IAS 19 – Aktuelle Hinweise

Transcription

IAS 19 – Aktuelle Hinweise
Dr. André Geilenkothen, Mülheim an der
Ruhr
IAS 19 – Aktuelle
Hinweise*
I. Einführung
Zum Jahresende 2013 steht für die meisten Unternehmen,
die nach den International Financial Reporting Standards (IFRS)
berichten, das erste Mal die Erstellung eines Jahres- oder Konzernabschlusses unter Berücksichtigung der Neufassung von
IAS 19 Employee Benefits (revised 2011) an.
In diesem Zusammenhang gibt der vorliegende Beitrag
praxisnahe Hinweise für die Erstellung der notwendigen,
teils erweiterten Anhangangaben zu sog. post-employment
benefits (wie z.B. Altersversorgungsverpflichtungen) und
geht im Weiteren auf aktuelle Fragestellungen zur Rechnungszinsbestimmung ein. Auch werden die derzeit in den
internationalen Gremien zur Rechnungslegung diskutierten
Fragestellungen und Lösungsvorschläge zur Bilanzierung von
Mitarbeiterbeiträgen1 angerissen.
II. Anhangangaben
1. Retrospektive Anwendung von IAS 19 (revised 2011)
Gemäß IAS 19.172 (revised 2011) ist die Neufassung von IAS
19 verpflichtend für Geschäftsjahre anzuwenden, die am
oder nach dem 1. Januar 2013 beginnen; wie üblich war und
ist eine frühere Anwendung zulässig. Im Rahmen der erstmaligen Berücksichtigung dieser neuen Bilanzierungsregeln
ist darüber hinaus gemäß IAS 19.173 (revised 2011) und im
Einklang mit IAS 8 Accounting Policies, Changes in Accounting
Estimates and Errors grundsätzlich eine retrospektive Anpassung früherer Berichtsperioden vorzunehmen. Dies bedeutet
letztlich, dass alle berichteten Zahlen – im Besonderen auch
die Angaben zu der (oder den) Vergleichsperiode(n) – so
darzustellen sind, als hätte man IAS 19 (revised 2011) schon
immer angewandt. In diesem Zusammenhang kommt es –
falls notwendig – zu einer erfolgsneutralen Anpassung der
Eröffnungsbilanzwerte der frühesten Vergleichsperiode, z.B.
bzgl. bislang gemäß IAS 19 (revised 2004) noch nicht erfasster Teile von nachzuverrechnendem Dienstzeitaufwand (past
service cost) oder noch nicht erfasster versicherungsmathematischer Gewinne bzw. Verluste (actuarial gains and losses) aus
Vorperioden2. Darüber hinaus sind auch die verschiedenen
geschäftsjahresbezogenen Überleitungsrechnungen des Verpflichtungsumfangs (defined benefit obligation – DBO) und
des Planvermögens (plan assets) für die Vergleichsperioden
nach den Regelungen von IAS 19 (revised 2011) aufzugliedern. Hierbei ergeben sich – sofern Planvermögen vorhanden
ist – insbesondere Effekte für die Gewinn- und Verlustrechnung der Vorperioden, da in diesem Falle der unter IAS
19 (revised 2004) verwendete erwartete Vermögensertrag
*
Vortrag gehalten auf der Herbsttagung der Fachvereinigung Mathematische
Sachverständige am 11.10.2013 in Köln.
1 Zur Bilanzierung von Mitarbeiterbeiträgen war für den 21. November 2013
(und damit nach Fertigstellung dieses Beitrags) die Veröffentlichung einer
Änderung des IAS 19 angekündigt: International Financial Reporting Standard, Defined Benefit Plans: Employee Contributions (Amendments to IAS 19).
2 Nach IAS 19 (revised 2004) waren nachzuverrechnende Dienstzeitaufwendungen verteilt über den Zeitraum bis zum Eintritt der Unverfallbarkeit der
jeweiligen Leistungen aufwandswirksam zu erfassen. Des Weiteren konnte
auch die aufwandswirksame Erfassung versicherungsmathematischer Gewinne und Verluste gemäß der sog. Korridormethode über die durchschnittliche
Restdienstzeit der aktiven Planbegünstigten verteilt werden.
Abhandlungen
Betriebliche Altersversorgung 8/2013
687
(expected return on plan assets) durch einen rechnungsmäßigen Vermögensertrag auf Basis des IAS 19 Rechnungszinssatzes zu ersetzen ist. Schließlich sind verschiedene neue
Anhangangaben auch für die Vorperioden auszuweisen; dies
beinhaltet u.a. die Angabe der durchschnittlichen gewichteten Duration der Versorgungsverpflichtungen gemäß IAS
19.147 (c) (revised 2011) sowie eine Aufgliederung der versicherungsmathematischen Gewinne und Verluste aus Annahmeänderungen in solche aus der Änderung demografischer
Annahmen bzw. in solche aus der Änderung finanzieller
Annahmen (vgl. IAS 19.141 (c) (revised 2011)). Eine Ausnahme stellen die nach IAS 19.145 (a) (revised 2011) notwendigen Sensitivitätsanalysen dar; für diese Analysen müssen vergleichende Vorjahresangaben gemäß IAS 19.173 (b) (revised
2011) erst für Geschäftsjahre vorgenommen werden, die am
oder nach dem 1. Januar 2014 beginnen.
Eine in diesem Zusammenhang in der Praxis teils übersehene, aber auch bisweilen kontrovers diskutierte Angabepflicht
ist IAS 8.28 (f) (i) zu entnehmen. An dieser Stelle fordern die
IFRS, dass im Rahmen der retrospektiven Anwendung einer
Standardänderung eine Angabe der Unterschiedsbeträge
zwischen alter und neuer Rechnung erfolgt, und zwar für
alle betroffenen Posten von Bilanz und Gesamtergebnisrechnung (GuV sowie OCI) für die Berichtsperiode und alle
Vergleichsperioden. Für die Vergleichsperioden liegen diese
Angaben auf der Hand, da man wie oben beschrieben auch
die Überleitungsrechnungen nach neuer Rechnung erstellen
muss und so im Zusammenspiel mit den veröffentlichten
Geschäftsberichten der Vorjahre eine Differenzenbildung
unproblematisch vorgenommen werden kann. Diese kann
dann z.B. im Rahmen eines kurzen deskriptiven Textes in
den aktuellen Geschäftsbericht integriert werden. Für die
Berichtsperiode (z.B. das Kalenderjahr 2013), welche bereits
komplett nach neuer Rechnung gebucht wurde, erfordert
diese Angabe allerdings zusätzlich eine fiktive Überleitung
nach alter Rechnung, um die notwendigen Angaben vornehmen zu können.
In der Praxis wird daher z.T. auf eine solche Erläuterung für
die Berichtsperiode verzichtet – z.B. unter Wesentlichkeitsaspekten oder unter Praktikabilitätsgesichtspunkten. Auch
gab es seitens des IASB bereits im Jahr 2012 Überlegungen,
die Angabepflicht gemäß IAS 8.28 (f) gänzlich aus dem Standard zu streichen, sodass sowohl von einigen Unternehmen
wie auch von einigen Wirtschaftsprüfern der Nutzen dieser
Angabe zumindest in Zweifel gezogen und argumentiert
wird, dass diese Angabe keinen besonderen Mehrwert und
Entscheidungsnutzen für den Bilanzleser mit sich bringt und
daher ggf. unterbleiben könnte. Dennoch sollten Unternehmen diese formale Angabepflicht im Blick haben und unter
Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des konkreten
Einzelfalles entscheiden, ob eine entsprechende Angabe notwendig ist oder ggf. darauf verzichtet werden kann.
2.Bewertungsparameter und Sensitivitäten
Die Neufassung von IAS 19 verlangt mit IAS 19.144 (revised
2011) die Offenlegung der erheblichen („significant“) versicherungsmathematischen Annahmen bei der Ermittlung
der DBO. Darüber hinaus sind – wie oben bereits kurz angerissen – für diese erheblichen Bewertungsparameter auch
Sensitivitäten der DBO anzugeben (vgl. IAS 19.145 (revised
2011)). Somit stellt sich für die bei der Abschlusserstellung
beteiligten Parteien (Unternehmen, Wirtschaftsprüfer, Berater) regelmäßig die Frage, welche Annahmen als „erheblich“
einzustufen und entsprechend vertieft zu analysieren sind.
Interessant ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass sich
im Rahmen der Neufassung des Standards eine Änderung
der Begrifflichkeiten ergeben hat. So war auch in der bisherigen Fassung des IAS 19 eine Angabepflicht hinsichtlich
688
Betriebliche Altersversorgung 8/2013
der Bewertungsannahmen kodifiziert, jedoch wurde dabei
eher von „wesentlichen“ Annahmen gesprochen („principal“
bzw. „material“). Da mit hoher Wahrscheinlichkeit davon
ausgegangen werden kann, dass der Begriff der Wesentlichkeit auch alle „erheblichen“ Annahmen umfasst, aber
umgekehrt nicht jede Annahme, die zwar grundsätzlich
als „wesentlich“ eingestuft wird, auch unmittelbar zu den
erheblichen Annahmen zu zählen ist, könnte hieraus ggf.
abgeleitet werden, dass nicht zwangsläufig alle Annahmen,
die bislang angegeben wurden, auch künftig angegeben
werden müssen. Selbstverständlich aber sind die bisherigen
Angaben zumindest ein Indiz dafür, was auch unter IAS 19
(revised 2011) anzugeben wäre. Letztlich muss jedes Unternehmen unter Berücksichtigung der vorhandenen Altersversorgungsverpflichtungen entscheiden, welche Annahmen
als „erheblich“ angesehen werden; dies sollte – sowohl unter
Risiko-Management-Gesichtspunkten, aber auch für externe
Prüfer, wie Wirtschaftsprüfer oder die DPR3 – angemessen
dokumentiert werden.
Betrachtet man die bereits verfügbaren Jahres- bzw. Konzernabschlüsse von Unternehmen, die IAS 19 (revised 2011)
vorzeitig angewendet haben und wertet man zusätzlich auch
die hierzu geführten Diskussionen im Schrifttum und auf
einschlägigen Tagungen und Seminaren aus, so scheinen sich
jedenfalls die folgenden Annahmen als mögliche „erhebliche“ Annahmen herauszukristallisieren:
–Unstrittig erscheint der Rechnungszinssatz eine erhebliche
ökonomische Rechnungsannahme zu sein (vgl. hierzu
auch die Ausführungen in Abschnitt III.).
–Abhängig von der konkreten Versorgungslandschaft eines
Unternehmens können ggf. Annahmen zur künftigen
Gehalts- und / oder Rentendynamik erhebliche ökonomische Rechnungsannahmen sein. Denkbar wäre es auch,
diese Annahmen allgemeiner unter die erwartete künftige
Inflationsentwicklung zu subsumieren und ggf. beide Größen in analoger Weise zu variieren.
–
Von den ökonomischen Rechnungsannahmen scheinen
nur im Ausnahmefall weitere Parameter als erhebliche
Prämissen eingestuft zu werden.
–Von den demografischen Rechnungsannahmen kommt
offenbar – wenn überhaupt – nur die Langlebigkeit als
erheblicher Parameter in Betracht. Je nach Ausgestaltung
und Bestand der Versorgungsverpflichtungen wird aber
auch diese Prämisse nicht zwangsläufig angabepflichtig
sein.
–
Weitere demografische Rechnungsannahmen, wie das
Alter des Rentenbeginns oder die unterstellte Fluktuation
der Mitarbeiter scheinen dagegen ebenfalls nur im Ausnahmefall als erhebliche Prämissen eingestuft zu werden.
Wenn in einem ersten Schritt – unter Berücksichtigung der
oben geschilderten Überlegungen – seitens eines Unternehmens festgelegt wurde, welche Annahmen als erhebliche
Prämissen im Anhang offengelegt und im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse variiert werden sollen, ist in einem zweiten
Schritt zu entscheiden, wie die Sensitivitätsangaben für diese
Annahmen im Detail ausgestaltet werden sollen. Hierbei ist
zu beachten, dass Sensitivitätsangaben reflektieren sollen,
wie sich die DBO bei vernünftig möglichen („reasonably
possible“) Änderungen der Bewertungsannahmen verändern
würde. Dies bedeutet letztlich, dass bereits die Angabe der
Variationsspanne eine Markteinschätzung des bilanzierenden Unternehmens darstellt und dementsprechend sorgfältig
ausgewählt werden sollte.
3 DPR – Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung; die DPR hat die Offenlegungspflichten nach IAS 19 (revised 2011) als einen ihrer Prüfungsschwerpunkte für das Jahr 2014 veröffentlicht (vgl. http://www.frep.info/docs/
pressemitteilungen/2013/20131015_pm.pdf – Abruf vom 18.11.2013).
Abhandlungen
Da z.B. die Entwicklung der Marktzinssätze (und damit des
Rechnungszinses) i.d.R. deutlich volatiler ist als langfristige
Inflationserwartungen, ist davon auszugehen, dass in der
Mehrzahl der Fälle die Sensitivitätsangaben zum Rechnungszins auf einer größeren Varianz beruhen dürften (z.B.
+/- 0,5%-Punkte oder +/- 1%-Punkte) als die Sensitivitätsangaben für die Inflation oder die von der Inflation abhängigen
Dynamiken (z.B. +/- 0,25%-Punkte).
Umstritten ist teilweise noch, ob auch für sog. symmetrische
Variationen (d.h. Variationen, bei denen – in Absolutbeträgen – der Effekt der Reduzierung einer Annahme näherungsweise dem Effekt der Erhöhung dieser Annahme entspricht)
beide Variationseffekte im Detail angegeben werden müssen,
oder ob dies nur für sog. asymmetrische Variationen notwendig ist. Grundsätzlich sollte in derartigen Fällen aber die
Angabe einer Variation zusammen mit dem Hinweis auf die
Symmetrie der Effekte ausreichen.
Schließlich ist zu beachten, dass Angaben zu einer etwaigen
Variation der Langlebigkeit besondere Aufmerksamkeit erfordern, da in diesem Zusammenhang grundsätzlich verschiedene sinnvolle Variationen4 denkbar sind:
–Pauschale Modifikation der Sterbewahrscheinlichkeiten in
allen Altern (z.B. Absenkung der Sterbewahrscheinlichkeiten um 10%; dies entspricht für heute 63- bis 65-jährige
Leistungsempfänger (m/w) näherungsweise einer Erhöhung der Lebenserwartung um ein Jahr).
–Altersverschiebung, d.h. Personen wird die Lebenserwartung eines anderen Alters oder anderer Geburtsjahrgänge
zugeordnet.
–
Verlängerung der durchschnittlichen Lebenserwartung
eines Bestandes.
Insofern sind in diesen Fällen sowohl eine Beschreibung der
Vorgehensweise zur Ermittlung der Sensitivitätsergebnisse als
auch eine Interpretation der ermittelten Zahlen notwendig;
dies wird im Übrigen auch explizit in IAS 19.145 (c) (revised
2011) – für alle Sensitivitätsanalysen – gefordert.
3.Duration und Fälligkeitsprofil der Altersversorgungsverpflichtungen
Eine weitere Größe, die im Rahmen der Neufassung des IAS
19 erstmals verpflichtend anzugeben ist, ist die mittlere
gewichtete Duration, also die mittlere Kapitalbindungsdauer
der Versorgungsverpflichtungen. Diese finanzmathematische
Kenngröße dient zur Beschreibung des Fälligkeitsprofils der
Verpflichtungen und ist gemäß IAS 19.147 (c) (revised 2011)
eine Mindestangabe, die ggf. auch durch Angaben zu den
konkreten Fälligkeiten und der Höhe der (kurz-, mittel- oder
langfristig) erwarteten Zahlungsströme ergänzt werden kann.
Auch bei der Angabe der Duration sollte sich das berichtende
Unternehmen darüber klar werden, welches der in der Praxis
geläufigen Durationsmaße (z.B. Macaulay Duration oder
Modified Duration) für die entsprechende Anhangangabe
verwendet und wie diese Kenngröße ermittelt oder angenähert werden soll, da die aktuarielle Praxis hier verschiedene
sinnvolle Herangehensweisen kennt (z.B. Ermittlung auf
Basis von Zinssensitivitäten oder auf Basis der jeweiligen
Zahlungsströme)5. Dies ist vor allem dann entscheidend,
4 Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Varianten sollen an dieser Stelle
nicht näher erörtert werden; hierfür sei auf einen entsprechenden Vortrag
von Frau Dr. Heinke Conrads verwiesen, der ebenfalls im Rahmen der Herbsttagung der Fachvereinigung Mathematische Sachverständige am 11.10.2013
in Köln gehalten wurde.
5 Auf eine detaillierte Vorstellung verschiedener Durations-Maße und auf
Erläuterung zur Ermittlung derselben soll an dieser Stelle verzichtet werden.
Hierfür sei auf den Beitrag von Prigge verwiesen: „Die Verwendung der Duration bei der Bewertung und Bilanzierung von Leistungen an Arbeitnehmer
nach IFRS“, B
­ etrAV 2013 S. 596.
Abhandlungen
wenn eine Vielzahl von verschiedenen Altersversorgungsplänen unterschiedlichster Ausprägung und Herkunft, z.B. im
Rahmen des Abschlusses eines multinationalen Konzerns,
zum Zwecke einer sachgerechten Konsolidierung einheitlich
behandelt werden muss. Auch hierzu sollten die verwendeten Methoden und Durationsmaße ggf. im Anhang näher
erläutert werden.
In der Praxis lässt sich darüber hinaus beobachten, dass die
berichtenden Unternehmen im Zusammenhang mit der Neufassung des IAS 19 in verstärktem Maße auch die zukünftig
erwarteten Zahlungsströme als zusätzliches, explizit ausgewiesenes Bewertungsergebnis von ihren versicherungsmathematischen Dienstleistern abfragen. Dies ist grundsätzlich sehr
zu begrüßen, da ein Überblick über die erwarteten künftigen
Zahlungsströme ein wichtiges Instrument der Risikosteuerung
und eines aktiven Asset-Liability-Managements ist. Umstritten
ist allerdings noch, welche Anhangangaben zu den künftigen
Zahlungsströmen wirklich sinnvoll und notwendig sind, um
den in IAS 19.147 (revised 2011) postulierten entsprechenden Offenlegungspflichten gerecht zu werden. In der Praxis
werden die Zahlungsströme teils für fünf oder zehn Jahre,
teilweise aber auch für 20 und mehr Jahre abgefragt und (jahresbezogen oder aggregiert) angegeben. Es ist allerdings davon
auszugehen, dass eine Angabe zu den Zahlungsströmen der
nächsten zehn Jahre – wie sie z.B. in den US-GAAP bereits
seit Jahren kodifiziert ist – i.d.R. vollkommen ausreichend ist
und darüberhinausgehende Angaben dem Bilanzleser keinen
weiteren Entscheidungsnutzen bringen.
III. Bestimmung des Rechnungszinssatzes nach
IAS 19
1.Hintergrund
Der Rechnungszinssatz nach IAS 19 steht – als eine der
Haupteinflussgrößen für die Ermittlung von Pensionsrückstellungen – durchgehend im Fokus der berichtenden Unternehmen. In den vergangenen beiden Jahren aber haben
die fachlichen Diskussionen um die Bestimmung dieser
Rechnungsgröße noch einmal deutlich zugenommen. Dies
ist zum Einen auf das massive Absinken des Zinsniveaus für
risikoarme Anleihen in der Eurozone6 und zum Anderen
auf die zeitgleich auftretenden starken Schwankungen im
IAS 19 Rechnungszinssatz bei Ratingänderungen zurückzuführen. Diese starken Schwankungen der Zinssätze ergaben
sich im Wesentlichen daraus, dass sich das Marktsegment
der Anleihen mit dem zweithöchsten Rating („AA“) in den
vergangenen Krisenjahren drastisch verkleinert hatte, sodass
jede weitere Ratingveränderung im Zuge der Eurokrise vergleichsweise starke Veränderungen im Durchschnittszinssatz
dieses Marktsegmentes nach sich zog.
Zur Stabilisierung der Rechnungszinssätze nach IAS 19 wurde
daher von verschiedenen Marktteilnehmern vorgeschlagen,
den im IAS 19 verwendeten Begriff hochwertiger („high quality“) Unternehmensanleihen weiter auszulegen als bislang
üblich. Während nach herrschender Meinung mindestens
ein „AA“-Rating erforderlich war, damit eine Unternehmensanleihe als hochwertig eingestuft und für die Bestimmung
des IAS 19 Zinssatzes herangezogen werden konnte, sahen
diese Vorschläge vor, es dem Ermessen des berichtenden
Unternehmens zu überlassen, ggf. auch Anleihen mit niedrigerem Rating (z.B. „A“) in die Zinsbestimmung miteinzubeziehen. Diese Überlegungen mündeten schließlich im Herbst
2012 in einer Anfrage an das IFRS Interpretations Committee
(IFRS IC), ob auch Anleihen mit einem Rating unterhalb von
„AA“ ggf. als hochwertig eingestuft werden könnten.
6 Die von den Unternehmen verwendeten Rechnungszinssätze nach IAS 19
haben sich im Jahresverlauf – je nach verwendeter Zinsherleitung – um etwa
1,0-1,5 Prozentpunkte vermindert.
Betriebliche Altersversorgung 8/2013
689
2.Aktueller Stand
Sowohl das IFRS IC wie auch der IASB beschäftigen sich nun
seit rund einem Jahr mit der o.a. Frage, ob der Begriff der
Hochwertigkeit nur für Unternehmensanleihen mit einem
Rating von mindestens „AA“ einschlägig ist oder ggf. auch
andere Unternehmensanleihen mit einschließen kann. Eine
klare und eindeutige Antwort auf diese Frage gibt es nicht,
doch immerhin scheint das IFRS IC in seiner Sitzung vom 12.
November 2013 eine vorläufige Position gefunden zu haben,
die die Thematik letztlich wieder an die Praxis zurückverweist
und eine Entscheidung über diesen Sachverhalt – bis zu einer
etwaigen künftigen Standardänderung im Zusammenhang
mit dem sog. discount rate project, bei dem die Systematik aller
in den IFRS verwendeten Rechnungszinssätze einem grundlegenden Review unterzogen werden soll – in das Ermessen
von Unternehmen und Wirtschaftsprüfer stellt.
Zwar lagen bei Redaktionsschluss dieses Beitrags noch keine
offiziellen Verlautbarungen des IFRS IC zu diesem Thema vor,
doch es deutet sich an, dass sich die finale Agenda-Entscheidung an der für die Sitzung vorbereiteten Entwurfsfassung
orientieren wird7. Diese stellt u.a. fest:
–IAS 19 definiert nicht, welche Unternehmensanleihen als
hochwertig anzusehen sind und welche nicht.
–Der Rechnungszinssatz gemäß IAS 19 soll grundsätzlich
nur den Zeitwert des Geldes berücksichtigen, nicht aber
Anlagerisiken oder aktuarielle Risiken.
–
Der Begriff der Hochwertigkeit ist ein absoluter, kein
relativer Begriff, sodass nicht – wie von einigen Marktteilnehmern vorgeschlagen – ein bestimmtes relatives Marktsegment als „hochwertig“ bezeichnet werden kann.
–Was genau unter „hochwertig“ zu verstehen ist, ist eine
Ermessensentscheidung des Unternehmens auf der Basis
der (wenigen) im IAS 19 genannten Kriterien.
–
Die Ermessenseinschätzung, was unter „hochwertig“ zu
verstehen ist, ist im Zeitablauf stetig vorzunehmen.
–Der verwendete Rechnungszinssatz ist gemäß IAS 19.144
(revised 2011) i.d.R. im Bilanzanhang anzugeben und
gemäß IAS 19.145 (revised 2011) i.d.R. einer Sensitivitätsanalyse zu unterwerfen (vgl. auch Abschnitt II. dieses
Beitrags).
–Darüber hinaus sind gemäß IAS 1.122 Ermessensentscheidungen eines bilanzierenden Unternehmens ebenfalls im
Anhang zu erläutern, sofern diese erheblichen Einfluss auf
die Bilanzierung haben. Dies beinhaltet regelmäßig auch
den Rechnungszinssatz gemäß IAS 19 und die Methode
zur Festlegung dieses Zinssatzes.
Zusammenfassend scheint dies zu bedeuten, dass grundsätzlich auch Unternehmensanleihen mit einem Rating
unterhalb von „AA“ als hochwertig angesehen werden
können; allerdings schränkt der explizite Hinweis auf eine
im Zeitablauf notwendigerweise konsistente Auslegung des
Begriffes der Hochwertigkeit diese Deutungsmöglichkeit
wieder unmittelbar ein. Folglich könnten Unternehmen,
die erstmals einen Abschluss nach den IFRS-Regelungen
aufstellen, wohl auch Anleihen mit einem „A“-Rating in
ihre Zinsfestlegung miteinbeziehen. Unternehmen hingegen,
die bereits mehrere Jahre nach den IFRS berichten, sind im
Gegensatz dazu i.d.R. an die bislang nahezu durchgängige
Praxis gebunden, Anleihen mit einem Rating von mindestens „AA“ zu verwenden. Soll entgegen der bisherigen Praxis
der Begriff der Hochwertigkeit dennoch weiter ausgelegt werden, sollte dies zumindest mit dem jeweiligen Wirtschaftsprüfer abgestimmt werden. Es darf darüber hinaus erwartet
werden, dass hierfür seitens des jeweiligen Unternehmens
7 Vgl. http://www.ifrs.org/Meetings/MeetingDocs/Interpretations%20Committee/2013/November/AP04%20-%20IAS%2019%20Discount%20rate.pdf
– Abruf vom 18.11.2013.
690
Betriebliche Altersversorgung 8/2013
sehr gute Gründe ins Feld geführt werden müssten, die eine
solche Durchbrechung der Methodenstetigkeit rechtfertigen.
Auch bliebe in einem solchen Fall abzuwarten, wie z.B. die
DPR dazu stehen würde.
IV. Behandlung von Mitarbeiterbeiträgen
1.Regelungen in IAS 19 (revised 2011) und in ED/2013/4
Im Rahmen der Neufassung von IAS 19 fanden auch einige
Hinweise zur adäquaten Behandlung von Mitarbeiterbeiträgen Eingang in den Standard. So heißt es in IAS 19 (revised
2011) u.a. (Hervorhebungen durch den Autor):
92Some defined benefit plans require employees or third parties to contribute to the cost of the plan. Contributions by
employees reduce the cost of the benefits to the entity.
[…] Contributions by employees or third parties are either
set out in the formal terms of the plan […], or are discretionary. […]
93 C
ontributions from employees or third parties set out in
the formal terms of the plan either reduce service cost (if
they are linked to service), or reduce remeasurements of the
net defined benefit liability (asset) […]. Contributions from
employees or third parties in respect of service are attributed
to periods of service as a negative benefit in accordance
with paragraph 70 […].
Letztlich sollte mit diesen Hinweisen seitens des IASB in der
Neufassung von IAS 19 nur noch einmal klargestellt werden,
dass Beiträge der Mitarbeiter zu einem Pensionsplan – sofern
diese abhängig von der erbrachten Arbeitsleistung oder der
abgeleisteten Dienstzeit sind und nicht nur eine reine Risikobeteiligung des Mitarbeiters darstellen – grundsätzlich die
Dienstzeitaufwendungen (service cost) des Arbeitgebers mindern. In der Praxis wurde und wird eine solche Reduzierung
der Dienstzeitaufwendung regelmäßig durch einen Abzug
des nominalen Mitarbeiterbeitrages von den Dienstzeitaufwendungen (also dem Barwert der insgesamt in einer Periode
neu erdienten Anwartschaften) vorgenommen. Allerdings
deutete die o.a. Formulierung „attributed to periods of service
as a negative benefit“ in IAS 19.93 (revised 2011) darauf hin,
dass ein Abzug des Nominalbetrages des Mitarbeiterbeitrages
in manchen Situationen ggf. nicht sachgerecht ist – nämlich dann, wenn die Ausgestaltung des Mitarbeiterbeitrages
im Zeitablauf deutlichen Veränderungen unterworfen ist.
In diesen Fällen müssten die gegenwärtigen und künftigen
Mitarbeiterbeiträge offenbar korrekterweise ebenfalls einer
periodengerechten Verteilung unterzogen werden, um einen
angemessenen Abzugsposten von den Dienstzeitaufwendungen des Arbeitgebers zu bestimmen.
Da diese Lesart des IAS 19.93 (revised 2011) jedoch nicht
eindeutig war und in der aktuariellen Praxis verschiedene,
teils sehr aufwändige Vorgehensweisen zur korrekten Abbildung der Erfordernisse des Standards diskutiert wurden,
wurde diesbezüglich eine nochmalige Anpassung des IAS 19
angeregt.
Mit dem Entwurf einer Standardänderung (exposure draft)
ED/2013/4 vom 25. März 2013 wurde eine Klarstellung dahingehend vorgeschlagen, dass die periodengerechte Zuordnung
der Mitarbeiterbeiträge grundsätzlich analog zur periodengerechten Zuordnung der Brutto-Leistungen („in the same way
as the gross benefit is attributed“) zu erfolgen hat. Zugleich
wurde aber auch eine praxisnahe Vereinfachungsregel kodifiziert, die es erlaubt, weiterhin eine nominale Verrechnung
der Mitarbeiterbeiträge mit den Dienstzeitaufwendungen
vorzunehmen, sofern die Mitarbeiterbeiträge eindeutig und
vollends der jeweiligen Periode zuzurechnen sind.
Abhandlungen
Diese Anpassung des Standards wurde von der Praxis durchweg begrüßt und sollte am 21. November 2013 final veröffentlicht werden8. Für deutsche Pensionspläne ist davon
auszugehen, dass sich hieraus – wie auch schon aus den
oben zitierten Passagen im IAS 19 (revised 2011) – i.d.R.
keine oder keine großen Auswirkungen ergeben werden. Bei
Pensionsplänen mit Mitarbeiterbeteiligung im europäischen
Ausland kann es jedoch zu Auswirkungen bei der Ermittlung
der Dienstzeitaufwendungen kommen. In vielen Fällen kann
dabei allerdings die bisherige Praxis, die sich vor der Neufassung des IAS 19 herausgebildet hatte, fortgeführt werden.
2. Ausweisfragen zur Entgeltumwandlung
Obwohl die zuvor diskutierten Fragen hinsichtlich der
Behandlung von Mitarbeiterbeiträgen für deutsche Pensionspläne voraussichtlich nur in wenigen Fällen von Bedeutung
sein werden, könnten sich aus der Standard-Anpassung und
den in diesem Zusammenhang geführten Diskussionen in
Fachkreisen dennoch Auswirkungen für die bilanzielle Praxis
in Deutschland ergeben.
grundsätzlich als Teil der Dienstzeitaufwendungen für Altersversorgungsverpflichtungen zu erfassen ist9.
Es bleibt allerdings abzuwarten, ob sich auch deutsche Wirtschaftsprüfer und / oder das Deutsche Rechnungslegungs
Standards Committee (DRSC) dieser Sichtweise anschließen
werden. Dennoch sollten Unternehmen im Zusammenhang
mit der Veröffentlichung der Änderungen an IAS 19 (revised
2011) schon heute analysieren, ob sich ggf. Handlungsbedarf
ergibt.
9 Vgl. http://www.ifrs.org/Meetings/MeetingDocs/IASB/2013/September/15AED%20Defined%20Benefit%20Plans.pdf – Abruf vom 18.11.2013; hierin
heißt es in Rd.Nr. 83: „In our view, in the case of a salary sacrifice arrangement,
the benefit is reclassified from one class of employee benefit, typically a short-term
benefit such as salary, to another class of employee benefit, a defined benefit. […]”
So stellt sich u.a. die Frage, ob auch eine Entgeltumwandlung
als Mitarbeiterbeitrag im Sinne des IAS 19 zu verstehen ist,
vor allem da eine Entgeltumwandlung z.B. auch ohne die
Dotierung von Planvermögen oder die Einschaltung einer
Versorgungseinrichtung denkbar ist.
Diesbezüglich finden sich in der Praxis zwei verschiedene
Sichtweisen, die beide ihre Berechtigung haben, die aber zu
einer jeweils unterschiedlichen bilanziellen Behandlung des
gleichen Sachverhaltes führen können:
– Arbeitsrechtliche Sichtweise
Nach dieser Sichtweise stellen umgewandelte Gehaltsansprüche aufgrund der geänderten Vergütungsabrede (reduziertes
Barentgelt im Austausch für die Zusage von sofort unverfallbaren Altersversorgungsanwartschaften) keinen Mitarbeiterbeitrag dar. Die für den Entgeltverzicht gewährte Anwartschaft auf Altersversorgung wird als Teil des Dienstzeitaufwandes erfasst; die Lohn- und Gehaltsaufwendungen sind
entsprechend um den Entgeltverzicht gemindert.
– Wirtschaftliche Sichtweise
Nach dieser Sichtweise stellen umgewandelte Gehaltsansprüche aufgrund des wirtschaftlichen Hintergrundes sehr
wohl einen Mitarbeiterbeitrag dar. In diesem Fall – und
unterstellt, dass der Entgeltumwandlungsbetrag vollends der
jeweiligen Periode zuzurechnen ist – mindert der nominale
Mitarbeiterbeitrag die Dienstzeitaufwendungen des Arbeitgebers, während die Lohn- und Gehaltsaufwendungen unverändert bleiben.
Im Ergebnis wird bei beiden Sichtweisen der gleiche
Gesamtaufwand erfasst, es ergeben sich aber – je nach Sichtweise – Verschiebungen zwischen den Lohn- und Gehaltsaufwendungen (short-term employee benefits) und den Dienstzeitaufwendungen für Altersversorgungsverpflichtungen
(post-employment benefits). Beide bilanzielle Vorgehensweisen
kommen in der Praxis der betrieblichen Altersversorgung in
Deutschland vor.
Allerdings könnte man einer Unterlage der IASB-Mitarbeiter,
die im Zusammenhang mit der Auswertung der Kommentierungen zum ED/2013/4 angefertigt wurde, entnehmen, dass
man seitens des IASB der o.g. arbeitsrechtlichen Sichtweise
zuneigt, und somit der Aufwand aus Entgeltumwandlungen
8
Vgl. Fn. 1.
Abhandlungen
Betriebliche Altersversorgung 8/2013
691