Talk mit Profin Methfessel Prof Völker_090512_FINAL
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Talk mit Profin Methfessel Prof Völker_090512_FINAL
4. Regionale Fachkonferenz NRW Bewegt IN FORM Bewegung und Ernährung - aktiv vernetzen! 09. Mai 2012 im Dietrich-Keuning-Haus in Dortmund "Das Publikum im Dialog mit • • Prof. Dr. Barbara Methfessel, Hochschule Heidelberg Prof. Dr. Klaus Völker, Universität Münster Anke Feller: Ganz herzlichen Dank Professor Barbara Methfessel. Ich darf Professor Klaus Völker auch noch mal zu uns auf die Bühne bitten, weil wir an dieser Stelle jetzt Ihnen, meine Damen und Herren, die Möglichkeit geben möchten, die eine oder andere Frage an unsere Expertin und Experten zu stellen. Welche Fragen haben Sie an Prof. Völker oder auch an Professorin Methfessel ganz direkt? Wir haben ja eben gerade auch schon viele praktische Beispiele gehört. Besonders schön fand ich, dass man gerade bei Kindern schon anfangen muss. Ich habe einen kleinen Sohn. Mein Mann kocht extrem gerne und verwöhnt uns in der Richtung. Mein Sohn hat an seinem vierten Geburtstag selber entschieden "Risotto mit Artischocken" zu essen, nachdem wir ihn gefragt haben, was er an seinem Kindergeburtstag essen möchte, wenn auch die anderen Kinder kommen. Da hat er sich doch tatsächlich gewünscht, jedoch ein bisschen ungewöhnlich. Jetzt beim fünften Geburtstag hat sich das schon so ein bisschen geändert. Da wollte er gerne Pizza haben, aber der Papa sollte sie dann auch selber backen. Also insofern gehen schon ein bisschen in die normalere üblichere Richtung. Aber trotzdem ist Vorleben ist angesagt. Spargel isst er mittlerweile auch. Hier vorne ist die erste Frage. Bitte schön. Publikum 1: Dankeschön. Es ist sehr schwierig nach so tollen Vorträgen zu sagen: "Wer hat da noch eine Frage?" Ich glaube wir haben alle sehr viele Fragen, aber die letzte Aussage, die Sie gesagt haben, dass die Esskultur ist eine Bildungsaufgabe sein muss, das hat mir also sehr gut gefallen. Wir reden ja so viel von der Wichtigkeit der Bildung und da haben wir doch viele Hinweise bekommen, dass wir da richtig mit unserem Sport am Anfang und auch mit der Ernährung am Anfang sind. Etwas auf diesem Gebiet für die Jungen und Alten zu tun. Vielen Dank noch mal für die tollen Vorträge. Anke Feller: Hier hinten am Tisch eine weitere Frage. Heben Sie die Hand gerade noch mal hoch, damit wir wissen wo das Mikrofon hin muss. Ihre Frage bitte? Publikum 2: Noch mal eine Frage an die beiden Referenten, die sehr spannende Vorträge gehalten haben. Wir wissen, dass Gesundheit nicht gleich verteilt ist. Wir wissen, dass das abhängig ist von der Wohnlage und von den Strukturen. Wir wissen, dass politische Beschlüsse - also strukturelle Maßnahmen, gesetzliche Regelungen sehr viel wirksamer sind als der Versuch, auf individuelles Verhalten einzuwirken und das hat mir in Ihren beiden Vorträgen gefehlt, weil man könnte sonst auf die Idee kommen: Wir gehen auf die jungen Menschen zu oder wir gehen auf Lehrer zu und reden mit denen und dann können wir viel bewirken. Für mich ist die Frage: Sollte es politische Programme geben, die dort wirksam sind, wo Leute weniger Möglichkeiten haben? Die Schulen gezielt raussuchen, wo Kinder kranker sind. Es gibt die Gesundheitsberichtserstattung. Wir sollten das Wissen in die Schulgesetze und auch ins Kinderbildungsgesetz als Standards einbauen. Bewegung und Ernährung müssen auf jeden Fall unverzichtbarer Bestandteil sein und können nicht über Freiwillige und Netzwerkorganisationen alleine geleistet werden. Prof. Dr. Klaus Völker: Die Frage ist eigentlich an die Politik gerichtet. Sicherlich ist die Frage des Settings für die individuelle Beratung nicht unerheblich, sondern wir brauchen natürlich umfassende Informationen, um auch in unterschiedlichen sozialen Settings zielgerichtet vorzugehen. Ich meine es muss beides zusammen wirken Politik und Freiwillige und /oder Netzwerkorganisationen. Genau wie Ernährung und Bewegung zusammenarbeiten müssen, kann die Angehensweise nicht singulär betrachtet werden. Wir haben leider die Situation, dass wir gezielt Maßnahmen ergreifen müssen. Denn die Natürlichkeit von Ernährung und Bewegung ist größtenteils in unserer Gesellschaft verloren gegangen. Es ist schon grotesk, dass wir versuchen müssen, über ein Rezept für Bewegung oder über Ernährungsregeln aktiv zu regulieren. Aber die Situation ist so und da muss man alle Wege versuchen. Ich würde das nicht gegeneinander aufwiegen. Prof. Dr. Barbara Methfessel: Ja. Ich stimme Ihnen zu. Würde aber das gerne wie eine Steilvorlage aufgreifen und auf zwei notwendige Grundorientierungen hinweisen. Das eine ist, dass jede Kita und jede Schule eine vernünftige Schulverpflegung haben muss und dass wir genau wie in der Bildung auch früh mit der Ernährungs- und Bewegungserziehung anfangen müssen. Denn je früher man anfängt, desto größer ist, der Gewinn, auch der ökonomische Gewinn. Die gängigen Berechnungen sind meist nur Berechnungen, die situativ sind und schließen nicht die Kosten ein, die wir in Zukunft haben werden. Ich weiß, dass die Länder zu geringe finanzielle Ausstattungen haben. Ich weiß gleichzeitig, z. B. aus den Schulen in Mannheim, dass diese die einzigen Einrichtungen sind, in denen die Kinder ein vernünftiges Essen bekommen. Darüber hinaus geht es um eine generelle soziale Frage, die auch folgende Frage beinhaltet: Warum steigen die Zahlen der an Adipositas erkrankten Menschen am stärksten bei sozial schwachen Gruppen? Dazu gibt es verschiedene Begründungen. Eine ist, dass sozial schwache Menschen oftmals viel weniger Zukunftschancen und Orientierungsmodelle haben, und damit ein zukunftsorientiertes Essverhalten keine große Rolle spielt. Das Zweite ist, dass die Menschen sich in diesem privaten Bereich nicht auch noch ‚reinreden‘ lassen wollen, weil Essen häufig die einzige Freude in ihrem Leben ist. Das Dritte ist, dass die Gefahr, dass man übergewichtig wird, umso größer ist, je mehr Stress jemand hat. Ich weiß nicht, ob einige von Ihnen das Buch "Das egoistische Gehirn" kennen. Hier wird u. a. beschrieben, wie der Glukose-Stoffwechsel auch in Abhängigkeit von Stress gesteuert wird. Je höher der Stressfaktor, desto stärker kommt es zu Stoffwechselveränderungen. Schon allein eine andere Wohnsituation kann das Gewicht beeinflussen. All das Wissen muss auch Grundlage von Sozialpolitik werden und dazu ist natürlich die Situation (und die Spannbreite) von ‚arm und reich‘, die wir im Moment haben, nicht die günstigste Voraussetzung. Ich hoffe, dass die Schere sich in Zukunft etwas mehr schließt, damit wir bessere Voraussetzungen haben. Anke Feller: Sehr schön. Weitere Fragen von Ihrer Seite. Gibt es keine weiteren Fragen mehr? Dann hätte ich an Sie beiden, als unsere Experten, noch ganz kurz die Bitte, mir diese Frage zu beantworten. Hier sitzen unsere Multiplikatoren und Multiplikatorinnen, von denen wir uns erhoffen, dass sie in ihren Tätigkeitsfeldern, in ihren Aufgabenbereichen die wichtigen Botschaften, die sie heute hier mitnehmen, entsprechend transferieren können und umsetzen können. Ich fange mit Prof. Völker an und dem Bereich Bewegung und Bewegungsverhalten an. Was wären kurz und knackig die Kernbotschaften, die Sie an dieser Stelle gerne noch an unsere Teilnehmer und Teilnehmerinnen loswerden würden? Prof. Dr. Klaus Völker: Ich bin nicht so ein Freund von roten, gelben und grünen Karten, um zu sagen: "Das müsst Ihr jetzt alles machen", sondern Bewegung muss ein integraler Bestandteil des Lebens werden. Das heißt, es gilt sowohl für die Alltagsbewegung als auch für den Sport. Bewegung findet nur dann statt, wenn ich dabei Befriedigung verspüre. Genauso wie beim Essen. Nur dann, wenn ich mich im Sport oder in der Bewegung wieder finde, dann mache ich es auch regelmäßig und nachhaltig. Man tut nichts nachhaltig nur, weil oben darüber steht: ‚Das ist fürchterlich gesund!’ Die letzte Botschaft: Der gesündeste Sport ist der, der regelmäßig stattfindet. Das ist eigentlich die wichtigste Botschaft. Entscheidend ist einfach die Regelmäßigkeit bei der Bewegung und wenn es nur der Spaziergang ist oder die Radtour oder dergleichen mehr. Es braucht nicht immer der geformte Sport zu sein, der im Verein mit Wettkampfcharakter stattfindet, sondern da gibt es so viele Variationen in allen Altersstufen. Das muss man einfach fördern. Vielleicht darf ich noch etwas ergänzen zu dem letzten Diskussionsaspekt und da sollten wir vor allem im Elternhaus anfangen. Man sollte nicht alles so sehr auf die Institutionen schieben. Die ersten sechs Lebensjahre, die ja sehr häufig überwiegend durch das Elternhaus gestaltet werden, sind eine ganz entscheidende Prägung das Verhalten mit dem Ziel ausreichende Bewegung und gesunde Ernährung. Viele Lehrer sagen: "Die Kinder sind schon in bestimmter Weise erzogen, wenn sie in die Schule kommen." Und das sind sie auch schon, wenn sie in die Kita kommen. Wir müssen vielmehr die Selbstverantwortung der Eltern mit einbeziehen und nicht nur sagen: "Sozialsystem mach, Politik mach", sondern wir müssen uns auch an die eigene Nase packen. Anke Feller: Ganz wichtiges Statement. Hauptsache regelmäßig Sport und eine Sport- und Bewegungsform finden, die Spaß macht. Dann ist die Chance größer, dass man dabei bleibt. Prof. Dr. Barbara Methfessel: Ja. Wenn man sich die Zeitung anschaut, dann stellt man fest, dass fast in jeder Zeitung ‚eine andere Sau durchs Dorf getrieben‘ wird. Man darf nicht vergessen, dass Ernährung ein Riesengeschäft ist und dass überall da, wo ‚Hypes‘ entstehen, Menschen daran verdienen wollen. Von Medizinern kenne ich die ABCRegel: Abwarten, beobachten, cool bleiben. Ich verwende die Cargo-Regel. Das heißt, wenn wieder in neuer Hype dazu kommt, was man essen darf oder nicht, zunächst ‚c’ cool bleiben und dann "a" analysieren: Wer hat eigentlich mit welchem Interesse wieder welche neue Mode rausgeworfen? Und dann das "r", das steht für relativieren, weil meist eine Einzelerkenntnis in den Vordergrund gerückt wird nach dem Motto: „überlebenswichtig!“ Brokkoli hat seine große Bekanntheit dadurch bekommen, dass er gegen Krebs helfen soll. Das tun viele andere Gemüse auch. Dazu kann ich Ihnen auch einen anderen wichtigen Rat geben: „Man kann ohne Essen und Trinken eine Zeit lang auskommen. Aber bitte vergessen Sie nicht zu atmen“. Das heißt relativieren und zwar in Richtung "GO": Grundorientierung nicht vergessen. Das sind die, die ich am Anfang gesagt habe. Im Grunde heißt das immer ‚cool bleiben’. Anke Feller: Und den gesunden Menschenverstand mitnehmen. Dankeschön. Das waren wunderbare abschließende Worte zu diesem Themenbereich. Ganz herzlichen Dank an Prof. Methfessel und Prof. Völker.