Nigeria - Religionsfreiheit weltweit

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Nigeria - Religionsfreiheit weltweit
NIGERIA
NIGERIA
Christen
(49,3 %)
Muslime
(48,8 %)
Einwohner:
Fläche:
Flüchtlinge (int.)*:
2
168.800.000
923.800 km
1.849
* Ausländische Flüchtlinge in diesem Land
Traditionelle
Religionen
(1,4 %)
Religionslose
(0,4 %)
Flüchtlinge (ext.)**:
Binnenflüchtlinge:
17.735
–
** Ins Ausland geflohene Bürger dieses Landes
Staatsform
Nigeria ist eine Bundesrepublik nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika.
Der offizielle Wahlspruch Nigerias ist „Einheit und Glaube, Friede und Fortschritt“.
Staatsoberhaupt ist der Präsident, ähnlich wie in den USA oder in Frankreich.
Seit April 2011 bekleidet Goodluck Ebele Jonathan das Amt des Präsidenten,
ein Christ; Vizepräsident ist Namadi Sambo, ein Muslim. Die Ämter rotieren bei
jeder Präsidentschaftswahl, was bedeutet, dass 2015 der Präsident ein Muslim und der
Vize-Präsident ein Christi sein sollte. Doch gibt es große Befürchtungen, dass diese
Bestimmung bei der nächsten Wahl nicht eingehalten wird. Die Lage verspricht nichts
Gutes für die nächsten Monate und Jahre.
Wie in so vielen Ländern besteht auch in Nigeria eine große Kluft zwischen dem, was in
der Verfassung steht, und dem, was dann in der Wirklichkeit geschieht. Die Hauptgründe
dafür sind: a) Die tatsächliche Macht liegt in den Händen der Obas (Stammesfürsten),
die vor Ort das letzte Wort haben; b) die stammesspezifischen Fürstentümer, die sich
unter der Britischen Kolonialherrschaft (1860–1960) verfestigt haben, akzeptieren in
Wirklichkeit selten die von der Zentralregierung erlassenen Gesetze; c) religiöse und
parteipolitische Rivalitäten, die sich im „alten Clanrachedenken“ widerspiegeln, machen es schwierig, Maßnahmen zu verwirklichen; und d) das hohe Maß an Korruption
aller politischen – und in einigen Fällen auch der religiösen – Klassen vereiteln jeden
Versuch, demokratische Vorgaben zu verwirklichen. Es gibt ständig Diskussionen im
ganzen Land, ob die Demokratie wirklich die geeignetste Staatsform für die bevölkerungsreichste Nation Afrikas ist.
© KIRCHE IN NOT – Religionsfreiheit weltweit – Bericht 2014
Glaubensgemeinschaften
Christen: Von 1999 bis 2012 kam es zu einer rapiden Zunahme der Aktivität der charismatischen Pfingstgemeinden, besonders der „Redeemed Church of God“, der „Winners
Chapel“, der „Presbyterianischen Kirche Nigerias“ und der „Evangelical Church of
West Afrika“. Diese Gruppierungen haben Hunderttausende neuer Mitglieder für sich
gewinnen können, hauptsächlich durch Übertritte von den traditionellen christlichen
Konfessionen (Katholiken und Protestanten).1
Islamische Gemeinschaften
Die überwältigende Mehrheit der Muslime (90 %) sind Sunniten (Malikiten, Shafi’iten,
Salafiten). Doch beeinflussen islamische Minderheiten wie Sufis und Schia den
Unterricht und die Bräuche des Islams. Einen immer größeren Einfluss üben muslimische Splittergruppen aus, wie die Muslimische Bruderschaft, die Quranisten und die
Ahmadiyya-Muslime.
Der offiziell anerkannte geistige Führer aller Muslime ist der 20. Sultan von Sokoto,
Sa’adu Abubakar. Der Einfluss des Sultans wird jedoch durch die Lage von Sokoto im
äußersten Nord-Westen des Landes geschwächt, wo es extrem hohe Temperaturen und
schlechte Straßenverhältnisse gibt. Die Probleme werden außerdem durch schlechte
Internet-Verbindungen verstärkt. In seinen Bemühungen, eine friedliche Lösung zwischen den Religionen herbeizuführen, sorgen die oft widersprüchlichen Äußerungen
und Anweisungen des Sultans häufig für mehr Verwirrung als Harmonie unter den
Gläubigen. Selbst für Insider ist es schwer, exakt zu ergründen, welche Position der
in Oxford promovierte, jetzige Sultan Dr. Abubakar zwischen den unterschiedlichen
politischen und religiösen Fronten einnimmt. Das wirkt sich dramatisch auf die Stabilität
des Landes aus.
Als grobe Einschätzung der geografischen Verbreitung religiöser Bewegungen jeder Art
und Schattierungen lässt sich Folgendes sagen:2
Im Norden: Die Einwohner sind zu 80 % Muslime, vorwiegend radikaler Orientierung
– dazu gehören die terroristischen Gruppierungen Boko Haram, Maitatsine (ein radikaler islamischer Prediger, 1971–1984), Darul Islam (True Islam) und seit 2012 auch
Hezbollah, die von Iran und Libanon aus kontrolliert wird, außerdem verschiedene
1
2
Quelle: National Association of Statistics
CIA statistics, Association of religions statistics, Pew research institute.
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andere Gruppen, die sich auf unterschiedliche Aspekte des Islams beziehen. Terror
und Unterdrückung haben zu einer rapiden Abnahme der Zahl der Katholiken und
Protestanten geführt, die aus der Region geflohen sind. Seit 2012 hat sich die Lage
rapide verschlechtert.
In den Staaten des mittleren Gürtels Nigerias: Ein Mischgebiet mit Katholiken,
Protestanten, Muslimen und religiösen Minderheiten. Seit Kurzem sind
Pfingstbewegungen (Redeemers und Heelers) aktiver geworden. Auch in dieser Region
ist es zu einer immer stärker werdenden islamischen Radikalisierung mit zahlreichen
Terroranschlägen gekommen.
Im Westen (Yoruba Land): Die ungefähr 35 Millionen äußerst frommen Yoruba gehören
entweder dem Christentum oder dem Islam an, aber es gibt auch Anhänger der traditionellen Religionen. Die wichtigste ist der Orisha-Kult, eine Mischung aus heidnischer
Religion und mythologisiertem Himmel. Die meisten der pfingstkirchlichen Führer
kommen aus dieser Region. Sie haben wesentlich zur Ausbreitung dieser neuen Art von
massenhypnotischer Religion beigetragen.
Im Süden und Südosten: Die Igbo und Ijaw, die in dieser fruchtbaren Region rund um
das Nigerdelta leben, sind vorwiegend Christen. 60 % davon sind Katholiken und 30 %
Anglikaner der Kirche Nigerias. In dieser Region lebt die größte Anzahl von Juden
(1,2 %). Außerdem finden sich hier Spuren des alten Igbo-Odinani-Kults, in rudimentärer Form, in Kirchen und Moscheen. Auch in dieser Gegend ist es zu einem raschen
Anstieg des radikalen islamistischen Einflusses gekommen, und zwar infolge der finanziellen Anziehungskraft der Bodenschätze (Erdölreserven).
Eine höchst instabile Lage
Nigeria hat ebenso viele Behörden wie Stämme, Dialekte und Religionen –
insgesamt 3.000. Das wird besonders offensichtlich bei den Bemühungen, Gewalt,
Bandenkriminalität und den religiös motivierten Terrorismus zu bekämpfen. Da Polizei
und Militär in vielen Fällen korrupt und von Terroristen infiltriert sind, hat sich die
Bekämpfung der Gewalt bis jetzt als äußerst schwierig erwiesen. In vielen der Attentate
auf christliche Gemeinden waren vermutlich Angehörige der Polizei und des Militärs
involviert. So wurde zum Beispiel im Juli 2012 der Chef der nationalen Abteilung für
die Terrorismusbekämpfung in einem al-Qaida-Trainingslager in Pakistan verhaftet.
Folglich werden islamistische Terrorakte gegen Christen – und auch in steigendem Maß
gegen liberale Muslime – selten ordnungsgemäß untersucht. Es liegen Beweise vor, dass
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mutmaßliche Täter nur festgenommen wurden, um gegen Zahlung unter der Hand freigesetzt zu werden. In anderen Fällen werden sie in Pseudo-Gefängnissen unter­gebracht,
aus denen ihre Gefährten sie leicht befreien können. Es wurden 31 Fälle dieser Art in
der Zeit Juli 2012 – August 2013 gemeldet.3
Religionsausübung und religiöse Toleranz
Auch wenn Artikel 38 der nigerianischen Verfassung unmissverständlich die
Religionsfreiheit verkündet und keine dominierende Religion anerkennt (Artikel 10),
werden beinahe alle gesetzlichen Bestimmungen in der Praxis untergraben – entweder
hinsichtlich des Wohnorts, des Schulbesuchs, der öffentlichen Ämter oder im Hinblick
auf Aspekte der persönlichen Freiheit, wie Bekleidung, Trinken von Bier oder sonstigem Alkohol usw. 2012 und 2013 gab es 44 Anschläge von islamistischen Terroristen
auf Gartenrestaurants, Pubs oder Kaffeehäuser, in denen Bier serviert wurde. Es wurden etwa 104 Menschen getötet, die Zahl der Verletzten wurde statistisch nicht erfasst.
Untersuchungen wurden wegen „Mangel an Beweisen“ abgebrochen.
Wenn öffentlich ausgeschriebene Schlüsselpositionen besetzt werden sollen, sind
Muslime nahezu die einzigen Kandidaten, die vorgestellt werden.
Die Konversion eines Muslims oder einer Muslimin zum Christentum kann fatale
Folgen haben. Das Mindeste, das geschehen kann, ist, dass die betroffene Person von
ihrer Gemeinde ausgeschlossen wird und normalerweise das Gebiet verlassen muss.
Auch wenn das islamische Recht, die Shari’a, theoretisch – und nach Maßgabe der
Verfassung – nur bei Muslimen Anwendung finden sollte, wird es auch bei Nichtmuslimen
eingesetzt. Beschwerden haben kaum Erfolg, weil Richter und Rechtsberater entweder
selbst radikale Islamisten sind oder aber korrupte Beamte, die sich kaufen lassen.
Besonders gefährlich für moderate Muslime und für Christen aller Konfessionen ist
das sogenannte „Blasphemie-Gesetz“, das dazu dienen kann, jede unerwünschte Person
anzuklagen und sie tatsächlich auszuschließen. Im Lauf des Jahres 2012 fanden in den
islamisch dominierten Regionen (nach Schätzwerten von Human Rights Watch) über
200 abgekürzte Blasphemie-Verfahren statt, zum Großteil auf lokaler Ebene. Mehr als
1.400 fatwas wurden von Imamen ausgesprochen (d. h. der Aufruf, Personen wegen
angeblichem „anti-islamischem Verhalten“ zu ächten oder sogar zu töten).
3
CIA statistics, Human Rights Watch – Kenya/USA.
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Deutlich wahrnehmbar ist die dramatische Lage der Christen vor allem in den nördlichen Provinzen Bauchi, Kano, Borno, Adamawa, Gombe, Kaduna, Katsina und in anderen Gebieten.4 Im Oktober 2012 kamen während der Frühmesse in der St.-Rita-Kirche
in Kaduna bei einem Selbstmordattentat vier Menschen ums Leben, weitere 160 wurden verletzt. Im Juni des Folgejahres wurden bei einem Angriff, vermutlich von Boko
Haram organisiert, vier Kirchen im Staat Borno niedergebrannt. Knapp sechs Wochen
später wurden im selben Staat islamistische Extremisten beschuldigt, 44 Menschen die
Kehle durchschnitten zu haben. Es handelte sich vorwiegend um christliche Bewohner
des Dorfes Dumba. Im März 2014 wurden Berichten zufolge mindestens 100 Menschen
Opfer von Angriffen auf christliche Dörfer in der Nähe von Kaduna, die mutmaßlich
von muslimischen Kriegern verübt wurden.
Berichte aus erster Hand über diese und viele andere Gewaltakte und die Bedrängnis
der Christen zeigen das Ausmaß des Leidens auf. In einer Zeugenaussage erzählte ein
Behinderter aus dem Norden Nigerias von seinem Entsetzen, als er gezwungen wurde
zuzuschauen, wie Extremisten eine Reihe von Gräueltaten begingen. Der Rollstuhlfahrer
war zurückgeblieben, als das Personal und die Studenten des St Joseph’s Minor
Seminary, Shuwa, im Staat Adamawa, um ihr Leben rannten, als mutmaßliche BokoHaram-Krieger eindrangen. Bald von den Angreifern entdeckt wurde der Behinderte
im Rollstuhl herumgefahren, um zu sehen, wie die Gebäude in Brand gesetzt wurden.
Er wurde gefragt, ob er seinen christlichen Glauben aufgeben wolle, und musste hilflos
mitansehen, wie vier Männer erschossen wurden. Er schilderte später Kirche in Not:
„Boko Haram hat sehr deutlich gemacht […], dass sie die Christen und die Regierung
bekämpfen.“5
Entführung nigerianischer Schülerinnen
In der Nacht vom 14. auf den 15. April 2014 griffen Mitglieder der Boko-HaramMiliz die staatliche Mädchenschule in Chibok, Borno, im Nord-Osten Nigerias, an
und verschleppten mehr als 300 Mädchen. In den folgenden Tagen konnten sich 50
der Mädchen in Sicherheit bringen, einige sprangen von den Lastern herunter, mit denen sie weggebracht wurden. Die entführten Mädchen waren zum Großteil Christinnen.
In einem Video, das Boko Haram ungefähr einen Monat nach der Entführung herausgab, sah man die Mädchen, die Koranverse aufsagten; einige der Geiseln traten vor
und verkündeten, sie seien zum Islam konvertiert; dann sah man den Boko-HaramPersecuted und Forgotten? A Report on Christians oppressed for their Faith 2012/3 – Aid to the Church
in Need, Oktober 2013, S. 108.
5
ACN News, 3. März 2014.
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Anführer Abubakar Shekau, der verkündete, dass die Mädchen nun Musliminnen seien.
Boko Haram gab an, bereit zu sein, die Mädchen, die nicht zum Islam übergetreten
seien, gegen die Entlassung von Milizangehörigen freizulassen. Während die Kritik an
der angeblich schleppenden Reaktion auf die Entführung seitens der Regierung von
Präsident Goodluck Jonathan immer stärker wurde, kam es auch international zunehmend zu Aufrufen, die Freilassung der Mädchen zu sichern. Die Krise wurde als ein
weiterer Beweis der Unfähigkeit der Regierung angesehen, die islamistische Bedrohung
in Nigeria niederzuschlagen, zeigte aber auch, wie Boko Haram ihre Ziele bewusst verfolgen. Dazu gehört die Vertreibung der Christen aus dem Norden, die Schließung von
Schulen westlicher Prägung und der Nachweis ihrer Überlegenheit über die Regierung
von Präsident Jonathan.6
Versuch einer Erklärung der interreligiösen Konflikte
Aus Platzgründen können nur allgemeine Hinweise angeführt werden. Zu den Ursachen
der Krise gehört der unbegründete Hass gegenüber der Religion der anderen – dieser
Hass beruht auf
– Unkenntnis der wahren Botschaft der anderen Religionen;
– der absichtlichen Verbreitung falscher Informationen seitens radikaler christlicher
und muslimischer Geistlicher;
– Spannungen, die durch ausländische Missionare, vor allem der pfingstkirchlichen
Bewegungen, bewirkt werden, die mit ihren übersteigert provozierenden Slogans
die Muslime brüskieren. Iran, Saudi-Arabien und Sudan senden ihrerseits radikale
Prediger nach Nigeria, um Unwahrheiten und Hass gegen die Christen zu verbreiten
(weil sie angeblich Idole anbeten und eine „entstellte“ Botschaft der Bibel predigen);
– der Verbindung religiöser und wirtschaftlicher Interessen. Wirtschaftshilfe und gemeinnützige Hilfsprogramme werden von China, den USA, Iran und – seit 2005 –
auch immer mehr von der Türkei als Mittel eingesetzt, um „Druck auszuüben und
neue Märkte zu eröffnen“;
– ungelösten Fragen des Eigentumsrechts aus der Kolonialzeit, die in Wirklichkeit
keine religiöse Ursache haben, die jedoch den Gläubigen der einen oder der anderen
Konfession große Probleme bereiten.
Ein zentrales Problem nicht allein für Nigeria, sondern für den Großteil der umgebenden Region, ist der ideologisch fundierte strategische Plan, einen unnachgiebigen
Islam in den subsaharischen Ländern Afrikas einzuführen – vor allem getragen durch
http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-27373287; http://www.theguardian.com/world/2014/may/14/
nigeria-launches-military-operation-to-find-kidnapped-girls
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das aus Erdölvorkommen gewonnene Geld Saudi-Arabiens und anderer streng islamischer Staaten. Informationen und Erkenntnisse aus der gesamten Region weisen auf
eine vorsätzliche Strategie hin, das islamische Recht, die Shari‘a (in allen nördlichen
Staaten) einzuführen, indem vorsätzlich religiöser Hass geschürt wird (als ein Mittel
zum Zweck) oder die Christen einfach vertrieben werden und ein islamischer Staat errichtet wird (das erklärte Ziel von Boko Haram und anderen Bewegungen). Das ist
der Schlüssel, um die Krise in Nigeria zu verstehen. Die Größenordnung des von islamistischen Gruppierungen eingesetzten Waffenarsenals, das dramatische Anwachsen
des Islamismus und der Intoleranz in einst friedvollen Gemeinden sind nur einige der
Anzeichen eines massiven Systemwandels, der regionale, wenn nicht sogar globale
Trends widerspiegelt.
Anhand all dieser Faktoren versteht man, wie es dazu kommt, dass ein scheinbar kleines
Zerwürfnis zu einer scheinbar in keinem Verhältnis dazu stehenden Reaktion führen
kann. Das hat tragische Folgen für einzelne Personen und für die Gesellschaft, denn
diese Krisenherde werden ihrerseits zu einem Ausgangspunkt für Racheakte.
Wachsende Zahl terroristischer Gruppierungen und terroristischer Aktivitäten
Außer der bereits bekannten extremistischen Bewegung Boko Haram (grob übersetzt mit: „Westliche Bildung ist sündhaft“) sind auch Darul Islam und Hezbollah
aktiv. Boko Haram ist nach eigenen „Angaben“ für mindestens 32.000 Morde und
Anschläge verantwortlich, außerdem für Brandanschläge auf 120 christliche Kirchen
aller Glaubensrichtungen. Die überwältigende Mehrheit der Opfer sind Christen. Doch
werden seit Kurzen immer mehr Anschläge auf Muslime und muslimische Geistliche
verübt, und es kommt auch zur Zerstörung von Moscheen – was als Warnung ausgelegt
wird.
Die terroristischen Gruppen Darul Islam und Hezbollah haben sich vor allem auf tödliche Hinterhalte und Überfälle auf Banken und staatliche Sicherheitseinrichtungen
(Waffenlager, Polizei- und Militärstützpunkte) spezialisiert. Bei diesen Angriffen wurden von Mitte Juli 2012 bis Oktober 2013 rund 400 Menschen ermordet. Was die horrenden Materialverluste anbelangt, gibt es nur ungefähre Schätzwerte.
Beinahe täglich geben die Polizei und andere für die Sicherheit zuständigen Stellen
Erklärungen ab, dass sie die terroristische Gefahr unter Kontrolle haben, doch immer wieder beweisen die Umstände, dass dem nicht so ist. Die Menschen in den
Krisenregionen haben darauf hingewiesen, dass sie überhaupt kein Vertrauen mehr in
die Sicherheitseinrichtungen des Landes haben.
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Die Frustration der Christen kocht über
Trotz aller Aufrufe geistlicher Führer, nicht mit Gewalt auf Gewalt zu reagieren, scheint
bei vielen Christen in den betroffenen Regionen die Geduld erschöpft zu sein. Einige,
vor allem wahrscheinlich junge Menschen, haben das Gefühl, dass ihnen nichts anderes übrig bleibt, als die Sache selbst in die Hand zu nehmen. So wird z. B. von einer
christlichen Extremistengruppe namens Akhwat Akwop im Staat Plateau gesprochen,
doch die Berichte sind unbegründet. Im Dezember 2013 beschuldigte der Höchste
Rat der Shari‘a die Christen, Krieg gegen die islamische Religion zu führen. Mit der
Behauptung, dass zahlreiche Christen Straftaten begangen hätten, sogar gegen Kirchen,
sagte der Generalsekretär des Rats, Dr. Ibrahim Datti Ahmad: „Seit einiger Zeit gibt
es zahlreiche Fälle von Christen, die in Terrorakten involviert sind, doch wurden diese
Akten niemals von der Polizei untersucht […] sogar in den Fällen, in denen sie von der
Polizei auf frischer Tat erwischt wurden.“7
Interreligiöser Dialog und Bemühungen um Frieden und Eintracht
Neben der zunehmenden Gewalt sind auch viele Versuche unternommen worden, die
religiös motivierte Gewalt einzudämmen. Doch wenn es zu Erfolgen auf diesem Gebiet
gekommen ist, sind diese nur vorübergehend und beschränken sich auf die lokale
Ebene. „Die Schaffung eines wahren religiösen Friedens in Nigeria erfordert viel Zeit
für Versöhnung“, schrieb der in Oxford promovierte Dr. Ahmed Lehmu.8 Es folgen einige typische, positive Beispiele:
Der Nigerian Inter-Religious Council (NIREC) ist eine Vereinigung von christlichen
und muslimischen Würdenträgern (je 50) unter dem Doppelpräsidium der Christian
Association of Nigeria (CAN) und des Sultans von Sokoto.
Die Christian Association of Nigeria (CAN) macht gerade eine Identitätskrise durch.
Die beteiligten Katholiken unter der Führung des Vorsitzenden der Bischofskonferenz,
Erzbischof Ignatius Kaigama, werfen der CAN vor, ineffizient und von Sekten untergraben zu sein, und fordern eine Reform.
Das Muslim Network of Islamic Organisations for Peace (Muslimisches Netz
Islamischer Organisationen für den Frieden) ist dagegen äußerst effektiv. Regelmäßige
Arbeitstreffen mit der Zielsetzung, Brücken zwischen Christen und Muslimen zu bau7
8
Daily Post, Nigeria online newspaper, 5. Dezember 2013.
Islam News.
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en, beginnen bei der Landbevölkerung Erfolg zu haben. Im Staat Niger haben die interreligiösen Spannungen nachgelassen dank der Friedensbemühungen von Sheikh
Dr. Ahmed Lehmu und seines Sohns Nurudeen.
Am 6. Februar 2012 veranstalteten Christen und Muslime als Antwort auf eine besonders grausame Gewalttat von Boko Haram, die auf beiden Seiten Hunderten von
Menschen das Leben gekostet hatte, eine Reihe von gemeinsamen Gebetswachen in
Kano, im Norden Nigerias. Beim Versuch, die Wurzeln des Übels herauszureißen, hat
der Sicherheitsdienst des Staates begonnen, die Predigten in den Moscheen und Kirchen
zu überwachen. Die Prediger selbst müssen um Genehmigung bei den Behörden anfragen. Man hofft, durch diese Kontrollmaßnahmen die Verbreitung von Botschaften
einzudämmen, die ansonsten zu religiösen Konflikten führen könnten.9
Die Lage hinsichtlich der Religionsfreiheit hat sich im Beobachtungszeitraum nachweislich verschlechtert. Die Verfolgung von Christen ist von Region zu Region unterschiedlich. In den Nordstaaten (vor allem in Kano, Kaduna, Bauchi, Gombe, Yobe,
Katsina) leiden praktisch alle Christen unter dem islamistischen Terror oder befinden
sich in ständiger Gefahr, getötet, aus ihren Dörfern vertrieben, beraubt oder vergewaltigt zu werden. Weiter im Süden ist diese Tendenz weniger deutlich – mit Ausnahme
des Staats Nassarawa. Die Verfolgung unterscheidet kaum nach Konfessionen – solange es sich um Christen handelt. Berichten zufolge wurden zwischen 2001 und
Oktober 2013 32.000 Christen getötet, 12.000 Christen starben allein im Zeitraum
2011–Oktober 2013.10
9
http://fides.org/en/news/30946
United Nations, November 2013.
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