Lesen Sie hier das Special von Claus Schridde aus dem
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Trakehner_Special_010 28.09.2012 13:38 Seite 28 Trakehner Special Ein wahres Familienunternehmen Foto: Fellner Die Familie Wahler und ihre Geschichte im Portrait W 28 Wenn Burkhard Wahler heute zurückblickt, dann sind es aus seiner Sicht vor allem zwei wichtige Schlüsselereignisse, die seinen Vater zu einem der bekanntesten deutschen Pferdemänner aufsteigen ließen. „Mein Vater war mit damals 19 Jahren Zuschauer bei den Olympischen Reiterspielen 1936 in Berlin, das hat ihn unheimlich fasziniert. Ich weiß nicht mehr, auf welche Art und Weise er dort hingekommen ist, aber davon hat er viel erzählt!“ Später war er als Soldat bei der reitenden Artillerie in Insterburg stationiert. Déjà-vu in Insterburg Foto: Beelitz enn man die Abstammungsnachweise von Trakehner Pferden der Nachkriegszeit durchschaut, dann ist die Trakehner Population ohne das züchterische Wirken der Familie Wahler (Klosterhof Medingen bei Bad Bevensen/Niedersachsen) heute gar nicht vorstellbar. Dabei gehören die Wahlers nicht zu den ostpreußischen Familien, die am Ende des Zweiten Weltkriegs auf der Flucht vor der Roten Armee mitsamt ihren Pferden ihre Heimat Ostpreußen verließen, gleichwohl hat Ostpreußen in seiner Blütezeit den Seniorchef Eugen Wahler in seinem Schaffensdrang stark inspiriert. Der unvergessene Eugen Wahler wurde 1917 geboren und stammte aus einer Bierbrauerei-Familie in Hannoversch Münden. Von Kindesbeinen an war er mit Pferden vertraut, die Gespannpferde der Brauerei hatten es ihm angetan. Ihm wurde auf dem Klosterhof eine Statue gewidmet: Caprimond ZÜCHTER FORUM 10/2012 Jahrzehnte später gab es ein innerfamiliäres Déjà-vu--: 1996 und 1997 war Burkhard Wahler mit einer deutschen Mannschaft Teilnehmer beim Turnier in Insterburg, das nach dem Krieg in Tschernjachowsk umbenannt wurde. Er selbst ritt dabei den aus Trakehner_Special_010 28.09.2012 13:38 Seite 29 Bereits in den 50er-Jahren war Eugen Wahler eine Partnerschaft mit Curt KrebsSchimmelhof eingegangen. Krebs hatte zwar viele Pferde, aber kein Domizil für dieselben. Das gewährte ihm Eugen Wahler, und die Fohlen wurden als Gegenleistung aufgeteilt. Im Jahr 1958 wurde ein Schimmelhengstfohlen geboren, ein Ausnahmefohlen von Geburt an, das eigentlich nach dem beidseits gewählten Verteilerschlüssel Wahlers Fohlen hätte sein müssen. Aber Curt Krebs kam und sagte: „Wahler, Sie sind noch ein junger Mann, lassen Sie mir dieses Fohlen. Vielleicht wird es mein letzter gekörter Hengst!“ Und Burkhard Wahler weiß, dass sein Vater Curt Krebs gewähren ließ. Eugen Wahler fügte sich dem Wunsch des Älteren, und Foto: Fellner Familienunternehmen: Mutter Wahler mit zwei ihrer Kinder Die Sache mit Pregel Fotos: Ernst familieneigener Zucht stammenden Trakehner Hengst Donaumonarch (v. Sir Shostakovich xx), gewann u. a. ein S-Springen und war mit der deutschen Mannschaft Zweiter im Nationenpreis. Besondere Momente: Die Pferde standen in derselben Kaserne, in der Eugen Wahler seinerzeit vor dem Krieg seinen Militärdienst versah. Burkhard Wahler erinnert sich: „Wir sind während dieser beiden Aufenthalte in Ostpreußen viel gereist, waren in Zwion, Kattenau, Trakehnen, Georgenhorst und weiteren geschichtsträchtigen Orten der ostpreußischen Pferdezucht. Da habe ich gespürt, welch große Inspiration meinen Vater seinerzeit überwältigt haben muss, denn er hatte all diese Gebäude und Institutionen, wie etwa die Hengstprüfungsanstalt in Special Foto: Fellner Trakehner Unvergessen: Eugen Wahler absolvierte ursprünglich eine Landwirtschaftslehre Zwion, noch in voller Blüte gesehen. Das muss ihn unheimlich fasziniert haben, und richtig nachempfinden konnte ich diese Faszination, nachdem ich es mir alles selber einmal angesehen hatte.“ Der junge Eugen Wahler war nach dem Krieg mit dem Aufbau einer Existenz für die Familie beschäftigt. In der Nähe von Bad Bevensen absolvierte er eine landwirtschaftliche Lehre. Ihren Lebensunterhalt verdiente die Familie Wahler mit dem Betrieb der Strickerei in Bad Bevensen, nebenbei betrieb sie eine kleine Landwirtschaft. 1960 übernahm Eugen Wahler die Bewirtschaftung des Klosterhofs, dessen Geschichte bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht. Fünf Jahre später wurde die Strickerei verkauft, und die Familie zog ganz auf den Klosterhof Medingen. Erfolgreiches Team: Donaumonarch und Burkhard Wahler Ein Mann der Taten: Chef Burkhard Wahler diese „Scharte“ wurde auf andere Art und Weise wieder ausgewetzt. Besagtes Hengstfohlen war übrigens der legendäre Trakehner Vererber Pregel, dessen Name noch heute mit Hochachtung genannt wird, und in dessen Papieren Krebs als Züchter und Aufzüchter geführt wird, obwohl Wahler es eigentlich hätte sein müssen. So kamen drei bedeutende Trakehner Stutenfamilien zur Familie Wahler: Die der Donna 831 (A3A3 HG Trakehnen), die der Peraea 832 (T4C HG Trakehnen) und Sternblume 860 (O90A Krebs-Schimmelhof). Die beiden ersten Familien gelangten auf dem Klosterhof in den folgenden Generationen zu großer Blüte und wurden unter Einsatz eigener Hengste bedeutsam weiterentwickelt. Die Hengsthaltung begann schon in den 50er-Jahren mit dem original Ostpreu- 10/2012 ZÜCHTER FORUM 29 Trakehner_Special_010 28.09.2012 15:11 Seite 30 Special ßen Ernest, dann folgten die Abglanz-Söhne Morgenglanz und Valentin, später dann haben Sokrates und Caprimond züchterische Epochen des Klosterhofs geprägt. Bundessieger in Warendorf Zu den großen Erfolgen zählt etwa der Familien-Sieg der Donauquelle (v. Morgenglanz) mit ihren drei Töchtern Donaumärchen I, Donaumärchen II (beide v. Caprimond) und Donaufürstin (v. Sokrates) anlässlich der Bundesstutenschau 1994 in Warendorf bzw. der Trakehner Bundesschau 1997 in Neustadt/Dosse, dort in der Besetzung Donaumärchen I und II mit Donaumonarch. Aus dem Stamm der Peraea resultiert u.a. der Halbblüter Praetorius (v. Brandy xx-Morgenglanz), mit dem, Burkhard Wahler 1986 Deutscher Meister der Vielseitigkeitsreiter Star des Klosterhofs Medingen: Elite-Hengst Caprimond wurde. Heute ist der Donau-Stamm die bedeutendste Stutenfamilie des Hofs. Vermarktungsveranstaltungen zu suchen. Er fand sie in Darmstadt-Kranichstein, und fortan verDer ostpreußische Traum brachte er einen guten Teil des Jahres mit der VorEnde der 60er-Jahre hatte Eugen Wahler dann seibereitung und Durchführung der Auktionen in nen „ostpreußischen Traum“ umgesetzt, und der Südhessen. Immer mit von der Partie waren die Klosterhof Medingen wurde Prüfungsanstalt, zubeiden Söhne Eugen-Andreas und Burkhard, ernächst nur für Trakehner Hengste, 20 Jahre späfolgreiche Reiter in Springen und Military bis zur ter mit der höchsten Beschickung aller PrüfungsKlasse S. anstalten bundesweit. Eugen-Andreas verdiente sich parallel zum JuraAuch die vor dem Kriege berühmten Trakehner studium Sporen als Jockey. Er war zweimal Auktionen feierten unter der Ägide von Eugen Champion der Amateurrennreiter und hat sich Wahler eine glanzvolle Wiederauferstehung. Bis als Jurist im nahe gelegenen Uelzen niedergelasAnfang der 70er-Jahre als Wanderveranstaltung sen. 1989 verkaufte er seine Springpferde und ausgetragen, wurde alsdann Wahler beauftragt, hängte den Springsport ganz an den Nagel. Er eine geeignete Anlage zur Durchführung dieser entdeckte seine alte Leidenschaft und wandte sich den Rennpferden zu: Er hat eine Trainerlizenz und ist nun schon viele Jahre Präsident des Hamburger Rennclubs. Auch seine Töchter Anna und Maria hatten Erfolge im Sattel. Maria ist heute Partnerin des Vaters in der Uelzener Anwaltskanzlei. Burkhard Wahler hat 1982 den Klosterhof Medingen übernommen. Seine Frau Ingrid lernte er als Studentenreiter kennen, richtig „gefunkt“ hat es jedoch 1979 während der Auktion in DarmstadtKranichstein, wo die Architektin seinerzeit zum Auktionsteam gehörte. „Schon nach zwei Tagen war das eigentlich klar mit uns“, schmunzeln die Wahlers heute rückblickend. Schon Anfang der 80er-Jahre siedelte die aus BadenWürttemberg (Aulendorf) stammende Ingrid (geb. Meyer) nach Medingen über. 1984 wurde Hochzeit gefeiert. Die vier Kinder Caspar (26), Theresa (25), Isabell (20) und Christoph (18) sind heute schon in die Abläufe des Hofs integriert. Lediglich Caspar hat keine Karriere im Reitsport angestrebt, die drei jüngeren Geschwister waren jeweils bis zu Europameisterschaften erfolgreich: Theresa in der Dressur, Isabell und Christoph in der Vielseitigkeit. Foto: Beelitz Trakehner Abwechslungsreiche Auktionen Foto: W. Ernst Die Geschichte der Auktionen war abwechslungsreich: Nach den ersten Erfolgen der Trakehner Auktionen in Kranichstein gab es Strömungen im Trakehner Verband, die kolportierten, die Familie Wahler bereichere sich daran übermäßig. So fanden Trakehner Auktionen ohne Wahler’sche Ägide künftig zwar weiterhin in Kranichstein statt, gleichzeitig aber inszenierte das Familienunternehmen Wahler von 1974 bis 1980 auch auf eigene Faust Trakehner Auktionen im heimischen Medingen. Zwei Auktionen bundesweit jedoch sinnbringend mit je 50 qualitätsvollen Pferden zu füllen, gab die Population jedoch auf Dauer nicht her. Und so trat der Trakehner Verband Anfang der 80er-Jahre wieder an die Familie Wahler heran, mit Waren sehr erfolgreich: Trakehner Auktionen in Kranichstein, später inszenierten Wahlers Auktionen im heimischen Medingen 30 ZÜCHTER FORUM 10/2012 Trakehner_Special_010 28.09.2012 13:38 Seite 31 Special Foto: Beelitz Trakehner Zwar kein Trakehner, jedoch das Aushängeschild des Klosterhofs: De Niro „Geist des Klosterhofs“ hervorgegangen. Und noch etwas hat sich geändert: Seit 1995 stehen nicht mehr nur ausschließlich Trakehner Hengste im Stall. Schon immer wurden die hannoverschen Züchter quasi „mitbedient“, da die Trakehner Hengste Morgenglanz (in den 70er-Jahren Deckerlaubnis B für eigene Hannoveraner Stuten), Sokrates und Caprimond auch jeweils die hannoversche Anerkennung genossen. Ab Mitte der 90er-Jahre wurde die Hengsthaltung jedoch ausgeweitet und vergrößert. Jährlich mehrere Fohlenschauen finden statt, seitdem Hengste wie De Niro und andere das Hengstensemble des Klosterhofs bereichern. Der hannoversche Rappe ist heute der bedeutendste lebende Dressur- vererber Deutschlands, mit Ausstrahlung auf alle Zuchtgebiete, und stellte allein 2012 zwei Kandidaten im deutschen Olympia-Aufgebot für London. Dennoch orientiert Burkhard Wahler sich unverändert stark in der Trakehner Zucht. Den „roten Faden“ bilden und bildeten Hengste wie der 27-jährige Grandseigneur Caprimond, dessen bedeutender Sohn Hohenstein I, Donaumonarch, Herzzauber, ferner die Körsieger Kennedy und Le Rouge, der einstige Bundeschampion Latimer, der doppelte Trakehner Champion Herbstkönig und in jüngster Zeit auch die außergewöhnlich guten Springhengste Abendtanz und der selbst gezogene Come Close. Caprimond wurde schon früh ein lebensgroßes Bronzedenkmal auf dem Klosterhof gesetzt. Er ist ein prägender Vererber weit über die Trakehner Population hinaus, ist Elite-Hengst und Trakehner Hengst des Jahres gewesen, wie übrigens auch Hohenstein. Beide sind oft in mitreißenden Schaubildern gemeinsam aufgetreten. Der Klosterhof verkörpert ein familiäres, dabei schlüssiges und in sich stimmiges Konzept: Hengststation, Zucht, Ausbildung und Vermarktung. Die Auktionskollektionen setzen sich zum Großteil aus Nachkommen der hofeigenen Hengste zusammen, wobei drei Generationen Klosterhof-Hengste heute durchaus regelmäßig in den Pedigrees der Auktioniken anzutreffen sind, und haben inzwischen weltweite Akzeptanz. Hier sieht man deutlich: Fleiß wird belohnt. Claus Schridde der Bitte, die Trakehner Auktionen in Kranichstein wieder zu übernehmen. Bis 1989 blieben die vom Hause Wahler geführten Trakehner Auktionen in Südhessen, dann entstand die von Ingrid Wahler entworfene Veranstaltungs- und Auktionshalle in Medingen, womit eine neue Zeitrechnung in der Geschichte des Klosterhofs begann. Heute gibt es seit 14 Jahren keine Hengstleistungsprüfungen mehr auf dem Klosterhof. Mit Ausweitung von Hengsthaltung und damit einhergehend der Vermarktungsinitiativen auf dem Hof wurde es immer schwieriger, diese Aufgaben zu bewältigen. Die seinerzeit einzige private HLPAnstalt Deutschlands schloss jedoch nur kurzfristig ihre Pforten. Nur kurz darauf eröffnete Helmar Bescht, der auf dem Klosterhof gelernt und lange gearbeitet hatte, im unweit gelegenen Schlieckau die HLP-Anstalt. Deren Leiter und die Idee an sich sind somit gewissermaßen aus dem Foto: W. Ernst Der Geist des Klosterhofs Trat in den Fußstapfen seines Vaters Caprimond: Hohenstein ist ebenfalls zum Elite-Hengst gekürt worden 10/2012 ZÜCHTER FORUM 31