Editorial Oktober 2013 - Steuerkanzlei Weichselbaum
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Editorial Oktober 2013 - Steuerkanzlei Weichselbaum
Umsatzsteuer: „Die Welt tanzt auch nach der Bundestagswahl“ Egal wie sich die Parteien nach einer, wie ich meine, bemerkenswerten Bundestagswahl „zusammenraufen“ werden, die Steuerpolitik, deren Umsetzung und die Auswirkungen auf uns als Steuerbürger wird uns weiter beschäftigen. Ich möchte nicht so lange warten und Ihnen, verehrte Leser meiner monatlichen Editorials, stattdessen in der aktuellen Ausgabe eine doch recht interessante Information aus dem Bereich der Umsatzsteuer mitteilen. Steuerbefreiung für Ballett- und Tanzschulen Die Ballsaison hat begonnen und so mancher von Ihnen wird sich „neuen Schliff“ für die anstehenden Tanzrunden in einer Tanzschule geholt haben. Für Tanzschulen stellt sich dabei stets die Frage, ob die damit verbundenen Umsätze der Umsatzsteuer unterliegen oder nicht. Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, da das Angebot von Tanzschulen zu ständigen Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung über Steuerpflicht vs. Steuerfreiheit führt. Voraussetzung für die Steuerbefreiung Mit Urteil vom 24.1.2008 (BStBl 2012 II S. 267) hat der BFH die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen von Ballett- und Tanzschulen dargestellt. In der Entscheidung ging der BFH zwar nicht auf nationale Normen ein, verwies jedoch darauf, dass sich Unternehmer grundsätzlich unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der 6. EG-RL (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL) berufen können. Diese unionsrechtliche Vorschrift befreit u. a. Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen. Für Tanzschulen ist somit für die Steuerfreiheit entscheidend, ob vergleichbare Leistungen wie in Schulen erbracht werden und ob die Leistungen der bloßen Freizeitgestaltung dienen. Annahme eines Schul- und Bildungszwecks Die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, dass eine Einrichtung auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet, kann ein Indiz dafür sein, dass Leistungen, die tatsächlich dem Anforderungsprofil der Bescheinigung entsprechen, nicht den Charakter einer bloßen Freizeitgestaltung haben, sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen. © Steuerkanzlei Weichselbaum Oktober 2013 SEITE 1 / 3 Mein Beraterhinweis: Gegenteilige Anhaltspunkte, die zur Annahme reiner Freizeitgestaltungen führen, können sich z. B. aus dem Teilnehmerkreis oder aus der thematischen Zielsetzung der Unterrichtsleistung ergeben. Bei Tanzschulkursen, die von ihrer Zielsetzung auf reine Freizeitgestaltung gerichtet sind wie z. B. - Kurse, die sich an Eltern von Schülern richten, um die Wartezeit während des Unterrichts der Kinder sinnvoll zu nutzen - Kurse für Senioren oder - Kurse für allgemein am Tanz interessierte Menschen (z. B. spezielle Hochzeits- und Crashkurse) dürften im Wesentlichen steuerpflichtige Umsätze vorliegen. Diese generelle Unterscheidung war der Finanzverwaltung offenbar nicht ausreichend. Durch eine neue Verfügung der Oberfinanzdirektion Niedersachsen wird der Versuch unternommen, diese Rechtsprechung im Sinne der Verwaltung einzuschränken. Die OFD vertritt nunmehr die Auffassung, dass die Umsätze aus zwei bestimmten Kursen, die von Tanzschulen angeboten werden, nicht steuerbefreit sind. Es geht konkret um die Kurse „Welttanzprogramm” und „Medaillentanzen”. Nach den Ausführungen der OFD Niedersachsen werden im Rahmen des „Welttanzprogramms” Tänze erlernt, die zu den weltweit gespielten Musikrichtungen passen, zum Beispiel Disco, Swing oder Walzer. Unterrichtsziel ist es, zu jedem gesellschaftlichen Anlass den passenden Tanz zu erkennen und anzuwenden. Die Medaillenkurse, die zum Deutschen Tanzabzeichen führen, bauen auf dem „Welttanzprogramm” auf und dienen dazu, die bis dahin erworbenen Fähigkeiten zu erweitern und zu verfeinern. Insbesondere wird hier Wert auf den tänzerischen Bewegungsstil gelegt. Auch in diesen Kursen werden – so die OFD – Gesellschaftstänze eingeübt. Also im Privatleben angewandte Fähigkeiten ausgebaut. Es handele sich um keine Schulungsmaßnahme, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dient oder die einen direkten Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf aufweist. Vergleichbare Leistungen würden auch nicht in Schulen erbracht. Die Kurse dienten der reinen Freizeitgestaltung. © Steuerkanzlei Weichselbaum Oktober 2013 SEITE 2 / 3 Mein Beraterhinweis: Die sich aus der Verfügung der OFD aus Hannover ergebende Erkenntnis ist nicht vereinbar mit dem BMF-Schreiben vom 2.4.2012 zu diesem Thema, da dort eine großflächige Steuerfreistellung von der Finanzverwaltung gewünscht ist. Da die Grundsätze des BMF-Schreibens vorgehen, sind diese Inhalte zwingend zu berücksichtigen. Sollten Sie zu diesen oder anderen Themen noch Fragen haben, so freut sich mein Team von Ihnen zu hören/lesen. Mit freundlichen Grüßen aus dem Merian Forum Gerhard Weichselbaum vereidigter Buchprüfer, Steuerberater © © Steuerkanzlei Weichselbaum Oktober 2013 SEITE 3 / 3