Sonderausgabe aus dem Paul Gerhardt Stift

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Sonderausgabe aus dem Paul Gerhardt Stift
(c) Paul Gerhardt Realschule Münster 2007
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Notizen
Sonderausgabe aus dem Paul Gerhardt Stift
DIAKONIE IN GEMEINSCHAFT SEITE 10
TRADITION UND TRANSFORMATION SEITE 19
AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT SEITE 26
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
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NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
Editorial
EDITORIAL
LIEBE LESERINNEN UND LESER DER NOTIZEN,
LIEBE FREUNDINNEN UND FREUNDE DES PAUL GERHARDT STIFTS,
diese Sonderausgabe zum 140. Jubiläum des Paul Gerhardt Stifts möchte
Ihnen in Texten und Bildern die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der
1876 gegründeten Stiftung nahe bringen und Sie einladen, die unterschiedlichen Facetten unserer Arbeit kennenzulernen. Das Stift blickt
zurück auf eine Zeitspanne über drei Jahrhunderte, von der Kaiserzeit
am Ende des 19. Jahrhunderts, über Revolutionen, zwei Weltkriege und
die Teilung Berlins bis in das 21. Jahrhundert mitten in Berlin, einem
Zentrum des nun vereinten Europas. Verwurzelt im Kiez und am Puls
der Zeit hat sich seine Arbeit im Laufe der Geschichte immer wieder gewandelt. Als Diakonissenmutterhaus gegründet hat das Paul Gerhardt Stift
versucht, Antworten auf die großen sozialen Verwerfungen zu finden, die mit
Beginn der Industrialisierung und Urbanisierung der Stadt Berlin zu Tage traten.
Unterschiedliche Texte und Fotos bilden die historischen Dimensionen des Stifts
in den vergangenen 140 Jahren ab und zeigen, welche Bedeutung Diakonie für
die Stadtgesellschaft Berlins hatte und auch künftig haben wird. Eingeleitet wird
dieser erste Teil der Notizen durch Geleitworte des Regierenden Bürgermeisters
Michael Müller, des Landesbischofs Dr. Markus Dröge, der Diakoniedirektorin
Barbara Eschen sowie des Bürgermeisters von Berlin-Mitte, Dr. Christian Hanke.
Ihnen allen ist sehr herzlich für die ermutigenden Worte sowie für ihre Unterstützung und Anerkennung unserer Arbeit zu danken.
Die Entwicklung sozial-diakonischer Arbeit in den wachsenden Städten des ausgehenden 19. Jahrhunderts und die Aktualität der Mutterhausdiakonie heute
skizziert Dr. Norbert Friedrich, der Vorsitzende der Fliedner-Kulturstiftung Kaiserswerth, in seinem Beitrag. Der Vorsitzende des Kuratoriums, Hans Nisblé, und
der Vorstand, Pfarrer Martin von Essen und Andreas Arentzen, skizzieren in der
Einleitung die bewegte Geschichte und die Zukunft des Stifts. Eine historische
Rückblende am Beispiel der Paul Gerhardt-Diakonisse Anna von Waldow macht
darüber hinaus deutlich, dass die Grundphilosophie des Stifts, „allen zu dienen“,
auch in der Auslandsmission Früchte getragen hat. In einem Überblick über die
seit dem letzten Jubiläum vergangene Dekade werden schließlich Grundlagen
und Herausforderungen unserer Arbeit in den Fokus gerückt.
Der zweite Teil der Notizen wendet sich schließlich den aktuellen Aktivitäten des
Paul Gerhardt Stifts zu. Die Berichte und Entwicklungen der unterschiedlichen
Arbeitsbereiche zeigen, wie lebendig das Stift 140 Jahre nach seiner Gründung
ist. Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eine anregende Lektüre und
hoffen, dass Sie unserem Haus auf seinem neuen Weg eng verbunden bleiben
werden.
Ute Köpp-Wilhelmus
Stefan Kurzke-Maasmeier
Geschäftsführerin
stellv. Geschäftsführer, Redaktion
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
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INHALT
TEIL 1
140 Jahre
PA U L G E R HA R DT ST I F T Z U B E RLI N
Geleitworte ............................................................................................................................................................................................................ 4
Einleitung ................................................................................................................................................................................................................. 8
Diakonie in Gemeinschaft – Zur Geschichte und Aktualität
der Mutterhausdiakonie ................................................................................................................................................................. 10
Den Frauen eine Stimme geben ........................................................................................................................................... 14
Tradition und Transformation
.................................................................................................................................................
19
TEIL 2
AKTUELLES AUS DEM
PAUL GERHARDT STIFT
REFUGIUM .......................................................................................................................................................................................................... 26
STADTTEILZENTRUM ........................................................................................................................................................................... 34
KINDERTAGESSTÄTTE
.......................................................................................................................................................................
42
SERVICEWOHNEN FÜR SENIOREN ................................................................................................................................. 46
GEISTLICHES ZENTRUM
................................................................................................................................................................
48
NOTIZ NEHMEN ........................................................................................................................................................................................... 51
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140Jahre
PA U L G E R H A R D T ST I F T Z U B E R LI N
EIN HAUS FÜR ALLE GENERATIONEN
UND KULTUREN
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Im Namen Berlins gratuliere ich dem Paul
Gerhardt Stift sehr herzlich zu seinem
140-jährigen Bestehen. Das Stift blickt auf
eine lange und wechselvolle Geschichte
zurück. Und doch ist es seinem Gründungsgedanken und diakonischen Auftrag
in all den Jahren immer treu geblieben, der
lautet: Die „Arbeit, die von dort ausgeht,
begehrt, allen zu dienen, soweit Kraft und
Vermögen reicht, und will Keinen ausschließen, er sei wer er sei und heiße, wie er wolle“, wie
es in dem Gründungsaufruf aus dem Jahr 1875 heißt.
Seit seinem Bestehen hat sich das Paul Gerhardt Stift stets in
unterschiedlichen Arbeitszweigen und Arbeitsformen für das
Gemeinwohl in unserer Stadt und insbesondere im Stadtteil
Wedding engagiert. Die historischen Umbrüche sind auch am
Paul Gerhardt Stift nicht spurlos vorübergegangen, ebenso
wenig wie der Wandel der Lebensverhältnisse und Wertvorstellungen. Und so war das Stift immer wieder vor die Aufgabe gestellt, sich neu zu erfinden, um seinen diakonischen
Auftrag zu verwirklichen.
Eine Herausforderung, die das Stift trotz aller Widrigkeiten
erfolgreich bewältigt hat, wie seine lange Geschichte zeigt.
Das neueste, erfolgreiche Vorzeigeprojekt des Paul Gerhardt
Stifts ist der Aufbau des „ZukunftsHaus Wedding“. Hier
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entsteht ein Haus in dem alle Generationen
und Kulturen unter einem Dach zusammenkommen können.
Auch nach über 140 Jahren bleibt das Paul
Gerhardt Stift ein Ort der Zuwendung und
der Begegnung. Ein Ort der Gespräche
und des Lachens sowie der Stille und des
Gebetes. Ein Ort der Mitmenschlichkeit im
Herzen Berlins.
Ich danke allen Diakonissen und allen hauptamtlichen
wie ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern des Paul Gerhardt Stifts für ihr Engagement zugunsten der Menschen
in unserer Stadt. Ich wünsche dem Stift eine erfolgreiche
Zukunft, denn es sind Einrichtungen wie diese, von denen
Berlin lebt und die Berlin braucht.
Mit herzlichen Grüßen
Michael Müller
Regierender Bürgermeister
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
GELEITWORTE
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DEN MENSCHEN HOFFNUNG GEBEN
Im Namen der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz überbringe ich
Ihnen die herzlichsten Glück- und Segenswünsche zum 140-jährigen Jubiläum des
Paul Gerhardt Stifts.
Im Jahre 1876 haben sich Diakonissen in
den Dienst rufen lassen, um Menschen,
die in Not und Elend geraten sind, auf ihren schwierigen Wegen beizustehen und
ihnen zu helfen. Sie wussten sich dabei
getragen von ihrem Glauben an Gott, der uns
auf allen Lebenswegen begleitet. Ihm können wir
vertrauen. Paul Gerhardt hat dieses Gottvertrauen in
seinem Lied „Befiehl du deine Wege“ einfühlsam zur Sprache gebracht. Die Worte, die den 37. Psalm anklingen lassen,
haben schon unzähligen Menschen Kraft und Mut geschenkt,
wenn es dort zum Beispiel heißt: „Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden,
da dein Fuß gehen kann.“ In dieser Weise haben die Diakonissen und die Mitarbeitenden in den vergangenen 140
Jahren ihren diakonischen Auftrag in beeindruckender Weise
wahrgenommen und Menschen Hoffnung gegeben, Schritte
zu wagen und ihren Weg im Leben zu finden. Tätige Hilfe
und gelebte Spiritualität gehören im Paul Gerhardt Stift bis
heute zusammen. Das macht diesen Ort zu einem wunderbaren Vorbild für die Zusammengehörigkeit von Diakonie
und Kirche. Davon lässt sich viel lernen. Aber auch davon,
dass das Stift selbst sich immer wieder dem Wandel und
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den Herausforderungen der Zeiten gestellt
hat, ohne den Glaubensgrund zu verlieren.
„Befiehl du deine Wege“ heißt eben auch,
sich selbst Gottes Wegen anzuvertrauen,
die nicht immer geradlinig verlaufen. So
verbindet sich der Blick zurück in die beeindruckende Geschichte des Paul Gerhardt Stifts mit der Hoffnung nach vorne,
auf das „ZukunftsHaus Wedding“. Mögen
Menschen auch hier ihre Wege Gott anvertrauen und tätige Hilfe erfahren.
Ich danke allen, die sich im und für das Paul Gerhardt Stift engagieren und so Gott die Ehre geben.
„Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird´s
wohlmachen“ (Psalm 37,5).
Mit herzlichen Grüßen und Segenswünschen
bin ich Ihr
Dr. Dr. h. c. Markus Dröge
Bischof der Evangelischen Kirche BerlinBrandenburg-schlesische Oberlausitz
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GELEITWORTE
NETZWERK FÜR EIN LEBENSWERTES QUARTIER
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Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Mitte vo
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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Paul ezirksa
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Gerhardt Stiftes, ich überbringe Ihnen die ©
herzlichsten Glückwünsche zum 140-jährigen Bestehen des Paul Gerhardt Stiftes.
Das Paul Gerhardt Stift ist Teil des Weddings. Es ist ein lebendiges Zentrum, das
unter seinem Dach Angebote für alte und
junge Menschen, für Familien, für Zugewanderte und Nachbarn vereint.
In der langen Zeit seines Bestehens hat das Paul
Gerhardt Stift viel erlebt, immer war es das soziale und
karitative Zentrum mit Strahlkraft über den Bezirk hinaus.
Seit Generationen vertrauen die Bürgerinnen und Bürger des
Bezirks der Kompetenz und dem sozialen Engagement des
Paul-Gerhardt-Stiftes. Deshalb ist es auch – wie keine zweite
Einrichtung – geeignet, in Kooperation mit anderen Sozialund Bildungseinrichtungen ein bürgernahes kompetentes
Angebot für Familien im Bezirk anzubieten. Durch permanente Modernisierungen stellten die Betreiber sicher, dass
die Müllerstraße 56 – 58 die richtige Adresse für das soziale
und kommunale Leben unseres Bezirks blieb.
Sein christlich geprägtes humanistisches Weltbild ist für
die Arbeit mit den Menschen Verpflichtung und Ansporn
zugleich. Die intergenerationalen und interkulturellen Angebote fördern den wichtigen sozialen Zusammenhalt im
Stadtteil. Auch der gelebte interreligiöse Dialog beseitigt
Barrieren und eröffnet Wege zum gegenseitigen Verständnis.
Die Möglichkeit zur Teilhabe aller – egal welcher sozialen
oder religiösen Herkunft – und der Zugang zu Bildungs- und
Gesundheitseinrichtungen schafft stabile Nachbarschaften
und bildet so die Grundlage für die lebendige demokratische
Bürgergesellschaft.
Wie aktuell dieser Ansatz ist, zeigt das vom Paul Gerhardt
Stift initiierte Projekt „ZukunftsHaus Wedding“, mit dem verschiedenste Angebote für den Stadtteil gebündelt werden,
damit ein Netzwerk geschaffen wird, das sich der partnerschaftlichen Entwicklung lebenswerter Quartiere widmet.
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Dieses Engagement wurde 2014 mit dem Preis
„Soziale Stadt“ gewürdigt.
Vor dem Hintergrund des steigenden Bedarfs im Quartier unterstützt das Bezirksamt Mitte in einer engen Kooperation
den Aufbau guter Rahmenbedingungen
für den Ausbau der Beratungsangebote.
Besonders die Angebote für Alleinerziehende und ihre Kinder und die Förderung
und Gestaltung einer lebenswerten Nachbarschaft für ältere Menschen sind Schwerpunkte der Zusammenarbeit. Hier bietet das Familienzentrum Unterstützung für alle Familien im Bezirk. Besonders
die wohnortnahe Betreuung ist erfolgsversprechend, weil
die Bindung an das Wohnumfeld Sicherheit und Stabilität
verheißt.
Nicht unerwähnt bleiben soll, dass das Paul Gerhardt Stift
ein Zentrum für die Förderung von ehrenamtlichem Engagement ist. Ob in der Arbeit für Geflüchtete, in der Seelsorge
oder für Kinder und Jugendliche, immer schafft es das Paul
Gerhardt Stift Menschen zum Engagement für die Mitbürgerinnen und Mitbürger zu bewegen.
Es gibt viele Gründe, dem Paul Gerhardt Stift zu danken.
Der wichtigste und größte Dank geht an alle, die sich in den
letzten 140 Jahren erfolgreich für sein Bestehen eingesetzt
haben und seine Existenz auch in schweren Zeiten gewährleistet haben. Ich bin sicher, dass der gute Geist des Paul
Gerhardt Stifts auch für die nächsten Generationen weiterleben wird.
Mit herzlichen Grüßen
Dr. Christian Hanke
Bezirksbürgermeister Berlin-Mitte
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
GELEITWORTE
VIELFALT IN DER NACHBARSCHAFT
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„Diakonie. Für Vielfalt in der Nachbarschaft.“
So lautet das Motto des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz 2016.
Gutes Zusammenleben im Kiez ist ein entscheidender Faktor für Lebensqualität.
Wenn ich mich in meinem Umfeld heimisch
fühle, trägt das erheblich zu meinem Wohlbefinden bei. Das gilt für alle Generationen, für Einheimische und Neuzugezogene,
für Männer und Frauen, für Alleinlebende und
Familien in allen Konstellationen. Kieze verändern sich
rasant in der wachsenden Stadt Berlin. Das stellt für Alteingesessene wie für Neubürger_innen, ob sie aus anderen
Stadtteilen, aus anderen Regionen Deutschlands oder aus
aller Welt kommen, eine Herausforderung dar. Miteinander
leben statt nebeneinander oder gar gegeneinander, ergibt
sich nicht von selbst. Es braucht Anregungen und Orte der
Begegnung. Kirchengemeinden und Einrichtungen der Diakonie können solche verbindenden und überbrückenden
Orte sein. Die neutestamentlichen Geschichten zeigen vielfach, wie Jesus Abgrenzungen zwischen gesellschaftlichen
Gruppen aufbricht und mit seinem heilenden Handeln gesellschaftliche Ausgrenzungen öffnet. In Jesu Geist zu leben bedeutet zwar nicht, Gegensätze und gesellschaftliche
Konflikte vermeiden zu können, aber die Aufgabe am guten
Zusammenleben in der Gesellschaft mitzuwirken ist gestellt
und durch den christlichen Glauben ermutigt. Diese Chance
aber auch Aufgabe spiegelt unser Motto wider: Für Vielfalt
in der Nachbarschaft.
Das Paul-Gerhardt-Stift stellt ein wunderbares Beispiel für
diesen Arbeitsansatz dar. Es hat sich schon seit einigen Jahren in den Wedding geöffnet, Generationen-übergreifend und
Kultur-verbindend. Die Arbeitsfelder des Stifts, das Refugium
für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge, die Kindertagesstätte und die Familienbildung sowie das Seniorenzentrum,
arbeiten für sich nicht zwangsläufig quartiersbezogen. Das
hängt an dem Konzept und der Haltung der Mitarbeitenden.
Und hieran haben die Verantwortlichen in den letzten Jahren intensiv gefeilt. Sie haben sich auf ihren Gründungsaufruf „allen zu dienen“ und „keinen auszuschließen, er sei,
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wer er sei und heiße, wie er wolle“ (1876)
besonnen und ihre Türen und Angebote
geöffnet, um in diesem Sinne ein Stadtteilzentrum zu werden. So ideal Lage und
Räume des Stifts dafür sind, so schwer ist
es, eine auskömmliche Finanzierung für
diese kreativen offenen Angebote für alle
Generationen und Kulturen zu gewinnen.
Das Paul Gerhardt Stift hat diese Entwicklung gemeinsam mit vielen Partnern in Kirche, Diakonie und Kommune möglich gemacht. In
besonderer Weise konnte die Stiftung von der Kooperation mit dem Evangelischen Johannesstift profitieren und wird
dies in Zukunft intensivieren. Konsequent wird die Öffnung
verfolgt, zahlreiche Ehrenamtliche mit unterschiedlichsten
Biografien wirken an dem Projekt mit. Eine beeindruckende
Entwicklung! Aus dem Kaiserswerther Mutterhaus, das lange
Zeit ein Refugium für hunderte Diakonissen war, die in ganz
Berlin und im Umland gearbeitet haben, ist ein Zukunftshaus
für viele Menschen der Nachbarschaft geworden. Das Mutterhaus bildete für die engagierten Diakonissen das geistliche
Zentrum. Auch diese Tradition wird fortgesetzt, indem die jetzt
noch aktiven Diakonissen mit einer neuen geistlichen Gemeinschaft dafür sorgen, dass im Paul-Gerhardt-Stift in Kooperation mit der örtlichen Kirchengemeinde weiterhin geistliche
Stärkung und Ermutigung erfahrbar und interreligiöser Dialog
gepflegt wird.
Im ZukunftsHaus Wedding kann man viel lernen – nicht nur
als Nachbar und Nachbarin. Es ist ein beispielgebender Ort
für die Diakonie.
Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum und Gottes Segen
für die Zukunft wünscht
Barbara Eschen
Direktorin des Diakonischen Werkes BerlinBrandenburg-schlesische Oberlausitz e. V.
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
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enau 140 Jahre nach der Gründung der Paul Gerhardt
Stiftung am 7. Juni 1876 in der Kreuzberger Jacobikirchstraße und 128 Jahre nach dem Einzug der ersten Schwestern in dieses Haus an der Müllerstraße,
blicken wir dankbar auf eine außergewöhnliche und
wechselvolle Geschichte diakonischer Arbeit in Berlin
zurück. Gleichzeitig richten wir heute den Blick nach
vorn, denn die Stiftung will und wird auch in Zukunft
in diesem Stadtteil und darüber hinaus wirken. Gemeinsam mit dem Evangelischen Johannesstift werden wir die sozial-diakonischen Arbeitsfelder an diesem
und hoffentlich an weiteren Standorten qualitativ und quantitativ ausbauen. Der nachhaltige Erfolg der hier entwickelten sozialräumlichen Initiative „ZukunftsHaus Wedding“ hat
gezeigt, dass das Paul Gerhardt Stift als Partner im Stadtteil
gebraucht wird und einen wichtigen Beitrag zur sozialen und
kulturellen Förderung der Bezirksregion leisten kann.
GESCHICHTE UND WIRKEN DER DIAKONISSEN
Das Paul Gerhardt Stift wäre ohne die unermüdliche, harte
Arbeit und ohne das Gebet und die Gemeinschaft der Diakonissen nicht das, was es in der Vergangenheit war und
was es bis heute darstellt. „Am Anfang stand eine Idee mit
Wirkkraft“, so lautet der erste Satz der Schwesternregel über
das Amt der Diakonisse im 1836 von Theodor und Friederike Fliedner begründeten ersten Diakonissenmutterhaus in
Kaiserswerth. Das Archiv des Paul Gerhardt Stifts gibt ein
beredtes Zeugnis von der Gestaltungskraft und den vielfältigen Gaben der Frauen, die hier in einer Lebens-, Glaubensund Dienstgemeinschaft lebten und einen für den Wedding
bedeutsamen Ort der Krankenpflege, Bildung und Erziehung
schufen. Darüber hinaus taten sie in über 70 Kirchengemeinden Dienst, in Kindergärten, in der häuslichen Kranken- und
Altenpflege, in den Kirchengemeinden und auch an durchaus
überraschenden Orten. Die hohe Qualifikation der Krankenpflegeausbildung im Stift führte beispielsweise zu einer Einladung zur Pflege der kranken Kinder des Kaisers und später
zur Pflege der Kaiserin Auguste Viktoria selbst. Ein anderer
ungewöhnlicher Auftrag erteilte zu Beginn des letzten Jahrhunderts die Schultheiss-Brauerei, die zwei Paul Gerhardt
Schwestern für die betriebliche Gesundheitsversorgung und
Sozialarbeit einstellten.
Einige Zahlen mögen belegen, welche Bedeutung die diakonische Arbeit des Paul Gerhardt Stifts vor allem in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts hatte. Nach der Krankenhausgründung 1889 wurden in den Jahren zwischen 1904 und
1923 – also in weniger als zwei Jahrzehnten – eine Poliklinik
für Kinder, ein sogenanntes „Krüppelheim“, ein staatlich anerkanntes Kindergärtnerinnenseminar, eine kirchlich-soziale
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Frauenschule, ein Säuglingsheim, eine Krankenpflegeschule
sowie eine Haushaltungsschule eröffnet. Im Jahr 1913 haben
225 Schwestern über 13.000 Kranke betreut und etwa 2.500
Kinder fanden 1914 Platz in vier Kinderkrippen, 36 Kindergärten und acht Horten. Zwei Jahre später standen im Großen
Saal 30 Betten, die als Kriegslazarett dienten, 925 Zivilisten
und 562 wurden in diesem zweiten Kriegsjahr hier versorgt.
In der Zeit der zweiten Blüte zwischen 1924 und 1933 vergrößerte sich das Stift, insgesamt 475 Diakonissen gehörten
zum Haus, das Krankenhaus errichtete eine Entbindungsstation, über 2.000 Kranke wurden in dieser Zeit hier versorgt
und jährlich bis zu 60 Schülerinnen in den unterschiedlichen
Sozialberufen ausgebildet.
Ab Mitte der 1930er Jahre ging die Hochphase des Aufund Ausbaus schließlich dem Ende zu, die Zahl der Diakonissen sank bis 1945 auf nur noch 300 Schwestern. Die Zeit
des Nationalsozialismus war, das soll an dieser Stelle nicht
verschwiegen werden, in weiten Teilen eine Phase, in der
mindestens die Leitung des Hauses eine klare Loyalität zum
Unrechtsregime erkennen ließ. Der Aufruf von Bischof Ludwig Müller im Dezember 1933, in dem er das evangelische
Diakonissenwerk aufforderte, mit ganzer Kraft und Hingabe
am Aufbau des Dritten Reiches mitzuwirken, fand auch hier
im Hause Anklang, wie aus einigen Mitteilungen insbesondere des damaligen Direktors Pfarrer Wagner hervorgeht. In
einem Artikel der „Grünen Zweige“ – dem Vorläufer unserer
Notizen – aus dem Dezember 1939 heißt es sogar: „Hier
steht eine Gebetsgemeinde um den Führer und das geliebte
deutsche Vaterland in seinem Kampf“1
Diese Haltung war wohl in weiten Teilen der Evangelischen Kirche und der Inneren Mission nicht vollkommen außergewöhnlich. Gleichwohl ist es schmerzhaft zu wissen,
dass dieser Schatten auch auf dem Paul Gerhardt Stift liegt.
Doch auch diese dunkle Phase ist und bleibt Teil unserer
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Grüne Zweige, Archiv des Paul Gerhardt Stifts 1939
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
EINLEITUNG
Geschichte. Umso wichtiger ist es, an dieser Stelle an all
jene Frauen und Männer innerhalb der Evangelischen Kirche
zu erinnern, die zum Teil unter Einsatz ihres Lebens widerstanden haben. Zu erinnern ist vor allen an die Mitglieder
der Bekennenden Kirche und des Pfarrernotbunds, etwa an
Dietrich Bonhoeffer, James Graf von Moltke, Martin Niemöller, Friedrich Justus, Helmut Gollwitzer, Otto Dibelius oder
Walter Eucken und viele andere.
Nach dem Ende des nationalsozialistischen Terrorregimes dauerte es bekanntlich lange, bis sich die Kirche und
die Innere Mission ihrer Verantwortung gestellt haben. Das
Stuttgarter Schuldbekenntnis des Rats der Evangelischen
Kirche im Oktober 1945 war ein erster Beginn der Aufarbeitung, die Verdrängung und Verleugnung der Schuld dauerte
jedoch zum Teil bis in die späten 1970er Jahre.
Das Paul Gerhardt Stift knüpfte nach dem zweiten
Weltkrieg an die sozial-diakonische Arbeit der ersten Jahrhunderthälfte an, freilich in einem kleineren Rahmen und
konzentriert auf diesen Standort. Das Krankenhaus wurde
aus- und umgebaut, die Berufsschulen wiedereröffnet und
im neuen Kinderheim wurden Kriegs- und Halbweisen versorgt. Die Zahl der Schwestern sank bis 1976 auf 126 Frauen,
Ende der 1980er wurde das Krankenhaus geschlossen und
mit der Eröffnung des Übergangsheimes für Aussiedler und
Flüchtlinge ein neues Kapitel in der Arbeit des Stifts begründet. Die Zeit, in der die Diakonissen das Wirken hier im Haus
prägten, ist nun vorbei, umso herzlicher ist den verbliebenen
vier Mitschwestern unter der Leitung von Sr. Siegrid Fellechner im Namen des gesamten Paul Gerhardt Stifts für alles zu
danken, was sie dem Haus Gutes getan haben und noch tun.
ZUKUNFTSHAUS WEDDING UND NEUE WEGE
Die vergangenen fünf Jahre haben ein beredtes Zeugnis davon abgelegt, was Diakonie in einem Stadtteil wie dem Wedding leisten kann. Die hier durch das Team um Ute Köpp-Wilhelmus entwickelte Strategie „ZukunftsHaus Wedding“ hat
Rahmenbedingungen für die Entfaltung sozialen Engagements geschaffen und Angebote für verschiedene Gruppen
im Stadtteil neu aufgebaut und miteinander verbunden. Es
ist im besten Sinne des Wortes ein Mehrgenerationenhaus
geworden, in dem sich Menschen unterschiedlicher Kulturen,
Religionen und Altersgruppen begegnen. Das Paul Gerhardt
Stift leistet auf diese Weise einen sichtbaren Beitrag zur sozialen und kulturellen Förderung der Bezirksregion.
Das 140. Jahr seit der Gründung wird für das Stift eine inhaltliche und strukturelle Weiterentwicklung bedeuten und die
operative Arbeit auf neue organisatorische Beine stellen. Kuratorium und Vorstand haben im Jahr 2015 die Weichen für einen
Umbau der Stiftung zu einer Förderstiftung gestellt und damit
einen bereits seit 2006 bestehenden Plan vorangetrieben. Es
ist geplant, die bisherigen operativen Geschäftsanteile der
Stiftung in eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter
Haftung zu überführen, die das Paul Gerhardt Stift gemeinsam
mit dem Evangelischen Johannesstift im Dezember 2015 unter
dem Namen „Paul Gerhardt Stift Soziales gGmbH“ gegründet
hat. Hauptgesellschafter der neuen gGmbH mit 51 Prozent
der Gesellschaftsanteile ist das Evangelische Johannesstift,
das Paul Gerhardt Stift ist mit 49 Prozent an der neuen Organisation beteiligt. Die Stiftung Paul Gerhardt Stift wird entsprechend des Stifterwillens weitergeführt, allerdings soll sie
vorbehaltlich der Zustimmung der Stiftungsaufsicht und des
Finanzamts nicht mehr operativ tätig sein. Folglich werden die
sozial-diakonischen Arbeitsbereiche, die vormals durch das
Paul Gerhardt Stift erbracht wurden, künftig durch eine neue
Tochtergesellschaft des Evangelischen Johannesstifts erfüllt.
Ein Schwerpunkt der inhaltlichen Arbeit wird auch künftig in
der Versorgung von Flüchtlingen sowie in der Stadtteil- und
Bildungsarbeit liegen. In diesem Jahr sollen die formalen und
inhaltlichen Strukturen festgelegt werden, damit die neue
Konstruktion in den Organisationsformen der Förderstiftung
und der Paul Gerhardt Stift Soziales gGmbH ab Januar 2017
auf den neuen Wegen in Richtung Zukunft gehen kann.
Es soll abschließend all jenen von Herzen gedankt werden, die in den vergangenen Jahren daran mitgewirkt haben,
dass dieses Haus eine Zukunft haben wird. Neben der Geschäftsführerin Ute Köpp-Wilhelmus und ihrem engagierten
pädagogischen Team sind dies die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Verwaltung und Haustechnik sowie den über 60
Ehrenamtlichen, ohne die diese Arbeit nicht möglich wäre.
Auch die ideelle und finanzielle Förderung war und ist
ein wesentlicher Baustein unserer Arbeit, deshalb danken
wir stellvertretend dem Bezirksamt Mitte von Berlin, insbesondere dem Bürgermeister Herrn Dr. Christian Hanke
und seinem Team, dem Bundesfamilienministerium, dem
Bundesbauministerium, der Evangelischen Kirche (EKBO)
und dem Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz (DWBO), dem Kirchenkreis Nord-Ost, der
Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft,
der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt,
der Deutschen Stiftung Klassenlotterie Berlin, der Aktion
Mensch, dem Allianz Kinderhilfsfonds, der Frau Martha-Wiedemann-Stiftung, der IKEA Stiftung sowie der Stiftung Bürger helfen e. V. und vielen anderen Einzelspenderinnen und
-spendern für ihre großartige Unterstützung bis hierher.
„Suchet der Stadt Bestes! “, so heißt es bekanntlich im Buch
Jeremia – das Paul Gerhardt Stift wird sich auch in Zukunft
mit der Unterstützung Vieler und mit Gottes Segen auf diese
Suche begeben.
Hans Nisblé
Pfarrer Martin
von Essen
Andreas Arentzen
Vorsitzender des
Kuratoriums
Direktor
Vorstand
Kaufmännischer
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
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DIAKONIE IN GEMEINSCHAFT
DIAKONIE IN GEMEINSCHAFT – ZUR GESCHICHTE
UND AKTUALITÄT DER MUTTERHAUSDIAKONIE
Norbert Friedrich
V
erschiedene Meilensteine prägen die Geschichte der Mutterhausdiakonie seit der Gründung vor
180 Jahren. Was damals als ein kleines
Experiment in einer kleinen evangelischen Gemeinde in einem katholischen
Raum am Rhein begann, hatte große
Auswirkungen auf Kirche und Diakonie. Die entstehenden evangelischen
Gemeinschaften und Einrichtungen
konnten ihre Wirksamkeit dabei auf
zwei unterschiedlichen Ebenen entfalten. Als Gemeinschaften von evangelischen Frauen, die sich in Kirche und
Innerer Mission engagierten, veränderten sie unseren Blick auf die soziale Kraft des Christentums. Und als gut
ausgebildete Pflegerinnen und Erzieherinnen sorgten sie in Verbindung mit
den entstehenden modernen sozialen
und medizinischen Einrichtungen mit
für die Entwicklung des Sozialstaates.
Diese Entwicklung kann nur vor dem
Hintergrund der Geschichte des 19.
Jahrhunderts erklärt und beschrieben
werden. Im Zuge der Industrialisierung und der Urbanisierung kam es zu
dramatischen Veränderungsprozessen – die Geschichte der Stadt Berlin
steht dafür paradigmatisch. Als eine
soziale und kirchliche Bewegung hat
die Innere Mission, wie die heutige Diakonie damals allgemein genannt
wurde, sich darum bemüht,
unterschiedliche adäquate Antworten auf diese
Prozesse zu geben. Die
Herausforderung der
sozialen Notlagen vieler
Menschen führte allgemein zur Gründung von
Einrichtungen für die soziale Hilfe für arme, kranke oder
alte Menschen. Dabei stand eine Frage
im Mittelpunkt, auf die man vielleicht
nicht sofort kommt. Wo findet man
10
geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Wie sollen diese fachlich ausgebildet und befähigt werden? Wie stellt
man zusätzlich sicher, dass sie eine
enge Bindung an den evangelischen
Glauben und an die Kirche haben? Eine
prägende Antwort versuchte Theodor
Fliedner.
THEODOR FLIEDNER
1836 hat Theodor Fliedner (1800 – 1864)
gemeinsam mit seiner ersten Ehefrau
Friederike (1800 – 1842) in Kaiserswerth das erste Diakonissenmutterhaus gegründet
und damit ein Modell
einer christlichen Krankenpflege sowie einer
religiösen Gemeinschaft
geschaffen, welches für
Kirche und Diakonie im
19. und 20. Jahrhundert
von großer Bedeutung war. Nach
dem frühen Tod seiner ersten Frau
setzte er sein Aufbauwerk mit seiner
zweiten Frau Caroline (1811 – 1892)
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
fort. Fliedner verfolgte ein ähnliches
Programm der Rechristianisierung der
Gesellschaft wie der Gründer der Inneren Mission, der Hamburger Johann
Hinrich Wichern (1808 – 1881). Durch
seine Konzentration auf die Berufstätigkeit der Frau in der Krankenpflege
und in der Erziehungsarbeit setzte er
aber sehr charakteristische eigene Akzente. Nicht die Gründung einer Institution, einer eigenen Anstalt, war sein
Ziel, vielmehr wollte er Ausbildungsmöglichkeiten schaffen, eine religiöse
Frauengemeinschaft bilden und soziale
Mission organisieren. Die Entstehung
von Krankenhäusern, die primär der
Ausbildung dienten, war kein Hauptziel der Arbeit, sie entwickelte sich
freilich zu einem Markenzeichen der
Mutterhausdiakonie.
Im Mittelpunkt seiner Überlegungen
standen die „Diakonisse“ und die
Schaffung eines religiösen, an eine
Gemeinschaft gebundenen Amtes, welches sich in praktizierter Nächstenliebe
verwirklichte.
DIAKONIE IN GEMEINSCHAFT
Christliche Liebestätigkeit in der Arbeit – sei es in der Krankenpflege oder
der Erziehungsarbeit – bedeutete für
die Diakonissen: Sie leisten einen
Dienst am Nächsten in christlicher
Demut. Fliedner begründete in seiner
sogenannten Hausordnung die Arbeit
der Diakonissen theologisch-religiös
mit einem Dienst, durch den sie den
„Christengemeinden (...) dienen“ sollten. Konkretisiert wurde dies durch ein
Dienstverständnis, welches zwischen
den Polen Liebe und Gehorsam, Dienst
und Tat ausgestaltet wurde. Es hat
sich, in seinen Grundzügen, bis in das
20. Jahrhundert hinein in den Diakonissenanstalten gehalten und wurde
– trotz vieler Unterschiede – überall
stilprägend.
Die Diakonissen sollten sein:
• „ Dienerinnen des Herrn Jesu
• Dienerinnen der Kranken um Jesu
willen (später hieß es hier: der
Armen, Kranken und Kinder um
Jesu willen)
• Dienerinnen untereinander.“
Wer sich zu diesem Dienst entschloss
und in die Gemeinschaft aufgenommen wurde, entsagte den weltlichen
Lebensbezügen weitgehend und fand
sich ganz in die Gemeinschaft ein. Diakonissen sollten sich „fern (zu) halten
von allen anderweitigen irdischen Verbindungen“. Die Konzentration auf einen in Demut ausgeübten Dienst wird
in der ersten Hausordnung deutlich
gemacht. So heißt es im allgemeinen
Teil der Kaiserswerther Hausordnung
von 1837 / 39:
„Jede Diakonisse, die die Pflichten ihres Amtes mit dem Wohlgefallen ihres Herrn, zur Zufriedenheit der
Direktion und zum Heil des leidenden
Nächsten erfüllen will, muß daher von
der Liebe Christi regiert, sich selbst
ein Gesetz sein und der Nachhilfe
der äußeren Gesetze immer weniger
bedürfen.“
Die Arbeit der Diakonissen wurde als ein diakonisches Amt definiert. Dabei achtete man in den
Diakonissenmutterhäusern zunächst
auf eine fachliche und umfassende
Ausbildung, trotz aller späteren Kritik
ein wichtiges Charakteristikum der
Mutterhausdiakonie. Für die Krankenpflege bedeutete dies: Neben dem von
Ärzten durchgeführten Krankenpflegeunterricht, der sich an den bestehenden Lehrbüchern orientierte, kam
noch ein allgemeinbildender Unterricht hinzu. Die Diakonissen wurden
so – durchaus gut ausgebildet und
mit einem modernen medizinischen
und pflegerischen Standard versehen – kompetente Mitarbeiterinnen
in den Krankenhäusern und Kirchengemeinden. Sie besaßen gegenüber
den Ärzten einen eigenständigen Kompetenzbereich, der über die Pflege hinausging, aber nicht in das ärztliche
Bestimmungsrecht eingreifen sollte.
Im Rahmen der beginnenden medizinischen und funktionalen Ausdifferenzierung der Krankenhäuser im 19.
Jahrhundert bekam der Pflegebereich
durch die Professionalisierung auf
der einen Seite ein eigenständiges
Gewicht.
MUTTERHAUSDIAKONIE
IN BERLIN
Schnell verbreitete sich von Kaiserswerth aus die Bewegung der Mutterhausdiakonie, auch durch die
Unterstützung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. und seiner
Regierung.
Die preußische Hauptstadt wies
einerseits ein sehr lebendiges kirchliches und soziales Leben auf, andererseits trafen hier, in der industrialisierten Großstadt, konservative und
liberale Traditionen konfliktreich aufeinander. Immer wieder wurde gerade
das großstädtische Berlin als unkirchlich und unchristlich beschrieben.
Von Johann Hinrich Wichern ist das
Zitat „Hier in Berlin kann man gottlos werden – ob man will oder nicht“
überliefert. Wichern dürfte bei diesem
Zitat an die rasante Urbanisierung
der Stadt, die Bildung von Riesengemeinden, aber auch an die starken
Spannungen innerhalb des Protestantismus zwischen Konservativen und
Liberalen gedacht haben, wohl auch
an das mehrheitliche Versagen in der
sozialen Frage.
Gleichzeitig wies Berlin schon früh
zahlreiche Initiativen auf, die auf die
sozialen Umbrüche der Zeit zu reagieren versuchten. Die Bestandsaufnahme des Berliner Pfarrers Friedrich
Gustav Lisco von 1846 zählt fast 400
Stiftungen und Vereine, bis zur Jahrhundertwende stieg die Zahl stark an.
Und ab 1843 arbeiteten auch Kaiserswerther Diakonissen in der Berliner
Charité. In Berlin wurde dann 1846 mit
dem Diakonissenmutterhaus Bethanien – nach sehr langen Vorüberlegungen und Planungen, an denen auch
Theodor Fliedner beteiligt war – das
erste Mutterhaus nach Kaiserswerther
Vorbild geschaffen. Zuvor schon gab
es Initiativen, die später zu Mutterhäusern führten, wie das die Gründung des eines Maddalenestiftes 1841
– vor 175 Jahren – aus dem später das
Evangelische Diakonissenhaus Teltow
entstand, oder das Elisabeth-Krankenhaus, 1837 von Johann Evangelista
Goßner gegründet. Und 1865 war im
Berliner Norden das Lazarus-Diakonissenhaus entstanden.
Alle diese uns heute nicht ganz
gradlinig erscheinenden Gründungen
in Berlin zeugen auch davon, welche
Bedeutung der Zusammenhang von
fachlicher Ausbildung und Gemeinschaftsbildung hatte. Ohne feste Gemeinschaften war es noch schwerer,
genügend qualifizierte Mitarbeiterinnen für die eigenen Arbeitsbereiche
zu erhalten, zugleich erwiesen sich
die Frauen, die sich bereitfanden,
den Weg in eine feste Gemeinschaft
zu gehen, nicht immer als interessiert
oder befähigt genug, in den Gemeinschaften zu bleiben – die Klage über
einen Mangel an Schwestern gehört
zur Mutterhausdiakonie immer dazu.
In einer schon reichen und differenzierten diakonischen Berliner
Landschaft, in der die bestehenden
Mutterhäuser alle noch nicht die
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
11
DIAKONIE IN GEMEINSCHAFT
Größe von Kaiserswerth erreicht hatten, entstanden dann im Kaiserreich
weitere Diakonissenhäuser, denn der
Bedarf an qualifizierter Krankenpflege und Gemeindepflege war groß.
Schon kurz nach der Gründung des
Paul-Gerhardt-Stiftes in Berlin 1876
findet sich beispielsweise die Klage: „Die Berliner Diakonissenhäuser
sind zu ihrem eigenen Leidwesen
völlig außer Stande, diesem großen
Bedürfnis [d. i. nach Pflegekräften,
N. F.] abzuhelfen, da ihre Kräfte völlig
von der Krankenpflege in ihren eigenen Mauern in Anspruch genommen
werden.“ Das Paul-Gerhardt-Stift war
in enger Verbindung zur ansässigen
Kirchengemeinde (St. Jakobi-Gemeinde) entstanden und steht so auch
für die Verbindung von Kirche und
Diakonie.
© Paul Gerhardt Stift
So ist die Gründung auch Ausdruck
der dynamischen Entwicklung Berlins sowie der Tatsache, dass sich die
Mutterhäuser auch dort entwickeln
konnten und entstanden, wo es einen großen Bedarf an Arbeitskräften
in der Erziehungsarbeit und der Krankenpflege gab.
DAS 20. JAHRHUNDERT
Im Verlauf des 20. Jahrhunderts veränderten sich die Rahmenbedingungen
für die Diakonissengemeinschaften
grundlegend. Die zunehmende staatliche Regulierung der Ausbildungen (ab
1907 durch das preußische Krankenpflegegesetz) wirkte sich ebenso auf
die Gemeinschaften aus, wie die langsam fortschreitende Säkularisierung
der Gesellschaft. Die Zahl der Eintritte
in die Gemeinschaften ging zurück, mit
großen Konsequenzen für das innere
Gefüge der Häuser und
die Gemeinschaften,
die älter und kleiner
1874
1876
Gründung des Vereins für Privatund Gemeindepflege zur Begründung und Unterhaltung eines
Schwesternverbandes für Privatkrankenpflege und zur Einführung
der weiblichen Gemeindediakonie.
Dieser Verein erlässt 1875 einen
Aufruf zur Gründung der Paul Gerhardt Stiftung in Berlin und richtet
ein Schwesternkonvikt ein.
Auf den Tag 200
Jahre nach der Beisetzung des Pfarrers
und Liederdichters
Paul Gerhardt am
7.6.1876 wird die
Stiftung „Paul
Gerhardt Stift zu
Berlin“ in Kreuzberg
gegründet.
1876
wurden. Parallel dazu konnten sich
viele Einrichtungen erfolgreich weiter
entwickeln und sich für aktuelle Herausforderungen des Sozialstaates
verändern.
Für die Gemeinschaften stand und
steht die Frage nach der eigenen Zukunft in einer sich zunehmend ausdifferenzierenden Welt immer wieder zur
Diskussion.
Durch die Auflösung der Arbeits-,
Dienst- und Lebensgemeinschaft und
durch die nicht mehr selbstverständliche Verbindung der Gemeinschaften
und der Werke hat sich die Fragestellung und Aufgabe verändert, nicht aber
unbedingt das Ziel selbst. So wie man
im 19. Jahrhundert durch die pflegerische und erzieherische Arbeit dem
einzelnen helfen wollte und damit auf
eine durch Nächstenliebe verbesserte
Welt hoffte, so besteht diese sozialdiakonische Arbeit heute fort.
Man war und ist bis heute in den
Gemeinschaften
1887
Das Paul Gerhardt
Stift erwirbt dank
zahlreicher Spenden
das Grundstück an
der Müllerstrasse 56
und beginnt mit dem
Bau des Mutterhauses mit Kapelle und
angeschlossenem
Krankenhaus.
1888
Einweihung des Neubaus in Anwesenheit
der Kaiserin AugusteViktoria, die das
Protektorat übernimmt.
1876 – 1879
Die Schwesternschaft
wächst von acht
auf 18 Diakonissen.
140Jahre
12
PAU L G E RHAR DT STI F T I M ÜB E R B LICK
NOTIZEN 1.2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
DIAKONIE IN GEMEINSCHAFT
Zum Autor
bestrebt, seine geistliche Mitte und seinen selbst definierten Grundauftrag –
den diakonischen Dienst zu tun und
dabei eine Verbindlichkeiten zu haben
– zu bewahren und zugleich neue Formen zu begleiten und zu stärken.
1889
Eröffnung des
Krankenhauses.
Auch wenn sich die Verhältnisse und
die Strukturen verändern – und dies ist
ein Prozess, den die Mutterhausdiakonie seit der Gründung kennt – bleiben
doch die gemeinsamen Wurzeln einer
Diakonie in Gemeinschaft bestehen.
1894
1904
Fertig gestellter zweiter Gebäudeteil in der Müllerstraße 57.
Poliklinik für Kinder
wird eröffnet.
Dr. phil. Norbert Friedrich ist Leiter der
Fliedner-Kulturstiftung Kaiserswerth.
Der 1962 geborene Historiker und
Theologe war zwischen 1991 bis 1994
und 1998 bis 2002 Wissenschaftlicher
Mitarbeiter und Wissenschaftlicher
Assistent an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Ruhr-Universität
Bochum. Seine Arbeitsschwerpunkte
sind Kirchliche Zeitgeschichte, Diakoniegeschichte, Kirchengeschichte
des 19. und 20. Jahrhunderts sowie
Geschichte des sozialen Protestantismus. Er veröffentlichte u. a. eine
Biographie des christlich-sozialen Politikers Reinhard Mumm, gemeinsam
mit Traugott Jähnichen eine fünfbändige Geschichte der sozialen Ideen
im deutschen Protestantismus sowie
mit Martin Wolff das Buch „Diakonie
in Gemeinschaft. Perspektiven gelingender Mutterhaus-Diakonie“.
1908
Gründung der staatlich
anerkannten Krankenpflegeschule. Eröffnung
des „Krüppelheims“.
1911
Eröffnung des staatlich anerkannten
Kindergärtnerinnenseminars sowie der
Ev. kirchlich-sozialen
Frauenschule.
1900
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
13
DEN FRAUEN EINE STIMME GEBEN
Stefan Kurzke-Maasmeier
VORBEMERKUNG
D
ie christliche Mission in Afrika
im 19. und 20. Jahrhundert ist
kein Ruhmesblatt in der Geschichte
der Kirchen. Häufig genug gingen politische, wirtschaftliche und religiöse
Kolonialisierung Hand in Hand. Es ist
mittlerweile historisch gut belegt,
dass sich patriarchale Ausbeutungspolitik für ihre Absichten religiöser Autoritäten, und die patriarchale Religion
sich die Politik zunutze gemacht
hat. „Als die Missionare in unser Land
kamen, brachten sie die Bibel mit. Sie
hießen uns, mit geschlossenen Augen
zu beten und als wir die Augen wieder
öffneten, hatten wir die Bibel und sie
unser Land“, so ein Sprichwort aus
Kenia. Auch die Berliner Mission war
wie viele andere Missionsgesellschaften des 19. Jahrhunderts ursprünglich
eine Institution, die auf eine religiöse
Bekehrung der „Heiden“ zielte und
ein eurozentristisches Verständnis
von Kultur und „Sitten“ vermittelte.
In den letzten Jahrzehnten hat sich
das Berliner Missionswerk freilich zu
einer Organisation gewandelt, deren
Hauptaufgabe die Förderung ökumenischer Partnerschaft mit den heute
© Paul Gerhardt Stift
DEN FRAUEN EINE STIMME
GEBEN – DIE MISSION
DER ANNA VON WALDOW
Anna von Waldow
selbstständigen Kirchen und weltweite Projekte zugunsten der Ärmsten in
der Welt darstellt.
1914
Zu Beginn des ersten
Weltkrieges werden
80 Diakonissen
einberufen und
leisten Dienst in den
Frontlazaretten. Der
große Festsaal im
Mutterhaus wird zum
Kriegslazarett.
1918
1922
Gründung des
Säuglingsheims
mit einer Säuglingspflegeschule
Schließung des
Säuglingsheims
aus wirtschaftlichen
Gründen
1920
Schließung der
Ev. kirchlich-sozialen
Frauenschule aus
wirtschaftlichen
Gründen
14
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
1923
Eröffnung
der
Haushaltungsschule
1928
Das Feierabendhaus
wird fertiggestellt. Die
Schwesternschaft umfasst
425 Frauen.
DIE MISSION DER ANNA VON WALDOW
Als eine Frau lesen lernte,
trat die Frauenfrage in
die Welt.
MARIA VON EBNER ESCHENBACH
Der Weg dahin war jedoch lang und für
die indigene Bevölkerung nicht selten
mit dem Verlust von Tradition, Religion und Stabilität verbunden. Zusätzlich war die Kolonialisierung vor allem
in ihrer frühen Phase insbesondere mit
Blick auf die Situation der Frauen häufig dramatisch. Der Afrikanist Heinrich
Loth hat in seinen Untersuchungen zur
Kulturgeschichte der afrikanischen Königreiche immer wieder die starke Rolle
der Frau vor der Kolonisierung und die
Verschlechterung der Stellung der Frau
durch die Patriarchalisierung und die
islamische und christliche Missionierung festgestellt1. Aber das Verhältnis
1Heinrich Loth: Die Frau im Alten Afrika,
Leipzig 1986, S. 7
WALI-ARBEIT
IN MANEROMANGO
Die knappe Vorbemerkung zur christlichen Missionsarbeit soll veranschaulichen, in welchem politischen und kirchlichen Kontext die Arbeit von Sr. Anna
von Waldow stand. Anna von Waldow
kam 1894 im schlesischen Polzin als
Tochter des Landwirts Carl von Waldow
und seiner Frau Anna zur Welt. Nach
Postkarte von Sr. Anna von Waldow
mit einem Gebet auf Suaeli
der Schulzeit in Greiffenberg besuchte
sie zwischen 1919 und 1920 die Evangelische Frauenschule für soziale Arbeit
1940
1933
1930
Das staatlich
anerkannte
Hauspflegerinnenseminar
wird eröffnet.
zwischen Missionierung und der Entwicklung von Frauenrechten ist mindestens ambivalent, denn nicht wenige Frauen in der Mission haben auch
dazu beigetragen, dass erniedrigende
Riten und Kulte zurückgedrängt und
die Bildung insbesondere von Mädchen ermöglicht werden konnten. An
diesem Punkt beginnt die Geschichte
der Diakonisse Anna von Waldow, die
aus dem Paul Gerhardt Stift heraus bis
1959 in der Ostafrika-Mission sowie in
Südafrika tätig war und viele Bildungsprojekte anstoßen konnte.
1932
Schließung des
„Krüppelheims“
Durch staatliche
Aufhebung des
Ausbildungszweiges muss das
HauspflegerinnenSeminar geschlossen
werden.
Mit 475 Diakonissen erreicht das
Stift seine maximale Größe, sie
arbeiten in Gemeinden und
ambulanten Pflege, im Krankenhaus, in den Kindergärten oder
in Altenheimen.
1935
Schließung des Kindergärtnerinnen- und Hortnerinnenseminars infolge der
politischen Verhältnisse.
Das Damenheim wird
eröffnet.
1937 – 1945
In mehreren Publikationen und Verlautbarungen des Paul Gerhardt Stifts unter der
Leitung von Pastor Wagner wird die
Sympathie mit der nationalsozialistischen
Ideologie deutlich zum Ausdruck gebracht.
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
15
DEN FRAUEN EINE STIMME GEBEN
am Paul Gerhardt Stift und erhielt hier
die Befähigung für den Beruf der Inneren Mission und der sozialen Arbeit.
Nach ihrem Abschluss war sie unter
anderem in der Jugendarbeit der Kapernaum-Gemeinde in Berlin-Wedding
tätig, bis sie 1923 in das Mutterhaus
Paul Gerhardt Stift eintrat und 1927
zur Diakonisse eingesegnet wurde.2
Ihren autobiografischen Notizen und
der Schwesternakte kann entnommen
werden, dass sie sich bereits früh für
die Missionsarbeit interessierte. So
stellte sie sich drei Jahre nach der Einsegnung der Berliner Mission zur Verfügung und wurde durch das Mutterhaus
für den Missionsdienst freigestellt. An
der Friedrich-Wilhelms-Universität zu
Berlin hatte sie sich als Gasthörerin
für Suaheli eingeschrieben und sich
2Vgl. Archiv des Paul Gerhardt Stifts
(ArPGS), 1 / 2921 (Schwesternakte Anna
von Waldow)
1943 und 1944
Bei Fliegerangriffen entstehen
erhebliche Gebäudeschäden.
Kriegsbedingte Schließung der
Haushaltungsschule.
1945
intensiv auf ihre Tätigkeit in Afrika vorbereitet. Mit dem Schiff landete Anna
von Waldow gemeinsam mit Sr. Elfriede
Bünger im November 1930 schließlich
in Dar es Salaam (arab.: Hafen des
Friedens), dem Regierungssitz des
heutigen Tansania.3 Die Stadt war zur
damaligen Zeit Zentrum und Sitz der
Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft
und der Kolonialverwaltung. Im Jahr
1888 verpachtete Sultan Sayyid Khalîfa
Dar es Salaam zusammen mit der gesamten Küste des heutigen Tansania
an die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft. Am 28. Oktober 1890 verkaufte
Sultan Sayyid ‘Alî schließlich Stadt und
Küste.4 Über Dar es Salaam gelangte
3Vgl. Archiv des Paul Gerhardt Stifts
(ArPGS), 1 / 316 (Briefe, Rundschreiben,
Berichte von Anna von Waldow).
4Quelle: www.afrika-online.com/tansania/
provinzen/daressalam/index.html, Zugriff
am 21.04.16
1946
Beginn des Wiederaufbaus
zerstörter Gebäudeteile.
Eröffnung des Kinderheims.
1976
Das einhundertste
Jubiläum wird feierlich begangen. Die
Zahl der Schwestern
beträgt 126.
1950
Besetzung des Geländes durch eine sowjetische
Sanitätseinheit. Eine notdürftige Weiterführung
des Krankenhauses wird gestattet. Das
Krankenhaus nimmt im Juni seinen regulären
Dienst wieder auf.
16
Sr. Anna von Waldow in die Missionsstation von Maneromango, etwa 100
Kilometer landeinwärts. In der von einem Betheler Missionar gegründeten
Station unterhielt die Berliner Mission
handwerkliche Produktionsstätten und
acht sogenannte Buschschulen. Anna
von Waldow begann hier mit der pädagogischen Arbeit für jugendliche Mädchen (Wali), die eine besondere kulturelle Sensibilität erforderte. Nach einer
kultisch begründeten Tradition wurden
Mädchen nach ihrer ersten Menstruation zum Teil über mehrere Jahre in
einem dunklen Raum der elterlichen
Hütte gesperrt, wo sie nur flüstern
durften, ansonsten aber weitestgehend
untätig blieben. Die Mädchen erhielten
eine rituell geschnitzte Holzpuppe, die
sie wie ein Neugeborenes pflegen und
füttern mussten. Eine erwachsene Frau
war als Gruppenmeisterin für die „Eheund Sozialerziehung“ zuständig. Nach
dieser Zeit wurden die Mädchen am
Hochzeitstag „herausgelassen“, und
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
1989
Eröffnung des
Übergangsheimes für
Aussiedler und Flüchtlinge, später Wohnheim für traumatisierte
Flüchtlinge mit 200
Plätzen.
DIE MISSION DER ANNA VON WALDOW
der Initiationsritus wurde auf diese
Weise mit einem großen Fest beendet.
Schwester Anna von Waldow konnte
mithilfe der Tochter eines Dorfältesten
und in Zusammenarbeit mit den Familien erreichen, dass die Mädchen während dieser Entwicklungsphase nicht
passiv bleiben mussten, sondern Unterricht und Beschäftigung erhielten.
Die Väter wurden überzeugt, Hütten im
traditionellen Stil für eine Schule und
ein Wohnheim zu errichten. Die Mädchen arbeiteten danach auf dem Feld
und im Garten und erhielten gleichzeitig Unterricht im Lesen, Schreiben,
Mathematik, Musik, Hygiene sowie in
Bibelkunde, Haushaltskunde und Kinderpflege. Die Wali-Schulen erhielten
schließlich auch eine politische Anerkennung und finanzielle Unterstützung
der Regierung.5
ZWISCHEN TRADITION,
EVANGELISIERUNG UND
FRAUENRECHTEN
5Vgl. Die Brücke – Vierteljahresschrift für
Evangelische Mission im südlichen Afrika,
Nr. 3 / 88, S. 7f.
6Anna von Waldow:
Ein kurze Lebensskizze, in:
ArPGS 1 / 316, a. a. O.
Unter den damaligen Bedingungen einer tribalen Gesellschaft, die auf die Bildung von Mädchen und Frauen im Sinne
der Autonomieentwicklung kaum Wert
legte, war dieser Ansatz in gewisser
Weise revolutionär. Freilich stand die
pädagogische Arbeit in einem missionarisch-paternalistischen Kontext, der auf
die Festigung „christlicher Sitten“ zielte
und zweifelsfrei mit der teilweisen Ablösung der indigenen Kultur verbunden
war. Das Ziel der Wali-Schulen und des
Mädchenheims, so Anna von Waldow,
war klar, „nämlich christliche Erziehung,
Ausscheidung der heidnischen Sitten,
aber [auch] Pflege der guten völkischen
wie z. B. des Märchenguts, der Lieder
und der einheimischen Kunst.“6
Gleichzeitig eröffnete die Wali-Arbeit
den jungen Frauen eine Möglichkeit,
aus ihrer ‘unverschuldeten Unmündigkeit‘ herauszutreten. Anna von Waldow
setzte diesen Weg auch fort, nachdem
sie gemeinsam mit anderen deutschen
Missionaren und Farmern während des
2. Weltkriegs in Tanganyika in Rhodesien (heute Simbabwe) interniert wurde.
Im militärisch bewachten Lager organisierte sie einen Kinderhort, leitete ein
Lehrerinnenseminar und war gemeinsam mit dem Lagergeistlichen Bernhard Schiele für den Konfirmandenunterricht und die Kindergottesdienste
zuständig. Im Zuge der Repatriierung
gelangte Sr. Anna von Waldow als eine
von wenigen Missionsschwestern 1947
nach Südafrika. Im Sekhukuniland organisierte sie zunächst die Schülerheime der Höheren Schule Tshakhuma,
bevor sie Anfang der 1950er Jahre in
Beuster im Vendaland eingesetzt wurde und dort die pädagogische und
theologische Arbeit mit Frauen
2004
1991
Die ersten ärztlichen und
therapeutischen Praxen auf dem
Gelände werden als Gesundheitszentrum eröffnet. Schließung des
Kinderheimes.
Schließung des
Paul Gerhardt
Heims für
traumatisierte
Flüchtlinge,
etwa 40 Plätze
können als
„Refugium“ in
einem anderen
Gebäudeteil
erhalten
werden.
1997
Gründung
Paul Gerhardt
Konvent
2000
1996
Die letzte Gemeindeschwesternstation muss
aufgegeben werden.
Das Paul Gerhardt Stift
hat 37 Diakonissen
und vier Diakonische
Schwestern.
2001
2006
Eröffnung des
Wohnstifts – Servicewohnen für Senioren
Eröffnung des
Pflegewohnheims
in Trägerschaft der
Paul Gerhardt Stift
Pflege gGmbH
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
17
DEN FRAUEN EINE STIMME GEBEN
fortführte. Der methodische Ansatz
von Schwester Anna von Waldow, die
Bibel im Kreis von Frauen alltagsnah
zu besprechen und eine Anleitung zu
eigener Darbietung in Kinder- und Gemeindestunden zu geben, war dabei
sicher nicht ausdrücklich feministisch
geprägt. Gleichwohl veränderte es
offenbar doch das Selbstverständnis
der Frauen und leitete im Umfeld der
Missionsstation eine Phase der Emanzipation ein.7 Mehrere Frauen wurden
ordinierte Amtsträgerinnen und führten die theologische und gemeindepädagogische Arbeit fort. Die Form der
Bibelauslegung hatte gezeigt, wie die
Bibel zu einem Spiegel werden kann,
in dem Frauen eine Möglichkeit finden,
ihre eigene tägliche Realität kritisch
zu reflektieren und ihr Leben zu verändern. Das Problem der Evangelisierung
hat Anna von Waldow durchaus kritisch
beurteilt, auch wenn ihre Frage im November 1954 „warum hier noch so viele
Heiden sind, trotzdem das Evangelium
über 80 Jahre verkündigt wird“8 aus
heutiger Sicht seltsam anachronistisch klingen mag. Im gleichen Schreiben an das Paul Gerhardt Stift versucht
sie eine Antwort darauf zu geben und
räsoniert, dass es möglicherweise die
Christen selbst seien, die der Durchsetzung der frohen Botschaft im Wege stehen. Sie hebt damit vor allem auf die
beginnende Ausweitung evangelikaler
Sekten und neuheidnischer Bewegungen „unter einem christlichen Mantel“
ab, die in Konkurrenz zum kirchlichen
Leben mehr und mehr Platz griffen.
Ihre teils charismatischen, teils fanatischen Pfarrer setzten oft dort an, wo
„Zauberdoktoren“ und Medizinmänner mit der kultischen Beschwörung
von Geistern und Ahnen, mit Trance
7
8
Ebd.
Jahresbericht 1954, in: Ebd.
2013
2011
Konzeptentwicklung
„ZukunftsHaus Wedding“
18
Eröffnung des Stadtteilzentrums. Zahlreiche
Kurse, Veranstaltungen
und Angebote mit jährlich
bis zu 7.000 Kontakten,
Nutzern und Besuchern
und Ekstase einen magischen, nicht
selten angstbesetzten Volksglauben
hinterlassen hatten. Schwester Anna
sah darin nicht zuletzt auch eine Gefährdung ihrer Frauen-Bibelarbeit,
wenngleich sie die missionarische
Kraft mancher gemäßigter Sektenkirche auch beeindruckte.
„SIE HAT SICH MÜDE
GEMACHT FÜR UNS …“ –
ABSCHIED UND RÜCKKEHR
Mit Erreichen des Pensionsalters kehrte Anna von Waldow im März 1959 in
das Mutterhaus des Paul Gerhardt
Stifts zurück. Ihr Abschied vom Ort
ihrer Missionsarbeit fand große Resonanz und zeigte, wie nachhaltig ihre
pädagogische und theologische Arbeit mit Mädchen und Frauen
gewirkt hatte. Unzählige
Briefe und Berichte, in denen sie die schwierigen
2014
2016
Eröffnung der Kindertagesstätte mit
38 Plätzen. Roland Kaiser unterstützt das ZukunftsHaus Wedding.
Das Paul Gerhardt Stift erhält den
Anerkennungspreis „Soziale Stadt“.
Aufbau der Paul
Gerhardt Stift Soziales
gGmbH. Das Paul
Gerhardt Stift hat noch
vier Diakonissen.
2012
2015 – 2016
Eröffnung des
Familienzentrums
Ausbau der Flüchtlingsarbeit
auf 136 Plätze.
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
TRADITION UND TRANSFORMATION
Rahmenbedingungen, aber auch die
Erfolge ihrer Bildungsarbeit dokumentierte, zeugen von einer unermüdlichen
Kraftanstrengung und ihrer festen Verwurzelung im Glauben an Christus. Für
das Paul Gerhardt Stift war der kontinuierliche Austausch mit Sr. Anna von
Waldow in den 32 Jahren ihrer Missionsarbeit eine Brücke in eine andere Welt
und grenzüberschreitender Ausdruck
der Gründungsidee des Stifts, „allen
zu dienen (…) und keinen auszuschließen, er sei, wer er sei, und heiße, wie
er wolle.“
Was Schwester Anna von Waldow,
die im Vendaland einfach nur „Mama
Anna“ hieß, hinterlassen und welche
Hochachtung sie erfahren hat, wird
in den Worten schwarzer Christinnen
und Christen deutlich, die zur ihrem
Abschied gesammelt und im Archiv
des Stifts dokumentiert sind. „Ich habe
nichts zu sagen“, so eine alte Frau,
„mein Verstand ist gering. Aber das
habe ich zu sagen, das ist eine neue Sache: Eine Frau steht vor Menschen und
bezeugt Gott! Früher gingen wir bloß
zur Kirche und zum Unterricht. Dann
fing die Schwester an zu rufen: Kommt,
ihr Frauen! Redet, ihr Frauen! Das war
eine neue Sache für uns. (…) Sie hat
uns die Augen geöffnet, die Augen des
Herzens. Sie hat einen neuen Besen
genommen und ausgekehrt, all unseren Kummer ausgekehrt, damit wir ein
Ruhelager fänden.“9 Eine andere Frau
kann nicht verstehen, dass die Mission von „Mama Anna“ zu Ende gehen
muss und klagt: „Das verstehen wir
nicht, daß die Schwester nun ihr Haus
verlassen muß. Das ist nicht unsere
Sitte. Wir behalten unseren Großen
[= Alten] bei uns. Ich sage, das ist keine
gute Sitte. Wer kann uns nun beim Sterben helfen?“10 In den 1970er Jahren unternahm Anna von Waldow eine letzte
Reise in ihr geliebtes Afrika und suchte
die Orte ihrer Arbeit noch einmal auf.
Sie hat durch den Aufbau von Schulen, Wohnheimen und Bildungskursen
sowie durch ihre soziale, pflegerische
und gemeindepädagogische Arbeit die
evangelische Frauenmissionsarbeit im
östlichen und südlichen Afrika in jener
Zeit geprägt wie kaum eine andere. Sie
hat dem Paul Gerhardt Stift auf der anderen Seite des Globus in dieser Weise
ein konkretes Gesicht gegeben. Anna
von Waldow starb nach kurzer Krankheit am Gründonnerstag 1988 im Alter
von 94 Jahren im Mutterhaus in Berlin-Wedding.
9
10 Ebd.
Ebd., Unterstreichung im Original.
TRADITION UND TRANSFORMATION
Das Paul Gerhardt Stift in den Jahren zwischen 2006 und 2016
Ute Köpp-Wilhelmus &
Stefan Kurzke-Maasmeier
S
eit den Feierlichkeiten zum 130.
Jubiläum im Jahr 2006 hat das
Paul Gerhardt Stift einen fundamentalen Wandel vollzogen und sich auf
den Weg sozialräumlicher und interkultureller Öffnung gemacht. Ab dem
Jahr 2006 wurden mit der ersten Phase
des Neuanfangs unter der Leitung von
Pfarrer Martin von Essen, der bereits
2003 als Direktor des Paul Gerhardt
Stifts berufen wurde, die organisatorischen Voraussetzungen für eine
engere Zusammenarbeit mit dem
Evangelischen Johannesstift geschaffen und erste strategische Planungen
für eine Neugestaltung des Geländes
entwickelt. Nach dem Wechsel der Geschäftsführung in die Hände von Ute
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
19
TRADITION UND TRANSFORMATION
Köpp-Wilhelmus im Jahr 2010 begann
dann in einer zweiten Phase der Aufbau der interkulturellen und sozialräumlichen Strategie „ZukunftsHaus
Wedding“, durch die sich das Paul
Gerhardt Stift in gewisser Weise noch
einmal „neu erfunden“ hat. Tatsächlich aber knüpfte es damit an traditionelle Arbeitsfelder an, zum Beispiel an
die pädagogische Arbeit und die Unterstützung für Familien, die seit der
Gründung des Stifts zu den zentralen
Aufgaben der Diakonissen gehörten.
Da diese zweite Phase der Entwicklung seit 2010 die nachhaltigsten Änderungen in der Stiftung seit 2006 anstoßen konnte, soll ihr im Folgenden
mehr Raum gegeben werden. Beide
Phasen gründen auf der reichhaltigen
jahrzehntelangen Tradition der seelsorglichen, sozialen, pädagogischen
und pflegerischen Arbeit der Diakonissen, die das Paul Gerhardt Stift zu
einem wichtigen Ort gesundheitlicher
und sozialer Versorgung im Stadtteil
Wedding gemacht haben. Der Ausgangspunkt diakonischer Arbeit des
Stifts aber war und bleibt die frohe
Botschaft des Evangeliums, die auch
für den Namensgeber Paul Gerhardt
zeitlebens Bezugspunkt war. Deshalb
sollen zunächst die Traditionen und
Grundlagen diakonischer Arbeit im
Paul Gerhardt Stift in den Blick genommen werden.
TRADITIONEN – GLAUBE UND
DIAKONISCHE PRAXIS
Das Paul Gerhardt Stift weiß sich in
seinem sozialen und diakonischen
Engagement an die prophetischen
Wurzeln der Kirche und das Evangelium zurückgebunden. Die darin formulierte „Option mit den Armen“,
für die an den Rand Gedrängten und
Vernachlässigten weitet den Blick hin
zu jenen Menschen im Stadtteil, die in
besonderer Weise auf Unterstützung
und Hilfe angewiesen sind (Mt. 25,31
ff.). Zur Öffnung des Stifts hin zu einem multikulturell geprägten Stadtteil
gibt es keine vernünftige Alternative.
20
Diese Öffnung entspricht der Zielsetzung des Paul Gerhardt Stifts. Im auch
heute noch geltenden Gründungsaufruf von 1875 heißt es: „Und wie Paul
Gerhardt fest und unbeweglich stand
in seinem Glauben und Bekenntnis
(…), so soll das das Paul Gerhardt Stift
zwar fest gegründet stehen auf dem
Grunde, welcher Jesus Christus heißt,
aber die Arbeit, die von dort ausgeht,
begehrt, allen zu dienen, soweit Kraft
und Vermögen reicht, und will Keinen
ausschließen, er sei wer er sei und heiße, wie er wolle (…)“.1
Die Besinnung auf die theologischen Grundlagen der diakonischen
Arbeit lenkt den Blick zudem unweigerlich auf das kommende Jubiläumsjahr, in dem sich zum 500. Mal der
sogenannte Thesenanschlag Martin
Luthers in Wittenberg jährt. Martin
Luther bezog sich mit seiner Kritik und
der Forderung nach einer Reform der
Kirche u. a. auf den berühmten Satz
aus dem Römerbrief des Apostels Paulus: „Denn wir sind der Überzeugung,
dass der Mensch gerecht wird durch
Glauben, unabhängig von Werken des
Gesetzes“ (Römer 3,28). Die theologische Grundfigur „sola fide“ ist der
Rechtfertigungslehre zufolge eine Zusage Gottes, die den Menschen von einem transzendentalen Tauschgeschäft
(„Gutes tun und erst dann Gnade erfahren“) befreit. Die Gnadenzusage ist
nicht nur kein „himmlisches Marionettentheater“2 , sondern sie ist auch keine Geschäftsbeziehung auf Gegenseitigkeit. Gottes Zusage gilt unabhängig
vom Vermögen und Können des Einzelnen, er liebt den Menschen „vor aller Leistung und trotz aller Schuld“3.
Sind aber allein diejenigen Adressaten dieser Heilszusage, die im christlichen Gebet und in spiritueller Reflexion Zugänge zum Glauben suchen?
Diakonie als wesentliche Grundfigur
1 APGSt., Bd. 1, Nr. 220.
2Rechtfertigung und Freiheit. 500 Jahre
Reformation 2017. Ein Grundlagentext des
Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), S. 87
3Klaus Kliesch: Spuren des Geistes, in:
Bibel und Leben 28 (1989), 317 – 332.
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
von Kirche wird den „inklusiven Blick“
Jesu radikaler ausdeuten und Gnade
nicht von einer bestimmten Form von
„Glaubenspraxis“ abhängig machen
können. Insbesondere in einer Einrichtung wie dem Paul Gerhardt Stift,
die sich allen Menschen zuwendet,
kann der „exklusive“ Ausweis als Gemeinschaft der Glaubenden, die das
Evangelium verkünden und nach ihm
leben, durchaus als Barriere für den
Zugang von Angeboten verstanden
werden. Lebendiger Glaube jedoch
ist nichts Festes oder Unflexibles, er
ist kein geschlossenes Gebäude mit
Antworten, sondern ein Haus, in dem
Gewissheiten infrage gestellt werden
dürfen. Deshalb bedeutet das „für
alle“ auch, dass wir nicht ausschließlich durch den Glauben gerechtfertigt
sind, sondern Rechtfertigung jedem
Menschen allein durch seine Würde
zukommt. Aus diesem Grund wendet
sich das Paul Gerhardt Stift an alle Anderen, die auf Beratung, Begegnung
und Begleitung angewiesen sind. Es
öffnet sich dafür auch nach innen und
fördert interkulturellen Wandel und
interreligiöse Sensibilität, um dem
Evangelium und dem Gründungsauftrag des Stifts noch entschiedener
Rechnung zu tragen.
Die Angebote des Paul Gerhardt
Stifts sind deshalb keineswegs nur
binnenkirchliche Veranstaltungen,
sondern Angebote einer christlichen
Organisation für alle. „Die Kirche ist
nur Kirche, wenn sie für andere da ist
(...) Sie muß an den weltlichen Aufgaben des menschlichen Gemeinschaftslebens teilnehmen, nicht herrschend,
sondern helfend und dienend“. 4
4Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, 1980, 193. Um die paternalistische
Signatur einer Kirche für Andere oder einer
Option für die Armen abzumildern und den
Empowermentgedanken einer modernen
kirchlichen sozialen Arbeit zu betonen,
sollte eher davon gesprochen werden,
dass Kirche erst dort ihre diakonische
Aufgabe in einem emphatischen Sinne
ausfüllt, wo sie Kirche mit Anderen ist. Eine
Option für die Armen ohne Rücksicht auf
die Selbstbestimmung von Personen ist
pure Fürsorge, die nicht befreit.
TRADITION UND TRANSFORMATION
Bonhoeffer geht es dabei um die Verantwortung der Kirche für die „Welt“
und damit für die Anderen, vor allem
aber mit den Anderen.
Wenn sich die Kirche und ihre diakonischen Einrichtungen in einer immer
differenzierteren und zunehmend pluralen Gesellschaft Gehör und Geltung
verschaffen will, dann wird sie sich in
ihrem Selbstverständnis künftig als
eine „öffentliche Diakonie“5 verstehen
müssen. Dabei sucht sie die Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen
Kräften anderer weltanschaulicher
Orientierungen, ohne dabei das spezifisch christliche Profil zu verlieren. Der
Gründungsaufruf des Paul Gerhardt
Stifts ist ein zentrales Dokument der diakonischen Selbstvergewisserung und
Aufruf zur Öffnung. Und im erwähnten
Leitbild von 2008 ist dieser Auftrag wie
folgt konkretisiert: „Die gegenseitige
Akzeptanz der verschiedenen Formen
christlichen Miteinanders und die Öffnung für Menschen unterschiedlicher
Herkunft, Religion und Sprache ist die
besondere Aufgabe unserer Einrichtung. Im Glauben und im Vertrauen
5Uwe Becker: Perspektiven der Diakonie
im gesellschaftlichen Wandel. NeukirchenVluyn.2011, S. 18.
auf den Segen Gottes wollen wir verbinden, wo andere trennen, Sprache
finden, wo andere schweigen, und tätig
werden, wo andere wegschauen.“
Ein letzter Gedanke zu den Grundlagen der Arbeit knüpft an das Leben
und Wirken der Person an, auf deren
Namen sich das Stift beruft:
Paul Gerhardt. In die Not
der Kriegs- und Nachkriegszeit des 17. Jahrhunderts sowie in die
persönliche Leidensgeschichte durch den
Verlust fast aller Familienmitglieder hineingeschrieben, sind die Lieder
und Texte Gerhardt noch heute
eine wichtige Inspirationsquelle für
die sozial-diakonische Arbeit. Dabei
können sie mehr als fromme Besinnungsmusik sein. Denn in vielen Liedern steckt, so Fulbert Steffensky, eine
„Poesie von unten“. Gerhardt erbitte
nicht nur die starken Hände Gottes,
„die alles Herzleid wenden“.6 Sondern
er fordere das Recht der Armen, und
er erinnere die Mächtigen daran, dass
sie spätestens in der Stunde ihres
Todes allen Armen gleich sind. Gerhardts Adventslied „Wie soll ich dich
empfangen“ spricht dabei besonders
das aus, was sowohl für die Reflexion
des eigenen Lebens, wie auch für die
© E diakonische und soziale Arbeit
PD
von Bedeutung ist. „Ich
lag in schweren Banden / du kommst und
machst mich los / ich
stand in Spott und
Schanden / du kommst
und machst mich groß.“
Damit ist auch ein
Anknüpfungspunkt für die
Adressaten Sozialer Arbeit benannt, die durch die Angebote des
ZukunftsHaus‘ Wedding eingeladen
werden. Dass niemand zurückgelassen
werden darf, und dass es trotz widriger
Lebensverhältnisse und Ausgrenzungserfahrungen Hoffnung auf Veränderung
geben kann. Das ist eine der Kernbotschaften gelebter diakonischer Grundhaltung im Paul Gerhardt Stift.
6Fulbert Steffensky: Lasset uns singen –
Zum 400. Geburtstag von Paul Gerhardt; in
Leben & Glauben, Evangelische Zeitschrift,
Nr. 48, 2006 bis Nr. 47, 2007.
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SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
21
HISTORISCHE TRADITION UND TRANSFORMATION
TRANSFORMATIONEN –
WEGE ZUM ZUKUNFTSHAUS
WEDDING
Vernetzung und Entwicklung des
Geländes: die Jahre 2006 – 2010
Im Jahr 2006 arbeitete der Vorstand
in Person von Martin von Essen und
Andreas Arentzen weiter am Ausbau
des Paul Gerhardt Stifts zum Dienstleistungs- und Gesundheitszentrum.
Zu diesem Zweck wurden die verbliebenen Verwaltungstätigkeiten allerdings an das Evangelische Johannesstift abgegeben, denn die Aufgabe
der Arbeitsgebiete Krankenhaus und
Krankenpflegeschule Ende der 1980er
Jahre sowie die Schließung des Flüchtlingswohnheims mit etwa 200 Plätzen
im Jahr 2004 markierten ein vorläufiges
Ende der umfangreichen operativen
Aufgaben des Paul Gerhardt Stifts. Das
Paul Gerhardt Heim für traumatisierte
Flüchtlinge wurde jedoch ab 2004 als
„Refugium“ mit etwa 40 Plätzen im Stift
sowie in Wohnungen der Lange-Schucke-Stiftung weitergeführt und trägt
seitdem wesentlich zur Gemeinnützigkeit des Stifts bei. Bereits Ende 2005
wurden die Grundlagen für eine enge
Zusammenarbeit mit dem Johannesstift gelegt, etwa durch die Gründung
der gemeinnützigen Paul Gerhardt
Stift Pflege Gesellschaft, die Pächter
des neu gebauten Pflegewohnheims
Schillerpark auf dem Stiftsgelände wurde. Seit 2006 werden dort 138 pflegebedürftige Seniorinnen und Senioren
pflegerisch und psychosozial betreut.
Durch Immobilienverkäufe konnte die
wirtschaftliche Basis des Stifts gestärkt
und die Planungen für neue Projekte
auf den Weg gebracht werden. Der Vorstand und die leitenden Mitarbeitenden
entwickelten zwischen 2008 und 2009
Vorschläge zur strategischen Weiterentwicklung des Paul Gerhardt Stifts.
Auf der Grundlage einer Standortanalyse entstand schließlich das Konzept
„Marktplatz der Generationen“. Begegnung zwischen den Generationen, Kulturen und Religionen wurden als jene
drei Handlungsfelder identifiziert, die
22
mit Blick auf die Bevölkerungsstruktur
im Umfeld des Paul Gerhardt Stifts als
bedeutend erschienen, aufgrund der
fehlenden Infrastruktur allerdings nicht
umgesetzt werden konnten. Unter den
Stichworten Integration, Vernetzung
und Aktivierung wurden Überlegungen
skizziert, wie das Stift einen sinnvollen
Beitrag zur Entwicklung der Zivilgesellschaft im sozialen Brennpunkt leisten
konnte. Schließlich konnte unter dem
Geschäftsführer Sven Pruß-Delitsch
ein Förderantrag an die Stiftung Deutsche Klassenlotterie zum Umbau von
Räumlichkeiten im Mutterhaus auf den
Weg gebracht werden, durch den ein
Treffpunkt für den Stadtteil entstehen
sollte. Mehr und mehr wurde deutlich, dass die neue Aufgabe des Paul
Gerhardt Stifts in der Umwandlung zu
einem „Stadtteilhaus“ würde liegen
müssen, das sich nach dem Prinzip
der Gemeinwesenarbeit gestaltet. Der
Gemeinwesenarbeit geht es um die
Bereitstellung bedarfsgerechter Beratung und Treffpunkte, um die Aktivierung und Unterstützung von Selbstorganisationen, um die Entwicklung
von Strategien zur Verbesserung der
Lebenslagen sowie um die Förderung
von Kommunikation, Vernetzung und
Kooperation im Stadtteil.
Auf dem Weg zum ZukunftsHaus
Wedding: die Jahre 2010 – 2016
Im April 2010 wurde die neue Geschäftsführerin Ute Köpp-Wilhelmus
berufen, die bereits seit 1989 die
Flüchtlingsarbeit im Paul Gerhardt Stift
verantwortet hatte. Ab 2011 konnten
dann die begonnenen konzeptionellen Arbeiten in konkrete Projekte umgesetzt werden. Neben der Eröffnung
eines Familienzentrums wurden in den
Jahren 2012 und 2013 mit Mitteln der
Deutschen Stiftung Klassenlotterie und
der Senatsverwaltung für Umwelt und
Stadtentwicklung Räume für ein Stadtteilzentrum umgebaut und ein „Hof der
Begegnung“ angelegt. Kuratorium und
Vorstand der Stiftung entschieden sich
bereits 2011 dafür, die Einrichtung künftig weiterhin verstärkt als Anbieterin
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
sozialer und diakonischer Dienstleistungen zu etablieren. Durch eine Anschubfinanzierung aus Stiftungsmitteln
in mehr Personalressourcen mit Blick
auf professionelle stadtteilorientierte
Arbeit, Ehrenamtsmanagement, Kommunikation und Akquise von Förderund Spendenmitteln konnte mit dem
Aufbau der Strategie ZukunftsHaus
Wedding begonnen werden.
Das ZukunftsHaus Wedding ist mit
seinem lebenswelt- und sozialraumorientierten Ansatz ein offenes Angebot für den Stadtteil. Bürgerinnen und
Bürger aus der Nachbarschaft erhalten
die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten und
Aktivitäten für andere zu entfalten, ihre
Eigenverantwortung zu stärken und
neue Verbindungen aufzubauen. Das
ZukunftsHaus Wedding insbesondere
in Gestalt des Stadtteilzentrums hat
sich zu einem Ort der Bildung und Beratung im Stadtteil Wedding entwickelt.
Für das Paul Gerhardt Stift sollen
mit der konzeptionellen Weiterentwicklung seiner Angebote die vorfindlichen
Aktivitäten und Projekte für Jung und
Alt sowie für Menschen unterschiedlicher Herkunft und Sprache im Stadtteil
verbunden werden. Das ZukunftsHaus
Wedding bietet im Zusammenspiel von
professioneller und ehrenamtlicher Tätigkeit Leistungen für ein übergreifendes Miteinander an und zielt auf die
interkulturelle und intergenerationelle Bildung, Beratung und Vernetzung
im Stadtteil. Es ist offen für Menschen
jeden Alters und jeder Herkunft. Das
ZukunftsHaus Wedding gründet und
zielt auf Inklusion. Die Sozialnorm der
Inklusion bildet den Rahmen für die
Förderung von Selbstbestimmung und
sozialer Teilhabe. Eine weitere wichtige Grundlage unserer Arbeit ist die
interkulturelle Öffnung. Der Wedding
im Allgemeinen und das Paul Gerhardt
Stift mit seinem Refugium , dem Stadtteilzentrum und der Kindertagesstätte
sind Orte, an denen sich täglich Gelegenheiten ergeben, die eigene „interkulturelle Kompetenz“ zu erproben
und zu erweitern. Das Paul Gerhardt
Stift hat sich der „Charta der Vielfalt“
TRADITION UND TRANSFORMATION
angeschlossen und drückt damit aus,
dass Toleranz, Anerkennung und das
Zulassen unterschiedlicher Kulturen
ein Markenzeichen der Arbeit ist und
dies immer neu sein soll. Wenn das
ZukunftsHaus Wedding auch künftig
als Knotenpunkt nachbarschaftlicher
Solidarität angenommen werden soll,
dann wird es umso erfolgreicher sein,
je aktiver es sich dem Gespräch zwischen Kulturen und Religionen stellt
und Strukturen für einen solchen Austausch schafft.
Ein zentrales Kriterium für ein bedarfsgerechtes und nachhaltiges Bildungs- und Beratungskonzept ist der
Nachweis, dass alle Angebote der Hilfe
zur Selbsthilfe dienen sollen. Neben der
Kooperation mit anderen Trägern und
Einrichtungen im Sozialraum bezieht
das Paul Gerhardt Stift mit seinen Angeboten deshalb die Zielgruppen (Eltern, Familien, Kinder und Jugendliche,
Senioren, Migranten) bei der Entwicklung und Konzeption der Bildungs- und
Beratungsangebote nach Möglichkeit
ein. Zum anderen setzt das Paul Gerhardt Stift mit dem ZukunftsHaus
Wedding auf die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements durch den
Aufbau eines aktiven Netzwerks von
Ehrenamtlichen und nachbarschaftlichen Unterstützungssystemen.
Im ZukunftsHaus Wedding werden
Beziehungen gestiftet und Gelegenheitsstrukturen geschaffen. In ihm
werden Beziehungen gestiftet und Gelegenheitsstrukturen geschaffen, die
die je unterschiedlichen und die gemeinsamen Erfahrungen mit anderen
Menschen des Stifts und des Stadtteils
in den Mittelpunkt stellen.
Es umfasst alle sozial-diakonischen Arbeitsbereiche des Stifts. Dazu
gehören das Refugium für schutzbedürftige Flüchtlinge, das Stadtteilund Familienzentrum, das Geistliche
Zentrum, das Servicewohnen für Seniorinnen und Senioren sowie eine
Kindertagesstätte.
REFUGIUM
Das Refugium bietet als Wohnheim
für Flüchtlinge besonders schutzbedürftigen Asylbewerbern Wohnraum
und Unterstützung durch Sozialberatung. Derzeit verfügt das Refugium
über 136 Plätze, etwa 60 Prozent der
Bewohner / -innen sind Kinder und
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
23
TRADITION UND TRANSFORMATION
Jugendliche. Mit unserer Einrichtung
wollen wir zur besseren Integration
der Menschen beitragen, die vor Krieg,
Verfolgung und Gewalt nach Deutschland geflohen sind. Wir wenden uns in
besonderer Weise an traumatisierte,
von Behinderung betroffene und ältere Flüchtlinge sowie an allein stehende Flüchtlingsfrauen und ihre Kinder.
Sie erhalten Unterstützung in allen
sozialen Fragen, die von qualifizierten
Sprachmittlern begleitet wird. Wir fördern nachbarschaftliche Begegnung
und sozialräumliche Inklusion durch
enge Zusammenarbeit zu den anderen Arbeitsfeldern, insbesondere dem
Stadtteilzentrum.
STADTTEILZENTRUM
Das Stadtteilzentrum besteht aus
zwei Säulen. Zum einen beherbergt
es das Familienzentrum mit seinen
vielfältigen Angeboten für Familien mit
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Säuglingen, Kleinkindern und Grundschulkindern für alleinerziehende
Eltern und Großeltern. Es bietet Familien-, Sozial- und Rechtsberatung,
Sprach-, Kreativ- und Sportkurse sowie Krabbelgruppen oder Kurse zur
Geburtsvorbereitung.
Das Programm wird kontinuierlich bedarfsgerecht weiterentwickelt.
Es wurden seit seiner Gründung im
Jahr 2012 nach und nach zusätzliche
Formate z. B. für Senioren oder Jugendliche sowie Beratungsangebote
aufgenommen. Zudem wird die Vernetzung mit anderen Institutionen im
Stadtteil intensiviert. Zum anderen
ist das Stadtteilzentrum mit seinem
„Café Klosterhof“ zu einem Treffpunkt
für die Mitarbeiter und Bewohnerinnen auf dem Gelände und Menschen
aus dem Stadtteil geworden. Das Paul
Gerhardt Stift möchte mit dem Stadtteilzentrum einen sichtbaren Beitrag
zur sozialen und kulturellen Förderung des Stadtteils leisten und einen
Knotenpunkt nachbarschaftlichen Engagements sein.
KINDERTAGESSTÄTTE
Das Paul Gerhardt Stift konnte
schließlich im Herbst 2014 eine Kindertagesstätte für 38 Kinder eröffnen.
Durch Mittel der Senatsverwaltung für
Umwelt und Stadtentwicklung sowie
der Senatsverwaltung für Bildung,
Jugend und Wissenschaft war es
möglich geworden, ein denkmalgeschütztes Gebäude auf dem Gelände
zu einer modernen Kindertagesstätte
umzubauen. Die Kindertagesstätte
bringt Menschen unterschiedlicher
kultureller, religiöser und sprachlicher Herkunft zusammen. Sie bietet
Bildung in unterschiedlichen Kontexten und verschiedenen Formen an. Es
geht um Spiel gemäß des jeweiligen
Entwicklungsstands als Grundlage von
Bildung. Sodann hat das Team die Förderung von Sprache, Bewegung und
Gesundheit im Blick. Wir fördern Partizipation und Inklusion und setzen uns
mit den verschiedenen kulturellen und
24
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
religiösen Hintergründen der Kinder
und ihrer Familien auseinander. Die
Einrichtung hat sich bereits in kurzer
Zeit als Ort der inklusiven Erziehung
und Bildung im Stadtteil etabliert, die
Warteliste ist anhaltend lang. Das pädagogische Konzept beruht auf den
Grundsätzen von Anerkennung, Gerechtigkeit, Freiheit und Respekt, die
jedem Kind gebühren. Die Basis der
Arbeit mit Kindern und ihren Eltern ist
es, dass beides seinen Platz hat, sowohl Individualität, als auch Gemeinschaft. Auf eine kurze Formel gebracht
bedeutet dies: alle anders, alle gleich,
alle wichtig!
SERVICEWOHNEN
FÜR SENIORINNEN UND
SENIOREN
Das Paul Gerhardt Stift bietet in über
50 Appartements für etwa 75 Seniorinnen und Senioren altersgerechtes
Wohnen mit dem Ziel der sozialräumlichen Integration und hoher Lebensqualität. Die um das Servicewohnen
herum etablierten Versorgungsansätze und Unterstützungsleistungen
helfen dabei, Pflegebedürftigkeit
möglichst zu verhindern. Deshalb
zielt die psychosoziale Beratung und
Begleitung älterer und hochbetagter
Menschen auf die Teilhabe an zivilgesellschaftlichen Aufgaben und die Ermöglichung eines reichen kulturellen
Lebens (z. B. im Rahmen des Stadtteilzentrums). Dadurch kann ein höheres
Wohlbefinden und ein späterer Eintritt
von Pflege- und Hilfsbedürftigkeit erreicht werden.
GEISTLICHES ZENTRUM
Das Paul Gerhardt Stift zu Berlin versteht sich als lebendiger Baustein
einer offenen Kirche im Stadtteil. Die
Kirche des Stifts ist Raum für Gottesdienste, Gebete oder Orgelandachten.
Diese Formen sind vor allem durch die
spezifische Tradition der Schwesternschaft des Diakonissenmutterhauses
und später des Konvents, also durch
TRADITION UND TRANSFORMATION
die Geistlichen Gemeinschaften geprägt. Die Geistlichen Gemeinschaften
tragen ganz wesentlich das geistliche
Leben und viele ihrer Mitglieder sind
ehrenamtlich im Haus tätig. Oasenund Einkehrtage, Taizégebete oder
Bibelarbeiten sind weitere Formen des
religiösen Lebens im Stift. Die Besinnung und regelmäßige Einübung auf
eine spirituelle Kultur können helfen,
die eigentlichen Ziele des Stifts lebendig zu halten. Für Bewohnerinnen, Interessierte aus der Bezirksregion und
anderen Gemeinden sowie für den
Kirchenkreis ist es wichtig, dass das
Stift ein verlässlicher Ort des Gebets
ist und bleibt. Das Geistliche Zentrum
möchte sich künftig für weitere Formen und Praxen öffnen, die Impulse
der umliegenden Kirchengemeinden
und des Kirchenkreises aufnimmt und
neue Zielgruppen anspricht. Dazu gehören letztlich alle Personen, die mit
den diakonischen Arbeitsfeldern in
Berührung kommen: Kinder, Eltern,
Flüchtlinge, Menschen mit Behinderung und Senioren sowie auch solche, denen die traditionellen Formen
bisher fremd sind. Ein wesentliches
Thema im Rahmen der interkulturellen
Öffnung ist die Frage nach der Fähigkeit zur konstruktiven Auseinandersetzung mit anderen Religionen und
Religionsgemeinschaften. Das Paul
Gerhardt Stift versucht durch Veranstaltungen und Begegnungen auf andere Religionsgemeinschaften in der
Nachbarschaft zuzugehen, diese in
das Haus einzuladen und den Diskurs
zu fördern.
PFADE IN DIE ZUKUNFT
Die sozialräumliche Vernetzung, die
Kooperation mit anderen Trägern und
die Unterstützung durch Spenden waren für den Aufbau des ZukunftsHaus‘
Wedding in vergangenen Jahren enorm
wichtig und werden dies auch künftig
sein. Inhaltlich baut das Paul Gerhardt
Stift weiterhin auf Kooperationen mit
starken Partnern aus dem Stadtteil,
aus Kirche und Verbänden. Auf diese
Weise kann die zivilgesellschaftliche
Bedeutung von Kirche hervorgehoben
und ein Beitrag zur sozialen und kulturellen Förderung des Stadtteils geleistet werden. Wir wünschen uns, dass
noch mehr lokale Entwicklungspartnerschaften zwischen Stift bzw. der
Paul Gerhardt Stift Soziales gGmbH,
Zivilgesellschaft, Bildungseinrichtungen, Kommune und anderen örtlichen
Akteuren entstehen. An dieser Stelle
sei allen Partnern gedankt, die bis zum
heutigen Tag zum Aufbau des „neuen“
Paul Gerhardt Stifts beigetragen und
die inhaltliche Profilierung unterstützt
haben. Stellvertretend für viele Kooperations- und Netzwerkpartner danken
wir dem Deutschen Familienverband,
der Caritas Erziehungs- und Familienberatung, der Intergierten Sekundarschule am Schillerpark und der Volkshochschule City in Berlin-Mitte.
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
25
AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | REFUGIUM
NEUES AUS DEM REFUGIUM
Regine Vogl
W
ie täglich der Presse entnommen werden kann, ist die Situation für neu eingereiste Flüchtlinge in
Berlin seit längerer Zeit sehr schwierig. Es gibt zu wenige Wohnheimplätze, so dass Geflüchtete in provisorischen Notunterkünften und Turnhallen
untergebracht werden. Diese Situation
ist gerade für Flüchtlinge mit besonderem Schutzbedarf, wie etwa Familien mit kleinen Kindern, schwangere
Frauen oder alte Menschen, nur sehr
schwer erträglich.
Menschen mit solchem besonderen Schutzbedarf leben schon
26
seit langem auch auf dem Gelände
des Paul Gerhardt Stifts, im Flüchtlingswohnheim Refugium. Aus dem
Stadtteil hören wir häufig, dass dies
gar nicht bekannt ist. Das liegt wohl
daran, dass das Paul Gerhardt Stift
kein „typisches“ Heim ist, und die
Arbeit des Refugiums nach außen
nicht so sehr bemerkt wird. Das freut
uns, schließlich wollen wir gar nicht
auf den „Präsentierteller“, sondern
einen ruhigen und sicheren Ort zum
Leben für unsere Bewohnerinnen und
Bewohner schaffen.
Aber wer sind eigentlich die Menschen, die hier leben? Unsere Bewohnerinnen und Bewohner kommen
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
derzeit aus insgesamt 15 verschiedenen Ländern, darunter Syrien,
die West-Balkan-Staaten, Somalia,
Tschetschenien und Pakistan. Etwas
mehr als die Hälfte der hier Lebenden
sind Kinder und Jugendliche unter 18,
die gemeinsam mit ihren Eltern bei
uns wohnen.
Wir sind deshalb besonders froh,
dass wir auf dem Gelände des Stifts
unsere Zusammenarbeit mit der Kita
und dem Stadtteil- und Familienzentrum ausbauen konnten. Kinder
aus dem Refugium besuchen die
Kita und selbstverständlich die Kinderbibliothek, können in den Ferien
an Ausflügen und Angeboten des
REFUGIUM | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT
Familienzentrums teilnehmen und
sind beim Laternenfest mit dabei.
Sprachkurse und Beratungsangebote, die auf dem Gelände angeboten
werden, sind für die Eltern eine gute
Möglichkeit, erste Schritte in Richtung
Integration zu gehen. Mittlerweile hat
sich das Paul Gerhardt Stift, auch und
besonders durch das Modell der integrativen sozial-diakonischen Arbeit
unter dem Dach des ZukunftsHaus‘
Wedding, den Ruf einer besonders
geeigneten Einrichtung für geflüchtete
Familien und allein erziehende Mütter
in Berlin erarbeitet. Dafür wollen wir
auch zukünftig Sorge tragen.
Das Refugium als Einrichtung für
besonders schutzbedürftige Flüchtlinge hat seine Arbeit im Mai 2016
deshalb weiter ausgebaut. Sowohl
im Erdgeschoss, als auch in der ersten
und zweiten Etage des Mutterhauses
werden einige weitere Wohnungen
vom Paul Gerhardt Stift zur Unterbringung von Flüchtlingsfamilien genutzt.
Damit bietet das Paul Gerhardt Stift
auf seinem Gelände nun Platz für die
Unterbringung von 137 Menschen in
insgesamt 40 Wohnungen.
Auch die neuen Familien werden
– wie die bisherigen Bewohnerinnen
und Bewohner auch – von den Mitarbeiterinnen des Refugiums im Rahmen der sozialpädagogischen Arbeit
begleitet und betreut. Wir tun unser
Möglichstes, um den neuen Familien
hier im Paul Gerhardt Stift einen sicheren Ort zum Leben und die notwendige Unterstützung im Alltag zu bieten.
Um alle Flüchtlinge gut versorgen zu
können, unterstützen drei weitere Mitarbeiterinnen seit Mai das Refugium
tatkräftig. In den vergangenen beiden
Jahren hat sich das Zusammenleben
aller Bewohnerinnen und Bewohner
im Haus gut eingependelt. Wir möchten uns an dieser Stelle besonders
für die Unterstützung bedanken, die
das Refugium immer wieder aus der
Hausgemeinschaft des Paul Gerhardt
Stifts erfährt. Wir wünschen uns allen
auch weiterhin ein so positives nachbarschaftliches Miteinander.
©
at
riv
Vorgestellt
p
JUDITH KUSSEROW
Mein Name ist Judith Kusserow, und ich bin seit 2011
als staatlich anerkannte Erzieherin und Tanzlehrerin
in verschiedenen sozialen und künstlerischen Einrichtungen tätig. Ende April habe ich ich meiner bisherigen Arbeitsstelle am Musical-Theater den Rücken
gekehrt und freue mich nun auf viele neue Erfahrungen und
Herausforderungen im Refugium.
©
vat
pri
AFERDITA LIMANI
Ich heiße Aferdita Limani, ich bin verheiratet und
habe zwei Jungs im Alter von 3,5 und 1,5 Jahren.
Seit dem 2. Mai 2016 bin ich als Sozialassistentin im
Refugium tätig. Vorher war ich öfters im Refugium
als Dolmetscherin (in albanischer Sprache) tätig. In
den letzten neun Jahren habe ich in einer Zahnarztpraxis als
zahnmedizinische Fachangestellte gearbeitet und dort auch verwaltungstechnische Aufgaben übernommen (Praxismanagement).
Das vielseitige Arbeiten in einer Zahnarztpraxis und der tägliche
Umgang mit vielen verschiedenen Menschen bereiteten mir dabei
stets große Freude. Außerdem bin ich auch ausgebildete Bürokauffrau. Ich freue mich sehr auf mein neues Tätigkeitsfeld, in dem ich
mit Sicherheit meine Fertigkeiten und mein Wissen erweitern werde.
Der Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und den Bewohnern
des Paul Gerhardt Stifts sehe ich mit viel Freude entgegen.
©
vat
pri
LEON GRAU
Mein Name ist Leon Grau, ich bin 21 Jahre alt und
mache seit einem guten Jahr ein FSJ im Refugium.
Zu meinen Tätigkeiten gehören die Begleitung der
Sprechstunden mit den Bewohnern, Recherchen
im Internet, hauswirtschaftliche Einkäufe sowie die
Unterstützung des Hausmeisters bei Renovierungen und
Reparaturen. Zudem leite ich zweimal die Woche eine eigene Kinderbetreuung am Nachmittag. Die Eltern nutzen diese Freizeit meist
zur Weiterbildung ihrer Sprachkenntnisse in einem Deutschsprachkurs. Einmal die Woche bekomme ich zusätzliche Unterstützung von
einer ehrenamtlichen Dame. Während dieser Zeit spiele ich mit den
Kindern in einem großzügigen Raum und wenn es das Wetter erlaubt
auch auf unserem neuen Spielplatz des Paul-Gerhardt-Stifts.
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
27
AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | REFUGIUM
EINBLICK:
Arbeit als Dolmetscherin
M
ein Name ist Malizha
Musaeva. Ich arbeite seit einigen Jahren als Honorarkraft
im Refugium. Ich dolmetsche freitags die
Tschetschenisch / Russisch Sprechstunde.
Zusätzlich begleite ich unsere Bewohner
bei wichtigen Terminen. Dazu
gehören unter anderem Krankenhausbesuche und
Behördengänge. Außerdem stehe ich auch
telefonisch in dringenden Fällen für meine
Kollegen und die Bewohner zur Verfügung.
Auch wenn es manchmal hektisch zugeht, ist es
uns wichtig, dass sich unsere
©P
riv
at
Bewohner bei uns wohl fühlen und
wir ihnen ihren Alltag, in dem für sie
vieles noch fremd und neu ist, etwas
erleichtern.
Da ich beide Kulturen kenne, verläuft die Vermittlung zwischen ihnen
meist reibungslos. Des Öfteren lerne
ich aber auch mit plötzlich auftretenden unbekannten Situationen umzugehen. Das macht meine Arbeit im
Refugium lehrreich und spannend.
„SAVE SPACES“: PAUL GERHARDT STIFT
WIRD KONSULTATIONSEINRICHTUNG
Neues Projekt zur Verbesserung des Kinder- und Frauenschutzes
in Berliner Flüchtlingsunterkünften
D
as Bundesfamilienministerium
fördert zunächst für das Jahr
2016 bundesweit 18 Projekte, die einer
Verbesserung des Frauen- und Kinderschutzes in Unterkünften für Flüchtlinge
©
p
at
riv
dienen sollen. Unterstützt durch das
Diakonische Werk Berlin-Brandenburg
schlesische Oberlausitz gelang es dem
Paul Gerhardt Stift, den Zuschlag für das
Projekt „Save Spaces“ zu erhalten und
eine Referentinnenstelle einzurichten.
Seit dem 01. Juni entwickelt Emsal Kilic
(siehe unten) Strategien und Maßnahmen des Kinder- und Frauenschutzes
in ausgesuchten Notunterkünften und
Vorgestellt
EMSAL KILIC
Ich reiste 1975 als Tochter einer Gastarbeiterfamilie aus der Türkei nach Deutschland und lebe
seitdem in Berlin. 1994 schloss ich am Pestalozzi-Fröbel-Haus meine Erzieherinnenausbildung
ab. Bevor ich nach §11 des Berliner Hochschulgesetzes – also ohne Abitur – das Studium
begann, war ich in der „Regenbogenfabrik“ und in einem Wohnprojekt für wohnungslose
Menschen als Sozialarbeiterin tätig. Während des Studiums der Sozialwissenschaften an der
Humboldt Universität habe ich nebenbei als Honorarkraft für verschiedene Antigewaltprojekte gearbeitet. Von 2009 bis zum Mai 2016 arbeitete ich als Koordinatorin bei der Berliner Initiative gegen Gewalt
an Frauen und ihren Kindern (BIG e. V.). Ich freue mich sehr darauf, im Projekt „Save Spaces“ arbeiten zu
dürfen und auf diese Weise meinen Beitrag zum Schutz von Kindern und Frauen in Flüchtlingsunterkünften
leisten zu können.
28
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
© Hamed Saber /piqs_de
REFUGIUM | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT
Gemeinschaftseinrichtungen für Flüchtlinge in Berlin. Das Paul Gerhardt Stift
wird mit dem „Refugium“ damit zu einer sogenannten Konsultationseinrichtung und fördert das Monitoring, die
fachliche Weiterentwicklung, die Sensibilisierung von Professionellen und
Ehrenamtlichen sowie die Stärkung der
Zielgruppen Frauen und Kinder.
Im Bereich des Kinderschutzes soll
darum gehen, verbesserte Schutzstrategien in die tägliche Beratungsund Betreuungsarbeit der jeweiligen
Einrichtung zu integrieren. Es gilt,
die Ressourcen der Familien in den
Einrichtungen wahrzunehmen und
Kinder altersgemäß an Bildungsmaßnahmen zur Verankerung von Kinderrechten zu beteiligen. Im Bereich des
Frauenschutzes prüft das Projekt, inwieweit sich das Konzept von spezialisierten Schutzräumen und weiteren
Schutzmaßnahmen auch in anderen
Einrichtungen umsetzen lässt. „Das
Projekt zielt auf Empowerment von
Frauen und auf die fachliche Weiterentwicklung der Einrichtungen“, so
Emsal Kilic. Gerade die Situation von
Flüchtlingsfrauen ist durch spezifische
Problemstellungen und Fluchtursachen
charakterisiert, die sie zu einer besonders schutzwürdigen Personengruppe
machen. Dazu gehören Traumatisierungen durch geschlechtsspezifische
Verfolgung, Frauenhandel und Zwangsprostitution, aber auch systematische
Benachteiligung bei Bildungs- und
Gesundheitsangeboten. Die Aufgabe
von Emsal Kilic wird es sein, die Kommunikation mit dem Kooperationsverbund aus UNICEF, dem Bundesfamilienministerium, Save the Children und
den Wohlfahrtsverbänden zu steuern.
„Wir wollen Teams, Ehrenamtliche und
weitere Akteure in der eigenen sowie
in angrenzenden Einrichtungen in Fragen des Kinder- und Frauenschutzes
schulen und das Thema damit strukturell verankern“, präzisiert Kilic. Ziel
sei es, Politik, Verwaltung, Träger, Verbände sowie die Öffentlichkeit auf die
Notwendigkeit von Schutzräumen in
Erstaufnahme- und Gemeinschaftsunterkünften hinzuweisen.
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
29
AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | REFUGIUM
PROJEKT „IMPULSE“
FÜR FLÜCHTLINGSFRAUEN
Zusätzliche psychosoziale Unterstützung wird durch eine
Förderung der EKBO möglich
N
eingerichtet, die allein reisenden Frauen und Müttern mit ihren Kindern einen
Schutzraum bietet. Die „Frauenetage“
wird von den sozialpädagogischen Mitarbeiterinnen des Refugiums begleitet
und betreut. Die unterschiedlichen geschlechtsspezifischen Fluchtursachen
von Frauen machen eine besondere Unterkunftsform und einen spezifischen
Beratungs- und Begleitungsbedarf
notwendig, die ihrer Schutzwürdigkeit
entsprechen. Gerade in allgemeinen
Gemeinschaftsunterkünften sind allein
stehende Mädchen und Frauen häufig
nicht ausreichend vor sexualisierten
Übergriffen geschützt oder haben zu
wenige Möglichkeiten, sich frei im Kreis
© Dett, E. / piqs.de
och bis zum Dezember 2016 ist
es durch eine Förderung der
Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) in
Höhe von 20.000 Euro möglich, dass
das Refugium seine Angebote für traumatisierte Flüchtlinge, Familien und
Kinder um ein spezifisches sozialpädagogisches Angebot ausbauen kann.
Durch Stundenaufstockung und eine
zusätzliche Honorarkraft konnten die
Angebote an psychosozialer Begleitung und Beratung insbesondere für
Frauen aus der „Frauenetage“ erweitert werden.
Seit April des Jahres 2014 hat
das Refugium eine Frauenetage
30
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
anderer Frauen zu treffen und sich auszutauschen (siehe Ausführungen zum
Projekt „Save Spaces“). Das Refugium
legt im Rahmen seiner Arbeit für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge ein
besonderes Augenmerk auf die allein
reisenden sowie allein erziehenden
Flüchtlingsfrauen.
Das Projekt „Impulse“ bietet zusätzliche Möglichkeiten zur individuellen Beratung und anderen psychosozialen Hilfestellungen, die von
den Sozialpädagoginnen Melanie
Lucas und Stefanie Sdun umgesetzt
werden. Die Bewohnerinnen sollen
mittelfristig auch Strategien der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung
entwickeln. Regelmäßige Gruppenangebote unterstützen diesen Prozess.
Ziel der Sozialen Arbeit in der Frauenetage ist die Unterstützung bei der
weiteren Lebensplanung, Hilfe bei
der Bewältigung von Gewalterfahrungen, Beratung bei der Erziehung und
Betreuung der Kinder einschließlich
der Unterstützung in Fragen der elterlichen Sorge und des Umgangsrechts
in enger Zusammenarbeit mit dem
bestehenden Hilfesystem. Durch die
großzügige Förderung der EKBO kann
zusätzlich die Organisation von Gruppenangeboten (Sprachkurse für Frauen ohne Zugang zu Integrationskursen
mit Kinderbetreuung, gemeinschaftliche Aktivitäten zum Kennenlernen und
zur Prävention von Konflikten), frauenspezifische Beratung (für Alleinerziehende) sowie Unterstützung bei der
Wohnungssuche und Wohnberatung
realisiert werden.
REFUGIUM | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT
FRAUENFRÜHSTÜCK UND
DER BERLINER WOHNUNGSMARKT
Stefanie Sdun
E
© Der Patrick / piqs.de 2012
s duftet nach frischen Brötchen,
Fladenbrot, Kaffee und Tee. Wie
jeden Freitag findet auch heute ein großes Frühstück in der Frauenetage statt.
Diese Treffen sind für die Frauen sehr
wichtig, denn hier sitzen sie beisammen
und reden über alles, was sie gerade beschäftigt. Dabei erzählen einige Frauen
über ihre Familien, von ihrer Flucht oder
den Traditionen in ihrem Land. Trotz all
dieser Sorgen sind die Frauen sehr ausgelassen. Es wird viel gelacht. Manchmal wurde bei orientalischer Musik auch
schon getanzt. Abwechselnd spielen die
Frauen dann Musik aus ihren Ländern,
sodass oft vor Freude kein Auge trocken
bleibt. Am Nachmittag bietet das Refugium für alle Bewohner/innen mit einem
Aufenthaltstitel eine Wohnungssprechstunde an. Dabei werden sie bei der Antragstellung, in der Wohnungsrecherche
und bei der Vorbereitung der Besichtigungstermine unterstützt. Leider ist es
auf dem momentanen Wohnungsmarkt
eine wahre Herausforderung, eine passende Wohnung für die Bewohner zu
finden. Aufgabe der Sozialarbeit ist es,
ihnen diesen Zugang zu erleichtern, sie
zu unterstützen und anzuleiten.
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Vorgestellt
STEFANIE SDUN
Mein Name ist Stefanie Sdun, ich bin 29 Jahre alt und die neue Mitarbeiterin im Refugium. Bis
Mai war ich im Rahmen einer Honorartätigkeit bereits im Refugium tätig, um am Vormittag
ein gemeinsames Frühstück auf unserer Frauenetage zu gestalten. Diese Arbeit kann ich jetzt
hauptamtlich weiterführen, worüber ich mich sehr freue. Meine fachlichen Kenntnisse erwarb
ich während meines Studiums der Sozialen Arbeit an der Evangelischen Hochschule Berlin. Ich
interessiere mich sehr für Frankreich und die französische Sprache. Meiner neuen Tätigkeit im Refugium blicke ich aufgeschlossen und mit Spannung entgegen.
Stefanie Sdun mit zwei Kindern aus dem Refugium
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
31
AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | REFUGIUM
ÖKUMENISCHE GEMEINSCHAFT
SPENDET 500 EURO
D
ie Indonesische Ökumenische Gemeinschaft Berlin hat
das Refugium mit einer Spende über
500 Euro überrascht. Am 10. Februar
2016 überreichte der Vorsitzende der
Indonesischen Ökumenischen Gemeinschaft, Herr Berlin Sumbajak, die
Geldspende, die für die vielfältigen Aufgaben und Anschaffungen im Refugium
eingesetzt wird. Die Spende kam dankenswerterweise auf Empfehlung von
Frau Ute Steigenberger von CHARISMA,
der Freiwilligenagentur von Kirche und
Diakonie, zustande. Ein herzliches Dankeschön an die Indonesische Ökumenische Gemeinschaft.
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32
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
REFUGIUM | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT
EHRENAMT IM REFUGIUM
Drei Portraits
©
vat
pri
FARBANSTRICH FRAUENETAGE
Mein Name ist Christoph Andreas, und ich biete ehrenamtliche Hilfe im Refugium an. Mein erster Einsatz war bei der Renovierung der Frauenetage. Im Februar haben einige Festangestellte
und zwei Ehrenamtler_innen den Flur zu den Zimmern halbhoch in einem Fliederblau gestrichen.
Es hat viel Spaß gemacht und war auch nötig, damit die Spuren an den Wänden überdeckt
werden konnten. Dabei ist in nur vier Stunden eine belebende Farbe bei den Frauen und Kindern
„eingezogen“. Auf der Etage wird auch irgendwann die Küche renoviert, gerne wäre ich wieder dabei!
©
vat
pri
DIE KLEIDERKAMMER
Ich heiße Una Sarany und arbeite als Ehrenamtliche im Refugium. Im Souterrain des Paul-Gerhardt-Stifts befinden sich die beiden Räume der Kleiderkammer. Dank großzügiger Spenden
aus der Bevölkerung können sich die im Refugium wohnenden Flüchtlinge hier ausreichend
mit Kleidung versorgen. In Regalen und an Kleiderstangen aufgeschichtet und aufgehängt,
gibt es ein reichhaltiges Angebot an Mänteln, Hemden, Blusen, Hosen, Kleidern, Schuhen und
Strümpfen, nach Größen und Geschlecht sortiert und beschriftet, für Babys, Kinder, Jugendliche und
Erwachsene. Zum Anprobieren stehen eine kleine Umkleidekabine und ein Spiegel zur Verfügung. Einmal
in der Woche – zur Zeit am Donnerstagvormittag – wird der Bestand von mir gesichtet, geordnet, aufgefüllt
und je nach Jahreszeit umgeschichtet und ausgetauscht. Während dieser Zeit – oder im Lauf der Woche nach
Absprache mit dem Büro – sind die Bewohner des Refugiums eingeladen, in die Kleiderkammer zu kommen
und für sich und ihre Familien in Ruhe eine Auswahl zu treffen.
©
vat
pri
DEUTSCH LERNEN
Mein Name ist Barbara Killich, ich bin 61 Jahre jung und beruflich im Bereich Personalentwicklung eines großen Unternehmens beschäftigt. Durch einen Kontakt zu einem Pfarrer, den ich
nach Bedarfen für ehrenamtliche Tätigkeiten gefragt hatte, habe ich den Weg ins PGS gefunden.
Bereits in den 80er Jahren hatte ich beruflich mit Lehrgängen „Deutsch als Fremdsprache“ zu
tun, das war damals mein Einstieg ins Berufsleben als frisch gebackene Pädagogin. Insofern habe
ich mich sehr über die Möglichkeit gefreut, hier wieder anzuknüpfen. So komme ich nun seit einem Jahr
jeden Dienstagabend und biete meine Unterstützung speziell den weiblichen Bewohnern des Refugiums an.
Das schöne Angebot für die Frauen ist, dass sie in dieser Zeit ihre Kinder in Betreuung geben können und die
Zeit für sich und das Lernen haben. Da wir eine kleine Gruppe mit wechselnder Teilnahme sind, hat es sich
so entwickelt, jeder Teilnehmerin je nach Sprachkenntnissen eine individuelle Unterstützung beim Deutschlernen anzubieten. Das macht mir sehr viel Spaß und ich bin dankbar, dass ich diese Erfahrung machen darf,
denn ich lerne mindestens so viel wie meine Damen. Ich danke den Mitarbeiterinnen des Refugiums für Ihre
professionelle, herzliche Aufnahme und Unterstützung und gratuliere dem PGS sehr herzlich zum Jubiläum!
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
33
AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | STADTTEILZENTRUM
AKTUELLES AUS DEM STADTTEILUND FAMILIENZENTRUM
Irma Leisle
D
as Paul Gerhardt Stift feiert in
diesem Jahr sein 140-jähriges
Bestehen – das Stadtteil- und Familienzentrum kann erst auf vier Jahre
zurückblicken. So groß der zeitliche
Unterschied auch sein mag, das Stadtteil- und Familienzentrum profitiert
sehr stark von der jahrelang geleisteten sozial-diakonischen Arbeit des Paul
Gerhardt Stiftes und versucht als Brücke zwischen Tradition und aktuellen
sozial-diakonischen und politischen
Herausforderungen zu fungieren.
Mittlerweile haben sich zahlreiche
Veranstaltungen, Kurse und Angebote
zum festen Programmbestandteil des
Stadtteil- und Familienzentrums entwickelt, die immer wieder durch neue,
sehr spannende Themen und Arbeitsweisen bereichert werden. Regelmäßige Leserinnen und Leser der Notizen
kennen inzwischen einen bedeutenden
Anteil unseres Programms und daher
konzentriere ich mich an dieser Stelle auf diese zusätzlichen und neuen
Veranstaltungen.
Ein wichtiger, noch junger Pfeiler
der Arbeit im Sozialraum ist das Projekt Stadtteilkoordination (siehe Grafik). Das Projekt möchte einen Dialog
im Kiez anregen und versteht sich als
Vermittlungs- und Lernprozess zwischen den Bewohner*innen des Stadtteils und den Fachämtern. Die Stadtteilkoordination fungiert als eine Art
„Frühwarnsystem“ (W. Hinte) für das
Bezirksamt, denn erst durch die sehr
unmittelbare Arbeit mit den Bewohnern können sinnvolle Interventionen
durch die Verwaltung entwickelt werden. Eine in diesem Zusammenhang
entstandene Plattform ist der Runde
Tisch SeniorInnenarbeit. Hier lernen
sich verschiedene Akteure der Altenarbeit in der Bezirksregion kennen,
34
Stadtteilkoordination Wedding
aktive Senioren aus der Selbstvertretung berichtet über ihre Anliegen und
ein Vertrauensverhältnis konnte aufgebaut werden. Daraus ist im letzten
Herbst zum Beispiel die Aktion „Augen
auf, Senioren – Kiezspaziergang“ entstanden. Die Forderungen daraus sind
inzwischen in einer Dokumentation
zusammen geführt und über die Sozialraumorientierte Planungskoordination an die Verwaltung und Politik im
Bezirk Mitte weitergeleitet. Der sehr
aktive Runde Tisch veranstaltet am
6. Juli 2016 ab 14 Uhr auf dem Gelände
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
des Paul Gerhardt Stiftes ein Fest für
Seniorinnen und Senioren hier aus dem
Kiez, zu dem wir hiermit herzlich einladen. Neben einem Bühnenprogramm
stellen sich zahlreiche Einrichtungen
vor und für das leibliche Wohl wird
auch gesorgt.
Weiter aktuelle Informationen
können über einen regelmäßigen
E-Newsletter angefordert werden:
[email protected].
STADTTEILZENTRUM | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT
VERKEHRSSICHERHEITSTRAINING
Das Verkehrssicherheitstraining für
Senioren_innen im Februar, angeboten von Mitarbeitern der Landesverkehrswacht, wurde von zahlreichen
Teilnehmerinnen und Teilnehmern
rege genutzt. Neben einigen Test wie
©
at
riv
Sehtest, Hörtest, Reaktionstest u. a.
wurde auch ein Rollatortraining angeboten. Dabei wurde festgestellt, dass
zahlreiche Rollatoren nicht adäquat für
die jeweilige Nutzerin eingestellt war
und es konnten wertvolle Hinweise
gegeben werden, wie Hindernisses
mit dem Rollator besser gemeistert
werden können. Aufgrund des großen
Zuspruchs zu diesem Angebot werden
wir es im kommenden Frühjahr erneut
anbieten.
Vorgestellt
p
MICHAELA SELIGER
Mein Name ist Michaela Seliger. Ich bin in Frankfurt am Main aufgewachsen und kam 1983
nach Berlin zum Studium der Bildenden Kunst an die Berliner Kunsthochschule. Studienjahre
in London und Hamburg folgten. Als Bildende Künstlerin und Kunstpädagogin habe ich bereits
von 2011 bis 2013 im Paul Gerhardt Stift ein offenes Malatelier angeboten. Die Arbeit mit den
schöpferischen Ressourcen von Menschen unterschiedlichster Herkunft und Alters liegt mit besonders am Herzen.
PROJEKT „PHILOS“
WIRD FÜR DREI JAHRE GEFÖRDERT
ir freuen uns sehr, dass wir Mitte
Juni 2016 mit unserem Projekt
„PHILOS – Ehrenamtliches Engagement
für Flüchtlinge im Quartier“ beginnen
können, das zu einem überwiegenden Teil von Aktion Mensch gefördert
wird. Das Paul Gerhardt Stift möchte
mit dem Projekt PHILOS die Arbeit von
ehrenamtlichen Mentorinnen und Mentoren weiterentwickeln und nachhaltig
sichern, die Flüchtlingsfamilien und
allein stehende Flüchtlinge im Alltag
begleiten und in ihrem Bildungs- und
Integrationsprozess unterstützen. Die
Ehrenamtlichen sollen in Seminaren
zu rechtlichen und psychosozialen
Fragestellungen geschult und durch
Supervision begleitet werden. Darauf
aufbauend werden Bildungs- und Orientierungsangebote für Flüchtlinge im
Stadtteil entwickelt, die eine bessere
© Renschgro / piqs.de
W
Integration in die Stadtgesellschaft ermöglichen. Im Projekt PHILOS (griech.
= Freund) geht es um die Entwicklung
von tragenden Beziehungen auf Augenhöhe. Die Mentoren repräsentieren in
ihrer Unterstützung ein (Gast-) Freundschaftsangebot der Gesellschaft, das
auf Empowerment, gegenseitiges
Lernen und die Förderung von Selbstständigkeit unter erschwerten Bedingungen setzt. Ein Ziel des Projekts ist
es, Kinder, Jugendliche und Eltern aus
Flüchtlingsfamilien in bereits bewährte außerschulische Bildungsangebote
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
35
AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | STADTTEILZENTRUM
des Stadtteilzentrums oder der Kooperationspartner zu vermitteln. Es geht
um die Förderung von Selbsthilfepotenzialen in den Familien und um die
Stärkung von Selbstwirksamkeit von
Kindern und Jugendlichen. Insbesondere Kinder und Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien sollen mit PHILOS eine
besondere Aufmerksamkeit erhalten.
Das Paul Gerhardt Stift möchte
darauf reagieren und mit dem Projekt
PHILOS seine Arbeitsbereiche Refugium und das Stadtteilzentrum stärker miteinander verknüpfen, um so
die Integrationspotenziale besser als
bisher zu fördern und zu nutzen. Das
Stift hat in den Jahren 2014 und 2015
die Erfahrung machen können, dass
sich immer mehr Menschen für eine
ehrenamtliche Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Eltern, gerade auch aus
Flüchtlingsfamilien interessieren. Dafür wird eine Koordinierungsstelle für
das Ehrenamtsmanagement zwischen
Flüchtlings- und Stadtteilarbeit aufgebaut werden, die durch Melanie Noack
geleitet wird.
Weitere Informationen:
[email protected]
Telefon: 030 450 05 106
©
at
riv
Vorgestellt
p
MELANIE NOACK
Mein Name ist Melanie Noack. Nach meinem Studium der Sozialpädagogik habe ich in verschiedenen
Projekten zumeist Jugendliche und junge Erwachsene
betreut. In meiner Tätigkeit als Sozialpädagogin war
ich Ansprechpartner für alle kleinen und großen Belange
meiner Teilnehmer, und habe ihnen gerne Hilfestellung bei der
persönlichen Weiterentwicklung gegeben. Die Arbeit mit meinen
Kollegen und netten Teams hat mich dabei immer motiviert. Ich freue
mich darauf ab Mitte Juni eine neue Aufgabe im Stadtteilzentrum zu
übernehmen und dort im Projekt PHILOS die ehrenamtlichen Helfer
zu beraten und zu unterstützen.
©
vat
pri
STEFANIE DROBIG
Ich bin Stefanie Drobig, verheiratet und Mutter einer
14 jährigen Tochter. Nachdem ich 1995 meine Ausbildung als Pharmakantin erfolgreich beendete, arbeitete ich bis 2006 in diesem Beruf. Ich entschloss mich,
neue berufliche Wege einzuschlagen woraufhin ich eine
Umschulung zur Verwaltungsfachangestellten absolvierte. Ich
arbeitete in unterschiedlichen behördlichen Einrichtungen und sammelte dort viele Erfahrungen. Meine letzte Station als Verwaltungsfachangestellte im öffentlichen Dienst war die Prüfstelle im DRK. Ich
arbeite sehr gern gemeinsam mit netten Kollegen in einem Team
und freue mich darüber, dass ich mich als Verwaltungsangestellte
für das Projekt PHILOS des Paul Gerhardt Stifts engagieren kann.
Ich blicke auf eine gute Zeit mit neuen Herausforderungen, netten
Kollegen und eine spannende Arbeit.
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36
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
STADTTEILZENTRUM | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT
RAUS IN DEN FRÜHLING
Dorthe Kreckel
älte und Regen konnten sie
nicht schrecken: Obwohl das
Frühlingswetter in den Tagen nach Ostern wirklich noch auf sich warten ließ,
nahmen insgesamt 8 Kinder mit jeweils
einem Elternteil unter der Leitung von
Tuna Arkun in der Woche nach Ostern
am Ferienprogramm des Stadtteilund Familienzentrums teil. Auf dem
Programm standen Ausflüge in Berlin
und im Berliner Umland. An vier Tagen
machte sich die Gruppe mit Bussen
und Bahnen gemeinsam auf den Weg.
Sie besuchten das Barnim Panorama
in Wandlitz, fuhren zum Museumspark
Rüdersdorf, gingen auf Entdeckertour
im Tegeler Forst und setzten zur Pfaueninsel über. Am jeweiligen Ziel wurde
spielerisch die Umgebung erkundet.
Beim Besuch auf der Pfaueninsel
waren natürlich die kleine Überfahrt
mit der Fähre und die farbenprächtigen Bewohner der Insel selbst, die
sich der Gruppe in all ihrer Schönheit
© Paul Gerhardt Stift
K
Begrüßung auf der Pfaueninsel
präsentierten, die Highlights. Beim
täglichen gemeinsamen Picknick, zu
dem alle etwas beitrugen, sowie bei
den Spaziergängen und Spielen kamen Kinder und Eltern immer wieder
untereinander in Kontakt. Als am letzten Tag schließlich sogar die Sonne
herauskam, waren sich alle einig, dass
die gemeinsamen Ausflüge eine tolle
Erfahrung waren!
RÜCKBLICK: AN(GE)KOMMEN?!
Aktionswoche zur Situation von Flüchtlingen
D
© Paul Gerhardt Stift
ie Aktionswoche „An(ge)kommen?!“ zur Situation von
Flüchtlingen im Wedding vom 18. – 22.
Januar 2016 kann als Erfolg gewertet
werden.
Mit Hilfe der Förderung durch den
Evangelischen Kirchenkreis Nord-Ost
war es möglich, im Rahmen von drei
unterschiedlichen Veranstaltungsformaten insgesamt ca. 220 Personen im
Paul Gerhardt Stift willkommen zu heißen und sie für das Thema Flucht und
Migration zu interessieren.
Diala Hanana (zweite von links) im Kreise ihrer Musikerkollegen
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
37
© Paul Gerhardt Stift
AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | STADTTEILZENTRUM
Impulse Project in Aktion – Theater von Flüchtlingen
Die Aktionswoche wurde am Abend des
18.01. mit der Ausstellung von Acrylgemälden der syrischen Musikern und
Malerin Diala Hanana eröffnet. Über
60 Interessierte aus Kommune, Kirche,
Gemeinden und Verwaltung folgten der
Einladung, darunter die Bezirksstadträtin von Berlin Mitte, Frau Sabine Weißler, die auch ein Grußwort hielt.
Eine zweite Veranstaltung am 20.
Januar diente der Information von
Bürgerinnen und Bürgern aus dem
Stadtteil. In anregenden Vorträgen
und Diskussionen kamen die Folgen
von Fluchtmigration sowie das Engagement von Ehrenamtlichen zur
Sprache. Der Integrationsbeauftragte
des Bezirks Mitte, Herr Stephan Winkelhöfer, schilderte in seinem Vortrag
eindrücklich die Situation der neu ankommenden Flüchtlinge in Berlin. Der
Sprecher der Organisation Jugendliche
ohne Grenzen, Mohammad Jouni, veranschaulichte seinen Weg als Flüchtlingskind durch die unterschiedlichen
Bildungsinstitutionen und warb dafür,
die Potenziale von Flüchtlingskindern
bzw. -jugendlichen besser zu nutzen.
38
Mit einem Plädoyer für eine offene Bürgergesellschaft schloss Matthias Hofmann von der Willkommensinitiative in
Falkensee die Impulsbeiträge.
Regine Vogl, Leiterin der Gemeinschaftsunterkunft „Refugium“ betonte,
dass wirkliches „Ankommen“ vor allem
eine sichere Perspektive, eine eigene
Wohnung und ein selbstständiges Alltagsleben in einer Nachbarschaft benötigt. Hier biete die Zusammenarbeit
mit allen Arbeitsbereichen unter dem
Dach des Paul Gerhardt Stifts als „ZukunftsHaus Wedding“ gute Möglichkeiten, Nachbarschaft real stattfinden zu
lassen.
Ein letzter Höhepunkt in dieser Aktionswoche war die Aufführung des Theaterstücks „Letters home“ des Vereins
„Impulse Project“. Die Erarbeitung und
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
Aufführung dieses Stücks ist ein wichtiges Beispiel für die Förderung von
Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit von Flüchtlingen in Berlin. Der
große Saal im Paul Gerhardt Stift war
bis auf den letzten Platz gefüllt, über
120 interessierte Besucherinnen und
Besucher verfolgten die 90-minütige
engagierte Performance der Berliner
Theatergruppe. Durch das Stück wurde kein Mitleid erregt, sondern die Solidarität mit Flüchtlingen in neuer Form
zur Aufführung gebracht – ein beeindruckender Versuch, der mit langem
Applaus bedacht wurde.
STADTTEILZENTRUM | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT
LIEBENSWERTER LESERAUM
Die Kinderbibliothek im Paul Gerhardt Stift
Dorthe Kreckel
B
unte Buchstaben am Fenster
weisen den Besucher_innen den
Weg: Dank eines Teams aus derzeit
sechs sehr engagierten Ehrenamtlichen
öffnet die Kinderbibliothek im Stadtteil- und Familienzentrum jetzt schon
im vierten Jahr montags bis freitags von
15 bis 18 Uhr ihre Türen für die Kinder
und Familien aus dem Kiez und die Bewohner_innen des Refugiums. Rund
dreihundert Leseausweise sind inzwischen vergeben, zwischen fünfzehn
und zwanzig Besucher_innen nutzen
die Kinderbibliothek jeweils während
der Öffnungszeiten.
Angefangen hatte alles mit dem
fabel-Projekt, einem Bildungspatenprojekt für Familien. Durch die Projektförderung konnte der Anfangsbestand
an Medien angeschafft und der Raum
eingerichtet werden. Dank weiterer
Spenden stehen inzwischen rund 1300
Bücher, Spiele und andere Medien kostenlos zur Ausleihe für Kinder bis zwölf
Jahren und ihre Familien bereit. Eine
gemütliche Sesselrunde lädt ein zum
Lesen und Spielen und bietet neben
der Ausleihe für zu Hause auch wartenden Eltern und Kindern einen Raum mit
angenehmer Atmosphäre. So vergeht
die Zeit schneller, während andere Familienmitglieder an Kursen oder der
Hausaufgabenhilfe in benachbarten
Räumen im Stadtteil- und Familienzentrum teilnehmen. Auch die Kinder
aus dem Refugium haben die Kinderbibliothek längst für sich entdeckt. Einige von ihnen schauen fast täglich zum
Spielen vorbei.
Ohne die engagierte Mitarbeit von
Ehrenamtlichen, wäre die Öffnung und
Organisation der Kinderbibliothek für
das Team des Stadtteilzentrums gar
nicht zu stemmen. Hinter jedem Buch,
das im Regal landet, steht nicht nur
eine spannende Geschichte, sondern
auch immer eine Person, die es mit
Sorgfalt foliert, ins System einliest,
verleiht und immer wieder einsortiert.
Die eigentliche Besonderheit liegt jedoch darin, dass die ehrenamtlichen
Mitarbeitenden der Kinderbibliothek
einfach da sind und Zeit haben. So geschieht es nicht selten, dass sie selbst
als Spiel- und Lesepartner_innen von
den Kindern mit einbezogen werden
und die Ausleihe und Rückgabe dann
eher zur Nebensache wird. Im Alltag
des Stadtteil- und Familienzentrums
ist die Kinderbibliothek längst zu einem
Herzstück geworden. Wer sie besucht,
bekommt viel mehr als nur ein Buch –
ein freundliches Lächeln, ein bisschen
Zeit und ein offenes Ohr gibt es gleich
noch mit dazu!
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
39
©Heidi Graf
Auf dem Dach des Jewish Arab community center in Jaffa mit der Gastgeberin Etti Isler, Vorsitzende der Israel Federation of Community Center
(zweite von rechts)
FACHAUSTAUSCH ZUR
STADTTEILARBEIT IN ISRAEL
Stefan Kurzke-Maasmeier
unsichtbaren Grenzen zwischen den
Kulturen überwinden zu helfen.
Äußerst eindrucksvoll waren Begegnungen mit Mitarbeiterinnen und
Besuchern der Einrichtungen, zum
Beispiel im Jugendzentrum „Strudel“
(hebräisch-jiddischer Ausdruck für
das „@“-Zeichen), einem ehemaligen
Internetcafé, indem heute sozialraumorientierte Empowermentarbeit
mit Mädchen und Jungen aus äthiopisch-jüdischen und russisch-jüdischen
Familien erfolgreich umgesetzt wird.
Lehrreich war ebenfalls der Austausch
mit Kolleginnen im Leo-Baeck-Institut
sowie im Beit Hagefen Arab Jewish
Community Center in Haifa. Community Center haben in Israel als Bildungseinrichtungen außerhalb des formellen
Bildungssystems eine äußerst hohe
er Verband sozial-kulturelle Arbeit, dessen Mitglied das Paul
Gerhardt Stift ist, und der Freundschaftskreis Pankow-Ashkelon organisierten Anfang April eine Fachreise
nach Israel, um mit dortigen Akteuren
der Stadtteil- und Nachbarschaftsarbeit über Begegnungs-, Bildungsund Friedensprojekte zu diskutieren.
Schon seit vielen Jahren bestehen
enge fachliche Kontakte zwischen den
Nachbarschaftseinrichtungen in Berlin
und den Community Center in Israel.
Die Reise wurde durch die „Israel Federation of Community Center“ und
ihre Direktorin Etti Isler umsichtig und
großartig vorbereitet. Eine intensive
Besuchswoche vom 2. bis zum 9. April
führte uns zu verschiedenen Community Center u. a. in Neve Zedek, Jaffa,
Haifa, Holon und Jerusalem. Auf sehr
eindrucksvolle Weise konnten uns dort
die sozialen und politischen Herausforderungen und die fachlichen Konzepte
der Nachbarschafts- und Kulturarbeit
nahe gebracht werden. Inhaltlich lag
ein Schwerpunkt auf der Frage, wie
informelle Bildungsprozesse und interkulturelle Verständigungsarbeit im
Sinne einer „Sharing Existence“ gelingen können. Mehr noch als auf bloße
Ko-Existenz setzen viele Stadtteilzentren in den jüdisch-arabischen Stadtteilen wie etwa in Jaffa oder in Städten
wie Haifa auf gemeinsame Lernprozesse, um die vielen sichtbaren und
40
©Heidi Graf
D
Bedeutung. Sie sind in aller Regel
ähnlich inhaltlich strukturiert wie die
deutschen Stadtteilzentren, also offen
für alle Generationen und Kulturen. Im
Unterschied zu Deutschland handelt es
sich bei diesen Zentren allerdings um
kommunale Einrichtungen, freie Träger
finden sich hier eher selten.
Für die Gruppe war auch der Besuch
des Community Centers „Alejandro and
Lily Saltiel“ jenseits der Jerusalemer
Altstadt eindrucksvoll. Über den Hügel der Stadt vermittelte uns der Leiter
der Einrichtung einen geschichtlichen
und politischen Überblick über den seit
Jahrzenten schwelenden Konflikt, der
den Staat und auf besondere Weise diese Stadt und ihre Bewohner lähmt und
belastet. Mit Händen zu greifen waren
in den unterschiedlichen Stadtteilen
Blick auf den Hof des Beit Hagefen Arab Jewish Community Center mit Kunstinstallationen
u. a. zum Thema Interreligiosität
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
STADTTEILZENTRUM | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT
und Nachbarschaften ebenso die großen sozialen Spannungen und die Armut, sowohl innerhalb bestimmter jüdischer Communities, als auch unter der
arabischen Bevölkerungsgruppe und
besonders unter den nichtjüdischen
Einwanderern aus dem Sudan oder
aus Eritrea. Umso wichtiger schienen
uns die Versuche der unterschiedlichen
Nachbarschaftseinrichtungen, trotz
aller Hoffnungslosigkeit immer wieder
neu der Verständigung und Versöhnung zu wagen und Bildungsangebote
für alle Gruppen offen zu halten. Das
große Maß an Offenheit, Gastfreundschaft und das hohe Interesse auch an
unserer Arbeit war für die gesamte Reisegruppe eine beglückende Erfahrung.
Der Wunsch nach einer Fortsetzung und
Vertiefung des Fachaustauschs wurde
allenthalben deutlich. Im September
wird es im Rahmen der Weltkonferenz
der International Federation of Settlements and Neighborhood Centers
(IFS) in Berlin zu einem Wiedersehen
mit einigen Akteuren aus Israel kommen. Dort sollen weitere Schritte der
Kooperation zwischen den Verbänden
und Einrichtungen in die Wege geleitet
werden.
KIRCHE FINDET STADT
Dritte Transferwerkstatt im Paul Gerhardt Stift durchgeführt
m „Pionierstandort“ ZukunftsHaus Wedding fand am 10. und
11.3.2016 die Transferwerkstatt „Zentren und Orte der Begegnung und
Integration“ statt. Zwei Tage diskutierten die sechs Pionierstandorte,
Berlin-Wedding (ZukunftsHaus Wedding), Bochum-Westend (Q1 – Eins im
Quartier. Haus für Kultur, Religion und
Soziales und Gelsenkirchen-Scholven), Goslar (Goslarsche Höfe, Niedersachsen), Kiel-Gaarden (Sozialkirche
Gaarden, Schleswig-Holstein) und
Neuruppin-Südstadt (ESTAruppin,
Brandenburg) über ihre Erfahrungen,
ihr Rollenverständnis und Rahmenbedingungen, insbesondere bei Entwicklung und Betrieb von Stadtteilzentren,
Begegnungsorten und Quartierstreffpunkten. Zudem waren Vertreterinnen
der umliegenden Kirchengemeinden sowie
die zuständige Mitarbeiterin der bezirklichen Sozialraumplanungskoordination eingeladen.
Zu Beginn hatten die
Teilnehmerinnen und Teilnehmer die
Gelegenheit, das Gelände und den
Sozialraum rund um das sog. Afrikanischen Viertel zu erkunden. Sehr intensiv wurde dann gemeinsam an den
Schwerpunkt themengearbeitet. Es
ging um Inhalte, Rollen, Organisation
und Kooperation. Am darauffolgenden
© F. Lehmann
A
Tag führte Karin Vorhoff vom Deutschen
Caritasverband mit ihrem Vortrag „Integrierte Stadtentwicklung als Chance für
neue Entwicklungspartnerschaften?!“
in die weitere Arbeit ein.
Wertvolle Impulse aus der Entscheidungsebene gaben Stefan Krapp
vom Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (Referat Soziale
Stadt, Städtebauförderung)
mit seinem Vortrag zum Leitprogramm Soziale Stadt sowie
Knut Henkel aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Berlin (Soziale
Stadt, Stadtumbau, Zukunftsinitiative
Stadtteil) mit seinen Ausführungen
zu Einschätzungen aus der Perspektive Berliner Quartiersmanagements,
moderiert von Rainer Hub, Diakonie
Deutschland – Ev. Bundesverband. Mit
der Diskussion um die strategischen
Schnittstellen schloss diese Transferwerkstatt ihre Arbeit ab. Die am Vortag
entstandenen Arbeitsthesen aus der
Praxis an den Pionierstandorten fasste Petra Potz von der KfS-Transferstelle
zusammen.
Der sehr intensive und produktive
Arbeitsatmosphäre und der wertvolle
Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen anderer Einrichtungen waren für
die weitere Entwicklung des ZukunftsHauses Wedding sehr gewinnbringend.
Gleichzeitig wurde deutlich, dass das
Konzept ZukunftsHaus Wedding eine
innovative Initiative darstellt, die den
aktuellen sozialpolitischen und sozial-diakonischen Erfordernissen entspricht. Im Rahmen einer Öffentlichen
Zwischenbilanz werden am 22.11.2016
die Ergebnisse aller Transferwerkstätten des Projektes Kirche findet Stadt
u. a. mit der Bundesministerin Barbara
Hendricks präsentiert.
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
41
AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | KINDERTAGESSTÄTTE
DIE KLEINEN IM GROSSEN GANZEN
Rück- und Ausblick der Kita im Paul Gerhardt Stift
Jonas Burkowski
Das Paul Gerhardt Stift feiert in diesem
Jahr 140-jähriges Jubiläum. Die Arbeit
mit Kindern war in den Händen der
Diakonissen über Jahrzehnte als einer
von vielen Arbeitsbereichen im Paul
Gerhardt Stift vertreten. Diese alte
Traditionslinie wurde seit 2014 von
der Kindertagesstätte im ZukunftsHaus Wedding erneut aufgegriffen. Die
„neue“ Kita wird im November dieses
Jahres ihren zweiten Geburtstag feiern.
Wie haben sich die Kinder, Eltern und
Mitarbeiterinnen in der Kita eingelebt?
Um die ersten Schritte, die Gegenwart
und die Zukunft unserer Arbeit soll es
im Folgenden gehen.
Die Schwerpunkte der pädagogischen Arbeit sind nicht mehr nur eine
konzeptionelle Formulierung, sondern sie werden mittlerweile in hoher
42
Qualität im alltäglichen pädagogischen
Handeln umgesetzt. Die Besonderheit
einer Kita in der Gründungsphase ist
sowohl Chance, als auch Herausforderung zugleich. So formt es in hohem
Maße das Bewusstsein in Bezug auf
jedes noch so kleine Teilchen der pädagogischen Arbeit. Allerdings kostet
dies auch eine Menge Kraft und Energie. Denn ständig muss jeder Schritt
des Teams neu entwickelt, ausprobiert,
reflektiert, möglicherweise ersetzt oder
überarbeitet werden. Manche Dinge
werden fortgesetzt wie bisher, neue
Strategien werden entwickelt und auch
einiges, was nicht funktioniert, wird
verworfen.
Alle acht pädagogischen Fachkräfte
treffen sich außerhalb der Öffnungszeiten in einem Rhythmus von ungefähr
fünf Wochen, um fachliche Inhalte zu
besprechen, Zuständigkeiten zu klären,
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
die Raumgestaltung und Auswahl von
Spielmaterialien anzupassen. Diese
Tage werden auch für Teamsupervisionen genutzt. Eine Konzeption ist dynamisch, nie fertig und ständiger Ausdruck dessen, was die Pädagoginnen
in der Praxis leben. Eine gute Qualität
wird in diesem Zusammenhang durch
einen Konsens in der Wertorientierung
und fachliches Handeln deutlich, z. B.
in den Bereichen Gesundheit, Interkulturalität und Inklusion.
GESUNDE ERNÄHRUNG
UND NATUR
In unserer Kita gibt es keine Süßigkeiten, außer natürlich an Geburtstagen
oder bei wichtigen Festen und Feiern.
Bei 38 Kindern hat ca. jede Woche ein
Kind Geburtstag. So schlimm ist es
also nicht. Aber warum versuchen wir
KINDERTAGESSTÄTTE | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT
Zucker zu meiden? Oft versteckt sich
Zucker in Lebensmittel, deren Verpackungen das Gegenteil suggerieren.
Kinder (und auch viele Erwachsene)
folgen eher dem Produktdesign als den
tatsächlichen Zutaten der Nahrung.
Die Kinder sollen die unbehandelten
und rohen Früchte kennenlernen. Es
geht nicht nur um den Geschmack,
sondern um eine Erfahrung mit allen
Sinnen. Kinder beschäftigen sich mit
derartigen Fragen: Wie riecht das Stück
Obst? Wie fühlt es sich an, wenn ich es
durchschneide? Wo finde ich das Obst
im Supermarkt?
Eine ganze Woche lernten die Kinder alles zum Thema Apfel. Dabei wurden nicht nur Apfellieder gesungen und
Apfelbilder ausgemalt, wie man es von
einem Kindergarten erwartet. Sondern
die Äpfel wurden noch viel erfahrbarer
gemacht. Mit einer Leiter kletterten
Pädagogen und Kinder hoch zur Krone
eines Apfelbaumes und pflückten die
Äpfel. In dieser Woche gab es selbst
gepressten Apfelsaft, es wurde ein Apfelkuchen gebacken. Das braucht es
für Kinder, um umfassend zu „begreifen“, was einen Apfel ausmacht. Die
Apfellieder wurden lauter gesungen
und die Apfelbilder mit vielen Details
ausgeschmückt.
Leider bietet eine Großstadt wie
Berlin immer weniger Möglichkeiten
für Kinder, die Natur auf unmittelbare
Art und Weise erfahrbar zu machen.
Gerade deshalb geht es bei uns auch
um den Umgang mit der Natur als Teil
der Schöpfung. Wir vermitteln Kindern
ein Bewusstsein für den Umgang mit
Pflanzen und Tieren.
INTERKULTURELLES UND
INTERRELIGIÖSES ARBEITEN
Der Respekt vor der Schöpfung ist
dabei auch Teil der religionspädagogischen Arbeit in der Kita. Unsere Diakonin und Sozialpädagogin Nancy
Horn-Gittel gestaltet wöchentlich mit
einer Gruppe Vier- bis Sechsjähriger
Themen aus einem religiösen Kontext.
Dabei kann es angesichts einer sehr
heterogenen Gruppe von Kindern nicht
um eine christliche Glaubensvermittlung im engen Sinne gehen. Sondern
wir versuchen, ein Lernen über Glauben, Religiosität und Sinn in Gang zu
bringen und zu unterstützen. Das Paul
Gerhardt Stift ist offen für den Dialog
mit anderen Religionen und Kulturen
nicht obwohl, sondern vielmehr weil
wir ein diakonisches Profil vertreten.
Kein Mensch darf auf Grund seines
Glaubens, seiner Herkunft, seines
Geschlechts, seiner Hautfarbe oder
wegen individueller menschlicher Fähigkeiten wie Sprache, Motorik oder
Kognition ausgeschlossen werden. Diese Grundphilosophie vertritt das Paul
Gerhardt Stift seit 140 Jahren.
Für die Kinder ergeben sich aus der
religiösen Vielfalt unterschiedliche Fragen. Für die Mitarbeiterinnen bedeutet das religions- und kultursensible
Arbeiten in diesem Zusammenhang,
auch selbst interessiert zu sein und auf
Äußerungen der Kinder zu achten, sie
aufzugreifen. Es gibt viel zu entdecken.
Zum Beispiel wurde am 8. Februar 2016
das chinesische Neujahrsfest gefeiert.
Es begann das „Jahr des Affen“. Am 1.
Mai feierten die koptischen und orthodoxen Christen das Osterfest. Wer hätte das gewusst?
Die Herausforderung der Bildungsarbeit im religiösen Kontext einer modernen Gesellschaft besteht noch aus zwei
weiteren Facetten. Neben den verschiedene Traditionen in den Familien gibt
es noch etwas Greifbares im direkten
Lebensumfeld der Kinder. Denn die
Nachbarschaft und der Kiez, in dem die
Kinder leben sind auch geprägt durch
unterschiedliche religiöse Orte. Ein pädagogisches Ziel kann es sein, dass die
Kinder Bauwerke wie Moscheen und
Kirchen in ihrem eigenen Stadtteil erst
einmal zu erkennen lernen. Der nächste Schritt wäre, sie zu differenzieren,
zu vergleichen und sie auch räumlich
zu erfahren. Die Möglichkeiten sind
vielfältig.
Ein weiteres wichtiges Thema in der
Arbeit ist der Einfluss der Massenmedien. Auch Kinder werden im Internet, in
Zeitungen, im Fernsehen immer wieder
mit Bildern und Begriffen zu Religion
und Gewalt konfrontiert. Hier bedarf
es eines kindgerechten Zugangs und
eines fundierten Wissens der pädagogischen Fachkräfte. Kinder haben ein
Recht darauf, Religion als eine Quelle
von Frieden und Versöhnung kennenzulernen, sie sollen die Möglichkeit
haben, sich auszutauschen und Verbindungen zu erfahren.
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
43
In diesem Zusammenhang sehe ich
auch das „ZukunftsHaus Wedding“
als einen besonderen und sicheren
Ort, in dem verschiedene Religionen
in den Dialog gehen (können!). Interreligiöses und interkulturelles Denken
wird hier als Ressource genutzt und in
einem sozialräumlichen Konzept in die
Tat umgesetzt.
INKLUSION UND VIELFALT
Der Begriff der „Inklusion“ prägte in
den vergangenen Jahren die Arbeit in
Bildungs- und Sozialeinrichtungen.
Das Konzept der Inklusion meint die
Förderung von Selbstbestimmung und
sozialer Teilhabe zum Wohle jener Menschen, die häufig an den gesellschaftlichen Rand gedrängt werden.
Unsere Kindertagesstätte besuchen
derzeit 38 Kinder. In ihren Familien werden insgesamt über zehn verschiedene
Sprachen gesprochen. Die unterschiedlichen sprachlichen, religiösen und
kulturellen Hintergründe sehen wir als
Chance und nicht als Hindernis. Das Besondere ist das Normale. Wir begleiten
Kinder mit Fluchterfahrung und auch
Kinder mit Behinderung. In Deutschland leben ca.10 Millionen Menschen
mit einer anerkannten Behinderung
und etwa 16 Millionen Menschen mit
Migrationsgeschichte. Sie sind Teil der
menschlichen und kulturellen Vielfalt
44
unserer Gesellschaft und auch Teil
unserer Arbeit. Was ist für die Arbeit
unserer Kindertagesstätte „typisch
inklusiv“?
Inklusion bedeutet Wertschätzung
von Vielfalt. Damit dies gelingt, werden
ständig Spielinteressen und Kompetenzen jedes einzelnen Kindes beobachtet
und in Teambesprechungen zu Lernund Entwicklungszielen weiterentwickelt. Diese Ziele sind so unterschiedlich wie die Kinder selbst. Für Kinder
mit Förderbedarf werden Lernprozesse
in einer Förderplanung noch detaillierter beobachtet, erreichte Ziele werden
als neue Lernziele formuliert. Im letzten Jahr begann die Zusammenarbeit
mit der Physiotherapiepraxis Körperbalance im Wedding. Das Besondere
daran ist, dass ein Kind mit Förderbedarf zweimal in der Woche in der Kita
behandelt wird und dadurch nicht nur
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
das Kind, in seiner gewohnten alltäglichen Umgebung Bewegungsübergänge
lernt, sondern auch die Eltern entlastet
werden.
Die Erziehungspartnerschaft in unserer Kita zeichnet sich durch Interesse und Zugewandtheit der Fachkräfte
aus. Dabei ist es besonders wichtig,
den Eltern in regelmäßigen Gesprächen Raum für Wünsche, Ideen und
weitere Anregungen zu geben. Themen aus den Familien, also aus der
unmittelbaren Lebenswelt der Kinder werden mit in die pädagogische
Arbeit übernommen. Um Eltern nicht
deutscher Herkunft zu unterstützen
und gegenseitige Sprachbarrieren
zu überwinden, führen wir bei Bedarf
Gespräche mit Dolmetschern. In erster
Linie werden hier nicht „Sprachprobleme“ sondern primär Eltern als Eltern
wahrgenommen, die einen Raum für
KINDERTAGESSTÄTTE | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT
Gespräche benötigen, um ihre Sorgen,
Ängste oder auch Dankbarkeit adressieren zu können. Ein jährliches Entwicklungsgespräch würde in diesem
Fall unserem Anspruch hoher Qualität nicht genügen, deshalb setzen wir
uns alle drei Monate mit den Eltern
zusammen.
Die Anbindung an das Stadtteilund Familienzentrum eröffnet unserer
kleinen Kita und allen Eltern ein umfangreiches Angebotsspektrum. Neben
PEKIP-Kursen, Krabbelgruppen, einer
Hebammensprechstunde, Elternfrühstück, dem Café u. v. m. ist auch die
offene Sozialberatung eine wichtige
Unterstützungsleistung. Zu erwähnen
bleibt noch die Kinder- und Jugendbücherei mit einem mehrsprachigen
Angebot und auch zweisprachigen Büchern (z. B. Türkisch-Deutsch).
Wir freuen uns auf die bevorstehenden Kunst- und Kulturprojekte mit Tuna
Arkun. Ein Highlight wird sicherlich der
Besuch eines echten Künstlerateliers.
In direkter Nachbarschaft wurde eine
©
at
riv
neue Kooperation angebahnt. Die
Kindertagesstätte im Paul Gerhardt
Stift kooperiert mit der Gottfried-Röhl
Grundschule. Der Fokus dieser gemeinsamen Arbeit gilt den Vorschulkindern
und dem Bereich der Sprachförderung.
Ein weiterer Ausblick ist das bereits
ausgebuchte Projekt FuN (Familie
und Nachbarschaft), das von unserer
Erzieherin Anika Marx-Tetzner und
dem Stadtteilzentrum in Kooperation
mit dem Deutschen Familienverband
durchgeführt wird. In diesem Projekt
gibt es Angebote für alle Familienmitglieder. Das Familienzentrum ist also
eine enorm wichtige Stütze für unsere
pädagogische Arbeit.
Es gibt noch viele Projekte, die wir
gemeinsam mit den Kindern gestalten
werden. Die Entwicklung von Kooperationen und Vernetzung innerhalb des
Stifts und in den Stadtteil wird ebenso zu unseren Aufgaben gehören. Wir
lernen in der Zwischenzeit auch weiter
mit und von den Kindern. Sie leben die
Vielfalt und Toleranz einfach vor.
Vorgestellt
p
MONIKA GELDERBLOM
Mein Name ist Monika Gelderblom. Ich bin in Nordrhein-Westfalen in einer Kleinstadt zwischen Köln und
Düsseldorf aufgewachsen. Nach meiner Ausbildung
als Kinderkrankenschwester bin ich nach Berlin gezogen und habe in einem von Nonnen geleiteten Säuglings- und Kleinkindheim gearbeitet. Anschließend habe ich
beim Caritas einen neuen Bereich – das Kinderschutzwohnen – mit
aufgebaut. Diese Einrichtung bot traumatisierten Säuglingen und
Kindern einen Schutzraum. Meine Aufgabe war die emotionale,
pädagogische und medizinische Versorgung der Kinder sowie die
Elternarbeit. Ich bin verheiratet und habe drei Kinder (11, 13 und
15 Jahre). Wir leben in Staaken am Rande Berlins in einer kleinen
kinderreichen Siedlung. In meiner Freizeit bin ich gerne in der Natur
und in unserem Garten; außerdem interessiere ich mich für Yoga,
Literatur und Kino. Ich arbeite seit März 2016 im Krippenbereich des
Paul Gerhardt Stifts. Ich freue mich auf eine schöne gemeinsame
Zeit mit den Kindern, Eltern und Kolleginnen.
BAUSTEINPATEN FÜR DEN
SPIELPLATZ
GESUCHT!
Die Spendenaktion „Baustein-Pate
werden“ für die Kindertagesstätte ist
weiterhin in vollem Gange. Sie können unterschiedliche Bausteine erwerben, die verfügbaren Größen sind
50, 100, 200 und 500 Euro-Bausteine.
Wir wollen damit v. a. den Erwerb von
Spielgeräten für die Außenanlage ermöglichen. Für jeden Baustein wird
eine Spende in der genannten Höhe
mit dem Kennwort „910919 KITA PGS“
auf das Konto 18 180 bei der KD-Bank
(BLZ 350 601 90) IBAN DE95 35 0601
90 0000 01 8180, BIC GENODED1DKD
überwiesen. Nach Erhalt der Spende
wird dem Spender sein persönliches
Spendenzertifikat übermittelt. Die
Spende kann bei der nächsten Steuererklärung geltend gemacht werden.
Kontakt und Anfragen
Jonas Burkowski, B. A.
Telefon: 030 450 05-119
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
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AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | SERVICEWOHNEN FÜR SENIOREN
WENN ICH ÄLTER WERDE…
Das Servicewohnen im Paul Gerhardt Stift
Mareike Hartig
M
im Notfall zur Seite stehen? Werde ich
noch aktiv sein und Dinge tun können,
die mir Spaß machen, die für mich sinnerfüllend sind und die vielleicht auch
anderen nützen?
Mit der zunehmenden Vielfalt der
Lebensformen und -entwürfe und der
© Alexander Raths / pitopia.de
it dem Älterwerden und dem
Nachdenken über das Altsein
in unserer Gesellschaft verbinden sich
eine Reihe existenzieller und praktischer Fragen.
Wenn ich älter werde… was wird dann
für mich wichtig sein? Wie möchte
ich wohnen? Werde ich noch Treppen
steigen können? Wie wird es in meiner
Nachbarschaft aussehen? Gibt es dort
Menschen, mit denen ich zwischen Tür
und Angel sprechen kann und die mir
46
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
SERVICEWOHNEN FÜR SENIOREN | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT
glücklicherweise steigenden Lebenserwartung setzen sich auch eine wachsende Zahl älter werdender Menschen
mit ihrer Zukunfts- und Lebensgestaltung aktiv auseinander. Wie ist Altern
in Selbstbestimmung, Würde und mit
so viel Selbstständigkeit wie möglich
realisierbar? Das Servicewohnen für
Senioren im Paul Gerhardt Stift bietet
eine Antwort auf manche dieser Fragen und Bedürfnisse.
Es ist eine altersgerechte Wohnform mit zusätzlichen Leistungen.
Altersgerecht ist zum Beispiel das
barrierefrei gebaute Wohnstift mit
seinen insgesamt 48 Wohneinheiten.
Ziel der zusätzlichen Leistungen ist es,
die psycho-soziale und die persönliche Lebensqualität zu erhalten bzw.
zu verbessern. Ein Praxisbeispiel kann
dies veranschaulichen.
Es ist Donnerstagvormittag um
kurz nach zehn, die offene Sprechstunde hat vor einigen Minuten begonnen. Frau Q. kommt mit einem
Anliegen, das sie in Unruhe versetzt.
Sie hat Post von ihrer Krankenkasse
bekommen, aber sie kann die kleine
Schrift schlecht lesen. Zudem ist sie
sich nicht ganz sicher, ob und wenn
ja was sie unternehmen muss. Außerdem ist ihr nicht klar, ob sie das
beigefügte Formular ausfüllen sollte
und was dies für Folgen hat. Das Ganze hat Frau Q. jetzt schon ein paar
Tage beschäftigt. Sie hat ihre Angelegenheiten gerne geklärt und in Ordnung. In einem Telefongespräch mit
der Krankenkasse kann rasch geklärt
werden, dass sie weitere Leistungen
in Anspruch nehmen kann, dafür aber
das Formular auszufüllen ist. Das
erledigen wir dann gleich anschließend. Frau Q., die den Brief auf dem
Weg zum Einkaufen gleich einwerfen
kann, fühlt sich erleichtert.
Neben der individuellen Beratung
ist die Förderung von Gemeinschaft
ein wichtiger Bestandteil der Arbeit
im Wohnstift. Ein wichtiges Element im
Wochenrhythmus ist das Mittwochscafé. Dank des Engagements von zwei
Bewohnerinnen und einer Ehrenamtlichen sind die Tische eingedeckt, Kaffeeduft zieht durch den Raum und es
gibt eine Auswahl verschiedener Kuchen und Torten auf den Tischen. Es ist
Zeit zum Austausch über Persönliches,
Geschehnisse des Alltags oder frühere
Erlebnisse. Frau C. ist nach mehreren
Wochen Krankenhausaufenthalt heute
zum ersten Mal wieder dabei und wird
freudig begrüßt. Es geht ihr zwar noch
nicht wieder so richtig gut, aber sie
wollte dennoch unbedingt kommen.
Die gesellige Runde ist eine willkommende Abwechslung und Ablenkung
von den Beschwerden. Außerdem
spielt sie für ihr Leben gern Rommé.
Also werden die Tische abgeräumt, die
Spiele aus dem Schrank geholt. Frau
C. sitzt natürlich in der Rommérunde,
die Karten schon bald auf der Hand.
Konzentriert und dann mit einem zufriedenen Lächeln eröffnet sie das
Spiel.
Das sind nur zwei Beispiele aus
dem Angebot der Serviceleistungen,
die den Bewohnerinnen und Bewohnern regelmäßig offen stehen.
Neben der Förderung des aktiven
und nachbarschaftlichen Lebens im
Haus ist auch der Kontakt mit den anderen Fachbereichen und Menschen
im Paul Gerhardt Stift ein wichtiges
Anliegen. So nutzen viele Bewohner
die Kurs- und Kulturangebote des
Stadtteilzentrums, oder sie nehmen
an den Andachten und Gottesdiensten des geistlichen Zentrums teil.
Viele engagieren sich ehrenamtlich
z. B. rund um Haus und Garten des
Wohnstifts, im Stadtteilzentrum oder
im Geistlichen Zentrum.
Seit zwei Jahren gibt es einen
gemeinsamen Frühlingsbrunch mit
den Bewohnern des Refugiums und
jeweils im Mai wird das Europäische
Fest der Nachbarn mit einer Kaffeetafel im Park des Geländes gemeinsam
begangen.
Viele Interessenten für das Servicewohnen erkundigen sich mittlerweile nicht nur nach den Serviceangeboten im Haus, sondern fragen
bewusst nach diesem Kontakt mit den
anderen Fachbereichen des Stifts und
nach den Möglichkeiten, die ihnen der
Kiez bietet. Sie suchen und sehen
Möglichkeiten für ehrenamtliches
Engagement und ein aktives Leben
auch im Alter.
Das Servicewohnen für Senioren
entwickelt sozialpädagogische Angebote ohne zu bevormunden und fördert Eigeninitiative damit das eigene
Leben eingebunden in die Gemeinschaft bleiben kann. Aber es bietet
eben auch verschiedene Formen von
Unterstützung und Hilfen für die Lebenssituationen an, die (altersbedingt) Herausforderungen stellen.
Das Servicewohnen im Wohnstift
bietet vielfältige Formen der Unterstützung und Teilhabe – ein guter Ort
zum Leben im Alter.
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
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AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | GEISTLICHES ZENTRUM
PAUL GERHARDT KONVENT
Gabriela Labede
D
er Konvent beteiligt sich auch
2016 an ehrenamtlichen Diensten im Hause und gestaltet die Andachten, Fürbittgebete und die Bibelstunden
im Pflegewohnheim in Zusammenarbeit
mit unserer Diakonin Nancy Horn-Gittel. Auch die „Offene Kirche“, jeden
Mittwoch von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr
wird ermöglicht von Mitgliedern aus
dem Paul Gerhardt Konvent.
Bruder Winfried Gayko hält die
Verbindung über den Freundeskreis
für Gemeinden im Kaliningrader Gebiet. Mit Bestürzung und in Trauer haben wir erfahren müssen, dass unser
48
junger Freund Grischa nicht mehr unter
uns weilt. Viele aus der Hausgemeinde
haben ihn bei seinen Besuchen hier in
Berlin (Winfried Gayko war sein Patenonkel) kennen und lieben gelernt.
So denken wir fürbittend auch an seine Eltern, die immer voller Liebe und
Sorge (Grischa war ja gehörlos) Wege
und Möglichkeiten für seine Zukunft
gesucht haben. Auf Besuch in Berlin
war im April Tatjana Dzenisenko, die
auf Einladung des Paul Gerhardt Konvents hier 14 Tage mit ihrem dreijährigen Sohn Stanislaw Ferien machte.
Wir haben Tatjana seinerzeit über den
Tschernobilverein e. V. kennen gelernt,
sie wohnte hier im Stift und ihr ältester
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
Sohn Deniz wurde hier in der Charité
wegen seines Krebsleidens behandelt.
Leider war der Krebs stärker und Deniz
ist inzwischen heimgegangen zu unserem Heiland Jesus Christus.
Abschied nehmen mussten wir in
diesem Jahr auch von unserer Altoberin, Diakonisse Hildegard Oelke.
Sie hat im Jahr 1997 entscheidend zur
Gründung des Konvents beigetragen
und uns durch das Wort in Jesaja 42
„das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht
wird er nicht auslöschen“ Mut gemacht. Danke für alles Mitdenken, Mitentscheiden und für Ihre Zuwendung,
Schwester Hildegard.
GEISTLICHES ZENTRUM | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT
SEI STILL…
Veranstaltungen
Mediationstext
Mascha Kalèko
A
ls ich der Mutter meinen Kummer
klagte, ich höre noch, was sie
dem Kinde sagte. Mit einem Lächeln,
wie ich’s nie gesehn – „Sei still, es
wird vorübergehn.“ So hielt ich still.
Und manches ging vorüber. Denn alles
geht vorüber mit der Zeit. Das große
Glück. Das Frösteln und das Fieber.
Selbst ein Novembertag, ein noch so
trüber. Beständig bleibt nur: Unbeständigkeit. Als dann der große Zweifel an mir nagte, – Ich wusste schon,
dass man es keinem klagte. Und dass
sogar die Freunde mißverstehn. – So
oft ich damals an mir selbst verzagte.
War es die leise Stimme, die mir sagte: Sei still, es wird vorübergehn. Was
ist nicht alles schon dahingegangen.
Wie Schneegestöber und wie Windeswehn… Und dennoch hab ich jetzt
erst angefangen, den Dingen langsam
auf den Grund zu sehn. Wer nichts
begehrt, der ist nicht zu berauben.
Gespenster sind nur dort, wo wir sie
glauben. Ich habe lange, lange nicht
geklagt. Nichts tut das Leid dem, der
es tut nichts sagt. Nichts tut das Leid
dem, der „es tut nichts“ sagt. Sei der
du bist. Mag kommen, was da will. Es
geht an dir vorüber, bist du still.
TRAUER UM ALTOBERIN
SR. HILDEGARD OELKE
D
as Paul Gerhardt Stift trauert
um seine Altoberin Diakonisse
Sr. Hildegard Oelke, die am Sonntag,
den 7. Februar 2016 im 89. Lebensjahr
verstorben ist. Hildegard Oelke wurde
am 10. Dezember 1927 in Siujin / Südchina geboren und trat am 15.10.1969
als Oberin in das Diakonissenmutterhaus Paul Gerhardt Stift zu Berlin ein.
In diesem Amt leitete sie gemeinsam
mit den jeweiligen Vorstehern fast 30
Jahre die Geschicke des Hauses,
bis sie am 13.4.1999 in den
Ruhestand ging.
Musik war ihre Leidenschaft und so leitete sie mit Freude den
Paul Gerhardt Chor
auch über ihren Ruhestand hinaus. Während
ihrer Amtsperiode begleitete sie das
Haus in schwierigen Situationen. Für
die kleiner werdende Diakonissenschaft setzte sie sich stets liebevoll
ein und wirkte auch an der Gründung
des Paul Gerhardt Konvents mit. Bis
heute ist ihr Wirken an vielen Stellen
des Hauses zu spüren. Die Weiterführung des diakonischen Auftrags auch
unter neuen Bedingungen war ihr ein
Herzensanliegen.
Dankbar feierte sie im ver©P
riv
gangenen Jahr ihr 60. Diaat
konissenjubiläum. Wir
sind in Gedanken bei Ihrer Familie und empfehlen sie in der Hoffnung
auf die Auferstehung
dankbar zurück in Gottes Hände.
ORGELVESPER
Freitag, 9.9.2016 + 9.12.2016
jeweils um 18.00 Uhr
mit Gustavo La Cruz
Wo: Kapelle
Kosten: Spende
„ABSCHALTEN“
Impuls in der Tagesund Wochenmitte
Mittwoch 7.9.2016 + 7.12.2016
jeweils 13.15 Uhr
Wo: Kapelle
ERNTEDANKFEST
Sonntag 2.10.2016
Wo: Kapelle und
Hedwig Weiß Saal
Kosten: Spende
GESPRÄCHSKONZERT
Freitag 12.10.2016
um 17.00 Uhr
mit Rainer Bürgel
Wo: Großer Saal
Kosten: Spende
YOGA-KURS FÜR FRAUEN
Freitag, 10.00 – 11.30 Uhr
Der Kurs ist auch für
Anfängerinnen geeignet.
Wer: Larissa Brodöhl,
Dipl. Yogalehrerin
Kosten: 100 Euro für 8 Termine
(Gültigkeit 10 Wochen)
Der Kurs kann von der Krankenkasse bezuschusst werden.
Anmeldung bei Diakonin Nancy
Horn-Gittel Tel: 01 78 131 64 14
oder unter [email protected]
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
49
AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | GEISTLICHES ZENTRUM
Veranstaltungen ZUM 60-JÄHRIGEN
Reihe Schriftspuren –
Lesekreis Bibel & Koran. Teil 3
DIAKONISSENJUBILÄUM
VON SR. MARGOT KREDE
MIT GOTT SPRECHEN WIE
DIE PROPHETEN?
Mittwoch, 16.11.2016
17 – 18.30 Uhr
Nach den ersten beiden Teilen
zu Maria, der Mutter Jesu, und
Josef, den Sohn Jakobs, in den
heiligen Schriften des Christentums und des Islam wendet sich
der Lesekreis Bibel-Koran im
dritten Teil nun den Prophetengebeten im Koran zu.
Wir fragen wieder nach Verbindungsspuren in den Texten
und nach unterschiedlichen
Rezeptionswegen.
Wir fragen nach der Rolle der
betenden Propheten im Koran
für die Ausformung des
Glaubens an den Einen Gott.
Wer: Tolou Khademalsharieh,
Islamwissenschaftlerin;
Prof. Dr. Christine Funk,
Professorin für Systematische
Theologie
Was: Lese-Gespräch. Einige
Exemplare der Bibel und des
Koran sind vorhanden.
Wo: voraussichtlich im Seminarraum, Stadtteilzentrum
Anmeldung: bis zum 9.11.2016
im Informationsbüro,
Telefon: 030 450 05 131
oder unter stadtteilzentrum@
paulgerhardtstift.de
50
Glückliche Jubilarin: Sr. Margot Krede (li.) mit Sr. Siegrid Fellechner
Sr. Siegrid Fellechner
L
iebe Schwester Margot, was
alles in den 60 Jahren gewesen
ist würde ein dickes Buch füllen. Wie
viele Kranke haben Sie gepflegt und
wie viele Menschen besucht? Sie sind
in vielen Arbeitskreisen aktiv gewesen, haben Gottesdienste vorbereitet
und unzählige Gespräche geführt. Ich
kenne Sie nur als fröhliche Schwester,
obwohl Sie manchen Kummer und
manche Krankheit durchleben mussten. Wie vielen Menschen sind Sie begegnet und haben sie durch Ihre offene und herzliche Art gestärkt? Ihren
Einsegnungsspruch: ‚Seid fröhlich in
der Hoffnung, geduldig in Trübsal und
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
haltet an am Gebet‘ haben Sie nicht
nur geschrieben und gelesen, sondern
tatsächlich gelebt. Wir danken Ihnen
für all Ihren Einsatz, aber wir danken
auch Gott, dass Er Sie wunderbar geleitet und Sie in Seinen Dienst genommen hat.
Er bleibe bei Dir heute, morgen und
alle Tage und gebe genügend Kraft für
jeden Tag. Was Gott gebietet und die
Menschen erwarten wird Anlass und
Inhalt unseres Gebets sein. Gott gibt
seinen heiligen Geist denen, die ihn
bitten, den Geist, der unser Christsein
täglich neu macht. Gott will seine Liebe in den Menschen hinein geben, damit wir Kraft bekommen für den Dienst
an jedem Menschen.
NOTIZ NEHMEN | AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT
Regelmäßige
Angebote
OFFENE SEELSORGESPRECHZEITEN
Montag 9.00 – 12.00 Uhr
und nach Vereinbarung
Eingeladen sind Menschen die
ein Gespräch wünschen
unabhängig von ihrer Religion
und Nationalität.
Ansprechpartnerin:
Diakonin Nancy Horn-Gittel
01 78 131 64 14
oder unter geistliches-zentrum@
paulgerhardtstift.de
MORGENANDACHT
MITTEILUNGEN AUS DEM
KURATORIUM
Der Vorsitzende des Kuratoriums, Hans
Nisblé, ist im Zuge der engeren Verknüpfung der Stiftung mit dem Evangelischen
Johannesstift in das dortige Kuratorium
berufen worden. Dazu gratulieren wir
ihm sehr herzlich und freuen uns, dass
die Interessen des Paul Gerhardt Stifts
im neuen Verbund eine kraftvolle Stimme erhalten werden. Im Dezember 2015
hat sich mit Frau Gisela Netzeband ein
langjähriges Mitglied des Kuratoriums
aus dem Gremium verabschiedet. Frau
Netzeband hat dem Paul Gerhardt Stift
durch ihre jahrzehntelange Erfahrung in
unterschiedlichen Organisationen und
Funktionen in Diakonie und AWO viele
wertvolle Impulse geben können. Dafür
danken wir ihr herzlich und wünschen
ihr für die kommende Zeit alles erdenklich Gute und Gottes Segen.
CAFÉ KLOSTERHOF WIEDER
ERÖFFNET
8.00 Uhr
MITTAGSGEBET
12.00 Uhr
FÜRBITTGEBET
Jeden Montag 15.30 Uhr
„OFFENE KIRCHE
ZUM STILLEN GEBET“
Jeden Mittwoch 10.00 – 16.00 Uhr
GOTTESDIENST
Nach einer längeren krankheitsbedingten Pause hat das Café Klosterhof
seine Pforten im April wieder geöffnet.
Montag und Donnerstag 10 – 16 Uhr
bieten Steffanie Elser und René Thiele
Kaffee, Kuchen, belegte Brötchen und
weitere Snacks zu günstigen Preisen
an. Das Stadtteilzentrum ist derzeit
in Gesprächen über eine langfristige
Zusammenarbeit mit einem anderen
Träger, um dieses Angebot nachhaltig
zu sichern.
Jeden Sonntag und an
Feiertagen 10.00 Uhr
ANDACHT NACH TAIZÉ
Jeden 4. Freitag im Monat
BIBELGESPRÄCH
Jeden 1. Montag 15.45 Uhr
Nähere Informationen bei
Diakonin N. Horn-Gittel
E-Mail: geistliches-zentrum@
paulgerhardtstift.de
Telefon: 030 450 05 114
ABSCHIED
Das Paul Gerhardt Stift verabschiedet
zum 1. Juli 2016 zwei Kolleginnen, die
sich um die Seniorenarbeit und um die
Stadtteilarbeit im ZukunftsHaus Wedding verdient gemacht haben. Seit Beginn des Jahres 2014 hat Mareike Hartig
das Servicewohnen für Senioren neu
strukturiert und diesen Bereich seitdem sozialarbeiterisch in hoher professioneller Qualität begleitet. Dorthe
Kreckel wechselte im Sommer 2014
in das Paul Gerhardt Stift und hat mit
großem fachlichem und persönlichem
Engagement die Kooperation mit der
Sekundarschule am Schillerpark vorangetrieben und das Café Klosterhof
zu einem wichtigen Ort der Begegnung
gemacht. Beiden Kolleginnen danken
wir sehr herzlich für ihre hervorragende Arbeit und wünschen ihnen für die
neuen beruflichen Herausforderungen
alles erdenklich Gute.
ukw / skm
SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZEN JUNI 2016
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AKTUELLES AUS DEM PAUL GERHARDT STIFT | NOTIZ NEHMEN
UNANGEMELDETER BESUCH
Dass das Paul Gerhardt Stift gerne besucht wird, ist keine Überraschung und
alltägliche Routine. Allerdings galt das
bislang vor allem für Menschen aus
dem Stadtteil, die hier Begegnung,
Beratung oder medizinische Hilfe suchen. Eine andere Art des Besuchs
stattete uns im Frühjahr unangemeldet
ein Waschbär ab. Auf der Suche nach
Essen legte er eine Pause am Fenster
einer Wohnung des Refugiums ein,
bevor er sich sportlich an der Regenrinne hochzog und über das Dach flink
das Weite suchte. Ob er in eine unbewohnte „Dachgeschosswohnung“ des
Stifts eingezogen ist, war bis Redaktionsschluss noch unklar.
SPENDEN UND ANDERE FORMEN
DER UNTERSTÜTZUNG
Wenn auch Sie, liebe Leserinnen und Leser, für das Paul Gerhardt Stift
spenden möchten, können Sie dies jederzeit durch eine Überweisung auf
folgendes Konto tun:
KD-Bank, BLZ 350 601 90,
Kontonummer 18180,
IBAN DE95 35 0601 90 0000 01 8180,
BIC GENODED1DKD.
Wir freuen uns sehr darüber! Ohne einen Vermerk auf dem Überweisungsträger werden wir die Gelder nach aktuellem Bedarf für unsere sozialen Projekte
einsetzen. Sie erhalten selbstverständlich eine Spendenbescheinigung!
Sie können die Arbeit des Paul Gerhardt Stifts auch durch ein Testament,
ein Vermächtnis oder eine Schenkung
unterstützen. Gemeinnützige Organisationen und Stiftungen wie das Paul
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Gerhardt Stift sind von der Erbschaftsund Schenkungssteuer befreit. Eine
Zuwendung an das Paul Gerhardt Stift
kommt somit ohne steuerliche Abzüge
unseren Projekten zu Gute.
Wenn Sie dazu Informationen wünschen: Kommen Sie auf uns zu, gern
sprechen wir mit Ihnen über Ihre
Fragen!
Wenden Sie sich bitte an die
Geschäftsführerin,
Ute Köpp-Wilhelmus,
Telefon: 030 450 05 118 / -101 oder
E-Mail: ute.koepp-wilhelmus@
paulgerhardtstift.de.
NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT
IMPRESSUM
Der Nachdruck und die Vervielfältigung von
Texten (auch auszugsweise) ist
nur nach vorheriger Genehmigung durch
die Herausgeber gestattet.
Herausgeber: Paul Gerhardt Stift zu Berlin,
Martin von Essen (Direktor),
Andreas Arentzen (kaufm. Vorstand),
Ute Köpp-Wilhelmus (Geschäftsführerin)
Müllerstraße 56 – 58 , 13349 Berlin
www.paulgerhardtstift.de
Tel.: 030 450 05 101, Fax: 030 450 05 100
E-Mail: [email protected]
Konzeption und Redaktion:
Stefan Kurzke-Maasmeier
Gestaltung: verbum GmbH,
www.verbum-berlin.de
Druck: U.S.E. Printing House, Berlin
Auflage: 2.000 Exemplare
Fotonachweise: Siehe Quellenangaben am
Bildrand. Wenn nicht anders erwähnt:
© Paul Gerhardt Stift zu Berlin
Datum der Herausgabe: Juni 2016
PAUL
GERHARDT
APOTHEKE
Paul Gerhardt Apotheke
Müllerstr. 58 · 13349 Berlin
Unsere Servicenummer:
(030) 45 79 80 50
www.paul-gerhardt-apotheke.de
Öffnungszeiten:
Mo bis Fr 8.30–19.30 Uhr
Samstag 9.00–14.00 Uhr
So sparen Sie im Wedding:
25% Rabatt* mit Ihrer Sparkarte (kostenlose Registrierung)
auf alle Arzneimittel, die nicht rezeptpflichtig oder
bereits reduziert sind, sowie auf alle Kosmetik-Artikel!
* Referenzpreis für den Rabatt ist die UVP oder, falls nicht vorhanden, der AP** oder, falls nicht vorhanden, unser bisheriger Preis.
** AP = einheitlicher Apothekenabgabepreis, der für die Verrechnung mit der Krankenkasse gilt. Den Kassen wird nach dem
Gesetz bei rechtzeitiger Zahlung auf den AP ein Abschlag von 5% gewährt.
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Müllerstraße 56 – 58, 13349 Berlin
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NOTIZEN JUNI 2016 | SONDERAUSGABE – 140 JAHRE PAUL GERHARDT STIFT