UL/LSA Pilot Report

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UL/LSA Pilot Report
[ UL/LSA Pilot Report ]
AUTOR: Patrick Holland-Moritz
FOTOS: Christian Perret, Frank Herzog
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aerokurier 10/2014
Lightwing AC4
WERTARBEIT
Zuwachs in der LSA-Klasse: Die AC4 der
Schweizer Lightwing AG empfiehlt sich als
sparsamer und sicherer Zweisitzer, angetrieben
von der neuesten Rotax-Generation.
Ab zu den Eidgenossen zum Probeflug!
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Ein Leichtflugzeug,
hergestellt in der Schweiz.
Die AC4 bietet sich als
sparsamer Trainer an.
[ 1 ]
E
In Sachen Verbrauch ist
die AC4 vorbildlich. Zwölf
Liter pro Stunde genügen
im sparsamen Reiseflug.
infach, günstig, sicher – diese Vorstellung vom Fliegen
verbindet Alois Amstutz und
Marco Trüssel. Für die alte
Garde der Motorflugzeuge, ausgestattet mit durstigen Flugmotoren
klassischer Bauart, haben die beiden
Gründer der Schweizer Lightwing
AG nicht viel übrig: „Wer soll das
noch bezahlen?“ Ihre Antwort auf die
Frage nach einem zeitgemäßen Flugzeug heißt AC4 und
ist seit Juni von der
europäischen Luftfahrtbehörde EASA
als LSA zugelassen.
„Drei Jahre haben
wir intensiv an der
Zulassung gearbeitet“, sagt Andreas
Odermatt, zuständig für Konstruk­tion
und Produktion. 1300 Zeichnungen
dokumentieren das in übersichtlicher
Rohr-Tuch-Gemischtbauweise gefertigte Flugzeug. 100 Stunden war der
Prototyp HB-WEA für die Flugerprobung in der Luft, hauptsächlich geflogen von Testpilot und Politiker Res
Schmid. Um die von der EASA sehr
hoch gelegten Hürden bei der Zertifizierung von Betrieb und Flugzeug
zu nehmen, holte sich das vier Mann
starke Lightwing-Team Unterstützung
durch externe Firmen an Bord.
„Fünf Millionen Franken stecken
in dem Projekt, aber wir sind schuldenfrei“, freut sich Geschäftsführer
Marco Trüssel. Private Investoren
haben den Start der AC4 ermöglicht.
Pilatus mit der PC-24 gerade dazu
aufschwingt, im Jet-Business mitzumischen, setzt Lightwing auf ökologisch korrekte Zweisitzer. Was beide
Firmen eint, ist der hohe Anspruch
an Schweizer Wertarbeit.
In der Lightwing-Halle parkt die
AC4 neben einer C42 – in puncto
Design und Bauweise kann die AC4
ihre Verwandtschaft zu dem tausendfach bewährten UL aus Mengen nicht
verleugnen. Beide
basieren auf einem
zentralen Alurohr als
tragendem Element,
beide haben bespannte Flügel- und Leitwerksflächen, und
beide werden von einem Rotax-Motor angetrieben. Auffällig ist, dass die
AC4 deutlich größer geraten ist.
Am Anfang der AC4-Geschichte
stand der Entwurf des Schweizer
Konstrukteurs Hans Gygax, gleichzeitig Vater der C42. Damals, vor gut
zehn Jahren, wurde gerade die amerikanische LSA-Klasse aus der Taufe
PRIVATE INVESTOREN HABEN DEN
START DER AC4 ERMÖGLICHT.
JETZT LÄUFT DIE FERTIGUNG AN.
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„Jetzt wollen wir erst mal die ersten
fünf AC4 bauen. 15 Stück im Jahr sind
das Etappenziel, langfristig wäre ein
Flugzeug pro Woche fantastisch“,
sagt Alois Amstutz.
Am Flugplatz Buochs hat sich die
Lightwing AG niedergelassen, direkt
neben den Pilatus-Werken. Zwei W
­ elten
prallen aufeinander: Während sich
gehoben, während in der Schweiz die
Idee der Ecolights in aller Munde war.
Bei der Lightwing AG war man sich
einig: „Das ist es!“ Als 2011 die europäischen CS-LSA-Vorschriften veröffentlicht wurden, war der Weg frei
für die Zertifizierung der für 600 Kilogramm MTOW konzipierten AC4.
Von Serienreife konnte bei Gygax’
Entwurf noch keine Rede sein. Sämtliche Bauteile kamen auf den Prüfstand
oder wurden neu entworfen – Gygax
selbst ist seit einigen Jahren nicht
mehr im Unternehmen. Überarbeitet
wurde das Fahrwerk, eine simple,
aber feste Stahlschwinge. Der Flügel
der AC4 erwies sich im Schnellflug
als wenig formstabil; erst Verbindungsteile zwischen den oberen und
unteren, in die Bespannung eingeschobenen formgebenden Alurohren
brachten die geforderte Profiltreue.
Das plane Leitwerk wurde profiliert.
Stets ging es auch darum, die Flugeigenschaften EASA-konform zu
machen. So kreidete die Behörde zu
geringe Rückstellkräfte des Seitenruders an – für Ausgleich sorgt jetzt
eine Finne an der Bugradverkleidung.
Als BRP-Powertrain im März 2012
den Rotax 912 iS auf den Markt brachte, war klar, dass dieser als besonders
sparsam angepriesene Einspritzer
zum Einsatz kommen würde. „Schließ-
lich wollen wir den Stand der Technik
in die Fliegerei bringen“, sagt Alois
Amstutz, der schon an der Entwicklung von Automotoren mitgewirkt
hat. Um dem Einspritzer in der AC4
Manieren beizubringen, bedurfte es
Software-Updates und einiger Kniffe
bei der Kühlung. Vor unserem Besuch
wurde der Motor auf den Standard
des 912 iS Sport umgerüstet.
Produziert wird die AC4 im Hochlohnland Schweiz. Die Lightwing AG
setzt auf eine straffe Produktion, um
die Kosten im Rahmen zu halten.
„Dieses Flugzeug lässt sich mit wenig Aufwand bauen“, sagt Andreas
Odermatt. Das Gros der Teile stammt
von lokalen Zulieferern, CompositeElemente für die Rumpfröhre und
Verkleidungen werden in Ungarn
produziert. Trotzdem ist die AC4 kein
Schnäppchen. Sie kostet 180 000 Franken, rund 149 000 Euro – plus Steuer.
Lightwing möchte vor allem Schulen
und Vereine ansprechen, die auf moderate Betriebskosten achten. In
Sachen Verbrauch und Wartung soll
das LSA vorbildlich sein.
Ebenfalls gut für die Schulung: 240
Kilogramm Zuladung sind ausreichend
für Schul- und Reiseflüge zu zweit.
Der ­Rumpftank fasst dabei 100 Liter.
Die Flug­eigenschaften sollen ausgesprochen gutmütig sein.
Daten Lightwing AC4
Hersteller: Lightwing AG, 6370 Stans, Schweiz Zulassung: CS-LSA
Sitzplätze: 2 Bauweise: Gemischtbauweise Preis: 180 000 CHF zzgl. MwSt.
Antrieb
HerstellerBRP-Powertrain
BauartVierzylinder-Boxermotor
Typ
912 iS Sport
Maximale Leistung
bei 5800 U/min
100 PS/74 kW
Mit dem Dynon SkyView und digitaler
Motorüberwachung ist das Cockpit
zeitgemäß bestückt. Der zentrale
Steuerknüppel macht den Einstieg
einfach. Die Sitze lassen sich am Boden
einstellen. Platz fürs große Reisegepäck
bietet das voluminöse Gepäckfach.
25 kg passen immer rein; soll es
mehr sein, sollte man eine Weight-andBalance-Berechnung anstellen.
Propeller
HerstellerNeuform
Durchmesser
1,75 m
Typ
CR3-75, Dreiblatt, starr
Abmessungen
Länge
Spannweite
Höhe
6,97 m
9,45 m
2,67 m
Massen und Mengen
Leermasse
Zuladung
Maximalmasse
Tankinhalt
360 kg
240 kg
600 kg
100 l/72 kg
Flugleistungen
Startrollstrecke
159 m
Startstr. über 15-m-Hindernis 336 m
bestes Steigen
730 ft/min
Reisegeschwindigkeit
150 km/h
V NE
210 km/h
Überziehgeschwindigkeit mit
voll ausgefahrenen Klappen 76 km/h
Reichweite
930 km
Lastvielfache
+ 4/– 2 g
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Lightwing-Chef Marco Trüssel ist zufrieden: Die AC4 hat die EASA-Zulassung
erhalten. Bis dahin war es ein weiter Weg. Besonders viel Know-how erforderte
die Installation des Rotax 912 iS, der zwischenzeitlich zur Sport-Version umgerüstet wurde. Außerdem wurden Leitwerk, Flügel und Bugradverkleidung optimiert.
Mit mir steigt Christian Markoff
ins Cockpit, der einen Teil der Flugerprobung absolviert hat. Ein paar
Abstriche gegenüber dem Serienstandard muss man beim Prototyp noch
in Kauf nehmen. Es fehlt das optional
angebotene Rettungssystem, ebenso
die Heizung: „Neulich habe ich das
Matterhorn umrundet. Da wurde es ganz
WEITERE FOTOS
schön kalt hier drin.“
sehen Sie, wenn Sie den
So hoch wollen wir
QR-Code scannen oder
heute nicht hinaus.
www.aerokurier.de/
Vor der Tür liegen
pilotreport_ac4 aufrufen.
reizvolle Ziele wie der
Vierwaldstättersee und die Rigi.
Mit dem Dynon SkyView und einer
digitalen Motorüberwachung ist das
Panel auf der Höhe der Zeit. Das Platzangebot ist großzügig, dank des zentralen Steuerknüppels à la C42 ist der
Einstieg kinderleicht. Die CFK-Sitze
lassen sich am Boden verstellen. Dahinter liegt das geräumige Gepäckfach.
Fazit
Mit einem Dreh
am Schlüssel erwacht
der 912 iS zum Leben.
• narrensicheres Flugverhalten
Das Rollverhalten ist
• sehr sparsam
tadellos, die Beringer• Avionikpaket von Dynon
Bremsen werden über
• großes Gepäckfach
einen Handbremshebel angesteuert.
Aus dem Magnet• langsam im Reiseflug
wird der Lane-Check:
• elektrische Klappen fahren
Geprüft werden die
träge aus und ein
beiden Zündkreis• hoher Preis
läufe über die digitale Motorsteuerung.
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Zügig beschleunigt die AC4 auf
der Piste 07 in Richtung See. Mit 115
km/h geht es mit 700 bis 750 ft/min
nach oben. Das LSA liegt dabei ausgesprochen gut in der Hand – wer
eine C42 geflogen hat, wird sich in
der AC4 auf Anhieb wohlfühlen.
Okay, ein paar Unterschiede gibt
es doch. Man merkt der AC4 ihr Gewicht an. Dank ihrer höheren Flächenbelastung liegt sie satter in der Luft
als ein UL, eben wie ein Motorflugzeug,
das sie ja auch sein möchte.
Dabei lässt es die AC4 gemütlich
angehen. Bei 4900 U/min liegen 145
km/h an. Da ist er wieder, der Vergleich
zur C42: Merklich schneller ist die
AC4 nicht. Erfreulich: Laut Anzeige
verbraucht der Motor dabei nur knappe 13 l/h. Das passt zum Konzept
eines sparsamen Schul- und Vereinsflugzeugs. Bei voller Leistung sind
auch mal 180 km/h durchaus drin.
Dann allerdings schaltet der Einspritzer vom Eco- in den Power-Modus
und verbrennt bis zu 25 l/h.
Mal schauen, was am unteren
Ende des Geschwindigkeitsspektrums
geht. Christian Markoff prophezeit
ein narrensicheres Abrissverhalten.
„Die hältst du sogar mit dem Querruder.“ Querruder im Stall? Richtig
gehört. Lustlos tanzt die AC4 mit
angezeigten 60 km/h am Himmel,
vernichtet dabei im Sackflug ordentlich Höhe und ignoriert mutwilliges
Fehlverhalten des Piloten. „Es war
nicht so einfach, sie bei der Erprobung
ins Trudeln zu bringen. Wenn sie drin
ist, geht sie sofort wieder raus.“
Wir drehen um nach Buochs für
einen Touch-and-Go. Die Platzrunde
entlang der Berge ist ungewohnt, die
Bahn lang und breit. Es kommt, wie
es kommen muss – wir sind zu hoch.
Mit einem zünftigen Slip reicht es
dann doch noch für eine passable
Landung. Leistung setzen, weiter
geht’s. Warum fahren die elektrischen
Klappen so langsam ein? Eine gefühlte Ewigkeit dauert es, bis sie von der
24- zurück in die startkonforme 10-GradPosition fahren. Anflug Nummer zwei
klappt perfekt. Mit ein bisschen Gas,
2800 U/min sind super, setzt sich die
AC4 sanft hin.
Christian Markoff fragt mich nach
meiner Meinung. „Ein schönes, simples Flugzeug“, fällt mir spontan ein.
Der kunstflugerfahrene Pilot nickt
zustimmend. „Ja, darauf kann man
sich verständigen.“
Einige Punkte ließen sich sicher
noch verbessern. Ein wenig flotter
dürfte die AC4 schon unterwegs sein
– Lightwing denkt deshalb über einen
Verstellpropeller nach. Und da ist die
Sache mit dem Preis: Zweifellos ist
die AC4 ein sparsames, problemloses
Schulflugzeug. Mit 177 700 Euro (inklusive deutscher Mehrwertsteuer)
spielt die AC4 innerhalb der LSA-Klasse
in der preislichen Oberliga. Zum Vergleich: Den Metalltiefdecker PS-28
Cruiser gibt es ab 125 000 Euro inae
klusive Steuer.