gebietet, scheint in der Mühle
von Koselbruch der einzige Kunde zu sein. Die Burschen und der Müller
bleiben unter sich. Bis der Meister am Ostersamstag seinen Gesellen
aufträgt, die Nacht an einem Ort zu verbringen, an dem ein Mensch
gewaltsam zu Tode gekommen ist. Also sitzen Krabat und Tonda
oberhalb von Schwarzkollm und blicken hinunter auf die Osternachtfeier
im Dorf. In dieser Nacht lernt Krabat das Geheimnis Tondas kennen, und
in dieser Nacht verliert er sein Herz an Kantorka (Paula Kalenberg).
Tonda ist da bereits in grosser Gefahr. Und Krabat bald auch. Denn die
schwarze Magie duldet keine Liebe.
Bis dahin hat sich die Skepsis gegenüber Marco Kreuzpaintners «Krabat»
längst aufgelöst. Zusammen mit seinem Koautor Michael Gutmann und
den Produzenten ist dem 1977 geborenen Regisseur eine bemerkenswert
eigenständige und überzeugende Adaption gelungen. Bereits Otfried
Preussler liebt es in seiner Vorlage knapp: knappe Sprache, knappe
Dialoge, keine didaktisch-moralische Anleitung der Leserschaft, viele
Andeutungen und Lücken.
Bei Kreuzpaintner werden die Dialoge sogar noch stärker
zurückgenommen. Auch er erklärt kaum etwas, deutet nur an, braucht
Bilder anstatt Worte. Nur einmal wird er seinem Konzept auf störende
Weise untreu, wenn er das Gesicht der verhüllten Gestalt auf dem
Kutschbock zeigt. Es bleibt der einzige plumpe Fantasy-Effekt, weil diese
Figur, von der wir längst spüren, dass sie der Tod ist, dadurch banalisiert
statt mythisch überhöht wird.
Sonst aber vertraut «Krabat» auf ein waches Publikum, das keine
Sehanleitung benötigt. «Krabat» ist faszinierendes Bilderkino, eigentlich
selbstverständlich, aber leider längst nicht mehr alltäglich. Mag die
Titelinschrift noch an «Harry Potter» erinnert haben – was folgt, ist
geradezu ein Gegenentwurf zum dauerverzauberten Hogwarts. Ja bei
Kreuzpaintner wird sogar noch weniger gezaubert als bei Preussler.
Special Effects haben keine Chance, sich zu Hauptdarstellern
aufzuplustern. Auch die schwankhaften Episoden der Vorlage fallen weg,
was die Verfilmung düster, aber auch ungemein stimmungsvoll und
konzentriert macht. «Krabat» handelt von Magie, nicht von Zauberei.
Kreuzpaintners Film handelt von jungen Menschen, die den Verlockungen
der Macht verfallen. Wenn sie merken, dass diese Macht keine
Freundschaften zulässt und zum Tode führt, ist es zu spät. Der Meister
ist ein Antichrist mit zwölf Jüngern, die ihn nicht lieben, sondern
fürchten. Was er stiftet, ist nicht Gemeinschaft und Nächstenliebe,
sondern Einsamkeit und Missgunst. Seine Mühle ist ein düsterer Kreislauf
im Selbstzweck. Es wird Mehl in rauen Mengen gemahlen, aber es
entsteht daraus nicht tägliches Brot für alle. Damit kommt
Kreuzpaintner, ohne dass er das je plakativ ausdrückt und
wahrscheinlich völlig absichtslos, den religiösen Motiven in Preusslers
Roman unheimlich nahe.
Packendes Erzählkino
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So wie die Sprache Preusslers knapp ist, wirkt die Bildsprache
Kreuzpaintners konzentriert. Doch strahlt «Krabat» nie drögen
Kunstwillen aus. Wir müssen nicht eine Sekundärliteratur-Verfilmung
über uns ergehen lassen, sondern werden von der ersten bis zur letzten
Minute von packendem Erzählkino bei Laune gehalten. Dafür sorgen
neben den Bildern die Darsteller, die so überzeugend zu einem Ensemble
zusammenfinden, dass man ihre Besetzung als selbstverständlich
gegeben hinnimmt. Dennoch muss man Daniel Brühl herausheben, weil
er der einzige Star in diesem Ensemble ist und somit den schwierigsten
Part hat. Er meistert ihn herausragend, gerade weil er kaum etwas
Sichtbares dafür unternimmt. Sein Tonda strahlt genau das aus, was er
ausstrahlen soll: Ein unendlich trauriges, aber auch unendlich liebevolles
Kraftzentrum. Und mit David Kross als Krabat hat Kreuzpaintner einen
jugendlichen Hauptdarsteller gefunden, der sich als unbeschriebenes
Blatt hervorragend zur Projektionsfläche und Identifikationsfigur eignet.
«Krabat» versucht nicht die mehrheitsfähige Durchschnittsinterpretation
und biedert sich nicht beim Publikum an. Es wird uns die zeitweilige
Verdrängung der eigenen Bildwelt zugemutet. Was man dafür geschenkt
erhält, ist eindrücklich, mit langem Nachhall – sofern man schnell genug
ist, vor der unsäglichen Abspannmusik den Saal zu verlassen.
Kinos Abaton, ABC, Arena in Zürich.
NZZ Ticket: Spielzeiten und Infos
[http://www.nzzticket.ch/ki/detailfilm.jsp?e=614185&
t=20081030]
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/film/spielzeiten_und_infos_1.1193180.html
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