Quellen - Weiße Rose Stiftung eV

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Quellen - Weiße Rose Stiftung eV
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Eine „neue“ Weiße Rose?
Was soll das?
Zwischenruf von Michael Verhoeven
(Beitrag zum Buch „Was hat der Holocaust mit mir zu tun?“
von Harald Roth, erschienen 2014 im Pantheon Verlag München, in der Verlagsgruppe
Random House GmbH)
In den Zeitungen lese ich in diesen Tagen, dass der Plan besteht, die
Widerstandsbewegung „Die Weiße Rose“ neu zu gründen. Also gehe ich der
Sache nach.
Im Lichthof der Ludwig-Maximilians-Universität in München hat die WeißeRose-Stiftung eine „Denkstätte“ eingerichtet zur Erinnerung und weiteren
Erforschung der Widerstandsbewegung „Die Weiße Rose“. Ich bin im Beirat der
Stiftung.
Sie hat keinen Plan, die bekannte Widerstandsbewegung neu ins Leben zu
rufen.
In einem Protestbrief an die „Süddeutsche Zeitung“ hat die Vorsitzende der
Stiftung, Frau Dr. Hildegard Kronawitter, klargestellt, dass es keinen
Zusammenhang gibt mit der ominösen Neugründung.
Wer also hat den Plan, die Widerstandsbewegung „Die Weiße Rose“ ins Leben
zurück zu rufen oder neu zu beleben?
Da fällt der Name Susanne Hirzel-Zeller als „Gründerin“. Aber sie ist im
vergangenen Jahr verstorben. Demnach muss die „neue Weiße Rose“ schon
seit Monaten bestehen. Oder die „Gründung“ war nur eine Absicht und dann
kam Hirzel-Zellers Tod dazwischen. Oder sie hat mit der Gründung gar nichts zu
tun. Oder doch … Wer ist diese Susanne Hirzel-Zeller?
Sie stand mit Franz-Josef Müller, dem Gründungsvorsitzenden der WR-Stiftung
und weiteren 12 Angeklagten am 19. April 1943 vor dem sog. Volksgerichtshof.
Sie stammte aus Ulm wie Franz Müller und die Familie Scholl. Sie war eine
Freundin von Sophie und äußerlich ihr Gegenteil: blond, blauäugig mit langen
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Zöpfen. Ähnlich wie Sophie war sie anfangs vom nationalsozialistischen Alltag
begeistert. Sie wurde Führerin einer Mädchengruppe, begeisterte sich für die
Wanderungen, das gemeinsame Singen von alten Volksliedern, die Natur und
Heimat feierten und für Lieder und Gedichte, die das Zusammengehörigkeitsgefühl des deutschen Volkes beschworen bis hin zu Kampf und Opfertod.
Allmählich missfiel ihr „das humorlose, seelenlose, großmäulige Getue, der
rüde Ton der älteren Führerinnen…“ wie sie in ihrem Buch „Von Ja zum Nein“
schreibt.
Sie entschloss sich, Musik zu studieren „mit Hauptfach Klavier und Nebenfach
Violoncello“.
Sie studierte 1941 und 42 an der Musikhochschule Stuttgart, die sie als
„unpolitisch“ bezeichnete und fühlte sich frei von den „bedrückenden
Zeitumständen“.
Ihr Bruder Hans Hirzel kannte Hans Scholl flüchtig, der ihn als Adressaten der
„Briefblätter“ wohl deshalb ausgewählt hatte, weil der als Pastorensohn
Kontakte zu Personen hatte, die über die politische Gegenwart nachdenken,
vielleicht sogar diskutieren könnten.
Im Januar 1943 reiste Sophie Scholl mit dem Zug von München nach Ulm, mit
einem Rucksack voll Flugblätter, die dort in Kuverts gesteckt und an
vorgewählte Personen in verschiedenen Städten adressiert werden sollten.
Dies geschah hinter der Orgel der Ulmer Martin-Luther-Kirche, die der Vater
Ernst Hirzel als Pfarrer betreute.
Franz Müller hat mir die gefährliche Aktion in seinem kultivierten Schwäbisch
lebhaft geschildert. Er und Heiner Guter waren von ihrem Mitschüler Hirzel auf
die Kuvert- und Adressen-Aktion angesprochen worden, aber nur Franz Müller
war bereit, mitzumachen.
So beschrifteten Hans und Susanne Hirzel gemeinsam mit Franz Müller über
1000 Kuverts zum Versand der „Briefblätter“. Franz Müller kam für das Porto
auf.
Diese mutige Tat kennzeichnet den Augenblick, in dem Susanne Hirzel der
„Weißen Rose“ am nächsten war. Sie kannte Hans Scholl „kaum“, wie sie selber
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schreibt und bescheiden fügt sie hinzu, dass sie lediglich zum „äußeren Rand
der Gruppe“ zählte.
Sie gehörte also 1943 zu den wenigen Helfern und Sympathisanten und teilte
die Ziele der Gruppe.
Später und besonders im hohen Alter muss Susanne Hirzel wieder Geschmack
an den patriotischen Parolen ihrer Jugendzeit gefunden haben, die mit
völkischen Schlagworten durchsetzt waren.
Das rechte Heimatgefühl und den rechten Nationalmythos fand sie offenbar bei
einer Gruppe „Patriotischer Aktivisten“, mit denen sie sich im Sommer 2012
ablichten ließ.
Der Verfassungsschutz stufte die Gruppe nach einem Bericht der SZ als
verfassungsfeindlich ein.
Ich bin Susanne Hirzel nur einmal kurz begegnet. Ich glaube, es war anlässlich
einer Filmpremiere meines Films „Die Weiße Rose“.
Für die Recherche zu dem Projekt erschien sie mir wegen ihrer geringen Nähe
zu den eigentlichen Widerstandsinhalten nicht geeignet.
Hingegen versprach ich mir von Gesprächen mit Franz Müller Aufschluss über
Motive und Ereignisse, die dem Film eine innere Wahrheit geben konnten.
Er hat meinem Coautor Mario Krebs und mir den Kontakt vermittelt zu Inge
Aicher-Scholl, die zunächst unser Projekt rigoros ablehnte, wie sie es schon bei
früheren Vorhaben einer Verfilmung der WR-Geschichte, z. B. gegenüber dem
Berliner Produzenten Artur Brauner, getan hatte. Sie konnte sich einfach nicht
vorstellen, dass Schauspieler in der Lage sind, Inges Schwester Sophie und ihren
Bruder Hans glaubhaft darzustellen. Sie fürchtete den Gefühlskitsch der
deutschen Filme der Nachkriegsjahre.
Aber unsere Gespräche mit ihr und anderen Angehörigen der Widerstandsgruppe und vor allem unsere Drehbuchentwürfe haben schließlich dazu
geführt, dass Inge Aicher-Scholl, die als Sprecherin der Familien auftrat, uns ihr
Einverständnis gab.
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Dann begann unsere Recherche
Die Tagebücher und ausgewählte Briefe der Geschwister Scholl durften Mario
Krebs und ich zwar lesen, aber Inge Aicher-Scholl bat uns, keine Notizen zu
machen. Als nach dem Erscheinen unseres Films die „Weiße Rose“ auf einmal
wieder ein großes Thema war, erschienen dieselben Briefe und Tagebücher als
Buch im Fischer-Verlag Frankfurt , herausgegeben von Inge Jens. Zu dem
Zeitpunkt war ich mit Inge Aicher-Scholl und ihren Söhnen Manuel und Julian
bereits in herzlicher Freundschaft verbunden.
Authentische Informationen gaben uns auch Sophie’s damaliger Verlobter Fritz
Hartnagel, seine spätere Frau Elisabeth, eine der Schwestern von Hans und
Sophie, und in München Dr. Erich Schmorell, der Bruder von Alexander
Schmorell, dessen Freundin Lilo Fürst-Ramdohr und Clara Huber, die Witwe von
Professor Huber.
Sie haben uns wichtige Hintergrunderlebnisse und Details berichtet und
Zusammenhänge erklärt, die in keinem Geschichtsbuch zu finden gewesen
wären und in wesentlichen Punkten der Geschichtsschreibung widersprachen.
Ebenfalls in München und in seinem Haus am Starnberger See haben wir mit
Christoph Probst’s Sohn, dem Arzt Dr. Michael Probst, den ich seit dem
gemeinsamen Medizinstudium gut kannte, über die Motivation der Gruppe
diskutiert. Ausführliche Auskünfte gab uns auch Christoph Probst‘s Witwe
Hertha Siebler-Probst und Dr. Hubert Furtwängler, ein enger Freund der
Geschwister Scholl.
Anneliese und Willi Graf
Anneliese Knoop-Graf, die Schwester von Willi Graf, der im zweiten Prozess
zusammen mit Alexander Schmorell und Prof. Dr. Kurt Huber zum Tod
verurteilt wurde, war von Beginn an diejenige, die unser Projekt vehement
unterstützte. Sie hat uns auch sehr früh Kopien der Briefe und Tagebücher ihres
Bruders Willi anvertraut.
Als Anneliese beim Drehen den Darsteller des Willi Graf zum ersten Mal sah,
war sie erschüttert. Der junge Schauspieler Uli Tukur sah damals ihrem Bruder
erschreckend ähnlich.
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Willi und Anneliese Graf stammten aus Saarbrücken und haben wie die
Geschwister Scholl in München studiert und wie diese in einer gemeinsamen
Wohnung gewohnt. Deshalb ist die Gestapo davon ausgegangen, in Willi und
Anneliese ein zweites Hochverräterpaar enttarnt zu haben. Willi war aber so
verschwiegen und hat das konspirative Leben der Gruppe derartig strikt
eingehalten, dass Anneliese von der Aktivität der „Weißen Rose“ nicht das
Geringste ahnte und deshalb nicht in Gefahr war, bei den Verhören im
Wittelsbacher Palais, dem Gestapo Hauptquartier, etwas auszuplaudern.
Aus Dankbarkeit für Anneliese Knoop-Grafs Unterstützung habe ich im Jahr
2001 einen Dokumentarfilm über ihr Verhältnis zu Willi mit dem Titel „Die
kleine Schwester –Ein Vermächtnis“ gedreht.
Heiner Guter, den Schulfreund von Hans Hirzel und Franz Müller kannte ich
schon seit Jahren durch seine Frau, die Schauspielerin Erika Wackernagel. Guter
ist übrigens der Stiefvater von Christof Wackernagel, der durch seine
zeitweilige Zugehörigkeit zur RAF bekannter wurde als durch seine erfolgreiche
Karriere als junger Schauspieler. Heiner Guter hat zwar bei der Kuvertierungsaktion nicht mitgemacht, war aber nach dem Freisler-Prozess zu einem intimen
Kenner der Geschichte der WR geworden.
Ich versuche hier, das Netz der Informationen, die wir zur Verfügung hatten, zu
skizzieren, einfach deshalb, weil ich mich gern an die Begegnung mit den
Personen aus dem Umfeld der WR erinnere. Und dankbar bin für ganz
authentische Mitteilungen, die es mir ermöglicht haben, nicht etwa nur ein
Portrait der Geschwister Scholl zu gestalten, sondern der gesamten Widerstandsgruppe ein Gesicht zu geben.
Der Fall Falk Harnack
Einer der wichtigsten Ratgeber für das Verständnis der Geschichte und des
Prozesses der WR war Dr. Falk Harnack. Ich kannte ihn schon seit meiner
Kindheit, er war unmittelbar nach dem Krieg Dramaturg am Bayerischen
Staatsschauspiel während der Intendanz meines Vaters Paul Verhoeven und
auch später sein Regieassistent.
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Falk Harnack war der Ehemann von Käthe Braun, einer bekannten Theaterschauspielerin, mit der ich in den Jahren meiner Schauspielerzeit in deutschen
Filmen gespielt habe und dabei immer wieder mit Harnack in Berührung
gekommen bin.
Er ist von Roland Freisler im 2. Prozess der WR als einziger Angeklagter des
engeren Kreises freigesprochen worden. In vielen Quellen liest man, dass er
Freisler mit dem Argument überzeugt habe, im Vergleich zum schrecklichen
Hinrichtungstod seines Bruders Arvid seien die Flugblattaktionen der WR
„Lausbubereien“ gewesen, was allein ihn schon davon abgehalten habe,
mitzumachen.
Falk Harnack galt nach dem Krieg als Kommunist und hatte deshalb einen
schweren Stand in Zeiten des Kalten Krieges und auch innerhalb des Kreises der
Nachkommen der WR.
Harnack hat mir im Vertrauen mitgeteilt, dass die historische Aufarbeitung der
Ereignisse um die WR seiner Rolle nicht gerecht geworden sei.
Seiner eigenen Einschätzung nach sei er von Freisler nur deshalb
freigesprochen worden, um dem Nazi-System nach dem Prozess als
„freilaufende Wanze“ zu dienen, falls er Kontakte herstellen würde zu anderen
Widerständlern, die noch nicht enttarnt waren. Deshalb habe er sehr sorgfältig
solche Kontakte vermieden.
Hans Hirzel und die „Reps“
Zurück zu Hans Hirzel, einem der drei Helfer, die im Januar 1943 die Briefblätter
adressiert haben. Hans Hirzel, der Bruder von Susanne, hat kurzzeitig für
Schlagzeilen gesorgt, weil er der Kandidat der „Republikaner“ war bei der Wahl
zum Bundespräsidenten im Jahr 1994.
Das war nun mehr als überraschend: ein als Mitglied der WR bekannter
Widerständler gegen den Nationalsozialismus tritt als BundespräsidentenKandidat für eine Partei auf, deren Klientel offen und versteckt mit dem
Nationalsozialismus kokettiert.
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Hans Hirzel ist nicht deutscher Bundespräsident geworden. Er dürfte selber
angesichts der Bedeutungslosigkeit der „Republikaner“ keine Hoffnung gehegt
haben, gewählt zu werden.
So war seine Kandidatur wohl vor allem ein Statement seiner Einstellung zur
politischen Realität in der Bundesreplik Deutschland.
Ich habe 1983 nach einem Vortrag zum Thema WR und einer Vorführung
meines Films in Heidelberg bei ihm und seiner Familie übernachtet. Er war ein
aufs erste sympathischer und gewinnender Mann, außerordentlich gebildet
und philosophisch beschlagen. Besonders interessierte ihn die Philosophie des
TAO, aber unsere Gespräche kreisten natürlich vor allem um die WR. Ich habe
mich damals im Kreis seiner Familie sehr wohl gefühlt.
Nach der verstörenden Kandidatur Hirzels haben sich viele seiner Freunde und
früheren Mitstreiter von ihm abgewandt. Auch ich hatte seit seiner Kandidatur
keinen Kontakt mehr zu ihm.
Franz Müller hat damals zu mir gesagt, Hirzel sei schon immer eine schillernde
Persönlichkeit gewesen, deren Handlungen und Aussagen er nicht immer
folgen konnte. Aber 1943 hat Hirzel immerhin gemeinsam mit Müller das fünfte
Flugblatt der WR kuvertiert, adressiert und frankiert.
Wie beschrieben, war an dieser Aktion auch Hirzels Schwester beteiligt, die
dann später ebenfalls vor dem fürchterlichen Richter Freisler stand: Susanne
Hirzel, angebliche Gründerin der „neuen“ Weißen Rose.
Ihr Pflichtverteidiger Dr. Eduard Eble hat sie vor dem sog. Volksgerichtshof so
engagiert verteidigt, dass Freisler das Unwahrscheinliche glauben konnte,
Susanne Hirzel habe den Inhalt der Briefe nicht gekannt. Eble hat sie angeblich
als „herrliches deutsches Mädchen“ geschildert und dadurch die Strafe auf 6
Monate Gefängnis minimieren können. Er hatte schon in anderen Fällen
Haltung bewiesen. So hat er 1938 etwa 500 „jüdischen“ Intellektuellen über
die „Koch-Schule Schwarz“ die rettende Ausreise nach England und in die
Vereinigten Staaten ermöglicht.
Vielleicht ist es ein Fehler, sich den Kopf über die verstorbene alte Dame HirzelZeller zu zerbrechen. War sie tatsächlich plötzlich rechts gestrickt wie offenbar
ihr Bruder, so hatte ihr politisches Auftreten im Alter von 90 Jahren ja keine
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wirkliche Bedeutung. Sie wurde von einer parteiähnlichen Gruppierung
missbraucht, die sich selbst mit Susanne Hirzels Namen Bedeutung verschaffen
wollte.
Es war schon kühn, eine Neben-Figur der Ereignisse von damals heute ins
Zentrum der Erinnerung stellen zu wollen. Noch kühner ist es, verantwortungslos und schäbig, den großen Namen „Weiße Rose“ zu missbrauchen für plumpe
Propaganda am rechten Rand.
Deshalb erinnere ich an dieser Stelle an die letzte Aktion von Hans und Sophie,
deren unmittelbare Konsequenz ihr Tod und der ihrer 4 Mitstreiter war.
Die Methode
Es ist mir wichtig zu schildern, dass die Flugblätter der WR in Kuverts an
Personen in ganz Deutschland geschickt wurden, die in der Lage waren, die
Botschaft der WR zu verbreiten. Solche Multiplikatoren waren etwa Ärzte,
Gastwirte, Anwälte und Pfarrer, Menschen, die in 4-Augen-Gesprächen für den
Widerstand gegen die Nazis werben konnten.
Die „Flugblätter“ waren zuallererst Briefe, deren Adressaten die Studenten aus
Telefonbüchern anderer Städte herausgeschrieben hatten. Die Briefe wurden
dann aus wieder anderen Städten verschickt, in die sie unter Lebensgefahr
transportiert worden waren. Dadurch sollte die Gestapo den Eindruck haben,
dass die WR eine weitverzweigte Organisation war.
Professor Kurt Huber war zunächst strikt dagegen, weil er die deutsche
Bevölkerung bereits als zu lethgarisch einschätzte, um sich gegen den
Nationalsozialismus zu wehren. Aber nach dem Fall von Stalingrad entschloss er
sich, spontan mitzumachen und formulierte das 6. Flugblatt.
Die Flugblätter wurden nicht selten auch ausgelegt, bevorzugt in der Münchner
Uni, so auch am 18. Februar 1943.
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Hans und Sophie „werfen“ Flugblätter ab.
Der verhängnisvolle, angeblich mutwillige Abwurf des 6. Flugblattes von der
Empore der Universität war eine Panne.
Auch wenn Sophie Scholl vor ihrem Gestapoverhörer etwas anderes gesagt hat,
eine geschickte Lüge unter anderen gezielten Irreführungen, so war das
Abwerfen der Flugblätter jedenfalls keine Aktion von Märtyrern, die ein „Fanal“
aussenden wollten: hier stehen wir vor Gott und den Menschen und blicken
dem Tod ins Auge. So war es nicht, wenn auch viele gläubige Christen diese
Lesart lange Zeit mit Fleiß gepflegt haben.
So konnte es aber schon deshalb nicht gewesen sein, weil Hans und Sophie an
diesem Vormittag in ihrer Studentenwohnung alle Tagebücher und Indizien
herumliegen hatten, mit denen die „Märtyrer“ die Freunde bewusst ans
Messer geliefert hätten. Wäre es tatsächlich ein mit den Freunden nicht
abgestimmtes „Fanal“ gewesen, hätten Hans und Sophie zuallererst die
Indizien verschwinden lassen, um die Freunde zu schützen.
Ich habe versucht, ein Bild der Zusammenhänge der WR zu geben, das die
Rezeptionsgeschichte und den heute möglichen Wissensstand über sie berührt,
um deutlich zu machen, wer diese Susanne Hirzel-Zeller im größeren Rahmen
der Widerstandsgruppe WR war.
Zum engeren Kreis der WR konnte sie sich nicht zählen und schon gar nicht als
„Mitglied“ gesehen werden, wie in Zeitungsberichten zu lesen war. Die WR
hatte keine Mitglieder. Sie bestand aus eben den 5 Studenten, ihrem Professor
und einem nachträglichen Mitstreiter, der die Arbeit der WR vornehmlich in
Hamburg fortsetzte: Hans Konrad Leipelt. Er wurde noch 1945 hingerichtet.
Aber Susanne Hirzel konnte sich immerhin zu der damals kleinen Schar der
Sympathisanten zählen. Und sie stand dafür vor Freisler. Das ist nicht wenig.
Aber mit ihrem Namen lässt sich die „Weiße Rose“ nicht neu gründen. „Die
weiße Rose“ lässt sich überhaupt nicht neu gründen. Die Geschichte der WR ist
abgeschlossen.
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Aber es gibt da diese Gruppe von angeblichen Beschützern der „freiheitlich
demokratischen Grundordnung“, die mit Hetzkampagnen und falschen
Vergleichen („schwarze Antifa“ gleich „braune SA“) den „linken Mainstream“ in
der Gesellschaft geißeln, sich aber nicht als rechte Extremisten bekennen
wollen.
Was sind das für Leute?
Sie halten bei ihrer Kampagne gegen den Bau einer Moschee in München ein
großes Bild von Heinrich Himmler hoch, in Uniform mit Hakenkreuz und SSTotenkopf.
Der Bayerische Vorsitzende dieser parteiähnlichen Gruppierung ist 2011 aus
der CSU ausgetreten. Sein Name will mir partout nicht einfallen. Sein
politisches Vorbild ist angeblich Geert Wilders, der niederländische
Rechtspopulist.
Den leuchtenden Namen der Weißen Rose zu missbrauchen, ist Blasphemie
und Betrug und sollte ebenso unter Strafe gestellt werden wie die Leugnung
des Holocaust.
MV
August 2013
© by Pantheon„Was hat der Holocaust mit mir zu tun?“ von Harald Roth