QS24_Täuber

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QS24_Täuber
D i e m at e r i e l l e B a s i s e i n e s
a n t i k e n b ä u e r l i c h e n H a u s h a lt s
a m B e i s p i e l S pa rta s
H a n s Ta e u b e r
Einleitung
Der Gebrauch quantifizierender Methoden ist in die Alte Geschichte
erst vor relativ kurzer Zeit vorgedrungen. Dies hängt weniger mit einer methodischen Rückständigkeit der in diesem Fach Forschenden
zusammen, sondern hat seinen Grund vor allem darin, dass die lückenhafte Datenbasis seriöse statistische Untersuchungen nur in den
wenigsten Fällen zulässt. Ausnahmen sind z. B. das Preisedikt Kaiser
Diokletians aus dem Jahre 301 n. Chr., wo für alle gängigen Waren und
Dienstleistungen Maximaltarife vorgeschrieben wurden (Lauffer 1971
und Giacchero 1974); spätantike Grabsteine aus Rom, wo aufgrund
der genauen Angabe der Sterbetage Analysen der Altersverteilung und
der jahreszeitlichen Schwankungen der Sterblichkeitsrate angestellt
werden konnten (Scheidel 1996: 139–163); und auf Papyrus erhaltene
Zensusdeklarationen und Einwohnerverzeichnisse ägyptischer Dörfer,
die Rückschlüsse auf die demographische Zusammensetzung ihrer
Bevölkerung zuließen (Bagnall/Frier 1994 und Clarysse/Thompson
2006). Im Allgemeinen sind aber Zahlenangaben – vor allem der antiken Schriftsteller – oft sehr ungenau und fragwürdig. Hinzu kommt,
dass im Zuge des im Laufe der Jahrhunderte vielfach wiederholten
Abschreibens ihrer Werke die Zahlenzeichen häufig verfälscht wurden,
und zwar sicher noch öfter als der eigentliche Text.
Wenn im Folgenden (auf der Grundlage neuerer Untersuchungen,
vor allem Hodkinson 2000) dennoch der Versuch unternommen werden
soll, die materiellen Grundlagen eines bäuerlichen Haushalts zu quantifizieren, so geschieht dies einerseits in der Absicht, wenigstens eine
ungefähre Vorstellung über die Lebensbedingungen eines wesentlichen
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Hans Taeuber
Teils der antiken Bevölkerung zu geben (denn nach glaubwürdigen
Schätzungen waren 90 % der damaligen Menschen im Agrarsektor
tätig oder von diesem abhängig), andererseits aber auch in dem Bewusstsein, dass die genannten Zahlen bestenfalls eine Annäherung an
die tatsächlichen Verhältnisse darstellen können.
Als Fallbeispiel soll dabei jener Staat dienen, welcher gemeinhin nach
seiner Hauptstadt der „spartanische“ genannt wird. Dies war jedoch nie
die offizielle Selbstbezeichnung seiner Einwohner; diese nannten sich
„Lakedämonier“ (Lakedaimonioi), den Staat demnach Lakedaimonion
politeia (Staatswesen der Lakedämonier). Diese Bezeichnung ist wiederum abgeleitet von jener peloponnesischen Landschaft, welche das
Zentrum ihres Siedlungsgebietes bildet und den Namen Lakonien trägt.
Sie umfasst im Wesentlichen das Einzugsgebiet des Flusses Eurotas
mit seiner fruchtbaren Schwemmebene, im Westen und Osten begrenzt
von den nur schwer überwindbaren Gebirgszügen des Taygetos und des
Parnon; im Norden trennt sie eine niedrigere Schwelle von der Landschaft Arkadien ab. Schon früh angegliedert wurde das Gebiet östlich
des Parnon bis zu der mit Argos umkämpften Landschaft Thyreatis.
Im Mündungsgebiet des Eurotas, dem so genannten „Helos“ (Sumpf;
auch als Ortsname), siedelte jedoch eine nichtdorische Vorgängerbevölkerung, die offenbar in Kämpfen unterworfen und anschließend quasi
versklavt wurde. Diese „Heloten“ (Luraghi/Alcock 2003) waren an die
Scholle gebundene Leibeigene, die für ihre spartanischen Grundherren
(Vollbürger, in der modernen Literatur als „Spartiaten“ bezeichnet)
die landwirtschaftliche Arbeit zu leisten und zumindest die Hälfte der
Erträge abzuliefern hatten. Zur Unterstreichung des Herrschaftsanspruches erklärte man den Heloten jedes Jahr formell den Krieg und
drangsalierte sie auf nur jede erdenkliche Weise. Die Heloten stellten somit einen wichtigen Teil der ökonomischen Basis des lakedämonischen
Staates dar, bewirkten aber auch indirekt seine Transformierung: Von
einem „normalen“, kulturell hoch stehenden griechischen Gemeinwesen wurde Sparta zu einem rigiden, von der Außenwelt hermetisch
abgeschlossenen Militärstaat, dessen nahezu einziges Ziel die Aufrechterhaltung der Dominanz nach innen und außen darstellte. Diese
Ausrichtung verstärkte sich noch nach der Eroberung Messeniens in
den zwei Messenischen Kriegen des 7. Jahrhunderts, welche einerseits
der spartiatischen Bevölkerung zusätzliche fruchtbare Regionen zur Bewirtschaftung verschaffte (daher war es für Sparta – mit Ausnahme des
Sonderfalles Tarent – nicht nötig, eigene Kolonien zur Versorgung des
demographischen Überschusses zu gründen), andererseits aber durch
die geographische Ausdehnung des Reiches den Sicherheitsapparat
Die materielle Basis eines antiken bäuerlichen Haushalts (Sparta)
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zu äußersten Anstrengungen und Maßnahmen herausforderte. Außer
den Heloten gab es innerhalb des lakedämonischen Staates noch die
so genannten „Periöken“, persönlich freie Bewohner der Randgebiete
ohne politische Mitwirkungsrechte, sowie eine Reihe von Gruppen mit
eingeschränkten Bürgerrechten.
V e r g l e i ch b a r k e i t zw i s ch e n a n t i k e r u n d
n e u z e i t l i ch e r L a n dw i r t s ch a ft
Für die Analyse antiker Landwirtschaft wird in letzter Zeit gerne auf
ein Hilfsmittel aus dem 18. und der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts
zurückgegriffen, und zwar auf die gut belegten Ertrags- und Bevölkerungszahlen der vorindustriellen Agrarwirtschaft (überliefert z. B. bei
Pouqueville 1805). Die Übertragung dieser Werte auf die Antike geht
von mehreren Prämissen aus, deren Stichhaltigkeit wir im Folgenden
kurz betrachten wollen.
1.Konstanz der klimatischen Verhältnisse: Die Klimaforscher gehen
davon aus, dass das Klima in der Antike (nach einer zwischenzeitlichen Kälteperiode im Mittelalter) im Großen und Ganzen jenem
der Gegenwart und auch der jüngeren Vergangenheit entspricht.
Diese Feststellung bezieht sich ebenfalls auf mittlere Temperaturen
wie auf Niederschlagsmengen.
2.Gleichbleibende Fruchtbarkeit der Böden: Die Fruchtbarkeit der
Böden hat sich seit der Antike an bestimmten Orten zweifellos verändert. Insbesondere sind hier die verbreitete Entwaldung und die in
weiterer Folge auftretende Erosion in Betracht zu ziehen. Das Holz
der Wälder stellte im Altertum die bei weitem wichtigste Energiequelle dar und wurde überdies für die Konstruktion von Gebäuden
und zum Schiffbau benötigt. Vor allem höhere Hanglagen waren von
Erosion bedroht, während Talsohlen weniger beeinträchtigt waren
und teilweise durch die Ansammlung fruchtbaren Schwemmmaterials sogar begünstigt wurden (Lienau 1989: 117–119). Im vorliegenden
Fall, nämlich jenem des südlichen Peloponnes, sind negative Einflüsse auf die Fruchtbarkeit der Böden jedoch weniger zu erwarten,
da sich die bebauten Flächen hauptsächlich in der Eurotas- und der
Pamisos-Ebene (in Messenien) befanden.
3.Gleiche Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung: Auf weniger
sicherem Boden stehen wir bei der Frage nach der Intensität der
Nutzung. Hierfür ist kaum zuverlässiges Quellenmaterial vorhanden,
und systematische Begehungen der Oberfläche (z. B. für Lakonien:
Cavanagh/Crouwel/Catling/Shipley 2002) lassen zwar Aussagen
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Hans Taeuber
über die Besiedlungsdichte in den jeweiligen Perioden treffen, sind
in Bezug auf die Bodennutzungsintensität nur von beschränktem
Wert. Hier bleibt uns also nur die Annahme, dass es zwischen der
Antike und dem 18./19. Jahrhundert keine allzu großen Unterschiede
gegeben hat.
4.Identität von Nutztieren, Saatgut und Geräten: Zwar existierten in der
Antike und im 18. Jahrhundert unterschiedliche Nutztierrassen und
Nutzpflanzensorten, innerhalb der jeweiligen Arten dürfte es aber
keine allzu großen Schwankungen in den Erträgen gegeben haben. Es
ist allerdings zu beachten, dass in der Zwischenzeit neue Arten – wie
etwa Zitrusfrüchte, Tomaten, Baumwolle oder Tabak – eingeführt
wurden.
D i e b e w i r t s ch a ft e t e n F l ä ch e n
Wenn wir nun (unter den genannten Einschränkungen) von den
historischen Ertragsangaben des 18. und 19. Jahrhunderts ausgehen
wollen, so bleibt uns noch die Größe eines spartanischen Bauernhofes
zu bestimmen, und zwar sowohl hinsichtlich der bewirtschafteten
Fläche als auch der zugehörigen Personenzahl. Bleiben wir zunächst
bei der Wirtschaftsfläche. Für die Bestimmung der durchschnittlichen
Hofgröße wäre es nötig, die landwirtschaftlich nutzbare Fläche des
lakedämonischen Staates zu definieren und sie anschließend durch die
Zahl der wirtschaftlichen Einheiten zu dividieren.
Einfacher scheint auf den ersten Blick die Festlegung der Gesamtfläche zu sein. In der Literatur findet man jedoch für die bewirtschaftete
Fläche von Lakonien Schätzungen, die zwischen 21.000 und 100.000
Hektar (ha), also um fast 400 %, differieren; für Messenien, das ja seit
dem 7. Jahrhundert Teil des spartanischen Staates war, schwanken die
Angaben gar zwischen 20.000 und 140.000 ha (Hodkinson 2000: 132).
Diese Differenzen beruhen auf der unterschiedlichen Einschätzung
mehrerer Parameter. Während die älteren, teilweise ohne Autopsie
erstellten Untersuchungen wohl zu optimistisch hinsichtlich der
Nutzbarkeit sämtlicher tief gelegener und einigermaßen ebener Flächen waren, sind neuere Analysen möglicherweise zu skeptisch, was
die geographische Ausdehnung spartanischer Hofwirtschaft anlangt.
Die Letzteren gehen von der Annahme aus, dass sich die Höfe auf die
ertragreichsten Böden in wenigen Ebenen konzentriert hätten und
eine Überschussproduktion für den Handel nicht angestrebt wurde.
Die Evidenz der Quellen ([Platon] Alkibiades 1, 122d; Xenophon Lake­
daimonion politeia 5, 3; Euripides bei Strabon 8, 5, 6) legt jedoch
Die materielle Basis eines antiken bäuerlichen Haushalts (Sparta)
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nahe, dass die Flächen (auch durch Viehhaltung) intensiv genutzt
wurden und Erträge über das bloße Subsistenz- (Selbsterhaltungs-)
Niveau hinaus verfügbar gewesen sein müssen. Diese Überlegungen,
zusammen mit den angenommenen (freilich keineswegs gesicherten)
Bevölkerungszahlen, führen zu dem Schluss, dass die bewirtschafteten
Flächen deutlich größer gewesen sein müssen, als dies zurückhaltende
Annahmen voraussetzen; sie dürften sich in der Größenordnung von
ca. 45–50.000 ha für Lakonien und 90.000 ha für Messenien bewegt
haben (Hodkinson 2000: 145).
Z a h l u n d F l ä ch e n g r ö s s e d e r
w i r t s ch a ft l i ch e n E i n h e i t e n
Hier können wir auf eine Angabe zurückgreifen, die bei Herodot für
das Jahr 480 v. Chr. überliefert ist. Er nennt an dieser Stelle (7, 234)
eine Zahl von 8.000 Spartiaten, also Vollbürger, die das Recht auf
Grundbesitz hatten. Die Angabe dieser runden Zahl dürfte auf einer
Schätzung beruhen, über deren Zulässigkeit man durchaus diskutieren
kann; sie dürfte als Richtwert aber nicht allzu weit von der Realität
entfernt liegen. Es wäre jedoch voreilig, diese Zahl von 8.000 Bürgern
mit der Zahl der Bauernhöfe gleichzusetzen. Es kam nicht selten vor,
dass mehrere erwachsene Männer im selben Haushalt wohnten, etwa
unverheiratete Söhne oder Brüder mit gemeinsamer Ehefrau (dazu im
folgenden Abschnitt). Demographische Berechnungen setzen den Mitbewohneranteil der hier vor allem in Betracht kommenden männlichen
Altersgruppe von 20 bis 29 Jahren mit etwa 20% an; dieser Wert ist
von der Gesamtzahl der Bürger abzuziehen. Die Zahl wirtschaftlicher
Einheiten ließe sich damit mit annähernd 6.500 beziffern (Hodkinson
2000: 383).
Wenn man die oben erschlossene bewirtschaftete Gesamtfläche Lakoniens und Messeniens von ca. 135.000 ha durch die Zahl der Einheiten
(6.500) dividiert, gelangt man zu einer errechneten Durchschnittsgröße
eines Hofes von etwas über 20 ha. Allerdings muss man voraussetzen,
dass die Hofgrößen sehr unterschiedlich waren. Untersuchungen in
Attika haben ergeben, dass 9 % der reichsten Bürger 40 % der Agrarfläche besessen haben (Foxhall 1992). Umgelegt auf die spartanischen
Verhältnisse und unter der Voraussetzung, dass der Boden im neu gewonnenen Messenien anfangs gleichmäßig unter den Bürgern verteilt
worden war, hätte ein wohlhabender Bürger über durchschnittlich 45
ha, ein ärmerer über rund 18 ha verfügt. Dies liegt deutlich über der
Fläche von ca. 4–5 ha, die für einen antiken Selbstversorgungsbetrieb
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Hans Taeuber
errechnet wurde (Gallant 1991: 86–87); hierbei gilt es jedoch zu bedenken, dass einerseits die Hälfte der Fläche zur Selbstversorgung der
Heloten diente, andererseits die Größe der spartanischen Höfe den
zeitgenössischen Quellen zufolge ([Platon] Alkibiades 1, 122d) sogar
jene reicher athenischer Landgüter übertraf.
G r ö s s e d e s b ä u e r l i ch e n H a u s h a l t s
u n d F a m i l i e n s t r u kt u r
Weitaus schwieriger gestaltet sich die Bestimmung, wie viele Personen
damals einem bäuerlichen Haushalt angehörten. Auch im lakedämonischen Staat bestand der Großteil der bäuerlichen Haushalte zweifellos aus der so genannten Kernfamilie, d. h. aus einem Elternpaar und
deren Kindern. Außerdem konnten noch weitere Familienmitglieder,
wie Großeltern, unverheiratete Geschwister oder verwaiste Cousins,
hinzutreten. Wie viele Personen der Hof tatsächlich ernähren musste,
hängt auch von Faktoren wie Heiratsalter, Sterblichkeitsrate unter
Kindern und mittlere Lebenserwartung von Erwachsenen ab. Männer
waren in Sparta gesetzlich verpflichtet, bis zum Alter von 30 Jahren
zu heiraten, Frauen wurden etwa mit 16 bis 19 Jahren verehelicht.
Für jene, die nicht der hohen Kindersterblichkeit zum Opfer gefallen
waren, wurde eine durchschnittliche Lebenserwartung von 44 Jahren
für Männer und 36 für Frauen ermittelt. Daraus ergibt sich, dass die
Eltern in vielen Fällen die Volljährigkeit ihrer Kinder gar nicht mehr
erlebten. Unter Heranziehung vergleichender Studien kann man davon
ausgehen, dass die mittlere Haushaltsgröße im antiken Griechenland
bei etwa vier bis fünf Personen lag, in Sparta angesichts der staatlichen
Anreize zur Anhebung der Kinderzahl hingegen wohl etwas höher ausfiel (Aristoteles, politica 1270 a39–b6; Hodkinson 2000: 370–373).
Neben dem im antiken Griechenland üblichen Modell der erweiterten
Kernfamilie wies Sparta aber noch spezielle Haushaltsformen auf. Um
diese näher kennen zu lernen, ist ein Exkurs in die Sozialstruktur des
lakedämonischen Staates nötig, welche sich von jener der anderen
griechischen Staaten zum Teil erheblich unterschied. Auch dieser Bereich war nämlich der Doktrin der militärischen Überlegenheit unterworfen; das hieß in der Praxis, dass – wenn man von der überlieferten
Staatsideo­logie ausgeht – eine möglichst hohe Zahl an wehrfähigen
Bürgern bzw. gebärfähigen Bürgerinnen hervorgebracht, erzogen und
erhalten werden sollte. Ziel war demnach einerseits die Optimierung
der Reproduktionsrate, andererseits die Sicherstellung, dass die vorhandenen Höfe dauerhaft und ohne Unterbrechung bewirtschaftet
Die materielle Basis eines antiken bäuerlichen Haushalts (Sparta)
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wurden. So war Männern zum einen die Bigamie erlaubt, wobei die
Frauen in getrennten Haushalten lebten (Herodotos 5, 40), zum anderen konnten sich auch zwei oder mehrere Brüder eine einzige Ehefrau
teilen (Polybios 12, 6b, 8; Xenophon, Lakedaimonion politeia 1, 9; die
angelsächsische Literatur gebraucht dafür den Terminus „wife-sharing“.
Hodkinson 2000: 371).
Nahrungsbedarf
Wenn man nach dem eben Gesagten weiters in Betracht zieht, dass zu
den Familienmitgliedern noch eine schwer zu beziffernde Anzahl von
Haussklaven trat, erkennt man die Probleme, die sich bei der Ermittlung
des Nahrungsbedarfs stellen. Hierbei ist nicht nur die bloße Zahl an
Köpfen von Bedeutung, es sind auch Alter, Geschlecht sowie allfällige
Phasen der Schwangerschaft und Stillzeit in Betracht zu ziehen. Als
Berechnungseinheit wird der tägliche Kalorienbedarf herangezogen.
Aufgrund vergleichender Studien (Gallant 1991: 62–75) wird im Hinblick auf die antiken Verhältnisse für einen erwachsenen Mann ein
Bedarf von 2.600 kcal veranschlagt, für eine Frau normalerweise 2.300
kcal, in der Schwangerschafts- und Stillzeit 2.500 kcal. Kinder und ältere
Personen hatten einen entsprechend niedrigeren Kalorienbedarf. Diese
Werte sind über einen Generationszyklus von 30 Jahren zu kalkulieren,
da sich die Größe des Haushalts (einerseits durch Geburten, Heirat
von Söhnen und sonstige Zuwächse, andererseits durch Todesfälle und
Heirat von Töchtern) und der altersgemäße Nahrungsbedarf im Lauf
der Jahre ständig änderten.
Bei der Berechnung ist weiters zu berücksichtigen, dass in Sparta jeder
Erwachsene im Militärdienst (d. h. alle im Besitz des Vollbürgerrechts
stehenden Männer vom 20. bis zum 30. Lebensjahr) Naturalbeiträge für
die Gemeinschaftsmähler (Syssitiai) beizusteuern hatte. Diese Beiträge
waren insofern von essenzieller Bedeutung, als von ihrer Erbringung das
Bürgerrecht abhängig war. Sie beliefen sich nach antiker Überlieferung,
welche nicht ganz einheitlich ist (Dikaiarchos FHG 242 fr. 23 und Plutarchos, Lykurgos 12, 2; Hodkinson 2000: 190–199), monatlich umgerechnet
auf ca. 100 l Gerste, 50 l Wein, 2 kg Käse und 1 kg Feigen, dazu kam
ein zusätzlicher Geldbetrag für Zukäufe. Auf Tagesbasis umgerechnet
bedeutet dies, dass jeder erwachsene Mann etwa 4.000 kcal zusätzlich
zu seinem Eigenbedarf pro Tag abliefern musste.
Unter Berücksichtigung verschiedener Haushaltsmodelle ergibt sich
für eine Familie daraus ein täglicher Durchschnittskalorienbedarf von ca.
22.000–35.000 kcal; stellt man weiters den Bedarf der Haushaltssklaven
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Hans Taeuber
sowie jene Überschüsse in Rechnung, mit denen der Ankauf von Gütern
finanziert werden musste, die nicht im Haus produziert wurden, so betrug
der Bedarf insgesamt zwischen 25.000 und 40.000 kcal.
L a n dw i r t s ch a ft l i ch e E r t r ä g e
Für die Aufteilung der pflanzlichen Nahrungsmittelproduktion wurde
(wiederum aufgrund vergleichender Studien) ein Schlüssel von 65 %
Getreide, 25 % Gemüse, Hülsenfrüchte und Obst und 10 % Öl und
Wein zugrunde gelegt (Gallant 1991: 62–68; Hodkinson 2000: 390–392).
Das Hauptgetreide der antiken Lakedämonier war Gerste; historische
Ertragswerte für diese Sorte betragen rund 640 kg/ha. Bei einem Nährwert von 2.650 kcal/kg ergibt dies eine Produktion von etwa 1.700.000
kcal/ha. Bei Gemüse liegt der entsprechende Wert um 800.000 kcal/ha,
bei Wein und Öl um 2.500.000 kcal/ha, wobei diese Erträge bei intensiver Bewirtschaftung noch um ein Drittel gesteigert werden konnten.
Unter Zugrundelegung einer einfachen Hofgröße von 18 ha (s.o.) ergibt
sich daraus, je nach Intensität der Bewirtschaftung, ein Gesamtertrag
von 25–33 Millionen kcal pro Jahr oder eine tägliche Nahrungsration
von 70.000–90.000 kcal, welche aber zur Hälfte zur Selbstversorgung
der Heloten diente. Mit dem Rest von 35.000–45.000 kcal mussten die
Familienangehörigen und Haussklaven ernährt sowie die Beiträge für
Syssitien, sonstige Käufe und Aufwendungen bestritten werden. Dafür
wurde oben ein Wert von 25.000–40.000 kcal errechnet. Man sieht
daraus, dass in Durchschnittsjahren die Erträge knapp zur Deckung
der Bedürfnisse ausreichten oder sogar ein kleiner Überschuss erzielt
werden konnte; bei Missernten wurde jedoch sehr rasch der Punkt
erreicht, an dem die Ernährung der Familie nicht mehr gesichert war
(wenngleich sich Mangelsituationen zweifellos zuerst an den Heloten
auswirkten) und der soziale Status (abhängig von der Teilnahme an
den Gemeinschaftsmählern) in Gefahr geriet.
A u s w i r k u n g e n a u f d i e s oz i a l e S i t u a t i o n
Die oben angeführten Berechnungen liefern einen Ansatz zur Erklärung,
warum es im lakedämonischen Staat im 4. und 3. Jahrhundert v. Chr.
immer wieder zu sozialen Spannungen, am Ende sogar zu Umsturzbewegungen kam. Der Militärstaat forderte von seinen Bürgern eine bestimmte, streng reglementierte Lebensweise; andererseits reichten aber
die materiellen Voraussetzungen (Größe der durchschnittlichen Bauernhöfe) nicht aus, um die für diesen Status erforderlichen Verpflichtungen
Die materielle Basis eines antiken bäuerlichen Haushalts (Sparta)
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auch unter ungünstigeren Bedingungen zu erfüllen. Dies führte zu einer
sozialen Deklassierung eines Teils der Bürger und somit (zusammen
mit einem – wohl auch dadurch bedingten – Bevölkerungsrückgang)
zur allmählichen Verschmälerung der demographischen Basis für die
jahrhundertelange militärische Überlegenheit der Spartaner. Nach den
beiden Niederlagen gegen die Thebaner (Leuktra, 371 und Mantinea, 362)
konnte die frühere Dominanz nie wieder zurückgewonnen werden.
L i t e r at u r
Bagnall, Roger S./Frier, Bruce W. (1994): The demography of Roman Egypt. Cambridge
Cavanagh, William G./Crouwel, J. G./Catling, R. W. V./Shipley, G., Hg. (2002): Continuity
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Clarysse, Willy/Thompson, Dorothy J. (2006): Counting the People in Hellenistic
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Foxhall, Lin (1992): The Control of the Attic Landscape. In: Wells, Berit (Hg.): Agriculture in Ancient Greece. Stockholm: 155–160
Gallant, Thomas W. (1991): Risk and Survival in Ancient Greece. Cambridge
Giacchero, Marta (1974): Edictum Diocletiani et collegarum de pretiis rerum venalium. Genova
Hodkinson, Stephen (2000): Property and Wealth in Classical Sparta. London
Lauffer, Siegfried (1971): Diokletians Preisedikt. Berlin
Lienau, Cay (1989): Griechenland: Geographie eines Staates der europäischen Südperipherie. Darmstadt
Luraghi, Nino/Alcock, Susan, Hg. (2003): Helots and their masters in Laconia and
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Pouqueville, François (1805): Voyage en Morée, à Constantinople, en Albanie et dans
plusieurs autres parties de l’empire Othoman. Paris
Scheidel, Walter (1996): Measuring Sex, Age, and Death in the Roman Empire. Explorations in Ancient Demography. Ann Arbor
Weiterführende Literatur zu Sparta
Baltrusch, Ernst (1998): Sparta. Geschichte, Gesellschaft, Kultur. München
Cartledge, Paul (1979): Sparta and Laconia. A Regional History 1300–362 B.C. London
Link, Stefan (1994): Der Kosmos Sparta. Darmstadt
Luther, Andreas/Meier, Mischa/Thommen, Lukas, Hg. (2006): Das frühe Sparta.
Stuttgart
Thommen, Lukas (2003): Sparta. Verfassungs- und Sozialgeschichte einer griechischen
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Welwei, Karl Wilhelm (2004): Sparta. Aufstieg und Niedergang einer antiken Großmacht. Stuttgart