Fundamentierung des 1.007 m hohen Kingdom Tower in Jeddah
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Fundamentierung des 1.007 m hohen Kingdom Tower in Jeddah
Fundamentierung des 1.007 m hohen Kingdom Tower in Jeddah Univ. Prof. Dr.-Ing. Rolf Katzenbach Technische Universität Darmstadt, Institut und Versuchsanstalt für Geotechnik Dipl.-Ing. Matthias Seip Ingenieursozietät Professor Dr.-Ing. Katzenbach GmbH Frankfurt am Main • Darmstadt • Weinheim • Kiew 1 Der Kingdom Tower in Jeddah Erstmals wird ein Bauwerk die Höhe von einem Kilometer übertreffen - der Kingdom Tower in Jeddah, Saudi-Arabien - soll nach der derzeitigen Planung 1.007 m hoch werden und überragt damit den bisherigen Rekordhalter, den Burj Dubai, um 179 m. Er wird insgesamt 167 nutzbare Stockwerke sowie die höchste je gebaute Besucherplattform in der Höhe von 502 m und eine, den Penthaus-Eigentümern vorbehaltene „Dachterrasse“ auf 630 m Höhe besitzen. Der Entwurf für dieses außergewöhnliche Bauwerk stammt vom Architekturbüro Adrian Smith + Gordon Gill (ASGG). Der Bauherr des Kingdom Tower ist die Jeddah Economic Company (JEC). Der Kingdom Tower - mit einer Bruttogeschossfläche von rd. 530.000 m² - beherbergt Büros, Wohnungen, ein Einkaufszentrum sowie ein Hotel. Der Wolkenkratzer liegt im Zentrum der Kingdom City (Bild 1), einem neuen Stadtentwicklungsprojekt im Norden Jeddahs, das auf einer Fläche von insgesamt 5 km² am Roten Meer entsteht. Die Grundfläche des Kingdom Tower inkl. des Sockelgebäudes beträgt 85.000 m², wovon 3.720 m² auf die tetrapodenförmige Grundfläche der Fundamentplatte (Bild 2) für den Kingdom Tower selbst entfallen. Die Lasten werden über den zentralen Kern und die sich nach oben verjüngenden Wandscheiben über eine 4,5 m bis 5 m dicke Fundamentplatte und 270 längengestaffelte Gründungspfähle abgetragen. -2- Bild 1 Lageplan Kingdom City (© JEC) Bild 2 Grundriss der Fundamentplatte mit Kern-, Flur-, Flügelund Abschlusswänden inkl. der Lage der Pfähle -3- Typische Wandlasten reichen von 50 MN für die kleinen Flügelwände bis zu 400 MN bei den Abschlusswänden an jedem der drei Schenkel am Ende der Flurwände. Die Gesamtlast des Kingdom Tower beträgt inkl. Fundamentplatte 8.800 MN. Daraus resultiert eine theoretische Sohlspannung von 2.365 kN/m². Die 270 Gründungspfähle mit Durchmessern von 1,5 m bzw. 1,8 m sowie Längen von 45 m, 65 m, 85 m und 105 m sind gleichmäßig unter der Fundamentplatte verteilt und besitzen Pfahlabstände von 3,75 m bis 4,7 m (Bild 2). Die rechnerisch ermittelten Pfahllasten am Pfahlkopf liegen zwischen 18 MN und 40 MN. Die maximalen Pfahllasten wurden bei den 65 m und 85 m langen Pfählen in einer Tiefe von 55-65 m mit 47-50 MN ermittelt. Grund hierfür ist der Lasteintrag aus den Bereichen mit 45 m langen Pfählen. Finales Pfahldesign Aufgehende Tragstruktur -45 mNN -65 mNN -85 mNN Flurwände Kernwände Flügelwände Abschlusswände -105 mNN Fundamentplatte Kingdom Tower Untergeschoss Sockelbau Bild 3 Gebäudestruktur Kingdom Tower (© ASGG) -4- 2 Baugrund- und Grundwasserverhältnisse Im Gegensatz zu anderen Projektstandorten großer Bauvorhaben im Nahen Osten, wie z.B. in den Vereinigten Arabischen Emiraten in Dubai (Epps 1980, Sharif & Ahmed 2010), sind die Baugrundverhältnisse in Jeddah wesentlich durch die oberflächennah anstehenden Korallenkalke geprägt, die bereichsweise durch Karstbildung kavernöse Hohlräume aufweisen (Stipho 1984, Rahim & Dhowian 1988, Abu Hajar & Hossain 1991). Daher wurden die Baugrund- und Grundwasserverhältnisse durch eine Vielzahl von Bohrungen, Labor und Feldversuchen erkundet und beschrieben. Der Baugrund wurde bis in eine Tiefe von 200 m unter der Geländeoberfläche erkundet. Hierzu wurden zunächst orientierende und nachfolgend verdichtete Erkundungen ausgeführt, bei dem auch geophysikalische Erkundungsmethoden u.a. zur Ortung von Hohlräumen in den kavernösen Korallenkalken (Geoelektrische Tomographie, ERT) und zur Bestimmung der dynamischen Baugrundeigenschaften und der Baugrundsteifigkeit (PS Suspension Logging) angewendet wurden. Die Lage der tiefen Erkundungsbohrungen ist in Bild 4 und der idealisierte Baugrundaufbau ist in Bild 5 dargestellt. Fundamentplatte Kingdom Tower Bild 4 Lageplan der Baugrunderkundungsbohrungen im TowerBereich -5- Die Geländeoberfläche liegt bei 3,5-4,5 mNN. Unter einer 2 m dicken Deckschicht aus Wüstensand folgen Korallenkalke bis in eine Tiefe von -50 mNN. An der Basis der Korallenkalke sind Schluffsteinbänke mit einer mittleren Dicke von 2,5 m eingelagert. Darunter folgen zwischen -47 mNN bis -52 mNN die oberen Kiesschichten und Konglomerate, die den Übergang zu dem darunter anstehenden, verwitterten bis zersetzten Sandstein bilden, der wiederum bis in eine Tiefe von -90 mNN bis -105 mNN reicht und eine mittlere Dicke von 40 m besitzt. Unterlagert wird dieser Sandstein von den unteren, im Mittel 5,5 m dicken Kiesen. Ab einer Tiefe von 110 m unter der Geländeoberfläche steht wiederum Sandstein an, dessen Verwitterungsgrad mit zunehmender Tiefe abnimmt. Der Grundwasserspiegel wurde bei den Bohrarbeiten zwischen 0 mNN und -1 mNN in 3-4 m Tiefe unter der Geländeoberfläche angetroffen. Die Baugrubensohle und somit die Unterkante der Fundamentplatte liegt bei 1 mNN und somit ein Meter hoch über dem Grundwasserspiegel. Bild 5 Baugrundschnitt C – C´ -6- 3 Probebelastungen Zwischen 2010 und 2012 wurden insgesamt 6 axiale Probelastungen (Bild 6) nach dem Osterbergverfahren als so genannte Multileveltests, drei horizontale Pfahlprobebelastungen sowie eine axiale Fundamentprobebelastung (Bild 6) durchgeführt, um das LastVerformungsverhalten des Baugrundes sowie die Pfahltragfähigkeitswerte zu ermitteln. Die axialen Probebelastungen wurden sowohl an Bohrpfählen als auch an Schlitzwandelementen durchgeführt. Die Bohrpfähle besitzen einen Durchmesser von 1,5 m; die Schlitzwandelemente wiesen Abmessungen von 1,2 m x 2,8 m auf. Es wurden sowohl Pfähle als auch Schlitzwandelemente mit Längen von 45 m und 75 m getestet. Pressen Fundament Ext. Ext. Ext. Reaktionspfähle Pressenebene Traverse Bild 6 Pfahlprobebelastung (links) und Fundamentprobebelastung (rechts) Sämtliche Pfahlbohrungen wurden mit Flüssigkeitsstützung ausgeführt. Es kamen Wasser, Bentonit- und Polymersuspension zum Einsatz. Exemplarisch sind in Bild 7 die Ergebnisse der Probebelastung an einem 45 m langen Pfahl mit Bentonitstützung dargestellt. In der Phase 1 wurde eine maximale Belastung von 20,6 MN aufgebracht. Die Setzungen des Pfahlfußelements betrugen dabei 0,7 mm. Die Hebungen an der Oberkante der unteren Presse betrugen 0,2 mm. Da der Bruchzustand während der Versuchsdurchfüh- -7- rung nicht erreicht qb,k > 4.630 kN/m². wurde, liegt der charakteristische Spitzendruck bei In der Phase 2 wurde insgesamt eine Belastung von 24,4 MN über die obere Pressenebene aufgebracht. Die Setzungen des mittleren Pfahlsegmentes betrugen dabei 2,6 mm. Die Hebungen des oberen Pfahlsegmentes wurden mit 1,6 mm gemessen. Auch in der Phase 2 wurde der Bruchzustand nicht erreicht. Aus der Auswertung folgt, dass die charakteristische Mantelreibung qs,k > 660 kN/m² ist. Die gleichen Größenordnungen ergeben sich aus den übrigen Probebelastungen in den Korallenkalken. Bei den Probebelastungen, die bei einer Tiefe der Pfähle/Schlitzwandelemente von 75 m in dem verwitterten bis zersetzten Sandstein ausgeführt wurden, liegt die charakteristische Mantelreibung in etwa bei der Hälfte des o.g. Wertes. Bild 7 Probebelastung eines 45 m langen Probepfahls mit Bentonitstützung und 2 Pressenebenen im Korallenkalk, links Phase 1, rechts Phase 2 Neben der auf die Tragfähigkeit bezogenen Auswertung der Probebelastungsergebnisse wurden prüfseits die Last-Verformungskurven der Pfahlprobebelastungen mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode nachgerechnet. Dabei wird deutlich, dass die aus Pressiometerversuchen, einaxialen Druckversuchen und den PS-Suspension Loggings abgeleiteten Werte deutlich unter der aus den Probebelastung rückgerechneten Baugrundsteifigkeit liegen. Die mit der Rückrechnung ermittelte Steifigkeit des Korallenkalksteins ist mit E = 1.000 MN/m² doppelt so groß wie zunächst angenommen. Neben den axialen Pfahlprobebelastungen wurde auch eine Probebelastung an einem Einzelfundament (Bild 6) an der Oberfläche der Korallenkalke ausgeführt. Die Sohle -8- des 2,25 m2 großen Fundaments lag auf einem Niveau von +1 mNN und damit auf der Höhe der Gründungssohle der Fundamentplatte für das Hochhaus und der Einzelfundamente/Fundamentplatte des umgebenden Sockelbaus. In Bild 8 ist die LastSetzungskurve des Einzelfundaments abgebildet. Last in [MN] 0 2 4 6 8 10 12 14 16 0 10 20 30 40 50 Last-Setzungskurve Einzelfundament 60 70 Setzungen in [mm] Bild 8 Last-Setzungskurve der Probebelastung am Einzelfundament Aus der Last-Setzungskurve lässt sich mit der Gleichung sk 0 b fk (1) Em und P 6 .000 kN 2.667 kN m ² 2,25 m ² A (2) nach Umformung zu Em 0 b fk sk 2.667 kN m ² 1,5 m 0,65 520 MN m ² 0,005 m ein Verformungsmodul von Em = 520 MN/m² für die oberen 3 m der Korallenkalke ableiten. -9- 4 Entwicklung der Gründung Zu Beginn der Planungsphase wurde im Jahre 2010 zunächst die in Bild 9 links dargestellte Gründung konzipiert. Dabei wurden ein einheitlicher Pfahldurchmesser von 1,5 m und zwei Pfahllängen, und zwar 45 m für die äußeren Pfähle und 75 m für die inneren Pfähle, zu Grunde gelegt. Zusätzlich wurde auch eine Gründung mit einer einheitlichen Pfahllänge von 45 m untersucht. Neben den unterschiedlichen Ansätzen der Baugrundsteifigkeit wurden die Untersuchungen sowohl mit Berücksichtigung der aufgehenden Konstruktion als auch ohne durchgeführt. Design 2010: Pfahlanzahl: 270 Stck. Pfahllängen: 45m/75m Pfahldurchmesser: 1,5m Pfahlabstände: a < 3 · D Bild 9 Design 2012: Pfahlanzahl: 270 Stck. Pfahllängen: 45m/65m/85m/105m Pfahldurchmesser: 1,5m/1,8m Pfahlabstände: a < 3 · D Gründungsdesign 2010, links u. 2012, rechts (© ASGG) Insgesamt ergaben sich mit Werten von 13-19 cm Setzungen, die von den Planern für das Bauwerk unverträglich eingeschätzt worden sind. Ausgehend von diesen ersten Variantenabschätzungen wurde auf der Basis einer Vielzahl von vertiefenden Untersuchungen im Jahr 2012 der Ausschreibungsentwurf (Bild 9, rechts) entwickelt, der gegenüber den Entwürfen aus 2010 deutlich längere Pfähle in der Kernzone (105 m), eine Pfahllängenstaffelung in den zwei Pfahlreihen außerhalb des Kerns (85 m und 65 m) und Pfähle mit einem Durchmesser von 1,8 m im Randbereich unter den hochbelasteten Abschlusswänden vorsieht. Mit diesem Gründungsentwurf wurde eine Vergleichmäßigung der Setzungen und mit rechnerischen Werten um s = 10 cm auch eine deutliche Reduzierung der Absolutsetzungen erreicht. - 10 - 6 Zusammenfassung Der Kingdom Tower in Jeddah, das mit einer geplanten Höhe von 1.007 m auf absehbare Zeit höchste Hochhaus der Welt, ruht mit einer Last von 8.800 MN auf 270 bis zu 105 m langen Pfählen und einer 4,5 m bis 5 m dicken Fundamentplatte. Die Wandlasten des Kingdom Tower liegen zwischen 50 MN und bis zu 400 MN. Der Standort des Kingdom Tower weist einen vergleichsweise tragfähigen und bereits schon ab einer geringen Tiefe sehr steifen Baugrund auf. Baugrundsteifigkeiten von mehreren 100 MN/m² über nahezu die gesamte, vom Kingdom Tower beeinflusste Tiefe sowie charakteristische Pfahltragfähigkeiten von mehr als 100 MN sind günstige Randbedingungen für ein solches Projekt. Der Problematik der nicht eineindeutig zu identifizierenden Karstbildung in den Korallenkalken wird durch die robuste Pfahlgründung mit 270, bis zu 105 m langen Pfählen angemessen Rechnung getragen. Bei dem Großbauprojekt Kingdom Tower wurden im Rahmen der geotechnischen Prüfung folgende Teilbereiche im Sinne des Vier-Augen-Prinzips unabhängig geprüft: Planung und Ausführung der Baugrunderkundung sowie Auswertung und Bewertung der Erkundungsergebnisse Planung und Ausführung der in-situ Probebelastungen sowie Auswertung und Bewertung der Versuchsergebnisse Planung und Bemessung der Fundamentierung Aufgrund der Komplexität der Baumaßnahme wurde es unumgänglich, die Maßnahmen zur Baugrunderkundung und insbesondere die Ausführung der in-situ Probebelastungen vor Ort durch den unabhängigen geotechnischen Prüfsachverständigen zu begleiten (Bild 10). Bild 10 Überwachung der in-situ Probebelastungen auf dem Projektareal - 11 - Literatur Abu Hajar, I.M., Hossain, D. (1991) Ground condition in Jeddah and its influence on selection and design of foundation. Journal of King Abdulaziz University (JKAU): Earth Science, Vol. 4, 45-66 Epps, R.J. (1980) Geotechnical practice and ground conditions in coastal regions of the United Arab Emirates. Ground Engineering 13, Vol. 3, 19-25 Hanisch, J., Katzenbach, R., König, G. (2002) Kombinierte Pfahl-Plattengründung. Ernst & Sohn, Berlin Rahim, K.S.A., Dhowian, A.W. (1988) Foundations on stone columns resting on Coralline Limestone. Second International Conference on Case Histories in Geotechnical Engineering, 1.-5. Juni, St. Louis, Missouri, USA, 1117-1120 Saudi Building Code (SBC) (2007) SBC 301 Loads & Forces Requirements. SBCNC Saudi Building Code (SBC) (2007) SBC 303 Soil & Foundation Requirements. SBCNC Sharif, E.Y., Ahmed, M.J. (2010) Engineering Geology of Dubai. Arab Centre for Engineering Studies (ACES) Stipho, A.S. (1984) Soil conditions and foundation problems in the dessert regions of the Middle East. First International Conference on Case Histories in Geotechnical Engineering, Mai, St. Luis, Missouri, USA, 21-25