Entwicklungspsychologie
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Entwicklungspsychologie
Einführung in die Fächer der Psychologie Univ.-Doz. Dr. Christa Neuper Entwicklungspsychologie Gegenstand der Entwicklungspsychologie ist die Entstehung und Veränderung psychischer Funktionen über die gesamte Lebensspanne hinweg (im Säuglings-, Kleinkind-, Schulkind-, Jugend-, Erwachsenen- und Greisenalter). Dazu gehört die Kenntnis von biologischen, sozialen, emotionalen und kulturellen Faktoren, die den Entwicklungsprozess fördern oder hemmen, das Erkennen anormaler Entwicklungsverläufe und die Durchführung entsprechender Maßnahmen zur Prävention. Gegenstand der Entwicklungspsychologie sind Veränderungen im Denken, Erleben und Verhalten im Laufe des Lebens, wobei im Gegensatz zu früheren Konzeptionen nicht nur mehr das Kindes- und Jugendalter, sondern die gesamte Lebensspanne betrachtet wird. Folgende Fragestellungen werden untersucht: - Welche Veränderungen in der Entwicklung im Verlauf des Lebens gibt es? Was sind förderliche, was sind eher hemmende Erfahrungen? Welchen Einfluss üben Anlage und Umwelt auf die Entwicklung aus? Gegenstand der Entwicklungspsychologie sind dabei weniger kurzfristige oder aktuelle Veränderungen im Erleben und Verhalten, sondern grundlegende Veränderungen, die einen Wandel in der Umweltanpassung anzeigen. Ein Schwerpunkt in der Tätigkeit von EntwicklungspsychologInnen ist die Untersuchung des Lebens von Kindern und Jugendlichen, des Studiums der familiären Umwelt, wie auch der außerfamiliären Umwelt, das Verhalten von Kindern und Jugendlichen zuhause und in der Schule. Fragen der Auswirkungen unterschiedlicher Erziehungsstile, der Arten von Mutter-Kind-Interaktionen oder Auswirkungen sozialer Erfahrungen, wie etwa einer Scheidung in der Familie stellen Untersuchungsgegenstände der Entwicklungspsychologie dar. Mögliche Unterteilung in Entwicklungsabschnitte: Abschnitt Säuglingsalter Alter < 1. Lbj. Pubertät u. 13-18. J. Jugendalter Erwachsenenalter 18-65 J. Entwicklungsaufgaben, Veränderungen Nahrungsaufnahme, Bindung an Eltern, Sitzen, Krabbeln, etc. Sauberkeitsentwicklung, Sprechen, Motorik, Rollenverhalten, kogn. Fähigkeiten Schulbildung, Wissen, Denken Beziehung zu Gleichaltrigen Geschlechtsentwicklung, Identität, Ablösung von Eltern, Schulabschluß, etc Berufseintritt, Partnerwahl, Elternschaft, etc Kleinkind, Vorschulkind Schulkind 1-5 J. Alter Berufsausstieg, körperlicher und kognitiver Abbau 6-12 J. > 65 Lbj. 1 Die Entwicklung eines Menschen von der Geburt bis zum Erwachsensein benötigt fast zwei Jahrzehnte, um alle kognitiven und sozial-emotionalen Fähigkeiten zu erwerben, die ein erwachsener Mensch in der Gesellschaft benötigt. Mit dem Eintritt in das Erwachsenenalter endet die Entwicklung des Menschen aber nicht. Ein Mensch kann sein Leben lang neue Erfahrungen machen, Fähigkeiten erwerben, zu neuen Einstellungen und Werthaltungen gelangen, oder neue Beziehungsformen finden. Zusammenfassung zum Entwicklungsbegriff: Entwicklung bedeutet langfristige Veränderungen im individuellen Verlauf (lebenslanger Prozess). Es geht dabei um Veränderungen von (psychischen) Personenmerkmalen, die sich nach dem Alter ordnen lassen und deren Ablauf als geordnet, kumulativ und gerichtet zu bezeichnen ist. Forschungsmethoden der Entwicklungspsychologie Um Aussagen über Entwicklungsverläufe des menschlichen Verhaltens treffen zu können, benötigt der/die Entwicklungspsychologe/in spezielle Methoden, die sich zum Teil deutlich von denen in anderen Teilbereichen der Psychologie unterscheiden. Verhaltensveränderungen mit dem Alter können auf zwei grundlegend unterschiedliche Arten untersucht werden: a) Die Querschnittsuntersuchung: Zu einem gegebenen Zeitpunkt werden Kinder oder auch Erwachsene unterschiedlichen Alters beobachtet oder mit bestimmten Testverfahren getestet. Bestehen Unterschiede im Verhalten, z.B. in bestimmten kognitiven Leistungen, so können wir daraus auf ein Entwicklungsmerkmal schließen. Der Nachteil dieser Untersuchungsmethode ist, dass gefundene Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Personen, die zu ein und demselben Zeitpunkt untersucht werden, nicht unbedingt auf Unterschiede in der Entwicklung zurückführbar sein müssen, sondern auch einfach durch Generationsunterschiede bedingt sein können: Ältere Menschen sind unter anderen Umweltbedingungen aufgewachsen als jüngere Menschen, und hatten daher unter Umständen deutlich unterschiedliche Lerngelegenheiten, was für Verhaltensunterschiede verantwortlich sein kann. So können unter Umständen Generationsunterschiede fälschlicherweise als Entwicklungsunterschiede interpretiert werden. Ein berühmtes Beispiel für eine derartige falsche Schlussfolgerung war das Ergebnis aus Querschnittsuntersuchungen der Intelligenz, dass die Intelligenz nach dem Erreichen der Reife (d.h. ab dem 20. Lebensjahr) bereits wieder abnimmt. Reanalysen dieser Daten ergaben, dass in der Stichprobe Erwachsene mittleren Alters niedrigere IQ-Werte hatten, als jüngere Erwachsene und Jugendliche. Ein derartiges Absinken der Intelligenz bereits ab dem 20.-25. Lebensjahr konnte in sogenannten Längsschnittstudien nicht beobachtet werden. Die größeren Fähigkeiten jüngerer Personen waren im Querschnittsdesign lediglich dadurch bedingt, dass die jüngeren Personen zu einem späteren Zeitpunkt geboren und unterrichtet worden waren, wo sie deutlich besseren Anregungsbedingungen für die intellektuelle Entwicklung ausgesetzt waren, als ältere Personen, die während oder nach dem 2. Weltkrieg aufgewachsen waren. Aus diesem Grund ist für Fragen der Entwicklung das folgende Design dem Querschnittsdesign überlegen: 2 b) Längsschnittuntersuchung: Eine Gruppe von Personen wird wiederholt getestet, in Abständen von vielen Jahren, in manchen Fällen sogar in Abständen von Jahrzehnten. Findet man in derartigen Untersuchungen Unterschiede im Verhalten zu verschiedenen Alterszeitpunkten, so können diese leichter und eindeutiger mit Entwicklungsunterschieden erklärt werden. Es ist aber leicht vorstellbar, dass Längsschnittuntersuchungen auch einige gravierende Nachteile in sich bergen: Das wiederholte Testen und Beobachten derselben Versuchspersonen kann den Entwicklungsverlauf der ProbandInnen selber beeinflussen; Aufgrund der sogenannten Stichprobenabnützung (ein unter Umständen selektiver Verlust von ProbandInnen) im Laufe der Zeit müssen anfänglich sehr große Stichproben untersucht werden, damit nach längeren Zeiträumen von Jahren oder Jahrzehnten noch genügend Personen übrigbleiben, um noch statistisch sinnvolle Aussagen treffen zu können. Gravierender ist allerdings, das erstgenannte Problem, welches zur Entwicklung eines Kombinationsdesigns geführt hat, dem sogenannten c) Kreuz-Sequenz-Panel-Design: Hier werden VersuchsteilnehmerInnen verschiedenen Lebensalters getestet und ihre Entwicklung über mehrere Jahre hindurch längsschnittlich verfolgt. Damit kann festgestellt werden, ob wiederholtes Testen einen merklichen Einfluss auf das Verhalten bzw. das Abschneiden der ProbandInnen im Test hat. Das Kreuz-Sequenz-Panel-Design erlaubt zudem Generationsunterschiede von Entwicklungsunterschieden zu trennen. Nur dann wenn die in verschiedenen Altersgruppen beobachteten Unterschiede sich wiederholen, wenn die ProbandInnen aus den verschiedenen Altersgruppen älter werden, kann auf einen Einfluss der Entwicklung geschlossen werden. Das Design der Kreuz-Sequenz-Panel-Untersuchung wird zunehmend häufiger im Rahmen von sogenannten „Lifespan“-Studien genützt. Theorien zur Entwicklung des Menschen. Geschichtlich lassen sich in der Psychologie verschiedene grundlegende Erklärungsmodelle zur Entwicklung des Erlebens und Verhaltens ausmachen. Diese Modelle unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der Annahme, ob die Entwicklung kontinuierlich oder in Stufen bzw. Phasen verläuft. 1. Die psychoanalytische Entwicklungstheorie: Die psychoanalytische Entwicklungstheorie geht vom grundlegenden sogenannten 3-Instanzen-Modell der Psyche aus: - Es - Ich - Über-Ich Das „Es“ stellt die inneren antisozialen Triebe (Liebestrieb bzw. Libido, Todestrieb bzw. 3 Thanatos) dar, das „Über-Ich“ beinhaltet die Normen und Vorstellungen bzw. Zwänge, die von der Zivilisation vorgegeben sind, und die eine Unterdrückung der Triebe erfordern. Dem „Ich“ kommt die Aufgabe des Vermittlers zwischen „Es“ und „Über-Ich“ zu. Entwicklung ist zu wesentlichen Teilen vom Gelingen oder Nicht-Gelingen des „Ich“ zwischen diesen beiden widerstreitenden Kräften zu vermitteln, abhängig. Entwicklung kann also als das Ergebnis der Versuche des „Ich“, die Konflikte zwischen „Es“ und „Über-Ich“ zu verringern einerseits, und andererseits als Ergebnis der Versuche der Vermittlung zwischen Trieb und Ansprüchen der Kultur zu vermitteln, betrachtet werden. Folgende sogenannte psychosexuelle Entwicklungsphasen wurden von Freud postuliert; die Reihenfolge ist dadurch festgelegt, dass sich die sexuelle Energie im Verlaufe der biologischen Reifung von Körperteil zu Körperteil verlagert. 1. Lebensjahr - orale Phase: In der oralen Phase (1. Lebensjahr) erfolgt die sexuelle Triebbefriedigung mit Hilfe der Schleimhäute der Mundzone durch Saugen, Beißen und Kauen. Durch Regression auf diese oder Fixierung auf dieser Entwicklungsstufe entstehen orale Charakterzüge beim Erwachsenen, die dem unselbständigen, selbstbezogenen, „narzistischen“, immer nur (Nahrung) fordernden Kind des 1. Lebensjahres direkt oder symbolisch entsprechen: der orale Charakter ist passiv und abhängig, immer nur fordernd, nie gebend, sicherheitsbedürftig und selbstbezogen, aber auch „bissig“ im Sinne von sarkastisch. Alkohohol, Rauchen, Drogen, Essen als orale Ersatzbefriedigungen. 2.-3. Lebensjahr - anale Phase: In der analen Phase (2.-3. Lebensjahr) steht die Reinlichkeitserziehung im Vordergrund. Der Anus wird zur erogenen Zone. Sexueller Lustgewinn erfolgt zunächst durch das Ausscheiden, später durch Zurückhalten von Kot. Je nach Art der Reinlichkeitserziehung und der Lösung der ersten Konflikte mit den Eltern, die in dieser Phase entstehen, führt Fixierung oder Regression zu einem grausamen, destruktiven, ungestümen und unordentlichen oder (2.Hälfte) einem zwanghaft ordentlichen, pedantischen und geizigem Charakter. 3.-5. Lebensjahr - phallische Phase: In der phallischen Phase (3.-5. Lebensjahr) beschäftigt sich das Kind mit seinem Körper, speziell mit seinem Genitale als erogene Zone. Es entdeckt den anatomischen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Der Ödipuskonflikt, in dem die Beziehung des Knaben zur Mutter eine sexuelle Komponente bekommt, der Vater als Rivale erlebt wird, was Schuldgefühle und Angst (Kastrationsangst durch Entdeckung des weiblichen Genitales) auslöst, beherrscht die phallische Phase (bei Mädchen geringeres Problem). Eine Regression auf die phallische Phase oder Fixierung in ihr führen beim Mann zum phallischen Charakter mit seinen übertriebenen Männlichkeitsbedürfnissen, seiner Neigung, sich selbst und anderen seine Potenz zu demonstrieren (Kompensation der Kastrationsangst), sowie übertriebenem Erfolgsstreben (Bedürfnis den Vater zu übertreffen). Aber auch Impotenz und Erfolglosigkeit können aus den Schuldgefühlen gegenüber dem Vater in der Ödipussituation resultieren. Mit der folgenden Phase der Latenz (6. Lebensjahr bis zur Pubertät) und der genitalen Phase (Pubertät bis zum reifen Erwachsenenalter) hat Freud sich selbst weniger beschäftigt. 4 2. Lerntheoretische Entwicklungstheorie: Lerntheoretische Entwicklungsmodelle gehen im Gegensatz zu dem psychoanalytischen und dem kognitiven Modell (welches nachfolgend besprochen werden wird) von einer kontinuierlichen Entwicklung, d.h. ohne Annahme von Phasen, aus. Entwicklung wird im Wesentlichen als Funktion von Lernen durch Umwelteinflüsse gesehen; die Einflüsse von (angeborenen) Trieben bzw. genetische Einflüsse werden (zumindest in der frühen radikalen Form des Behaviorismus) negiert. Unterschiede im Verhalten zwischen den Menschen seien daher lediglich das Ergebnis unterschiedlicher Lerngeschichten: Menschen haben unterschiedliche Erfahrungen und verarbeiten diese Erfahrungen auch unterschiedlich; selbst zwei Menschen mit annähernd gleichen Erfahrungen können diese unterschiedlich verarbeiten bzw. bewerten. Der grundlegende Mechanismus ist der des Lernens, und dieser bleibt über das gesamte Leben hindurch gleich. Lernen erfolgt dabei durch die bereits o.a. Mechanismen des klassischen Konditionierens, des instrumentellen oder operanten Konditionierens, aber auch durch das Lernen durch Beobachtung bzw. Lernen am Modell. Kritik: Der lerntheoretische bzw. streng behavioristische Standpunkt ist heute genauso umstritten wie der psychoanalytische Standpunkt. Lernen wird als gänzlich passiver Vorgang dargestellt; eine Einwirkung oder Steuerung durch den sich entwickelnden Mechanismus wird nicht berücksichtigt. Als ein Hauptkritikpunkt muss zudem gesehen werden, dass Verhalten bzw. interindividuelle Unterschiede im Verhalten ausschließlich als das Ergebnis von Lernvorgängen betrachtet werden; dies steht in großen Bereichen der Psychologie im Widerspruch zu Erkenntnissen aus der sogenannten Verhaltensgenetik, einer Teildisziplin, die sich mit der Klärung des Einflusses von Anlage (Gene) und Umwelt auf die Ausbildung von Verhalten bzw. von Persönlichkeitsunterschieden beschäftigt. Obgleich der streng behavioristische Standpunkt heutzutage als nicht mehr vertretbar gilt, haben behavioristische Techniken nach wie vor einen großen Einfluss vor allem auch im Bereich der Therapie, z.B. bei der Desensibilisierung von Kindern gegenüber bestimmten Ängsten. Die kognitive Entwicklungstheorie: 3. Wie bereits erwähnt, bestand ein wesentlicher Kritikpunkt sowohl an der psychoanalytischen, als auch an der lerntheoretischen Entwicklungstheorie, die Annahme einer weitestgehend passiven Rolle des Individuums. Im Gegensatz zu diesen Modellen nimmt die kognitive Entwicklungstheorie eine weitaus aktivere Rolle des Individuums in der Gestaltung seiner Entwicklungserfahrungen an. Der Mensch würde dementsprechend im Verlauf seiner Entwicklung sein eigenes Weltverständnis aktiv mitbestimmen. Das selbst aufgebaute Weltbild legt fest, in welcher Form und inwieweit ein Kind fähig ist, von anderen zu lernen bzw. generell sein soziales und kognitives Verhalten zu entwickeln. Zu Entwicklungssprüngen kommt es immer dann, wenn das eigene Weltbild mit dem äußeren Weltbild nicht übereinstimmt, d.h. in „Stadien des Disäquilibriums“ zwischen dem gegenwärtigen Wissen und der durch soziale und materielle Umwelt repräsentierten Wirklichkeit. Wenn ein Individuum entdeckt, dass seine Vorstellung von 5 der Welt nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt, ist das Individuum gezwungen, die Vorstellung zu verändern bzw. zu revidieren. Augenfällig sind solche Veränderungen vor allem im Bereich der kognitiven Entwicklung. Beispiel: Bis zu einem gewissen Alter glaubt ein Kind, dass zehn Gegenstände mehr sind, wenn man sie übereinander stapelt. Wenn das Kind in der Lage ist die Gegenstände abzuzählen, wird diese falsche Weltsicht korrigiert. Die Sichtweise, dass die Anordnung der Gegenstände ihre Anzahl bestimmt, wird aufgegeben zugunsten einer neuen Ansicht, nämlich dass die Anzahl unabhängig von der räumlichen Lokation ist. Dies ist ein Beispiel für die kognitive Entwicklungstheorie, die im Wesentlichen auf den Begründer Jean Piaget, einem Schweizer Psychologen, zurückgeht. Piaget hat vor allem für den Bereich der kognitiven Entwicklung verschiedene Stadien vorgeschlagen, die sich allerdings nicht auf das Primat der Lustbefriedigung (Libido) wie bei Freud beziehen, sondern primär auf die Veränderungen in den Denkvorgängen. Gemeinsam ist dem psychoanalytischen und dem kognitiven Entwicklungsansatz allerdings die Annahme einer fixen Abfolge von qualitativ unterschiedlichen Phasen. Ein Kind oder ein Jugendlicher kann dementsprechend nicht einfach als ein „kleiner Erwachsener“ betrachtet werden, dem einfach noch bestimmte Lernerfahrungen fehlen, sondern die Art der Wahrnehmung der Umwelt bzw. des kognitiven Begreifens der Umwelt kann in verschiedenen Phasen auf grundlegend, d.h. qualitativ unterschiedliche Weise funktionieren. Das Modell der Informationsverarbeitung: 4. Moderne Ansätze verwenden Computermodelle zur Simulation auch der kognitiven Entwicklung von Menschen bzw. der Entwicklung der menschlichen Intelligenz. Das Modell der Informationsverarbeitung berücksichtigt auch Kenntnisse der Neuro-Wissenschaften über die Entwicklung des Gehirns, und damit der „Hardware“ des Verhaltens, welches einerseits erst im Verlaufe der Gehirnreifung überhaupt erst bestimmte Verhaltensweisen ermöglicht, und 6 andererseits auch verantwortlich ist für Veränderungen des Verhaltens im hohen Alter. Um die Computeranalogie fortzuführen: kurzfristigere Anpassungen (Lernvorgänge) können auch als „Software“ betrachtet werden; die Veränderungen in der Software sind primärer Gegenstand des/r am Informationsverarbeitungsansatz orientierten Entwicklungspsychologen/in. Im Rahmen der sogenannten kognitiven Wissenschaften (cognitive science) werden detaillierte Beobachtungen des Verhaltens von Kindern durchgeführt, beispielsweise wie sich das Blickverhalten bei der Bearbeitung von kognitiven Aufgaben verändert; wie lange es dauert bis bestimmte Antworten gezeigt oder produziert werden; an welche Teile eines Problems sich ein Kind besser oder schlechter erinnert etc. Spracherwerb und Gehirnentwicklung Entwicklungspsychologie ist nicht nur durch besondere Methoden gekennzeichnet, eine wesentliche Funktion der Entwicklungspsychologie besteht auch in der Vermittlung von Wissen und Kenntnissen darüber, wie sich psychologische Phänomene mit dem Alter entwickeln. Dieses Wissen ist beispielsweise unabdingbar für die Beurteilung von Entwicklungsvorsprüngen bzw. –rückständen von Kindern. Im folgenden soll die Entwicklung der Sprache bzw. des Spracherwerbs (unter Berücksichtigung biologischer Grundlagen der Gehirnentwicklung) beispielhaft dargelegt werden. Im ersten Lebensjahr ist noch keine Sprache an sich, sondern nur Vorformen der Sprachentwicklung zu beobachten. Bei diesen Vorformen lassen sich insgesamt vier Phasen unterscheiden. Die Lautäußerungen beginnen mit schreien und behaglichem Gurgeln bzw. Juchzen bis hin zum Lallen oder Brabbeln und erst von da gelangt das Baby zum Sprechen von Worten. Erste vokalartige Laute ergeben sich beiläufig aus dem Atmen, aus verdauen und schreien. „Sprachliche Reaktionen“ auf Dinge oder Reize aus der Umwelt sind mit etwa zwölf Wochen zu beobachten, zumeist in Form von „Juchzen“. Im Bereich zwischen zwölf Wochen und sechs Monaten tauchen dann erste Konsonanten auf, und mit sechs Monaten beginnt das Brabbeln oder Lallen. Ab diesem Alter werden einfache Kombinationen aus Konsonanten und Vokalen dargeboten (Na), mit etwa acht Monaten beginnen Kinder das eigene Sprechen, und das anderer nachzumachen und erzeugen hierzu mehrmals die selbe Silbe. Gelegentlich werden Plappersilben mit Objekten oder Ereignissen verbunden und dies stellt den Übergang in die Entwicklung erster Vorformen der Sprache dar (mit etwa einem Jahr). Zwar handelt es sich noch nicht um Worte im eigentlichen Sinn, die Äußerungen haben aber bereits die Funktion von Worten, weil sie eindeutige Kennzeichnungen von Objekten darstellen. Generell haben Untersuchungen des ersten Lebensjahres gezeigt, dass das Sprechen dem Sprachverstehen hinterherhinkt; Kinder können Unterschiede zwischen ähnlichen Konsonanten hören, auch wenn sie noch nicht in der Lage sind, diese entsprechend zu produzieren. Im Zeitraum zwischen acht und achtzehn Monaten können Kinder ein Vokabular von einigen hundert Wörtern erwerben; in dieser Zeit dominieren aber noch sogenannte Ein-WortSätze bzw. Holophrasen. Während des zweiten Lebensjahres werden dann gehäuft zwei Wörter zu sogenannten Duos verbunden, die verschieden Funktionen haben können, wie beispielsweise benennen („ein 7 Haus“), Nicht-Vorhandensein („Milch tschüß“) und Handlung („Susi läuft“) und Wiederauftreten („noch Katze“). Derartige Duos stellen die erste Form von grammatischen Konstruktionen dar; sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie bereits bemerkenswert fehlerfrei produziert werden. Zunehmend kommt es zur Ausbildung auch von längeren Sätzen, die aber noch immer im „Telegrammstil“ verfasst werden, was darauf hinweist, dass noch nicht Erwachsenensätze nachgebildet werden, da die formalen Relationen von Substantiv und Verb oder Substantiv und Adjektiv zumeist nicht gegeben sind; die Sätze folgen zumeist eigenen sprachlichen Regeln, vermitteln aber dennoch einen meist eindeutig zu identifizierenden Sinn. Von Zwei-Wort-Sätzen schreitet das Kind bald voran zu einfachen Aussagesätzen. Schließlich werden während des dritten Jahres Umformungen von Aussagesätzen, z.B. in Form von Fragen oder Verneinungen gezeigt. In diesem Bereich (2-3 Jahre) werden die elementaren grammatischen Umformungsregeln erworben. Mit drei Jahren haben Kinder zumeist ein Vokabular von über 1000 Wörtern und sind in der Lage immer kompliziertere Sätze zusammenzufügen, Fragen zu stellen, verneinende Aussagen zu treffen. Mit Eintritt in die Schule ist die Sprache in der Regel in Satzbau und Grammatik von der Erwachsenensprache nicht mehr zu unterscheiden. 8