Das Erfolgskonzept von Michael Kors
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Das Erfolgskonzept von Michael Kors
Wirtschaft 33 JÖRG CARSTENSEN / KEYSTONE NZZ am Sonntag 19. April 2015 Das Erfolgsrezept von Michael Kors Die US-Modemarke, die günstige Handtaschen verkauft, eröffnet nach Basel nun auch an der Zürcher Bahnhofstrasse ein Geschäft. Kim Bode, New York Ferdinand Karl Piëch und seine Frau Ursula am Bugatti-Stand des diesjährigen Autosalons in der Schweiz. (Genf, 3. März 2015) Ferdinand Piëch – Patriarch ohne Harmoniebedürfnis Dem Volkswagen-Präsidenten ist es nicht gelungen, den Konzernchef zu stürzen. Doch er dürfte so schnell nicht aufgeben Der 78-jährige Ingenieur führt den Volkswagen-Konzern, wie wenn es eine ganz normale Familienfirma wäre. Susanne Ziegert, Berlin Er ist keiner, dem aus Versehen eine unpassende Bemerkung herausrutscht. Auch wenn Ferdinand Piëch seine rätselhaften Sätze beiläufig am Rande einer Autopräsentation fallenlässt, sind die Worte und der Zeitpunkt kalkuliert. So verstummen Gespräche, selbst das Klirren der Gläser wird leiser, wenn der Patriarch auf Präsentationen am Arm seiner Gattin Ursula neue Modelle aus dem Hause Volkswagen mit seinem stechenden Blick begutachtet. Journalisten halten ihre Mikrofone bereit, denn die Fallbeil-Verdikte des VW-Patriarchen können den ganzen Konzern erschüttern. So wie jüngst die Aussage: «Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.» Seit über 30 Jahren ist der jetzige VW-Chef Martin Winterkorn ein enger Vertrauter. In seiner 2001 erschienenen «Auto. Biographie» lobt Piëch in höchsten Tönen Winterkorns technische Souveränität, sein ganzheitliches Autoverständnis sowie Verdienste um den «Tugendweg der Kostenrechnung» bei Audi. Seine eigene Führungsphilosophie erklärt er als «begrenztes Harmoniebedürfnis, denn eine Firma sei auf der höchsten Harmoniestufe nicht an die Spitze zu bringen». Er habe lieber einen für die Situation unpassenden Manager gefeuert, als eine Schwächung des Kon- zerns zu riskieren. Noch vor der Automesse in Schanghai, die morgen beginnt, und der Hauptversammlung am 5. Mai, so Piëchs Kalkül, wollte er den VWChef stürzen. Im ersten Anlauf ist dem 78-Jährigen bis 2017 gewählten Aufsichtsratschef das Ränkespiel nicht gelungen. Am Donnerstag hat sich das Präsidium zu einer Sondersitzung versammelt. Die Familie verfügt zwar über 50,7% der Stimmrechte im Konzern, doch der Patriarch konnte weder die Verwandtschaft noch andere Aufsichtsräte auf Linie bringen. Am Freitag bestätigte der Aufsichtsrat Winterkorn im Amt und wird ihm gar eine Vertragsverlängerung über das Jahr 2016 hinaus anbieten. Doch dass Piëch sein Vorhaben aufgibt, ist nicht zu erwarten. Stets treibt ihn der Wunsch, aus dem Schatten seines legendären Grossvaters Ferdinand Porsche zu treten, der einst den Käfer entwickelte und die Autofirma Porsche gründete. Nach einem MaschinenbauStudium an der ETH Zürich und seiner Diplomarbeit über einen Formel-1-Motor trat Piëch in die Familienfirma Porsche ein. Seine wichtigste Entwicklung, der Porsche 917, sprengte zwar das Budget, fuhr jedoch einen Sieg in der Langstrecken-Meisterschaft ein. Von da an gilt Piëch als begnadeter Ingenieur, der im Umgang mit Nockenwellen mehr Feingefühl zeigt, als bei der Führung von Mitarbeitern. Die VW-Tochter Audi wurde seine nächste Station. Der Porsche-Enkel machte Auf Kurs Entwicklung der VW-Aktie im Jahresverlauf 260 Franken 240 220 200 180 A M J J A S 2014 O N D J F M A 2015 Quelle: vwdgroup aus der damals angeschlagenen Firma in 20 Jahren eine innovative Marke der Oberklasse und qualifizierte sich so als Vorstandschef des Gesamtkonzerns. 1993 kam er in Wolfsburg an, wo er einst die Ferien beim Opa verbracht hatte. Der Konzern steckte in einer tiefen Krise. Gemeinsame Fahrzeugplattformen und die Einführung der Viertagewoche ohne Lohnausgleich brachten die nötigen Kostensenkungen ohne Massenentlassungen. Nach seiner Amtszeit wurde bekannt, dass der Vorstand den mächtigen Betriebsrat durch Lustreisen bei Laune gehalten hatte – angeblich ohne Piëchs Wissen. Der technikversessene Ingenieur landete auch Flops: VW scheiterte beim Einstieg ins Premiumsegment mit dem Phaeton, auch die Entwicklung des 1000-PS-Monsters Bugatti Vey- ron erwies sich als MillionenGrab. Dennoch stand VW nach Piëchs Ausscheiden internationaler da, schrieb den damals höchsten Gewinn der Firmenstory. Als Aufsichtsratschef schritt Piëch 2006 zur Exekution seines Nachfolgers Bernd Pischetsrieder. Damals sinnierte er öffentlich, dessen Vertragsverlängerung sei eine «offene Frage». Wenige Monate später wurde der Manager abserviert, allen vorherigen Treuebekundungen zum Trotz setzte sich der Patriarch durch. Ebenso brutal endete die Karriere des Porsche-Chefs Wendelin Wiedeking bei einer Autovorstellung auf Sardinien. Lange hatte sich sein Cousin Wolfgang Porsche gegen Wiedekings Abgang gewehrt, am Ende gab er aber nach. Vor drei Jahren begann Piëch, seine Nachfolge vorzubereiten. Er hievte seine dritte Gattin Ursula in den Aufsichtsrat, so als wäre VW eine gewöhnliche Familienfirma. Die 59-Jährige hatte einst als Piëchs Kindermädchen angefangen, der damals neun Kinder aus drei Beziehungen hatte. Nach einer ersten gescheiterten Ehe lebte er zu dem Zeitpunkt mit der Ex-Frau eines Cousins, Marlene Porsche, zusammen. Zwei Jahre später ehelichte er die Gouvernante und zeugte mit ihr drei weitere Sprösslinge. Doch seinem Nachwuchs traut der Patriarch die notwendigen Führungsqualitäten nicht zu. Deshalb brachte er seine Firmenanteile in zwei Stiftungen ein, denen seine Gattin vorsitzt – der einzige Mensch, dem er uneingeschränkt vertraut. Edelkaufhäuser gegenüber dem «Interview Magazine». Landesweit bekannt wurde sein Name dann mit seinem Dauerauftritt als Juror bei der beliebten US-Fernsehshow «Project Runway». «Die Frauen wollen nachmachen, was Michael als Kopf der Marke vorgibt», erklärt Detailhandelsexpertin Dana Telsey, Gründerin und Chefin des privaten Marktforschungsunternehmens Telsey Group. Ausserdem sehen sie, dass prominente Persönlichkeiten die Taschen und Kleider tragen. «Damit fühlen sie sich, als würden sie zum Klub gehören.» Um in diesen Klub aufgenommen zu werden, gibt es kaum Grenzen be- Michael Kors ist daran, die Schweiz einzunehmen. Die USModemarke wird laut Medienberichten in der Bahnhofstrasse in Zürich einen Laden eröffnen – genau dort, wo fast hundert Jahre lang der Flagship-Store des Schuhgeschäfts Bata beheimatet gewesen ist. Für eine Jahresmiete in Millionenhöhe vermietet der Schuhkonzern die Immobilie künftig an die Amerikaner. In Basel hat Kors vor kurzem sein erstes Geschäft eröffnet, in Genf hat er bereits Ladenfläche gekauft und in Bern, Luzern und Lugano weitere angedacht. Möglich macht die hastige Expansion die rasant wachsende Popularität der Marke, bekannt vor allem für ihre Handtaschen mit einem auffälligen «MK»-Anhänger. In den USA trägt gefühlt fast jede dritte Frau das Logo mit sich herum; dabei ist es egal, wie alt sie ist oder welcher gesellschaftlichen Klasse sie angehört. Insbesondere bei jungen Frauen hat die Marke deutlich an Beliebtheit gewonnen: Für knapp 40% der weiblichen Teenager in den USA ist Michael Kors die bevorzugte HandtaschenMarke, heisst es in einer neuen Analyse der US-Investmentbank Piper Jaffray. Stars wie etwa die Schauspielerinnen Penélope Cruz und Jessica Chastain, Supermodel Miranda Kerr und First Lady Michelle Obama geben den Trend vor. Die Geschäftszahlen spiegeln diese Popularität wider. Seit 2012 hat sich der Umsatz fast verdreifacht auf 3,2 Mrd. $ 2014. Der Reinerlös ist im gleichen Zeitraum auf das Vierfache (660 Mio. $) gestiegen, mit einer Marge von 205%. 703 Filialen, eigene und lizensierte, zählt Michael Kors mittlerweile weltweit – 2012 waren es noch gerade einmal gut 300. Seit dem Börsengang Ende 2011 hat sich der Wert der Firma knapp vervierfacht. Das Erfolgsrezept der bereits 1981 gegründeten Marke liegt in dem Prinzip, Luxus für fast jede Frau zugänglich zu machen. «Als ich mit meinem Unternehmen angefangen habe, hat man als amerikanischer Designer bei Bergdorf Goodman und Saks verkauft, und das war’s», erklärte der Modedesigner einmal mit Bezug auf die zwei US- Michael Kors Der Amerikaner ist daran, mit seinen Handtaschen nun auch die Schweizer Modeszene zu erobern. züglich Alter oder Einkommen. Als Zielgruppe gelten aber Frauen im Alter von 25 bis 54 Jahren und einem Jahresgehalt von mehr als 50 000 $. Dabei liegt der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg in den Handtaschen. Accessoires machen 65% des Umsatzes aus. «Handtaschen sind die am schnellsten wachsende Kategorie auf dem US-Markt», erklärt Analyst Christian Buss von der Credit Suisse. Sie seien ein sehr profitables Geschäft mit stabilen Profitmargen von mehr als 70%. «Das erlaubt es Michael Kors, in die Marke, die Läden und die Werbung zu investieren.» Hinter der Geschäftsstrategie stehen zwei Profis aus der Modebranche: Lawrence Stroll, kanadischer Milliardär mit Wohnsitz in Genf, und sein Geschäftspartner Silas Chou hatten 2003 für 100 Mio. $ eine Mehrheitsbeteiligung an dem Unternehmen Michael Kors übernommen. Sie gelten als die Masterminds hinter dem erfolgreichen IPO. Im vergangenen Herbst verkauften sie allerdings ihre letzten verbliebenen Anteile von knapp 6%. Stroll und Chou werden aber weiter profitieren. Denn neben Firmenchef John Idol und Designer Kors selbst halten sie die Lizenzrechte für die bisher noch unangetasteten Märkte in China, Hongkong, Macau, Taiwan. 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