In Buona Compagnia - Hochschule für Künste Bremen

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In Buona Compagnia - Hochschule für Künste Bremen
Sonntag, 5.5.2013, 18.00 Uhr
Bremer Geschichtenhaus, Wüstestätte 10
Eintritt frei - Spenden sind willkommen
In Buona Compagnia
Musikalische Reise durch Europa vom 15. ins 17. Jahrhundert
Chiyuki Okamura - Sopran
Katja Kuzminykh - Viola da Gamba
Petra Schneider - Laute
Musikalische Reise
Die Renaissance ist das Zeitalter der Entdeckungen: nicht nur die Kultur der griechischen und
römischen Antike wird wiederbelebt, neue Kontinente und fremde Kulturen entdeckt, sondern
auch die Individualität des Menschen als schöpferisch tätige Einzelperson.
In dieser Zeit werden auch vermehrt Reiseberichte verfasst um die Neugier der Menschen,
welche mit der Entdeckung Amerikas und den Expeditionen der Portugiesen in den Indischen
Ozean entfacht worden ist, zu stillen. So fremd wie den Menschen damals andere Länder und
Sitten gewesen sind, so fremd ist wohl vielen heute die Musik der Renaissance. Während
Barockmusik wieder stark rezipiert wird und mediale Aufmerksamkeit erfährt, ist die Renaissancemusik für die meisten noch eine unbekannte Welt.
Wir laden Sie darum ein, uns auf einer musikalischen Reise durch Europa vom fünfzehnten ins
siebzehnte Jahrhundert zu begleiten und dabei allerhand zu entdecken.
Ausgangspunkt der Reise ist die franko-flämische Musik des 15. Jahrhunderts, die damals in
ganz Europa sehr geschätzt wird. „De tous biens plaine“ gehört zu den ältesten erhaltenen
Chansons Hayne van Ghizeghems, es gibt Quellen aus der Zeit um 1470, und wir begegnen ihr
1517 in Italien wieder, als kunstvoll ausgeschmücktes Lautenstück im Tabulaturbuch des
Vincenzo Capirola.
Der bekannteste Komponist des frühen 16. Jahrhunderts ist Josquin Desprez, kein anderer ist in
diesem Jahrhundert so oft und über einen so langen Zeitraum nachgeahmt worden wie er. „Mille
regretz“ ist seine bekannteste Chanson, obwohl sich heute einige Musik-wissenschaftler nicht
mehr sicher sind, ob sie überhaupt von ihm stammt.
Sehr viele Instrumentalstücke im sechzehnten Jahrhundert heißen Ricercar. Der Begriff leitet
sich vom italienischen Verb ricercare (dt. suchen, forschen) ab und meint im musikalischen Sinn
improvisieren, präludieren. Die so bezeichneten Stücke sind, da sie nicht an einen Text gebunden
sind, anfangs sehr frei gestaltet und werden ab der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts in
Imitationstechnik kunstvoll auskomponiert.
Capirolas „Ricercar primo“ ist eine frühe Form, die einer aufgeschriebenen Improvisation gleicht.
Bei Marco dall’Aquilas Ricercaren steht die Entdeckung der klanglichen- und polyphonen
Möglichkeiten der Laute im Vordergrund und die Ricercare oder Fantasien von Francesco da
Milano und seines Schülers Perino Fiorentino sind polyphone Kompositionen, die ab und an von
virtuosem Laufwerk durchbrochen werden.
Anders funktionieren die Recercadas des Spaniers Diego Ortiz. Sie sind Variationen über einem
ostinaten Bass, z.B. über die Tänze „La Spagna“ oder „La Gamba“ (Recercada No. 8), einer
Galliard, welche bei Marco dall’Aquila „La cara cossa“ heißt.
Christopher Simpsons „Divisions on a ground“ sind ebenfalls Variationen über einen ostinaten
Bass. In seinem 1659 erschienenem Lehrwerk „The Division-Violist“ gibt er eine ausführliche
Anleitung zum Improvisieren solcher Variationen auf der Gambe, die aber auch für alle anderen
Instrumentalisten sehr interessant und lehrreich ist.
In England waren die beliebtesten Tänze dieser Zeit die Pavan, ein langsamer, geradtaktiger
Schreittanz, sowie die Galliard, ein schneller, gesprungener Tanz im Dreiertakt. Die beiden Tänze
treten oft paarweise auf und verwenden dann ähnliches musikalisches Material. Daneben gibt es
die Almayne, ein Tanz deutscher Abstammung, der, laut Thomas Morley, wie das Volk nach dem
er benannt ist ein wenig behäbig und schwerfällig sei, und die Jig oder Jigge, ein wiederum
schneller Tanz.
Lautenlieder sind in England, Italien und Frankreich eine beliebte Musikgattung der Spätrenaissance. Zu den bekanntesten englischen Vertretern gehört John Dowland. Seine Lieder sind auch
heute, spätestens seit sich der britische Rockmusiker Sting ihrer annahm, einem breiteren Publikum bekannt. Aber da ein guter Reiseführer immer auch ein paar Geheimtipps geben will, stellen
wir Ihnen heute Lieder der Komponisten Danyel und Handford vor.
John Danyel war bei der Familie Grene in Great Milton, einer Ortschaft in der Nähe von Oxford,
als Musiklehrer für deren Tochter Anne angestellt. Ihr sind die 1606 erschienenen „Songs to the
lute viol and voice“ gewidmet und es tauchen in den Liedern immer wieder Bezüge zu „Green“
auf. Der Text von „Like as the lute delights“ stammt aus der Feder von Samuel Danyel, Johns
älterem Bruder. Es handelt sich um das 47. Sonett aus seinem Sonett-Zyklus „Delia“ (1592).
George Handford ist ein völlig unbekannter Komponist. Von ihm ist lediglich ein Manuskript mit
zwanzig Liedern erhalten. Die Sammlung beginnt mit einer Widmung an Prinz Henry von Wales,
gefolgt von einem Inhaltsverzeichnis. Obwohl sie wie die Vorlage für einen Druck erscheint, ist
sie wohl nie veröffentlicht worden. Auch findet sich keines der Stücke in anderen Liedsammlungen der Zeit.
An Handfords Liedern zeigt sich wiederum die Begleitpraxis des Gesangs mit beiden, einer Laute
und einer Viola da Gamba. Stilistisch stehen die Lieder zwischen den eigentlichen Lute Songs,
mit einer sorgfältig komponierten, oft kontrapunktischen Lautenstimme und dem Continuo Song
des siebzehnten Jahrhunderts, der eine improvisierte Aussetzung der notierten Bassstimme gemäß den Fähigkeiten des Ausführenden vorsieht.
Die Texte sind alle anonym, mit Ausnahme von „Now each creature ioyes the other“ aus der
Feder von Samuel Danyel, und behandeln die üblichen Sujets: Liebe und Leidenschaft, sowie die
damit verbundenen Sorgen und Klagen.
Programm
Hayne van Ghizeghem (um 1445—vor 1497)
De tous biens plaine
Vincenzo Capirola (1474—ca. 1548)
Ricercar primo
De tous biens plaine
Spagna prima
Marco dall’Aquila (ca. 1480—nach 1538)
Ricercar No. 13 & No. 17
Josquin Desprez (um 1455—1521)
Mille regretz
Marco dall’Aquila
La cara cossa
Diego Ortiz (um 1510—ca. 1570)
Recercada No 8
Perino Fiorentino (1523—1552)
Fantasia No. 6
Anonym
Ricercar del secondo tono
Giulio da Modena (1498—1561)
Ricercar del quinto tono
Anonym
Ricercar del quinto tono
Francesco da Milano (1497—1543)
Ricercar No. 34 “La Compagna”
Diego Ortiz
Recercada prima sobre la Spagna
Recercada No 2
~~~~
Christopher Simpson (um 1605—1669)
Divisions on a ground
Tobias Hume (ca. 1569—1645)
The Duke of Holstones Almayne
The Spirit of Gambo
A Jigge
John Danyel (1564—1626)
Like as the lute delights
Francis Cutting (ca. 1550—1595)
Mrs. Anne Markham’s Pavan and Galliard
George Handford (1582/85—1647)
Hide not from me those eyes
Come sullen night
Now each creature joys the other
De tous biens plaine
De tous biens plaine est ma maistresse
Chacun luy doibt tribut d'honneur,
Car assouvye est en valeur
Autant que jamais fut déesse.
Voller Tugend ist meine Geliebte,
Jeder muss ihr Ehrentribut zollen,
denn sie ist voller Wert,
Ebenso sehr wie je eine Göttin.
En la voiant j'ay tel léesse
Que c'est paradis en mon cueur.
Sie anzusehen bereitet mir so große Freude
Dass ich das Paradies im Herzen spüre.
De tous biens plaine est ma maistresse
Chacun luy doibt tribut d'honneur,
Voller Tugend ist meine Geliebte,
Jeder muss ihr Ehrentribut zollen,
Je n'ay cure d'aultre richesse
Si non d'estre son serviteur,
Et pour ce qu'il n'est chois meilleur
En mon mot porteray sans cesse.
Ich trachte nicht nach anderen Gütern
außer ihr Diener zu sein,
Und weil das die beste Wahl ist
Werde ich mein Wort für immer halten.
De tous biens plaine est ma maistresse
Chacun luy doibt tribut d'honneur,
Car assouvye est en valeur
Autant que jamais fut déesse.
Voller Tugend ist …
Mille regretz
Mille regretz de vous abandonner
Et d`eslonger vostre face amoureuse.
J`ay si grand dueil et paine douloreuse
Qu`on me verra brief mes jours deffiner.
Tausendfaches Bedauern dich zu verlassen
Und mich von deinem geliebten Antlitz zu entfernen.
Ich habe so großen Kummer und schmerzhafte Qual,
Dass meine Tage bald zu Ende gehen werden.
Like as the lute delights
Samuel Daniel (1562–1619)
Like as the lute delights, or else dislikes,
As is his art that plays upon the same;
So sounds my muse, according as she strikes
On my heart strings, high-tuned unto her fame.
So wie die Laute erfreut oder missfällt,
Ganz nach der Kunst dessen, der auf ihr spielt;
So erklingt meine Muse entsprechend ihres Anschlags
Auf den Saiten meines Herzens, hochgestimmt zu ihrem Ruhm.
Her touch doth cause the warble of the sound,
Which here I yield in lamentable wise;
A wailing descant on the sweetest ground,
Whose due reports give honour to her eyes.
Ihre Berührung verursacht das Zittern des Tons,
Den ich hier auf beklagenswerte Art hervorbringe;
Ein wehklagender Diskant über süßestem Bass,
Dessen gebührender Bericht ihren Augen zu Ehren gereicht.
If any pleasing relish here I use,
Then judge, the world, her beauty gives the same;
Else harsh my style, untuneable my muse:
Hoarse sounds the voice that praiseth not her name.
Wenn ich irgendeine gefällige Verzierung verwende,
Dann richte, Welt, ihre Schönheit tut das Gleiche.
Ist rau mein Stil, unstimmbar meine Muse:
Heiser die Stimme, die ihren Namen nicht preist.
For no ground else could make the music such,
Nor other hand could give so sweet a touch.
Denn kein andrer Grund könnt‘ derlei Musik hervorbringen,
Noch andre Hand solch süße Berührung schenken.
Hide not from me those eyes
Hide not from me those eyes in whose bright flame
My heart doth like the salamander burn;
Hide them but now and then, lest by the same,
My heat o’ercome, thou me to ashes turn.
So shalt thou cherish, not surcharge, desire
And keep me living in a double fire.
Verbirg nicht vor mir diese Augen, in deren heller Flamme
Mein Herz wie ein Salamander brennt;
Verbirg sie nur ab und zu, dass nicht durch sie
Meine Hitze übermächtig wird, Du mich zu Asche machst.
So sollst Du das Begehren ehren, nicht überreizen,
Und lass mich in einem doppelten Feuer leben.
Oh, gently, gently come, but not too fast,
And let me feel those kindly burning rays.
Now come away, away, oh sweet; make haste!
Alas, why make you longer, longer stay?
Make haste or stay and feed me with desire
And keep me living in a double fire.
Oh, sanft, komm sanft, aber nicht zu schnell,
Und lass mich diese sacht brennenden Strahlen fühlen.
Jetzt geh, geh weg, oh Süße; beeile dich!
Ach, warum bleibst Du länger, länger hier?
Beeile dich oder bleibe und nähre mich mit Lust
Und lass mich in einem doppelten Feuer leben.
Come, sullen night
Come, sullen night, that in thy silent cover
Like ruthful birds my swarming cares may hover.
Come, sullen night, let cold despair assay
The restless floodgate of my eyes to stay.
But come what will, alas noontide or morrow,
All seemeth dark in this my night of sorrow.
Komm, düstere Nacht, dass unter deiner stillen Decke
Meine Sorgen umherschwirren wie klagende Vögel.
Komm, düstere Nacht, lass kalte Verzweiflung
die rastlosen Schleusentore meiner Augen auf die Probe stellen.
Aber komme, was will, ach Mittag oder Morgen,
alles scheint dunkel in dieser meiner Nacht der Sorgen.
Now each creature joys the other
Samuel Daniel (1562–1619)
Now each creature joys the other,
Passing happy day and hours;
One bird reports unto another,
In the fall of silver showers;
Whilst the Earth, our common mother,
Hath her bosom decked with flowers.
Nun erfreut sich jedes Wesen am anderen,
Verbringt glückliche Tage und Stunden.
Ein Vogel antwortet dem andern,
In den silbrigen Regenschauern;
Während die Erde, unser aller Mutter,
Ihren Busen mit Blumen bedeckt.
Whilst the greatest torch of heaven,
With bright rays, warms Flora’s lap;
Making nights an days both even,
Cheering plants with fresher sap:
My field, of flowers quite bereaven,
Wants refresh of better hap.
Während die größte Himmelsfackel,
Mit hellen Strahlen, Floras Schoss erwärmt,
Tage und Nächte gleich macht,
Pflanzen frischem Saft spendet:
Will sich mein Feld, aller Blumen beraubt,
An besserem Schicksal erfrischen.
Echo, daughter of the air,
Babbling guest of rocks and hills,
Knows the name of my fierce fair,
And sounds the accents of my ills.
Each thing pities my despair,
Whilst that she, her lover kills.
Echo, Tochter der Lüfte,
Murmelnder Gast von Felsen und Hügel,
Kennt den Namen meiner wilden Schönen,
Und lässt den Tonfall meiner Leiden erklingen.
Ein jedes Ding bemitleidet meine Verzweiflung,
Während sie ihren Geliebten umbringt.
Whilst that she, o cruel maid!
Doth me and my love despise;
My life’s flourish is decayed,
that depended on her eyes:
But her will must be obeyed;
And well, he ends, for love, who dies.
Während sie, oh grausame Maid!
Mich und meine Liebe verschmäht;
Vergeht die Blüte meines Lebens,
Die von ihren Augen abhing:
Aber ihr Wille muss befolgt werden;
Und gut endet der, der für Liebe stirbt.
In Buona Compagnia
Die Sopranistin Chiyuki Okamura kam im japanischen Kochi zur Welt. Sie studierte zunächst an der Universität in ihrer Heimatstadt bei dem Bass Joji Obara und schloss ihr
Studium mit Bachelor und Master ab. In Deutschland setzte sie ihre Ausbildung am Hamburger Konservatorium bei Knut Schoch fort, bevor sie an die Hochschule für Künste
Bremen wechselte, wo sie Schülerin von Harry van der Kamp, Clemens Löschmann, Peter
Kooij und Gemma Bertagnolli wurde. Darüber hinaus rundete sie ihre musikalische Ausbildung mit Privatunterricht bei Helmut Kretschmar und Meisterkursen bei Norman Shetler
und Christoph Prégardien ab. Der besondere Schwerpunkt von Chiyuki Okamuras künstlerischer Tätigkeit liegt auf der Beschäftigung mit Alter Musik und historischer Aufführungspraxis. Daneben singt sie regelmäßig in verschiedenen Vokalensembles und tritt solistisch
auf, unter anderem in ihrer Heimatstadt Kochi, in Tokio, Osaka, Nagoya und Kanazawa
sowie in Deutschland – beispielsweise in Hamburg, Lüneburg, Rendsburg und Köln – sowie
in Warschau, Sankt Petersburg und Shanghai.
Katja Kuzminykh hat in Novosibirsk, der drittgrößten Stadt Russlands, modernes Cello
studiert und war Stimmführerin im Barockorchester "MusikAeterna". Außerdem wirkte sie
als Gambistin im Ensemble für Alte Musik "Insula Magica" mit und hat mit diesem an
mehreren Europatourneen teilgenommen. Den ersten Unterricht auf der Viola da Gamba
erhielt sie 2005 von Paolo Biordi in Florenz. Danach besuchte sie weitere Meisterkurse bei
Bruno Cocset, Paolo Biordi und Vittorio Ghielmi. Seit drei Jahren lebt Katja in Deutschland
und studiert Gambe bei Prof. Hille Perl an der Hochschule für Künste in Bremen.
Petra Schneider studierte zunächst klassische Gitarre und Musikwissenschaft in Frankfurt
am Main und Stuttgart. Angeregt durch ihr großes Interesse an der Musik des sechzehnten
und siebzehnten Jahrhunderts begann sie sich mit dem Spiel historischer Zupfinstrumente
zu beschäftigten. Sie studierte Laute, Theorbe und Barockgitarre bei Julian Behr an der
Musikhochschule in Nürnberg und ist als Musikwissenschaftlerin tätig. Meisterkurse bei
Paul O’Dette, Hopkinson Smith, Nigel North und Rosario Conte ergänzten und bereicherten
ihre musikalische Ausbildung. Momentan absolviert sie ein Masterstudium Alte Musik bei
Joachim Held und Simon Linné an der Hochschule für Künste in Bremen.
Hochschule für Künste Bremen
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