nannten „Kannibalen von Rothenburg“, Armin Meiwes. In der

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nannten „Kannibalen von Rothenburg“, Armin Meiwes. In der
tv diskurs 48
L I T E R AT U R
werte Beitrag von Christian
nannten „Kannibalen von
Stiegler an, der sich mit der
Rothenburg“, Armin Meiwes. In
Der vorliegende Band versam-
Bedeutung und ästhetischen
der Analyse der Filme kann der
melt 15 Beiträge, die sich dem
Stilistik der Atmung auseinan-
Autor zeigen, dass sie alle
Thema aus verschiedenen Perspektiven nähern. Die Heraus-
dersetzt. Diese auditive Ebene
„letztlich dasselbe Projekt“ ver-
wird in der Beschäftigung mit
folgen: „Sie führen vor [Augen],
geber betonen in ihrem Vor-
Filmen gern vernachlässigt.
was ungesehen und unverstan-
wort, dass es nicht nur um
Lediglich die Erkenntnis, dass
den ist. Durch die Einbettung
Horror als Genre-Merkmal gehe,
Musik die Spannung steigern
sondern Horror auch „als struk-
und den Horror heraufbeschwö-
der Wahnsinnstat in eine Narration liefern sie eine erste Hilfe-
turelles, ästhetisches Grund-
ren kann, ist gemeinhin aner-
stellung zum Nachvollzug“
prinzip gedacht werden“ könne
kannt. Die Kamera mag noch so
(S. 164). Aus der filmischen Aus-
(S. 7). Denn gerade die ästheti-
nah an eine Person herangehen,
einandersetzung mit der Tat ist
sche Wahrnehmung, die mit
die größte Intimität zwischen
längst eine juristische gewor-
Horror verbunden ist, entspre-
einer Figur im Film und uns als
den, weil Meiwes in dem fiktio-
che dem „ästhetischen Empfin-
Publikum entsteht, wenn wir die
den unserer modernen Gesell-
Körpergeräusche hören können.
nalen Film Rothenburg seine
Persönlichkeitsrechte verletzt
schaft“ (ebd.). Die einzelnen
Der Atmung kommt dabei eine
sieht. Höltgen stellt in diesem
Beiträge zeigen unterschiedli-
besondere Funktion zu, ist sie
Zusammenhang fest, dass der
che Qualitäten. Hier ist auch
doch entscheidend, um das
kulturelle Verarbeitungsprozess
nicht der Platz, um auf jeden
Leben vom Tod zu unterschei-
der Tat dazu geführt hat, „dass
einzugehen, zumal einige sich
den. Tote atmen nicht mehr,
Fakten und Fiktionen längst
weniger mit dem Horror in Film
sind folglich auch nicht (mehr)
untrennbar miteinander verbun-
und Literatur befassen, sondern
zu hören. Im Film wird die
den sind“ (ebd.).
versuchen, philosophische, kul-
Atmung als performativer Akt
Die Beiträge machen aus den
turwissenschaftliche Positionen
dramaturgisch eingesetzt. „Die
verschiedenen Perspektiven
an Filme heranzutragen, hinter
Bedrohung der Atemfunktion
heraus vor allem eines deutlich,
denen das Eigentliche des
wiederum provoziert den
was in der Diskussion um Ge-
Mediums bzw. spezifischer
Behauptungswillen und löst
waltdarstellung in den Medien
Filme dann verschwindet.
Widerstandshandlungen aus“
gerne vergessen wird: Die
Drei Beiträge sind jedoch der
(S. 82). Sie wird damit zu einem
gewalthaltigen Bilder des Hor-
näheren Erwähnung wert.
ästhetischen und dramaturgi-
rors stellen Visualisierungen der
So zeigt Franz Rottensteiner in
schen Kunstgriff, der sich auf
Angstvorstellungen dar, die in
seinem Essay Horror in der
uns Zuschauer richtet: „Atmung
der Gesellschaft zirkulieren.
Science-Fiction, dass Bedrohung diesem Genre inhärent ist:
ist immer dann artifiziell präsent,
Zugleich bieten sie dadurch
wenn sie auch rezipiert werden
eine Möglichkeit, reflexiv mit
„Horror in der Science-Fiction
soll und einen wesentlichen
dem Horror, der Gewalt in sich
rührt in der Regel von inhaltli-
Bestandteil der Handlung aus-
birgt, umzugehen. Literarische
chen Gegebenheiten her, die als
macht“ (S. 83). Bei Filmen wie
und filmische Inszenierungen
Angst erregend empfunden
Blair Witch Project wird dies
von Horror sind immer auch
werden, wobei es sich vielfach
eine Möglichkeit, den realen
um rein physische Bedrohungen
nahezu obsessiv eingesetzt,
aber bereits bei Mainstream-
handelt, etwa Rieseninsekten
Filmen wie Das Schweigen der
erklären und ihn für das Publi-
[…], Fremdwesen aus dem Welt-
Lämmer spielt die Atmung der
kum verstehbar zu machen.
raum oder Naturkatastrophen,
Heldin eine wichtige Rolle, auch
die sich bis zum Untergang der
weil Atmung nicht nur körper-
ganzen Menschen ausweiten
liche Anstrengung anzeigen
können“ (S. 262). Doch Angst
und Bedrohung, die für die
kann, sondern eben auch innere
Zustände der Figur, z. B. An-
ästhetische Wahrnehmung von
spannung und Angst.
Horror bezeichnend sind, kön-
Besonders lesenswert ist auch
nen auch durch dramaturgische
der Beitrag von Stefan Höltgen
Merkmale ausgelöst werden.
zu den Verfilmungen der
Hier schließt der äußerst lesens-
Geschehnisse um den soge-
Horror und Ästhetik
Claudio Biedermann/Christian Stiegler
(Hrsg.):
Horror und Ästhetik. Eine interdisziplinäre
Spurensuche. Konstanz 2008: UVK.
269 Seiten, 29,00 Euro
80
Horror in der Gesellschaft zu
Prof. Dr. Lothar Mikos
2 | 2009 | 13. Jg.