Abenteuer Rheinradweg - VCS Verkehrs

Transcription

Abenteuer Rheinradweg - VCS Verkehrs
REISEN
Familien-Velotour
Abenteuer Rheinradweg
Text und Fotos: Jeannine Hermann
U
nsere erste grössere Velotour sollte es werden, und
die Kinder sollten mit dabei sein.
Das Unterwegssein, jeden Abend
an einem anderen Ort ankommen. Das Reisetempo. Die Landschaften, die vorbeiziehen. So
stellten wir uns das vor.
Also machten wir uns in
den Sommerferien mit unseren Alltagsvelos von Basel nach
Den Haag auf: Tamara auf einem Cresta, Thierry auf einem
Raleigh Mountainbike, Yannick
mit einem Velo-Meier, Reto auf
einem Aarius und ich mit einem
Athleticum-Velo.
Velotour von A bis Z
Wie man diese Ferien mit einem
Wort beschreiben kann? Tamara ruft spontan «bewegt», Reto
«heiss», Yannick «nervenaufreibend» und Thierry «anstren-
28
Die erste grosse Familien-Velotour führte Yannick (16), Tamara (15), Thierry (12),
Jeannine (41) und Reto (43) von Basel bis ans Meer, nach Holland.
gend». Für mich kommt nur ein
Wort in Frage: intensiv! Und
zwar von A bis Z. Von abenteuerlich über unvergesslich bis zu
Wetterglück, denn während dreier Wochen im Juli und August
regnete es gerade mal eine halbe
Stunde, sonst war es sonnig und
heiss.
Von Diskussionen – Reto
mochte «die gefährlichen Manöver beim Diskutieren auf dem
Velo» nicht – über verlorene Veloschlüssel bis hin zum Wecker
(Yannick: «So verflucht früh aufstehen, und das in den Ferien!»).
Von Apotheken, die uns über
schmerzende Hintern und einen
Zusammenstoss hinweghalfen,
bis zu Wildgänsen. Von Liebeskummer und Tränen zu W-LAN,
das für Teenager äusserst wichtig und zum Glück in fast allen
Jugendherbergen erschwinglich
ist. Überhaupt, die Launen: «Die
schlechte Laune der Anderen
nervte am meisten», meint Thierry. Für Tamara wurde es schwierig, «wenn es heiss und staubig
war».
Die gemeinsamen Nachtessen
waren die Oasen unserer Tour,
da waren sich alle einig. Yannick:
«Die Abende, die wir immer an
einem anderen Ort verbrachten,
haben mir am besten gefallen.
Ich war jeden Tag stolz auf das,
was ich geleistet habe und die
Stimmung war am Abend auch
wieder gut.»
Ob wir es wieder tun würden? «Ja, aber an einem anderen
Fluss» (Reto), «Ja, aber nicht so
vorausgeplant, lieber mit einem
Zelt, und nicht jeden Tag weiterfahren» (Yannick), «Ja, aber eine
neue Tour» (Thierry), und das
Schlusswort bekommt Tamara:
«Aber sicher!».
Die Etappen in Kürze
1. Etappe: Basel–Breisach, zirka
64 Kilometer. Linksufrig einem
Kanal entlang, sehr idyllisch. Bei
Fessenheim Uferwechsel und Besichtigung der Schleuse, nachher
alles auf Kiesweg. Jugendherberge direkt am Rhein und am Veloweg gelegen, mit Badesteg.
2. Etappe: Breisach–Kehl, zir-
ka 79 Kilometer. Rechtsufrig,
durchgehend Kies. Wenig abwechslungsreich und bei trockenem Wetter sehr staubig und anstrengend. Der Weg zwischen
den Baggerseen, der in der Karte D7 mit einem Ausrufezeichen
markiert ist, ist eigentlich verbo-
Am Ende der Tour, kurz vor Einmündung ins Meer, bei Hoek van Holland. V.l.n.r.: Thierry, Tamara, Yannick, Jeannine.
VCS MAGAZIN / Mai 2014
REISEN
Familien-Velotour
ten; der Umweg beträgt 15 Kilometer. Der letzte Abschnitt war
frisch gekiest und so tief, dass unsere Räder einsanken und wir fast
nicht vorankamen. In der Nähe
der Pension gab es dafür ein feines griechisches Restaurant.
3.
Etappe:
Kehl–Karlsruhe/Wörth, zirka 84 Kilometer. Linksufrig, asphaltiert. Abwechslungsreicher als die Etappe
davor. Wir verbrachten die Mittagspause an einem Baggersee
und kühlten uns ab, bei heissem
Wetter empfehlenswert. Leider
hatten wir keine Zeit, uns Strassburg anzusehen. Wörth ist ein
ausgestorbenes Dorf, aber mit einem guten Italiener!
4. Etappe: Wörth–Mannheim,
zirka 92 Kilometer. Erste und
einzige Panne, Besuch im Veloladen bei Rheinzabern. Grosser Jubel, das erste Café-Restaurant direkt am Rhein und am Veloweg!
G4 beim Ziegeleimuseum. Achtung, vor Otterstadt abzweigen,
um zur Fähre zu gelangen. Die
Jugendherberge Mannheim ist
sehr schön gelegen. Gleich in der
Nähe ein gutes Restaurant direkt
am Rhein.
5. Etappe: Mannheim–Mainz,
zirka 90 Kilometer. Am Anfang
industriell geprägt, beeindruckend das BASF-Chemiegelände. Durch die Weinberge und
Dörfer auf und ab, landschaftlich
idyllisch und sehr sonnig. Die Jugendherberge Mainz befindet
sich in einem bezaubernden Park,
jedoch nicht direkt am Rhein.
6. Etappe: Rheinschiff Mainz–
Köln, Zug Köln–Xanten. Die
Fahrt auf dem Rheinschiff führVCS MAGAZIN / Mai 2014
te entlang von vielen Schlössern
und Weinbergen. Zwölf Stunden auf dem Schiff wurden allerdings lang. Der Velotransport
war kein Problem; auch Zugfahren mit Velos ist in Deutschland
einfach. Besichtigung des Kölner
Doms, ein Muss.
Ein guter Erholungspunkt auf unserer Tour war die Jugendherberge Xanten; am Sonntag war das
Strandbad allerdings so überfüllt,
dass wir über eine halbe Stunde
vor der Kasse anstehen mussten.
7. Etappe: Xanten–Arnhem, zirka
70 Kilometer. Die Strecke verläuft
oft auf Dämmen, uns gefiel es. An
diesem Tag war es fast unerträglich heiss. Den Nachmittag verbrachten wir am See gegenüber
von Millingen aan de Rijn. In
Arnhem ging es steil hinauf zur
Jugendherberge – und wir dachten, Holland sei flach. Yannick
nach der Jugendherberge Arnhem mit roten Pickeln übersät.
8. Etappe: Arnhem–Eiland van
Maurik, zirka 65 Kilometer. Erneut sehr heiss, wir waren froh,
dass die Etappe nicht so lang war.
Das Safarizelt auf dem Camping
Eiland van Maurik war super eingerichtet, sogar mit Hängematte.
9. Etappe: Eiland–Rotterdam,
zirka 86 Kilometer. Eine sehr
schöne Strecke, immer wieder
kleinen Kanälen entlang. So haben wir uns Velofahren in Holland vorgestellt! Wir nahmen in
Dordrecht den Zug, nachdem
Yannick, Tamara und ich auf der
Fahrt zusammengestossen und
gestürzt waren.
Rotterdam ist mit dem Velo sehr
gut zu erkunden, die Bauwerke
sind sehenswert. Übernachten im
nicht weit entfernten Ferienpark
Vlugtenburg, Veloausflüge nach
Rotterdam zum Hafen, zur Blumenbörse in Naaldwijk und nach
Den Haag. Die Strände bei Vlugtenburg sind gut erschlossen, von
Hoek van Holland bis Den Haag
profitiert man von asphaltierten
Velowegen in den Dünen.
10. Etappe: Rotterdam–Mons-
ter, zirka 33 Kilometer. Das erste Mal, dass es auf unserer Tour
regnete! Ein spezielles Gefühl
zu sehen, wie der Fluss ins Meer
mündet. Wir waren alle stolz.
Tamaras Spange kaputt – der
Zahnarzt in s’Gravenzande gab
uns eine Gratisbehandlung.
11. Etappe: Monster–Den Haag
30 Kilometer, Zug nach Amsterdam. Der Weg nach Den Haag
Pneuwechsel auf der vierten Etappe von
Wörth nach Mannheim. Mittagspause am
allerersten Tag. Unterwegs auf der anstrengenden zweiten Etappe von Breisach nach
Kehl, auf einem staubigen Kiesweg.
lohnt sich: Er verläuft auf asphaltieren breiten Radwegen zwischen
den Dünen, mit Sicht aufs Meer.
Mit dem Zug zu unserem Endziel.
Amsterdam sollte man jedoch nur
zu Fuss besichtigen, mit dem Velo
war’s ein Albtraum! Beim Bahnhof gibt es eine Velostation. Tipps für die Reise
Gutes Kartenmaterial mit genauer Routenplanung zu Jugendherberge/Hotel,
vor allem in den Städten. Wir hatten nur die Velokarten von Bikeline, Teil 2
und 3, und verirrten uns in den Städten mehrmals, was Nerven kostete.
Wenn man noch etwas anschauen will, mit Kindern keine 90-KilometerEtappen planen.
Hilfreich ist, vor der Reise eine durchschnittliche Geschwindigkeit herauszufinden, das hilft bei der Zeitberechnung. Bei uns waren es im Schnitt 13 bis 15
km/h. Der Langsamste bestimmt das Tempo.
Vorrausschauend planen, wo man den Lunch kauft, immer genügend zu
trinken dabeihaben, da der Rheinweg oft nicht durch Dörfer führt. Die Dörfer
in Deutschland sind oft wie ausgestorben – auf französischem Boden sind die
Einkaufsmöglichkeiten besser.
In wasserdichte Velotaschen investieren. Unsere billigen Exemplare mit
Regenhülle liessen den Regen schon nach 30 Minuten durch. Genügend
Gummiriemen, falls die Taschen kaputtgehen.
Ersatzschlüssel für Veloschlösser mitnehmen, auch auf Ausflügen. Wir
mussten zum Campingplatz zurückfahren, um den Schlüssel zu holen.
In den Bahnhöfen genügend Zeit einberechnen.
Den Nachtzug zuerst buchen, da er nur eine beschränkte Anzahl Veloplätze hat.
Zusatzinformationen auf www.verkehrsclub.ch/touren
29