Richard Hastik, Marina Fernandez-Delgado Juarez - GW

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Richard Hastik, Marina Fernandez-Delgado Juarez - GW
www.gw-unterricht.at
Richard Hastik1, Marina Fernandez-Delgado Juarez2,
Laurent Moya3, Nadine Präg2, Maraike Probst2, Carina Rofner3,
Andreas Walter2 & Heribert Insam2
Fachwissenschaft
Vom stummen Frühling zum langen Winter?
50 Jahre Kontroverse über die Verwendung von Pestiziden und deren Folgen für
Mensch und Umwelt
[email protected]; [email protected]; [email protected]; [email protected];
[email protected]; [email protected]; [email protected]; [email protected],
1
Institut für Geographie, 2 Institut für Mikrobiologie, 3 Institut für Ökologie, Universität Innsbruck
eingereicht am: 27.03.2013, Doubleblind-Review, akzeptiert am: 16.06.2013
Anlass dieses Artikels ist das 50. Erscheinungsjubiläum von Rachel Carsons Buch „Der stumme Frühling“, in welchem die
Entwicklung des Pestizideinsatzes kritisiert wird. Dabei betrachten wir Rachel Carsons Metapher eines stummen Frühlings,
verursacht vom Verschwinden der Vögel, im Bezug zum Umgang mit Pestiziden. Nach einer kurzen Einleitung zum Thema
Pestizide werden die aktuelle Gesetzeslage und die Zulassungsbedingungen von Pestiziden beleuchtet. Im Gegensatz zu den
1960er Jahren werden Pestizide aktuell vor allem im Zusammenhang mit Glyphosat und gentechnisch veränderten Pflanzen
betrachtet. Daher werden wir insbesondere deren Folgen für Mensch und Umwelt mit Bezug auf Rachel Carsons Argumente
diskutieren. In Anlehnung an Rachel Carsons letztes Buchkapitel „Der andere Weg“, werden darauf folgend Alternativen,
wie z. B. die biologische Schädlingsbekämpfung, vorgestellt. Abschließend diskutieren wir die Kontroverse, ob Pestizide und
Nachhaltigkeit einander ausschließende Begriffe sind.
Keywords: Pestizide, Schädlingsbekämpfung, Gentechnik, Silent Spring, Der Stumme Frühling
From silent spring to a long winter? – 50 years of controversy on the use of pesticides and its effect
on man and biosphere
Fifty years ago, biologist Rachel Carson published the book Silent Spring which criticized the development of pesticide use.
On the occasion of this anniversary the authors examine the present relevance of Rachel Carson‘s image of a silent spring
caused by the disappearance of birds related to pesticide use. After giving a short introduction on pesticides we continue
with current legislative issues and testing methods. In contrast to the 1960s, pesticide use is now often discussed in connection with glyphosate and genetically modified crops. Therefore we will focus our discussion on the effects on humans and
the environment with respect to Carson‘s arguments. We will go on to reflect alternatives to pesticides, such as biological
control methods, in the context of the last chapter of her book, The other road. Finally, we examine whether ‘pesticides’ and
‘sustainability’ are mutually exclusive terms.
Keywords: pesticides, pest control, genetic engineering, Silent Spring, Der Stumme Frühling
1
„Der stumme Frühling“ als erste gesellschaftliche Auseinandersetzung über den
Umgang mit Pestiziden
Das vor 50 Jahren erschienene Buch „Der stumme
Frühling“ von Rachel Carson führte zu einem Aufschrei in der Gesellschaft der 1960er Jahre und zur
Gründung von Umweltbewegungen in den USA.
Heute wird es zu Recht als eines der einflussreichsten
Bücher des 20. Jahrhunderts betrachtet. Ausführliche
und erbitterte Auseinandersetzungen zwischen der
Gesellschaft, der Wissenschaft, der Industrie und der
Politik waren die Folge. Pestizide und Pflanzenschutzmittel (für Definitionen siehe Infobox 1) wurden be-
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Hastik et al.
reits zu Beginn des 20. Jahrhunderts ohne Rücksicht
auf die menschliche Gesundheit, Tiere und Umwelt
sorglos über weite Landstriche ausgebracht, um im
Zuge der Grünen Revolution die Agrarindustrie in
eine neue Dimension der Wirtschaftlichkeit zu katapultieren. Angesichts der wachsenden Weltbevölkerung wird die intensiv betriebene Landwirtschaft,
kombiniert mit einem hohen Einsatz von Spritzmitteln, für viele Staaten als unverzichtbar propagiert,
um ihren Bedarf an Nahrungs- und Futtermitteln zu
erfüllen. Die von Rachel Carson offen gelegten Probleme, die mit dem Einsatz von Herbiziden oder Pestiziden einhergehen könnten, sind nach wie vor aktuell,
wenngleich der Großteil der Problematiken, die sich
aus deren Einsatz ergeben können, verschoben ist.
Ein unverantwortlicher Einsatz von Pestiziden
tötet nicht nur Schad- sondern auch Nutzinsekten,
die zur Aufrechterhaltung von Ökosystemen beitragen. Weiters können sich Schadstoffe im Boden
oder Grundwasser anhäufen, gelangen so in die
Nahrungskette, werden dort oftmals akkumuliert
und stellen damit ein erhebliches Risiko auch für den
Menschen dar. Rachel Carson erkannte bereits damals
diese Zusammenhänge und beschrieb erschreckend
detaillierte Beispiele des unverantwortlichen und ungezügelten Einsatzes dieser gefährlichen Chemikalien.
Dabei kritisierte sie vor allem auch die unzureichende
Evaluierung der verwendeten Spritzmittel seitens der
Hersteller und von staatlicher Seite.
Zu Rachel Carsons Zeit waren die Kontroversen
auf persistente Pestizide wie Dieldrin und DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) fokussiert. Zum Beispiel
wurden im Illinois der 1960er Jahre 375 000 USD
für ein achtjähriges Maßnahmenprogramm aufgewandt, um den Japankäfer, der damals in den USA
wütete, mit Dieldrin zu bekämpfen. Dabei wurden
nur 6 000 USD für biologische Feldstudien verwendet, ernstzunehmende toxikologische Studien fehlten
vollständig. Die Käferplage konnte nicht eingedämmt
werden, dafür starben tausende Vögel und Säugetiere.
Von 1950 bis Anfang der 1970er wurde Dieldrin in
großem Ausmaß als Pestizid eingesetzt, seine Anwendung in der Landwirtschaft ist heute verboten. DDT,
ebenfalls ein Insektizid auf Basis chlororganischer Verbindungen, wurde 1940 das erste Mal eingesetzt (Eskenazi et al. 2009). Zwar ist ein landwirtschaftlicher
Einsatz seit 1972 verboten, jedoch kann DDT heute
noch zur Malaria-Bekämpfung ausgebracht werden
(van den Berg 2009).
Heute müssen die Konsequenzen der Pestizidanwendung vor allem mit Bezug auf Glyphosat diskutiert werden, das zum weltweit meistverwendeten
Herbizid wurde (Baylis 2000). Der Wirkstoff wurde
bereits 1950 von Henri Martin dargestellt, dessen
Wirkung als Herbizid aber erst 1971 erkannt und
6
Infobox 1: Was sind Pestizide?
Pestizide oder Pflanzenschutzmittel sind generell chemische Verbindungen, die (bestimmte)
Organismen daran hindern sollen, Kulturpflanzen zu befallen. Dadurch verstärken sie die
Produktivität und das Wachstum der Kulturpflanze. Anwendung finden sie vorrangig in
der Landwirtschaft, aber auch im privaten und
industriellen Gebrauch.
Pestizide werden abhängig von ihrer Zielgruppe in Untergruppen unterteilt. So verhindern
Insektizide z. B. das Wachstum von Insekten
oder töten diese ab, Fungizide haben dieselbe
Wirkung auf Pilze usw. Andere Beispiele sind
Molluskizide, Nematozide und Herbizide.
vom US Konzern Monsanto patentiert. Gegenwärtig
dominiert das Glyphosatprodukt Roundup® den Herbizidmarkt. Aber auch der Einsatz anderer Pestizide
steht regelmäßig im Zentrum gesellschaftlicher Kontroversen, wie etwa aktuell der Einsatz von Neonicotinoiden als Insektizid und deren Zusammenhang mit
dem Bienensterben.
2
Aktuelle Gesetzgebung und Pestizidzulassung
Im Zuge der Diskussion um mögliche Folgeschäden
durch Pestizide wurden wirksame rechtliche Rahmenbedingungen zunehmend thematisiert. Heute ist die
Anwendung von Pestiziden zum Schutz von Mensch
und Umwelt nahezu weltweit gesetzlich geregelt. In
Europa wurde die Gesetzgebung 1991 harmonisiert,
wobei die Schaffung vergleichbarer Wettbewerbschancen, die Erhöhung der Transparenz und die beschleunigte Zulassung von Pestiziden im Zentrum der
Bemühungen standen. Obwohl die endgültige Entscheidung der Pestizidzulassung bei den Mitgliedsstaaten liegt, muss jedes Pestizid von der EU in einer
Positivliste erfasst sein. Des Weiteren muss jeder Mitgliedsstaat einen von der EU-Kommission genehmigten Aktionsplan erstellen, welcher die Zulassungen
und Anwendungen von Pestiziden festlegt (BMELV
2012). Im Jahr 2011 wurde das Europäische Pestizidgesetz erneuert, um die Sicherheit von Mensch und
Umwelt bei Pestizidanwendungen zu gewährleisten
(EG 2009a–d). Die wichtigsten Neuerungen sind im
Folgenden aufgelistet:
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Vom stummen Frühling zum langen Winter?
Inhaltsstoffe von Pestiziden:
• Pestizide dürfen nur noch von der EU positiv gelistete Stoffe enthalten.
• Substitutionskandidaten (Verbindungen, welche
durch harmlosere ersetzt werden), sind nur mehr
in Ausnahmefällen erlaubt.
• Sowohl mutagene, karzinogene oder persistente
Inhaltsstoffe als auch Stoffe, welche den Reproduktionszyklus beeinflussen, sind verboten.
Zulassung:
• Zulassungen können entzogen werden, wann
immer dies notwendig ist, ungeachtet der verbleibenden Zulassungsdauer des Pestizids. Im
Regelfall ist ein Pestizid für 7 Jahre zugelassen.
Erneute Zulassungen sind möglich, solange die
Zulassungsbedingungen erfüllt sind.
• Pestizide mit geringem Risiko und Substitutionsstoffe können ein schnelleres Zulassungsverfahren
erhalten (reguläres Zulassungsverfahren: 2 Jahre).
Sicherheit:
• Eine Pestizidanwendung auf öffentlichen Plätzen,
Gewässern und Naturschutzgebieten ist verboten.
• Die Ausbringung von Pestiziden unter Verwendung von Fluggeräten ist verboten.
• Pestizide dürfen in größeren Mengen nur von
autorisierten Personen angewandt und verkauft
werden.
• Programme, welche den Einfluss von Pestiziden
auf den Menschen oder die Umwelt untersuchen,
werden von der EU finanziell unterstützt.
• Produkte dürfen nur dann innerhalb der EU gehandelt werden, wenn das verwendete Pestizid in
beiden Ländern zugelassen ist.
Kennzeichnung und Werbung:
• Pestizide müssen als solche gekennzeichnet und
sicher gelagert werden.
• Produktwerbung darf die Toxizität eines Pestizides nicht verharmlosen und muss Warnungen
enthalten.
Kontrolle:
• Die Europäische Kommission überwacht den
Handel und die Anwendung von Pestiziden.
Im Verlauf der Jahre hat sich die Gesetzgebung bezüglich Pestiziden in der Europäischen Union verschärft.
International unterscheidet sich die Gesetzgebung für
Pestizide hingegen stark (BASF 2009). Insbesondere
Agrarexportländer (z. B. Brasilien) haben eine Gesetzgebung, die zwar am Standard der EU oder USA orientiert ist, jedoch nicht deren Effizienz oder Sicherheit
erreicht. Auch in Südostasien ist die Gesetzgebung
zwar ebenso am Modell der EU oder USA orientiert,
allerdings bezieht sich diese nur auf importierte Pestizide, während national hergestellte Pestizide unkontrolliert produziert, gehandelt und ausgebracht werden
können. In einigen dieser Länder geht die Gesetzgebung davon aus, dass Pestizide, welche in mindestens
einem Industrieland zugelassen sind, automatisch sicher seien und daher eingesetzt werden dürfen. Aus
diesen Gründen werden viele Pestizide trotz zahlreicher Verbote in bestimmten Ländern hergestellt und
angewendet. So ist Indien weltweit der größte Produzent von DDT (van den Berg 2009).
3
Erforderliche toxikologische Tests damals
und heute
Die Toxikologie befasst sich mit der Belastung, den
biochemischen Reaktionen und den Auswirkungen
eines Giftstoffes auf die lebenden Zellen eines Organismus. Die giftige Substanz reagiert dabei mit den
Biomolekülen im Körper und kann ab einer bestimmten Dosis beträchtlichen Schaden anrichten. Zur Zeit
Rachel Carsons wurden kaum Umweltanalysen oder
toxikologische Studien an Lebewesen durchgeführt.
Seither haben die OECD und andere Organisationen
Testvorschriften für Pestizide erstellt. Die Richtlinien
unterscheiden sich je nach Land und Organisation,
doch die Hauptmerkmale bleiben dieselben (OECD
o.J.). Bevor ein Pestizid am Markt gehandelt werden
darf, müssen mehrere Testkriterien erfüllt sein, wie in
Infobox 2 dargestellt.
Das Ausmaß der durchgeführten Studien hängt
vom a priori Wissen über die Substanz ab. Allerdings
müssen neu entwickelte Pestizide ebenso wie alte
Produkte nach den heutigen Standards evaluiert und
untersucht werden (OECD o.J.). Durch die moderne analytische Chemie können Spuren giftiger Substanzen in Lebensmitteln und Umwelt nachgewiesen
werden. Für eine Zulassung müssen die (re-)aktiven
Pestizide und ihre Stoffwechselprodukte unter einem gewissen Konzentrationsbereich liegen (EFSA
2012). Für den Hersteller sind die Aufbereitung der
Proben und deren Analyse zwar komplex und teuer,
allerdings unabdingbar für einen sicheren Einsatz.
4
Pestizidanwendung im Zeitalter der Gentechnik
Zur Zeit Rachel Carsons wurde vor allem über die
Anwendung und Auswirkung von persistenten organischen Pestiziden (POPs) wie Dieldrin und DDT
diskutiert. Heute dominiert das weltweit am häufigsten verwendete Herbizid Glyphosat diese Debatte
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Hastik et al.
Infobox 2: Testkriterien zur Zulassung von
Pestiziden (Hodgson 2004)
In vivo Tests:
• Akut orale, dermale und Inhalationsstudien an Nagetieren; Augenreizungstests an
Albinohasen.
• Hautirritations- und Sensibilisierungstests an Meerschweinchen oder Hasen,
um allergische Reaktionen nach Kontakt
aufzuzeigen.
• Subchronische Tests an Ratten und Hunden über einen Zeitraum von bis zu 90
Tagen, um die Auswirkung auf Organe zu
untersuchen.
• Tests bezüglich der Fortpflanzungsfähigkeit
an Ratten und Hasen in Einzel- und Mehrgenerationsstudien.
In vitro und in vivo Tests:
• Mutagenitätstests an Bakterien (Ames Test).
• Mutagenitäts- und Chromosomenstudien
an eukaryotischen Zellen (höhere Zellen
mit Zellkern), um abnorme Mutationen,
Chromosomenschäden sowie krebserregende Effekte nachzuweisen.
• Umweltrisikobeurteilung für die Tierwelt
und Gewässer, um Bioakkumulation,
Transport und Toxizität von Stoffwechselprodukten zu untersuchen.
Studien, die nur in besonderen Fällen benötigt
werden:
• Neurotoxizitätstests.
• Potenzierungs- und Synergismuseffekte von
Giftstoffen und nicht giftigen Stoffen.
(Baylis 2000). In der Landwirtschaft wird Glyphosat
als Unkrautbekämpfungsmittel vor der Aussaat eingesetzt und im alltäglichen Gebrauch, um Straßenränder und Bewässerungskanäle unkrautfrei zu halten.
Glyphosat-basierte Herbizidpräparate enthalten oft
Tenside, welche die Benetzbarkeit der hydrophoben
Oberfläche von Pflanzen für eine verbesserte Aufnahme des Herbizides erhöhen. Weltweit ist Roundup®
das bekannteste und meist genutzte Herbizid, das
auf Basis von Glyphosat und dem Tensid Talgfettaminoxethylat wirkt. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass eine solche Kombination gesundheitliche Auswirkungen auf Mensch und Tier haben
kann (Wan et al. 1989; Powell et al. 1991; Tsui &
Chu 2003; Benachour & Séralini 2009). Allerdings
erreichte Glyphosat erst mit der Einführung von gentechnisch veränderten Pflanzen (GV-Pflanzen, siehe
auch Infobox 3) seinen Durchbruch.
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Monsanto, Weltmarktführer für gentechnisch hergestellte Pflanzen, entdeckte u. a. in dem Bakterium
Agrobacterium sp. ein Resistenzgen gegen Glyphosat.
Mittels Transformationen gelang es, dieses Resistenzgen in Soja, Mais, Raps und Baumwolle zu integrieren. Diese Art der Bewirtschaftung erleichtert
die Unkrautbekämpfung deutlich, da bei „Roundup
Ready“® Kulturpflanzen Herbizide ausgebracht werden können, ohne die Kulturpflanze zu schädigen und
so der Konkurrenzkampf gegenüber anderen Pflanzen
vermindert wird.
Neben der Herbizidresistenz bieten einige Anbauprodukte auch eine erhöhte Resistenz gegenüber
Schädlingen, welche vom Genom des Bakteriums
Bacillus thuringiensis transferiert wurde. Während der
Sporulation produziert Bacillus thuringiensis toxische
Proteine (cry-Proteine), die eine insektizide Wirkung
besitzen. Rachel Carson berichtete in den 1960ern
über den Einsatz von Bacillus thuringiensis als alternatives Schädlingsbekämpfungsmittel. Spritzmittel
mit diesen Toxinen wurden damals schon in der
Forst- und Landwirtschaft eingesetzt (Carson 1962).
Denn sobald Larven von Schadinsekten diese Proteine
verdauen, wird das vorher inaktive Protein gespalten
und das Toxin aktiviert. Dieses bindet an spezifische
Rezeptoren in der Darmwand und zerstört diese. Die
Bakterien erreichen die Körperhöhle und die Raupenlarve stirbt innerhalb von zwei Tagen (Höfte &
Whiteley 1989; Schnepf et al. 1998). Heute wird das
cry-Gen mittels Gentechnik in das Pflanzengenom
eingefügt, um sogenannte Bt-Pflanzen zu erhalten.
Bt-Pflanzen produzieren die insektiziden Toxine selbst
und können auf diese Weise Fressfeinde abwehren. Im
Jahr 2011 wurden Bt-Produkte, wie Bt-Mais und BtBaumwolle, auf 66 Millionen Hektar weltweit (James
2011) angebaut.
Der Anbau von GV-Pflanzen veränderte die Landwirtschaft enorm. Produktionseffizienz und Flexibilität, effektive Unkrautkontrolle und ökonomische
Vorteile führten zu einer raschen Verbreitung von
GV-Pflanzen (Dill 2005). Firmen werben mit günstigeren Produktionskosten und einem verminderten Bedarf an Pestiziden (Marvier 2002). Präventive
Pestizidausbringung ist somit nicht mehr nötig, und
der Anbau kann ohne Pflugbearbeitung des Bodens
erfolgen. Dies reduziert die Bodenerosion, erhält die
Bodenfeuchtigkeit und unterstützt eine stabile Mikrofauna und -flora. Trotz all dieser Vorteile wurde
eines der angestrebten Ziele durch den Einsatz von
GV-Pflanzen, die Reduzierung des Pestzidideinsatzes,
nicht erreicht (Benbrook 2012). Zudem hat die massive Anwendung von Glyphosat zu Resistenzen von
Unkraut und anderen Pflanzen geführt (Nandula et
al. 2005), was Auswirkungen auf gesamte Ökosysteme, aber vor allem auf die Biodiversität haben kann.
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Vom stummen Frühling zum langen Winter?
Infobox 3: Begriffe und Definitionen zur Gentechnik
Gentechnik: Die Nutzung von in vitro-Techniken für die Isolierung, Manipulation, Veränderung und Expression von DNS, und die
Entwicklung von GVO. Mithilfe von Gentechnik erfolgt eine Veränderung der genetischen
Information von Organismen durch Veränderung der Basenabfolge im Genom.
Gentechnisch veränderte Organismen
(GVO): Organismen, deren Genom (genetische Information) durch molekularbiologische
Techniken verändert wurde.
„Roundup Ready“® Kulturpflanzen: Gentechnisch veränderte Pflanzen, welche gegen das
Herbizid Roundup® zur Unkrautbekämpfung
resistent sind.
Bt-Kulturpflanzen: Gentechnisch veränderte
Pflanzen, welche die Toxine des Bakteriums
Bacillus thuringiensis produzieren und dadurch
weniger schädlingsanfällig sind.
Grüne Biotechnologie: Biotechnologie im
landwirtschaftlichen Bereich.
Das Auftreten dieser Resistenzen erfordert eine weitere Erhöhung des Herbizideinsatzes (Pengue 2005).
Mit zunehmendem Einsatz wird es schwieriger, gentechnisch freies Saatgut zu gewährleisten, da das Risiko eines horizontalen Gentransfers auf verwandte
Arten besteht.
Globale Chemiekonzerne wie Monsanto investieren
in die Entwicklung und Forschung von gentechnisch
veränderten Pflanzen, da deren Einführung Patentgebühren bringt und den Absatz von Unkraut- und
Schädlingsbekämpfungsmitteln fördert. Monsanto
verkauft das gentechnisch veränderte Saatgut mit den
dazugehörigen Spritzmitteln als Paket, wodurch Bauern gezwungen werden, beide Produkte vom selben
Hersteller zu beziehen. Dies kann als ökonomischer
Vorteil betrachtet werden, führt aber insbesondere
bei Landwirten mit geringem Kapital in vielen Fällen,
insbesondere im Zusammenspiel mit Ernteausfällen,
zu einer Schuldenspirale.
Letztendlich setzt der Einsatz von GV-Pflanzen
weiterhin auf ein Agrarmodell, das auf chemischen
Spritzmitteln basiert (Benbrook 2012). Bewusstseinsbildung im sicheren Umgang mit gentechnisch verändertem Saatgut ist unerlässlich, auch müssen die
negativen Auswirkungen von GV-Pflanzen auf den
Menschen verstärkt untersucht werden.
5
Gentechnik und ihre Auswirkungen auf
die menschliche Gesundheit
Ein wichtiger Grund für die breite Resonanz auf „Der
stumme Frühling“ waren Rachel Carsons Schilderungen über mögliche Folgen von Pestiziden auf die
menschliche Gesundheit. Auch hier wurden Rachel
Carsons Ausführungen als „unwissenschaftlich“ diffamiert. Daher möchten wir in einem nächsten Schritt
die möglichen Auswirkungen von Gentechnik auf die
menschliche Gesundheit behandeln, wobei ein besonderes Augenmerk auf die Rezeption derartiger wissenschaftlicher Studien gelegt wird.
Prinzipiell sind beim Anbau von GV-Pflanzen die
direkten und indirekten / langzeitlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit zu bedenken.
Die meisten Studien über die Bedenklichkeit von GVPflanzen wurden mit Ratten über einen Zeitraum von
weniger als 90 Tagen (!) durchgeführt und bestätigten
die Unschädlichkeit von GV-Pflanzen (Domingo &
Giné Bordonaba 2011; Hammond et al. 2006a, b).
Jedoch kann keine dieser Studien Aussagen zu Langzeiteffekte und Folgeschäden auf die Gesundheit tätigen. Aktuell sind nur drei Studien bekannt, welche
die gesundheitlichen Folgen über die gesamte Lebensspanne von Ratten erfassen. Die ersten beiden untersuchen die Auswirkungen einer Kost bestehend aus
14 % bzw. 30 % gentechnisch verändertem Soja und
gentechnisch freiem Futter (Malatesta et al. 2008; Sakamoto et al. 2008). In den Studien fand man zwar
einige Veränderungen physiologischer Parameter, aber
keine Auswirkungen auf die Gesundheit der Ratten.
Die dritte und aktuellste Studie (Seralini et al. 2012)
wurde mit GV-Mais in drei verschiedenen Konzentrationen (11 %, 22 %, 33 %) und dem assoziierten Herbizid Roundup® (Monsanto) an 200 Ratten
durchgeführt. Die deutlichsten Unterschiede zwischen Kontroll- und Testgruppen wurden nach einem
Jahr sichtbar. So erkrankten männliche Ratten fünfmal häufiger an Lebernekrose als die Kontrollgruppe.
Nierenerkrankungen nahmen sowohl bei männlichen
als auch weiblichen Ratten zu. Folglich war die Mortalität auch bei GV-Mais gefütterten Ratten höher.
In der Kontrollgruppe starben 30 % der männlichen
und 20 % der weiblichen Ratten frühzeitig, während
in der GV Gruppe 50 % bzw. 70 % starben.
Der Herausgeber der Zeitschrift „Food and Chemical Toxicology“, der für die Veröffentlichung der
Studie verantwortlich war, erhielt zahlreiche Beschwerdebriefe von Monsanto und auch unabhängigen Wissenschaftern, die zumeist die unzulängliche
statistische Auswertung der Studie kritisierten (Panchin 2012). Der Hauptautor der Studie, Gilles-Eric
Seralini, erhielt aber auch zahlreiche Unterstützungsschreiben. So stellt sich die Frage, ist Seralinis Studie
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Hastik et al.
wirklich so nichtaussagekräftig oder ist er Opfer der
Chemielobby wie Rachel Carson vor 50 Jahren? Zu
dieser Kontroverse ist an dieser Stelle keine endgültige
Schlussfolgerung möglich, da Kritiker nach weiteren
Beweisen verlangen, während Seralinis Unterstützer
die bestehenden Ergebnisse propagieren.
6
Biologische Schädlingskontrolle – die
Lösung?
In ihrem letzten Kapitel („Der andere Weg“) beschreibt Rachel Carson Strategien, in welchen Organismen oder deren Produkte zur Bekämpfung von
Schädlingen eingesetzt werden, als nachhaltige und
zukunftsträchtige Maßnahmen. Dementsprechend
groß waren und sind die Erwartungen an die biologische Schädlingskontrolle. Idealerweise sollen diese
neben hoher Effizienz gegenüber Schädlingen keinerlei Belastung für Mensch, Tier und Umwelt darstellen, gleichzeitig jedoch ökonomisch betrieben werden
können (McEvoy 1996).
Die Anwendungsstrategien sind ebenso mannigfaltig wie deren Einsatzgebiete. An vorderster Front
werden natürliche Antagonisten eingesetzt, um
Schadorganismen zu bekämpfen. Neben Fressfeinden
(Wirbeltiere und Wirbellose, hauptsächlich Insekten)
werden hierbei Parasiten (Protozoen, Nematoden)
sowie Pathogene (Bakterien, Pilze, Viren) zum Einsatz gebracht (vgl. Tabelle 1, Abb. 1). Wenn möglich,
werden natürlich vorkommende Populationen gefördert, etwa durch die Optimierung ihrer Lebensbedingungen oder durch gezielte Besiedelungsstrategien.
Derartige Maßnahmen können zwar nur langfristig
geplant werden, jedoch ist ein nachhaltiger Effekt bei
geringen Projektkosten zu erwarten (Barbosa 2003).
Natürliche Antagonisten können auch in ein fremdes
Habitat oder Ökosystem freigesetzt werden, um gegen exotische Schadorganismen vorzugehen. Weitere
Strategien der biologischen Schädlingsbekämpfung
basieren auf dem Einsatz von Lockstoffen (Gerüche,
Flügelgeräusche, Lichtsignale), Sterilisation durch
Chemikalien oder Bestrahlung oder der Verwendung
von Hormon- und Pheromonfallen (Walker 1988;
Hoffmann & Lorenz 1998). Neuartige Methoden
basieren auf der Freisetzung gentechnisch veränderter Insektenmännchen, deren Nachkommen nicht
lebensfähig sind (Alphey & Andreasen 2002; Alphey
2002).
Tabelle 1: Überblick bekannter Handelsprodukte der biologischen Schadkontrolle und deren Zielorganismen.
Viren
Bakterien
Pilze
Nematoden
Insekten
Nutzorganismus
Zielorganismen
Handelsprodukte
Spodoptera NPV*
Zuckerrübeneule
Spodex1
Mamestra NPV*
Kohleule
Mamestrin1
Lymantria NPV*
Schwammspinner
Gypchek1
Bacillus thuringiensis
Schadschmetterlinge
Bactospeine FC, BIOBIT, Delfin,
Turex1
Bacillus thuringiensis var.
israelensis
Trauermücken, Stechmücken
Gnatrol, Teknar1
Bacillus thuringiensis var.
Tenebrionis
Kartoffelkäfer
Novodor FC1
Metarhizium anisopliae
Zecken, Mailkäfer, Mehlwürmer,
Gartenlaubkäfer
BIPESCO 52
Beauveria bassiana
Weiße Fliegen, Blattläuse, Rüsselkäfer, Wanzen
Mycotrol, BotaniGard1
Verticillium lecanii
Blattläuse, Schildläuse, Wanzen
Vertalec, Mycotal2
Heterorhabditis sp.
Rüsselkäfer, Gartenlaubkäfer
Nematop3
Phasmarhabditis hermaphrodita
Nacktschnecken
Phasmarhabditis3
Steinernema feltiae
Trauermücke
Steinernema3
Aphelinus sp.
Blattläuse, Minierfliegen, Wollläuse, Schmierläuse
VERDAPROTECT, FRESAPROTECT3
Feltiella acarisuga
Spinnmilben
Feltiella3
Amblyseius cucumeris
Fransenflügler
Amblyseius3
* Kern-Polyeder-Viren (nuclear polyhedrosis viruses: NPV); 1 Albert (2001); 2 European Commission (2008); 3 Renatur Gmbh (o.J.)
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Dennoch birgt auch die biologische Schädlingsbekämpfung Risiken, welche in der Vergangenheit oft
unterschätzt wurden. So wirken Maßnahmen oft wenig selektiv, führen zu ungewollten Nebeneffekten bei
Nichtzielarten oder verwandeln vormals effektive Antagonisten in gefährliche Schädlinge (McEvoy 1996).
Der Fokus zukünftiger Evaluierungen sollte somit
nicht ausschließlich auf Laboruntersuchungen gerichtet sein, sondern auch Langzeitstudien und Feldversuche einschließen. Dabei müssen die phylogenetische
Geschichte, potentiell auftretende genetische Variationen sowie die natürliche Selektion der betreffenden
Organismen mit berücksichtigt werden, um negative
Interaktionen mit anderen nicht schädlichen Organismen sowie dem gesamten Ökosystem ausschließen zu
können.
7
Pestizide und Nachhaltigkeit – Zwei unvereinbare Begriffe?
Sowohl Vertreter der biologischen Schädlingsbekämpfung als auch Befürworter der Gentechnik betonen,
dass beide Methoden den Pestizideinsatz verringern
könnten. Bei einer radikalen, provokanten Auslegung
Rachel Carsons Gedanken könnte sogar der Einsatz
von Gentechnik in ihrem Sinn propagiert werden, da
auch sie schon die Verwendung und Adaption bestehender, biologischer Lösungen forderte. Bei näherer
Betrachtung der Argumente erscheinen jedoch bei
beiden Methoden umweltschädliche Aspekte. Zum
Verständnis dieser Widersprüche möchten wir den
Umgang mit Pestiziden in Bezug auf vorherrschende
Paradigmen betrachten, die unser Verhalten der Umwelt gegenüber beeinflussen. In der zweiten Hälfte des
vergangenen Jahrhunderts galt die „Grüne Revolution“ als Garant für die Sicherung und Erhöhung der
globalen Nahrungsmittelproduktion. Diese Revolution markierte den Übergang von einer subsistenzorien-
Abbildung 1: Beispiele biologischer Schädlingsbekämpfung: Durch
Pilz (Metarhizium anisopliae) befallene Gartenlaubkäferlarve
(Phyllopertha horticola, links) und befallener Mehlwurm (Tenebrio
mollitor, rechts) (Fotos: Dr. H. Strasser, Inst. f. Mikrobiologie)
tierten hin zu einer marktorientierten Landwirtschaft
durch den Einsatz von Pestiziden, Hochertragssorten,
Mineraldünger, zunehmender Mechanisierung und
großflächigen Landschaftsveränderungen (vgl. Tabelle
2 links). Die Entwicklung der Gentechnik kann als
letzter Schritt dieser Auffassungsweise gesehen werden. In den letzten Jahrzehnten, insbesondere seit
dem Weltgipfel 1992 in Rio de Janeiro, wird diese
jedoch zunehmend in Frage gestellt. Hierbei spielen
insbesondere die Abhängigkeit von nicht erneuerbaren Ressourcen, der hohe Energieaufwand, die geringe
Berücksichtigung ökologischer Folgeschäden und die
hohe Abhängigkeit der Landwirte von Unternehmen
sowie Gesundheitsrisiken eine große Rolle. Daher
werden zunehmend nachhaltigere Lösungen in der
Landwirtschaft gefordert, welche neben ökonomischen vermehrt ökologische und soziale Aspekte einbeziehen (vgl. Tabelle 2 rechts). Dabei steht insbesondere der Erhalt der Biodiversität im Zentrum, welche
als Grundlage für Ökosystemdienstleistungen (z. B.
sauberes Wasser, Schutz vor Naturgefahren) gesehen
wird und die Resilienz von Ökosystemen stärkt.
Der ökologischen Landwirtschaft werden oft niedrige Erträge nachgesagt, welche im Gegensatz zur
konventionellen Landwirtschaft nicht zur Ernährung
der Weltbevölkerung beitragen können. Wissenschaftlich werden diese Argumente in hoch angesehenen Zeitschriften (Nature, Science) regelmäßig aus
beiden Blickwinkeln durchleuchtet, wobei kein Konsens erzielt werden konnte (z. B. Seufert et al. 2012;
Rosegrant & Cline 2003; Tilman et al. 2002). Als
Grundkonsens kann jedoch immerhin die Forderung
nach einer Intensivierung der Forschung zugunsten
ökologischer Modelle gesehen werden.
Vertreter einer integrierten Schädlingsbekämpfung versuchen, Schädlinge quantitativ unter einer
wirtschaftlichen Schadschwelle zu halten, ohne sie
auszurotten. Hierfür können sowohl Methoden der
biologischen Schädlingsbekämpfung, als auch Pestizide eingesetzt werden. Nichtsdestotrotz ist die globale
Relevanz derartiger Ansätze im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft gering. Bereits Rachel
Carson wies auf die Gefahren hin, welche entstehen
können, wenn die Industrie eine führende Rolle in
Wissenschaft und Forschung einnimmt. Dies trifft
insbesondere bei der Abschätzung ökologischer Folgeschäden von Pestiziden zu. Auf die dabei resultierenden Ungleichheiten verweisen auch Vanloqueren
& Baret (2009) am Beispiel des Vergleichs zwischen
ökologischer Landwirtschaft und Gentechnik. Die
Autoren betonen, dass aktuelle Forschungsstrukturen
aufgrund mehrerer Faktoren stark zugunsten der Gentechnik ausgelegt sind, etwa durch (1) die Bevorzugung von Forschungsprojekten, welche vermarktbare
Produkte generieren (auf Grund einer Zunahme von
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Hastik et al.
Tabelle 2: Konventionelle und ökologische Landwirtschaft (basierend auf Tilman et al. 2002; Rigby & Cáceres 2000;
Conway & Barbier 1990)
„Konventionelle“ Landwirtschaft im Sinn der
grünen Revolution
Ökologische / biologische Landwirtschaft
Paradigma: Entwicklung spezieller technischer Lösung
mit einem Fokus auf die Erzielung hoher Erträge
Paradigma: Abwägung ökologischer, ökonomischer und
sozialer Faktoren im Sinn der Nachhaltigkeit
Hauptcharakteristika:
• Abhängigkeit von Mineraldünger, Pestiziden, Energie, kapitalintensiv,
• Geringe genetische Vielfalt, homogene Landschaft,
• Große Einwirkung auf Umwelt und Beeinträchtigung von Umweltdienstleistungen,
• Betonung privater Güter (z. B. in Form von Patenten
oder Hybridsorten),
• Top down-Ansatz.
Hauptcharakteristika:
• Verringerung des Schädlingsbefalles durch Mischkulturen und Erhaltung einer Landschaftsvielfalt,
• Erhaltung / Steigerung der natürlichen Bodenfruchtbarkeit,
• Schwerpunkt zugunsten lokaler, erneuerbarer Ressourcen und selbsterhaltender Systeme,
• Vermeidung externer Kosten durch Erhaltung der
Biodiversität und Ökosystemdienstleistung,
• Bottom up-Ansatz.
Public-Private Partnerships), (2) strukturelle Hürden
in der Forschung, welche kurzlebige, reduktionistische Ansätze anstelle von Langzeitprojekten auf einer
Landschaftsskala bevorzugen, (3) die geringe Wertschätzung von „low-tech“-Lösungen oder traditionellen Wissensformen und (4) die allgemeine Aufteilung
in Wissenschaftsdisziplinen, was interdisziplinäre Forschung erschwert.
8
Zusammenfassung und Vorschläge zur
fachdidaktischen Implementierung
Bei der Aufarbeitung der Pestizidthematik im Kontext
von „Der stumme Frühling“ ist eine vom Umfeld losgelöste Betrachtung und Beurteilung kaum möglich.
In diesem Zusammenhang spielt vielmehr das generelle Verständnis zum Umgang mit der Natur eine bedeutende Rolle. Die aufgezeigte Dichotomie zwischen
zwei Paradigmen lässt erkennen, dass mit der Thematik des Pestizideinsatzes nicht nur ökologisch / ökonomische Dimensionen, sondern vielmehr auch soziale,
politische und ethische Dimensionen verbunden sind.
Es erscheint, dass gerade diese Dimensionen seit Rachel Carsons Zeit an Bedeutung gewonnen haben. So
muss die Frage aufgeworfen werden, ob die heutigen
Probleme in Bezug auf den Pestizideinsatz nicht vielmehr eine Folge unseres modernen Lebensstils geworden sind, etwa durch den drastischen Anstieg des
Fleischkonsums oder unseren unersättlichen Bedarf
an (Bio-)Treibstoffen. Auch aus ethischer Sicht kann
eine starke Dichotomie festgestellt werden: Stellen
wir den Anspruch der Überlegenheit des Menschen
gegenüber der Natur und wollen wir diese nach unseren Wünschen umgestalten? Oder suchen wir nach
alternativen Ansätzen, welche eine Adaption des Men12
schen an die Komplexität der Umwelt über Raum und
Zeit zwangsweise mit sich bringt?
Rachel Carson versuchte bereits 1962 diese Dimensionen und die damit verbundenen gesellschaftlichen
Konsequenzen aufzuzeigen. Die resultierenden Abwägungen ethischer Fragestellungen können nicht von
der Wissenschaft vorgegeben werden, vielmehr müssen wir darauf hinweisen, dass dies nur in einem gesamtgesellschaftlichen Prozess erfolgen kann. Das steigende Bewusstsein von Konsument/innen im Bezug
auf die Pestizidproblematik, etwa in Zusammenhang
mit dem Bienensterben, und die steigende Nachfrage
nach ökologischer Landwirtschaft können als gutes
Zeichen für die Zukunft gesehen werden.
Als möglicher Einstieg zur fachdidaktischen Implementierung in den Unterricht könnte ein Zeitungsartikel zur Pestizidproblematik dienen. Unter den
Stichworten „Pestizide“ und „Zeitung“ konnten die
Autoren zahlreiche geeignete Artikel im Internet finden, welche als Ausgangspunkt für weitere Aktivitäten
stehen könnten:
• Gruppendiskussion über den Einsatz von Pestiziden: Eine Gruppe befürwortet ökologische Landwirtschaft, eine andere konventionelle Landwirtschaft. Eine dritte Gruppe könnte den Einsatz von
Gentechnik befürworten. Als Diskussionsgrundlage könnten eine Internetrecherche der Schüler/
innen und aktuelle Medienberichte über die ökologische Landwirtschaft dienen. Hierbei könnte
die im Frühjahr 2013 aktuelle Diskussion um das
Bienensterben im Zuge der Verwendung von Neonicotinoide in der Landwirtschaft im Zentrum
stehen. Ebenso könnten Pressemeldungen zur
Studie der Forschungsgruppe um Dena Bravata
(Universität Stanford) als Anlass dienen, Forschungsergebnisse kritisch zu hinterfragen. Diese
GW-Unterricht 130, 2013, 5–14
Vom stummen Frühling zum langen Winter?
versucht den Bio-Mythos zu entlarven. Suchbegriffe für Zeitungsartikel hierzu: „Zeitung“, „ökologische Landwirtschaft“, „Dena Bravata“.
• Untersuchung von Pestizidprodukten im Handel:
Welche Pflanzenschutzmittel, Unkrautvernichter
oder Schädlingsbekämpfungsmittel sind im lokalen Baumarkt / Supermarkt erhältlich? Welche
Pestizide werden an Lebensmitteln (z. B. Früchte)
gekennzeichnet? Informationen über Inhaltsstoffe
und deren Folgewirkungen können im Rahmen
einer Internetrecherche durch die Schüler/innen
eingeholt werden.
9
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