Scheidung und Wiederheirat - Chrischona Gemeinde Affoltern am

Transcription

Scheidung und Wiederheirat - Chrischona Gemeinde Affoltern am
CHRISCHONA-GEMEINDE AFFOLTERN AM ALBIS
Evangelische Freikirche
alte Obfelderstrasse 24
8910 Affoltern am Albis
Tel. 01/761 62 31/761 61 25
Zum Thema:
Ehe, Scheidung
und Wiederheirat
1
Inhalt:
Ä Einleitung
-3–
Ä Die Ehe
- Schöpfungsordnung
- Einehe
- Eheordnung
- die Ehe, ein Treuebund
-3–
-3–
-4-4-
-3–
Ä Die Ehescheidung
- Notordnung des Gesetzes
- Ehescheidung im Alten Testament
- Ehescheidung im Judentum
- Ehescheidung bei Jesus und Paulus
- Ausnahmen im Scheidungsverbot
-
-5–
Ä Ehebruch und Unzucht
- Ehebruch im Alten Testament
- Ehebruch im Neuen Testament
- Das radikale Nein zum Ehebruch
- Unzucht im Alten Testament
- Unzucht im Neuen Testament
- Unzucht heute
5
5
5
6
7
-
-7–
-7-8-8–
-8-9-9-
Ä Schuld, Vergebung und Neubeginn
- Schuld und Unschuld
- Manchmal ist Trennung geboten
- Vergebung
- Vergebung und Gemeindezucht
-9–
-9
-9
- 10
- 11
Ä Wiederheirat von Geschiedenen
- Wiederheirat im Judentum
- Wiederheirat im Neuen Testament
- Wiederversöhnung statt Wiederheirat
- Heirat von Geschiedenen – unmöglich?
- Wiederheirat und Vergebung
- Voraussetzungen zur Wiederheirat
-
- 11 –
-
Ä Seelsorgerliche Begleitung von Geschiedenen
- Klima für Geschiedene in der Gemeinde
- Abklärungen für eine Wiederheirat
- Mut und Takt zur Seelsorge
Ä Anhang: 3 Fragen zum Überdenken
11
12
12
12
13
13
-
- 13 –
- 13 - 13 - 14 -
- 15 -
2
Einleitung
Komplexität
Massgebend ist
die Heilige
Schrift als
Ganzes!
Keine Pauschallösungen
Das Thema „Scheidung und Wiederheirat“ ist komplex. Es lässt sich nicht mit ein paar
Regeln beantworten.
Wir stellen fest, dass Bibel davon ausgeht, dass die Ehe unauflöslich ist. Mose kennt
aber so etwas wie ein Scheidungsrecht1. Sowohl Jesus wie auch Paulus räumen
Ausnahmen2 ein, die eine Ehescheidung rechtfertigen. Als die Ehebrecherin zu Jesus
geführt wird, bestätigt er das Urteil des mosaischen Gesetzes, weigert sich aber
gleichzeitig, die fehlbare Frau zu verurteilen und gibt eine neue Chance.
In den folgenden Ausführungen versuchen wir, das Thema biblisch zu beleuchten. Wir
suchen Antworten auf Fragen und halten uns an den Grundsatz:
„Der Inhalt des Glaubens und das Tun des Willens Gottes sind nur aus der Heiligen
Schrift als Ganzes zu erkennen. Einzelne Gottesworte, herausgelöst aus der Einheit
des Alten und Neuen Testamentes, führen zu der Schrift widersprechenden Sonderbzw. Irrlehren. Der Lebensstil eines Menschen, der sich vor Gott verantwortlich weiss,
gründet sich nicht auf einzelne der Schrift entnommenen Worte, sondern auf die
Gottesworte in ihrem Gesamtzusammenhang.“3
Wir können und wollen in dieser komplexen Materie keine Pauschallösungen finden. Es
sind jedesmal einzigartige Persönlichkeiten, spezielle Ehekonstellationen, Ehebiographien
und eine grosse Menge an Problemen, Daten, Fakten die schlussendlich zu einer
Scheidung führen. Viele wichtige Fakten sind selbst Nahestehenden, einige sogar den
Betroffenen selbst unbekannt.
Die Ehe
Schöpfunsordnung
Gott schuf die Menschen als geschlechtliche Wesen:
1.Mose 1,27: Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, nach dem Bild
Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie.
Die Zweigeschlechtlichkeit gehört unmittelbar zur Erschaffung des Menschen. „Der
Mensch war von Anfang an geschaffen als ein geschlechtliches Paar. “ (C.F. Keil).
Der Mann war zunächst im Paradiesgarten allein. Um die Einsamkeit des Mannes zu
beenden, schafft Gott ihm eine „Hilfe“. Das in der Ursprache stehende Wort heisst nicht
„Gehilfin“, sondern „das dem Mann fehlende Seitenstück“.
Die jüdische Schriftauslegung (Talmud) stellt fest:
„Gott hat die Frau nicht aus des Mannes Kopf geschaffen, dass er ihr befehle, noch aus
seinen Füssen, dass sie seine Sklavin sei, vielmehr aus seiner Seite, dass sie seinem
Herzen nahe sei.“
Nach der Schöpfung der Frau führt Gott selbst die Frau dem Mann zu. Gott handelt wie
ein Brautführer. Gott führt/fügt die beiden zusammen, auch wenn der Mann die Frau als
das ihm fehlende Seitenstück erkennt und sich „aneignet“. Jede Ehe hat ihren Ursprung
in Gottes Schöpfer- und Stifterwillen. Gott stiftet nicht nur die Ehe als solche, sondern er
stiftet bis zum heutigen Tag jede einzelne Ehe.
Einehe
Gott stiftete für Mann und Frau die Einehe. Einen ersten Hinweis auf die Einehe finden
wir in der Schöpfungsgeschichte:
Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau
anhängen, und sie werden zu einem Fleisch werden.
Es ist nicht von mehreren Frauen die Rede, sondern von einer einzigen. „Jedes
Liebäugeln eines Ehepartners mit einem dritten wirkt deshalb ehezerstörend“.4
1.Mose 2,24
1
2. Mose 24,1-4
Matthäus 19,9; 1. Korinther 7,15
3
Hansjörg und Rosmarie Bräumer in „Scheidung und Wiederheirat“
4
Bräumer, a.a.O.
2
3
Mt 19,5
Jesus stellt fest, dass eine Ehe aus zwei Menschen besteht:
... und es werden die zwei ein Fleisch sein,
„In der Ehe hat Gott zwei bestimmte Menschen zueinander geführt, und zwar in einer
Ausschliesslichkeit des Sich-Gehörens, die die Ansprüche Dritter rigoros verwehrt.“5
Eheordnung
Eigener
Hausstand
Der Frau
anhangen
Ein Fleisch sein
Eph 5,31-32
Gott fügt
zusammen
Die Ehe – ein
Treuebund
Der Schöpfer hat die Ehe geordnet:
• Ein Mann verlässt Vater und Mutter
„Der Mann soll einen eigenen Hausstand gründen, er zieht weg von zu Hause,
bezieht ein anderes Haus und sorgt für getrennte Haushaltungen. Mann und Frau
gehören enger zusammen als Eltern und ihre Kinder. Durch die Gemeinschaft von
Mann und Frau wird sogar die engste Bindung zwischen Eltern und Kindern
gesprengt“6.
Im AT (Altes Testament) musste übrigens dasselbe Gebot für die Frau nicht speziell
formuliert werden, weil sie ohnehin in die Sippe des Mannes eingegliedert wurde.
• Der Mann hängt seiner Frau an:
Das gleiche hebräische Wort „anhangen“ wird als Hauptwort für „Lötung“ verwendet,
(Jes. 41,7). Im Griechischen bedeutet das vergleichbare Wort (Matth. 19,5)
„zusammenleimen, verbinden, haften an“. Das Angeleimt-werden an einen Menschen
geschieht überall, wo zwei Menschen ein Fleisch werden. Paulus wählt dieses Wort in
1. Kor. 6,16 auch für den Gang zur Dirne.
• Mann und Frau werden ein Fleisch sein:
Der Begriff „Fleisch“ bedeutete zur Zeit Jesu soviel wie „Mensch“. „Die Einung der
Geschlechter bedeutet Ein-Mensch-werden.“7. „Geschlechtlichkeit ist deshalb mehr
als nur ein Trieb zur Begattung. Sie umfasst den ganzen Menschen in seiner
leiblichen Totalität. Sie ist das Verlangen, durch einen Menschen des andern
Geschlechts in allen Lebensbezügen so ergänzt zu werden, dass eine höhere Einheit
zustande kommt.“8. Das ‚Ein-Fleisch-werden‘ ist die neue Ganzheit des Menschen in
der Ehe. Würde die Ehe auf Sexualität reduziert, so reduzierte sich der Partner zum
Sexualobjekt und die Ganzheit zerbricht. Nur da, wo die Sexualität weder über- noch
unterschätzt wird, kann die unauflösliche Gemeinschaft von Dauer sein.
Das ‚Ein-Fleisch-Werden‘ ist schon im AT das Bild zwischen Gott (Ehemann) und
Israel (Ehefrau). Im NT dient das Bild der Ehe für die Beziehung von Jesus zu der
Gemeinde:
»Deswegen wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und seiner Frau
anhangen, und die zwei werden ein Fleisch sein.« Dieses Geheimnis ist groß,
ich aber deute es auf Christus und die Gemeinde.
• ... was Gott zusammengefügt hat ...
Der Eheschluss ist nicht nur die Angelegenheit von zwei Menschen. Gott selber
verbindet die Eheleute zu einer untrennbaren Einheit. Gott fügt zusammen, wörtl.
Gott spannt sie zusammen ins Joch. Menschen können in einem freien Entschluss die
Ehe eingehen, im Eheschluss aber werden sie von Gott zusammengefügt.
Zerbrechen sie diese Verbindung, zerstören sie das Werk Gottes.
„Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“ „Der Mensch
kann trennen, was er selbst verbunden hat; was Gott zusammengefügt hat, steht
über menschlicher Macht.“9.
Beachte:
- Die Ehe ist nicht die private Übereinkunft zweier Menschen.
- Die Ehe ist nicht ein glücklicher oder unglücklicher Zufall.
- Die Ehe ist ein unwiderruflicher Treuebund!
5
M. Seitz
Bräumer, a.a.O.
7
Julius Schniewind
8
O.A. Piper
9
Romano Guardini
6
4
-
Die Ehe – ein
Stück Paradies
Die Ehe ist Beispiel für den Bund Gottes mit den Menschen. (vgl. Hosea 1: Jeremia
9,1; Jeremia 3,1-2; Hesekiel 16; 23; Jesaja 49,14; 54,4 ff; 60,15).
Liebe und Treue liegen der Ehe und dem Bund Gottes genau gleich zugrunde.
„Erst in der Treue ist menschliche wie göttliche Liebe wirkliche Liebe.“
(vgl. Maleachi 2,14).
Sogar nach dem Sündenfall hat Gott dem Menschen die Ehe mit auf seinen Weg ‚in die
Welt hinaus‘ gegeben. Die vertriebenen Menschen durften mit der Ehe ‚ein Stücklein
Paradies‘ mitnehmen.
Die Ehescheidung
Notordnung
des Gesetzes
Die Ehe ist die Ordnung des Schöpfers – die Ehescheidung die Notordnung des
Gesetzes.
Hartherzigkeit
Nachdem Jesus in einem Gespräch mit den Pharisäern in unzweideutiger Weise von der
Unauflöslichkeit der Ehe gesprochen hatte, kam es zur folgenden Diskussion zwischen
Jesus und den Fragestellern:
Sie sagen zu ihm: Warum hat denn Mose geboten, einen Scheidebrief zu geben
und zu entlassen? Er spricht zu ihnen: Mose hat wegen eurer Herzenshärtigkeit
euch gestattet, eure Frauen zu entlassen; von Anfang an aber ist es nicht so
gewesen.
„Das Herz des Menschen wurde durch den Einbruch der Sünde hart. Die Geschichte der
Scheidung ist eine Geschichte der Sünde.“10. Die Wurzel der Ehescheidung ist die
Hartherzigkeit des Menschen, es ist ‚die menschliche Überheblichkeit, die sich ihre
Massstäbe selbst setzt.‘11. Im Blick auf die Ehe zweier Menschen besteht die
Hartherzigkeit darin, dass ein oder beide Herzen sich die vergebende Liebe verweigern.
Mt 19,7-8
Ordnung in der
Unordnung
Scheidung im
AT
5.Mose 24,1-4
Ehescheidung
im Judentum
Scheidungsgründe
Um die Macht der Sünde nicht ausufern zu lassen, erlaubte Gott Notordnungen.
Notordnung bedeutet so etwas wie „Ordnung in der Unordnung“ 12.
Die Notordnung des Mose:
Wenn ein Mann eine Frau nimmt und sie heiratet und es geschieht, daß sie keine Gunst in
seinen Augen findet, weil er etwas Anstößiges an ihr gefunden hat und er ihr einen
Scheidebrief geschrieben, ihn in ihre Hand gegeben und sie aus seinem Haus entlassen
hat, und sie ist aus seinem Haus gezogen und ist hingegangen und <die Frau> eines
anderen Mannes geworden, <wenn dann> auch der andere Mann sie gehaßt und ihr
einen Scheidebrief geschrieben, ihn in ihre Hand gegeben und sie aus seinem Haus
entlassen hat oder wenn der andere Mann stirbt, der sie sich zur Frau genommen hat,
<dann> kann ihr erster Mann, der sie entlassen hat, sie nicht wieder nehmen, daß sie
seine Frau sei, nachdem sie unrein gemacht worden ist. Denn ein Greuel ist das vor dem
HERRN. Und du sollst das Land, das der HERR, dein Gott, dir als Erbteil gibt, nicht zur
Sünde verführen.
Auch Frauen konnten eine Ehe scheiden, wie das Beispiel aus der Zeit der Richter zeigt,
vgl. Richter 19,1-2; dieses Beispiel zeigt aber auch, dass der Mann sich wieder mit ihr
versöhnen konnte.
Heute kann der Scheidebrief selbst im orthodoxen Judentum sowohl vom Mann als auch
von der Frau geschrieben werden. Er muss mit dem Datum, den Namen des Mannes
und der Frau versehen sein und die Unterschrift des Entlassenen tragen. Der
Scheidebrief enthält die ausdrückliche Erklärung des Mannes, dass seine Frau hiermit frei
ist und jedermann zu einer neuen Eheschliessung zur Verfügung steht.
Ausserdem trägt ein solcher Scheidebrief die Unterschrift zweier Zeugen.
Zur Zeit Jesu konnte jeder Mann seiner Frau einen Scheidebrief ausstellen, wenn er
etwas „Schandbares“ an ihr entdeckt hatte, (5. Mose 24,1). Schandbar wurde von den
10
G. Henning
H.J. Thilo
12
E. Wilkens
11
5
Von der Notordnung zum
Scheidungsrecht
Jesus und die
Ehescheidung
NT-Stellen zur
Ehescheidung
jüdischen Bibelauslegern (Rabbiner) verschieden interpretiert:
- Rabbi Schammai (V 15 v. Chr.) = Scheidungsgrund ist allein Ehebruch.
- Rabbi Hillel (V 10 n. Chr.) = Scheidungsgründe sind bereits Ungehorsam der Frau
dem Mann gegenüber, Verstoss gegen gute Sitten; z.B. mit aufgelöstem Haar das
Haus verlassen oder die Suppe anbrennen lassen.
- Rabbi Akiba (V 135 n. Chr.) = „ein Mann kann sich von seiner Frau scheiden, wenn
er einer schöneren Frau begegnet, die ihm besser gefällt als seine.“
Aus dem - wegen der Hartherzigkeit erlaubten - Scheidebrief machten einige Rabbiner
zur Zeit Jesu ein „Verstossungsrecht“. Sie machten damit die Frau schon damals zum
Wegwerf-Partner.
Heute ist die Ehe - vor dem Gesetz - kein unwiderruflicher Treuebund mehr. Er ist zum
Vertrag auf Widerruf geworden, die vorbehaltlose Gemeinschaft ist zur Gemeinschaft
unter Vorbehalt, die verlässliche Partnerschaft zur unverlässlichen (Test- und Angst-)Ehe
geworden 13.
Ein Schweizer Jurist legte dar, dass der Ehevertrag ein ‚unsittlicher‘ Vertrag sei, weil
grundsätzlich ein Vertrag nur auf eine definierte und nicht auf Lebenszeit abgeschlossen
werden dürfe.
Die Notordnung wegen Hartherzigkeit wurde zum Recht umfunktioniert, jederzeit den
Treuebund der Ehe auflösen zu können.
Jesus wendet sich scharf und bestimmt gegen die Ehescheidung und weist
nachdrücklich darauf hin, dass die atl. Möglichkeit, seine Ehefrau zu verstossen, keine
Ordnung des Schöpfers war. Jesu Ziel ist es, die Menschen zur Ordnung des Schöpfers
zurückzuführen.
Wir stellen fest, dass die Ehescheidung in der Bibel direkt durch eng verwandte Themen
(z.B. Ehebruch allgemein; Jesu Stellungnahme zu Ehebruch etc.) angesprochen wird.
Jesus spricht in vier verschiedenen Situationen – Paulus im ersten Korintherbrief14 von
der Ehe und der Ehescheidung.
Mt 5,32
Jesus in der Bergpredigt
Mt 19,9
Jesus im Streitgespräch mit den Pharisäern:
Mk 10,11-12
Jesus bei der Belehrung der Jünger nach einem Streitgespräch mit den Pharisäern:
Lk 16,18
Jesus im Zusammenhang einer Zurechtweisung der Pharisäer:
1.Kor 7,10-13+15
Paulus zu den Korinthern:
13
14
H.G. Pöhlmann
1. Korinther 7,10-16
Ich aber sage euch: Jeder, der seine Frau entlassen wird, außer aufgrund von Hurerei,
macht, daß mit ihr Ehebruch begangen wird; und wer eine Entlassene heiratet, begeht
Ehebruch.
Ich sage euch aber, daß, wer immer seine Frau entläßt, außer wegen Hurerei, und eine
andere heiratet, Ehebruch begeht; und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch
und er spricht zu ihnen: Wer seine Frau entläßt und eine andere heiratet, begeht
Ehebruch gegen sie. Und wenn sie ihren Mann entläßt und einen anderen heiratet, begeht
sie Ehebruch.
Jeder, der seine Frau entläßt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch; und jeder, der
die von einem Mann Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.
Den Verheirateten aber gebiete nicht ich, sondern der Herr, daß eine Frau sich nicht vom
Mann scheiden lassen soll - wenn sie aber doch geschieden ist, so bleibe sie unverheiratet
oder versöhne sich mit dem Mann - und daß ein Mann seine Frau nicht entlasse. Den
übrigen aber sage ich, nicht der Herr: Wenn ein Bruder eine ungläubige Frau hat und sie
willigt ein, bei ihm zu wohnen, so entlasse er sie nicht. Und eine Frau, die einen
ungläubigen Mann hat, und der willigt ein, bei ihr zu wohnen, entlasse den Mann nicht ...
15 Wenn aber der Ungläubige sich scheidet, so scheide er sich. Der Bruder oder die
Schwester ist in solchen <Fällen> nicht gebunden; zum Frieden hat uns Gott doch
berufen.
6
Ausnahmen
in Jesu Scheidungsverbot
Das Neue Testament kennt für die Scheidung zwei Ausnahmefälle.
Jesus nennt den Ausnahmefall Unzucht, Paulus den Ausnahmefall
Religionsverschiedenheit.
Ausnahmefall
Unzucht
Mt 5,32
Ausnahme Unzucht
Mt.19,9
: Ich aber sage euch: Jeder, der seine Frau entlassen wird, außer aufgrund von
Hurerei , macht, daß mit ihr Ehebruch begangen wird; und wer eine Entlassene
heiratet, begeht Ehebruch.
Ich sage euch aber, daß, wer immer seine Frau entläßt, außer wegen Hurerei,
und eine andere heiratet, Ehebruch begeht; und wer eine Entlassene heiratet,
begeht Ehebruch.
- Diese beiden Worte Jesu sind zwar unterschiedlich formuliert, der Sinn bleibt aber
derselbe. Jesu Ausnahmegrund zu einer Scheidung ist nicht Ehebruch, sondern
Unzucht.
Ehebruch und Unzucht sind in der Ursprache „deutlich verschiedene Handlungen“ 15.
Ausnahme
Religionsverschiedenheit
Unglaube ist
nicht a priori
Grund zur
Scheidung
1.Kor 7,13-14
Das Gebot
steht über der
Ausnahme!
Ausnahme Religionsverschiedenheit
Paulus betont zuerst das Gebot: Den Verheirateten aber gebiete nicht ich, sondern
der Herr, daß eine Frau sich nicht vom Mann scheiden lassen soll! (1.Kor 7,10).
Im Anschluss an den bestimmten Fall einer geschiedenen Frau in Korinth geht Paulus
auf die Scheidung bei Religionsverschiedenheit ein.
Paulus schätzt auch eine Ehe zwischen einem Christen und einem Heiden sehr hoch ein.
In einer solchen Ehe ist die Gemeinschaft mit Christus stärker als die nichtchristliche
Welt. Deshalb soll der christliche Teil die Ehe mit dem heidnischen aufrecht erhalten,
solange dieser damit einverstanden ist:
Eine Frau, die einen ungläubigen Mann hat, und der willigt ein, bei ihr zu
wohnen, entlasse den Mann nicht. Denn der ungläubige Mann ist durch die Frau
geheiligt, und die ungläubige Frau ist durch den Bruder geheiligt; sonst wären ja
eure Kinder unrein, nun aber sind sie heilig.
Eine solche Ehe darf nur dann geschieden werden, wenn dies der heidnische Teil
verlangt und darauf besteht. Paulus erklärt dann den christlichen Teil für frei:
1.Kor 7,15: Wenn aber der Ungläubige sich scheidet, so scheide er sich. Der
Bruder oder die Schwester ist in solchen <Fällen> nicht gebunden; zum Frieden
hat uns Gott doch berufen.
Diese Ehescheidungsklauseln dürfen nie zur Rechtfertigung für das Verlassen des
Ehepartners aus Willkür angeführt werden:
„Wo die Scheidung auf Grund einer Ausnahmeregelung erfolgt, wird nur Sünde
geordnet, das Gebot aber bleibt in Kraft.“16.
Ehebruch und Unzucht
Ehebruch ist:
2. Mose 20,14
Ehebruch im
AT 5. Mose
22,22-27
3.Mose 20,10
15
16
Bo Reicke
M. Seitz
„Die Ehe als engste, dauerhafte Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau wird
in der Bibel streng geschützt. Das 6. Der Zehn Gebote verbietet den Ehebruch klipp und
klar:
Du sollst nicht ehebrechen.
„Im AT ist Ehebruch die aussereheliche Geschlechtsgemeinschaft eines Mannes mit einer
Frau, die mit einem andern verlobt oder verheiratet ist.
Nach dem AT sollten Ehebrecher mit dem Tod bestraft werden:
Wenn ein Mann mit einer Frau Ehebruch treibt, wenn ein Mann Ehebruch treibt
mit der Frau seines Nächsten, müssen der Ehebrecher und die Ehebrecherin
getötet werden.
In der Praxis wurde Ehebruch nur dann bestraft, wenn ein geschlechtlicher Verkehr mit
7
einer anderen Frau bzw. der Verlobten eines anderen Mannes nachgewiesen werden
konnte.
Ehebruch im
NT Ehebruch
im Herzen
Mt 5,27-28
Das radikale
Nein zum
Ehebruch
Matthäus
5,28-30
Unzucht ist:
Unzucht im
AT
Jesus vertieft das Eheverständnis. Wo im AT Mann und Frau noch nicht mit demselben
Massstab gemessen werden, stellt Jesus Mann und Frau auf dieselbe Stufe. Und Jesus
erkennt Ehebruch nicht nur, wenn geschlechtlicher Verkehr mit einem fremden Partner
vollzogen wird, der Tatbestand des Ehebruchs kann auch allein im Herzen, im
Gefühlsleben erfüllt werden. Ehebruch im Herzen besteht im Begehren eines andern
Partners.:
Ihr habt gehört, daß gesagt ist: Du sollst nicht ehebrechen. Ich aber sage euch,
daß jeder, der eine Frau ansieht, sie zu begehren, schon Ehebruch mit ihr
begangen hat in seinem Herzen.
Jesus fasst hier zwei (der zehn) Gebote zusammen:
• „Du sollst nicht ehebrechen!“
• „Du sollst nicht begehren die Frau deines Nächsten!“
Jesus verbietet nicht das Bewundern eines Menschen, sondern den Blick, der sich mit
dem Begehren koppelt. „Die begehrliche Absicht entscheidet.“1 7 .
Von Martin Luther ist das Wort überliefert: „Du darfst jede Frau ansehen und dich an ihr
freuen, nur nicht wie deine eigene Frau.“
Jesus widerspricht in der Bergpredigt auch nicht der damaligen rabbinischen Auffassung,
„das Ansehen einer schönen Frau kann in den Lobpreis des Schöpfers einmünden.“18.
Der begehrliche Blick hingegen entspricht nach Jesu Urteil der Tat.
Ein solcher Tatbestand kann durch Zeugen nicht nachgewiesen werden, weil kein
Mensch in das Herz eines anderen schauen kann. „Ehebruch ist die die Treue
verleugnende Begierde.“19.
Wie geht Mann/Frau gegen den Ehebruch im Herzen vor?
Im Wort vom Ehebruch im Herzen fordert Jesus nicht die Bestrafung des Ehebrechers
durch ein Gericht wie bei des Auslegung des Gebotes „Du sollst nicht töten!“ sondern
ein radikales Nein des versuchten Menschen zu seiner Begierde. Als Massnahme gegen
den Ehebruch im Herzen befiehlt Jesus:
Ich aber sage euch, daß jeder, der eine Frau ansieht, sie zu begehren, schon
Ehebruch mit ihr begangen hat in seinem Herzen. Wenn aber dein rechtes Auge
dir Anlaß zur Sünde gibt, so reiß es aus und wirf es von dir! Denn es ist dir
besser, daß eins deiner Glieder umkommt und nicht dein ganzer Leib in die Hölle
geworfen wird. Und wenn deine rechte Hand dir Anlaß zur Sünde gibt, so hau sie
ab und wirf sie von dir! Denn es ist dir besser, daß eins deiner Glieder umkommt
und nicht dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird.
Jesus ruft hier nicht zur realen Selbstverstümmelung auf, denn auch einäugig oder
einhändig wäre der Versuchte zum Begehren und zum Ehebruch fähig. Es geht um das
radikale Nein zum Ehebruch und um die Wertschätzung des Treuebundes der Ehe.
Widerstand gegen den Ehebruch soll ein Widerstand „bis aufs Blut“ sein.
Bewusst fortgesetzter und gewollter Ehebruch wird zur Unzucht. Typisch für Unzucht ist:
es besteht keine Bereitschaft, den Ehebruch aufzugeben.
Das Wort Unzucht bedeutet:
- hebr. ? ? ? zavah: eig. Sich anheften, anhängen;
im tägl. Sprachgebrauch wurde es verwendet für:
- Huren, Prostitution treiben; Thamar 1. Mose 38,15+24; Rahab in Jericho Jos.2,1;
Spr. 7,10-23;
- Abgötterei treiben, wenn Israel Gott weg und andern Göttern nachläuft bricht es die
17
W. Schrage
Bräumer a.a.O.
19
F. Hauck
20
Kohlhammer, Theol. Wörterbuch zum Neuen Testament
18
21
Nach Bräumer a.a.O.
8
-
Unzucht im
NT
Unzucht
heute
„Ehe mit Gott“; Jes. 1,21; Jer. 2,20; 3, 6-9; 5,7-8; Hes. 16 + 23; der Prophet Hosea
hat Huren mit Bedeutg. Götzendienst als Generalthema für sein Buch
Vergewaltigung; Dina und Sichem 1. Mose 34,31;
Verführung, z.B. die Stadt Ninive, Nahum 3,4; Spr. 7,10-23
Kinderopfer; 3. Mose 20,5 resp. 1-5; Jes. 57,3-5
„wütend sein“ = Unzucht treiben; in Richter. 19,2 von der Nebenfrau eines Leviten.
Spiritismus und Wahrsagerei wird übertragen als Unzucht bezeichnet; 3. Mose 20,6
Blutschande, Heiraten in verbotenen Verwandtschaftsgraden; Inzest,
Homosexualität, Geschlechtsverkehr mit Tieren wird unter dem Kapitel „Unzucht“
abgehandelt; 3. Mose 20,11-21
griech. porneia)kommt von „verkaufen“ und meint in erster Linie der Verkehr mit der
gekauften Sklavin, resp. käuflichen Dirne.
- Homosexuelle Unzucht und sehr ausschweifendes Leben
- kultische Unzucht, Prostitution in Verbindung mit Götzendienst, Korinth war berühmt
durch seine 1‘000 Tempelhuren.
- In der griechischen Lebensanschauung war Geschlechtsverkehr nötig und berechtigt
wie Essen und Trinken. Der Gang zur Dirne war zwar verpönt, aber laut Plato im
Geheimen erlaubt, wenn er nicht Anlass zu Ärgernis gab
„Das Neue Testament ist gekennzeichnet durch die unbedingte Ablehnung jedes
ausserehelichen oder widernatürlichen Geschlechtsverkehrs. ... Der Christ ist ein Tempel
des Heiligen Geistes (1. Kor. 6,19) und hat darum kein beliebiges Verfügungsrecht über
sich selbst.“ .20
Unzucht hat heute weitgehend dieselbe Bedeutung wie in biblischen Zeiten. Manche atl.
Praktiken, die unter das Thema Unzucht fallen, sind heute durch andere Missbräuche
ersetzt worden. Folgende Verhaltensweisen könnten heute als Unzucht bezeichnet
werden 21:
- seelische und körperliche Grausamkeit.
- Prostitution, Homosexualität, Geschlechtsverkehr mit Tieren (Sodomie)
- fortgesetzter oder mit häufig wechselnden Partnern praktizierter Ehebruch.
- Nichtachtung der Würde des Ehepartners, d.h. psychische und physische
Verletzung von Liebesentzug bis Gewaltanwendung.
- Kindsmisshandlung, resp. Gewalt in der Familie von Übergesetzlichkeit bis
Alkoholismus.
- Dreiecksbeziehungen, ohne die Bereitschaft zu deren Abbruch.
-
Schuld, Vergebung und Neubeginn
Schuld und
Unschuld
Bitterkeit als
Grund zur
Scheidung
Manchmal ist
Trennung
geboten
Bei einer Trennung oder Scheidung ist vielfach über Schuld und Unschuld gestritten.
Man teilt ein in schuldig und unschuldig Geschiedene und versucht das Mass der Schuld
der Beteiligten zu ermitteln. Das ist in der Regel der Auslöser von Schlammschlachten
einerseits und dem Reinwaschen von Westen andrerseits.
Ehepartner werden immer wieder aneinander schuldig. Keiner ist ‚unschuldig
verheiratet‘. So gut es nicht ‚unschuldig Verheiratete‘ gibt, gibt es keine unschuldig
Geschiedene. Oft besteht der Grund zur Scheidung nicht in der Schuld, sondern in der
Bitterkeit, die dem andern die Vergebung verweigert.
Wer sich beim Thema Ehescheidung auf Schuld oder Unschuld fixiert, versucht die
Vergangenheit zu durchleuchten. Bei der Ehebrecherin analysiert Jesus nicht die
Vergangenheit, sondern schenkt Vergebung und macht der Frau damit den Weg frei in
eine neue Zukunft.
Wir anerkennen aber, dass in manchen Fällen wegen sündigem Verhalten zu einer
Trennung geraten werden muss, insbesondere bei:
» Gewalt, resp. Misshandlung des Ehepartner oder der Kinder
» Missbrauch irgendwelcher Art
» Suchtverhalten
» Perversionen
9
»
Vergebung
Jesus und die
Ehebrecherin
Joh 8,3-11
Jesus und die
Sünderin
Lk 7,36-39 +
47-48 + 50
Unzucht, d.h. gewolltes Fremdgehen ohne Bereitschaft zur Umkehr, uam.
Schlüsselstellen zum Thema Vergebung finden wir in den Begegnungen Jesu mit der
Ehebrecherin und mit der Sünderin:
Die Schriftgelehrten und die Pharisäer aber bringen eine Frau, die beim Ehebruch
ergriffen worden war, und stellen sie in die Mitte und sagen zu ihm: Lehrer, diese Frau ist
auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. In dem Gesetz aber hat uns Mose
geboten, solche zu steinigen. Du nun, was sagst du? Dies aber sagten sie, ihn zu
versuchen, damit sie etwas hätten, um ihn anzuklagen. Jesus aber bückte sich nieder
und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie aber fortfuhren, ihn zu fragen, richtete er
sich auf und sprach zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein
auf sie. Und wieder bückte er sich nieder und schrieb auf die Erde. Als sie aber <dies>
hörten, gingen sie einer nach dem anderen hinaus, angefangen von den Älteren; und er
wurde allein gelassen mit der Frau, die in der Mitte stand. Jesus aber richtete sich auf
und sprach zu ihr: Frau, wo sind sie? Hat niemand dich verurteilt? Sie aber sprach:
Niemand, Herr. Jesus aber sprach zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh hin und
sündige von jetzt an nicht mehr!
Wie beurteilt Jesus die Beteiligten:
» Jesus und die Ankläger
Jesus spricht die Ankläger öffentlich auf ihre eigene Sünde an:
Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie!
Sünde bedeutet im NT:
- Eine Einzeltat
- Die Wesensart des Menschen
- Die Sünde als persönliche Macht
Hier meint Jesus mit „Sünde“ die Einzeltat des Ehebruchs, ob faktisch oder im
Herzen. Die Ankläger sehen sich entlarvt und verschwinden einer nach dem andern.
Jesus aber dementiert mit keinem Wort das Urteil Moses, er anerkennt damit das
Urteil zur Steinigung von Ehebrechern.
» Jesus und die Ehebrecherin
Jesus macht der Ehebrecherin klar, dass ihre Schuld nicht zusammen mit den
Anklägern verschwunden ist. Der Grundsatz: „Wo kein Kläger ist, da ist kein Richter.“
gilt hier nicht.
Wir erkennen an folgenden Tatsachen, dass die Frau Busse tut:
- Sie stand im Anklagekreis und bleibt dort stehen.
- Sie anerkennt damit ihre Schuld und wartet auf das Urteil.
- Sie klagt keinen eventuellen Verführer an und rechtfertigt sich nicht mit der
„Situation“.
- Sie klagt nicht den Mann an, der mit ihr die Ehe gebrochen hat und ebenfalls
gesteinigt werden sollte.
Zu dieser bussfertigen Frau sagt Jesus: Auch ich verurteile dich nicht.
Jesus hatte die Vollmacht, diese Frau frei zu sprechen. Jesus spricht die Frau nicht
deshalb frei, weil die Römer genau in jener Zeit (30 n.Chr.) den Juden verboten,
Menschen hinzurichten. Jesus spricht der bussfertigen Ehebrecherin Vergebung zu und
fordert sie auf zu einem neuen Leben: Geh hin und sündige von jetzt an nicht mehr!
Jesus und die Sünderin im Haus des Pharisäers Simon
Es bat ihn aber einer der Pharisäer, daß er mit ihm essen möge; und er ging in das Haus
des Pharisäers und legte sich zu Tisch. Und siehe, <da war> eine Frau in der Stadt, die
eine Sünderin war; und als sie erfahren hatte, daß er in dem Haus des Pharisäers zu
Tisch lag, brachte sie eine Alabasterflasche mit Salböl, trat von hinten an seine Füße
heran, weinte und fing an, seine Füße mit Tränen zu benetzen, und trocknete sie mit den
Haaren ihres Hauptes. <Dann> küßte sie seine Füße und salbte sie mit dem Salböl. Als
aber der Pharisäer, der ihn eingeladen hatte, das sah, sprach er bei sich selbst und
sagte: Wenn dieser ein Prophet wäre, so würde er erkennen, wer und was für eine Frau
<das ist>, die ihn anrührt; denn sie ist eine Sünderin.
Deswegen sage ich dir: Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel geliebt; wem
aber wenig vergeben wird, der liebt wenig. Er aber sprach zu ihr: Deine Sünden sind
vergeben.
10
Er sprach aber zu der Frau: Dein Glaube hat dich gerettet. Geh hin in Frieden!
Jesus fordert auch hier die Sünderin, offenbar eine stadtbekannte Dirne, zu einem neuen
Leben auf: Dein Glaube hat dich gerettet. Geh hin in Frieden!
Der Glaube der Frau wurde sichtbar in ihrer Umkehr. Ihr Glaube begann mit den Tränen
der Reue und mündete ein in die Anerkennung Jesu als Herrn über ihr Leben. „Letzteres
bewies sie durch das Küssen der Füsse Jesu. Der Fusskuss ist der „Huldigungskuss“22.
Wer will
verurteilen?
Wer darf sich das Recht anmassen, über die Schuld von Ehegatten zu richten, deren Ehe
zerstört und geschieden ist. Jesus sagt es den verurteilenden Schriftgelehrten klar:
„Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie!.“
Vergebung und
Gemeindezucht
Vergebung und Gemeindezucht
Selbst das abgestufte Verfahren der Gemeindezucht gilt nur für unbussfertige Sünder.
Jesus fordert für Organe, die Gemeindezucht zu üben haben, volle Vergebungsbereitschaft. Es ist bemerkenswert, dass er seine Jünger vor der Lehre über
Gemeindezucht das Gleichnis vom verlorenen Schaf lehrt. Damit setzt er für die
Gemeindezucht wichtige Vorzeichen:
Mt 18,14-17
So ist es nicht der Wille eures Vaters, der in den Himmeln ist, daß eines dieser
Kleinen verloren gehe.
Wenn aber dein Bruder sündigt, so geh hin, überführe ihn zwischen dir und ihm allein!
Wenn er auf dich hört, so hast du deinen Bruder gewonnen. Wenn er aber nicht hört, so
nimm noch einen oder zwei mit dir, damit aus zweier oder dreier Zeugen Mund jede Sache
bestätigt werde! Wenn er aber nicht auf sie hören wird, so sage es der Gemeinde; wenn
er aber auch auf die Gemeinde nicht hören wird, so sei er dir wie der Heide und der
Zöllner!
Bei der Gemeindezucht geht es um das Gewinnen und die Versöhnung eines Bruders
und nicht um das „Ausmisten des Stalles“ bis zur klinischen Reinheit. Gott setzt alles
daran, dass kein „Verirrter“ verloren geht.
Wichtig!
Die Sündenvergebung, die Jesus durch seinen Tod erkämpft hat, gilt für alle Sünden, sie
umfasst Sünden der Gedanken und des Begehrens genau gleich, wie die zur Tat
gewordene Schuld.
Für die Vergebung gibt es keine Ausnahmeklausel.
Die Wiederheirat von Geschiedenen
Achtung!
Wiederheirat
im Judentum
5.Mose 24,1-4
22
23
Wenn wir von der Wiederheirat von Geschieden reden, wollen und dürfen wir den
Ehebund nicht zum Vertrag auf Zeit degradieren.
Die Wiederheirat Geschiedener war im AT die logische Folge der von Mose angeordneten
Scheidepraxis. Sie ist wie die Scheidung eine Notordnung. Der Scheidebrief23 gab den
geschiedenen Ehepartner zu Ehe frei, so dass er jederzeit wieder heiraten konnte.
Hatte im AT ein Ehepartner Ehebruch begangen, wurde der Fehlbare gesteinigt. In
diesem Fall wurde die Ehe durch den Tod geschieden und der überlebende Partner war
frei zu einer neuen Ehe.
In bestimmten Fällen verbietet das AT die Wiederheirat, resp. die Rückkehr zum
früheren Partner, eine Aussöhnung mit ihm ist unmöglich:
Wenn ein Mann eine Frau nimmt und sie heiratet und es geschieht, daß sie keine Gunst in
seinen Augen findet, weil er etwas Anstößiges an ihr gefunden hat und er ihr einen
Scheidebrief geschrieben, ihn in ihre Hand gegeben und sie aus seinem Haus entlassen
hat, und sie ist aus seinem Haus gezogen und ist hingegangen und <die Frau> eines
anderen Mannes geworden, <wenn dann> auch der andere Mann sie gehaßt und ihr
einen Scheidebrief geschrieben, ihn in ihre Hand gegeben und sie aus seinem Haus
F. Hahn
Text eines jüdischen Scheidebriefes:
„Und jetzt verstosse ich dich ..., Tochter des ..., und welchen Namen du sonst haben magst ..., so dass du frei und dein selbst
mächtig bist zu gehen, um dich zu verheiraten an jeden beliebigen Mann, und niemand soll es dir wehren von diesem Tag an bis in
Ewigkeit. Siehe, du bist erlaubt jedermann, und dies soll dir meinerseits sein das Schriftstück der Verstossung und das Dokument
der Scheidung und der Brief der Entlassung nach dem Gesetz Moses und Israel.“
11
entlassen hat oder wenn der andere Mann stirbt, der sie sich zur Frau genommen hat,
<dann> kann ihr erster Mann, der sie entlassen hat, sie nicht wieder nehmen,
daß sie seine Frau sei, nachdem sie unrein gemacht worden ist.
Wiederheirat
im NT
1.Kor 7,10-11
Römer 7,2-3
Im gesamten NT findet sich kein Text, der ausdrücklich die Wiederheirat Geschiedener
erlauben würde.
Im Vorgrund steht die Wiederversöhnung und bis dahin der Verzicht auf die Ehe:
Den Verheirateten aber gebiete nicht ich, sondern der Herr, daß eine Frau sich nicht vom
Mann scheiden lassen soll - wenn sie aber doch geschieden ist, so bleibe sie unverheiratet
oder versöhne sich mit dem Mann - und daß ein Mann seine Frau nicht entlasse.
Erst der Tod eines geschiedenen Ehepartners wäre demnach die Möglichkeit zu einer
Wiederheirat:
Denn die verheiratete Frau ist durchs Gesetz an den Mann gebunden, solange er lebt;
wenn aber der Mann gestorben ist, so ist sie losgemacht von dem Gesetz des Mannes. So
wird sie nun, während der Mann lebt, eine Ehebrecherin genannt, wenn sie eines
anderen Mannes wird; wenn aber der Mann gestorben ist, ist sie frei vom Gesetz, so daß
sie keine Ehebrecherin ist, wenn sie eines anderen Mannes wird.
Wiederversöhnung statt
Wiederheirat
Versöhnung statt Wiederheirat!
Bei einer Trennung oder Scheidung gibt es eine vordringliche Aufgabe: alles daran
setzen, dass sich Mann und Frau miteinander versöhnen. Um den Weg zur Versöhnung
offen zu halten, gibt das NT Geschiedenen vielfach den Rat, nicht wieder zu heiraten.
Ist eine
Heirat von
Geschiedenen
unmöglich?
Ist eine Trauung von Geschiedenen absolut unmöglich?
Es gibt einige Stellen, welche die Möglichkeit einer Wiederheirat offen lassen. Die Worte
Jesu an die Ehebrecherin und an die „grosse“ Sünderin:
- Jesu Schlusswort an die Ehebrecherin wird von manchen bibeltreuen Auslegern so
gedeutet, dass das „Gehe hin und sündige von an nicht mehr!“ einen Neuanfang
in einer neuen Ehe beinhaltet.
- Jesu Schlusswort an die „grosse“ Sünderin „Dein Glaube hat dich gerettet. Geh
hin in Frieden!“ wird ebenfalls so ausgelegt, dass die Vergebung einen
vollständigen Neuanfang in einer neuen Ehe bedeutet.
- Paulus spricht davon, dass bei einer Scheidung wegen Religionsverschiedenheit der
geschiedene gläubige Ehepartner „nicht gebunden“ ist und dass Gott uns zum
Frieden berufen hat:
1.Kor 7,15
Wenn aber der Ungläubige sich scheidet, so scheide er sich. Der Bruder oder die
Schwester ist in solchen <Fällen> nicht gebunden; zum Frieden hat uns Gott doch
berufen.
H. Hartfeld24 sagt dazu:
Der Satz „Der Bruder oder die Schwester ist in solchen <Fällen> nicht
<sklavisch> gebunden“ kann beides bedeuten:
1. Der Christ ist nicht sklavisch gebunden an eine solche Ehe
2. Der Christ ist nicht sklavisch gebunden an den ungläubigen Ehepartner.
Ist er aber nicht sklavisch gebunden, dann würde das bedeuten: er ist frei.
Gründliche
Abklärung
Bevor überhaupt an eine Wiederheirat in irgend einer Weise gedacht werden darf, muss
gründlich abgeklärt sein, ob eine Versöhnung mit dem geschiedenen Partner absolut
unmöglich ist.
„Ein Seelsorger, der sich nach langem Ringen für die Trauung von Geschiedenen
entschliesst, kann sich bei seiner Entscheidung wohl auf das AT, aber sicher auf kein
Wort des NT berufen, in dem ausdrücklich eine Wiedertrauung erlaubt ist.“25.
Wer Geschiedene traut, „tut er es nicht im Namen irgend eines Rechtes oder eines
erfüllten Gesetzes, sondern im Namen der Vergebung durch das Kreuz Jesu Christi, die
24
Hermann Hartfeld: „Arbeitspapier für alle Mitarbeiter der FEG Zürich Helvetiaplatz“
Bräumer a.a.O.
26
Th. Bovet
25
12
Wiederheirat und auch die Sünde der Scheidung reinwaschen kann.“26.
Vergebung
Die Vergebung allerdings gilt uneingeschränkt für alle Sünden und umfasst die
Verfehlungen in Gedanken, im Begehren wie auch in der Tat!
(vgl. den Abs chnitt Vergebung und Neuanfang)
Jesus verhängt über die Ehebrecherin keinerlei Sanktionen, er sagt ihr „lediglich“:
„Geh hin und sündige von nun an nicht mehr!“ Joh. 8,11.
Voraussetzungen Ein Neuanfang hat zwei Voraussetzungen:
zur Wiederheirat 1. Reue, Bekenntnis der Schuld und Empfang der Vergebung.
2. Die mit der Umkehr gebotene Wiedergutmachung, (zuerst die Aussöhnung). Wenn
Aussöhnung nicht mehr möglich ist, kann der Weg zu einer Wiederheirat als frei
betrachtet werden.
Vergebung und Neuanfang darf niemand verweigert werden. Wenn jemand umgekehrt
ist und Busse getan hat und wenn die Aussöhnung mit dem geschiedenen Partner
unmöglich, kann auch der Weg zur Wiederheirat in Betracht gezogen werden.
Seelsorgerliche Begleitung von Geschiedenen
Verletzungsgefahr
in unserer
Gemeinde?
Klima für
Geschiedene in
der Gemeinde!
Abklärungen für
eine Wiederheirat
27
Geschiedene werden in unseren Gemeinden durch unbedachtes oder böses Reden und
Verhalten immer wieder verletzt. Sie dürfen mit ihren Verletzungen nicht allein gelassen
werden. Oft sind sie nach ihren schmerzhaften Erfahrungen verunsichert,
orientierungslos und schämen sich wegen des Scheiterns ihrer Ehe. Sie fühlen sich als
Versager und ziehen sich von der Gemeinde oder Kleingruppe zurück.
Geschiedene brauchen weder Schützenhilfe noch Verurteilung. Sie brauchen eine
Gemeinde, die sie vorbehaltlos aufnimmt und seelsorgerliche Begleitung. Das gute Klima
in einer Gemeinde schafft Voraussetzungen, dass Betroffene über ihre Anliegen und
Problemen reden können. In einer Gemeinde soll ein solches Klima geschaffen werden,
dass Geschiedene ohne Angst über eine Wiederheirat laut nachdenken können.
Fragen zum Klima in der Gemeinde:
- Finden Geschiedene in unserer Gemeinde Aufnahme?
- Gehen Geschiedene gerne bei uns ein und aus?
- Können Geschiedene über ihre Probleme sprechen, ohne dass sie verurteilt oder in
falscher Weise unterstützt werden?
Daniela Hilbrecht-Schudel27, eine Betroffene, die zusammen mit ihren vier Kindern durch
ihren Mann (Alkoholiker) nach 13 Jahren Ehe zwischen Hoffen und Enttäuschung von
einem Moment auf den andern auf die Strasse gestellt und verstossen wurde, erlebte
ihre christlichen Geschwister so:
Wir erleben viel Unterstützung und Hilfe von Freunden, DANKE!
Doch in christlichen Kreisen hat man es manchmal schwer als Geschiedene.
Unausgesprochen spürt man oft den leisen Vorwurf, dass man es nicht geschafft hat,
verheiratet zu bleiben. Scheidung darf es doch unter Christen nicht geben! Entweder hat
man zu wenig für die Ehe gebetet, man hat nicht genug vergeben oder erst zu spät!
Sätze wie “Es braucht immer zwei, dass eine Ehe auseinander geht!“ beantworte ich
immer mit dem Gegensatz „Es braucht aber auch zwei, dass eine Ehe funktioniert!“. Viel
gut gemeinter Trost verletzte mich mehr, als dass es mir gut tat. Menschen in ihrem
Schmerz auszuhalten und die Tiefen mit ihnen durchzugehen, das können leider viele
nicht.
Seelsorgerliche Abklärungen für eine Wiederheirat:
Eine Wiederheirat soll mit Betroffenen besprochen werden, bevor „die Würfel“ gefallen
sind. Folgendes muss in der Seelsorge geklärt werden:
• Sind die Erfahrungen der früheren Ehe und die Scheidung mit einem Seelsorger
gründlich „verarbeitet“ und die Verletzungen geheilt?
Daniela Hilbrecht-Schudel hat am 6./7. September 2003 im „Fenster zum Sonntag“ auf SF DRS von ihrem Erleben berichtet.
13
•
•
•
•
Mut und Takt zur
Seelsorge
Ist das Vergangene vergeben und „regiert der Friede Gottes d as Herz des
Geschiedenen.“ (Phil. 4,7)
Treibt nicht Groll und Bitterkeit im Verborgenen Wurzeln?
Ist volle Bereitschaft zur Aussöhnung mit dem Expartner vorhanden. Wurde mit dem
früheren Partner geklärt, wie er sich zu einer Aussöhnung stellt?
Ist die Beziehung zum früheren Partner, wo immer möglich, bereinigt, damit Frieden
über der vergangenen Beziehung ruht?
Der Seelsorger braucht für diese Aufgabe ein besonderes Mass an Mut und Takt.
• Mut um die schmerzliche Vergangenheit anzusprechen
• Mut um nicht blind die Meinung und Wünsche von Menschen zu bestätigen.
• Mut um Botschafter der Versöhnung und nicht der Verdammung zu sein
• Takt um eine schmerzliche Vergangenheit anzusprechen.
14
Anhang: 3 Fragen zum Überdenken!
Gilt Vergebung
für Gläubige und
Ungläubige
genau gleich?
Gilt Vergebung in gleicher Weise für Gläubige wie für Ungläubige?
Mt 11,20-24
Dann fing er an, die Städte zu schelten, in denen seine meisten Wunderwerke geschehen
waren, weil sie nicht Buße getan hatten: Wehe dir, Chorazin! Wehe dir, Betsaida! Denn
wenn in Tyrus und Sidon die Wunderwerke geschehen wären, die unter euch geschehen
sind, längst hätten sie in Sack und Asche Buße getan. Doch ich sage euch: Tyrus und
Sidon wird es erträglicher ergehen am Tag des Gerichts als euch. Und du, Kapernaum,
<meinst du,> du werdest etwa bis zum Himmel erhöht werden? Bis zum Hades wirst du
hinabgestoßen werden; denn wenn in Sodom die Wunderwerke geschehen wären, die in
dir geschehen sind, es wäre geblieben bis auf den heutigen Tag. Doch ich sage euch: Dem
Sodomer Land wird es erträglicher ergehen am Tag des Gerichts als dir.
Ist Unzucht
besser als die
„anständige“
Scheidung?
Ist Geschlechtsverkehr vor der
Ehe besser als
eine Scheidung?
Wir stellen fest, dass wir bei der Frage von Scheidung und Wiederheirat gern
verschiedene Ellen anlegen. Oft wird eine ‚Scheidung vor der Bekehrung‘ ignoriert und
eine Wiederheirat mit der Bemerkung „das war ja vor der Bekehrung“ legitimiert.
Jesus hat die Sündenvergebung für Gläubige und Ungläubige nicht gesondert behandelt,
wenn er auch betont, dass der Glaubende mit Erkenntnis grössere Verantwortung trägt
als jemand ohne Erkenntnis:
Ist Unzucht besser als eine Scheidung ohne sexuelle Vergehen?
Einem Geschiedenen ohne Vorwurf der Unzucht wird die Wiederheirat verwehrt,
während der bussfertige Unzüchtige sich wieder verheiraten darf, weil ihm die
Versöhnung mit dem Expartner nach 5. Mose 24.1-4 verboten ist?
Mögliche Folgen sind:
- Der Geschiedene bereut, dass er nicht Unzucht begangen hat
- Der Geschiedene versucht seinem Expartner Unzucht nachzuweisen – was
unweigerlich zu Schlammschlachten und Verdächtigungen führen muss.
- Der Geschiedene entwickelt „Kreativität“ in der Auslegung des Begriffs Unzucht.
Ist Geschlechtsverkehr vor der Ehe besser als eine Scheidung?
Wenn jemand unverheiratet Geschlechtsverkehr mit wechselnden Partnern hatte oder
Ehebruch beging, wird – nach seiner Umkehr - gilt eine Heirat als erlaubt, während
Geschiedene die Folgen ihrer Schuld bis zum Lebensende tragen müssen.
Mögliche Folgen für Geschiedene sind:
Zusammenleben ohne Trauschein wird der Heirat vorgezogen, weil weniger
weitreichende Folgen zu befürchten sind.
Der Tod des Expartners wird zur verlockenden Perspektive.
Für Paulus gibt es keine intime Beziehung ohne Folgen. Den Korinthern macht Paulus
unmissverständlich klar:
1.Kor 6,15-16 Wißt ihr nicht, daß eure Leiber Glieder Christi sind? Soll ich denn die
Glieder Christi nehmen und zu Gliedern einer Hure machen? Das sei ferne! Oder wißt ihr
nicht, daß, wer der Hure anhängt, ein Leib <mit ihr> ist? »Denn es werden«, heißt es, »die
zwei ein Fleisch sein«.
Wer vor der Ehe sexuelle Beziehungen pflegte, kann genau gleich nur aus der
Vergebung durch Jesus heiraten wie jene, deren Ehe geschieden wurde.
Für die Vergebung gibt es keine Ausnahmeklausel!
Affoltern a.A., 14.09.03
Der Aeltestenrat
15
Scheidung und Wiederheirat in der Praxis
z.B. Daniela Hilbrecht-Schudel, 3078 Richigen
Bericht aus er lebt 3/03, vineyard be
Kann aus Elend Gutes wachsen?
Rs Auch als Christen kennen wir Zeiten von Schmerz, Elend und Zerbruch. Daniela gibt uns mit diesem
Bericht Einblick in ihr persönliches Ringen mit einer zerbrochenen ehe und den Herausforderungen einer
allein erziehenden Mutter. Ihr Fazit: Gott steht zu uns, er ist da, auch wenn wir ihn nicht erleben oder
spüren, auch inmitten von Wut und Zweifeln – und er schafft Wachstum „im Lande unseres Elends“.
Juni 2000
„Ich lege mein Leben in deine Hände, du gibst mir neue Hoffnung, einen Grund zum Leben! Und alles, was ich habe
soll dir gehören; denn du kümmerst dich um mich und schenkst mir einen Neuanfang“.
Diese Worte aus dem Musical WWJD 2000 sprechen mich zutiefst an. Nach dreizehn Jahren hat sich mein geliebter
Ehemann von mir und unsern vier Kindern getrennt. Meine grosse und erste Liebe. Nun stehe ich da, mit blutendem
Herzen, ohne Wohnung und weiss nicht weiter. Jegliche Lebensträume sind zerschlagen, mein ganzes Lebenshaus
zusammengefallen.
Ein neuer Grund zu leben? Daran glauben, dass aus diesem Scherbenhaufen wieder etwas Neues entstehen kann? In
meinem tiefen Schmerz unvorstellbar für mich. Trotzdem tröstet mich die Aussage, dass Gott sich um uns kümmert
und einen Neuanfang geben kann! Dazu ist nur er fähig. Und er ist der Einzige, woran ich mich momentan festhalten
kann.
März 2003
Ich darf zurückschauen auf drei sehr intensive Jahre, in denen so viel an inneren Prozessen geschehen ist. Heute kann
ich sagen: Ja, Gott hat sich um uns gekümmert und uns neue Lebensfreude gegeben. Trotz allem!
Persönliches Erleben.
Anfangs war ich unfähig, irgendeine Beratung oder Therapie aufzusuchen. Mein Herz blutete stark, und es tat so
unendlich weh, verstossen und abgewiesen zu werden von einem Menschen, den man zutiefst liebt. Ich nahm mir
bewusst diese Zeit, weinte unzählige Tränen und liess es bluten. Erst nach einigen Monaten stellte ich mich in einer
Gesprächstherapie all den Fragen über mein persönliches Versagen. Ich wollte auch MEINEN Teil in allem erkennen
und nicht meinen Mann für alles verantwortlich machen.
Es gab auch Zeiten unsäglicher Wut und Anklage gegen meinen Mann, der mich zur Alleinerziehenden gemacht hat,
ob ich wollte oder nicht. Dann aber auch die tiefe Sehnsucht, von Armen umfangen und geliebt zu werden, und immer
wieder diese Selbstzweifel und Gefühle der Minderwertigkeit. Wenn ich liebenswert wäre, dann wäre ich jetzt nicht
alleine und verstossen, oder?
Die Kinder
Wie oft sass ich da mit weinenden Kindern in den Armen und selber auch voller Tränen, Heimweh und Sehnen nach
ihrem Papi! Dazu kamen all die Fragen, wie sich dieses Erleben auf ihre Entwicklung auswirken wird, welches
Gottesbild sie haben werden, da immer wieder betont wird, wie sehr dieses mit dem eigenen Vaterbild
zusammenhängt. Jedes Kind reagierte anders, teils massiv, teils sehr im Verborgenen. Der Besuch einer Gruppe für
Scheidungskinder und eine Familientherapie brachte viel Hilfe und Entspannung, und ich bin stolz auf meine Kinder,
dass sie sich diesem Prozess aussetzten, denn oft brachte er auch neuen Schmerz mit sich. Auch da sind Wut,
Aggressionen, sich verschliessen, um nicht wieder neu verletzt zu werden, Minderwertigkeit , Manko, Heimweh und
Trauer immer wieder ein Thema. Alleine zu sein in der Erziehung der Kinder und im Alltag ist eine meine grössten
Herausforderungen.
Mitmenschen
Wir erleben viel Unterstützung und Hilfe von Freunden, DANKE! Doch in christlichen Kreisen hat man es manchmal
schwer als Geschiedene. Unausgesprochen spürt man oft den leisen Vorwurf, dass man es nicht geschafft hat,
verheiratet zu bleiben. Scheidung darf es doch unter Christen nicht geben! Entweder hat man zu wenig für die Ehe
gebetet, man hat nicht genug vergeben oder erst zu spät! Sätze wie“Es braucht immer zwei, dass eine Ehe
16
auseinander geht!“ beantworte ich immer mit dem Gegensatz „Es braucht aber auch zwei, dass eine Ehe
funktioniert!“. Viel gut gemeinter Trost verletzte mich mehr, als dass es mir gut tat. Menschen in ihrem Schmerz
auszuhalten und die Tiefen mit ihnen durchzugehen, das können leider viele nicht.
Beziehung zu Gott
Trotz viel Unterstützung von Menschen ist es ein einsamer Weg. Da bleibt nur Gott, der die verborgenen Stunden
voller Tränen versteht und fähig ist, mich zu trösten. Doch auch meine Gottesbeziehung kam auf den Prüfstand.
Warum lässt er das alles zu? Wozu habe ich immer wieder vertraut und gebetet, um nun zu merken, dass es
anscheinend nichts genützt hat? Zerbruch, Schmerz, Loslassen ... Wo bleibt da seine Liebe? Habe ich dies alles
verdient, nachdem ich Gott seit Jahren treu war?
Es war ein langer und schmerzlicher Weg, meine vielen falschen Gottesbilder zu erkennen und Heilung darin zu
erleben. Gott antwortete nicht sofort, sondern erst nachdem ich keine Worte der Anklage mehr übrig hatte. Diese Zeit
des Ausharrens war eine der schlimmsten Zeiten für mich. Nun ist er daran, mir zu zeigen, wie er wirklich ist. Ich
weiss, dass ich Jesus brauche, um mein Leben zu bewältigen; denn ohne ihn schaffe ich es nicht.
Nach der Gefängniszeit nannte Josef einen seiner beiden Söhne Ephraim, was bedeutet: Gott hat mich wachsen
lassen im Lande meines Elends. Etwas davon habe ich schon erlebt und ich wünsche mir, dass dies noch mehr
meine Worte werden.
Daniela Hilbrecht-Schudel (38), Mutter
von vier Kindern im Alter zwischen 14
und 7 Jahren.
Daniela Hilbrecht-Schudel war 1983/84 während eines Jahres in der Jugi der Stadtmission Locarno, wir
hatten nachher bis Juni 03 keinen Kontakt mehr mit ihr. In einem Mail vom 21.06.2003, berichtete Daniela
Hilbrecht-Schudel in einem persönlichen Mail weitere Details zu ihrer Ehe und Scheidung.
ein christ ist ein mensch, der die zeit gott anbefiehlt
und der das, was die zeit bringt, in die treue seines gottes stellt.
Lieber Paul!
...
der oben erwähnte satz hat mich die letzte zeit sehr begleitet. mein leben wurde auch einer veränderung
unterworfen, mit der ich nie, nie gerechnet habe.
vor drei jahren hat sich mein gelieber mann von mir und unseren vier kindern getrennt. dies war sehr, sehr
schwer für mich, da er meine grosse liebe war und ich schon jahre kämpfte, um unsere ehe zu retten. mein
mann hat an unserem hochzeitstag im 1987 nach einer zeit der abstinenz das erste glas wein getrunken
und damit waren die weichen gestellt, wie es weitergeht (alkohol war bis dahin kein thema, da ich es nicht
wusste.....).
es folgten sehr schwere jahre, mal ging es besser, mal sehr schlecht. entzugskuren folgten auf gute zeiten
und umgekehrt.
all dies zu verkraften hat sehr viel energie gefordert, zumal noch vier kinder da waren, die in rascher folge
zur welt kamen. doch alles hat mich nur näher zu m einem gott gebracht. zu wem denn sonst als zu ihm
hätte ich mich flüchten sollen??
vor drei jahren dann stellte mich mein mann auf die strasse - im wahrsten sinn des wortes. da stand ich
nun, zusammen mit meinen kindern und wusste nicht weiter. es war ein sehr schmerzlicher weg für mich,
mich damit abzufinden, dass meine ganze liebe verstossen und abgelehnt wurde. dies ist wohl etwas vom
schmerzlichsten für einen ehepartner, wenn er merkt, dass der andere die liebe nicht mehr annimmt und
zurückstösst.
meine aufgefangenen tränen bei gott füllen sicher manchen krug....
in einem intensiven prozess stellte ich mich all den fragen, vorwürfen und schmerzen, denn es war mir
wichtig, die schuld am scheitern unserer ehe nicht einfach meinem mann zu geben, da er trank, sondern
meinen teil auch zu erkennen.
dieser enorme druck, auch gerade das begleiten der kinder durch diesen schmerz, hat mich aber
letztendlich nur noch mehr in die hand gottes gedrückt.
mit den kindern besuchte ich eine familientherapie, und dies war sehr gut.
am schlimmsten für mich war, nach all dem persönlichen schmerz auch meine beziehung zu gott auf dem
prüfstand zu erleben. hatte ich all das verdient, nachdem ich meinem gott all die jahre die treue hielt,
betete, vertraute und er meine zuflucht war und immer noch ist, je länger je mehr? dieser prozess war für
mich viel schlimmer als die loslösung von meinem mann, da ich mit so vielen falschen gottesbildern
17
konfrontiert wurde, die tief in mir drin waren und nun endlich hochkommen konnten. ich erschrak sehr
darüber, was da in mir hochkam an anklage, rebellion, frömmigkeit und ja, falschen gottesbildern. doch ich
bin so froh, liess ich diese bilder zu und stellte ich mich ihnen, und nun erlebe ich , wie gott selber daran ist,
mir zu zeigen, wie er ist und nicht, wie ich meine, dass er ist.
in off.3 rät uns gott verschiedene dinge an, ich möchte nur eines erwähnen. er sagt dort, ich solle
augensalbe bei ihm holen, damit ich meine augen salbe und sie sehend werden. wenn gott mir das schon
anratet bin ich ja blöd, wenn ich nicht darum bitte! wie sehr wünsche ich mir, dass meine augen aufgehn
und ich in erster linie erkennen und sehen kann, wie gott ist, wirklich ist, losgelöst von dem, was ich durch
predigten gehört oder durch meine lebensgeschichte erlebt habe! und genau dies erlebe ich nun stück für
stück, und es ist einfach überwältigend!
vor drei wochen nun war die scheidungsverhandlung, die sehr friedlich und entspannt verlief. dies ist ein
wunder gottes, denn noch vor einem jahr wäre dies unmöglich gewesen, da mein exmann auch eine
psychische krankheit hat und man nie weiss, wie es ihm geht und wie sie sich äussert. momentan herrscht
ein guter kontakt zu ihm, obwohl die kindern nur selten für zwei drei stunden bei ihm sein können, weil er
mehr nicht schafft. ja, die kinder mussten viel lernen und loslassen und schmerz ertragen, ich bin stolz auf
sie, dass sie dies geschafft haben! dadurch liegt die ganze erziehungsarbeit und verantwortung auf meinen
schultern, und da die kids immer bei mir sind und nicht wie andere kinder jedes 2.wochenende beim andern
elternteil weilen, bin ich schon oft sehr gefordert. dieses alleinsein mit den kindern ist wohl eine meiner
grössten heruasforderungen für mich, drückt mich aber einmal mehr in die hand meines gottes, da ich
weiss, dass ich es ohne ihn nicht schaffe und ihn brauche. wieder ein lernfeld mehr für mich! gott erweist
sich aber als treu und vertrauenswürdig und als zuflucht und hilfe!
aufgrund meiner situation wurde ich von meinem gemeindeleiter angefragt, eine gruppe für
getrenntlebende-frisch geschiedene zu starten, nie hätte ich mir dies "selber genommen", doch nach einer
zeit des überlegens habe ich zugesagt. seit ein paar wochen treffen wir uns nun alle drei wochen und nach
einem input zu verschiedenen themen (selbstwert, lücken, wüstenzeiten um nur einige zu nennen) im
gespräch miteinander einen weg zu suchen in diesem prozess. ich staune einfach, was gott macht und, für
mich immer wieder ein wunder und kaum zu glauben, dass gott mich braucht für diese leute.
all die jahre habe ich auch in der insel auf der onkologie (leukämieabteilung) gearbeitet, 14 jahre lang. vor
bald zwei jahren durfte ich aber künden und arbeite nun bei clive wilder-smith auf einer
forschungsabteilung, wo wir medikamentenstudien durchführen. ich bin vollumfänglich vom sozamt
unterstützt (ausser der rente, die den kindern zusteht, alimente kann mein exmann nicht bezahlen, da er
arbeitsunfähig ist und mit seiner sucht zu kämpfen hat), muss aber meinen fuss in der berufswelt behalten,
da vielleicht die zeit kommt, wo ich wieder mehrprozentig arbeiten muss, sobald die kinder grösser sind ausser ich heirate mal einen millionär
ruben ist 14, luca 13, rahel 11 und seraja 7.
heute kann ich sagen, dass es mir gut geht und ich mich neu des lebens freuen kann. gott sei dank!
dies nun ein kleiner einblick in mein leben........danke fürs zuhören!
ich wünsche dir und marianna ein erholsames wochenende und auf wiedermailen!
mit lieben grüssen daniela
ps. ah ja, am 6.od 7. september wird die fenster zum sonntag sendung ausgestrahlt, bei der ich mitwirke
(auch etwas, das ich mir nie selber genommen hätte...!!)
Anmerkung P. Stricker:
Was Daniela Hilbrecht-Schudel erlebt hat, mag ein Extremfall sein, aber auch in solchen Fällen muss unser
Papier hieb-, stichfest und anwendbar sein!
18