Sonderausgabe aus dem Paul Gerhardt Stift
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Sonderausgabe aus dem Paul Gerhardt Stift
(c) Paul Gerhardt Realschule Münster 2007 PAGINA Notizen Sonderausgabe aus dem Paul Gerhardt Stift DIAKONIE IN GEMEINSCHAFT SEITE 10 TRADITION UND TRANSFORMATION SEITE 19 AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT SEITE 26 SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 SPENDEN Wenn auch Sie, liebe Leserinnen und Leser, für das Paul Gerhardt Stift spenden möchten, können Sie dies jederzeit durch eine Überweisung auf folgendes Konto tun: KD Bank, BLZ 350 601 90, Konto 18180, IBAN: DE95 35 0601 900000 01 8180 BIC: GENODED1DKD. Sie erhalten selbstverständlich eine Spendenbescheinigung! Sie können die Arbeit des Paul Gerhardt Stifts auch durch ein Testament, ein Vermächtnis oder eine Schenkung unterstützen. Kommen Sie auf uns zu, gern sprechen wir mit Ihnen über Ihre Fragen! Telefon: 030 450 05 118 / -101 oder E-Mail: [email protected] GESCHÄFTSKONTO Evangelische Bank eG GENODEF1EK1 DE12 5206 0410 1 003 901 483 NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT Editorial EDITORIAL LIEBE LESERINNEN UND LESER DER NOTIZEN, LIEBE FREUNDINNEN UND FREUNDE DES PAUL GERHARDT STIFTS, diese Sonderausgabe zum 140. Jubiläum des Paul Gerhardt Stifts möchte Ihnen in Texten und Bildern die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der 1876 gegründeten Stiftung nahe bringen und Sie einladen, die unterschiedlichen Facetten unserer Arbeit kennenzulernen. Das Stift blickt zurück auf eine Zeitspanne über drei Jahrhunderte, von der Kaiserzeit am Ende des 19. Jahrhunderts, über Revolutionen, zwei Weltkriege und die Teilung Berlins bis in das 21. Jahrhundert mitten in Berlin, einem Zentrum des nun vereinten Europas. Verwurzelt im Kiez und am Puls der Zeit hat sich seine Arbeit im Laufe der Geschichte immer wieder gewandelt. Als Diakonissenmutterhaus gegründet hat das Paul Gerhardt Stift versucht, Antworten auf die großen sozialen Verwerfungen zu finden, die mit Beginn der Industrialisierung und Urbanisierung der Stadt Berlin zu Tage traten. Unterschiedliche Texte und Fotos bilden die historischen Dimensionen des Stifts in den vergangenen 140 Jahren ab und zeigen, welche Bedeutung Diakonie für die Stadtgesellschaft Berlins hatte und auch künftig haben wird. Eingeleitet wird dieser erste Teil der Notizen durch Geleitworte des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller, des Landesbischofs Dr. Markus Dröge, der Diakoniedirektorin Barbara Eschen sowie des Bürgermeisters von Berlin-Mitte, Dr. Christian Hanke. Ihnen allen ist sehr herzlich für die ermutigenden Worte sowie für ihre Unterstützung und Anerkennung unserer Arbeit zu danken. Die Entwicklung sozial-diakonischer Arbeit in den wachsenden Städten des ausgehenden 19. Jahrhunderts und die Aktualität der Mutterhausdiakonie heute skizziert Dr. Norbert Friedrich, der Vorsitzende der Fliedner-Kulturstiftung Kaiserswerth, in seinem Beitrag. Der Vorsitzende des Kuratoriums, Hans Nisblé, und der Vorstand, Pfarrer Martin von Essen und Andreas Arentzen, skizzieren in der Einleitung die bewegte Geschichte und die Zukunft des Stifts. Eine historische Rückblende am Beispiel der Paul Gerhardt-Diakonisse Anna von Waldow macht darüber hinaus deutlich, dass die Grundphilosophie des Stifts, „allen zu dienen“, auch in der Auslandsmission Früchte getragen hat. In einem Überblick über die seit dem letzten Jubiläum vergangene Dekade werden schließlich Grundlagen und Herausforderungen unserer Arbeit in den Fokus gerückt. Der zweite Teil der Notizen wendet sich schließlich den aktuellen Aktivitäten des Paul Gerhardt Stifts zu. Die Berichte und Entwicklungen der unterschiedlichen Arbeitsbereiche zeigen, wie lebendig das Stift 140 Jahre nach seiner Gründung ist. Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eine anregende Lektüre und hoffen, dass Sie unserem Haus auf seinem neuen Weg eng verbunden bleiben werden. Ute Köpp-Wilhelmus Stefan Kurzke-Maasmeier Geschäftsführerin stellv. Geschäftsführer, Redaktion SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 1 INHALT TEIL 1 140 Jahre PA U L G E R HA R DT ST I F T Z U B E RLI N Geleitworte ............................................................................................................................................................................................................ 4 Einleitung ................................................................................................................................................................................................................. 8 Diakonie in Gemeinschaft – Zur Geschichte und Aktualität der Mutterhausdiakonie ................................................................................................................................................................. 10 Den Frauen eine Stimme geben ........................................................................................................................................... 14 Tradition und Transformation ................................................................................................................................................. 19 TEIL 2 AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT REFUGIUM .......................................................................................................................................................................................................... 26 STADTTEILZENTRUM ........................................................................................................................................................................... 34 KINDERTAGESSTÄTTE ....................................................................................................................................................................... 42 SERVICEWOHNEN FÜR SENIOREN ................................................................................................................................. 46 GEISTLICHES ZENTRUM ................................................................................................................................................................ 48 NOTIZ NEHMEN ........................................................................................................................................................................................... 51 PAGINA 140Jahre PA U L G E R H A R D T ST I F T Z U B E R LI N EIN HAUS FÜR ALLE GENERATIONEN UND KULTUREN ei nzl ka ats n Se © Im Namen Berlins gratuliere ich dem Paul Gerhardt Stift sehr herzlich zu seinem 140-jährigen Bestehen. Das Stift blickt auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurück. Und doch ist es seinem Gründungsgedanken und diakonischen Auftrag in all den Jahren immer treu geblieben, der lautet: Die „Arbeit, die von dort ausgeht, begehrt, allen zu dienen, soweit Kraft und Vermögen reicht, und will Keinen ausschließen, er sei wer er sei und heiße, wie er wolle“, wie es in dem Gründungsaufruf aus dem Jahr 1875 heißt. Seit seinem Bestehen hat sich das Paul Gerhardt Stift stets in unterschiedlichen Arbeitszweigen und Arbeitsformen für das Gemeinwohl in unserer Stadt und insbesondere im Stadtteil Wedding engagiert. Die historischen Umbrüche sind auch am Paul Gerhardt Stift nicht spurlos vorübergegangen, ebenso wenig wie der Wandel der Lebensverhältnisse und Wertvorstellungen. Und so war das Stift immer wieder vor die Aufgabe gestellt, sich neu zu erfinden, um seinen diakonischen Auftrag zu verwirklichen. Eine Herausforderung, die das Stift trotz aller Widrigkeiten erfolgreich bewältigt hat, wie seine lange Geschichte zeigt. Das neueste, erfolgreiche Vorzeigeprojekt des Paul Gerhardt Stifts ist der Aufbau des „ZukunftsHaus Wedding“. Hier 4 entsteht ein Haus in dem alle Generationen und Kulturen unter einem Dach zusammenkommen können. Auch nach über 140 Jahren bleibt das Paul Gerhardt Stift ein Ort der Zuwendung und der Begegnung. Ein Ort der Gespräche und des Lachens sowie der Stille und des Gebetes. Ein Ort der Mitmenschlichkeit im Herzen Berlins. Ich danke allen Diakonissen und allen hauptamtlichen wie ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern des Paul Gerhardt Stifts für ihr Engagement zugunsten der Menschen in unserer Stadt. Ich wünsche dem Stift eine erfolgreiche Zukunft, denn es sind Einrichtungen wie diese, von denen Berlin lebt und die Berlin braucht. Mit herzlichen Grüßen Michael Müller Regierender Bürgermeister NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT GELEITWORTE PAGINA DEN MENSCHEN HOFFNUNG GEBEN Im Namen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz überbringe ich Ihnen die herzlichsten Glück- und Segenswünsche zum 140-jährigen Jubiläum des Paul Gerhardt Stifts. Im Jahre 1876 haben sich Diakonissen in den Dienst rufen lassen, um Menschen, die in Not und Elend geraten sind, auf ihren schwierigen Wegen beizustehen und ihnen zu helfen. Sie wussten sich dabei getragen von ihrem Glauben an Gott, der uns auf allen Lebenswegen begleitet. Ihm können wir vertrauen. Paul Gerhardt hat dieses Gottvertrauen in seinem Lied „Befiehl du deine Wege“ einfühlsam zur Sprache gebracht. Die Worte, die den 37. Psalm anklingen lassen, haben schon unzähligen Menschen Kraft und Mut geschenkt, wenn es dort zum Beispiel heißt: „Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.“ In dieser Weise haben die Diakonissen und die Mitarbeitenden in den vergangenen 140 Jahren ihren diakonischen Auftrag in beeindruckender Weise wahrgenommen und Menschen Hoffnung gegeben, Schritte zu wagen und ihren Weg im Leben zu finden. Tätige Hilfe und gelebte Spiritualität gehören im Paul Gerhardt Stift bis heute zusammen. Das macht diesen Ort zu einem wunderbaren Vorbild für die Zusammengehörigkeit von Diakonie und Kirche. Davon lässt sich viel lernen. Aber auch davon, dass das Stift selbst sich immer wieder dem Wandel und © E B van sch erlin gelis les -Bra che isc he nden Kirch Ob bu e erl rgau sit z den Herausforderungen der Zeiten gestellt hat, ohne den Glaubensgrund zu verlieren. „Befiehl du deine Wege“ heißt eben auch, sich selbst Gottes Wegen anzuvertrauen, die nicht immer geradlinig verlaufen. So verbindet sich der Blick zurück in die beeindruckende Geschichte des Paul Gerhardt Stifts mit der Hoffnung nach vorne, auf das „ZukunftsHaus Wedding“. Mögen Menschen auch hier ihre Wege Gott anvertrauen und tätige Hilfe erfahren. Ich danke allen, die sich im und für das Paul Gerhardt Stift engagieren und so Gott die Ehre geben. „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird´s wohlmachen“ (Psalm 37,5). Mit herzlichen Grüßen und Segenswünschen bin ich Ihr Dr. Dr. h. c. Markus Dröge Bischof der Evangelischen Kirche BerlinBrandenburg-schlesische Oberlausitz SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 5 GELEITWORTE NETZWERK FÜR EIN LEBENSWERTES QUARTIER in erl nB Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Mitte vo mt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Paul ezirksa B Gerhardt Stiftes, ich überbringe Ihnen die © herzlichsten Glückwünsche zum 140-jährigen Bestehen des Paul Gerhardt Stiftes. Das Paul Gerhardt Stift ist Teil des Weddings. Es ist ein lebendiges Zentrum, das unter seinem Dach Angebote für alte und junge Menschen, für Familien, für Zugewanderte und Nachbarn vereint. In der langen Zeit seines Bestehens hat das Paul Gerhardt Stift viel erlebt, immer war es das soziale und karitative Zentrum mit Strahlkraft über den Bezirk hinaus. Seit Generationen vertrauen die Bürgerinnen und Bürger des Bezirks der Kompetenz und dem sozialen Engagement des Paul-Gerhardt-Stiftes. Deshalb ist es auch – wie keine zweite Einrichtung – geeignet, in Kooperation mit anderen Sozialund Bildungseinrichtungen ein bürgernahes kompetentes Angebot für Familien im Bezirk anzubieten. Durch permanente Modernisierungen stellten die Betreiber sicher, dass die Müllerstraße 56 – 58 die richtige Adresse für das soziale und kommunale Leben unseres Bezirks blieb. Sein christlich geprägtes humanistisches Weltbild ist für die Arbeit mit den Menschen Verpflichtung und Ansporn zugleich. Die intergenerationalen und interkulturellen Angebote fördern den wichtigen sozialen Zusammenhalt im Stadtteil. Auch der gelebte interreligiöse Dialog beseitigt Barrieren und eröffnet Wege zum gegenseitigen Verständnis. Die Möglichkeit zur Teilhabe aller – egal welcher sozialen oder religiösen Herkunft – und der Zugang zu Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen schafft stabile Nachbarschaften und bildet so die Grundlage für die lebendige demokratische Bürgergesellschaft. Wie aktuell dieser Ansatz ist, zeigt das vom Paul Gerhardt Stift initiierte Projekt „ZukunftsHaus Wedding“, mit dem verschiedenste Angebote für den Stadtteil gebündelt werden, damit ein Netzwerk geschaffen wird, das sich der partnerschaftlichen Entwicklung lebenswerter Quartiere widmet. 6 Dieses Engagement wurde 2014 mit dem Preis „Soziale Stadt“ gewürdigt. Vor dem Hintergrund des steigenden Bedarfs im Quartier unterstützt das Bezirksamt Mitte in einer engen Kooperation den Aufbau guter Rahmenbedingungen für den Ausbau der Beratungsangebote. Besonders die Angebote für Alleinerziehende und ihre Kinder und die Förderung und Gestaltung einer lebenswerten Nachbarschaft für ältere Menschen sind Schwerpunkte der Zusammenarbeit. Hier bietet das Familienzentrum Unterstützung für alle Familien im Bezirk. Besonders die wohnortnahe Betreuung ist erfolgsversprechend, weil die Bindung an das Wohnumfeld Sicherheit und Stabilität verheißt. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass das Paul Gerhardt Stift ein Zentrum für die Förderung von ehrenamtlichem Engagement ist. Ob in der Arbeit für Geflüchtete, in der Seelsorge oder für Kinder und Jugendliche, immer schafft es das Paul Gerhardt Stift Menschen zum Engagement für die Mitbürgerinnen und Mitbürger zu bewegen. Es gibt viele Gründe, dem Paul Gerhardt Stift zu danken. Der wichtigste und größte Dank geht an alle, die sich in den letzten 140 Jahren erfolgreich für sein Bestehen eingesetzt haben und seine Existenz auch in schweren Zeiten gewährleistet haben. Ich bin sicher, dass der gute Geist des Paul Gerhardt Stifts auch für die nächsten Generationen weiterleben wird. Mit herzlichen Grüßen Dr. Christian Hanke Bezirksbürgermeister Berlin-Mitte NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT GELEITWORTE VIELFALT IN DER NACHBARSCHAFT © „Diakonie. Für Vielfalt in der Nachbarschaft.“ So lautet das Motto des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz 2016. Gutes Zusammenleben im Kiez ist ein entscheidender Faktor für Lebensqualität. Wenn ich mich in meinem Umfeld heimisch fühle, trägt das erheblich zu meinem Wohlbefinden bei. Das gilt für alle Generationen, für Einheimische und Neuzugezogene, für Männer und Frauen, für Alleinlebende und Familien in allen Konstellationen. Kieze verändern sich rasant in der wachsenden Stadt Berlin. Das stellt für Alteingesessene wie für Neubürger_innen, ob sie aus anderen Stadtteilen, aus anderen Regionen Deutschlands oder aus aller Welt kommen, eine Herausforderung dar. Miteinander leben statt nebeneinander oder gar gegeneinander, ergibt sich nicht von selbst. Es braucht Anregungen und Orte der Begegnung. Kirchengemeinden und Einrichtungen der Diakonie können solche verbindenden und überbrückenden Orte sein. Die neutestamentlichen Geschichten zeigen vielfach, wie Jesus Abgrenzungen zwischen gesellschaftlichen Gruppen aufbricht und mit seinem heilenden Handeln gesellschaftliche Ausgrenzungen öffnet. In Jesu Geist zu leben bedeutet zwar nicht, Gegensätze und gesellschaftliche Konflikte vermeiden zu können, aber die Aufgabe am guten Zusammenleben in der Gesellschaft mitzuwirken ist gestellt und durch den christlichen Glauben ermutigt. Diese Chance aber auch Aufgabe spiegelt unser Motto wider: Für Vielfalt in der Nachbarschaft. Das Paul-Gerhardt-Stift stellt ein wunderbares Beispiel für diesen Arbeitsansatz dar. Es hat sich schon seit einigen Jahren in den Wedding geöffnet, Generationen-übergreifend und Kultur-verbindend. Die Arbeitsfelder des Stifts, das Refugium für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge, die Kindertagesstätte und die Familienbildung sowie das Seniorenzentrum, arbeiten für sich nicht zwangsläufig quartiersbezogen. Das hängt an dem Konzept und der Haltung der Mitarbeitenden. Und hieran haben die Verantwortlichen in den letzten Jahren intensiv gefeilt. Sie haben sich auf ihren Gründungsaufruf „allen zu dienen“ und „keinen auszuschließen, er sei, Dia k Nil onis s B ch orn es W em an erk / n wer er sei und heiße, wie er wolle“ (1876) besonnen und ihre Türen und Angebote geöffnet, um in diesem Sinne ein Stadtteilzentrum zu werden. So ideal Lage und Räume des Stifts dafür sind, so schwer ist es, eine auskömmliche Finanzierung für diese kreativen offenen Angebote für alle Generationen und Kulturen zu gewinnen. Das Paul Gerhardt Stift hat diese Entwicklung gemeinsam mit vielen Partnern in Kirche, Diakonie und Kommune möglich gemacht. In besonderer Weise konnte die Stiftung von der Kooperation mit dem Evangelischen Johannesstift profitieren und wird dies in Zukunft intensivieren. Konsequent wird die Öffnung verfolgt, zahlreiche Ehrenamtliche mit unterschiedlichsten Biografien wirken an dem Projekt mit. Eine beeindruckende Entwicklung! Aus dem Kaiserswerther Mutterhaus, das lange Zeit ein Refugium für hunderte Diakonissen war, die in ganz Berlin und im Umland gearbeitet haben, ist ein Zukunftshaus für viele Menschen der Nachbarschaft geworden. Das Mutterhaus bildete für die engagierten Diakonissen das geistliche Zentrum. Auch diese Tradition wird fortgesetzt, indem die jetzt noch aktiven Diakonissen mit einer neuen geistlichen Gemeinschaft dafür sorgen, dass im Paul-Gerhardt-Stift in Kooperation mit der örtlichen Kirchengemeinde weiterhin geistliche Stärkung und Ermutigung erfahrbar und interreligiöser Dialog gepflegt wird. Im ZukunftsHaus Wedding kann man viel lernen – nicht nur als Nachbar und Nachbarin. Es ist ein beispielgebender Ort für die Diakonie. Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum und Gottes Segen für die Zukunft wünscht Barbara Eschen Direktorin des Diakonischen Werkes BerlinBrandenburg-schlesische Oberlausitz e. V. SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 7 in erl EINLEITUNG B WO ©A EINLEITUNG G enau 140 Jahre nach der Gründung der Paul Gerhardt Stiftung am 7. Juni 1876 in der Kreuzberger Jacobikirchstraße und 128 Jahre nach dem Einzug der ersten Schwestern in dieses Haus an der Müllerstraße, blicken wir dankbar auf eine außergewöhnliche und wechselvolle Geschichte diakonischer Arbeit in Berlin zurück. Gleichzeitig richten wir heute den Blick nach vorn, denn die Stiftung will und wird auch in Zukunft in diesem Stadtteil und darüber hinaus wirken. Gemeinsam mit dem Evangelischen Johannesstift werden wir die sozial-diakonischen Arbeitsfelder an diesem und hoffentlich an weiteren Standorten qualitativ und quantitativ ausbauen. Der nachhaltige Erfolg der hier entwickelten sozialräumlichen Initiative „ZukunftsHaus Wedding“ hat gezeigt, dass das Paul Gerhardt Stift als Partner im Stadtteil gebraucht wird und einen wichtigen Beitrag zur sozialen und kulturellen Förderung der Bezirksregion leisten kann. GESCHICHTE UND WIRKEN DER DIAKONISSEN Das Paul Gerhardt Stift wäre ohne die unermüdliche, harte Arbeit und ohne das Gebet und die Gemeinschaft der Diakonissen nicht das, was es in der Vergangenheit war und was es bis heute darstellt. „Am Anfang stand eine Idee mit Wirkkraft“, so lautet der erste Satz der Schwesternregel über das Amt der Diakonisse im 1836 von Theodor und Friederike Fliedner begründeten ersten Diakonissenmutterhaus in Kaiserswerth. Das Archiv des Paul Gerhardt Stifts gibt ein beredtes Zeugnis von der Gestaltungskraft und den vielfältigen Gaben der Frauen, die hier in einer Lebens-, Glaubensund Dienstgemeinschaft lebten und einen für den Wedding bedeutsamen Ort der Krankenpflege, Bildung und Erziehung schufen. Darüber hinaus taten sie in über 70 Kirchengemeinden Dienst, in Kindergärten, in der häuslichen Kranken- und Altenpflege, in den Kirchengemeinden und auch an durchaus überraschenden Orten. Die hohe Qualifikation der Krankenpflegeausbildung im Stift führte beispielsweise zu einer Einladung zur Pflege der kranken Kinder des Kaisers und später zur Pflege der Kaiserin Auguste Viktoria selbst. Ein anderer ungewöhnlicher Auftrag erteilte zu Beginn des letzten Jahrhunderts die Schultheiss-Brauerei, die zwei Paul Gerhardt Schwestern für die betriebliche Gesundheitsversorgung und Sozialarbeit einstellten. Einige Zahlen mögen belegen, welche Bedeutung die diakonische Arbeit des Paul Gerhardt Stifts vor allem in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts hatte. Nach der Krankenhausgründung 1889 wurden in den Jahren zwischen 1904 und 1923 – also in weniger als zwei Jahrzehnten – eine Poliklinik für Kinder, ein sogenanntes „Krüppelheim“, ein staatlich anerkanntes Kindergärtnerinnenseminar, eine kirchlich-soziale 8 Frauenschule, ein Säuglingsheim, eine Krankenpflegeschule sowie eine Haushaltungsschule eröffnet. Im Jahr 1913 haben 225 Schwestern über 13.000 Kranke betreut und etwa 2.500 Kinder fanden 1914 Platz in vier Kinderkrippen, 36 Kindergärten und acht Horten. Zwei Jahre später standen im Großen Saal 30 Betten, die als Kriegslazarett dienten, 925 Zivilisten und 562 wurden in diesem zweiten Kriegsjahr hier versorgt. In der Zeit der zweiten Blüte zwischen 1924 und 1933 vergrößerte sich das Stift, insgesamt 475 Diakonissen gehörten zum Haus, das Krankenhaus errichtete eine Entbindungsstation, über 2.000 Kranke wurden in dieser Zeit hier versorgt und jährlich bis zu 60 Schülerinnen in den unterschiedlichen Sozialberufen ausgebildet. Ab Mitte der 1930er Jahre ging die Hochphase des Aufund Ausbaus schließlich dem Ende zu, die Zahl der Diakonissen sank bis 1945 auf nur noch 300 Schwestern. Die Zeit des Nationalsozialismus war, das soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, in weiten Teilen eine Phase, in der mindestens die Leitung des Hauses eine klare Loyalität zum Unrechtsregime erkennen ließ. Der Aufruf von Bischof Ludwig Müller im Dezember 1933, in dem er das evangelische Diakonissenwerk aufforderte, mit ganzer Kraft und Hingabe am Aufbau des Dritten Reiches mitzuwirken, fand auch hier im Hause Anklang, wie aus einigen Mitteilungen insbesondere des damaligen Direktors Pfarrer Wagner hervorgeht. In einem Artikel der „Grünen Zweige“ – dem Vorläufer unserer Notizen – aus dem Dezember 1939 heißt es sogar: „Hier steht eine Gebetsgemeinde um den Führer und das geliebte deutsche Vaterland in seinem Kampf“1 Diese Haltung war wohl in weiten Teilen der Evangelischen Kirche und der Inneren Mission nicht vollkommen außergewöhnlich. Gleichwohl ist es schmerzhaft zu wissen, dass dieser Schatten auch auf dem Paul Gerhardt Stift liegt. Doch auch diese dunkle Phase ist und bleibt Teil unserer 1 Grüne Zweige, Archiv des Paul Gerhardt Stifts 1939 NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT EINLEITUNG Geschichte. Umso wichtiger ist es, an dieser Stelle an all jene Frauen und Männer innerhalb der Evangelischen Kirche zu erinnern, die zum Teil unter Einsatz ihres Lebens widerstanden haben. Zu erinnern ist vor allen an die Mitglieder der Bekennenden Kirche und des Pfarrernotbunds, etwa an Dietrich Bonhoeffer, James Graf von Moltke, Martin Niemöller, Friedrich Justus, Helmut Gollwitzer, Otto Dibelius oder Walter Eucken und viele andere. Nach dem Ende des nationalsozialistischen Terrorregimes dauerte es bekanntlich lange, bis sich die Kirche und die Innere Mission ihrer Verantwortung gestellt haben. Das Stuttgarter Schuldbekenntnis des Rats der Evangelischen Kirche im Oktober 1945 war ein erster Beginn der Aufarbeitung, die Verdrängung und Verleugnung der Schuld dauerte jedoch zum Teil bis in die späten 1970er Jahre. Das Paul Gerhardt Stift knüpfte nach dem zweiten Weltkrieg an die sozial-diakonische Arbeit der ersten Jahrhunderthälfte an, freilich in einem kleineren Rahmen und konzentriert auf diesen Standort. Das Krankenhaus wurde aus- und umgebaut, die Berufsschulen wiedereröffnet und im neuen Kinderheim wurden Kriegs- und Halbweisen versorgt. Die Zahl der Schwestern sank bis 1976 auf 126 Frauen, Ende der 1980er wurde das Krankenhaus geschlossen und mit der Eröffnung des Übergangsheimes für Aussiedler und Flüchtlinge ein neues Kapitel in der Arbeit des Stifts begründet. Die Zeit, in der die Diakonissen das Wirken hier im Haus prägten, ist nun vorbei, umso herzlicher ist den verbliebenen vier Mitschwestern unter der Leitung von Sr. Siegrid Fellechner im Namen des gesamten Paul Gerhardt Stifts für alles zu danken, was sie dem Haus Gutes getan haben und noch tun. ZUKUNFTSHAUS WEDDING UND NEUE WEGE Die vergangenen fünf Jahre haben ein beredtes Zeugnis davon abgelegt, was Diakonie in einem Stadtteil wie dem Wedding leisten kann. Die hier durch das Team um Ute Köpp-Wilhelmus entwickelte Strategie „ZukunftsHaus Wedding“ hat Rahmenbedingungen für die Entfaltung sozialen Engagements geschaffen und Angebote für verschiedene Gruppen im Stadtteil neu aufgebaut und miteinander verbunden. Es ist im besten Sinne des Wortes ein Mehrgenerationenhaus geworden, in dem sich Menschen unterschiedlicher Kulturen, Religionen und Altersgruppen begegnen. Das Paul Gerhardt Stift leistet auf diese Weise einen sichtbaren Beitrag zur sozialen und kulturellen Förderung der Bezirksregion. Das 140. Jahr seit der Gründung wird für das Stift eine inhaltliche und strukturelle Weiterentwicklung bedeuten und die operative Arbeit auf neue organisatorische Beine stellen. Kuratorium und Vorstand haben im Jahr 2015 die Weichen für einen Umbau der Stiftung zu einer Förderstiftung gestellt und damit einen bereits seit 2006 bestehenden Plan vorangetrieben. Es ist geplant, die bisherigen operativen Geschäftsanteile der Stiftung in eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu überführen, die das Paul Gerhardt Stift gemeinsam mit dem Evangelischen Johannesstift im Dezember 2015 unter dem Namen „Paul Gerhardt Stift Soziales gGmbH“ gegründet hat. Hauptgesellschafter der neuen gGmbH mit 51 Prozent der Gesellschaftsanteile ist das Evangelische Johannesstift, das Paul Gerhardt Stift ist mit 49 Prozent an der neuen Organisation beteiligt. Die Stiftung Paul Gerhardt Stift wird entsprechend des Stifterwillens weitergeführt, allerdings soll sie vorbehaltlich der Zustimmung der Stiftungsaufsicht und des Finanzamts nicht mehr operativ tätig sein. Folglich werden die sozial-diakonischen Arbeitsbereiche, die vormals durch das Paul Gerhardt Stift erbracht wurden, künftig durch eine neue Tochtergesellschaft des Evangelischen Johannesstifts erfüllt. Ein Schwerpunkt der inhaltlichen Arbeit wird auch künftig in der Versorgung von Flüchtlingen sowie in der Stadtteil- und Bildungsarbeit liegen. In diesem Jahr sollen die formalen und inhaltlichen Strukturen festgelegt werden, damit die neue Konstruktion in den Organisationsformen der Förderstiftung und der Paul Gerhardt Stift Soziales gGmbH ab Januar 2017 auf den neuen Wegen in Richtung Zukunft gehen kann. Es soll abschließend all jenen von Herzen gedankt werden, die in den vergangenen Jahren daran mitgewirkt haben, dass dieses Haus eine Zukunft haben wird. Neben der Geschäftsführerin Ute Köpp-Wilhelmus und ihrem engagierten pädagogischen Team sind dies die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Verwaltung und Haustechnik sowie den über 60 Ehrenamtlichen, ohne die diese Arbeit nicht möglich wäre. Auch die ideelle und finanzielle Förderung war und ist ein wesentlicher Baustein unserer Arbeit, deshalb danken wir stellvertretend dem Bezirksamt Mitte von Berlin, insbesondere dem Bürgermeister Herrn Dr. Christian Hanke und seinem Team, dem Bundesfamilienministerium, dem Bundesbauministerium, der Evangelischen Kirche (EKBO) und dem Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz (DWBO), dem Kirchenkreis Nord-Ost, der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, der Deutschen Stiftung Klassenlotterie Berlin, der Aktion Mensch, dem Allianz Kinderhilfsfonds, der Frau Martha-Wiedemann-Stiftung, der IKEA Stiftung sowie der Stiftung Bürger helfen e. V. und vielen anderen Einzelspenderinnen und -spendern für ihre großartige Unterstützung bis hierher. „Suchet der Stadt Bestes! “, so heißt es bekanntlich im Buch Jeremia – das Paul Gerhardt Stift wird sich auch in Zukunft mit der Unterstützung Vieler und mit Gottes Segen auf diese Suche begeben. Hans Nisblé Pfarrer Martin von Essen Andreas Arentzen Vorsitzender des Kuratoriums Direktor Vorstand Kaufmännischer SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 9 DIAKONIE IN GEMEINSCHAFT DIAKONIE IN GEMEINSCHAFT – ZUR GESCHICHTE UND AKTUALITÄT DER MUTTERHAUSDIAKONIE Norbert Friedrich V erschiedene Meilensteine prägen die Geschichte der Mutterhausdiakonie seit der Gründung vor 180 Jahren. Was damals als ein kleines Experiment in einer kleinen evangelischen Gemeinde in einem katholischen Raum am Rhein begann, hatte große Auswirkungen auf Kirche und Diakonie. Die entstehenden evangelischen Gemeinschaften und Einrichtungen konnten ihre Wirksamkeit dabei auf zwei unterschiedlichen Ebenen entfalten. Als Gemeinschaften von evangelischen Frauen, die sich in Kirche und Innerer Mission engagierten, veränderten sie unseren Blick auf die soziale Kraft des Christentums. Und als gut ausgebildete Pflegerinnen und Erzieherinnen sorgten sie in Verbindung mit den entstehenden modernen sozialen und medizinischen Einrichtungen mit für die Entwicklung des Sozialstaates. Diese Entwicklung kann nur vor dem Hintergrund der Geschichte des 19. Jahrhunderts erklärt und beschrieben werden. Im Zuge der Industrialisierung und der Urbanisierung kam es zu dramatischen Veränderungsprozessen – die Geschichte der Stadt Berlin steht dafür paradigmatisch. Als eine soziale und kirchliche Bewegung hat die Innere Mission, wie die heutige Diakonie damals allgemein genannt wurde, sich darum bemüht, unterschiedliche adäquate Antworten auf diese Prozesse zu geben. Die Herausforderung der sozialen Notlagen vieler Menschen führte allgemein zur Gründung von Einrichtungen für die soziale Hilfe für arme, kranke oder alte Menschen. Dabei stand eine Frage im Mittelpunkt, auf die man vielleicht nicht sofort kommt. Wo findet man 10 geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Wie sollen diese fachlich ausgebildet und befähigt werden? Wie stellt man zusätzlich sicher, dass sie eine enge Bindung an den evangelischen Glauben und an die Kirche haben? Eine prägende Antwort versuchte Theodor Fliedner. THEODOR FLIEDNER 1836 hat Theodor Fliedner (1800 – 1864) gemeinsam mit seiner ersten Ehefrau Friederike (1800 – 1842) in Kaiserswerth das erste Diakonissenmutterhaus gegründet und damit ein Modell einer christlichen Krankenpflege sowie einer religiösen Gemeinschaft geschaffen, welches für Kirche und Diakonie im 19. und 20. Jahrhundert von großer Bedeutung war. Nach dem frühen Tod seiner ersten Frau setzte er sein Aufbauwerk mit seiner zweiten Frau Caroline (1811 – 1892) NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT fort. Fliedner verfolgte ein ähnliches Programm der Rechristianisierung der Gesellschaft wie der Gründer der Inneren Mission, der Hamburger Johann Hinrich Wichern (1808 – 1881). Durch seine Konzentration auf die Berufstätigkeit der Frau in der Krankenpflege und in der Erziehungsarbeit setzte er aber sehr charakteristische eigene Akzente. Nicht die Gründung einer Institution, einer eigenen Anstalt, war sein Ziel, vielmehr wollte er Ausbildungsmöglichkeiten schaffen, eine religiöse Frauengemeinschaft bilden und soziale Mission organisieren. Die Entstehung von Krankenhäusern, die primär der Ausbildung dienten, war kein Hauptziel der Arbeit, sie entwickelte sich freilich zu einem Markenzeichen der Mutterhausdiakonie. Im Mittelpunkt seiner Überlegungen standen die „Diakonisse“ und die Schaffung eines religiösen, an eine Gemeinschaft gebundenen Amtes, welches sich in praktizierter Nächstenliebe verwirklichte. DIAKONIE IN GEMEINSCHAFT Christliche Liebestätigkeit in der Arbeit – sei es in der Krankenpflege oder der Erziehungsarbeit – bedeutete für die Diakonissen: Sie leisten einen Dienst am Nächsten in christlicher Demut. Fliedner begründete in seiner sogenannten Hausordnung die Arbeit der Diakonissen theologisch-religiös mit einem Dienst, durch den sie den „Christengemeinden (...) dienen“ sollten. Konkretisiert wurde dies durch ein Dienstverständnis, welches zwischen den Polen Liebe und Gehorsam, Dienst und Tat ausgestaltet wurde. Es hat sich, in seinen Grundzügen, bis in das 20. Jahrhundert hinein in den Diakonissenanstalten gehalten und wurde – trotz vieler Unterschiede – überall stilprägend. Die Diakonissen sollten sein: • „ Dienerinnen des Herrn Jesu • Dienerinnen der Kranken um Jesu willen (später hieß es hier: der Armen, Kranken und Kinder um Jesu willen) • Dienerinnen untereinander.“ Wer sich zu diesem Dienst entschloss und in die Gemeinschaft aufgenommen wurde, entsagte den weltlichen Lebensbezügen weitgehend und fand sich ganz in die Gemeinschaft ein. Diakonissen sollten sich „fern (zu) halten von allen anderweitigen irdischen Verbindungen“. Die Konzentration auf einen in Demut ausgeübten Dienst wird in der ersten Hausordnung deutlich gemacht. So heißt es im allgemeinen Teil der Kaiserswerther Hausordnung von 1837 / 39: „Jede Diakonisse, die die Pflichten ihres Amtes mit dem Wohlgefallen ihres Herrn, zur Zufriedenheit der Direktion und zum Heil des leidenden Nächsten erfüllen will, muß daher von der Liebe Christi regiert, sich selbst ein Gesetz sein und der Nachhilfe der äußeren Gesetze immer weniger bedürfen.“ Die Arbeit der Diakonissen wurde als ein diakonisches Amt definiert. Dabei achtete man in den Diakonissenmutterhäusern zunächst auf eine fachliche und umfassende Ausbildung, trotz aller späteren Kritik ein wichtiges Charakteristikum der Mutterhausdiakonie. Für die Krankenpflege bedeutete dies: Neben dem von Ärzten durchgeführten Krankenpflegeunterricht, der sich an den bestehenden Lehrbüchern orientierte, kam noch ein allgemeinbildender Unterricht hinzu. Die Diakonissen wurden so – durchaus gut ausgebildet und mit einem modernen medizinischen und pflegerischen Standard versehen – kompetente Mitarbeiterinnen in den Krankenhäusern und Kirchengemeinden. Sie besaßen gegenüber den Ärzten einen eigenständigen Kompetenzbereich, der über die Pflege hinausging, aber nicht in das ärztliche Bestimmungsrecht eingreifen sollte. Im Rahmen der beginnenden medizinischen und funktionalen Ausdifferenzierung der Krankenhäuser im 19. Jahrhundert bekam der Pflegebereich durch die Professionalisierung auf der einen Seite ein eigenständiges Gewicht. MUTTERHAUSDIAKONIE IN BERLIN Schnell verbreitete sich von Kaiserswerth aus die Bewegung der Mutterhausdiakonie, auch durch die Unterstützung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. und seiner Regierung. Die preußische Hauptstadt wies einerseits ein sehr lebendiges kirchliches und soziales Leben auf, andererseits trafen hier, in der industrialisierten Großstadt, konservative und liberale Traditionen konfliktreich aufeinander. Immer wieder wurde gerade das großstädtische Berlin als unkirchlich und unchristlich beschrieben. Von Johann Hinrich Wichern ist das Zitat „Hier in Berlin kann man gottlos werden – ob man will oder nicht“ überliefert. Wichern dürfte bei diesem Zitat an die rasante Urbanisierung der Stadt, die Bildung von Riesengemeinden, aber auch an die starken Spannungen innerhalb des Protestantismus zwischen Konservativen und Liberalen gedacht haben, wohl auch an das mehrheitliche Versagen in der sozialen Frage. Gleichzeitig wies Berlin schon früh zahlreiche Initiativen auf, die auf die sozialen Umbrüche der Zeit zu reagieren versuchten. Die Bestandsaufnahme des Berliner Pfarrers Friedrich Gustav Lisco von 1846 zählt fast 400 Stiftungen und Vereine, bis zur Jahrhundertwende stieg die Zahl stark an. Und ab 1843 arbeiteten auch Kaiserswerther Diakonissen in der Berliner Charité. In Berlin wurde dann 1846 mit dem Diakonissenmutterhaus Bethanien – nach sehr langen Vorüberlegungen und Planungen, an denen auch Theodor Fliedner beteiligt war – das erste Mutterhaus nach Kaiserswerther Vorbild geschaffen. Zuvor schon gab es Initiativen, die später zu Mutterhäusern führten, wie das die Gründung des eines Maddalenestiftes 1841 – vor 175 Jahren – aus dem später das Evangelische Diakonissenhaus Teltow entstand, oder das Elisabeth-Krankenhaus, 1837 von Johann Evangelista Goßner gegründet. Und 1865 war im Berliner Norden das Lazarus-Diakonissenhaus entstanden. Alle diese uns heute nicht ganz gradlinig erscheinenden Gründungen in Berlin zeugen auch davon, welche Bedeutung der Zusammenhang von fachlicher Ausbildung und Gemeinschaftsbildung hatte. Ohne feste Gemeinschaften war es noch schwerer, genügend qualifizierte Mitarbeiterinnen für die eigenen Arbeitsbereiche zu erhalten, zugleich erwiesen sich die Frauen, die sich bereitfanden, den Weg in eine feste Gemeinschaft zu gehen, nicht immer als interessiert oder befähigt genug, in den Gemeinschaften zu bleiben – die Klage über einen Mangel an Schwestern gehört zur Mutterhausdiakonie immer dazu. In einer schon reichen und differenzierten diakonischen Berliner Landschaft, in der die bestehenden Mutterhäuser alle noch nicht die SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 11 DIAKONIE IN GEMEINSCHAFT Größe von Kaiserswerth erreicht hatten, entstanden dann im Kaiserreich weitere Diakonissenhäuser, denn der Bedarf an qualifizierter Krankenpflege und Gemeindepflege war groß. Schon kurz nach der Gründung des Paul-Gerhardt-Stiftes in Berlin 1876 findet sich beispielsweise die Klage: „Die Berliner Diakonissenhäuser sind zu ihrem eigenen Leidwesen völlig außer Stande, diesem großen Bedürfnis [d. i. nach Pflegekräften, N. F.] abzuhelfen, da ihre Kräfte völlig von der Krankenpflege in ihren eigenen Mauern in Anspruch genommen werden.“ Das Paul-Gerhardt-Stift war in enger Verbindung zur ansässigen Kirchengemeinde (St. Jakobi-Gemeinde) entstanden und steht so auch für die Verbindung von Kirche und Diakonie. © Paul Gerhardt Stift So ist die Gründung auch Ausdruck der dynamischen Entwicklung Berlins sowie der Tatsache, dass sich die Mutterhäuser auch dort entwickeln konnten und entstanden, wo es einen großen Bedarf an Arbeitskräften in der Erziehungsarbeit und der Krankenpflege gab. DAS 20. JAHRHUNDERT Im Verlauf des 20. Jahrhunderts veränderten sich die Rahmenbedingungen für die Diakonissengemeinschaften grundlegend. Die zunehmende staatliche Regulierung der Ausbildungen (ab 1907 durch das preußische Krankenpflegegesetz) wirkte sich ebenso auf die Gemeinschaften aus, wie die langsam fortschreitende Säkularisierung der Gesellschaft. Die Zahl der Eintritte in die Gemeinschaften ging zurück, mit großen Konsequenzen für das innere Gefüge der Häuser und die Gemeinschaften, die älter und kleiner 1874 1876 Gründung des Vereins für Privatund Gemeindepflege zur Begründung und Unterhaltung eines Schwesternverbandes für Privatkrankenpflege und zur Einführung der weiblichen Gemeindediakonie. Dieser Verein erlässt 1875 einen Aufruf zur Gründung der Paul Gerhardt Stiftung in Berlin und richtet ein Schwesternkonvikt ein. Auf den Tag 200 Jahre nach der Beisetzung des Pfarrers und Liederdichters Paul Gerhardt am 7.6.1876 wird die Stiftung „Paul Gerhardt Stift zu Berlin“ in Kreuzberg gegründet. 1876 wurden. Parallel dazu konnten sich viele Einrichtungen erfolgreich weiter entwickeln und sich für aktuelle Herausforderungen des Sozialstaates verändern. Für die Gemeinschaften stand und steht die Frage nach der eigenen Zukunft in einer sich zunehmend ausdifferenzierenden Welt immer wieder zur Diskussion. Durch die Auflösung der Arbeits-, Dienst- und Lebensgemeinschaft und durch die nicht mehr selbstverständliche Verbindung der Gemeinschaften und der Werke hat sich die Fragestellung und Aufgabe verändert, nicht aber unbedingt das Ziel selbst. So wie man im 19. Jahrhundert durch die pflegerische und erzieherische Arbeit dem einzelnen helfen wollte und damit auf eine durch Nächstenliebe verbesserte Welt hoffte, so besteht diese sozialdiakonische Arbeit heute fort. Man war und ist bis heute in den Gemeinschaften 1887 Das Paul Gerhardt Stift erwirbt dank zahlreicher Spenden das Grundstück an der Müllerstrasse 56 und beginnt mit dem Bau des Mutterhauses mit Kapelle und angeschlossenem Krankenhaus. 1888 Einweihung des Neubaus in Anwesenheit der Kaiserin AugusteViktoria, die das Protektorat übernimmt. 1876 – 1879 Die Schwesternschaft wächst von acht auf 18 Diakonissen. 140Jahre 12 PAU L G E RHAR DT STI F T I M ÜB E R B LICK NOTIZEN 1.2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT DIAKONIE IN GEMEINSCHAFT Zum Autor bestrebt, seine geistliche Mitte und seinen selbst definierten Grundauftrag – den diakonischen Dienst zu tun und dabei eine Verbindlichkeiten zu haben – zu bewahren und zugleich neue Formen zu begleiten und zu stärken. 1889 Eröffnung des Krankenhauses. Auch wenn sich die Verhältnisse und die Strukturen verändern – und dies ist ein Prozess, den die Mutterhausdiakonie seit der Gründung kennt – bleiben doch die gemeinsamen Wurzeln einer Diakonie in Gemeinschaft bestehen. 1894 1904 Fertig gestellter zweiter Gebäudeteil in der Müllerstraße 57. Poliklinik für Kinder wird eröffnet. Dr. phil. Norbert Friedrich ist Leiter der Fliedner-Kulturstiftung Kaiserswerth. Der 1962 geborene Historiker und Theologe war zwischen 1991 bis 1994 und 1998 bis 2002 Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Wissenschaftlicher Assistent an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Kirchliche Zeitgeschichte, Diakoniegeschichte, Kirchengeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts sowie Geschichte des sozialen Protestantismus. Er veröffentlichte u. a. eine Biographie des christlich-sozialen Politikers Reinhard Mumm, gemeinsam mit Traugott Jähnichen eine fünfbändige Geschichte der sozialen Ideen im deutschen Protestantismus sowie mit Martin Wolff das Buch „Diakonie in Gemeinschaft. Perspektiven gelingender Mutterhaus-Diakonie“. 1908 Gründung der staatlich anerkannten Krankenpflegeschule. Eröffnung des „Krüppelheims“. 1911 Eröffnung des staatlich anerkannten Kindergärtnerinnenseminars sowie der Ev. kirchlich-sozialen Frauenschule. 1900 SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 13 DEN FRAUEN EINE STIMME GEBEN Stefan Kurzke-Maasmeier VORBEMERKUNG D ie christliche Mission in Afrika im 19. und 20. Jahrhundert ist kein Ruhmesblatt in der Geschichte der Kirchen. Häufig genug gingen politische, wirtschaftliche und religiöse Kolonialisierung Hand in Hand. Es ist mittlerweile historisch gut belegt, dass sich patriarchale Ausbeutungspolitik für ihre Absichten religiöser Autoritäten, und die patriarchale Religion sich die Politik zunutze gemacht hat. „Als die Missionare in unser Land kamen, brachten sie die Bibel mit. Sie hießen uns, mit geschlossenen Augen zu beten und als wir die Augen wieder öffneten, hatten wir die Bibel und sie unser Land“, so ein Sprichwort aus Kenia. Auch die Berliner Mission war wie viele andere Missionsgesellschaften des 19. Jahrhunderts ursprünglich eine Institution, die auf eine religiöse Bekehrung der „Heiden“ zielte und ein eurozentristisches Verständnis von Kultur und „Sitten“ vermittelte. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Berliner Missionswerk freilich zu einer Organisation gewandelt, deren Hauptaufgabe die Förderung ökumenischer Partnerschaft mit den heute © Paul Gerhardt Stift DEN FRAUEN EINE STIMME GEBEN – DIE MISSION DER ANNA VON WALDOW Anna von Waldow selbstständigen Kirchen und weltweite Projekte zugunsten der Ärmsten in der Welt darstellt. 1914 Zu Beginn des ersten Weltkrieges werden 80 Diakonissen einberufen und leisten Dienst in den Frontlazaretten. Der große Festsaal im Mutterhaus wird zum Kriegslazarett. 1918 1922 Gründung des Säuglingsheims mit einer Säuglingspflegeschule Schließung des Säuglingsheims aus wirtschaftlichen Gründen 1920 Schließung der Ev. kirchlich-sozialen Frauenschule aus wirtschaftlichen Gründen 14 NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT 1923 Eröffnung der Haushaltungsschule 1928 Das Feierabendhaus wird fertiggestellt. Die Schwesternschaft umfasst 425 Frauen. DIE MISSION DER ANNA VON WALDOW Als eine Frau lesen lernte, trat die Frauenfrage in die Welt. MARIA VON EBNER ESCHENBACH Der Weg dahin war jedoch lang und für die indigene Bevölkerung nicht selten mit dem Verlust von Tradition, Religion und Stabilität verbunden. Zusätzlich war die Kolonialisierung vor allem in ihrer frühen Phase insbesondere mit Blick auf die Situation der Frauen häufig dramatisch. Der Afrikanist Heinrich Loth hat in seinen Untersuchungen zur Kulturgeschichte der afrikanischen Königreiche immer wieder die starke Rolle der Frau vor der Kolonisierung und die Verschlechterung der Stellung der Frau durch die Patriarchalisierung und die islamische und christliche Missionierung festgestellt1. Aber das Verhältnis 1Heinrich Loth: Die Frau im Alten Afrika, Leipzig 1986, S. 7 WALI-ARBEIT IN MANEROMANGO Die knappe Vorbemerkung zur christlichen Missionsarbeit soll veranschaulichen, in welchem politischen und kirchlichen Kontext die Arbeit von Sr. Anna von Waldow stand. Anna von Waldow kam 1894 im schlesischen Polzin als Tochter des Landwirts Carl von Waldow und seiner Frau Anna zur Welt. Nach Postkarte von Sr. Anna von Waldow mit einem Gebet auf Suaeli der Schulzeit in Greiffenberg besuchte sie zwischen 1919 und 1920 die Evangelische Frauenschule für soziale Arbeit 1940 1933 1930 Das staatlich anerkannte Hauspflegerinnenseminar wird eröffnet. zwischen Missionierung und der Entwicklung von Frauenrechten ist mindestens ambivalent, denn nicht wenige Frauen in der Mission haben auch dazu beigetragen, dass erniedrigende Riten und Kulte zurückgedrängt und die Bildung insbesondere von Mädchen ermöglicht werden konnten. An diesem Punkt beginnt die Geschichte der Diakonisse Anna von Waldow, die aus dem Paul Gerhardt Stift heraus bis 1959 in der Ostafrika-Mission sowie in Südafrika tätig war und viele Bildungsprojekte anstoßen konnte. 1932 Schließung des „Krüppelheims“ Durch staatliche Aufhebung des Ausbildungszweiges muss das HauspflegerinnenSeminar geschlossen werden. Mit 475 Diakonissen erreicht das Stift seine maximale Größe, sie arbeiten in Gemeinden und ambulanten Pflege, im Krankenhaus, in den Kindergärten oder in Altenheimen. 1935 Schließung des Kindergärtnerinnen- und Hortnerinnenseminars infolge der politischen Verhältnisse. Das Damenheim wird eröffnet. 1937 – 1945 In mehreren Publikationen und Verlautbarungen des Paul Gerhardt Stifts unter der Leitung von Pastor Wagner wird die Sympathie mit der nationalsozialistischen Ideologie deutlich zum Ausdruck gebracht. SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 15 DEN FRAUEN EINE STIMME GEBEN am Paul Gerhardt Stift und erhielt hier die Befähigung für den Beruf der Inneren Mission und der sozialen Arbeit. Nach ihrem Abschluss war sie unter anderem in der Jugendarbeit der Kapernaum-Gemeinde in Berlin-Wedding tätig, bis sie 1923 in das Mutterhaus Paul Gerhardt Stift eintrat und 1927 zur Diakonisse eingesegnet wurde.2 Ihren autobiografischen Notizen und der Schwesternakte kann entnommen werden, dass sie sich bereits früh für die Missionsarbeit interessierte. So stellte sie sich drei Jahre nach der Einsegnung der Berliner Mission zur Verfügung und wurde durch das Mutterhaus für den Missionsdienst freigestellt. An der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin hatte sie sich als Gasthörerin für Suaheli eingeschrieben und sich 2Vgl. Archiv des Paul Gerhardt Stifts (ArPGS), 1 / 2921 (Schwesternakte Anna von Waldow) 1943 und 1944 Bei Fliegerangriffen entstehen erhebliche Gebäudeschäden. Kriegsbedingte Schließung der Haushaltungsschule. 1945 intensiv auf ihre Tätigkeit in Afrika vorbereitet. Mit dem Schiff landete Anna von Waldow gemeinsam mit Sr. Elfriede Bünger im November 1930 schließlich in Dar es Salaam (arab.: Hafen des Friedens), dem Regierungssitz des heutigen Tansania.3 Die Stadt war zur damaligen Zeit Zentrum und Sitz der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft und der Kolonialverwaltung. Im Jahr 1888 verpachtete Sultan Sayyid Khalîfa Dar es Salaam zusammen mit der gesamten Küste des heutigen Tansania an die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft. Am 28. Oktober 1890 verkaufte Sultan Sayyid ‘Alî schließlich Stadt und Küste.4 Über Dar es Salaam gelangte 3Vgl. Archiv des Paul Gerhardt Stifts (ArPGS), 1 / 316 (Briefe, Rundschreiben, Berichte von Anna von Waldow). 4Quelle: www.afrika-online.com/tansania/ provinzen/daressalam/index.html, Zugriff am 21.04.16 1946 Beginn des Wiederaufbaus zerstörter Gebäudeteile. Eröffnung des Kinderheims. 1976 Das einhundertste Jubiläum wird feierlich begangen. Die Zahl der Schwestern beträgt 126. 1950 Besetzung des Geländes durch eine sowjetische Sanitätseinheit. Eine notdürftige Weiterführung des Krankenhauses wird gestattet. Das Krankenhaus nimmt im Juni seinen regulären Dienst wieder auf. 16 Sr. Anna von Waldow in die Missionsstation von Maneromango, etwa 100 Kilometer landeinwärts. In der von einem Betheler Missionar gegründeten Station unterhielt die Berliner Mission handwerkliche Produktionsstätten und acht sogenannte Buschschulen. Anna von Waldow begann hier mit der pädagogischen Arbeit für jugendliche Mädchen (Wali), die eine besondere kulturelle Sensibilität erforderte. Nach einer kultisch begründeten Tradition wurden Mädchen nach ihrer ersten Menstruation zum Teil über mehrere Jahre in einem dunklen Raum der elterlichen Hütte gesperrt, wo sie nur flüstern durften, ansonsten aber weitestgehend untätig blieben. Die Mädchen erhielten eine rituell geschnitzte Holzpuppe, die sie wie ein Neugeborenes pflegen und füttern mussten. Eine erwachsene Frau war als Gruppenmeisterin für die „Eheund Sozialerziehung“ zuständig. Nach dieser Zeit wurden die Mädchen am Hochzeitstag „herausgelassen“, und NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT 1989 Eröffnung des Übergangsheimes für Aussiedler und Flüchtlinge, später Wohnheim für traumatisierte Flüchtlinge mit 200 Plätzen. DIE MISSION DER ANNA VON WALDOW der Initiationsritus wurde auf diese Weise mit einem großen Fest beendet. Schwester Anna von Waldow konnte mithilfe der Tochter eines Dorfältesten und in Zusammenarbeit mit den Familien erreichen, dass die Mädchen während dieser Entwicklungsphase nicht passiv bleiben mussten, sondern Unterricht und Beschäftigung erhielten. Die Väter wurden überzeugt, Hütten im traditionellen Stil für eine Schule und ein Wohnheim zu errichten. Die Mädchen arbeiteten danach auf dem Feld und im Garten und erhielten gleichzeitig Unterricht im Lesen, Schreiben, Mathematik, Musik, Hygiene sowie in Bibelkunde, Haushaltskunde und Kinderpflege. Die Wali-Schulen erhielten schließlich auch eine politische Anerkennung und finanzielle Unterstützung der Regierung.5 ZWISCHEN TRADITION, EVANGELISIERUNG UND FRAUENRECHTEN 5Vgl. Die Brücke – Vierteljahresschrift für Evangelische Mission im südlichen Afrika, Nr. 3 / 88, S. 7f. 6Anna von Waldow: Ein kurze Lebensskizze, in: ArPGS 1 / 316, a. a. O. Unter den damaligen Bedingungen einer tribalen Gesellschaft, die auf die Bildung von Mädchen und Frauen im Sinne der Autonomieentwicklung kaum Wert legte, war dieser Ansatz in gewisser Weise revolutionär. Freilich stand die pädagogische Arbeit in einem missionarisch-paternalistischen Kontext, der auf die Festigung „christlicher Sitten“ zielte und zweifelsfrei mit der teilweisen Ablösung der indigenen Kultur verbunden war. Das Ziel der Wali-Schulen und des Mädchenheims, so Anna von Waldow, war klar, „nämlich christliche Erziehung, Ausscheidung der heidnischen Sitten, aber [auch] Pflege der guten völkischen wie z. B. des Märchenguts, der Lieder und der einheimischen Kunst.“6 Gleichzeitig eröffnete die Wali-Arbeit den jungen Frauen eine Möglichkeit, aus ihrer ‘unverschuldeten Unmündigkeit‘ herauszutreten. Anna von Waldow setzte diesen Weg auch fort, nachdem sie gemeinsam mit anderen deutschen Missionaren und Farmern während des 2. Weltkriegs in Tanganyika in Rhodesien (heute Simbabwe) interniert wurde. Im militärisch bewachten Lager organisierte sie einen Kinderhort, leitete ein Lehrerinnenseminar und war gemeinsam mit dem Lagergeistlichen Bernhard Schiele für den Konfirmandenunterricht und die Kindergottesdienste zuständig. Im Zuge der Repatriierung gelangte Sr. Anna von Waldow als eine von wenigen Missionsschwestern 1947 nach Südafrika. Im Sekhukuniland organisierte sie zunächst die Schülerheime der Höheren Schule Tshakhuma, bevor sie Anfang der 1950er Jahre in Beuster im Vendaland eingesetzt wurde und dort die pädagogische und theologische Arbeit mit Frauen 2004 1991 Die ersten ärztlichen und therapeutischen Praxen auf dem Gelände werden als Gesundheitszentrum eröffnet. Schließung des Kinderheimes. Schließung des Paul Gerhardt Heims für traumatisierte Flüchtlinge, etwa 40 Plätze können als „Refugium“ in einem anderen Gebäudeteil erhalten werden. 1997 Gründung Paul Gerhardt Konvent 2000 1996 Die letzte Gemeindeschwesternstation muss aufgegeben werden. Das Paul Gerhardt Stift hat 37 Diakonissen und vier Diakonische Schwestern. 2001 2006 Eröffnung des Wohnstifts – Servicewohnen für Senioren Eröffnung des Pflegewohnheims in Trägerschaft der Paul Gerhardt Stift Pflege gGmbH SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 17 DEN FRAUEN EINE STIMME GEBEN fortführte. Der methodische Ansatz von Schwester Anna von Waldow, die Bibel im Kreis von Frauen alltagsnah zu besprechen und eine Anleitung zu eigener Darbietung in Kinder- und Gemeindestunden zu geben, war dabei sicher nicht ausdrücklich feministisch geprägt. Gleichwohl veränderte es offenbar doch das Selbstverständnis der Frauen und leitete im Umfeld der Missionsstation eine Phase der Emanzipation ein.7 Mehrere Frauen wurden ordinierte Amtsträgerinnen und führten die theologische und gemeindepädagogische Arbeit fort. Die Form der Bibelauslegung hatte gezeigt, wie die Bibel zu einem Spiegel werden kann, in dem Frauen eine Möglichkeit finden, ihre eigene tägliche Realität kritisch zu reflektieren und ihr Leben zu verändern. Das Problem der Evangelisierung hat Anna von Waldow durchaus kritisch beurteilt, auch wenn ihre Frage im November 1954 „warum hier noch so viele Heiden sind, trotzdem das Evangelium über 80 Jahre verkündigt wird“8 aus heutiger Sicht seltsam anachronistisch klingen mag. Im gleichen Schreiben an das Paul Gerhardt Stift versucht sie eine Antwort darauf zu geben und räsoniert, dass es möglicherweise die Christen selbst seien, die der Durchsetzung der frohen Botschaft im Wege stehen. Sie hebt damit vor allem auf die beginnende Ausweitung evangelikaler Sekten und neuheidnischer Bewegungen „unter einem christlichen Mantel“ ab, die in Konkurrenz zum kirchlichen Leben mehr und mehr Platz griffen. Ihre teils charismatischen, teils fanatischen Pfarrer setzten oft dort an, wo „Zauberdoktoren“ und Medizinmänner mit der kultischen Beschwörung von Geistern und Ahnen, mit Trance 7 8 Ebd. Jahresbericht 1954, in: Ebd. 2013 2011 Konzeptentwicklung „ZukunftsHaus Wedding“ 18 Eröffnung des Stadtteilzentrums. Zahlreiche Kurse, Veranstaltungen und Angebote mit jährlich bis zu 7.000 Kontakten, Nutzern und Besuchern und Ekstase einen magischen, nicht selten angstbesetzten Volksglauben hinterlassen hatten. Schwester Anna sah darin nicht zuletzt auch eine Gefährdung ihrer Frauen-Bibelarbeit, wenngleich sie die missionarische Kraft mancher gemäßigter Sektenkirche auch beeindruckte. „SIE HAT SICH MÜDE GEMACHT FÜR UNS …“ – ABSCHIED UND RÜCKKEHR Mit Erreichen des Pensionsalters kehrte Anna von Waldow im März 1959 in das Mutterhaus des Paul Gerhardt Stifts zurück. Ihr Abschied vom Ort ihrer Missionsarbeit fand große Resonanz und zeigte, wie nachhaltig ihre pädagogische und theologische Arbeit mit Mädchen und Frauen gewirkt hatte. Unzählige Briefe und Berichte, in denen sie die schwierigen 2014 2016 Eröffnung der Kindertagesstätte mit 38 Plätzen. Roland Kaiser unterstützt das ZukunftsHaus Wedding. Das Paul Gerhardt Stift erhält den Anerkennungspreis „Soziale Stadt“. Aufbau der Paul Gerhardt Stift Soziales gGmbH. Das Paul Gerhardt Stift hat noch vier Diakonissen. 2012 2015 – 2016 Eröffnung des Familienzentrums Ausbau der Flüchtlingsarbeit auf 136 Plätze. NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT TRADITION UND TRANSFORMATION Rahmenbedingungen, aber auch die Erfolge ihrer Bildungsarbeit dokumentierte, zeugen von einer unermüdlichen Kraftanstrengung und ihrer festen Verwurzelung im Glauben an Christus. Für das Paul Gerhardt Stift war der kontinuierliche Austausch mit Sr. Anna von Waldow in den 32 Jahren ihrer Missionsarbeit eine Brücke in eine andere Welt und grenzüberschreitender Ausdruck der Gründungsidee des Stifts, „allen zu dienen (…) und keinen auszuschließen, er sei, wer er sei, und heiße, wie er wolle.“ Was Schwester Anna von Waldow, die im Vendaland einfach nur „Mama Anna“ hieß, hinterlassen und welche Hochachtung sie erfahren hat, wird in den Worten schwarzer Christinnen und Christen deutlich, die zur ihrem Abschied gesammelt und im Archiv des Stifts dokumentiert sind. „Ich habe nichts zu sagen“, so eine alte Frau, „mein Verstand ist gering. Aber das habe ich zu sagen, das ist eine neue Sache: Eine Frau steht vor Menschen und bezeugt Gott! Früher gingen wir bloß zur Kirche und zum Unterricht. Dann fing die Schwester an zu rufen: Kommt, ihr Frauen! Redet, ihr Frauen! Das war eine neue Sache für uns. (…) Sie hat uns die Augen geöffnet, die Augen des Herzens. Sie hat einen neuen Besen genommen und ausgekehrt, all unseren Kummer ausgekehrt, damit wir ein Ruhelager fänden.“9 Eine andere Frau kann nicht verstehen, dass die Mission von „Mama Anna“ zu Ende gehen muss und klagt: „Das verstehen wir nicht, daß die Schwester nun ihr Haus verlassen muß. Das ist nicht unsere Sitte. Wir behalten unseren Großen [= Alten] bei uns. Ich sage, das ist keine gute Sitte. Wer kann uns nun beim Sterben helfen?“10 In den 1970er Jahren unternahm Anna von Waldow eine letzte Reise in ihr geliebtes Afrika und suchte die Orte ihrer Arbeit noch einmal auf. Sie hat durch den Aufbau von Schulen, Wohnheimen und Bildungskursen sowie durch ihre soziale, pflegerische und gemeindepädagogische Arbeit die evangelische Frauenmissionsarbeit im östlichen und südlichen Afrika in jener Zeit geprägt wie kaum eine andere. Sie hat dem Paul Gerhardt Stift auf der anderen Seite des Globus in dieser Weise ein konkretes Gesicht gegeben. Anna von Waldow starb nach kurzer Krankheit am Gründonnerstag 1988 im Alter von 94 Jahren im Mutterhaus in Berlin-Wedding. 9 10 Ebd. Ebd., Unterstreichung im Original. TRADITION UND TRANSFORMATION Das Paul Gerhardt Stift in den Jahren zwischen 2006 und 2016 Ute Köpp-Wilhelmus & Stefan Kurzke-Maasmeier S eit den Feierlichkeiten zum 130. Jubiläum im Jahr 2006 hat das Paul Gerhardt Stift einen fundamentalen Wandel vollzogen und sich auf den Weg sozialräumlicher und interkultureller Öffnung gemacht. Ab dem Jahr 2006 wurden mit der ersten Phase des Neuanfangs unter der Leitung von Pfarrer Martin von Essen, der bereits 2003 als Direktor des Paul Gerhardt Stifts berufen wurde, die organisatorischen Voraussetzungen für eine engere Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Johannesstift geschaffen und erste strategische Planungen für eine Neugestaltung des Geländes entwickelt. Nach dem Wechsel der Geschäftsführung in die Hände von Ute SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 19 TRADITION UND TRANSFORMATION Köpp-Wilhelmus im Jahr 2010 begann dann in einer zweiten Phase der Aufbau der interkulturellen und sozialräumlichen Strategie „ZukunftsHaus Wedding“, durch die sich das Paul Gerhardt Stift in gewisser Weise noch einmal „neu erfunden“ hat. Tatsächlich aber knüpfte es damit an traditionelle Arbeitsfelder an, zum Beispiel an die pädagogische Arbeit und die Unterstützung für Familien, die seit der Gründung des Stifts zu den zentralen Aufgaben der Diakonissen gehörten. Da diese zweite Phase der Entwicklung seit 2010 die nachhaltigsten Änderungen in der Stiftung seit 2006 anstoßen konnte, soll ihr im Folgenden mehr Raum gegeben werden. Beide Phasen gründen auf der reichhaltigen jahrzehntelangen Tradition der seelsorglichen, sozialen, pädagogischen und pflegerischen Arbeit der Diakonissen, die das Paul Gerhardt Stift zu einem wichtigen Ort gesundheitlicher und sozialer Versorgung im Stadtteil Wedding gemacht haben. Der Ausgangspunkt diakonischer Arbeit des Stifts aber war und bleibt die frohe Botschaft des Evangeliums, die auch für den Namensgeber Paul Gerhardt zeitlebens Bezugspunkt war. Deshalb sollen zunächst die Traditionen und Grundlagen diakonischer Arbeit im Paul Gerhardt Stift in den Blick genommen werden. TRADITIONEN – GLAUBE UND DIAKONISCHE PRAXIS Das Paul Gerhardt Stift weiß sich in seinem sozialen und diakonischen Engagement an die prophetischen Wurzeln der Kirche und das Evangelium zurückgebunden. Die darin formulierte „Option mit den Armen“, für die an den Rand Gedrängten und Vernachlässigten weitet den Blick hin zu jenen Menschen im Stadtteil, die in besonderer Weise auf Unterstützung und Hilfe angewiesen sind (Mt. 25,31 ff.). Zur Öffnung des Stifts hin zu einem multikulturell geprägten Stadtteil gibt es keine vernünftige Alternative. 20 Diese Öffnung entspricht der Zielsetzung des Paul Gerhardt Stifts. Im auch heute noch geltenden Gründungsaufruf von 1875 heißt es: „Und wie Paul Gerhardt fest und unbeweglich stand in seinem Glauben und Bekenntnis (…), so soll das das Paul Gerhardt Stift zwar fest gegründet stehen auf dem Grunde, welcher Jesus Christus heißt, aber die Arbeit, die von dort ausgeht, begehrt, allen zu dienen, soweit Kraft und Vermögen reicht, und will Keinen ausschließen, er sei wer er sei und heiße, wie er wolle (…)“.1 Die Besinnung auf die theologischen Grundlagen der diakonischen Arbeit lenkt den Blick zudem unweigerlich auf das kommende Jubiläumsjahr, in dem sich zum 500. Mal der sogenannte Thesenanschlag Martin Luthers in Wittenberg jährt. Martin Luther bezog sich mit seiner Kritik und der Forderung nach einer Reform der Kirche u. a. auf den berühmten Satz aus dem Römerbrief des Apostels Paulus: „Denn wir sind der Überzeugung, dass der Mensch gerecht wird durch Glauben, unabhängig von Werken des Gesetzes“ (Römer 3,28). Die theologische Grundfigur „sola fide“ ist der Rechtfertigungslehre zufolge eine Zusage Gottes, die den Menschen von einem transzendentalen Tauschgeschäft („Gutes tun und erst dann Gnade erfahren“) befreit. Die Gnadenzusage ist nicht nur kein „himmlisches Marionettentheater“2 , sondern sie ist auch keine Geschäftsbeziehung auf Gegenseitigkeit. Gottes Zusage gilt unabhängig vom Vermögen und Können des Einzelnen, er liebt den Menschen „vor aller Leistung und trotz aller Schuld“3. Sind aber allein diejenigen Adressaten dieser Heilszusage, die im christlichen Gebet und in spiritueller Reflexion Zugänge zum Glauben suchen? Diakonie als wesentliche Grundfigur 1 APGSt., Bd. 1, Nr. 220. 2Rechtfertigung und Freiheit. 500 Jahre Reformation 2017. Ein Grundlagentext des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), S. 87 3Klaus Kliesch: Spuren des Geistes, in: Bibel und Leben 28 (1989), 317 – 332. NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT von Kirche wird den „inklusiven Blick“ Jesu radikaler ausdeuten und Gnade nicht von einer bestimmten Form von „Glaubenspraxis“ abhängig machen können. Insbesondere in einer Einrichtung wie dem Paul Gerhardt Stift, die sich allen Menschen zuwendet, kann der „exklusive“ Ausweis als Gemeinschaft der Glaubenden, die das Evangelium verkünden und nach ihm leben, durchaus als Barriere für den Zugang von Angeboten verstanden werden. Lebendiger Glaube jedoch ist nichts Festes oder Unflexibles, er ist kein geschlossenes Gebäude mit Antworten, sondern ein Haus, in dem Gewissheiten infrage gestellt werden dürfen. Deshalb bedeutet das „für alle“ auch, dass wir nicht ausschließlich durch den Glauben gerechtfertigt sind, sondern Rechtfertigung jedem Menschen allein durch seine Würde zukommt. Aus diesem Grund wendet sich das Paul Gerhardt Stift an alle Anderen, die auf Beratung, Begegnung und Begleitung angewiesen sind. Es öffnet sich dafür auch nach innen und fördert interkulturellen Wandel und interreligiöse Sensibilität, um dem Evangelium und dem Gründungsauftrag des Stifts noch entschiedener Rechnung zu tragen. Die Angebote des Paul Gerhardt Stifts sind deshalb keineswegs nur binnenkirchliche Veranstaltungen, sondern Angebote einer christlichen Organisation für alle. „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist (...) Sie muß an den weltlichen Aufgaben des menschlichen Gemeinschaftslebens teilnehmen, nicht herrschend, sondern helfend und dienend“. 4 4Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, 1980, 193. Um die paternalistische Signatur einer Kirche für Andere oder einer Option für die Armen abzumildern und den Empowermentgedanken einer modernen kirchlichen sozialen Arbeit zu betonen, sollte eher davon gesprochen werden, dass Kirche erst dort ihre diakonische Aufgabe in einem emphatischen Sinne ausfüllt, wo sie Kirche mit Anderen ist. Eine Option für die Armen ohne Rücksicht auf die Selbstbestimmung von Personen ist pure Fürsorge, die nicht befreit. TRADITION UND TRANSFORMATION Bonhoeffer geht es dabei um die Verantwortung der Kirche für die „Welt“ und damit für die Anderen, vor allem aber mit den Anderen. Wenn sich die Kirche und ihre diakonischen Einrichtungen in einer immer differenzierteren und zunehmend pluralen Gesellschaft Gehör und Geltung verschaffen will, dann wird sie sich in ihrem Selbstverständnis künftig als eine „öffentliche Diakonie“5 verstehen müssen. Dabei sucht sie die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Kräften anderer weltanschaulicher Orientierungen, ohne dabei das spezifisch christliche Profil zu verlieren. Der Gründungsaufruf des Paul Gerhardt Stifts ist ein zentrales Dokument der diakonischen Selbstvergewisserung und Aufruf zur Öffnung. Und im erwähnten Leitbild von 2008 ist dieser Auftrag wie folgt konkretisiert: „Die gegenseitige Akzeptanz der verschiedenen Formen christlichen Miteinanders und die Öffnung für Menschen unterschiedlicher Herkunft, Religion und Sprache ist die besondere Aufgabe unserer Einrichtung. Im Glauben und im Vertrauen 5Uwe Becker: Perspektiven der Diakonie im gesellschaftlichen Wandel. NeukirchenVluyn.2011, S. 18. auf den Segen Gottes wollen wir verbinden, wo andere trennen, Sprache finden, wo andere schweigen, und tätig werden, wo andere wegschauen.“ Ein letzter Gedanke zu den Grundlagen der Arbeit knüpft an das Leben und Wirken der Person an, auf deren Namen sich das Stift beruft: Paul Gerhardt. In die Not der Kriegs- und Nachkriegszeit des 17. Jahrhunderts sowie in die persönliche Leidensgeschichte durch den Verlust fast aller Familienmitglieder hineingeschrieben, sind die Lieder und Texte Gerhardt noch heute eine wichtige Inspirationsquelle für die sozial-diakonische Arbeit. Dabei können sie mehr als fromme Besinnungsmusik sein. Denn in vielen Liedern steckt, so Fulbert Steffensky, eine „Poesie von unten“. Gerhardt erbitte nicht nur die starken Hände Gottes, „die alles Herzleid wenden“.6 Sondern er fordere das Recht der Armen, und er erinnere die Mächtigen daran, dass sie spätestens in der Stunde ihres Todes allen Armen gleich sind. Gerhardts Adventslied „Wie soll ich dich empfangen“ spricht dabei besonders das aus, was sowohl für die Reflexion des eigenen Lebens, wie auch für die © E diakonische und soziale Arbeit PD von Bedeutung ist. „Ich lag in schweren Banden / du kommst und machst mich los / ich stand in Spott und Schanden / du kommst und machst mich groß.“ Damit ist auch ein Anknüpfungspunkt für die Adressaten Sozialer Arbeit benannt, die durch die Angebote des ZukunftsHaus‘ Wedding eingeladen werden. Dass niemand zurückgelassen werden darf, und dass es trotz widriger Lebensverhältnisse und Ausgrenzungserfahrungen Hoffnung auf Veränderung geben kann. Das ist eine der Kernbotschaften gelebter diakonischer Grundhaltung im Paul Gerhardt Stift. 6Fulbert Steffensky: Lasset uns singen – Zum 400. Geburtstag von Paul Gerhardt; in Leben & Glauben, Evangelische Zeitschrift, Nr. 48, 2006 bis Nr. 47, 2007. ANZEIGE Die Tagesklinik und Psychiatrische Institutsambulanz (PIA) Wedding gratuliert dem Paul Gerhardt Stift herzlich zum 140-jährigen Jubiläum! Die PIA und Tagesklinik Wedding be- mit Migrationshintergrund ist ein be- handelt Menschen in seelischen Krisen. sonderer Schwerpunkt der Einrichtung. Die Behandlung basiert auf einem of- Das Leistungsangebot richtet sich an fenen Austausch zwischen Patienten Menschen mit Depressionen, Angst- und und Mitarbeitern. Das Angebot um- Zwangsstörungen, psychosomatischen fasst psychotherapeutische Einzel- und Störungen, psychosozialen Krisen, Schi- Gruppengespräche, fachärztliche Be- zophrenien und anderen psychotischen treuung, Ergotherapie und sozialarbei- Erkrankungen, manisch-depressiven Er- terische Unterstützung. Auch die psy- krankungen und Persönlichkeitsstörungen chiatrische Behandlung von Patienten (einschl. Borderline-Störungen). Anzeige_PIA und TK Wedding_140 Jahre Paul Gerhardt Stift_2016.indd 1 Tagesklinik und Psychiatrische Institutsambulanz Wedding Müllerstraße 56–58, 13349 Berlin /// Leitung PD Dr. med. Meryam Schouler-Ocak /// Oberarzt Dr. med. Stefan Gutwinski Kontakt/Anmeldung Tel.: (030) 450 00 - 20 Fax: (030) 450 00 - 241 28.04.2016 15:25:54 SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 21 HISTORISCHE TRADITION UND TRANSFORMATION TRANSFORMATIONEN – WEGE ZUM ZUKUNFTSHAUS WEDDING Vernetzung und Entwicklung des Geländes: die Jahre 2006 – 2010 Im Jahr 2006 arbeitete der Vorstand in Person von Martin von Essen und Andreas Arentzen weiter am Ausbau des Paul Gerhardt Stifts zum Dienstleistungs- und Gesundheitszentrum. Zu diesem Zweck wurden die verbliebenen Verwaltungstätigkeiten allerdings an das Evangelische Johannesstift abgegeben, denn die Aufgabe der Arbeitsgebiete Krankenhaus und Krankenpflegeschule Ende der 1980er Jahre sowie die Schließung des Flüchtlingswohnheims mit etwa 200 Plätzen im Jahr 2004 markierten ein vorläufiges Ende der umfangreichen operativen Aufgaben des Paul Gerhardt Stifts. Das Paul Gerhardt Heim für traumatisierte Flüchtlinge wurde jedoch ab 2004 als „Refugium“ mit etwa 40 Plätzen im Stift sowie in Wohnungen der Lange-Schucke-Stiftung weitergeführt und trägt seitdem wesentlich zur Gemeinnützigkeit des Stifts bei. Bereits Ende 2005 wurden die Grundlagen für eine enge Zusammenarbeit mit dem Johannesstift gelegt, etwa durch die Gründung der gemeinnützigen Paul Gerhardt Stift Pflege Gesellschaft, die Pächter des neu gebauten Pflegewohnheims Schillerpark auf dem Stiftsgelände wurde. Seit 2006 werden dort 138 pflegebedürftige Seniorinnen und Senioren pflegerisch und psychosozial betreut. Durch Immobilienverkäufe konnte die wirtschaftliche Basis des Stifts gestärkt und die Planungen für neue Projekte auf den Weg gebracht werden. Der Vorstand und die leitenden Mitarbeitenden entwickelten zwischen 2008 und 2009 Vorschläge zur strategischen Weiterentwicklung des Paul Gerhardt Stifts. Auf der Grundlage einer Standortanalyse entstand schließlich das Konzept „Marktplatz der Generationen“. Begegnung zwischen den Generationen, Kulturen und Religionen wurden als jene drei Handlungsfelder identifiziert, die 22 mit Blick auf die Bevölkerungsstruktur im Umfeld des Paul Gerhardt Stifts als bedeutend erschienen, aufgrund der fehlenden Infrastruktur allerdings nicht umgesetzt werden konnten. Unter den Stichworten Integration, Vernetzung und Aktivierung wurden Überlegungen skizziert, wie das Stift einen sinnvollen Beitrag zur Entwicklung der Zivilgesellschaft im sozialen Brennpunkt leisten konnte. Schließlich konnte unter dem Geschäftsführer Sven Pruß-Delitsch ein Förderantrag an die Stiftung Deutsche Klassenlotterie zum Umbau von Räumlichkeiten im Mutterhaus auf den Weg gebracht werden, durch den ein Treffpunkt für den Stadtteil entstehen sollte. Mehr und mehr wurde deutlich, dass die neue Aufgabe des Paul Gerhardt Stifts in der Umwandlung zu einem „Stadtteilhaus“ würde liegen müssen, das sich nach dem Prinzip der Gemeinwesenarbeit gestaltet. Der Gemeinwesenarbeit geht es um die Bereitstellung bedarfsgerechter Beratung und Treffpunkte, um die Aktivierung und Unterstützung von Selbstorganisationen, um die Entwicklung von Strategien zur Verbesserung der Lebenslagen sowie um die Förderung von Kommunikation, Vernetzung und Kooperation im Stadtteil. Auf dem Weg zum ZukunftsHaus Wedding: die Jahre 2010 – 2016 Im April 2010 wurde die neue Geschäftsführerin Ute Köpp-Wilhelmus berufen, die bereits seit 1989 die Flüchtlingsarbeit im Paul Gerhardt Stift verantwortet hatte. Ab 2011 konnten dann die begonnenen konzeptionellen Arbeiten in konkrete Projekte umgesetzt werden. Neben der Eröffnung eines Familienzentrums wurden in den Jahren 2012 und 2013 mit Mitteln der Deutschen Stiftung Klassenlotterie und der Senatsverwaltung für Umwelt und Stadtentwicklung Räume für ein Stadtteilzentrum umgebaut und ein „Hof der Begegnung“ angelegt. Kuratorium und Vorstand der Stiftung entschieden sich bereits 2011 dafür, die Einrichtung künftig weiterhin verstärkt als Anbieterin NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT sozialer und diakonischer Dienstleistungen zu etablieren. Durch eine Anschubfinanzierung aus Stiftungsmitteln in mehr Personalressourcen mit Blick auf professionelle stadtteilorientierte Arbeit, Ehrenamtsmanagement, Kommunikation und Akquise von Förderund Spendenmitteln konnte mit dem Aufbau der Strategie ZukunftsHaus Wedding begonnen werden. Das ZukunftsHaus Wedding ist mit seinem lebenswelt- und sozialraumorientierten Ansatz ein offenes Angebot für den Stadtteil. Bürgerinnen und Bürger aus der Nachbarschaft erhalten die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten und Aktivitäten für andere zu entfalten, ihre Eigenverantwortung zu stärken und neue Verbindungen aufzubauen. Das ZukunftsHaus Wedding insbesondere in Gestalt des Stadtteilzentrums hat sich zu einem Ort der Bildung und Beratung im Stadtteil Wedding entwickelt. Für das Paul Gerhardt Stift sollen mit der konzeptionellen Weiterentwicklung seiner Angebote die vorfindlichen Aktivitäten und Projekte für Jung und Alt sowie für Menschen unterschiedlicher Herkunft und Sprache im Stadtteil verbunden werden. Das ZukunftsHaus Wedding bietet im Zusammenspiel von professioneller und ehrenamtlicher Tätigkeit Leistungen für ein übergreifendes Miteinander an und zielt auf die interkulturelle und intergenerationelle Bildung, Beratung und Vernetzung im Stadtteil. Es ist offen für Menschen jeden Alters und jeder Herkunft. Das ZukunftsHaus Wedding gründet und zielt auf Inklusion. Die Sozialnorm der Inklusion bildet den Rahmen für die Förderung von Selbstbestimmung und sozialer Teilhabe. Eine weitere wichtige Grundlage unserer Arbeit ist die interkulturelle Öffnung. Der Wedding im Allgemeinen und das Paul Gerhardt Stift mit seinem Refugium , dem Stadtteilzentrum und der Kindertagesstätte sind Orte, an denen sich täglich Gelegenheiten ergeben, die eigene „interkulturelle Kompetenz“ zu erproben und zu erweitern. Das Paul Gerhardt Stift hat sich der „Charta der Vielfalt“ TRADITION UND TRANSFORMATION angeschlossen und drückt damit aus, dass Toleranz, Anerkennung und das Zulassen unterschiedlicher Kulturen ein Markenzeichen der Arbeit ist und dies immer neu sein soll. Wenn das ZukunftsHaus Wedding auch künftig als Knotenpunkt nachbarschaftlicher Solidarität angenommen werden soll, dann wird es umso erfolgreicher sein, je aktiver es sich dem Gespräch zwischen Kulturen und Religionen stellt und Strukturen für einen solchen Austausch schafft. Ein zentrales Kriterium für ein bedarfsgerechtes und nachhaltiges Bildungs- und Beratungskonzept ist der Nachweis, dass alle Angebote der Hilfe zur Selbsthilfe dienen sollen. Neben der Kooperation mit anderen Trägern und Einrichtungen im Sozialraum bezieht das Paul Gerhardt Stift mit seinen Angeboten deshalb die Zielgruppen (Eltern, Familien, Kinder und Jugendliche, Senioren, Migranten) bei der Entwicklung und Konzeption der Bildungs- und Beratungsangebote nach Möglichkeit ein. Zum anderen setzt das Paul Gerhardt Stift mit dem ZukunftsHaus Wedding auf die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements durch den Aufbau eines aktiven Netzwerks von Ehrenamtlichen und nachbarschaftlichen Unterstützungssystemen. Im ZukunftsHaus Wedding werden Beziehungen gestiftet und Gelegenheitsstrukturen geschaffen. In ihm werden Beziehungen gestiftet und Gelegenheitsstrukturen geschaffen, die die je unterschiedlichen und die gemeinsamen Erfahrungen mit anderen Menschen des Stifts und des Stadtteils in den Mittelpunkt stellen. Es umfasst alle sozial-diakonischen Arbeitsbereiche des Stifts. Dazu gehören das Refugium für schutzbedürftige Flüchtlinge, das Stadtteilund Familienzentrum, das Geistliche Zentrum, das Servicewohnen für Seniorinnen und Senioren sowie eine Kindertagesstätte. REFUGIUM Das Refugium bietet als Wohnheim für Flüchtlinge besonders schutzbedürftigen Asylbewerbern Wohnraum und Unterstützung durch Sozialberatung. Derzeit verfügt das Refugium über 136 Plätze, etwa 60 Prozent der Bewohner / -innen sind Kinder und SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 23 TRADITION UND TRANSFORMATION Jugendliche. Mit unserer Einrichtung wollen wir zur besseren Integration der Menschen beitragen, die vor Krieg, Verfolgung und Gewalt nach Deutschland geflohen sind. Wir wenden uns in besonderer Weise an traumatisierte, von Behinderung betroffene und ältere Flüchtlinge sowie an allein stehende Flüchtlingsfrauen und ihre Kinder. Sie erhalten Unterstützung in allen sozialen Fragen, die von qualifizierten Sprachmittlern begleitet wird. Wir fördern nachbarschaftliche Begegnung und sozialräumliche Inklusion durch enge Zusammenarbeit zu den anderen Arbeitsfeldern, insbesondere dem Stadtteilzentrum. STADTTEILZENTRUM Das Stadtteilzentrum besteht aus zwei Säulen. Zum einen beherbergt es das Familienzentrum mit seinen vielfältigen Angeboten für Familien mit ANZEIGE Säuglingen, Kleinkindern und Grundschulkindern für alleinerziehende Eltern und Großeltern. Es bietet Familien-, Sozial- und Rechtsberatung, Sprach-, Kreativ- und Sportkurse sowie Krabbelgruppen oder Kurse zur Geburtsvorbereitung. Das Programm wird kontinuierlich bedarfsgerecht weiterentwickelt. Es wurden seit seiner Gründung im Jahr 2012 nach und nach zusätzliche Formate z. B. für Senioren oder Jugendliche sowie Beratungsangebote aufgenommen. Zudem wird die Vernetzung mit anderen Institutionen im Stadtteil intensiviert. Zum anderen ist das Stadtteilzentrum mit seinem „Café Klosterhof“ zu einem Treffpunkt für die Mitarbeiter und Bewohnerinnen auf dem Gelände und Menschen aus dem Stadtteil geworden. Das Paul Gerhardt Stift möchte mit dem Stadtteilzentrum einen sichtbaren Beitrag zur sozialen und kulturellen Förderung des Stadtteils leisten und einen Knotenpunkt nachbarschaftlichen Engagements sein. KINDERTAGESSTÄTTE Das Paul Gerhardt Stift konnte schließlich im Herbst 2014 eine Kindertagesstätte für 38 Kinder eröffnen. Durch Mittel der Senatsverwaltung für Umwelt und Stadtentwicklung sowie der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft war es möglich geworden, ein denkmalgeschütztes Gebäude auf dem Gelände zu einer modernen Kindertagesstätte umzubauen. Die Kindertagesstätte bringt Menschen unterschiedlicher kultureller, religiöser und sprachlicher Herkunft zusammen. Sie bietet Bildung in unterschiedlichen Kontexten und verschiedenen Formen an. Es geht um Spiel gemäß des jeweiligen Entwicklungsstands als Grundlage von Bildung. Sodann hat das Team die Förderung von Sprache, Bewegung und Gesundheit im Blick. Wir fördern Partizipation und Inklusion und setzen uns mit den verschiedenen kulturellen und 24 NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT religiösen Hintergründen der Kinder und ihrer Familien auseinander. Die Einrichtung hat sich bereits in kurzer Zeit als Ort der inklusiven Erziehung und Bildung im Stadtteil etabliert, die Warteliste ist anhaltend lang. Das pädagogische Konzept beruht auf den Grundsätzen von Anerkennung, Gerechtigkeit, Freiheit und Respekt, die jedem Kind gebühren. Die Basis der Arbeit mit Kindern und ihren Eltern ist es, dass beides seinen Platz hat, sowohl Individualität, als auch Gemeinschaft. Auf eine kurze Formel gebracht bedeutet dies: alle anders, alle gleich, alle wichtig! SERVICEWOHNEN FÜR SENIORINNEN UND SENIOREN Das Paul Gerhardt Stift bietet in über 50 Appartements für etwa 75 Seniorinnen und Senioren altersgerechtes Wohnen mit dem Ziel der sozialräumlichen Integration und hoher Lebensqualität. Die um das Servicewohnen herum etablierten Versorgungsansätze und Unterstützungsleistungen helfen dabei, Pflegebedürftigkeit möglichst zu verhindern. Deshalb zielt die psychosoziale Beratung und Begleitung älterer und hochbetagter Menschen auf die Teilhabe an zivilgesellschaftlichen Aufgaben und die Ermöglichung eines reichen kulturellen Lebens (z. B. im Rahmen des Stadtteilzentrums). Dadurch kann ein höheres Wohlbefinden und ein späterer Eintritt von Pflege- und Hilfsbedürftigkeit erreicht werden. GEISTLICHES ZENTRUM Das Paul Gerhardt Stift zu Berlin versteht sich als lebendiger Baustein einer offenen Kirche im Stadtteil. Die Kirche des Stifts ist Raum für Gottesdienste, Gebete oder Orgelandachten. Diese Formen sind vor allem durch die spezifische Tradition der Schwesternschaft des Diakonissenmutterhauses und später des Konvents, also durch TRADITION UND TRANSFORMATION die Geistlichen Gemeinschaften geprägt. Die Geistlichen Gemeinschaften tragen ganz wesentlich das geistliche Leben und viele ihrer Mitglieder sind ehrenamtlich im Haus tätig. Oasenund Einkehrtage, Taizégebete oder Bibelarbeiten sind weitere Formen des religiösen Lebens im Stift. Die Besinnung und regelmäßige Einübung auf eine spirituelle Kultur können helfen, die eigentlichen Ziele des Stifts lebendig zu halten. Für Bewohnerinnen, Interessierte aus der Bezirksregion und anderen Gemeinden sowie für den Kirchenkreis ist es wichtig, dass das Stift ein verlässlicher Ort des Gebets ist und bleibt. Das Geistliche Zentrum möchte sich künftig für weitere Formen und Praxen öffnen, die Impulse der umliegenden Kirchengemeinden und des Kirchenkreises aufnimmt und neue Zielgruppen anspricht. Dazu gehören letztlich alle Personen, die mit den diakonischen Arbeitsfeldern in Berührung kommen: Kinder, Eltern, Flüchtlinge, Menschen mit Behinderung und Senioren sowie auch solche, denen die traditionellen Formen bisher fremd sind. Ein wesentliches Thema im Rahmen der interkulturellen Öffnung ist die Frage nach der Fähigkeit zur konstruktiven Auseinandersetzung mit anderen Religionen und Religionsgemeinschaften. Das Paul Gerhardt Stift versucht durch Veranstaltungen und Begegnungen auf andere Religionsgemeinschaften in der Nachbarschaft zuzugehen, diese in das Haus einzuladen und den Diskurs zu fördern. PFADE IN DIE ZUKUNFT Die sozialräumliche Vernetzung, die Kooperation mit anderen Trägern und die Unterstützung durch Spenden waren für den Aufbau des ZukunftsHaus‘ Wedding in vergangenen Jahren enorm wichtig und werden dies auch künftig sein. Inhaltlich baut das Paul Gerhardt Stift weiterhin auf Kooperationen mit starken Partnern aus dem Stadtteil, aus Kirche und Verbänden. Auf diese Weise kann die zivilgesellschaftliche Bedeutung von Kirche hervorgehoben und ein Beitrag zur sozialen und kulturellen Förderung des Stadtteils geleistet werden. Wir wünschen uns, dass noch mehr lokale Entwicklungspartnerschaften zwischen Stift bzw. der Paul Gerhardt Stift Soziales gGmbH, Zivilgesellschaft, Bildungseinrichtungen, Kommune und anderen örtlichen Akteuren entstehen. An dieser Stelle sei allen Partnern gedankt, die bis zum heutigen Tag zum Aufbau des „neuen“ Paul Gerhardt Stifts beigetragen und die inhaltliche Profilierung unterstützt haben. Stellvertretend für viele Kooperations- und Netzwerkpartner danken wir dem Deutschen Familienverband, der Caritas Erziehungs- und Familienberatung, der Intergierten Sekundarschule am Schillerpark und der Volkshochschule City in Berlin-Mitte. SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 25 AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | REFUGIUM NEUES AUS DEM REFUGIUM Regine Vogl W ie täglich der Presse entnommen werden kann, ist die Situation für neu eingereiste Flüchtlinge in Berlin seit längerer Zeit sehr schwierig. Es gibt zu wenige Wohnheimplätze, so dass Geflüchtete in provisorischen Notunterkünften und Turnhallen untergebracht werden. Diese Situation ist gerade für Flüchtlinge mit besonderem Schutzbedarf, wie etwa Familien mit kleinen Kindern, schwangere Frauen oder alte Menschen, nur sehr schwer erträglich. Menschen mit solchem besonderen Schutzbedarf leben schon 26 seit langem auch auf dem Gelände des Paul Gerhardt Stifts, im Flüchtlingswohnheim Refugium. Aus dem Stadtteil hören wir häufig, dass dies gar nicht bekannt ist. Das liegt wohl daran, dass das Paul Gerhardt Stift kein „typisches“ Heim ist, und die Arbeit des Refugiums nach außen nicht so sehr bemerkt wird. Das freut uns, schließlich wollen wir gar nicht auf den „Präsentierteller“, sondern einen ruhigen und sicheren Ort zum Leben für unsere Bewohnerinnen und Bewohner schaffen. Aber wer sind eigentlich die Menschen, die hier leben? Unsere Bewohnerinnen und Bewohner kommen NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT derzeit aus insgesamt 15 verschiedenen Ländern, darunter Syrien, die West-Balkan-Staaten, Somalia, Tschetschenien und Pakistan. Etwas mehr als die Hälfte der hier Lebenden sind Kinder und Jugendliche unter 18, die gemeinsam mit ihren Eltern bei uns wohnen. Wir sind deshalb besonders froh, dass wir auf dem Gelände des Stifts unsere Zusammenarbeit mit der Kita und dem Stadtteil- und Familienzentrum ausbauen konnten. Kinder aus dem Refugium besuchen die Kita und selbstverständlich die Kinderbibliothek, können in den Ferien an Ausflügen und Angeboten des REFUGIUM | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT Familienzentrums teilnehmen und sind beim Laternenfest mit dabei. Sprachkurse und Beratungsangebote, die auf dem Gelände angeboten werden, sind für die Eltern eine gute Möglichkeit, erste Schritte in Richtung Integration zu gehen. Mittlerweile hat sich das Paul Gerhardt Stift, auch und besonders durch das Modell der integrativen sozial-diakonischen Arbeit unter dem Dach des ZukunftsHaus‘ Wedding, den Ruf einer besonders geeigneten Einrichtung für geflüchtete Familien und allein erziehende Mütter in Berlin erarbeitet. Dafür wollen wir auch zukünftig Sorge tragen. Das Refugium als Einrichtung für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge hat seine Arbeit im Mai 2016 deshalb weiter ausgebaut. Sowohl im Erdgeschoss, als auch in der ersten und zweiten Etage des Mutterhauses werden einige weitere Wohnungen vom Paul Gerhardt Stift zur Unterbringung von Flüchtlingsfamilien genutzt. Damit bietet das Paul Gerhardt Stift auf seinem Gelände nun Platz für die Unterbringung von 137 Menschen in insgesamt 40 Wohnungen. Auch die neuen Familien werden – wie die bisherigen Bewohnerinnen und Bewohner auch – von den Mitarbeiterinnen des Refugiums im Rahmen der sozialpädagogischen Arbeit begleitet und betreut. Wir tun unser Möglichstes, um den neuen Familien hier im Paul Gerhardt Stift einen sicheren Ort zum Leben und die notwendige Unterstützung im Alltag zu bieten. Um alle Flüchtlinge gut versorgen zu können, unterstützen drei weitere Mitarbeiterinnen seit Mai das Refugium tatkräftig. In den vergangenen beiden Jahren hat sich das Zusammenleben aller Bewohnerinnen und Bewohner im Haus gut eingependelt. Wir möchten uns an dieser Stelle besonders für die Unterstützung bedanken, die das Refugium immer wieder aus der Hausgemeinschaft des Paul Gerhardt Stifts erfährt. Wir wünschen uns allen auch weiterhin ein so positives nachbarschaftliches Miteinander. © at riv Vorgestellt p JUDITH KUSSEROW Mein Name ist Judith Kusserow, und ich bin seit 2011 als staatlich anerkannte Erzieherin und Tanzlehrerin in verschiedenen sozialen und künstlerischen Einrichtungen tätig. Ende April habe ich ich meiner bisherigen Arbeitsstelle am Musical-Theater den Rücken gekehrt und freue mich nun auf viele neue Erfahrungen und Herausforderungen im Refugium. © vat pri AFERDITA LIMANI Ich heiße Aferdita Limani, ich bin verheiratet und habe zwei Jungs im Alter von 3,5 und 1,5 Jahren. Seit dem 2. Mai 2016 bin ich als Sozialassistentin im Refugium tätig. Vorher war ich öfters im Refugium als Dolmetscherin (in albanischer Sprache) tätig. In den letzten neun Jahren habe ich in einer Zahnarztpraxis als zahnmedizinische Fachangestellte gearbeitet und dort auch verwaltungstechnische Aufgaben übernommen (Praxismanagement). Das vielseitige Arbeiten in einer Zahnarztpraxis und der tägliche Umgang mit vielen verschiedenen Menschen bereiteten mir dabei stets große Freude. Außerdem bin ich auch ausgebildete Bürokauffrau. Ich freue mich sehr auf mein neues Tätigkeitsfeld, in dem ich mit Sicherheit meine Fertigkeiten und mein Wissen erweitern werde. Der Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und den Bewohnern des Paul Gerhardt Stifts sehe ich mit viel Freude entgegen. © vat pri LEON GRAU Mein Name ist Leon Grau, ich bin 21 Jahre alt und mache seit einem guten Jahr ein FSJ im Refugium. Zu meinen Tätigkeiten gehören die Begleitung der Sprechstunden mit den Bewohnern, Recherchen im Internet, hauswirtschaftliche Einkäufe sowie die Unterstützung des Hausmeisters bei Renovierungen und Reparaturen. Zudem leite ich zweimal die Woche eine eigene Kinderbetreuung am Nachmittag. Die Eltern nutzen diese Freizeit meist zur Weiterbildung ihrer Sprachkenntnisse in einem Deutschsprachkurs. Einmal die Woche bekomme ich zusätzliche Unterstützung von einer ehrenamtlichen Dame. Während dieser Zeit spiele ich mit den Kindern in einem großzügigen Raum und wenn es das Wetter erlaubt auch auf unserem neuen Spielplatz des Paul-Gerhardt-Stifts. SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 27 AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | REFUGIUM EINBLICK: Arbeit als Dolmetscherin M ein Name ist Malizha Musaeva. Ich arbeite seit einigen Jahren als Honorarkraft im Refugium. Ich dolmetsche freitags die Tschetschenisch / Russisch Sprechstunde. Zusätzlich begleite ich unsere Bewohner bei wichtigen Terminen. Dazu gehören unter anderem Krankenhausbesuche und Behördengänge. Außerdem stehe ich auch telefonisch in dringenden Fällen für meine Kollegen und die Bewohner zur Verfügung. Auch wenn es manchmal hektisch zugeht, ist es uns wichtig, dass sich unsere ©P riv at Bewohner bei uns wohl fühlen und wir ihnen ihren Alltag, in dem für sie vieles noch fremd und neu ist, etwas erleichtern. Da ich beide Kulturen kenne, verläuft die Vermittlung zwischen ihnen meist reibungslos. Des Öfteren lerne ich aber auch mit plötzlich auftretenden unbekannten Situationen umzugehen. Das macht meine Arbeit im Refugium lehrreich und spannend. „SAVE SPACES“: PAUL GERHARDT STIFT WIRD KONSULTATIONSEINRICHTUNG Neues Projekt zur Verbesserung des Kinder- und Frauenschutzes in Berliner Flüchtlingsunterkünften D as Bundesfamilienministerium fördert zunächst für das Jahr 2016 bundesweit 18 Projekte, die einer Verbesserung des Frauen- und Kinderschutzes in Unterkünften für Flüchtlinge © p at riv dienen sollen. Unterstützt durch das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz gelang es dem Paul Gerhardt Stift, den Zuschlag für das Projekt „Save Spaces“ zu erhalten und eine Referentinnenstelle einzurichten. Seit dem 01. Juni entwickelt Emsal Kilic (siehe unten) Strategien und Maßnahmen des Kinder- und Frauenschutzes in ausgesuchten Notunterkünften und Vorgestellt EMSAL KILIC Ich reiste 1975 als Tochter einer Gastarbeiterfamilie aus der Türkei nach Deutschland und lebe seitdem in Berlin. 1994 schloss ich am Pestalozzi-Fröbel-Haus meine Erzieherinnenausbildung ab. Bevor ich nach §11 des Berliner Hochschulgesetzes – also ohne Abitur – das Studium begann, war ich in der „Regenbogenfabrik“ und in einem Wohnprojekt für wohnungslose Menschen als Sozialarbeiterin tätig. Während des Studiums der Sozialwissenschaften an der Humboldt Universität habe ich nebenbei als Honorarkraft für verschiedene Antigewaltprojekte gearbeitet. Von 2009 bis zum Mai 2016 arbeitete ich als Koordinatorin bei der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen und ihren Kindern (BIG e. V.). Ich freue mich sehr darauf, im Projekt „Save Spaces“ arbeiten zu dürfen und auf diese Weise meinen Beitrag zum Schutz von Kindern und Frauen in Flüchtlingsunterkünften leisten zu können. 28 NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT © Hamed Saber /piqs_de REFUGIUM | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT Gemeinschaftseinrichtungen für Flüchtlinge in Berlin. Das Paul Gerhardt Stift wird mit dem „Refugium“ damit zu einer sogenannten Konsultationseinrichtung und fördert das Monitoring, die fachliche Weiterentwicklung, die Sensibilisierung von Professionellen und Ehrenamtlichen sowie die Stärkung der Zielgruppen Frauen und Kinder. Im Bereich des Kinderschutzes soll darum gehen, verbesserte Schutzstrategien in die tägliche Beratungsund Betreuungsarbeit der jeweiligen Einrichtung zu integrieren. Es gilt, die Ressourcen der Familien in den Einrichtungen wahrzunehmen und Kinder altersgemäß an Bildungsmaßnahmen zur Verankerung von Kinderrechten zu beteiligen. Im Bereich des Frauenschutzes prüft das Projekt, inwieweit sich das Konzept von spezialisierten Schutzräumen und weiteren Schutzmaßnahmen auch in anderen Einrichtungen umsetzen lässt. „Das Projekt zielt auf Empowerment von Frauen und auf die fachliche Weiterentwicklung der Einrichtungen“, so Emsal Kilic. Gerade die Situation von Flüchtlingsfrauen ist durch spezifische Problemstellungen und Fluchtursachen charakterisiert, die sie zu einer besonders schutzwürdigen Personengruppe machen. Dazu gehören Traumatisierungen durch geschlechtsspezifische Verfolgung, Frauenhandel und Zwangsprostitution, aber auch systematische Benachteiligung bei Bildungs- und Gesundheitsangeboten. Die Aufgabe von Emsal Kilic wird es sein, die Kommunikation mit dem Kooperationsverbund aus UNICEF, dem Bundesfamilienministerium, Save the Children und den Wohlfahrtsverbänden zu steuern. „Wir wollen Teams, Ehrenamtliche und weitere Akteure in der eigenen sowie in angrenzenden Einrichtungen in Fragen des Kinder- und Frauenschutzes schulen und das Thema damit strukturell verankern“, präzisiert Kilic. Ziel sei es, Politik, Verwaltung, Träger, Verbände sowie die Öffentlichkeit auf die Notwendigkeit von Schutzräumen in Erstaufnahme- und Gemeinschaftsunterkünften hinzuweisen. SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 29 AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | REFUGIUM PROJEKT „IMPULSE“ FÜR FLÜCHTLINGSFRAUEN Zusätzliche psychosoziale Unterstützung wird durch eine Förderung der EKBO möglich N eingerichtet, die allein reisenden Frauen und Müttern mit ihren Kindern einen Schutzraum bietet. Die „Frauenetage“ wird von den sozialpädagogischen Mitarbeiterinnen des Refugiums begleitet und betreut. Die unterschiedlichen geschlechtsspezifischen Fluchtursachen von Frauen machen eine besondere Unterkunftsform und einen spezifischen Beratungs- und Begleitungsbedarf notwendig, die ihrer Schutzwürdigkeit entsprechen. Gerade in allgemeinen Gemeinschaftsunterkünften sind allein stehende Mädchen und Frauen häufig nicht ausreichend vor sexualisierten Übergriffen geschützt oder haben zu wenige Möglichkeiten, sich frei im Kreis © Dett, E. / piqs.de och bis zum Dezember 2016 ist es durch eine Förderung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) in Höhe von 20.000 Euro möglich, dass das Refugium seine Angebote für traumatisierte Flüchtlinge, Familien und Kinder um ein spezifisches sozialpädagogisches Angebot ausbauen kann. Durch Stundenaufstockung und eine zusätzliche Honorarkraft konnten die Angebote an psychosozialer Begleitung und Beratung insbesondere für Frauen aus der „Frauenetage“ erweitert werden. Seit April des Jahres 2014 hat das Refugium eine Frauenetage 30 NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT anderer Frauen zu treffen und sich auszutauschen (siehe Ausführungen zum Projekt „Save Spaces“). Das Refugium legt im Rahmen seiner Arbeit für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge ein besonderes Augenmerk auf die allein reisenden sowie allein erziehenden Flüchtlingsfrauen. Das Projekt „Impulse“ bietet zusätzliche Möglichkeiten zur individuellen Beratung und anderen psychosozialen Hilfestellungen, die von den Sozialpädagoginnen Melanie Lucas und Stefanie Sdun umgesetzt werden. Die Bewohnerinnen sollen mittelfristig auch Strategien der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung entwickeln. Regelmäßige Gruppenangebote unterstützen diesen Prozess. Ziel der Sozialen Arbeit in der Frauenetage ist die Unterstützung bei der weiteren Lebensplanung, Hilfe bei der Bewältigung von Gewalterfahrungen, Beratung bei der Erziehung und Betreuung der Kinder einschließlich der Unterstützung in Fragen der elterlichen Sorge und des Umgangsrechts in enger Zusammenarbeit mit dem bestehenden Hilfesystem. Durch die großzügige Förderung der EKBO kann zusätzlich die Organisation von Gruppenangeboten (Sprachkurse für Frauen ohne Zugang zu Integrationskursen mit Kinderbetreuung, gemeinschaftliche Aktivitäten zum Kennenlernen und zur Prävention von Konflikten), frauenspezifische Beratung (für Alleinerziehende) sowie Unterstützung bei der Wohnungssuche und Wohnberatung realisiert werden. REFUGIUM | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT FRAUENFRÜHSTÜCK UND DER BERLINER WOHNUNGSMARKT Stefanie Sdun E © Der Patrick / piqs.de 2012 s duftet nach frischen Brötchen, Fladenbrot, Kaffee und Tee. Wie jeden Freitag findet auch heute ein großes Frühstück in der Frauenetage statt. Diese Treffen sind für die Frauen sehr wichtig, denn hier sitzen sie beisammen und reden über alles, was sie gerade beschäftigt. Dabei erzählen einige Frauen über ihre Familien, von ihrer Flucht oder den Traditionen in ihrem Land. Trotz all dieser Sorgen sind die Frauen sehr ausgelassen. Es wird viel gelacht. Manchmal wurde bei orientalischer Musik auch schon getanzt. Abwechselnd spielen die Frauen dann Musik aus ihren Ländern, sodass oft vor Freude kein Auge trocken bleibt. Am Nachmittag bietet das Refugium für alle Bewohner/innen mit einem Aufenthaltstitel eine Wohnungssprechstunde an. Dabei werden sie bei der Antragstellung, in der Wohnungsrecherche und bei der Vorbereitung der Besichtigungstermine unterstützt. Leider ist es auf dem momentanen Wohnungsmarkt eine wahre Herausforderung, eine passende Wohnung für die Bewohner zu finden. Aufgabe der Sozialarbeit ist es, ihnen diesen Zugang zu erleichtern, sie zu unterstützen und anzuleiten. rdt lG a erh © u Pa ft Sti Vorgestellt STEFANIE SDUN Mein Name ist Stefanie Sdun, ich bin 29 Jahre alt und die neue Mitarbeiterin im Refugium. Bis Mai war ich im Rahmen einer Honorartätigkeit bereits im Refugium tätig, um am Vormittag ein gemeinsames Frühstück auf unserer Frauenetage zu gestalten. Diese Arbeit kann ich jetzt hauptamtlich weiterführen, worüber ich mich sehr freue. Meine fachlichen Kenntnisse erwarb ich während meines Studiums der Sozialen Arbeit an der Evangelischen Hochschule Berlin. Ich interessiere mich sehr für Frankreich und die französische Sprache. Meiner neuen Tätigkeit im Refugium blicke ich aufgeschlossen und mit Spannung entgegen. Stefanie Sdun mit zwei Kindern aus dem Refugium SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 31 AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | REFUGIUM ÖKUMENISCHE GEMEINSCHAFT SPENDET 500 EURO D ie Indonesische Ökumenische Gemeinschaft Berlin hat das Refugium mit einer Spende über 500 Euro überrascht. Am 10. Februar 2016 überreichte der Vorsitzende der Indonesischen Ökumenischen Gemeinschaft, Herr Berlin Sumbajak, die Geldspende, die für die vielfältigen Aufgaben und Anschaffungen im Refugium eingesetzt wird. Die Spende kam dankenswerterweise auf Empfehlung von Frau Ute Steigenberger von CHARISMA, der Freiwilligenagentur von Kirche und Diakonie, zustande. Ein herzliches Dankeschön an die Indonesische Ökumenische Gemeinschaft. ANZEIGE 32 NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT REFUGIUM | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT EHRENAMT IM REFUGIUM Drei Portraits © vat pri FARBANSTRICH FRAUENETAGE Mein Name ist Christoph Andreas, und ich biete ehrenamtliche Hilfe im Refugium an. Mein erster Einsatz war bei der Renovierung der Frauenetage. Im Februar haben einige Festangestellte und zwei Ehrenamtler_innen den Flur zu den Zimmern halbhoch in einem Fliederblau gestrichen. Es hat viel Spaß gemacht und war auch nötig, damit die Spuren an den Wänden überdeckt werden konnten. Dabei ist in nur vier Stunden eine belebende Farbe bei den Frauen und Kindern „eingezogen“. Auf der Etage wird auch irgendwann die Küche renoviert, gerne wäre ich wieder dabei! © vat pri DIE KLEIDERKAMMER Ich heiße Una Sarany und arbeite als Ehrenamtliche im Refugium. Im Souterrain des Paul-Gerhardt-Stifts befinden sich die beiden Räume der Kleiderkammer. Dank großzügiger Spenden aus der Bevölkerung können sich die im Refugium wohnenden Flüchtlinge hier ausreichend mit Kleidung versorgen. In Regalen und an Kleiderstangen aufgeschichtet und aufgehängt, gibt es ein reichhaltiges Angebot an Mänteln, Hemden, Blusen, Hosen, Kleidern, Schuhen und Strümpfen, nach Größen und Geschlecht sortiert und beschriftet, für Babys, Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Zum Anprobieren stehen eine kleine Umkleidekabine und ein Spiegel zur Verfügung. Einmal in der Woche – zur Zeit am Donnerstagvormittag – wird der Bestand von mir gesichtet, geordnet, aufgefüllt und je nach Jahreszeit umgeschichtet und ausgetauscht. Während dieser Zeit – oder im Lauf der Woche nach Absprache mit dem Büro – sind die Bewohner des Refugiums eingeladen, in die Kleiderkammer zu kommen und für sich und ihre Familien in Ruhe eine Auswahl zu treffen. © vat pri DEUTSCH LERNEN Mein Name ist Barbara Killich, ich bin 61 Jahre jung und beruflich im Bereich Personalentwicklung eines großen Unternehmens beschäftigt. Durch einen Kontakt zu einem Pfarrer, den ich nach Bedarfen für ehrenamtliche Tätigkeiten gefragt hatte, habe ich den Weg ins PGS gefunden. Bereits in den 80er Jahren hatte ich beruflich mit Lehrgängen „Deutsch als Fremdsprache“ zu tun, das war damals mein Einstieg ins Berufsleben als frisch gebackene Pädagogin. Insofern habe ich mich sehr über die Möglichkeit gefreut, hier wieder anzuknüpfen. So komme ich nun seit einem Jahr jeden Dienstagabend und biete meine Unterstützung speziell den weiblichen Bewohnern des Refugiums an. Das schöne Angebot für die Frauen ist, dass sie in dieser Zeit ihre Kinder in Betreuung geben können und die Zeit für sich und das Lernen haben. Da wir eine kleine Gruppe mit wechselnder Teilnahme sind, hat es sich so entwickelt, jeder Teilnehmerin je nach Sprachkenntnissen eine individuelle Unterstützung beim Deutschlernen anzubieten. Das macht mir sehr viel Spaß und ich bin dankbar, dass ich diese Erfahrung machen darf, denn ich lerne mindestens so viel wie meine Damen. Ich danke den Mitarbeiterinnen des Refugiums für Ihre professionelle, herzliche Aufnahme und Unterstützung und gratuliere dem PGS sehr herzlich zum Jubiläum! SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 33 AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | STADTTEILZENTRUM AKTUELLES AUS DEM STADTTEILUND FAMILIENZENTRUM Irma Leisle D as Paul Gerhardt Stift feiert in diesem Jahr sein 140-jähriges Bestehen – das Stadtteil- und Familienzentrum kann erst auf vier Jahre zurückblicken. So groß der zeitliche Unterschied auch sein mag, das Stadtteil- und Familienzentrum profitiert sehr stark von der jahrelang geleisteten sozial-diakonischen Arbeit des Paul Gerhardt Stiftes und versucht als Brücke zwischen Tradition und aktuellen sozial-diakonischen und politischen Herausforderungen zu fungieren. Mittlerweile haben sich zahlreiche Veranstaltungen, Kurse und Angebote zum festen Programmbestandteil des Stadtteil- und Familienzentrums entwickelt, die immer wieder durch neue, sehr spannende Themen und Arbeitsweisen bereichert werden. Regelmäßige Leserinnen und Leser der Notizen kennen inzwischen einen bedeutenden Anteil unseres Programms und daher konzentriere ich mich an dieser Stelle auf diese zusätzlichen und neuen Veranstaltungen. Ein wichtiger, noch junger Pfeiler der Arbeit im Sozialraum ist das Projekt Stadtteilkoordination (siehe Grafik). Das Projekt möchte einen Dialog im Kiez anregen und versteht sich als Vermittlungs- und Lernprozess zwischen den Bewohner*innen des Stadtteils und den Fachämtern. Die Stadtteilkoordination fungiert als eine Art „Frühwarnsystem“ (W. Hinte) für das Bezirksamt, denn erst durch die sehr unmittelbare Arbeit mit den Bewohnern können sinnvolle Interventionen durch die Verwaltung entwickelt werden. Eine in diesem Zusammenhang entstandene Plattform ist der Runde Tisch SeniorInnenarbeit. Hier lernen sich verschiedene Akteure der Altenarbeit in der Bezirksregion kennen, 34 Stadtteilkoordination Wedding aktive Senioren aus der Selbstvertretung berichtet über ihre Anliegen und ein Vertrauensverhältnis konnte aufgebaut werden. Daraus ist im letzten Herbst zum Beispiel die Aktion „Augen auf, Senioren – Kiezspaziergang“ entstanden. Die Forderungen daraus sind inzwischen in einer Dokumentation zusammen geführt und über die Sozialraumorientierte Planungskoordination an die Verwaltung und Politik im Bezirk Mitte weitergeleitet. Der sehr aktive Runde Tisch veranstaltet am 6. Juli 2016 ab 14 Uhr auf dem Gelände NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT des Paul Gerhardt Stiftes ein Fest für Seniorinnen und Senioren hier aus dem Kiez, zu dem wir hiermit herzlich einladen. Neben einem Bühnenprogramm stellen sich zahlreiche Einrichtungen vor und für das leibliche Wohl wird auch gesorgt. Weiter aktuelle Informationen können über einen regelmäßigen E-Newsletter angefordert werden: [email protected]. STADTTEILZENTRUM | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT VERKEHRSSICHERHEITSTRAINING Das Verkehrssicherheitstraining für Senioren_innen im Februar, angeboten von Mitarbeitern der Landesverkehrswacht, wurde von zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern rege genutzt. Neben einigen Test wie © at riv Sehtest, Hörtest, Reaktionstest u. a. wurde auch ein Rollatortraining angeboten. Dabei wurde festgestellt, dass zahlreiche Rollatoren nicht adäquat für die jeweilige Nutzerin eingestellt war und es konnten wertvolle Hinweise gegeben werden, wie Hindernisses mit dem Rollator besser gemeistert werden können. Aufgrund des großen Zuspruchs zu diesem Angebot werden wir es im kommenden Frühjahr erneut anbieten. Vorgestellt p MICHAELA SELIGER Mein Name ist Michaela Seliger. Ich bin in Frankfurt am Main aufgewachsen und kam 1983 nach Berlin zum Studium der Bildenden Kunst an die Berliner Kunsthochschule. Studienjahre in London und Hamburg folgten. Als Bildende Künstlerin und Kunstpädagogin habe ich bereits von 2011 bis 2013 im Paul Gerhardt Stift ein offenes Malatelier angeboten. Die Arbeit mit den schöpferischen Ressourcen von Menschen unterschiedlichster Herkunft und Alters liegt mit besonders am Herzen. PROJEKT „PHILOS“ WIRD FÜR DREI JAHRE GEFÖRDERT ir freuen uns sehr, dass wir Mitte Juni 2016 mit unserem Projekt „PHILOS – Ehrenamtliches Engagement für Flüchtlinge im Quartier“ beginnen können, das zu einem überwiegenden Teil von Aktion Mensch gefördert wird. Das Paul Gerhardt Stift möchte mit dem Projekt PHILOS die Arbeit von ehrenamtlichen Mentorinnen und Mentoren weiterentwickeln und nachhaltig sichern, die Flüchtlingsfamilien und allein stehende Flüchtlinge im Alltag begleiten und in ihrem Bildungs- und Integrationsprozess unterstützen. Die Ehrenamtlichen sollen in Seminaren zu rechtlichen und psychosozialen Fragestellungen geschult und durch Supervision begleitet werden. Darauf aufbauend werden Bildungs- und Orientierungsangebote für Flüchtlinge im Stadtteil entwickelt, die eine bessere © Renschgro / piqs.de W Integration in die Stadtgesellschaft ermöglichen. Im Projekt PHILOS (griech. = Freund) geht es um die Entwicklung von tragenden Beziehungen auf Augenhöhe. Die Mentoren repräsentieren in ihrer Unterstützung ein (Gast-) Freundschaftsangebot der Gesellschaft, das auf Empowerment, gegenseitiges Lernen und die Förderung von Selbstständigkeit unter erschwerten Bedingungen setzt. Ein Ziel des Projekts ist es, Kinder, Jugendliche und Eltern aus Flüchtlingsfamilien in bereits bewährte außerschulische Bildungsangebote SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 35 AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | STADTTEILZENTRUM des Stadtteilzentrums oder der Kooperationspartner zu vermitteln. Es geht um die Förderung von Selbsthilfepotenzialen in den Familien und um die Stärkung von Selbstwirksamkeit von Kindern und Jugendlichen. Insbesondere Kinder und Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien sollen mit PHILOS eine besondere Aufmerksamkeit erhalten. Das Paul Gerhardt Stift möchte darauf reagieren und mit dem Projekt PHILOS seine Arbeitsbereiche Refugium und das Stadtteilzentrum stärker miteinander verknüpfen, um so die Integrationspotenziale besser als bisher zu fördern und zu nutzen. Das Stift hat in den Jahren 2014 und 2015 die Erfahrung machen können, dass sich immer mehr Menschen für eine ehrenamtliche Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Eltern, gerade auch aus Flüchtlingsfamilien interessieren. Dafür wird eine Koordinierungsstelle für das Ehrenamtsmanagement zwischen Flüchtlings- und Stadtteilarbeit aufgebaut werden, die durch Melanie Noack geleitet wird. Weitere Informationen: [email protected] Telefon: 030 450 05 106 © at riv Vorgestellt p MELANIE NOACK Mein Name ist Melanie Noack. Nach meinem Studium der Sozialpädagogik habe ich in verschiedenen Projekten zumeist Jugendliche und junge Erwachsene betreut. In meiner Tätigkeit als Sozialpädagogin war ich Ansprechpartner für alle kleinen und großen Belange meiner Teilnehmer, und habe ihnen gerne Hilfestellung bei der persönlichen Weiterentwicklung gegeben. Die Arbeit mit meinen Kollegen und netten Teams hat mich dabei immer motiviert. Ich freue mich darauf ab Mitte Juni eine neue Aufgabe im Stadtteilzentrum zu übernehmen und dort im Projekt PHILOS die ehrenamtlichen Helfer zu beraten und zu unterstützen. © vat pri STEFANIE DROBIG Ich bin Stefanie Drobig, verheiratet und Mutter einer 14 jährigen Tochter. Nachdem ich 1995 meine Ausbildung als Pharmakantin erfolgreich beendete, arbeitete ich bis 2006 in diesem Beruf. Ich entschloss mich, neue berufliche Wege einzuschlagen woraufhin ich eine Umschulung zur Verwaltungsfachangestellten absolvierte. Ich arbeitete in unterschiedlichen behördlichen Einrichtungen und sammelte dort viele Erfahrungen. Meine letzte Station als Verwaltungsfachangestellte im öffentlichen Dienst war die Prüfstelle im DRK. Ich arbeite sehr gern gemeinsam mit netten Kollegen in einem Team und freue mich darüber, dass ich mich als Verwaltungsangestellte für das Projekt PHILOS des Paul Gerhardt Stifts engagieren kann. Ich blicke auf eine gute Zeit mit neuen Herausforderungen, netten Kollegen und eine spannende Arbeit. ANZEIGE 36 NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT STADTTEILZENTRUM | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT RAUS IN DEN FRÜHLING Dorthe Kreckel älte und Regen konnten sie nicht schrecken: Obwohl das Frühlingswetter in den Tagen nach Ostern wirklich noch auf sich warten ließ, nahmen insgesamt 8 Kinder mit jeweils einem Elternteil unter der Leitung von Tuna Arkun in der Woche nach Ostern am Ferienprogramm des Stadtteilund Familienzentrums teil. Auf dem Programm standen Ausflüge in Berlin und im Berliner Umland. An vier Tagen machte sich die Gruppe mit Bussen und Bahnen gemeinsam auf den Weg. Sie besuchten das Barnim Panorama in Wandlitz, fuhren zum Museumspark Rüdersdorf, gingen auf Entdeckertour im Tegeler Forst und setzten zur Pfaueninsel über. Am jeweiligen Ziel wurde spielerisch die Umgebung erkundet. Beim Besuch auf der Pfaueninsel waren natürlich die kleine Überfahrt mit der Fähre und die farbenprächtigen Bewohner der Insel selbst, die sich der Gruppe in all ihrer Schönheit © Paul Gerhardt Stift K Begrüßung auf der Pfaueninsel präsentierten, die Highlights. Beim täglichen gemeinsamen Picknick, zu dem alle etwas beitrugen, sowie bei den Spaziergängen und Spielen kamen Kinder und Eltern immer wieder untereinander in Kontakt. Als am letzten Tag schließlich sogar die Sonne herauskam, waren sich alle einig, dass die gemeinsamen Ausflüge eine tolle Erfahrung waren! RÜCKBLICK: AN(GE)KOMMEN?! Aktionswoche zur Situation von Flüchtlingen D © Paul Gerhardt Stift ie Aktionswoche „An(ge)kommen?!“ zur Situation von Flüchtlingen im Wedding vom 18. – 22. Januar 2016 kann als Erfolg gewertet werden. Mit Hilfe der Förderung durch den Evangelischen Kirchenkreis Nord-Ost war es möglich, im Rahmen von drei unterschiedlichen Veranstaltungsformaten insgesamt ca. 220 Personen im Paul Gerhardt Stift willkommen zu heißen und sie für das Thema Flucht und Migration zu interessieren. Diala Hanana (zweite von links) im Kreise ihrer Musikerkollegen SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 37 © Paul Gerhardt Stift AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | STADTTEILZENTRUM Impulse Project in Aktion – Theater von Flüchtlingen Die Aktionswoche wurde am Abend des 18.01. mit der Ausstellung von Acrylgemälden der syrischen Musikern und Malerin Diala Hanana eröffnet. Über 60 Interessierte aus Kommune, Kirche, Gemeinden und Verwaltung folgten der Einladung, darunter die Bezirksstadträtin von Berlin Mitte, Frau Sabine Weißler, die auch ein Grußwort hielt. Eine zweite Veranstaltung am 20. Januar diente der Information von Bürgerinnen und Bürgern aus dem Stadtteil. In anregenden Vorträgen und Diskussionen kamen die Folgen von Fluchtmigration sowie das Engagement von Ehrenamtlichen zur Sprache. Der Integrationsbeauftragte des Bezirks Mitte, Herr Stephan Winkelhöfer, schilderte in seinem Vortrag eindrücklich die Situation der neu ankommenden Flüchtlinge in Berlin. Der Sprecher der Organisation Jugendliche ohne Grenzen, Mohammad Jouni, veranschaulichte seinen Weg als Flüchtlingskind durch die unterschiedlichen Bildungsinstitutionen und warb dafür, die Potenziale von Flüchtlingskindern bzw. -jugendlichen besser zu nutzen. 38 Mit einem Plädoyer für eine offene Bürgergesellschaft schloss Matthias Hofmann von der Willkommensinitiative in Falkensee die Impulsbeiträge. Regine Vogl, Leiterin der Gemeinschaftsunterkunft „Refugium“ betonte, dass wirkliches „Ankommen“ vor allem eine sichere Perspektive, eine eigene Wohnung und ein selbstständiges Alltagsleben in einer Nachbarschaft benötigt. Hier biete die Zusammenarbeit mit allen Arbeitsbereichen unter dem Dach des Paul Gerhardt Stifts als „ZukunftsHaus Wedding“ gute Möglichkeiten, Nachbarschaft real stattfinden zu lassen. Ein letzter Höhepunkt in dieser Aktionswoche war die Aufführung des Theaterstücks „Letters home“ des Vereins „Impulse Project“. Die Erarbeitung und NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT Aufführung dieses Stücks ist ein wichtiges Beispiel für die Förderung von Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit von Flüchtlingen in Berlin. Der große Saal im Paul Gerhardt Stift war bis auf den letzten Platz gefüllt, über 120 interessierte Besucherinnen und Besucher verfolgten die 90-minütige engagierte Performance der Berliner Theatergruppe. Durch das Stück wurde kein Mitleid erregt, sondern die Solidarität mit Flüchtlingen in neuer Form zur Aufführung gebracht – ein beeindruckender Versuch, der mit langem Applaus bedacht wurde. STADTTEILZENTRUM | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT LIEBENSWERTER LESERAUM Die Kinderbibliothek im Paul Gerhardt Stift Dorthe Kreckel B unte Buchstaben am Fenster weisen den Besucher_innen den Weg: Dank eines Teams aus derzeit sechs sehr engagierten Ehrenamtlichen öffnet die Kinderbibliothek im Stadtteil- und Familienzentrum jetzt schon im vierten Jahr montags bis freitags von 15 bis 18 Uhr ihre Türen für die Kinder und Familien aus dem Kiez und die Bewohner_innen des Refugiums. Rund dreihundert Leseausweise sind inzwischen vergeben, zwischen fünfzehn und zwanzig Besucher_innen nutzen die Kinderbibliothek jeweils während der Öffnungszeiten. Angefangen hatte alles mit dem fabel-Projekt, einem Bildungspatenprojekt für Familien. Durch die Projektförderung konnte der Anfangsbestand an Medien angeschafft und der Raum eingerichtet werden. Dank weiterer Spenden stehen inzwischen rund 1300 Bücher, Spiele und andere Medien kostenlos zur Ausleihe für Kinder bis zwölf Jahren und ihre Familien bereit. Eine gemütliche Sesselrunde lädt ein zum Lesen und Spielen und bietet neben der Ausleihe für zu Hause auch wartenden Eltern und Kindern einen Raum mit angenehmer Atmosphäre. So vergeht die Zeit schneller, während andere Familienmitglieder an Kursen oder der Hausaufgabenhilfe in benachbarten Räumen im Stadtteil- und Familienzentrum teilnehmen. Auch die Kinder aus dem Refugium haben die Kinderbibliothek längst für sich entdeckt. Einige von ihnen schauen fast täglich zum Spielen vorbei. Ohne die engagierte Mitarbeit von Ehrenamtlichen, wäre die Öffnung und Organisation der Kinderbibliothek für das Team des Stadtteilzentrums gar nicht zu stemmen. Hinter jedem Buch, das im Regal landet, steht nicht nur eine spannende Geschichte, sondern auch immer eine Person, die es mit Sorgfalt foliert, ins System einliest, verleiht und immer wieder einsortiert. Die eigentliche Besonderheit liegt jedoch darin, dass die ehrenamtlichen Mitarbeitenden der Kinderbibliothek einfach da sind und Zeit haben. So geschieht es nicht selten, dass sie selbst als Spiel- und Lesepartner_innen von den Kindern mit einbezogen werden und die Ausleihe und Rückgabe dann eher zur Nebensache wird. Im Alltag des Stadtteil- und Familienzentrums ist die Kinderbibliothek längst zu einem Herzstück geworden. Wer sie besucht, bekommt viel mehr als nur ein Buch – ein freundliches Lächeln, ein bisschen Zeit und ein offenes Ohr gibt es gleich noch mit dazu! SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 39 ©Heidi Graf Auf dem Dach des Jewish Arab community center in Jaffa mit der Gastgeberin Etti Isler, Vorsitzende der Israel Federation of Community Center (zweite von rechts) FACHAUSTAUSCH ZUR STADTTEILARBEIT IN ISRAEL Stefan Kurzke-Maasmeier unsichtbaren Grenzen zwischen den Kulturen überwinden zu helfen. Äußerst eindrucksvoll waren Begegnungen mit Mitarbeiterinnen und Besuchern der Einrichtungen, zum Beispiel im Jugendzentrum „Strudel“ (hebräisch-jiddischer Ausdruck für das „@“-Zeichen), einem ehemaligen Internetcafé, indem heute sozialraumorientierte Empowermentarbeit mit Mädchen und Jungen aus äthiopisch-jüdischen und russisch-jüdischen Familien erfolgreich umgesetzt wird. Lehrreich war ebenfalls der Austausch mit Kolleginnen im Leo-Baeck-Institut sowie im Beit Hagefen Arab Jewish Community Center in Haifa. Community Center haben in Israel als Bildungseinrichtungen außerhalb des formellen Bildungssystems eine äußerst hohe er Verband sozial-kulturelle Arbeit, dessen Mitglied das Paul Gerhardt Stift ist, und der Freundschaftskreis Pankow-Ashkelon organisierten Anfang April eine Fachreise nach Israel, um mit dortigen Akteuren der Stadtteil- und Nachbarschaftsarbeit über Begegnungs-, Bildungsund Friedensprojekte zu diskutieren. Schon seit vielen Jahren bestehen enge fachliche Kontakte zwischen den Nachbarschaftseinrichtungen in Berlin und den Community Center in Israel. Die Reise wurde durch die „Israel Federation of Community Center“ und ihre Direktorin Etti Isler umsichtig und großartig vorbereitet. Eine intensive Besuchswoche vom 2. bis zum 9. April führte uns zu verschiedenen Community Center u. a. in Neve Zedek, Jaffa, Haifa, Holon und Jerusalem. Auf sehr eindrucksvolle Weise konnten uns dort die sozialen und politischen Herausforderungen und die fachlichen Konzepte der Nachbarschafts- und Kulturarbeit nahe gebracht werden. Inhaltlich lag ein Schwerpunkt auf der Frage, wie informelle Bildungsprozesse und interkulturelle Verständigungsarbeit im Sinne einer „Sharing Existence“ gelingen können. Mehr noch als auf bloße Ko-Existenz setzen viele Stadtteilzentren in den jüdisch-arabischen Stadtteilen wie etwa in Jaffa oder in Städten wie Haifa auf gemeinsame Lernprozesse, um die vielen sichtbaren und 40 ©Heidi Graf D Bedeutung. Sie sind in aller Regel ähnlich inhaltlich strukturiert wie die deutschen Stadtteilzentren, also offen für alle Generationen und Kulturen. Im Unterschied zu Deutschland handelt es sich bei diesen Zentren allerdings um kommunale Einrichtungen, freie Träger finden sich hier eher selten. Für die Gruppe war auch der Besuch des Community Centers „Alejandro and Lily Saltiel“ jenseits der Jerusalemer Altstadt eindrucksvoll. Über den Hügel der Stadt vermittelte uns der Leiter der Einrichtung einen geschichtlichen und politischen Überblick über den seit Jahrzenten schwelenden Konflikt, der den Staat und auf besondere Weise diese Stadt und ihre Bewohner lähmt und belastet. Mit Händen zu greifen waren in den unterschiedlichen Stadtteilen Blick auf den Hof des Beit Hagefen Arab Jewish Community Center mit Kunstinstallationen u. a. zum Thema Interreligiosität NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT STADTTEILZENTRUM | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT und Nachbarschaften ebenso die großen sozialen Spannungen und die Armut, sowohl innerhalb bestimmter jüdischer Communities, als auch unter der arabischen Bevölkerungsgruppe und besonders unter den nichtjüdischen Einwanderern aus dem Sudan oder aus Eritrea. Umso wichtiger schienen uns die Versuche der unterschiedlichen Nachbarschaftseinrichtungen, trotz aller Hoffnungslosigkeit immer wieder neu der Verständigung und Versöhnung zu wagen und Bildungsangebote für alle Gruppen offen zu halten. Das große Maß an Offenheit, Gastfreundschaft und das hohe Interesse auch an unserer Arbeit war für die gesamte Reisegruppe eine beglückende Erfahrung. Der Wunsch nach einer Fortsetzung und Vertiefung des Fachaustauschs wurde allenthalben deutlich. Im September wird es im Rahmen der Weltkonferenz der International Federation of Settlements and Neighborhood Centers (IFS) in Berlin zu einem Wiedersehen mit einigen Akteuren aus Israel kommen. Dort sollen weitere Schritte der Kooperation zwischen den Verbänden und Einrichtungen in die Wege geleitet werden. KIRCHE FINDET STADT Dritte Transferwerkstatt im Paul Gerhardt Stift durchgeführt m „Pionierstandort“ ZukunftsHaus Wedding fand am 10. und 11.3.2016 die Transferwerkstatt „Zentren und Orte der Begegnung und Integration“ statt. Zwei Tage diskutierten die sechs Pionierstandorte, Berlin-Wedding (ZukunftsHaus Wedding), Bochum-Westend (Q1 – Eins im Quartier. Haus für Kultur, Religion und Soziales und Gelsenkirchen-Scholven), Goslar (Goslarsche Höfe, Niedersachsen), Kiel-Gaarden (Sozialkirche Gaarden, Schleswig-Holstein) und Neuruppin-Südstadt (ESTAruppin, Brandenburg) über ihre Erfahrungen, ihr Rollenverständnis und Rahmenbedingungen, insbesondere bei Entwicklung und Betrieb von Stadtteilzentren, Begegnungsorten und Quartierstreffpunkten. Zudem waren Vertreterinnen der umliegenden Kirchengemeinden sowie die zuständige Mitarbeiterin der bezirklichen Sozialraumplanungskoordination eingeladen. Zu Beginn hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Gelegenheit, das Gelände und den Sozialraum rund um das sog. Afrikanischen Viertel zu erkunden. Sehr intensiv wurde dann gemeinsam an den Schwerpunkt themengearbeitet. Es ging um Inhalte, Rollen, Organisation und Kooperation. Am darauffolgenden © F. Lehmann A Tag führte Karin Vorhoff vom Deutschen Caritasverband mit ihrem Vortrag „Integrierte Stadtentwicklung als Chance für neue Entwicklungspartnerschaften?!“ in die weitere Arbeit ein. Wertvolle Impulse aus der Entscheidungsebene gaben Stefan Krapp vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (Referat Soziale Stadt, Städtebauförderung) mit seinem Vortrag zum Leitprogramm Soziale Stadt sowie Knut Henkel aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Berlin (Soziale Stadt, Stadtumbau, Zukunftsinitiative Stadtteil) mit seinen Ausführungen zu Einschätzungen aus der Perspektive Berliner Quartiersmanagements, moderiert von Rainer Hub, Diakonie Deutschland – Ev. Bundesverband. Mit der Diskussion um die strategischen Schnittstellen schloss diese Transferwerkstatt ihre Arbeit ab. Die am Vortag entstandenen Arbeitsthesen aus der Praxis an den Pionierstandorten fasste Petra Potz von der KfS-Transferstelle zusammen. Der sehr intensive und produktive Arbeitsatmosphäre und der wertvolle Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen anderer Einrichtungen waren für die weitere Entwicklung des ZukunftsHauses Wedding sehr gewinnbringend. Gleichzeitig wurde deutlich, dass das Konzept ZukunftsHaus Wedding eine innovative Initiative darstellt, die den aktuellen sozialpolitischen und sozial-diakonischen Erfordernissen entspricht. Im Rahmen einer Öffentlichen Zwischenbilanz werden am 22.11.2016 die Ergebnisse aller Transferwerkstätten des Projektes Kirche findet Stadt u. a. mit der Bundesministerin Barbara Hendricks präsentiert. SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 41 AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | KINDERTAGESSTÄTTE DIE KLEINEN IM GROSSEN GANZEN Rück- und Ausblick der Kita im Paul Gerhardt Stift Jonas Burkowski Das Paul Gerhardt Stift feiert in diesem Jahr 140-jähriges Jubiläum. Die Arbeit mit Kindern war in den Händen der Diakonissen über Jahrzehnte als einer von vielen Arbeitsbereichen im Paul Gerhardt Stift vertreten. Diese alte Traditionslinie wurde seit 2014 von der Kindertagesstätte im ZukunftsHaus Wedding erneut aufgegriffen. Die „neue“ Kita wird im November dieses Jahres ihren zweiten Geburtstag feiern. Wie haben sich die Kinder, Eltern und Mitarbeiterinnen in der Kita eingelebt? Um die ersten Schritte, die Gegenwart und die Zukunft unserer Arbeit soll es im Folgenden gehen. Die Schwerpunkte der pädagogischen Arbeit sind nicht mehr nur eine konzeptionelle Formulierung, sondern sie werden mittlerweile in hoher 42 Qualität im alltäglichen pädagogischen Handeln umgesetzt. Die Besonderheit einer Kita in der Gründungsphase ist sowohl Chance, als auch Herausforderung zugleich. So formt es in hohem Maße das Bewusstsein in Bezug auf jedes noch so kleine Teilchen der pädagogischen Arbeit. Allerdings kostet dies auch eine Menge Kraft und Energie. Denn ständig muss jeder Schritt des Teams neu entwickelt, ausprobiert, reflektiert, möglicherweise ersetzt oder überarbeitet werden. Manche Dinge werden fortgesetzt wie bisher, neue Strategien werden entwickelt und auch einiges, was nicht funktioniert, wird verworfen. Alle acht pädagogischen Fachkräfte treffen sich außerhalb der Öffnungszeiten in einem Rhythmus von ungefähr fünf Wochen, um fachliche Inhalte zu besprechen, Zuständigkeiten zu klären, NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT die Raumgestaltung und Auswahl von Spielmaterialien anzupassen. Diese Tage werden auch für Teamsupervisionen genutzt. Eine Konzeption ist dynamisch, nie fertig und ständiger Ausdruck dessen, was die Pädagoginnen in der Praxis leben. Eine gute Qualität wird in diesem Zusammenhang durch einen Konsens in der Wertorientierung und fachliches Handeln deutlich, z. B. in den Bereichen Gesundheit, Interkulturalität und Inklusion. GESUNDE ERNÄHRUNG UND NATUR In unserer Kita gibt es keine Süßigkeiten, außer natürlich an Geburtstagen oder bei wichtigen Festen und Feiern. Bei 38 Kindern hat ca. jede Woche ein Kind Geburtstag. So schlimm ist es also nicht. Aber warum versuchen wir KINDERTAGESSTÄTTE | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT Zucker zu meiden? Oft versteckt sich Zucker in Lebensmittel, deren Verpackungen das Gegenteil suggerieren. Kinder (und auch viele Erwachsene) folgen eher dem Produktdesign als den tatsächlichen Zutaten der Nahrung. Die Kinder sollen die unbehandelten und rohen Früchte kennenlernen. Es geht nicht nur um den Geschmack, sondern um eine Erfahrung mit allen Sinnen. Kinder beschäftigen sich mit derartigen Fragen: Wie riecht das Stück Obst? Wie fühlt es sich an, wenn ich es durchschneide? Wo finde ich das Obst im Supermarkt? Eine ganze Woche lernten die Kinder alles zum Thema Apfel. Dabei wurden nicht nur Apfellieder gesungen und Apfelbilder ausgemalt, wie man es von einem Kindergarten erwartet. Sondern die Äpfel wurden noch viel erfahrbarer gemacht. Mit einer Leiter kletterten Pädagogen und Kinder hoch zur Krone eines Apfelbaumes und pflückten die Äpfel. In dieser Woche gab es selbst gepressten Apfelsaft, es wurde ein Apfelkuchen gebacken. Das braucht es für Kinder, um umfassend zu „begreifen“, was einen Apfel ausmacht. Die Apfellieder wurden lauter gesungen und die Apfelbilder mit vielen Details ausgeschmückt. Leider bietet eine Großstadt wie Berlin immer weniger Möglichkeiten für Kinder, die Natur auf unmittelbare Art und Weise erfahrbar zu machen. Gerade deshalb geht es bei uns auch um den Umgang mit der Natur als Teil der Schöpfung. Wir vermitteln Kindern ein Bewusstsein für den Umgang mit Pflanzen und Tieren. INTERKULTURELLES UND INTERRELIGIÖSES ARBEITEN Der Respekt vor der Schöpfung ist dabei auch Teil der religionspädagogischen Arbeit in der Kita. Unsere Diakonin und Sozialpädagogin Nancy Horn-Gittel gestaltet wöchentlich mit einer Gruppe Vier- bis Sechsjähriger Themen aus einem religiösen Kontext. Dabei kann es angesichts einer sehr heterogenen Gruppe von Kindern nicht um eine christliche Glaubensvermittlung im engen Sinne gehen. Sondern wir versuchen, ein Lernen über Glauben, Religiosität und Sinn in Gang zu bringen und zu unterstützen. Das Paul Gerhardt Stift ist offen für den Dialog mit anderen Religionen und Kulturen nicht obwohl, sondern vielmehr weil wir ein diakonisches Profil vertreten. Kein Mensch darf auf Grund seines Glaubens, seiner Herkunft, seines Geschlechts, seiner Hautfarbe oder wegen individueller menschlicher Fähigkeiten wie Sprache, Motorik oder Kognition ausgeschlossen werden. Diese Grundphilosophie vertritt das Paul Gerhardt Stift seit 140 Jahren. Für die Kinder ergeben sich aus der religiösen Vielfalt unterschiedliche Fragen. Für die Mitarbeiterinnen bedeutet das religions- und kultursensible Arbeiten in diesem Zusammenhang, auch selbst interessiert zu sein und auf Äußerungen der Kinder zu achten, sie aufzugreifen. Es gibt viel zu entdecken. Zum Beispiel wurde am 8. Februar 2016 das chinesische Neujahrsfest gefeiert. Es begann das „Jahr des Affen“. Am 1. Mai feierten die koptischen und orthodoxen Christen das Osterfest. Wer hätte das gewusst? Die Herausforderung der Bildungsarbeit im religiösen Kontext einer modernen Gesellschaft besteht noch aus zwei weiteren Facetten. Neben den verschiedene Traditionen in den Familien gibt es noch etwas Greifbares im direkten Lebensumfeld der Kinder. Denn die Nachbarschaft und der Kiez, in dem die Kinder leben sind auch geprägt durch unterschiedliche religiöse Orte. Ein pädagogisches Ziel kann es sein, dass die Kinder Bauwerke wie Moscheen und Kirchen in ihrem eigenen Stadtteil erst einmal zu erkennen lernen. Der nächste Schritt wäre, sie zu differenzieren, zu vergleichen und sie auch räumlich zu erfahren. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Ein weiteres wichtiges Thema in der Arbeit ist der Einfluss der Massenmedien. Auch Kinder werden im Internet, in Zeitungen, im Fernsehen immer wieder mit Bildern und Begriffen zu Religion und Gewalt konfrontiert. Hier bedarf es eines kindgerechten Zugangs und eines fundierten Wissens der pädagogischen Fachkräfte. Kinder haben ein Recht darauf, Religion als eine Quelle von Frieden und Versöhnung kennenzulernen, sie sollen die Möglichkeit haben, sich auszutauschen und Verbindungen zu erfahren. SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 43 In diesem Zusammenhang sehe ich auch das „ZukunftsHaus Wedding“ als einen besonderen und sicheren Ort, in dem verschiedene Religionen in den Dialog gehen (können!). Interreligiöses und interkulturelles Denken wird hier als Ressource genutzt und in einem sozialräumlichen Konzept in die Tat umgesetzt. INKLUSION UND VIELFALT Der Begriff der „Inklusion“ prägte in den vergangenen Jahren die Arbeit in Bildungs- und Sozialeinrichtungen. Das Konzept der Inklusion meint die Förderung von Selbstbestimmung und sozialer Teilhabe zum Wohle jener Menschen, die häufig an den gesellschaftlichen Rand gedrängt werden. Unsere Kindertagesstätte besuchen derzeit 38 Kinder. In ihren Familien werden insgesamt über zehn verschiedene Sprachen gesprochen. Die unterschiedlichen sprachlichen, religiösen und kulturellen Hintergründe sehen wir als Chance und nicht als Hindernis. Das Besondere ist das Normale. Wir begleiten Kinder mit Fluchterfahrung und auch Kinder mit Behinderung. In Deutschland leben ca.10 Millionen Menschen mit einer anerkannten Behinderung und etwa 16 Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte. Sie sind Teil der menschlichen und kulturellen Vielfalt 44 unserer Gesellschaft und auch Teil unserer Arbeit. Was ist für die Arbeit unserer Kindertagesstätte „typisch inklusiv“? Inklusion bedeutet Wertschätzung von Vielfalt. Damit dies gelingt, werden ständig Spielinteressen und Kompetenzen jedes einzelnen Kindes beobachtet und in Teambesprechungen zu Lernund Entwicklungszielen weiterentwickelt. Diese Ziele sind so unterschiedlich wie die Kinder selbst. Für Kinder mit Förderbedarf werden Lernprozesse in einer Förderplanung noch detaillierter beobachtet, erreichte Ziele werden als neue Lernziele formuliert. Im letzten Jahr begann die Zusammenarbeit mit der Physiotherapiepraxis Körperbalance im Wedding. Das Besondere daran ist, dass ein Kind mit Förderbedarf zweimal in der Woche in der Kita behandelt wird und dadurch nicht nur NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT das Kind, in seiner gewohnten alltäglichen Umgebung Bewegungsübergänge lernt, sondern auch die Eltern entlastet werden. Die Erziehungspartnerschaft in unserer Kita zeichnet sich durch Interesse und Zugewandtheit der Fachkräfte aus. Dabei ist es besonders wichtig, den Eltern in regelmäßigen Gesprächen Raum für Wünsche, Ideen und weitere Anregungen zu geben. Themen aus den Familien, also aus der unmittelbaren Lebenswelt der Kinder werden mit in die pädagogische Arbeit übernommen. Um Eltern nicht deutscher Herkunft zu unterstützen und gegenseitige Sprachbarrieren zu überwinden, führen wir bei Bedarf Gespräche mit Dolmetschern. In erster Linie werden hier nicht „Sprachprobleme“ sondern primär Eltern als Eltern wahrgenommen, die einen Raum für KINDERTAGESSTÄTTE | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT Gespräche benötigen, um ihre Sorgen, Ängste oder auch Dankbarkeit adressieren zu können. Ein jährliches Entwicklungsgespräch würde in diesem Fall unserem Anspruch hoher Qualität nicht genügen, deshalb setzen wir uns alle drei Monate mit den Eltern zusammen. Die Anbindung an das Stadtteilund Familienzentrum eröffnet unserer kleinen Kita und allen Eltern ein umfangreiches Angebotsspektrum. Neben PEKIP-Kursen, Krabbelgruppen, einer Hebammensprechstunde, Elternfrühstück, dem Café u. v. m. ist auch die offene Sozialberatung eine wichtige Unterstützungsleistung. Zu erwähnen bleibt noch die Kinder- und Jugendbücherei mit einem mehrsprachigen Angebot und auch zweisprachigen Büchern (z. B. Türkisch-Deutsch). Wir freuen uns auf die bevorstehenden Kunst- und Kulturprojekte mit Tuna Arkun. Ein Highlight wird sicherlich der Besuch eines echten Künstlerateliers. In direkter Nachbarschaft wurde eine © at riv neue Kooperation angebahnt. Die Kindertagesstätte im Paul Gerhardt Stift kooperiert mit der Gottfried-Röhl Grundschule. Der Fokus dieser gemeinsamen Arbeit gilt den Vorschulkindern und dem Bereich der Sprachförderung. Ein weiterer Ausblick ist das bereits ausgebuchte Projekt FuN (Familie und Nachbarschaft), das von unserer Erzieherin Anika Marx-Tetzner und dem Stadtteilzentrum in Kooperation mit dem Deutschen Familienverband durchgeführt wird. In diesem Projekt gibt es Angebote für alle Familienmitglieder. Das Familienzentrum ist also eine enorm wichtige Stütze für unsere pädagogische Arbeit. Es gibt noch viele Projekte, die wir gemeinsam mit den Kindern gestalten werden. Die Entwicklung von Kooperationen und Vernetzung innerhalb des Stifts und in den Stadtteil wird ebenso zu unseren Aufgaben gehören. Wir lernen in der Zwischenzeit auch weiter mit und von den Kindern. Sie leben die Vielfalt und Toleranz einfach vor. Vorgestellt p MONIKA GELDERBLOM Mein Name ist Monika Gelderblom. Ich bin in Nordrhein-Westfalen in einer Kleinstadt zwischen Köln und Düsseldorf aufgewachsen. Nach meiner Ausbildung als Kinderkrankenschwester bin ich nach Berlin gezogen und habe in einem von Nonnen geleiteten Säuglings- und Kleinkindheim gearbeitet. Anschließend habe ich beim Caritas einen neuen Bereich – das Kinderschutzwohnen – mit aufgebaut. Diese Einrichtung bot traumatisierten Säuglingen und Kindern einen Schutzraum. Meine Aufgabe war die emotionale, pädagogische und medizinische Versorgung der Kinder sowie die Elternarbeit. Ich bin verheiratet und habe drei Kinder (11, 13 und 15 Jahre). Wir leben in Staaken am Rande Berlins in einer kleinen kinderreichen Siedlung. In meiner Freizeit bin ich gerne in der Natur und in unserem Garten; außerdem interessiere ich mich für Yoga, Literatur und Kino. Ich arbeite seit März 2016 im Krippenbereich des Paul Gerhardt Stifts. Ich freue mich auf eine schöne gemeinsame Zeit mit den Kindern, Eltern und Kolleginnen. BAUSTEINPATEN FÜR DEN SPIELPLATZ GESUCHT! Die Spendenaktion „Baustein-Pate werden“ für die Kindertagesstätte ist weiterhin in vollem Gange. Sie können unterschiedliche Bausteine erwerben, die verfügbaren Größen sind 50, 100, 200 und 500 Euro-Bausteine. Wir wollen damit v. a. den Erwerb von Spielgeräten für die Außenanlage ermöglichen. Für jeden Baustein wird eine Spende in der genannten Höhe mit dem Kennwort „910919 KITA PGS“ auf das Konto 18 180 bei der KD-Bank (BLZ 350 601 90) IBAN DE95 35 0601 90 0000 01 8180, BIC GENODED1DKD überwiesen. Nach Erhalt der Spende wird dem Spender sein persönliches Spendenzertifikat übermittelt. Die Spende kann bei der nächsten Steuererklärung geltend gemacht werden. Kontakt und Anfragen Jonas Burkowski, B. A. Telefon: 030 450 05-119 SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 45 AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | SERVICEWOHNEN FÜR SENIOREN WENN ICH ÄLTER WERDE… Das Servicewohnen im Paul Gerhardt Stift Mareike Hartig M im Notfall zur Seite stehen? Werde ich noch aktiv sein und Dinge tun können, die mir Spaß machen, die für mich sinnerfüllend sind und die vielleicht auch anderen nützen? Mit der zunehmenden Vielfalt der Lebensformen und -entwürfe und der © Alexander Raths / pitopia.de it dem Älterwerden und dem Nachdenken über das Altsein in unserer Gesellschaft verbinden sich eine Reihe existenzieller und praktischer Fragen. Wenn ich älter werde… was wird dann für mich wichtig sein? Wie möchte ich wohnen? Werde ich noch Treppen steigen können? Wie wird es in meiner Nachbarschaft aussehen? Gibt es dort Menschen, mit denen ich zwischen Tür und Angel sprechen kann und die mir 46 NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT SERVICEWOHNEN FÜR SENIOREN | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT glücklicherweise steigenden Lebenserwartung setzen sich auch eine wachsende Zahl älter werdender Menschen mit ihrer Zukunfts- und Lebensgestaltung aktiv auseinander. Wie ist Altern in Selbstbestimmung, Würde und mit so viel Selbstständigkeit wie möglich realisierbar? Das Servicewohnen für Senioren im Paul Gerhardt Stift bietet eine Antwort auf manche dieser Fragen und Bedürfnisse. Es ist eine altersgerechte Wohnform mit zusätzlichen Leistungen. Altersgerecht ist zum Beispiel das barrierefrei gebaute Wohnstift mit seinen insgesamt 48 Wohneinheiten. Ziel der zusätzlichen Leistungen ist es, die psycho-soziale und die persönliche Lebensqualität zu erhalten bzw. zu verbessern. Ein Praxisbeispiel kann dies veranschaulichen. Es ist Donnerstagvormittag um kurz nach zehn, die offene Sprechstunde hat vor einigen Minuten begonnen. Frau Q. kommt mit einem Anliegen, das sie in Unruhe versetzt. Sie hat Post von ihrer Krankenkasse bekommen, aber sie kann die kleine Schrift schlecht lesen. Zudem ist sie sich nicht ganz sicher, ob und wenn ja was sie unternehmen muss. Außerdem ist ihr nicht klar, ob sie das beigefügte Formular ausfüllen sollte und was dies für Folgen hat. Das Ganze hat Frau Q. jetzt schon ein paar Tage beschäftigt. Sie hat ihre Angelegenheiten gerne geklärt und in Ordnung. In einem Telefongespräch mit der Krankenkasse kann rasch geklärt werden, dass sie weitere Leistungen in Anspruch nehmen kann, dafür aber das Formular auszufüllen ist. Das erledigen wir dann gleich anschließend. Frau Q., die den Brief auf dem Weg zum Einkaufen gleich einwerfen kann, fühlt sich erleichtert. Neben der individuellen Beratung ist die Förderung von Gemeinschaft ein wichtiger Bestandteil der Arbeit im Wohnstift. Ein wichtiges Element im Wochenrhythmus ist das Mittwochscafé. Dank des Engagements von zwei Bewohnerinnen und einer Ehrenamtlichen sind die Tische eingedeckt, Kaffeeduft zieht durch den Raum und es gibt eine Auswahl verschiedener Kuchen und Torten auf den Tischen. Es ist Zeit zum Austausch über Persönliches, Geschehnisse des Alltags oder frühere Erlebnisse. Frau C. ist nach mehreren Wochen Krankenhausaufenthalt heute zum ersten Mal wieder dabei und wird freudig begrüßt. Es geht ihr zwar noch nicht wieder so richtig gut, aber sie wollte dennoch unbedingt kommen. Die gesellige Runde ist eine willkommende Abwechslung und Ablenkung von den Beschwerden. Außerdem spielt sie für ihr Leben gern Rommé. Also werden die Tische abgeräumt, die Spiele aus dem Schrank geholt. Frau C. sitzt natürlich in der Rommérunde, die Karten schon bald auf der Hand. Konzentriert und dann mit einem zufriedenen Lächeln eröffnet sie das Spiel. Das sind nur zwei Beispiele aus dem Angebot der Serviceleistungen, die den Bewohnerinnen und Bewohnern regelmäßig offen stehen. Neben der Förderung des aktiven und nachbarschaftlichen Lebens im Haus ist auch der Kontakt mit den anderen Fachbereichen und Menschen im Paul Gerhardt Stift ein wichtiges Anliegen. So nutzen viele Bewohner die Kurs- und Kulturangebote des Stadtteilzentrums, oder sie nehmen an den Andachten und Gottesdiensten des geistlichen Zentrums teil. Viele engagieren sich ehrenamtlich z. B. rund um Haus und Garten des Wohnstifts, im Stadtteilzentrum oder im Geistlichen Zentrum. Seit zwei Jahren gibt es einen gemeinsamen Frühlingsbrunch mit den Bewohnern des Refugiums und jeweils im Mai wird das Europäische Fest der Nachbarn mit einer Kaffeetafel im Park des Geländes gemeinsam begangen. Viele Interessenten für das Servicewohnen erkundigen sich mittlerweile nicht nur nach den Serviceangeboten im Haus, sondern fragen bewusst nach diesem Kontakt mit den anderen Fachbereichen des Stifts und nach den Möglichkeiten, die ihnen der Kiez bietet. Sie suchen und sehen Möglichkeiten für ehrenamtliches Engagement und ein aktives Leben auch im Alter. Das Servicewohnen für Senioren entwickelt sozialpädagogische Angebote ohne zu bevormunden und fördert Eigeninitiative damit das eigene Leben eingebunden in die Gemeinschaft bleiben kann. Aber es bietet eben auch verschiedene Formen von Unterstützung und Hilfen für die Lebenssituationen an, die (altersbedingt) Herausforderungen stellen. Das Servicewohnen im Wohnstift bietet vielfältige Formen der Unterstützung und Teilhabe – ein guter Ort zum Leben im Alter. SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 47 AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | GEISTLICHES ZENTRUM PAUL GERHARDT KONVENT Gabriela Labede D er Konvent beteiligt sich auch 2016 an ehrenamtlichen Diensten im Hause und gestaltet die Andachten, Fürbittgebete und die Bibelstunden im Pflegewohnheim in Zusammenarbeit mit unserer Diakonin Nancy Horn-Gittel. Auch die „Offene Kirche“, jeden Mittwoch von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr wird ermöglicht von Mitgliedern aus dem Paul Gerhardt Konvent. Bruder Winfried Gayko hält die Verbindung über den Freundeskreis für Gemeinden im Kaliningrader Gebiet. Mit Bestürzung und in Trauer haben wir erfahren müssen, dass unser 48 junger Freund Grischa nicht mehr unter uns weilt. Viele aus der Hausgemeinde haben ihn bei seinen Besuchen hier in Berlin (Winfried Gayko war sein Patenonkel) kennen und lieben gelernt. So denken wir fürbittend auch an seine Eltern, die immer voller Liebe und Sorge (Grischa war ja gehörlos) Wege und Möglichkeiten für seine Zukunft gesucht haben. Auf Besuch in Berlin war im April Tatjana Dzenisenko, die auf Einladung des Paul Gerhardt Konvents hier 14 Tage mit ihrem dreijährigen Sohn Stanislaw Ferien machte. Wir haben Tatjana seinerzeit über den Tschernobilverein e. V. kennen gelernt, sie wohnte hier im Stift und ihr ältester NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT Sohn Deniz wurde hier in der Charité wegen seines Krebsleidens behandelt. Leider war der Krebs stärker und Deniz ist inzwischen heimgegangen zu unserem Heiland Jesus Christus. Abschied nehmen mussten wir in diesem Jahr auch von unserer Altoberin, Diakonisse Hildegard Oelke. Sie hat im Jahr 1997 entscheidend zur Gründung des Konvents beigetragen und uns durch das Wort in Jesaja 42 „das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen“ Mut gemacht. Danke für alles Mitdenken, Mitentscheiden und für Ihre Zuwendung, Schwester Hildegard. GEISTLICHES ZENTRUM | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT SEI STILL… Veranstaltungen Mediationstext Mascha Kalèko A ls ich der Mutter meinen Kummer klagte, ich höre noch, was sie dem Kinde sagte. Mit einem Lächeln, wie ich’s nie gesehn – „Sei still, es wird vorübergehn.“ So hielt ich still. Und manches ging vorüber. Denn alles geht vorüber mit der Zeit. Das große Glück. Das Frösteln und das Fieber. Selbst ein Novembertag, ein noch so trüber. Beständig bleibt nur: Unbeständigkeit. Als dann der große Zweifel an mir nagte, – Ich wusste schon, dass man es keinem klagte. Und dass sogar die Freunde mißverstehn. – So oft ich damals an mir selbst verzagte. War es die leise Stimme, die mir sagte: Sei still, es wird vorübergehn. Was ist nicht alles schon dahingegangen. Wie Schneegestöber und wie Windeswehn… Und dennoch hab ich jetzt erst angefangen, den Dingen langsam auf den Grund zu sehn. Wer nichts begehrt, der ist nicht zu berauben. Gespenster sind nur dort, wo wir sie glauben. Ich habe lange, lange nicht geklagt. Nichts tut das Leid dem, der es tut nichts sagt. Nichts tut das Leid dem, der „es tut nichts“ sagt. Sei der du bist. Mag kommen, was da will. Es geht an dir vorüber, bist du still. TRAUER UM ALTOBERIN SR. HILDEGARD OELKE D as Paul Gerhardt Stift trauert um seine Altoberin Diakonisse Sr. Hildegard Oelke, die am Sonntag, den 7. Februar 2016 im 89. Lebensjahr verstorben ist. Hildegard Oelke wurde am 10. Dezember 1927 in Siujin / Südchina geboren und trat am 15.10.1969 als Oberin in das Diakonissenmutterhaus Paul Gerhardt Stift zu Berlin ein. In diesem Amt leitete sie gemeinsam mit den jeweiligen Vorstehern fast 30 Jahre die Geschicke des Hauses, bis sie am 13.4.1999 in den Ruhestand ging. Musik war ihre Leidenschaft und so leitete sie mit Freude den Paul Gerhardt Chor auch über ihren Ruhestand hinaus. Während ihrer Amtsperiode begleitete sie das Haus in schwierigen Situationen. Für die kleiner werdende Diakonissenschaft setzte sie sich stets liebevoll ein und wirkte auch an der Gründung des Paul Gerhardt Konvents mit. Bis heute ist ihr Wirken an vielen Stellen des Hauses zu spüren. Die Weiterführung des diakonischen Auftrags auch unter neuen Bedingungen war ihr ein Herzensanliegen. Dankbar feierte sie im ver©P riv gangenen Jahr ihr 60. Diaat konissenjubiläum. Wir sind in Gedanken bei Ihrer Familie und empfehlen sie in der Hoffnung auf die Auferstehung dankbar zurück in Gottes Hände. ORGELVESPER Freitag, 9.9.2016 + 9.12.2016 jeweils um 18.00 Uhr mit Gustavo La Cruz Wo: Kapelle Kosten: Spende „ABSCHALTEN“ Impuls in der Tagesund Wochenmitte Mittwoch 7.9.2016 + 7.12.2016 jeweils 13.15 Uhr Wo: Kapelle ERNTEDANKFEST Sonntag 2.10.2016 Wo: Kapelle und Hedwig Weiß Saal Kosten: Spende GESPRÄCHSKONZERT Freitag 12.10.2016 um 17.00 Uhr mit Rainer Bürgel Wo: Großer Saal Kosten: Spende YOGA-KURS FÜR FRAUEN Freitag, 10.00 – 11.30 Uhr Der Kurs ist auch für Anfängerinnen geeignet. Wer: Larissa Brodöhl, Dipl. Yogalehrerin Kosten: 100 Euro für 8 Termine (Gültigkeit 10 Wochen) Der Kurs kann von der Krankenkasse bezuschusst werden. Anmeldung bei Diakonin Nancy Horn-Gittel Tel: 01 78 131 64 14 oder unter [email protected] SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 49 AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | GEISTLICHES ZENTRUM Veranstaltungen ZUM 60-JÄHRIGEN Reihe Schriftspuren – Lesekreis Bibel & Koran. Teil 3 DIAKONISSENJUBILÄUM VON SR. MARGOT KREDE MIT GOTT SPRECHEN WIE DIE PROPHETEN? Mittwoch, 16.11.2016 17 – 18.30 Uhr Nach den ersten beiden Teilen zu Maria, der Mutter Jesu, und Josef, den Sohn Jakobs, in den heiligen Schriften des Christentums und des Islam wendet sich der Lesekreis Bibel-Koran im dritten Teil nun den Prophetengebeten im Koran zu. Wir fragen wieder nach Verbindungsspuren in den Texten und nach unterschiedlichen Rezeptionswegen. Wir fragen nach der Rolle der betenden Propheten im Koran für die Ausformung des Glaubens an den Einen Gott. Wer: Tolou Khademalsharieh, Islamwissenschaftlerin; Prof. Dr. Christine Funk, Professorin für Systematische Theologie Was: Lese-Gespräch. Einige Exemplare der Bibel und des Koran sind vorhanden. Wo: voraussichtlich im Seminarraum, Stadtteilzentrum Anmeldung: bis zum 9.11.2016 im Informationsbüro, Telefon: 030 450 05 131 oder unter stadtteilzentrum@ paulgerhardtstift.de 50 Glückliche Jubilarin: Sr. Margot Krede (li.) mit Sr. Siegrid Fellechner Sr. Siegrid Fellechner L iebe Schwester Margot, was alles in den 60 Jahren gewesen ist würde ein dickes Buch füllen. Wie viele Kranke haben Sie gepflegt und wie viele Menschen besucht? Sie sind in vielen Arbeitskreisen aktiv gewesen, haben Gottesdienste vorbereitet und unzählige Gespräche geführt. Ich kenne Sie nur als fröhliche Schwester, obwohl Sie manchen Kummer und manche Krankheit durchleben mussten. Wie vielen Menschen sind Sie begegnet und haben sie durch Ihre offene und herzliche Art gestärkt? Ihren Einsegnungsspruch: ‚Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in Trübsal und NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT haltet an am Gebet‘ haben Sie nicht nur geschrieben und gelesen, sondern tatsächlich gelebt. Wir danken Ihnen für all Ihren Einsatz, aber wir danken auch Gott, dass Er Sie wunderbar geleitet und Sie in Seinen Dienst genommen hat. Er bleibe bei Dir heute, morgen und alle Tage und gebe genügend Kraft für jeden Tag. Was Gott gebietet und die Menschen erwarten wird Anlass und Inhalt unseres Gebets sein. Gott gibt seinen heiligen Geist denen, die ihn bitten, den Geist, der unser Christsein täglich neu macht. Gott will seine Liebe in den Menschen hinein geben, damit wir Kraft bekommen für den Dienst an jedem Menschen. NOTIZ NEHMEN | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT Regelmäßige Angebote OFFENE SEELSORGESPRECHZEITEN Montag 9.00 – 12.00 Uhr und nach Vereinbarung Eingeladen sind Menschen die ein Gespräch wünschen unabhängig von ihrer Religion und Nationalität. Ansprechpartnerin: Diakonin Nancy Horn-Gittel 01 78 131 64 14 oder unter geistliches-zentrum@ paulgerhardtstift.de MORGENANDACHT MITTEILUNGEN AUS DEM KURATORIUM Der Vorsitzende des Kuratoriums, Hans Nisblé, ist im Zuge der engeren Verknüpfung der Stiftung mit dem Evangelischen Johannesstift in das dortige Kuratorium berufen worden. Dazu gratulieren wir ihm sehr herzlich und freuen uns, dass die Interessen des Paul Gerhardt Stifts im neuen Verbund eine kraftvolle Stimme erhalten werden. Im Dezember 2015 hat sich mit Frau Gisela Netzeband ein langjähriges Mitglied des Kuratoriums aus dem Gremium verabschiedet. Frau Netzeband hat dem Paul Gerhardt Stift durch ihre jahrzehntelange Erfahrung in unterschiedlichen Organisationen und Funktionen in Diakonie und AWO viele wertvolle Impulse geben können. Dafür danken wir ihr herzlich und wünschen ihr für die kommende Zeit alles erdenklich Gute und Gottes Segen. CAFÉ KLOSTERHOF WIEDER ERÖFFNET 8.00 Uhr MITTAGSGEBET 12.00 Uhr FÜRBITTGEBET Jeden Montag 15.30 Uhr „OFFENE KIRCHE ZUM STILLEN GEBET“ Jeden Mittwoch 10.00 – 16.00 Uhr GOTTESDIENST Nach einer längeren krankheitsbedingten Pause hat das Café Klosterhof seine Pforten im April wieder geöffnet. Montag und Donnerstag 10 – 16 Uhr bieten Steffanie Elser und René Thiele Kaffee, Kuchen, belegte Brötchen und weitere Snacks zu günstigen Preisen an. Das Stadtteilzentrum ist derzeit in Gesprächen über eine langfristige Zusammenarbeit mit einem anderen Träger, um dieses Angebot nachhaltig zu sichern. Jeden Sonntag und an Feiertagen 10.00 Uhr ANDACHT NACH TAIZÉ Jeden 4. Freitag im Monat BIBELGESPRÄCH Jeden 1. Montag 15.45 Uhr Nähere Informationen bei Diakonin N. Horn-Gittel E-Mail: geistliches-zentrum@ paulgerhardtstift.de Telefon: 030 450 05 114 ABSCHIED Das Paul Gerhardt Stift verabschiedet zum 1. Juli 2016 zwei Kolleginnen, die sich um die Seniorenarbeit und um die Stadtteilarbeit im ZukunftsHaus Wedding verdient gemacht haben. Seit Beginn des Jahres 2014 hat Mareike Hartig das Servicewohnen für Senioren neu strukturiert und diesen Bereich seitdem sozialarbeiterisch in hoher professioneller Qualität begleitet. Dorthe Kreckel wechselte im Sommer 2014 in das Paul Gerhardt Stift und hat mit großem fachlichem und persönlichem Engagement die Kooperation mit der Sekundarschule am Schillerpark vorangetrieben und das Café Klosterhof zu einem wichtigen Ort der Begegnung gemacht. Beiden Kolleginnen danken wir sehr herzlich für ihre hervorragende Arbeit und wünschen ihnen für die neuen beruflichen Herausforderungen alles erdenklich Gute. ukw / skm SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016 51 AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZ NEHMEN UNANGEMELDETER BESUCH Dass das Paul Gerhardt Stift gerne besucht wird, ist keine Überraschung und alltägliche Routine. Allerdings galt das bislang vor allem für Menschen aus dem Stadtteil, die hier Begegnung, Beratung oder medizinische Hilfe suchen. Eine andere Art des Besuchs stattete uns im Frühjahr unangemeldet ein Waschbär ab. Auf der Suche nach Essen legte er eine Pause am Fenster einer Wohnung des Refugiums ein, bevor er sich sportlich an der Regenrinne hochzog und über das Dach flink das Weite suchte. Ob er in eine unbewohnte „Dachgeschosswohnung“ des Stifts eingezogen ist, war bis Redaktionsschluss noch unklar. SPENDEN UND ANDERE FORMEN DER UNTERSTÜTZUNG Wenn auch Sie, liebe Leserinnen und Leser, für das Paul Gerhardt Stift spenden möchten, können Sie dies jederzeit durch eine Überweisung auf folgendes Konto tun: KD-Bank, BLZ 350 601 90, Kontonummer 18180, IBAN DE95 35 0601 90 0000 01 8180, BIC GENODED1DKD. Wir freuen uns sehr darüber! Ohne einen Vermerk auf dem Überweisungsträger werden wir die Gelder nach aktuellem Bedarf für unsere sozialen Projekte einsetzen. Sie erhalten selbstverständlich eine Spendenbescheinigung! Sie können die Arbeit des Paul Gerhardt Stifts auch durch ein Testament, ein Vermächtnis oder eine Schenkung unterstützen. Gemeinnützige Organisationen und Stiftungen wie das Paul 52 Gerhardt Stift sind von der Erbschaftsund Schenkungssteuer befreit. Eine Zuwendung an das Paul Gerhardt Stift kommt somit ohne steuerliche Abzüge unseren Projekten zu Gute. Wenn Sie dazu Informationen wünschen: Kommen Sie auf uns zu, gern sprechen wir mit Ihnen über Ihre Fragen! Wenden Sie sich bitte an die Geschäftsführerin, Ute Köpp-Wilhelmus, Telefon: 030 450 05 118 / -101 oder E-Mail: ute.koepp-wilhelmus@ paulgerhardtstift.de. NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT IMPRESSUM Der Nachdruck und die Vervielfältigung von Texten (auch auszugsweise) ist nur nach vorheriger Genehmigung durch die Herausgeber gestattet. Herausgeber: Paul Gerhardt Stift zu Berlin, Martin von Essen (Direktor), Andreas Arentzen (kaufm. Vorstand), Ute Köpp-Wilhelmus (Geschäftsführerin) Müllerstraße 56 – 58 , 13349 Berlin www.paulgerhardtstift.de Tel.: 030 450 05 101, Fax: 030 450 05 100 E-Mail: [email protected] Konzeption und Redaktion: Stefan Kurzke-Maasmeier Gestaltung: verbum GmbH, www.verbum-berlin.de Druck: U.S.E. Printing House, Berlin Auflage: 2.000 Exemplare Fotonachweise: Siehe Quellenangaben am Bildrand. Wenn nicht anders erwähnt: © Paul Gerhardt Stift zu Berlin Datum der Herausgabe: Juni 2016 PAUL GERHARDT APOTHEKE Paul Gerhardt Apotheke Müllerstr. 58 · 13349 Berlin Unsere Servicenummer: (030) 45 79 80 50 www.paul-gerhardt-apotheke.de Öffnungszeiten: Mo bis Fr 8.30–19.30 Uhr Samstag 9.00–14.00 Uhr So sparen Sie im Wedding: 25% Rabatt* mit Ihrer Sparkarte (kostenlose Registrierung) auf alle Arzneimittel, die nicht rezeptpflichtig oder bereits reduziert sind, sowie auf alle Kosmetik-Artikel! * Referenzpreis für den Rabatt ist die UVP oder, falls nicht vorhanden, der AP** oder, falls nicht vorhanden, unser bisheriger Preis. ** AP = einheitlicher Apothekenabgabepreis, der für die Verrechnung mit der Krankenkasse gilt. Den Kassen wird nach dem Gesetz bei rechtzeitiger Zahlung auf den AP ein Abschlag von 5% gewährt. PAUL GERHARDT STIFT ZU BERLIN Müllerstraße 56 – 58, 13349 Berlin Tel. 030 450 05 101, Fax 030 450 05 100 E-Mail: [email protected] www.paulgerhardtstift.de NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT