Richard Holbrooke und Martti Ahtisaari. Zur Rolle von Mediatoren in
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Richard Holbrooke und Martti Ahtisaari. Zur Rolle von Mediatoren in
Dietmar Müller, Adamantios Skordos (Hg.) Leipziger Zugänge zur rechtlichen, politischen und kulturellen Verflechtungsgeschichte Ostmitteleuropas Leipziger Universitätsverlag 2015 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verbreitung in elektronischen Systemen. Das dieser Publikation zugrunde liegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01UG1410 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt liegt bei den Autoren. © Leipziger Universitätsverlag 2015 Satz: K & M, Leipzig Druck: docupoint GmbH, Barleben Cover: berndtstein | grafikdesign, Radebeul ISBN 978-3-86583-914-5 Cindy Daase Die Superfriedensstifter – Richard Holbrooke und Martti Ahtisaari. Zur Rolle von Mediatoren in Friedens- und Rechtsetzungsprozessen* Einleitung Ende der 1960er Jahre hatte ein heute weitgehend vergessener Comic-Superheld sein Debüt: The Peacemaker (Der Friedensstifter). Hinter dem Peacemaker verbarg sich Christopher Smith, Diplomat und Sondergesandter der Vereinigten Staaten von Amerika bei der Genfer Abrüstungs-Konferenz. Smith, eigentlich überzeugter Pazifist, liebte den Frieden so sehr, wie der Untertitel des Comics verriet, dass er bereit war für diesen zu kämpfen.1 Immer dann, wenn diplomatische Verhandlungen scheiterten oder aussichtslos waren, zog Smith seinen mit einem Geheimwaffenarsenal ausgestatteten Anzug des Peacemakers an. In einer Ausgabe kämpfte Smith, alias The Peacemaker, gegen Colonel Utz, einen Schurken vom Balkan. Dem Peacemaker gelang es die Bedrohung des Weltfriedens durch Colonel Utz und seine Guerilla-Truppen effektiv zu stoppen, indem er einen seiner tragbaren Nuklearsprengsätze einsetzte. The Peacemaker No. 1, March 1967, Cover, by Pat Bovette Boyette. * Dieser Beitrag basiert auf Recherchen der Autorin und ihrer Publikation zu The Law of the Peacemaker: The Role of Mediators in Peace Negotiations and Lawmaking, Cambridge Journal of International and Comparative Law 1 (2012), S. 107-135, die während ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e. V. an der Universität Leipzig (GWZO) in einem Projekt unter der Leitung von Stefan Troebst entstanden ist. 1 Der Peacemaker hatte seinen ersten Gastauftritt in The Fightin’ 5 40 (1966); er erhielt dann seine eigene Serie mit The Peacemaker, 1 (1967); und kämpfte gegen Colonel Utz in The Peacemaker 2 (1967). 60 Cindy Daase In der realen Welt war The Peacemaker ein nur von mäßigem Erfolg gekrönter Superhelden-Comic. Er ist jedoch ein wertvolles Fundstück, dass in einer Stefan Troebst zugeeigneten Schrift als Anregung für gleich mehrere Beiträge dienen könnte, die in einen Dialog mit seiner Forschung und seinen Publikationen zur Zeitgeschichte Südosteuropas, zur Kulturgeschichte Ostmitteleuropas, zu Erinnerungskulturen sowie zur visuellen Geschichtskultur treten. Die Autorin wird jedoch vor allem Bezug zum jüngsten Schwerpunkt des vielseitigen Wirkens Stefan Troebsts nehmen: Einer Geschichte der internationalen Beziehungen und des Völkerrechts aus ostmittel- und osteuropäischer Perspektive, insbesondere mittels prosopographischer Zugänge.2 Der Peacemaker-Superheld dient als Illustration des im populären aber auch im akademischen Diskurs kreierten Mythos zur Rolle und Funktion von charismatischen Friedensstiftern in der Verhandlung von Friedensabkommen.3 In der Praxis changieren die internationalisierte Verhandlung und Umsetzung von Friedensabkommen zur Beilegung innerstaatlicher Konflikte in rechtlichen und politischen Grauzonen. Diese sind Versuchslabore für das Zusammenwirken von Normen und Konzepten des Völkerrechts, des innerstaatlichen Rechts und des Engagements verschiedener externer Akteure neben den Konfliktparteien. Mediation bzw. Vermittlung wird dabei zumeist als institutionalisierte Form der Beteiligung externer Akteure betrachtet.4 Die Rolle von individuellen Vermittlern oder Friedensstiftern hingegen steht nur selten im Fokus der rechtlichen Analyse.5 Vor diesem Hintergrund wird dieser Beitrag nun die Rollen und Funktionen von individuellen Friedensstiftern, ihrer Mandate, ihrer Amtsführung sowie ihrer guten Dienste am Beispiel des US-Sondergesandten Richard Holbrooke im Verhandlungsprozess des Abkommens von Dayton (1994/1995) sowie des Sondergesandten der Vereinten Nationen (VN) Martti Ahtisaari in den Verhandlungen über den Status des Kosovo (2005–2007) aus vergleichender Perspektive in den Mittelpunkt stellen. Im Zentrum des Erkenntnisinteresses steht der rechtspolitische Rahmen, der das Handeln von Friedensstiftern prägt, und die rechtlichen Dimensionen, die ihr Engagement annehmen kann. Wirken Friedensstifter dem traditionellen Bild entsprechend auf Einladung der Konfliktparteien und damit als Vermittler in einem von diesen festgelegten politischen und rechtlichen Rahmen und folgen sie deren Zielsetzung? Oder dominieren sie vielmehr bei ihrem Versuch, nicht nur den unmittelbaren gewaltsamen Konflikt zu beenden, sondern einen dauerhaften Friedensprozess zu gestalten, letztgenannten zunehmend pro-aktiv? Darüber hinaus könnten sie in Anbetracht der Tatsache, dass ihr Auftrag häufig auf einem externen Mandat basiert, bereits im Vorfeld den inhaltlichen, rechtlichen und politischen Rahmen des Transitionsprozesses determinieren. Setzt das (Völker-)Recht einen Rahmen für Vermittlungsprozesse und damit für die Rollen und Funktionen von individuellen Friedensstiftern? Wird das Völkerrecht zum Instrument in den Händen des Friedensstifters, um den zwischen den Parteien ausgehandelten Kompromiss in der Sprache des Rechts zu kodieren? Um diesen Fragen nachzugehen wird hier zunächst ein kurzer allgemeiner Überblick über Formen und Funktionen von Mediation und Mediatoren in Friedensverhandlungen gegeben. Im Anschluss sollen die Rollen von Mediatoren im Zuge der Auflösung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) beleuchtet werden. Der anstehende 20. Jahrestag des Abkommens von Dayton bietet zudem 2 Siehe z. B. Stefan Troebst: Lemkin and Lauterpacht in Lemberg and Later. Pre- and Post-Holocaust Careers of Two East European International Lawyers. In: IWM, http://www.iwm.at/transit-authors/stefantroebst/(5.7.2014). 3 Harriet Martin (Hg.): Kings of Peace, Pawns of War. The untold story of peace-making, London 2006. 4 Die Begriffe Mediation und Vermittlung werden synonym verwendet. 5 Die Begriffe Mediator, Vermittler und Friedensstifter werden synonym verwendet. Die Superfriedensstifter – Richard Holbrooke und Martti Ahtisaari 61 einen passenden Anlass dafür, Fallbeispielen und Vergleichen aus dem Kontext der Auflösung der SFRJ besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Zur Rolle und Funktion von Mediatoren in Friedensverhandlungen Welche analytischen und methodologischen Zugänge eignen sich am besten, um die Rollen und Funktionen des individuellen Vermittlers als auch seines Mandats und seiner Amtsführung zu analysieren? Der Antwort auf diese Eingangsfrage muss das Eingeständnis vorausgehen, dass sich Friedensverhandlungen und damit auch die Rolle und Funktion von Vermittlern und ihrer Amtsführung häufig einer direkten, quellengestützten Analyse entziehen, da sie im Geheimen, hinter verschlossenen Türen stattfinden. Der Zugang zu offiziellen Dokumenten und anderen Informationen ist dann gar nicht oder nur in begrenztem Umfang möglich. Die umfassende Diskursanalyse eines Verhandlungsprozesses oder gar eine vergleichende Perspektive auf Verhandlungsprozesse, basierend auf einem solchen diskursanalytischen Zugang, ist damit aufgrund eines Mangels an Material zu ihrer Rekonstruktion kaum oder nur schwerlich umsetzbar. Die Gründe für den nur beschränkten Zugang zu solchen Materialien oder gar für deren Geheimhaltung und letztlich für den Ausschluss der Öffentlichkeit sind häufig politischer und juristischer Natur. So könnte etwa eine transparente, vollständige und zugängliche Dokumentation eines Verhandlungsprozesses unter Umständen Gegenstand eines juristischen Verfahrens, der Begutachtung seiner Gesetzmäßigkeit oder eines permanenten rechtspolitischen Streits zwischen den Parteien und anderen Interessengruppen werden.6 Darüber hinaus wird die Einzelfallnatur komplexer Friedensverhandlungsprozesse als Problemfaktor ins Feld geführt. Diese, so eine Annahme in der Literatur, würde zumeist einen direkten Vergleich von Mediations- und Friedensverhandlungsprozessen verhindern, da jene in Form, Inhalt und Verfahren unmittelbar von der originären Konfliktkonstellation abhängig und geprägt seien. Diese Argumentationslinie wiederum ist eng mit der Wahrnehmung der Rolle des Friedensstifters als ebenso charismatische wie enigmatische Figur verwoben, deren besondere individuelle Fähigkeiten den Ausgang eines spezifischen Prozesses prägen.7 Welche Perspektiven offeriert die sozialwissenschaftliche und Konfliktforschungsliteratur für die Analyse externer Mediationsprozesse sowie der Rolle von internationalen Mediatoren in Vermittlungs- und Verhandlungsprozessen zur Beilegung komplexer innerstaatlicher Konflikte? Mediation wird gewöhnlich als ein politischer Prozess verstanden, in dem die Konfliktparteien gemeinsam zur Übereinkunft kommen, einen Vermittler heranzuziehen, um einen Verhandlungsprozess zu gestalten, der ihnen dabei hilft, den gewaltsamen Konflikt zu beenden und zu einem Abkommen zu gelangen. Dabei soll die unparteiische Unterstützung des Vermittlers insofern einen unverbindlichen Charakter haben, dass sie den Konfliktparteien keine bindenden Entscheidungen auferlegt. Mediation wird gemeinsam mit Verhandlungen (negotiation)8 und guter Amtsführung/guten Diensten (good office) als Methode der 6 Allen D. Grimshaw: Research on the Discourse of International Negotiations. A Path to Understanding International Conflict Processes, Sociological Forum 7 (1992) 1, S. 87-119, hier: S. 101ff.; Anthony Wanis-St. John, Darran Kew: Civil Society and Peace Negotiations. Confronting Exclusion, International Negotiation 13 (2008), S. 11-36, hier: S. 11, S. 13. 7 Siehe zum Beispiel Lars Kirchhoff: Linking Mediation and Transitional Justice. Study Workshop 1 – From Mediation to Sustainable Peace, Nürnberg 2007, S. 5-6. 8 Negotiations (Verhandlungen) sind Prozesse der gemeinsamen Kompromiss- und Entscheidungsfindung in gutem Glauben (bona fides) zwischen den direkten Konfliktparteien. Verhandlungen benötigen 62 Cindy Daase friedlichen Streitbeilegung betrachtet, die auf Einladung durch die Konfliktparteien erfolgt und sowohl ohne direkte Berufung auf die Autorität und den Zwang des Rechts als auch ohne Androhung von Gewalt auskommt.9 Im Rahmen der VN-Charta sind diese Formen der friedlichen Streitbeilegung in Art. 33, Kapitel VI (Die friedliche Beilegung von Streitigkeiten), geregelt.10 In der sozialwissenschaftlichen Literatur wird zwischen verschiedenen Typen von Vermittlungsprozessen differenziert: facilitative, interest based, formulative, manipulative und directive mediation. Facilitative mediation ermöglicht einen konstruktiven Dialog- und Verhandlungsprozess zwischen den Konfliktparteien und lehnt es ab, die Lösung eines Konfliktes inhaltlich zu beeinflussen bzw. den Parteien eine Lösung zu präsentieren. Formulative mediation entwirft mögliche inhaltliche Übereinkommen und greift damit bereits aktiv in die Kompromiss- und Lösungsfindung ein. Der Mediator ist jedoch nicht in der Position, sich für eine bestimmte Lösung einzusetzen oder gar die Konfliktparteien im Rahmen der Verhandlungen zu einer bestimmten Lösung zu drängen. Directive mediation hingegen kontrolliert den Prozess und Rahmen, in dem Verhandlungen stattfinden.11 Die Grenzen zwischen diesen Kategorien sind fließend. Der manipulative Mediator ist z. B. mit allen Kompetenzen des formulativen Mediators ausgestattet und nutzt diese erweiterte Position und den damit verbundenen Handlungsspielraum, um die Konfliktparteien aktiv in ihren Entscheidungen zu beeinflussen und sie so zum Abschluss eines Abkommens zu bewegen. Der manipulative Mediator, der zudem auch Anreize für oder gegen einen bestimmten Weg der Konfliktlösung setzen kann, wird letztlich zu einer direkten dritten Partei im Verhandlungs- und Friedensprozess.12 Während facilitative und formulative mediation immer noch unter die Definition der klassischen neutralen Vermittlung auf Einladung fallen und sich innerhalb des von den Parteien gesetzten Rahmens bewegen, beeinflusst manipulative Mediation das Verfahren, den Inhalt und die Form des Friedensschlusses entscheidend, indem sie auf eigene Initiative, häufig basierend auf einem externen Mandat, Anreize setzt und Sanktionsmechanismen anwendet. Dabei beruft sich manipulative Mediation auch auf die Autorität des Rechts, um Lösungen aktiv durch- und umzusetzen und sie droht mit nicht notwendigerweise einen Mediator. Verhandlungen zur Beilegung von Bürgerkriegen und innerstaatlichen Konflikten sind zudem durch eine Asymmetrie zwischen den Parteien geprägt, siehe Francesce Vendrell: The Role of Third Parties in the Negotiation and Implementation of Intrastate Agreements – An Experience-Based Approach to UN-Involvement in Intrastate Conflicts, in: Miek Boltjes (Hg.): Implementing Negotiated Agreements – The Real Challenge to Intrastate Peace, The Hague 2007, S. 193-203, hier: S. 199ff.; Simon J. A. Mason: Unpacking the Mystery of Mediation in African Peace Processes. Carefully Comparing Apples and Oranges, in: Center for Security Studies/Swisspeace (Hg.): Unpacking the Mystery of Mediation in African Peace Processes Mediation, Zürich/Bern 2008, S. 6-20, hier: S. 10. 9 Miller zum Unterschied zwischen „Negotiation“ (Verhandlung) und „Mediation“ (Vermittlung): William Ian Miller: The Messenger, in: Gerd Althoff (Hg.): Frieden Stiften, Vermittlung und Konfliktlösung vom Mittelalter bis heute, Darmstadt 2011, S. 19-36, hier: S. 19; siehe auch: Kyle Beardsley: Agreement without Peace? International Mediation and Time Inconsistency, American Journal of Political Science 52 (2008) 4, S. 723-740, hier: S. 724; Simon, Unpacking, S. 17; Francisco Orrega Vicuña: Mediation, in: Rüdiger Wolfrum (Hg.): Max Planck Enyclopedia of Public International Law (MPEPIL) (2010), www.mpepil.com, paras. 1ff. 10 1945 Charter of the United Nations, 892 UNTS 119, Art. 33. 11 Siehe dazu Scott Sigmund Gartner, Jacob Bercovitch: Overcoming Obstacles to Peace. The Contribution of Mediation to Short-Lived Conflict Settlements, International Studies Quarterly 50 (2006) 4, S. 819-840, hier: S. 823; Jann K. Kleffner: Peace Treaties, in: Wolfrum, MPEPIL (2011), www. mpepil.com, para. 12. 12 Kirchhoff, Linking, S. 6. Die Superfriedensstifter – Richard Holbrooke und Martti Ahtisaari 63 Sanktionen, sollte eine der Konfliktparteien der propagierten Lösung nicht folgen.13 Diese pro-aktiven oder auch manipulativen Rollen und Funktionen von Mediatoren, die einer externen Agenda folgen, Standards und Anreize setzen und Sanktionen verhängen, sind von besonderer praktischer und analytischer Relevanz, wie die unten folgenden Fallstudien noch aufzeigen werden. Auffällig ist, dass Mediation zumeist hinsichtlich ihrer institutionalisierten Form und Funktion analysiert wird. Die Rolle des individuellen Mediators, ausgestattet mit Attributen jenseits der oben genannten analytischen Charakteristiken und Kategorisierungen, bleibt jedoch unklar. Der individuelle Vermittler bleibt der charismatische Friedensstifter, der die ihm eigenen, enigmatischen Fähigkeiten nutzt, um einen Vermittlungs- und Friedensprozess anzustoßen und zu gestalten. Um die Rolle und Funktion des individuellen Mediators und seines Mandats sowie seiner Amtsführung besser zu verstehen, wird nun das Beispiel des US-Sondergesandten Richard Holbrooke auf dem Weg zum Abkommen von Dayton herangezogen und anschließend dem des VN-Sondergesandten Martti Ahtisaari gegenüber gestellt, der auf Initiative des VN-Generalsekretärs in den Verhandlungen zum Status des Kosovo vermitteln sollte. Richard Holbrooke – Superdiplomat, Bulldozer und Architekt von Dayton „We are inventing peace as we go“, sagte Richard Holbrooke, im Vorbeigehen, zu Reportern während seiner unermüdlichen Shuttle-Diplomatie zwischen Belgrad, Sarajevo and Zagreb im Verlauf des Jahres 1994/1995.14 In seiner Jahrzehnte währenden DiplomatenKarriere war Holbrooke in verschiedenen Friedensverhandlungen involviert. Das Amt des Sondergesandten des US-Präsidenten Bill Clinton bei der Verhandlung eines Friedensabkommens für Bosnien und Herzegowina war wohl seine bedeutendste Mission; sie sollte seine Karriere krönen.15 Holbrooke und sein Verhandlungsteam „erfanden“ im Verlauf des Jahres dabei nicht nur Frieden, sondern trieben auch gezielt einen Prozess voran, der eine neue Transformations- und Rechtsordnung für das Nachkriegs-Bosnien hervorbrachte: Das 13 Simon, Unpacking, S. 10; Antje Herrberg: Perceptions of International Peace Mediation in the EU – A Needs Analysis. Initiative for Peacebuilding, Brüssel 2008, S. 1-27, hier: S. 9, http://www.initiativefor peacebuilding.eu/ pdf/Needs_analysis.pdf (20.8.2014). 14 Zitiert in: Roger Cohen: After the Vultures. Holbrooke’s Bosnia Peace Came Too Late. Review of: Richard Holbrooke: To End a War. From Sarajevo to Dayton – and Beyond, Foreign Affairs 77 (1998) 3, S. 106-111, hier: S. 108. Holbrooke bezüglich seiner Shuttle-Diplomatie: Richard Holbrooke: To End a War (The Modern Library. Paperback Edition), New York 1999, S. 77ff. 15 Robert Jackson: International Engagement in War-Torn Countries, Global Governance 10 (2004) 1, S. 21-36, hier: S. 32; Timothy W. Crawford: Pivotal Deterrence and the Kosovo War. Why the Holbrooke Agreement Failed, Political Science Quarterly 116 (2001/2002), S. 499-523, hier: S. 511ff.; bezüglich der besonderen Rolle von Sondergesandten des US Präsidenten siehe: Henry M. Wriston: The Special Envoy, Foreign Affairs 38 (1960) 2, S. 219-237, hier: S. 219; Michael Fullilove: All the Presidents’ Men – The Role of Special Envoys in US Foreign Policy, Foreign Affairs 84 (2005) 2, S. 13-18, hier: S. 13, S. 15; Cohen, After the Vultures, S. 109; David L. Phillips: Comprehensive Peace in the Balkans. The Kosovo Question, Human Rights Quarterly 821 (1996) 18, S. 821-832, hier: S. 828. Zum Tod von Richard Holbrooke – Voller Tatendrang und Ehrgeiz, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.12.2010, http://www.faz.net/ aktuell/politik/ausland/zum-tod-von-richard-holbrooke-voller-tatendrang-und-ehrgeiz-11079239.html (30.5.2014); Richard Holbrooke, US Diplomat And Architect Of Dayton Peace Accords, Dies At 69, Radio Free Europe / Radio Liberty, 14.12.2010, http://www.rferl. org/content/richard_holbrooke_dies_/2247460.html (30.5.2014). 64 Cindy Daase General Framework Agreement for Bosnia and Herzegovina und seine zwölf Anhänge, allgemein als Daytoner Abkommen oder Abkommen von Dayton bezeichnet.16 Als Holbrooke im Jahr 2010 im Alter von 69 Jahren verstarb, würdigte US-Präsident Barack Obama ihn als „a true giant of American foreign policy“.17 Foreign Policy, die Zeitschrift deren Mitherausgeber Holbrooke zeitweise war, titelte „Holbrooke the Dove“.18 Der Historiker Fritz Stern ging in einem Nachruf gar so weit die Hypothese in den Raum zu stellen: „If only Holbrooke had been in the Balkans in 1914“, um anschließend zu beschreiben, wie es dem Superdiplomaten Holbrooke im Sommer 1914 wohl hätte gelingen können, den Ausbruch des Ersten Weltkrieges zu verhindern.19 Diese Nachrufe für den zweifelsohne verdienstreichen Verstorbenen sollten nicht davon ablenken, dass Holbrookes kontroverser Verhandlungsstil, sein Ego, sein unbedingter Wille zu (diplomatischen) Lösungen auch unter Anwendung von starkem Druck zu gelangen, nicht nur Quelle für Bewunderung, sondern auch für Kritik war. Eben jener persönliche Verhandlungsstil brachte ihm auch Spitznamen wie „Bulldozer“ oder „Raging Bull“ sowie das Etikett „Washington’s favourite last-ditch diplomat“ ein.20 Zu diesem schillernden Image trug Holbrooke durch seine politischen Memoiren „To End a War“ sowie durch öffentliche Auftritte und Interviews selbst aktiv bei.21 Insbesondere „To End a War“ lieferte Material für Bewunderer und Kritiker des „Superdiplomaten“ Holbrooke gleichermaßen und nährte auch den Mythos, dass Diplomatie und Friedensprozesse auf dem Balkan einer besonderen Form der Verhandlungskunst und der persönlichen Fähigkeiten des Vermittlers bedürften.22 Basierend auf seinen Tagebuchaufzeichnungen, Telegrammen und Berichten an das State Department, Interviews mit Weggefährten sowie unter Einbeziehung der Berichterstattung in den Medien zeichnet Holbrooke in „To End a War“ den Verhandlungs- und Friedensprozess von den gescheiterten Bemührungen der Five-Nations Contact Group im Jahr 1994, über den schrittweisen Abschluss von Waffenstillstandabkommen und provisorischen Friedensabkommen, über die Verhandlungen auf der Militärbasis in Dayton (Ohio) bis hin zu den ersten wackeligen Schritten in der Umsetzung des unter internationaler Anleitung entstandenen Friedensab16 Paul C. Szasz: Introduction to the 1995 General Framework Agreement for Peace in Bosnia and Herzegovina with Annexes, International Legal Materials 35 (1996) 1, S. 75-169, hier: S. 75ff. 17 Ed Pilkington, Adam Gabdatt: Holbrooke „giant of US foreign policy“. Dies aged 69, The Guardian, 14.12.2010, http://www.guardian.co.uk/world/2010/dec/14/richard-holbrooke-giant-of-diplomacy (30.5.2014); Michael Kelly: The Negotiator. Richard Holbrooke knows how to bully and beguile – an excellent job qualification for brokering peace in the Balkans, The New Yorker, 6.11.1995, S. 81-91, hier: S. 84; Robert D. McFadden: Strong American Voice in Diplomacy and Crisis, The New York Times, 14.12.2010, http:// www.nytimes.com/2010/12/14/world/14holbrooke.html (30.5.2014); US-Präsident Barack Obamas Nachruf auf den Verstorbenen vom 14.12.2010, http://content.usatoday.com/communities/theoval/post/2010/ 12/ obama-holbrooke-a-true-giant-of-foreign-policy/1#.T4nb41oufgG (30.5.2014); siehe auch die Gedenkseite des US State Department: http://www.state.gov/s/ special_rep_afghanistan_pakistan/c40884. htm (30.5.2014); sowie von der American Academy in Berlin, die von Richard Holbrooke gegründet wurde: http://www.american academy.de/home/about-us/holbrooke-memorial (30.5.2014). 18 Romesh Ratnesar: Holbrooke’s Legacy. The Power of Limited War, Time Magazine, 3.1.2011, http://www.time.com/time/world/article/0,8599, 2040486,00.html (30.5.2014). 19 Fritz Stern: If Only Holbrooke Had Been in the Balkans in 1914, The Berlin Journal. A Magazine of the American Academy in Berlin, 20 (2011), S. 14. 20 Pilkington, Gabdatt, Holbrooke. 21 Kelly, The Negotiator, S. 82; Richard Holbrooke: Why are we in Bosnia? – Annals of Diplomacy, The New Yorker, 18.5.1998, http://www.new yorker.com/archive/1998/05/18/1998_05_18_039_TNY_ LIBRY_0000 15558 (30.5.2014). 22 Holbrooke stellt in seinem Buch fest: „An aspect of the Balkan character was revealed anew: once enraged, these leaders needed outside supervision to stop themselves from self-destruction.“ Holbrooke, To End, S. 165; Cohen, After the Vultures, S. 107. Die Superfriedensstifter – Richard Holbrooke und Martti Ahtisaari 65 kommens nach.23 Holbrooke lässt keinen Zweifel daran, dass er es war, der unbedingt die Friedensverhandlungen als Sondergesandter des US-Präsidenten leiten wollte. Er sah sich dabei weniger in der Rolle des überparteilichen und neutralen Vermittlers, der auf Einladung der Konfliktparteien handelt, sondern vielmehr in einer pro-aktiven Position und Verhandlungskonstellation auf Basis eines US-Mandats.24 Holbrooke hatte nicht nur das Amt des US-Sondergesandten unbedingt gewollt und letztlich bekommen, sondern auch den Umfang seines Mandates als Sondergesandter des US-Präsidenten im Verlaufe der Verhandlungen beachtlich ausgedehnt. So erzählt „To End a War“ in den Augen einiger Kommentatoren die Geschichte eines ungewöhnlichen, leidenschaftlichen und erfahrenen US-Diplomaten, der, seinem festen Glauben an amerikanische Werte und Verantwortung folgend, um Frieden in Bosnien und Herzegowina rang.25 In den Augen anderer ist dieses Buch ein weiterer Beweis für die Egozentrik des Superdiplomaten Holbrooke und für seine Suche nach Erfolg durch die Verhandlung eines Friedensabkommens für Bosnien und Herzegowina. Dennoch räumen auch diese Kritiker ein, dass die Lektüre dieses Buches ein Schlüssel für ein besseres Verständnis des viel kritisierten Verhandlungsprozesses und Abkommens ist.26 So gewähren Holbrookes politische Memoiren zusammen mit den später vom State Department veröffentlichten und zuvor der Geheimhaltung unterliegenden Dokumenten einen ebenso wertvollen wie tiefgreifenden Einblick in den Verlauf der Friedensverhandlungen und die einflussreiche Rolle des US-amerikanischen Spitzendiplomaten.27 The Peacemaker, No. 2, Sept. 1967. 23 Kelly, The Negotiator, S. 86; Holbrooke, To End, S. 111, S. 117, S. 131, S. 175. Ebd., S. 43. 25 Cohen, After the Vultures, S. 107. 26 Jane M. Sharp, Review of: Richard Holbrooke: To End a War. From Sarajevo to Dayton – and Beyond, International Affairs 74 (1998), S. 919-921, hier: S. 920f.; Cohen, After the Vultures, S. 107. 27 The Road to Dayton, US Diplomacy and the Bosnia Peace Process, May – December 1995, US Department of State, Dayton History Project, May 1997 (declassified, available since 2003). In: The National Security Archive, http://www.gwu.edu/~nsarchiv/NSAEBB/NSAEBB171/index. htm#study (6.6.2014). 24 66 Cindy Daase Daraus geht hervor, dass Holbrooke auch das Mittel der Androhung von Gewalt, insbesondere durch die NATO, anwendete, um den Friedensverhandlungen Momentum und Spielraum zu verschaffen. Wohl am deutlichsten ist dies an der Stelle dokumentiert, in der Holbrooke beschreibt, wie er per Satelliten-Telefon den Washingtoner „Situation Room“ drängte: „Give us bombs for peace“.28 So verwundert es auch kaum, wenn der verstorbene Journalist Michael Kelly im New Yorker anmerkt: „To a considerable degree, what has been accomplished reflects the will and the nature of one man“.29 Kelly unterstreicht: For Holbrooke […] the Balkan mission is the Kissingerian role of a lifetime that has been spent in the pursuit of power and attention. He has played this role – the superdiplomat – in the central crisis of the age – in a manner that anyone who has ever known him would instantly recognize as classical Holbrookean.30 Was aber macht den Verhandlungsprozess und letztlich auch das Abkommen von Dayton zu einem typischen „Holbrooke-Deal“? Für Kelly ist es eben jener persönliche Verhandlungsstil Holbrookes, Präsidenten und Außenminister anzubrüllen, sie auf seinem Verhandlungsschachbrett zu platzieren und zur Not herumzustoßen mit dem Ziel, ein Abkommen, koste es was es wolle, zu verhandeln.31 Selbst die ihm nahestehenden Mitglieder seines Verhandlungsteams hatten die ihnen zugedachte Rolle zu spielen.32 Was nun die Beachtung des (Völker-)Rechts und die Rolle von Juristen in diesen Prozessen angeht, unterstrich Holbrooke die Notwendigkeit, einen erfahrenen Völkerrechtler und Diplomaten wie Roberts B. Owen an seiner Seite zu haben, um sich den Weg durch die Verhandlungen zu bahnen und letztlich die erreichten Lösungen und Kompromisse in einem Vertrag zu kodieren und kodifizieren.33 Als Richard Holbrooke und sein Team im August 1995 die konkreten Verhandlungen begannen, nahmen sie eine zentrale Idee vorheriger Verhandlungsversuche auf: die ethnoterritoriale Teilung Bosnien und Herzegowinas in eine bosnisch-kroatische Föderation und eine serbische autonome Gebietseinheit. Anstatt diesbezüglich jedoch in einen direkten Verhandlungsprozess mit der Führung der bosnischen Serben zu treten, betrachtete Holbrooke Slobodan Miloševiü als ihren (offiziellen) Vertreter und Verhandlungsführer.34 So28 Holbrooke, To End, S. 32, S. 86, S. 119, S. 199ff.; Kelly, The Negotiator, S. 86. Ebd., S. 81. 30 Ebd. 31 Ebd. 32 Mitglieder seines Verhandlungsteams waren General Wesley Clark, General Don Kerrick, der Völkerrechtler Roberts Owen, Chris Hill (Director of the Office of South-Central European Affairs, US Department of State von 1994–1996), James Pardew (Director of the Balkan Task Force, Department of Defence von 1995–1997) sowie Rosemarie Pauli, ebenfalls vom Department of State als Richard Holbrookes Assistentin (1993–1996). Holbrooke erörtert in seinen Memoiren auch die notwendigen fachlichen und charakterlichen Eigenschaften von Mitgliedern eines solchen Verhandlungsteams, siehe Holbrooke, To End, S. 10, 30ff., S. 44, S. 83, S. 377ff. 33 Holbrooke beschrieb auch den Respekt den sich die Juristen Owen und Miloševiü gegenseitig zollten, siehe Holbrooke, To End, S. 80, S. 134; Roberts Owen war ebenfalls stark in der Entstehung von Anhang 4 zum Abkommen involviert, der die Verfassung von BiH beinhaltet, ebd., S. 80, S. 240ff. Owen wurde später vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs zum Kommissionsvorsitzenden im Schiedsverfahren für die umstrittene nordbosnische Stadt Brþko ernannt. Das Schiedsverfahren war in Anhang 2 des Abkommens von Dayton vorgesehen. 34 Initiativen sowohl seitens der USA als auch der europäischen Staaten zu direkten Verhandlungen mit den bosnischen Serben waren aufgrund der Blockadepolitik der bosnisch-serbischen Seite gescheitert, siehe Holbrooke, To End, S. 5. Das Abkommen, das Miloševiü offiziell zum Repräsentanten der bosnischen Serben machte, war das Patriarch Agreement, ebd., S. 111; siehe auch Paola Gaeta: Symposium. The Day29 Die Superfriedensstifter – Richard Holbrooke und Martti Ahtisaari 67 mit erhielt Miloševiü – auf Betreiben Holbrookes – einen Platz am Verhandlungstisch und wurde zum direkten Verhandlungspartner für ein Friedensabkommen für Bosnien und Herzegowina.35 Die Parteien am Verhandlungstisch waren Vertreter der Republik Kroatien,36 der Bundesrepublik Jugoslawien37 sowie der Republik Bosnien-Herzegowina (BiH).38 Obwohl das US-Verhandlungsteam Radko Mladiü und Radovan Karadžiü also nicht als legitime Vertreter der bosnischen Serben ansah und als offizielle Verhandlungspartner akzeptierte, musste es wohl oder übel einige Male mit ihnen direkt oder indirekt – im Geheimen – verhandeln, bevor das finale Verhandlungstauziehen in Dayton beginnen konnte.39 Offiziell fanden die Verhandlungen von Dayton vom 1. bis 21. November 1995 unter Leitung der sogenannten Kontaktgruppe statt. Eigentlich aber waren es das US-Verhandlungsteam und weitere Kreise der Clinton-Administration, die danach suchten, die Zügel der Verhandlungskarawane in den Händen zu behalten.40 So stellt Kelly fest, dass hinter der Bühne der offiziellen Verhandlungen State Department teams worked in harried haste to build both a conference and a nation. The magnitude of the job was indicated by the teams’ encompassing titles: Framework Agreement, Separation of Forces, Constitution, Elections, Implementation Force, Economic Reconstruction, Refugees and Human Assistance, Congressional Consultations, Police, Press, United Nations Actions.41 Die Themengebiete der Arbeitsgruppen spiegeln sich zum Teil direkt im Abkommen und seinen Anhängen wieder.42 Dies legt die Schlussfolgerung nahe, dass diese Arbeitsgruppen nicht nur das Fundament für Verhandlungen oder Tischvorlagen lieferten, sondern das Abkommen von Dayton und seine Anhänge von Beginn an stark prägten und letztlich vorformulierten. Der Verhandlungsprozess erzeugte weitere Asymmetrien am Verhandlungstisch, was insbesondere an einer Episode deutlich wird, die Holbrooke in „To End a War“ beschreibt: Im Verlaufe der Verhandlungen räumte der bosnische Außenminister Muhamed Sacirbey gegenüber Holbrooke ein, dass sein Verhandlungsteam in Dayton über keinen qualifizierten Völkerrechtler verfügte, der die getroffenen Vereinbarungen aus bosnischer Sicht hätte ton Agreements. A Breakthrough for Peace and Justice?, European Journal of International Law 7 (1996) 2, S. 147-163, hier: S. 148ff. 35 Während Miloševiü zuweilen gegenüber Holbrooke und seinem Team seinen direkten Einfluss und seine effektive Kontrolle über die Führung der bosnischen Serben demonstrierte, wies er bei anderen Gelegenheiten explizit darauf hin, dass jeder am Verhandlungstisch erreichte Kompromiss der Zustimmung und Umsetzung der Führung der bosnischen Serben bedurfte, siehe „Proximity talks“ als seine Technik der Verhandlungsführung. Holbrooke, To End, S. 205; Anonymous, Human Rights in Peace Negotiations, Human Rights Quarterly 18 (1996) 2, S. 249-258, hier: S. 253. John Kornblum stilisiert dies zu einem Ringen zwischen zwei charismatischen Männern: Holbrooke und Miloševiü, siehe John C. Kornblum: The Gift of Conviction. A former US ambassador to Germany on the enormous achievements of his successor, The Berlin Journal, A Magazine of the American Academy in Berlin, 20 (2011), S. 5. 36 Der Führer des kroatischen Verhandlungsteams war der kroatische Präsident Franjo Tuÿman. 37 Florian Bieber: Power-sharing and International Intervention: Overcoming the Post-conflict Legacy in Bosnia and Herzegovina, in: Marc Weller/Barbara Metzger (Hg.): Settling Self-determination Disputes. Complex Power-sharing in Theory and Practice, Leiden/Boston 2007, S. 193-241, hier: S. 194, S. 220. Gaeta, Symposium, S. 148ff. 38 Der Führer des bosnischen Verhandlungsteams war der bosnische Präsident Alija Izetbegoviü. 39 Kelly, The Negotiator, S. 90. 40 Holbrooke, To End, S. 153, S. 205. 41 Kelly, The Negotiator, S. 90. 42 Szasz, Introduction. 68 Cindy Daase interpretieren können. Obwohl Roberts Owen, der Rechtsberater des US-Teams, der bosnischen Seite im Vorfeld eine Liste potentieller Rechtsberater zur Verfügung gestellt hatte, kam das Verhandlungsteam lediglich mit einem „overworked and underconsulted international lawyer“ in Dayton an.43 Dies wurde während der immer komplexer werdenden Verhandlungen zum Problem, insbesondere wenn es um sensible Bereiche wie Anhang 1-A „Agreement on the Military Aspects of the Peace Settlement“ ging. Auf Holbrookes Initiative hin, wurde Robert Perle als Rechtsberater für das bosnische Verhandlungsteam nach Dayton eingeladen. Perles Eingreifen führte zu einer langen Liste von Änderungsvorschlägen der bosnischen Verhandlungsseite, sehr zum Ärger einiger Mitglieder des USVerhandlungsteams und der zuständigen Arbeitsgruppe.44 Das Daytoner Abkommen – wie es nach wie vor in Kraft ist – besteht aus einen Rahmenabkommen und zwölf Anhängen. Das Rahmenabkommen beinhaltet u. a. auch eine gegenseitige Anerkennung zwischen der Bundesrepublik Jugoslawien (heute Republik Serbien) und der Republik BiH (Art. X). Interessanterweise wurden die später viel diskutierten internationalisierten Polizeikräfte und andere Institutionen nicht durch die Vertragsparteien etabliert, sondern durch ex post Beschlüsse internationaler Organisationen, insbesondere der VN und der NATO.45 Bemerkenswert ist auch Anhang 4, dessen Bestimmungen die nach wie vor gültige Verfassung der Republik BiH ausmachen. Diese Nachkriegsverfassung ist nicht das Resultat eines innergesellschaftlichen Verfassungsgebungsprozesses unter Beteiligung von Repräsentanten der Bevölkerung, da Richard Holbrooke, Carl Bildt and Roberts Owen die eigentlichen Verfasser von Anhang 4 waren. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass dieser Anhang zuerst in englischer Sprache und nicht in Bosnisch, Serbisch und Kroatisch formuliert wurde und erst übersetzt werden musste.46 Die Repräsentanten der Republik BiH, der Föderation Bosnien und Herzegowina und die Republika Srpska stimmten in separaten Entscheidungen Anhang 4 zu. Dieser trat dann, wie alle anderen Anhänge, mit der Unterzeichnung des Daytoner Rahmenabkommens in Kraft. Die Nachkriegsverfassung in Anhang 4 ersetzte damit ohne weitere Schritte das Verfahren einer innerstaatlichen Ratifikation oder eines Referendums, und ohne in einem offiziellen Gesetzesblatt veröffentlicht worden zu sein, die auf dem Papier noch existierende Verfassung der Republik BiH.47 Inhaltlich verpflichtet die Daytoner Verfassung die Republik BiH nicht nur zur Einhaltung einer umfassenden Liste völkerrechtlicher Verträge zum Schutz der Menschenrechte, sie ist darüber hinaus sehr völkerrechtsfreundlich angelegt, d. h. sie ist offen für die direkte Anwendung von Völkerrecht in Bosnien und Herzegowina. So wird sie z. B. vom Verfassungsgerichtshof des Landes als Teil eines völkerrechtlichen Vertrages betrachtet und dementsprechend nach den Regeln der völkerrechtlichen Vertragsauslegung interpretiert.48 43 Holbrooke, To End, S. 224. Ebd., S. 253, S. 258; Gaeta, Symposium; Elizabeth M. Cousens: Making Peace in Bosnia Work, Cornell International Law Journal 30 (1997), S. 789-818, hier: S. 789ff., 797ff. 45 Dies beinhaltet zum Beispiel die Einrichtung von Implementation Forces (IFOR), der International Police Task Force (IPTF) und des Amtes des Hohen Repräsentanten für die Republik BiH, siehe Szasz, Introduction, S. 78; Gaeta, Symposium; Cousens, Making. 46 Siehe Holbrooke, To End, S. 240; Gaeta, Symposium, S. 160ff. 47 Art. XII, Anhang 4, Dayton Agreement, siehe: Szasz, Introduction. 48 Siehe inter alia Art. II, Anhang 4 and Anhang I zu Anhang 4 zum Daytoner Abkommen, siehe: ebd., S. 79; Bieber, Power, S. 230; Gaeta, Symposium, S. 161; Christine Bell: Peace Agreements and Human Rights, Oxford 2000, S. 68ff.; siehe Partial Decision III, Issue of the „Constituent Peoples“, Alija Izetbegoviü, Chair of Presidency of Bosnia and Herzegovina, Constitutional Court of Bosnia and Herzegovina, Case U 5/98, 1.7.2000, Official Gazette of Bosnia and Herzegovina 23 (2000), para. 19. 44 Die Superfriedensstifter – Richard Holbrooke und Martti Ahtisaari 69 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg kam im Jahr 2009 im Fall Sedjiü und Finci gegen Bosnien und Herzegowina dann zum Schluss, dass die geltende Daytoner Verfassung hinsichtlich der politischen Repräsentation diskriminierende Bestimmungen gegen Juden, Roma und Vertreter anderer nationaler Minderheiten enthält, und das Land damit gegen die europäische Menschenrechtskonvention verstoßen würde. Der EGMR merkte zudem an, dass es sich bei der Daytoner Verfassung um die Konstruktion einer Transformations- und Nachkriegsordnung handelt, deren Regelungen zwar zum Teil noch notwendig seien, dennoch nicht mehr im vollen Umfang dem heutigen Bosnien und Herzegowina als einem Staat auf dem Weg in die Europäische Union und Mitglied der Vereinten Nationen entsprächen. Eine umfassende Verfassungsreform bleibt jedoch weiterhin ein Hauptstreitpunkt zwischen den politischen und vor allem ethnischen Kräften im Land.49 In der Gesamtschau kann das Abkommen von Dayton als ein dreifacher Versuch gesehen werden, traditionelle Konzepte und Kategorien von Waffenstillstands- und Friedensabkommen zu erweitern, ein Muster zur Beilegung komplexer innerstaatlicher Konflikte zu entwickeln und internationale Standards für den (Wieder-)Aufbau staatlicher Strukturen nach Konflikten zu kodifizieren. Das Abkommen von Dayton war und ist aus Akteurs- und institutioneller Perspektive beispielhaft für internationalisierte Mediations- und Friedensverhandlungsprozesse.50 Die Rolle von Völkerrechtlern in diesen komplexen Prozessen scheint eine von Experten, Regulatoren, „Gatekeepern“ und Technikern zu sein, die dafür zuständig sind, die erreichten Kompromisse in der Sprache des Rechts zu kodifizieren. Seit nunmehr fast 20 Jahren werden die Verhandlung und die Umsetzung des Dayton Abkommens immer wieder intensiv diskutiert und reflektiert. Ohne diese Debatten simplifizieren zu wollen, kann festgehalten werden, dass das Abkommen als Schlüssel zur Beendigung des gewaltsamen Konfliktes und als essentiell für einen Prozess hin zu einem dauerhaften Frieden wahrgenommen wird. Aus heutiger Sicht erscheint es jedoch fraglich, ob und wie lange der von Holbrooke geführte Verhandlungsprozess und das daraus resultierende Abkommen die politische und rechtliche Ordnung der Republik BiH noch dominieren sollten.51 Richard Holbrooke, um den Fokus zum Abschluss wieder zurück auf die im Zentrum stehenden Reflektionen zur Rolle des Vermittlers in Friedensstiftungs- und Rechtsetzungsprozessen zu lenken, handelte auf der Grundlage des Mandates eines Sondergesandten des US-Präsidenten. Ein solches Amt und Mandat wird einer Person zumeist gegeben, um basierend auf der Autorität des Präsidenten agieren zu können, während es für den Präsiden49 Bezüglich einer umfassenden Verfassungsänderung, siehe European Commission for Democracy through Law (Venice Commission), Preliminary Opinion on the draft amendments to the Constitution of Bosnia and Herzegovina, Opinion 375/2006, CDL (2006) 027, 7 April 2006; Don Hays, Jason Crosby: From Dayton to Brussels: Constitutional Preparations for Bosnia’s EU Accession, United States Institute of Peace, Special Report 175, 10.2006; International Crisis Group: Bosnia’s Gordian Knot: Constitutional Reform, Europe Briefing N°68, 12.7.2012; siehe auch Alexia Solomou: Comparing the Impact of Peace Agreements by International Courts and Tribunals on Legal Accountability and Legal Certainty in PostConflict Societies, Leiden Journal of International Law (2014) 27, S. 495-517; Sedjiü and Finci v. Bosnia and Herzegovina (Applications Nos. 27996/06 and 34836/06), Judgement of the Grand Chamber of the European Court of Human Rights, 22.12.2009. 50 Bieber, Power, S. 214, S. 219. 51 Kelly, The Negotiator, S. 82; Holbrooke selbst zog den Schluss: „On paper, Dayton was a good agreement […]. But countless peace agreements survived only in history books as case studies in failed expectations. The results of the international effort to implement Dayton would determine its true place in history. And the start was rocky.“ Holbrooke, To End, S. 335ff. 70 Cindy Daase ten oder den Außenminister politisch zu riskant wäre, direkt in einen sensiblen und kritischen Verhandlungsprozess einzugreifen. Im Jahr 1998 wurde Holbrooke, zum damaligen Zeitpunkt Botschafter der USA bei den VN, nochmals als „Washington’s last ditch diplomat“ ausgesandt, um Frieden auf dem Balkan zu stiften.52 Dieses Mal jedoch vergeblich: Holbrookes Versuche, in der Kosovo-Krise zu vermitteln und Miloševiü zum Einlenken zu bewegen, schlugen Fehl. Einige Beobachter führten dies auf einen mangelnden Lernprozess Holbrookes im Umgang mit dem charismatischen serbischen Präsident zurück.53 Sieben Jahre später wurde ein weiterer Spitzendiplomat und Friedensstifter als VNSonderbeauftragter ausgesandt, um den Konflikt um den Status des Kosovo beizulegen, der ehemalige finnische Präsident Martti Ahtisaari. Jean Arnault, ein anderer hochrangiger VNDiplomat, konstatierte einmal, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Konfliktlage vor Ort und die Verhandlung von notwendigen und umsetzbaren Kompromissen in einem potentiellen Widerspruch zum externen Mandat des Mediators und vorgegebenen internationalen Standards steht, ungleich größer ist, wenn sich die VN als Vermittler einschalten und ein Mandat erteilten.54 Dies wirft die Frage auf, wie sich Formen, Rahmen und Funktionen des Engagements eines Sondergesandten des US-Präsidenten von denen eines VNSondergesandten unterscheiden. Martti Ahtisaari – Vom Friedensstifter im Auftrag der Vereinten Nationen zum Friedensnobelpreisträger Seit dem Ende des Kalten Krieges ringen die VN und der VN-Generalsekretär um Konzepte zum Umgang mit neuen, sogenannten asymmetrischen Konflikten. Damit einher geht ein Prozess der umfassenden Reflektion bereits vorhandener und praktizierter Ansätze des Engagements des VN-Generalsekretärs in innerstaatlichen Konflikten. Mediation ist ein Kerninstrument des VN-Generalsekretärs um Friedens- und Verhandlungsprozesse zu initiieren und zu begleiten.55 52 Robert McFadden: Strong American Voice in Diplomacy and Crisis, The New York Times, 13.12.2010, http://www.nytimes.com/2010/12/14/world/14holbrooke.html?pagewanted=all (30.5.2014); Wriston, The Special. 53 Siehe Jon Michaud: Richard Holbrooke, The New Yorker, 14.12.2010, http://www.newyorker.com/ online/blogs/backissues/2010/12/richard-holbrooke-in-the-new-yorker.html#ixzz1tRSjaO00http://www.new yorker.com/online/blogs/backissues/2010/12/richard-holbrooke-in-the-new-yorker.html (30.5.2014). 54 Jean Arnault: Good Agreement? Bad Agreement? An Implementation Perspective. In: Center of International Studies Princeton University (n.d.), S. 21, www.stanford.edu/class/psych165/Arnault.doc (30.5.2014). 55 Siehe u. a. Politically Speaking, Bulletin of the United Nations Department of Political Affairs, Winter 2007/2008, S. 4ff.; A more secure world. Our shared responsibility. Report of the High-level Panel on Threats, Challenges and Change, UN Doc. A/59/565, 2.12.2004; siehe auch Christine Bell: On the Law of Peace – Peace Agreements and the Lex Pacificatoria, Oxford 2008, S. 66ff. Die Superfriedensstifter – Richard Holbrooke und Martti Ahtisaari 71 Debut of the Peacemaker in The Fightin’ 5, No. 40, 1966. Im Jahr 2005 kamen die Mitgliedsstaaten im Rahmen der Vollversammlung der VN (UN World Summit) darin überein, sowohl die Kompetenzen des VN-Generalsekretärs im Bereich der friedlichen Streitbeilegung und Friedensstiftung als auch im Rahmen seiner guten Amtsführung zu stärken.56 Die Rolle des VN-Generalsekretärs in der friedlichen Beilegung von zwischen- und innerstaatlichen Konflikten lässt sich aus der Rolle ableiten, die in der VN-Charta für den Generalsekretär als eines der Hauptorgane der VN festgeschrieben ist.57 In seiner Rolle als Vermittler handelt der VN-Generalsekretär auf Basis der Autorität seines Amtes.58 In den vergangenen zwei Jahrzehnten war es dem VN-Generalsekretär jedoch nicht immer mög56 United Nations, 2005 World Summit Outcome, UN Doc. GA/RES/60/1, 24.10.2005, para. 76; Teresa Whitfield: Good offices and „groups of friends“, in: Simon Chesterman (Hg.): Secretary or General? The UN Secretary-General in World Politics, Cambridge 2007, S. 86. Bezüglich der Charakteristika von guter Amtsführung und guten Diensten sowie der Rolle von Mediatoren, siehe auch Art. 3 und 4 der Convention (I) For the Pacific Settlement of International Disputes (Hague I), 29.7.1899; Ruth Lapidoth: Good Office, in: Wolfrum, MPEPIL (2005) (online edition), www.mpepil.com, paras. 1ff. Interessanterweise erwähnt die VN-Charta „Mediation“ (Vermittlung) aber nicht „gute Amtsführung/gute Dienste“ (good office) in der Liste der Methoden der friedlichen Streitbeilegung, siehe Art. 33 VN-Charta; siehe auch: Lapidoth, Good Office, paras. 2, 4, 6ff. (mit Beispielen). 57 Ian Johnston: The Secretary-General as norm entrepreneur, in: Chesterman, Secretary or General?, S. 123-138, hier: S. 131. 58 Siehe: Katja Göcke, Hubertus von Mohr: United Nations, Secretary General, in: Wolfrum, MPEPIL (2011), www.mpepil.com, paras. 25-26; Declaration on the Prevention and Removal of Disputes and Situations Which May Threaten International Peace and Security and on the Role of the United Nations in this Field, UN Doc. GA/RES/43/51, 5.12.1988. 72 Cindy Daase lich seine Aufgaben und Kompetenzen persönlich wahrzunehmen. Um das Engagement seines Amtes in verschiedenen Konfliktsituationen gleichzeitig sicher zu stellen, beruft der Generalsekretär immer häufiger Sondergesandte oder Sonderrepräsentanten als Vermittler vor allem in innerstaatlichen, asymmetrischen Konflikten.59 Dies wirft schließlich die Frage auf, was der Unterschied zwischen einem VN-Sondergesandten und einem VN-Sonderrepräsentanten ist? Im Hinblick darauf ist die Tendenz auszumachen, dass ein Sonderrepräsentant zumeist durch ein VN-Gremium wie den Sicherheitsrat eingesetzt und mit einem Mandat ausgestattet wird, während ein VN-Sondergesandter vom VN-Generalsekretär ausgewählt und eingesetzt wird.60 Die Kompetenz des VN-Generalsekretärs, Sondergesandte auszuwählen und selbstständig zu ernennen, lässt sich aus Art. 97-101 VN-Charta ableiten.61 Einige Stimmen gehen davon aus, dass sich diese Kompetenz des Generalsekretärs zu einem Völkergewohnheitsrecht entwickelt hat. Ein solches Völkergewohnheitsrecht müsste sich auf eine herrschende Praxis und Rechtsüberzeugung (opinio iuris) der Mitgliedsstaaten der VN stützten und sollte nicht verwechselt werden mit einer im Verlaufe der vergangenen Jahrzehnte eingeübten Praxis des Amtes des Generalsekretärs, wie diese durch die jeweiligen Amtsträger geformt wurde. Am überzeugendsten scheint der Schluss, dass die Wahl und Einsetzung eines Sondergesandten eine erprobte Praxis in der Konfliktvermittlung und -beilegung durch das Engagement des VN-Generalsekretärs auf Basis seiner ihm durch die VN-Charta verliehenen Amtskompetenzen ist.62 Der wohl augenscheinlichste Vorteil des Engagements des VN-Generalsekretärs als Vermittler oder des Einsatzes eines VN-Sondergesandten wie Martti Ahtisaari ist, dass die jeweilige Person auf Basis eines Mandats handelt, das durch ein Organ der VN erteilt worden ist und sich damit eines vergleichsweise hohen Grades der Legitimierung erfreut, die mit einem klaren normativen Rahmen einhergeht.63 Der VN-Generalsekretär und seine Sondergesandten stehen damit vor einer beson59 Seit den 1990er Jahren hat die Zahl der Sonderrepräsentanten deutlich zugenommen, siehe Hellen Keller: Special Representative, in: Wolfrum, MPEPIL(2008), www.mpepil.com, para. 10; Göcke/Mohr, United, paras. 47ff. Zu VN-Sondergesandten, siehe Mehrdad Payandeh: Special Envoy, in: Wolfrum, MPEPIL (2009), paras. 1ff. Für eine interessante Darstellung wie Dag Hammarskjöld sein Amt als VNGeneralsekretär geprägt hat: Anne Orford: International Authority and the Responsibility to Protect, Cambridge 2011, S. 3ff., S. 49ff. 60 Eine implizite Unterscheidung zwischen den Mandaten des VN-Sondergesandten und VN-Sonderrepräsentanten kann in den verschiedenen Berichten des VN-Generalsekretärs Boutros Boutros-Ghali and die VN-Generalversammlung gefunden werden, siehe Special Representatives, Envoys and Related Positions, Report of the Secretary-General, UN Doc. A/C.5/48/26, 15.11.1993, para. 12; Special Representatives, Envoys and Related Positions. Report of the Secretary-General, UN Doc. A/C.5/49/50, 8.12.1994, paras. 5, 8ff.; Special Representatives, Envoys and Related Positions, Report of the Secretary-General, UN Doc. A/C.5/50/72, 20.9.1996, paras. 4f. Zum komplizierten (Kompetenz-)Verhältnis zwischen Generalsekretär und Sicherheitsrat, siehe James Cockayne, David M. Malone: Relations with the Security Council, in: Simon Chesterman (Hg.): Secretary of General? The UN Secretary General in World Politics, Cambridge 2007, S. 69-85, hier: S. 70, 74; siehe auch Orford, International, S. 10ff. 61 Siehe Reparations for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, Advisory Opinion, ICJ Reports 1949, S. 174, S. 182; Orford, International, S. 10ff.; Ian Johnston: The Secretary-General as norm entrepreneur, in: Chesterman, Secretary, S. 123-138, hier: S. 131. In einigen Fällen handelt der Generalsekretär auf eigene Initiative, ohne ein Mandat basierend auf Art. 98 und außerhalb der Grenzen von Art. 99 VN-Charta. Dies ist zumeist der Fall im Kontext von stiller und präventiver Diplomatie. Diese Initiativen basieren auf einem „case to case“ or sui generis-Ansatz, für den sich keine spezifischen Vorschriften in VN-Charta finden lassen, siehe Göcke, Mohr, United Nations, paras. 11ff., 18ff., 21ff.; Payandeh, Special Envoy, paras. 8ff.; Keller, Special Representative, para. 11. 62 Ebd., paras. 12f. 63 Madeleine Albright, ehemalige US-Botschafterin bei den VN und US-Außenministerin, sagte einmal, dass der Generalsekretär drei Hüte auf dem Kopf habe, die eines Superverhandlers/-vermittlers, eines Dip- Die Superfriedensstifter – Richard Holbrooke und Martti Ahtisaari 73 deren Herausforderung: Zum einen müssen sie globale Normen befolgen und umsetzen, zum anderen müssen sie ihre Strategie an die jeweilige Konflikt- und Verhandlungssituation so flexibel wie möglich anpassen. Das internationale Engagement zur Vermittlung zwischen Serbien – zum damaligen Zeitpunkt noch Bundesrepublik Jugoslawien – und Repräsentanten der kosovo-albanischen Mehrheitsbevölkerung der autonomen Provinz Kosovo erreichte einen ersten Höhepunkt im Zeitraum 1998/1999. Die Bemühungen, den Konflikt mittels des Abkommens von Rambouillet beizulegen, das u. a. dem Kosovo umfangreiche verfassungsartige Autonomierechte zugestand und Statusverhandlungen nach einer Übergangsphase von drei Jahren vorsah, schlugen fehl.64 Slobodan Miloševiü als Repräsentant der Bundesrepublik Jugoslawien und der Teilrepublik Serbien verweigerte die Unterschrift und verhinderte damit das Inkrafttreten des Abkommens. Der gescheiterte internationale Vermittlungsversuch und die humanitäre Situation im Krisengebiet führten schließlich zur umstrittenen Intervention der NATO im Frühjahr 1999.65 Im Anschluss etablierte der VN-Sicherheitsrat mit Kapitel VIIResolution 1244 die United Nations Interim Administration in Kosovo (UNMIK). Im operativen Teil der Resolution stellt der Sicherheitsrat auch die Notwendigkeit fest, nach dem Ende einer Übergangsphase unter internationaler Verwaltung eine abschließende Lösung der Statusfrage zu ermöglichen.66 Der Beginn der Statusgespräche war dann an die Erfüllung einer Reihe später entwickelter und konkretisierter Kriterien geknüpft und stellt einen sogenannten „standards before status“-Prozess dar.67 Ende 2005 ernannte der VNGeneralsekretär Annan den ehemaligen finnischen Präsidenten und erfahrenen Vermittler Martti Ahtisaari zum VN-Sondergesandten für den Verhandlungsprozess der zur Lösung des Konfliktes um die Statusfrage führen sollte.68 Dieser Prozess wird auch als mandatory mediation (verpflichtender Vermittlungsprozess) bezeichnet, da es den Hauptkonflikt- und Verhandlungsparteien an eigenen Mitteln, Wegen und Möglichkeiten fehlte, ihren politischen und rechtlichen Disput allein beizulegen und zu einem friedlichen, verbindlichen, umsetzbaren und nachhaltigen Kompromiss hinsichtlich des Status des Kosovo zu gelangen. lomaten und eines Managers des VN-Systems. Zur Rolle des VN-Generalsekretärs beim Füllen von „normative vacuums“, siehe Quang Trinh: „The bully pulpit“, in: Chesterman, Secretary, S. 102-120, hier: S. 107ff., S. 116. 64 Interim Agreement for Peace and Self-Government in Kosovo (Rambouillet Accords), 23.2.1999, UN-Doc. S/1999/648, 7.7.1999. 65 Die Kosovo-Frage wurde im Daytoner Verhandlungsprozess nicht auf die Agenda gesetzt. Siehe bezüglich der Bemühungen zur Beilegung des Konflikts um den Kosovo im Jahr 1998/1999: Interim Agreement for Peace and Self-Government in Kosovo, Rambouillet 23.2.1999, UN-Doc. S/1999/648, 7.6.1999; UN-Doc. S/RES/1244, 10.6.1999; siehe auch Marc Weller: The Rambouillet Conference on Kosovo, International Affairs 75 (1999), S. 211-251; Ders.: Contested Statehood: Kosovo’s Struggle for Independence, Oxford 2009; Bruno Simma: NATO, the UN and the Use of Force. Legal Aspects, European Journal of International Law 10 (1999), S. 1-22; Antonio Cassese: Ex iniuria ius oritur. We are Moving towards International Legitimation of Forcible Humanitarian Countermeasures in the World Community, European Journal of International Law 10 (1999), S. 23-30; Martti Koskenniemi: The Lady Doth Protest Too Much. Kosovo and the Turn to Ethics in International Law, The Modern Law Review 65 (2002), S. 159-175. 66 UN-Doc. S/RES/1244, 10.6.1999, para. 11. 67 Independent Commission on Kosovo, The Kosovo Report, Oxford 2000; auch zugänglich als The Kosovo Report, Independent Commission on Kosovo, Executive Summery, 01.10.2000, http://reliefweb. int/node/21913 (30.5.2014); siehe auch Richard Goldstone: International Law: Politics and the Future of Kosovo, Proceedings of the Annual Meeting of the American Society of International Law 102 (2008), S. 129-149, hier: S. 129; Weller, Contested, S. 185-190. 68 Kosovo: Annan to name veteran trouble-shooter Ahtisaari to lead status talks, 1.11.2005, http://www. un.org/apps/news/story.asp?NewsID= 16433&Cr=kosovo&Cr1 (30.5.2014). 74 Cindy Daase An den in Wien im Jahr 2006 stattfindenden Verhandlungen nahmen Repräsentanten der serbischen Regierung, darunter auch der Kosovo-Serben, eine kosovarische Delegation mit Beteiligung von Repräsentanten der Opposition sowie Unterhändler der internationalen Kontaktgruppe teil.69 Die Aufgabe des ebenfalls eingerichteten Office of the Special Envoy of the Secretary-General of the United Nations for the future status process for Kosovo (UNOSEK)70 war es nicht nur das Verhandlungsverfahren zu managen und überwachen, sondern auch den VN-Sondergesandten mit politischem und rechtlichem Rat zur Seite zu stehen, um sicher zu stellen, dass die erreichten Entwürfe, Kompromisse und Übereinkünfte im Einklang mit dem Völkerrecht stehen würden. Die Parteien kamen in regelmäßigen Abständen zusammen, um Entwürfe für Statusvereinbarungen zu diskutieren. Allen Beteiligten und Beobachtern war von Anfang an klar, dass die Vermittlungsaufgabe von UNOSEK und des VN-Sondergesandten in ihren politischen und rechtlichen Dimensionen extrem schwierig sein würde. Am Ende stagnierte der Verhandlungs- und Statusprozess im Sommer/ Herbst 2006, trotz größter Anstrengungen von UNOSEK und Ahtisaari.71 Insbesondere die serbische Verhandlungsseite beschuldigte den VN-Sondergesandten Ahtisaari eine prokosovarische Vermittlungsstrategie zu verfolgen, die die Unabhängigkeit des Kosovo zum Ziel hatte.72 Demzufolge kamen zunehmend Zweifel auf, ob Ahtisaari und UNOSEK überhaupt in der Lage sein würden, den Verhandlungsprozess wiederzubeleben und die Parteien in absehbarer Zukunft auf dem Weg zu einem effektiven Ergebnis zu begleiten. Alle Zeichen standen dagegen. Damit stand die Frage im Raum, ob und wie Ahtisaari sein Mandat als VN-Sondergesandter (neu) interpretieren und definieren würde, um den Statusprozess zum Abschluss zu bringen. Diese Entwicklung machte Ahtisaari letzten Endes vom Vermittler zum Designer eines Status- und Unabhängigkeitsprozesses. Im März 2007 übermittelte Martti Ahtisaari seinen Bericht und seine Vorschläge zum Status des Kosovo an den VNSicherheitsrat. Er schlug darin einen Prozess der überwachten Unabhängigkeit und Souveränität für die Republik Kosovo vor.73 Der sogenannte Ahtisaari-Plan fand zwar die Unter69 Mitglieder der sogenannten Kontaktgruppe waren Frankreich, Deutschland, Italien, die Russländische Föderation, Großbritannien und die USA. Für die Statusverhandlungen setzte diese Gruppe Standards und einen Verhandlungsrahmen. Dieser beinhaltete ein dreifaches Nein: keine Rückkehr des Kosovo zum alten Status vor 1999, keine Union/keinen Anschluss des Kosovo an einen anderen Staat (Albanien), keine Teilung des Kosovo; siehe auch Weller, Contested, S. 191-219. 70 Office of the Special Envoy of the Secretary-General of the United Nations for the future status process for Kosovo, http://www.unosek.org/(30.5.2014). 71 Die Frage ob die serbische und kosovarische Seite in gutem Glauben (bona fides) verhandelten, wurde intensiv in Stellungnahmen vor dem Internationalen Gerichtshof (IHG) im Rahmen des Kosovo-Gutachtenverfahrens erörtert, siehe: Accordance with International Law of the Unilateral Declaration of Independence by the Provisional Institutions of Self-Government of Kosovo, Order of 17.10.2008, ICJ Reports 2008, 409; UN Doc. A/63/L.2, 23.9.2008; Accordance with International Law of the Unilateral Declaration of Independence in Respect of Kosovo, Advisory Opinion, 22.7.2010, General List No. 141. 72 Was auch ein starkes Echo in den serbischen Medien und der serbischen Öffentlichkeit fand: Serbian press mistrusts Kosovo plan, BBC News, 3. Februar 2007, http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/6326947.stm (31.5.2014); Nicholas Wood: Serbs Criticize U.N. Mediator, Further Bogging Down Kosovo Talks, The New York Times, 2.9.2006, http://www.nytimes.com/2006/09/02/world/europe/02kosovo.html?ex= 1158984000&en=d4d08af1a6c4944b&ei=5070 (31.5.2014); Andrej Ivanji: Martti Ahtisaari’s Compromise Proposal for the Kosovo, Eurotopics, 3.2007, http://www.euro topics.net/en/home/presseschau/archiv/ magazin/politik-verteilerseite/ kosovo-2008-03/debatte_kosovo_2007_03/(31.5.2014). 73 Er nimmt dabei Vorschläge auf, die bereits durch die Independent Commission on Kosovo gemacht wurden; vgl. auch Report of the Special Envoy of the Secretary-General on Kosovo’s future status, UN Doc. S/2007/168, 26.3.2007; Report of the Special Envoy of the Secretary-General on Kosovo’s future status, UN Doc. S/2007/168 Add.1, 26.3.2007. Die Superfriedensstifter – Richard Holbrooke und Martti Ahtisaari 75 stützung des VN-Generalsekretärs, jedoch nahm der VN-Sicherheitsrat seine Vorschläge in keine neue Kapitel VII-Resolution auf, die nötig gewesen wäre, um die Sicherheitsratsresolution 1244 aufzuheben, bzw. die expliziten Garantien der territorialen Integrität Serbiens seitens des VN-Sicherheitsrates zu modifizieren.74 Die Gründe dafür sind vielfältig. Klar auf der Hand liegt dabei wohl, dass zumindest Russland von seinem Veto-Recht Gebrauch gemacht hätte, um eine solche Statusresolution des Sicherheitsrates zu verhindern. Eine Kapitel VII-Resolution, die sich darüber hinaus explizit zum dauerhaften Status des Kosovo geäußert bzw. diesen quasi festgestellt hätte, hätte wohl auch zu erneuten erhitzten rechtlichen und politischen Debatten bezüglich der Kompetenzen des VN-Sicherheitsrates unter Kapitel VII geführt; u. a. zur Frage, ob der Sicherheitsrat nur temporäre Maßnahmen im Falle einer Bedrohung oder eines Bruchs des Weltfriedens ergreifen kann oder ob diese Maßnahmen dann auch einen permanent Charakter annehmen können.75 Die einseitige Unabhängigkeitserklärung der Republik Kosovo im Februar 2008 beendete zumindest das rechtpolitische Tauziehen um ihren Status unter der Vermittlung der VN. Die Unabhängigkeitserklärung nahm explizit auf den Ahtisaari-Plan und den darin entworfenen überwachten Unabhängigkeits- und Souveränitätsprozess Bezug. Diese Eckpfeiler des Ahtisaari-Plans und der Unabhängigkeitserklärung bildeten anschließend auch den Rahmen für den Verfassungsgebungsprozess unter internationaler Anleitung. So stellt Art. 143 der Verfassung der Republik Kosovo sogar die Suprematie des Ahtisaari-Planes fest.76 Der dadurch fortgesetzte Prozess der überwachten Unabhängigkeit und Souveränität endete offiziell am 10. September 2012, und Art. 143 wurde aus der Verfassung gelöscht.77 Aufgrund der komplexen Ausgangskonfliktlage, der internationalen humanitären und militärischen Intervention, der auf einem Mandat der VN basierenden internationalisierten Übergangsphase sowie der anschließenden internationalisierten Statusphase, die mit der Unabhängigkeitserklärung der Republik Kosovo im Februar 2008 endete und zudem eine weitere Übergangsphase der überwachten Unabhängigkeit und Souveränität einleitete, wird der zur Entstehung des Staates Kosovo führende Prozess in der Gesamtschau häufig als ein Fall sui generis betrachtet. Im gleichen Jahr gab das Komitee zur Verleihung des Friedensnobelpreises folgende Begründung für seine Entscheidung diese Ehrung an Martti Ahtisaari zu verleihen: 74 Goldstone, International Law, S. 129; UN Doc. S/RES/1244, 10. Juni 1999. Cindy Daase: Die UN-Mission im Kosovo 1999-2008. Zur Umsetzung völkerrechtlicher Standards für state building durch eine internationale Übergangsverwaltung, Die Friedens-Warte. Journal of International Peace and Organization 84 (2009), S. 83-124; Cindy Daase: Friedensabkommen zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Parteien, Chimären zwischen Recht und Politik, in: Jelena Bäumler, Cindy Daase, Christian Schliemann, Dominik Steiger (Hg.): Akteure in Krieg und Frieden, Tübingen 2010, S. 141-166; Nico Krisch, J. A. Frowein: Introduction to Chapter VII, The General Framework, in Bruno Simma (Hg.): The Charter of the United Nations. A Commentary, 2. Bd., Oxford 2012, S. 1237-1356, hier: S 1241; Erika de Wet: The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, Oxford 2004, S. 1ff., S. 92ff.; Jeremy Farrall: United Nations Sanctions and the Rule of Law, Cambridge 2007. 76 Kosovo Declaration of Independence, 17. February 2008, Art. 12; Constitution of the Republic of Kosovo, 15 June 2008, Art. 143, Chapter XIII; Weller, The Rambouillet, S. 240-258. 77 Constitution of the Republic of Kosovo (with amendments I-XXIII), October 2013, including text of the Constitution of the Republic of Kosovo (adopted on 9 April 2008) with Amendments I–XXII (Official Gazette of Republic of Kosovo no. 25, date 7 September 2012) and Amendment XXIII (Official Gazette of Republic of Kosovo no.7, date 26 march 2013), http://www.gjk-ks.org/repository/docs/Kushtetuta_RK_ ang.pdf (15.6.2014); International Crisis Group, Setting Kosovo Free: Remaining Challenges, Europe Report N°218, 10.9.2012. 75 76 Cindy Daase Throughout all his adult life, whether as a senior Finnish public servant and President or in an international capacity, often connected to the United Nations, Ahtisaari has worked for peace and reconciliation. […] In 1999 and again in 2005-07, he sought under especially difficult circumstances to find a solution to the conflict in Kosovo. […] Although the parties themselves have the main responsibility for avoiding war and conflict, the Norwegian Nobel Committee has on several occasions awarded the Nobel Peace Prize to mediators in international politics.78 Ahtisaari unterstreicht in seiner Nobelvorlesung, dass „Peace is a question of will“,79 und dass „the task of the mediator is to help the parties to open difficult issues and nudge them forward in the peace process. The mediator’s role combines those of a ship’s pilot, consulting medical doctor, midwife and teacher“.80 Interessanterweise räumt Ahtisaari auch ein, dass oftmals ein zu starker Fokus auf die Person und Rolle des Vermittlers gelegt werde und kritisiert dies, indem er konstatiert: With that we are disempowering the parties to the conflict and creating the wrong impression that peace comes from the outside. The only people that can make peace are the parties to the conflict, and just as they are responsible for the conflict and its consequences, so should they be given responsibility and recognition for the peace.81 Ahtisaari zieht daraus den Schluss: „Even though all eyes are often on the peace mediators, it is important to emphasize the role of the mediation teams and the other important actors outside the direct negotiation process itself.“82 Ahtisaari, auch Begründer der Crisis Management Initiative (CMI) – einer unabhängigen finnischen Nichtregierungsorganisation, die im Bereich private diplomacy und mediation tätig ist –, hebt ebenfalls kritisch hervor, dass sich Vermittlungs- und Verhandlungsprozesse häufig lediglich auf die direkten Konfliktparteien, also die Eliten konzentrierten. Er betont die Notwendigkeit, verschiedene Gruppen in die Vermittlung und Verhandlung von Friedensabkommen einzubeziehen. In seiner Rede gibt Ahtisaari darüber hinaus zu bedenken, dass das Mandat und die Ressourcen von VN-Sondergesandten den hohen Erwartungen an VN-Friedensvermittlung nicht immer entsprächen, was die Rolle des VN-Sondergesandten umso schwieriger mache.83 An der oben beschriebenen Rolle des Sondergesandten Ahtisaari lässt sich der Charakter des VN-Engagements in Vermittlungsprozessen sehr gut unterstreichen. Wie bereits hervorgehoben, scheut Ahtisaari in seiner Nobelpreisrede nicht davor zurück, vor den möglichen institutionellen Fallstricken des Mandats und Amtes von VN-Sondergesandten zu warnen. Die von ihm hervorgehobenen Schwierigkeiten eines Vermittlers in der Rolle des VN-Sondergesandten wurden eindrücklich deutlich, als sich der ehemalige VNGeneralsekretär Kofi Annan vom Amt des gemeinsamen Sondergesandten der VN (eingesetzt vom Department for Political Affairs) und der Arabischen Liga für Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien in Syrien zurückzog. Er verwies dabei u. a. auf eine mangelnde Rückendeckung in seinen Vermittlungsbestrebungen durch den Sicherheitsrat.84 78 The Nobel Peace Prize for 2008. In: Nobelprize.org., http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/peace/ laureates/ 2008/ press.html (30.5.2014). 79 Martti Ahtisaari, Nobel Lecture, Oslo 10.12.2008. In: ebd., http://www.nobelprize.org/ nobel_prizes/ peace/laureates/2008/ahtisaari-lecture_en.html#> (30.5.2014). 80 Ebd. 81 Ebd. 82 Ebd. 83 Ebd. 84 Kofi Annan Appointed Joint Special Envoy of United Nations, League of Arab States on Syrian Crisis, Secretary-General, UN Doc. SG/SM/14124, 23.2.2012; Kofi Annan resigns as UN-Arab League Joint Die Superfriedensstifter – Richard Holbrooke und Martti Ahtisaari 77 Seitdem hatte Lakhdar Brahimi, ein weiter erfahrener Politiker und VN-Diplomat und Vermittler, dieses schwierige Amt inne, bis er im Mai 2014 ebenfalls zurück trat.85 Fazit: Moderne Mediatoren – Friedensvermittler, Friedensstifter, Friedensmacher? Zeitgenössische Formen der Friedensvermittlung warten nicht zwingend auf eine Einladung durch die Parteien, auf den Sieg oder die Kapitulation einer Konfliktpartei oder eine Stagnation in Konflikten.86 The Peacemaker, No. 4, Sept. 1967. Friedensverhandlungen zur Beendigung eines zwischen- oder innerstaatlichen Konfliktes liegen immer weniger in den Händen der direkten Konfliktparteien, sondern werden zunehmend zu einem angeleiteten, internationalisierten Transaktionsprozess, der von vorgegebenen autoritativen Mustern geleitet wird. Ob sie diese Entwicklungen nun gut heißen oder nicht, sind sich die meisten Autoren darin einig, dass sich dieses Engagement auf ein wachsendes Interesse an und Bewusstsein über zwischen- und innerstaatliche Konflikte stützt, das häufig mit einem globalen öffentlichen Druck einhergeht, einzugreifen und aktiv Konflikte zu beenden. Dieser Anspruch ist eng verbunden mit einer aus historischer Sicht veränderten Wahrnehmung von Konflikt und Krieg sowie Frieden und der Verantwortung der sogenannten internationalen Gemeinschaft, Krieg und Kriegsverbrechen zu verhindern. So wird es in gewisser Hinsicht „illegitim“, nicht Position zu einem laufenden zwischenoder innerstaatlichen Konflikt zu beziehen oder diesen zu ignorieren, wenn er es auf die Agenda der (medialen) Weltöffentlichkeit geschafft hat.87 Das Engagement von Staaten wie den USA oder internationaler Organisationen, insbesondere der VN, deren erklärtes Ziel es ist, gewaltsame Konflikte zu stoppen und Frieden herzustellen, tragen zur Manifestierung dieser Tendenzen bei. Um ihre Ziele – vor allem die Herstellung von Frieden – voranzutreiben, engagieren sie sich pro-aktiv zur Beilegung von zwischen- und innerstaatlichen Special Envoy for Syrian crisis, UN News Centre, 2.8.2012. In: UN News Center. http://www.un.org/apps/ news/story.asp? News ID=42609&Cr=Syria&Cr1= (31.5.2014). 85 Zu Lakhdar Brahimis Expertise als Friedensstifter, siehe Syria: UN-Arab League envoy Brahimi resigns. In: UN News Centre, http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=47780#.U55bH16jUfB (15.6.2014). 86 Edward N. Luttwak: Give War a Chance, Foreign Affairs 78 (1999) 4, S. 36-44. 87 Siehe dazu besonders kritisch aus einer konservativen US-republikanischen Perspektive: Luttwak, ebd. Zu peacemaking als eine „[…] authoritative multilateral international transaction“, siehe auch M. W. Reisman: Stopping Wars and Making Peace. Reflections on the Ideology and Practice of Conflict Termination in Contemporary World Politics, Tulane Journal of International and Comparative Law 6 (1998), S. 656, hier: S. 6ff.; Kleffner, Peace, para. 7. 78 Cindy Daase Konflikten und stoßen aktiv Friedensprozesse an. So wird Friedensvermittlung zunehmend pro-aktiv an die Parteien heran getragen, ohne notwendigerweise auf deren Einladung und ein konkretes Mandat von ihnen zu warten. Dies bedeutet jedoch auch, dass diese Mediations- und Verhandlungsprozesse häufig einsetzen, bevor die direkten Konfliktparteien in der Tat dazu bereit sind, am Verhandlungstisch Platz zu nehmen.88 The Peacemaker, No. 4, Sept. 1967. In der Gesamtschau führt dies zu einer fundamentalen Veränderung des Charakters von Vermittlungsprozessen und Friedensverhandlungen deren Beginn und Verlauf zunehmend einen Interventionscharakter annehmen und externen Standards folgen.89 Für Vermittler und ihre Teams hat dies auch zur Folge, dass sie auf Basis eines externen Mandats bzw. der Agenda eines Staates oder einer internationalen Organisation handeln und aktiv zu Repräsentanten von Institutionen und normativen Konzepten werden, die sie in den Verhandlungs- und Friedensprozessen einbringen. Diese neuen Friedensstifter sind damit nicht nur in der Lage, Anreize in Verhandlungsprozessen zu setzen, sondern unter Umständen auch den Konfliktparteien in Fällen der Stagnation oder der Nichteinhaltung von Standards und Vereinbarungen mit Sanktionen oder gar der Anwendung von Gewalt zu drohen. Die sich außerdem abzeichnende Entwicklung einer differenzierten und professionalisierten „peace service landscape“ geht auch mit einem zunehmenden „outsourcing“ kritischer Vermittlungsprozesse durch Staaten an den privaten Diplomatie- und Mediationssektor, vor allem zur Beilegung asymmetrischer Konflikte einher. Dies führte wiederum zu einem gewissen Wettbewerb auf dem Markt einer privaten Diplomatie- und „Friedensindustrie“. Diese Entwicklungen sind weiter im Fluss und werden zukünftige Vermittlungsprozesse prägen. Anhand der gewählten Beispiele zeigte der Beitrag auf, dass zeitgenössische Mediatoren mehr als nur Begleiter von und Mittler in Friedensverhandlungen sind. Das Völkerrecht kann in gewisser Weise den Rahmen für Mediations- und Verhandlungsprozesse setzen. 88 Reisman, Stopping, S. 6, S. 9; Kleffner, Peace, para. 12. Es erscheint jedoch fraglich, ob Mediation und die Rolle des Mediators/Vermittlers jemals einen vollkommen neutralen Charakter hatte (oder haben konnte), siehe: Gerd Althoff (Hg.): Frieden Stiften, Vermittlung und Konfliktlösung vom Mittelalter bis heute, Darmstadt 2011. 89 Die Superfriedensstifter – Richard Holbrooke und Martti Ahtisaari 79 Der jeweilige Mediator wird letztlich zum Grenzgänger zwischen seinem (externen) Mandat und der Notwendigkeit, sich den Bedürfnissen der Parteien und des jeweiligen Konfliktund Verhandlungsprozesses anzupassen. Am Ende eines solchen Prozesses dient das (Völker-)Recht dann häufig als ein Werkzeug oder eine Technik, um den zwischen den Parteien ausgehandelten Deal zu codieren. Das Amt des Vermittlers mag also durch externe Standards und Strukturen limitiert sein. Sein Mandat und der gesetzte Rahmen werden aber dann vom jeweiligen Mediator über- und umgesetzt. In diesem Balanceakt kann der Mediator sich entscheidenden Spielraum verschaffen, einen Friedensprozess zu prägen und aktiv an der Gestaltung und Setzung von Recht teilzunehmen. So bleibt die Decodierung und Entmystifizierung der Rolle des (charismatischen) Friedensstifters – des Supervermittlers – weiterhin schwierig. Dieses komplexe Bild macht die Rolle von Mediatoren in Vermittlungs- und Verhandlungsprozessen zu einem illustrativen Beispiel der unbestreitbar wichtigen, aber schwer zu erfassenden Rolle von Individuen in Friedensprozessen und der Entstehung und Anwendung des (Völker-)Rechts. Bildunterschriften (Bildnachweise) Bild 1: The Peacemaker No. 1, March 1967, Cover, by Pat Bovette Boyette. © DC Comics. Bild 2: The Peacemaker, No. 2, Sept. 1967. © DC Comics. Bild 3: Debut of the Peacemaker in The Fightin’ 5, No. 40, 1966. © DC Comics Bild 4: The Peacemaker, No. 4, Sept. 1967. © DC Comics. Bild 5: The Peacemaker, No. 4, Sept. 1967. © DC Comics.