Museum für Industrie, Technik, Arbeit und Mobilität

Transcription

Museum für Industrie, Technik, Arbeit und Mobilität
Das „Museum für Industrie, Technik, Arbeit
und Mobilität“ (MITAM)
Salzgitter 2012
1
„Museum für Industrie,
Technik, Arbeit und Mobilität“
(MITAM)
Konzeption
Teil 1
Das Museumskonzept will Wege aufzeigen bzw. zur Diskussion
stellen, welchen Inhalt das „MITAM“ haben soll. Der Schwerpunkt dieses Teils des Gesamtkonzeptes liegt auf der Beschreibung der industriellen Entwicklung mit dem Schwerpunkt Mobilitätsindustrie und -technik in den letzten 200 Jahren. Das
Problem Arbeit und die kulturgeschichtliche Umrahmung der
mobilitätstechnischen Exponate können nur angerissen werden. Dies muss in einer noch tiefer gehenden Feinkonzeption
erfolgen (Teil 2 und 3). Für qualifizierte Hinweise, Anregungen
und auch für Kritik sind wir dankbar.
2
Inhaltsverzeichnis
Vorwort.........................................................................................................................................6
I.
Das „Museum für Industrie, Technik, Arbeit und Mobilität“ (MITAM)..............10
1. Vorbemerkung.........................................................................................................10
2. Die Empfehlungen des Masterplans..........................................................................12
3. Die Ziele.....................................................................................................................13
II.
Die Geschichte der kreisfreien Großstadt Salzgitter, des Schlosses Salder
und des Städtischen Museums......................................................................................32
1. Die Geschichte derGroßstadt Salzgitter....................................................................32
2. Schloß Salder- Die Geschichte...................................................................................45
3. Die Einrichtung des Städtischen Museums in Schloß Salder......................................48
III.
Die Industrialisierung des Braunschweigischen Landes im 19. und 20.
Jahrhundert.................................................................................................................57
1. Einleitung..................................................................................................................57
2. Die Industrie im Braunschweigischen Land..............................................................62
3. Die wirtschaftliche Entwicklung in Salzgitterim 19./20. Jahrhundert......................71
4. Die Wirtschaft und sozialen Verhältnisse in Salzgitter von der Weimarer
Zeit bis heute.............................................................................................................75
5. Die Reichswerke von 1937 – 1945................................................................................77
6. Die Demontage derReichswerke...............................................................................78
IV.
Das „Museum für Industrie, Technik, Arbeit und Mobilität“ (mit einer
„Zukunftsabteilung“ – Science Fiktion)......................................................................81
1. Begriffserklärung von „Technik“, „Arbeit“ und Mobilität“....................................81
a. Technik..........................................................................................................81
b. Arbeit............................................................................................................82
c. Mobilität........................................................................................................88
V.
Die museale Umsetzung................................................................................................90
1. Die Feingliederung....................................................................................................90
2. Die museale Darstellung............................................................................................91
a. Die Landwirtschaft und das ländliche Leben.................................................91
b. Das Handwerk...............................................................................................94
c. Die Darstellung der industriellen Schwerpunkte im
Braunschweigischen Land und in Salzgitter (Salzgewinnung
3
und Kalibergbau, die Montanwirtschaft, Braunkohle/Pech,
die Baumaterialindustrie, die Lebensmittelindustrie,
die Tuchherstellung, der Anlagen- und Maschinenbau,
die Elektrifizierung des Vorharzlandes, die verkehrsmäßige
Erschließung des Vorharzlandes, die Verkehrsregulierung,
das Eisenbahnwesen, LHB/Alstom, Straßenbahnen,
das Unternehmen Scharfenberg, die Entwicklung des Fahrrads,
die Entwicklung des Motorrads, des Motorrollers, des Mopeds,
die Fahrzeugfabrik Kannenberg (FAKA), die Entwicklung des
PKWs, das „Autowerk Salzgitter“ (AWS), der Autozubehör
produzent Bosch/Blaupunkt, die Entwicklung der
Nutzfahrzeuge/Büssing/MAN, LKW, Omni-Busse,
die Luftfahrtindustrie, die Schifffahrtsindustrie, andere
Industrien und Gewerbe..............................................................................99
d. Die Entwicklung der Arbeit (die Arbeit im 19. Jahrhundert,
die Arbeit im Dritten Reich und der Arbeitskräfteeinsatz
(deutsche Arbeitskräfte, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene,
KZler), freier Arbeitsmarkt, Bevölkerungswanderungen
(Binnenwanderung, Außenwanderung, Auswanderung,
Zuwanderung)...........................................................................................219
e. Die Industrialisierung und die Folgen für die Gesellschaft
und Umwelt................................................................................................219
f.Das Museum derZukunft (Science Fiktion, Projekte derZukunft).............223
VI.
Sammelschwerpunkte für das „MITAM“...............................................................226
VII. Raumbedarfsplan......................................................................................................229
VIII. Ausstellungsgestaltung..............................................................................................230
IX.
Weitere Museumsabteilungen (Magazine, Werkstätten,
Restaurationswerkstatt, Verkaufsshop, Museumsgastronomie,
Arbeitsräume fürBesucher, Heizung und Toiletten)..................................................232
X. Weitere Gesichtspunkte (Verkehrsanbindung, Eintrittspreise,
virtuelles Museum, Schul- und Kindermuseum, Lehrerfortbildung,
Zeit-Reisen, Kinderwerkstatt, Forschungswerkstatt, Freizeitangebote,
Vermietungen, Öffentlichkeitsarbeit, Feste, Zusammenarbeit mit
Vereinen, Handwerkstage)........................................................................................234
4
XI.
Beirat..........................................................................................................................240
XII. Verzeichnis benutzter Literatur (Auswahl)...............................................................241
5
Vorwort
Das vorliegende Konzept ist eine Fortschreibung der Museumskonzepte aus den Jahren 2000 und 2006/2007. Die darin
entwickelten Vorstellungen zur Stadtgeschichte konnten inzwischen weitgehend realisiert werden. Angestrebt war aber
auch der Ausbau eines „Museums für Industrie, Technik, Arbeit
und Mobilität“ („MITAM“). Dafür hat das Städtische Museum
Schloß Salder inzwischen bedeutende Exponate erhalten bzw.
einwerben können. Weitere Zusagen für Exponate in diesem
Bereich liegen vor. Die hinzugewonnenen Exponate stammen
in einem hohen Maße aus dem Bereich Mobilität, was seine Ursache in den industriellen Schwerpunkten der Region hat. Die
Eingrenzung des „MITAM“ auf diesen Darstellungsschwerpunkt ergibt sich daraus.
Das Konzept beschreibt nach einer kurzen Einführung und
einer kurzen Beschreibung der Geschichte der Stadt Salzgitter die Geschichte des Schlosses Salder und des darin untergebrachten Städtischen Museums Schloß Salder. Die Kenntnis der politischen Geschichte der Region zwischen Harz und
Heide muss voraus gesetzt werden, zu umfangreich würde eine
Beschreibung. Einzelne wichtige politisch-historische Ereignisse fließen in die Detailtexte mit ein. Unverzichtbar für das geplante „MITAM“ ist aber die Kenntnis der Wirtschafts- und
Sozialgeschichte der Region zwischen Harz und Heide. Dabei
soll deutlich gemacht werden, welche industrielle Entwicklung
die Region durchlaufen, welche sozialen Entwicklungen es gegeben hat.
Die Region zwischen Harz und Heide hat sich im Laufe der
letzten 200 Jahre aus einer weitgehend landwirtschaftlich geprägten Region in eine der modernsten Wirtschaftsregionen
Deutschlands entwickelt, wobei die Mobilitätsindustrie inzwischen eine dominierende Rolle spielt. Und Salzgitter hat daran
einen hohen Anteil. Die Industrialisierung der Region basierte
und basiert auf der unglaublich harten Arbeit der Menschen,
die in hohem Maße mobil waren und sind. Damit sind auch die
beiden Themen benannt, die im „MITAM“ dominierend dargestellt werden sollen, Mobilität und Arbeit. Doch auch andere industriell-technische Besonderheiten in der Region müssen
mit einbezogen werden.
6
7
Die Basis für die Industrialisierung der Region zwischen Harz
und Heide waren die Landwirtschaft mit ihren speziellen Produkten und das Handwerk. Beide Wirtschaftszweige müssen
daher kurz beschrieben, müssen in der Ausstellung dargestellt
werden. Aus diesen Grundlagen wuchsen seit dem 19. Jahrhundert bis heute Industrieschwerpunkte, die vorgestellt werden,
wenn sie ausstellungsrelevant sind. Die Beschreibung dieser
wichtigen Industrieschwerpunkte ist noch nicht einheitlich
umfassend, in einigen Fällen muss noch nachgeforscht werden.
Mit der Industrialisierung hat sich auch die Arbeit verändert,
von der harten „Sklavenarbeit“ hin zu einer von den Tarifpartnern geregelten Arbeit, wie die Beschreibung und die Darstellung zeigen soll.
Die Beschreibung der ausstellungsrelevanten Industriebranchen, vor allem der Mobilitätsindustrien, erfolgt in „chronologischer Reihenfolge“, wann sie entstanden sind. Danach erfolgt
dann eine Beschreibung der sozialen Mobilität und des Faktors
Arbeit. Es ist daran gedacht diese Ausstellungsschwerpunkte
„Mobilitätsindustrie“, „soziale Mobilität“ und „Arbeit“ zu verzahnen, die im städtischen Museum Schloß Salder bereits vorhandenen Ausstellungsabteilungen mit einzubeziehen, wo es
sinnvoll ist. Ob dies stets in chronologischer Form durchgängig
erfolgen kann, ist noch ungewiss, da noch nicht klar ist, welche räumlichen Möglichkeiten vorhanden sein werden. Zudem
müssen Vorgaben von Gebern von Exponaten berücksichtigt
werden (so möchte ALSTOM/LHB seine Sammlung geschlossen gezeigt haben).
Die Industriegesellschaft hat den Menschen unglaubliche Fortschritte gebracht. Die negativen Seiten sollen und dürfen aber
nicht ausgeblendet werden – man denke nur an die Umweltbelastungen -, sie werden kurz beschrieben und sollen auch dargestellt werden. Wohin wird sich unsere Gesellschaft entwickeln,
wie wird sich die Gesellschaft zukünftig bewegen und arbeiten?
Fragen, die wir in einer Science Fiktion-Abteilung aufzeigen
wollen. Den Abschluss dieses Konzeptes bilden einige für das
Umfeld eines Museums unbedingt notwendige Überlegungen,
wie Raumanforderungen, Arbeitsräume, Magazine, Öffentlichkeitsarbeit usw. Offen bleiben muss in diesem Stadium der
Überlegungen die Frage der Kosten, dies muss zu gegebener
Zeit nachgeholt werden.
8
Zur Erarbeitung dieser Konzeption wurde auf Literatur und
Zeitungen zurückgegriffen. Nur in den Anfangskapiteln werden die wichtigsten Arbeiten in Kurzform zitiert. Die vollen Titel können im Literaturverzeichnis nachgesehen werden. Ein
einzelner Bildnachweis erfolgt in dieser Konzeption nicht. Die
genaue Herkunft der Bilder kann im Medienzentrum nachgefragt werden.
9
Bevölkerungswanderung nach Salzgitter
I.
Das „Museum für Industrie, Technik, Arbeit
und Mobilität“ (MITAM)
1.
Vorbemerkung
Seit der Mensch die Erde bevölkert, ist er in Bewegung. Stets
waren die Menschen auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen. Auch die Neugier trieb sie umher, Neugier auf das
Leben „draußen“. Menschen wurden aber auch zwangsweise
„mobilisiert“. Die Entwicklung der Region zwischen Harz und
Heide zu einem der bedeutendsten Industriereviere seit dem
18./19. Jahrhundert hat dazu geführt, dass Menschen in großem
Umfang mobil waren. Die Mobilität der Menschen war immer
zeitabhängig, vor 200 Jahren zog man zu Fuß, zu Pferd, mit der
Kutsche oder der Postkutsche in die Welt hinaus, später wurden dafür bevorzugt Fahrräder und die Eisenbahn genommen,
heute erfolgt dies immer noch mit der Eisenbahn, verstärkt mit
dem Auto oder dem Flugzeug. Seit einigen Jahrzehnten „verlassen“ Menschen sogar unsere gute alte Erde, greifen nach den
Sternen, fliegen bis zum Mond.
Heute ist die Region zwischen Harz und Heide eines der bedeutendsten Industriereviere Deutschlands. Seit rund 200 Jahren
wuchsen aus handwerklichen Anfängen Manufakturen, erste
Fabriken. Diese Anfänge beruhten im Gebiet zwischen Harz
und Heide auf der Verarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten (Konservenfabriken, Zuckerfabriken, Mühlen), auf der
Hereingewinnung von Rohstoffen und deren Veredelung (Erze,
Kalisalz, Kalk, Braunkohle, Pech u. a). Die Maschinenbau- und
Anlagenbaufabriken lieferten dafür die Maschinen. Im Laufe
der letzten 100 Jahre haben sich neue industrielle Schwerpunkte herausgebildet, besonders im Mobilitätsbereich hat sich die
Region eine führende Rolle in Deutschland erarbeitet. Heinrich
Büssing war der erste Unternehmer, der mit dem Bau von Fahrrädern, dann mit LKWs und Omnibussen wegweisend wirkte.
Die Stadt Salzgitter, im Jahre 1942 als Großstadt gegründet,
trug und trägt mit seinen sehr verschiedenen Mobilitäts-Industrien (MAN/Büssing, Alstom/LHB, VW, Bosch, Kannenberg u.
a.) in erheblichem Maße zu dieser Entwicklung bei.
Große Industrieprojekte, seit den 1930er Jahren im Salzgittergebiet/Salzgitter, aber auch in Wolfsburg gestartet, haben
10
Bevölkerungsentwicklung in Salzgitter
seit 1937
Arbeitsleistung
umfangreiche Bevölkerungsverschiebungen verursacht. In
Salzgitter kamen zu den rund 19.500 „Ureinwohnern“ (Stand:
1937) rund 100.000 „Neubürger“ bis 1942, dem Termin der
Großstadtgründung, hinzu, freiwillig oder auch zwangsweise
(Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene, KZler). Nach dem Ende
des Zweiten Weltkrieges setzten neue Wanderbewegungen ein.
Nach 1945 gingen viele der „Neubürger“ wieder in ihre Heimat zurück. Flüchtlinge und Vertriebene aus den deutschen
Ostgebieten kamen ab 1945 in die neue Stadt. Es folgten DDRFlüchtlinge, Gastarbeiter (Italiener, Serben, Kroaten, Spanier,
Portugiesen, Griechen, Türken u. a.), Spätaussiedler. Das wirtschaftliche Auf und Ab, wechselndes Lebensgefühl (z. B. Landflucht), die politischen Entwicklungen seit 1945, besonders aber
seit den 1960er Jahren führten zu einer ständigen Fluktuation
bzw. Binnenwanderung im nördlichen Vorharzland.
Die herausragende wirtschaftliche Stellung der Region zwischen Harz und Heide innerhalb Deutschlands beruht auf der
Arbeitsleistung der Menschen dieser Region. Im 19. Jahrhundert mussten die Menschen in den ersten Fabriken noch 14-16
Stunden am Tag, an sechs Tagen in der Woche arbeiten. Urlaub
kannten die Arbeiter(innen) nicht. Frauen und Kinder mussten
mit arbeiten, um den Lebensunterhalt zu sichern. Schrittweise wurden diese unerträglichen Zustände verbessert. Parteien,
Gewerkschaften, Betriebsräte und die Arbeiter(innen) selbst
haben die Arbeitswelt bis heute tiefgreifend humanisiert.
Die Geschichte der Region zwischen Harz und Heide, besonders auch die Geschichte Salzgitters beschreibt wie in einem
Brennglas deutsche Geschichte. Salzgitter, eine faszinierende,
flächenmäßig riesige Industriestadt, die auch heute noch große landwirtschaftliche Flächen hat, in der das Handwerk noch
blüht, in der mittelständische Betriebe und weltweit operierenden Großkonzerne ansässig sind, ist daher hervorragend geeignet, in einem Museum diese Veränderungen der letzten 200
Jahre für die gesamte Region zwischen Harz und Heide und
der Stadt Salzgitter zu beschreiben bzw. darzustellen. Dabei
soll auch betrachtet werden, welche Auswirkungen die Industrialisierung auf die Gesellschaft und die Umwelt hatte, welche Zukunftsvisionen entwickelt wurden und werden, um die
negativen Seiten der industriellen Revolution zu bewältigen.
Die Geschichte der Industrien, der Arbeitsbedingungen und
11
der Mobilität/Wanderungen können nicht als lokales Geschehen dargestellt werden, die Konservenindustrie, die Zuckerindustrie, die Montanwirtschaft, die Fahrzeugindustrie nicht auf
Salzgitter beschränkt beschrieben werden. Die wirtschaftlichtechnische Entwicklung mit dem Schwerpunkt der Mobilität,
die Veränderungen im Bereich der Arbeit und die gewaltigen
Bevölkerungsverschiebungen sollen daher exemplarisch für
niedersächsische und sogar deutsche Geschichte vorgestellt
werden.
2.
Empfehlungen des
Masterplans (2011)
Modifizierung des
Masterplans
Die Empfehlungen des Masterplans
Anfang des Jahres 2011 hat die Stadt Salzgitter vier Fachleute
(Frau Dr. Susanne C. Meyer/Berlin, Herrn Dipl.-Ing. Wolfram
Bäumer/Bruchhausen-Vilsen, Frau Dr. Beate Bollmann/
Oldenburg, Herrn PeterGössel/Bremen) beauftragt, auf der Basis
der Museumskonzepte von 2000 und 2006/2007 Überlegungen
für die Weiterentwicklung des Städtischen Museums Schloß
Salder zu erarbeiten, wobei die Einbeziehung des Alstom/LHBEisenbahnmuseums in die Überlegungen gefordert wurde. Der
Masterplan1 stellt, was die Neuausrichtung des Städtischen
Museums Schloß Salder betrifft, drei Entwicklungsvarianten
vor: 1. Dreispartenhaus, 2. Portalmuseum und 3. überregional
bedeutendes Technikmuseum mit den Schwerpunkten Mobilität
und Arbeit. Der Masterplan kommt zu der Empfehlung, dass
die Stadt Salzgitter das Städtische Museum Schloß Salder zu
einem Portalmuseum entwickeln soll. Diese Empfehlung lautet
folgendermaßen: „Für den Aus- und Umbau des Städtischen
Museums Schloß Salder ist das Konzeptmodell 2 ‚Portalmuseum’
am besten geeignet“2, wobei das Alstom-Eisenbahnmuseum am
Firmenort belassen werden soll.
Diese Empfehlung lässt aber einige unabdingbare
Rahmenbedingungen und auch Vorgaben vollkommen außer
Acht. Das Unternehmen Alstom/LHB will/kann keine Gelder in
denAusbau des LHB-Werksmuseums stecken, was notwendig ist,
um es museal der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Fördergelder des Landes, der Stiftungen u.a. werden nicht an
1 Der Masterplan wurde von vier Fachleuten erarbeitet und liegt seit Ende 2011
vor und kann im Internet eingesehen werden.
2 Masterplan, S. 228.
12
Unternehmen vergeben, so dass vor Ort im Unternehmen das
Werksmuseum nicht so hergerichtet werden kann, dass dies der
Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann (die Kosten
dafür wurden mit rund 3,5-4 Mio. € errechnet). Fördergelder
von Stiftungen sind oftmals regional an bestimmte Gebiete
gebunden, so kann die NORD/LB-Stiftung ihre Fördergelder
nur an Projekte vergeben, die im alten Braunschweigischen
Land liegen3. Die Konzeptionen 1 und 2 sind laut Masterplan rein
lokalbezogen auf Salzgitter. Auch dafür – für ein Stadtmuseum
- werden das Land Niedersachsen und die Stiftungen kein
Fördergeld zur Verfügung stellen.
3.
Verwirklichung von
Konzeptmodell 3 und
Gründe
Die Ziele
Das „MITAM“ soll zu einer Imageverbesserung für Salzgitter
beitragen, Menschen der gesamten Region und darüber hinaus
anziehen (weicher Standortfaktor). Der Ruf, eine „graue
Industriestadt“ zu sein, kann damit aufgebrochen werden (wobei
dies ein langwieriger Prozess ist). Dabei soll man durchaus stolz
auf die industrielle Basis der Stadt Salzgitter zeigen.
Die Beschreibung der Geschichte der Nordharzer Region
und der diese Geschichte dokumentierenden Museen zeigt,
dass sich der Raum zwischen Harz und Heide, zum großen
Teil das ehemalige Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel
und zum Teil auch das Königreich Hannover/Preußen, seit
dem 18. Jahrhundert über die damaligen Grenzen hinweg zu
einem einheitlichen Wirtschaftsraum entwickelte4. Folgende
Industrieunternehmen bzw. -branchen haben seit 1800 das
wirtschaftliche Geschehen bestimmt: der Bergbau und
das Hüttenwesen, das Salinenwesen, das Brauwesen, die
Porzellanherstellung, der Maschinenbau, der Fahrzeugbau,
der Landmaschinenbau, die Uhrenindustrie, die Fototechnik,
der Schreibmaschinenbau, die Bekleidungsindustrie, die
3 Im September 2012 hat dies ausdrücklich nochmals der Geschaftsführende
Vorstand der NORD/LB-Stiftung, Herr Axel Richter, erklärt.
4 Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Raumes zwischen Harz
und Heide ist in letzter Zeit durch einige umfangreiche wissenschaftliche
Untersuchungen beschrieben worden: Jarck, Schildt, Die Braunschweigische
Landesgeschichte (mehrere Einzelkapitel zum Thema Wirtschaft und
Soziales); Kintzinger, Handwerk in Braunschweig (mehrere Einzelartikel zum
Thema); Märtl, Kaufhold, Leuschner, Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte
des Braunschweigischen Landes, Bd. 1-III (mehrere Einzelbeiträge).
13
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25
Tuchherstellung, die Lebensmittelindustrie (Molkereien,
Zuckerfabriken,
Konservenfabriken
u.
a.),
der
Pharmaziebereich, die Luft- und Raumfahrttechnik, das
Banken- und Versicherungswesen. Bedeutende technische
Neuerungen und Entwicklungen gingen von der Nordharzer
Industrie aus.
Damit waren auch enorme, die gesamte Gesellschaft erfassende
und verändernde Umwälzungen verbunden. Mancher
Industriezweig ist bereits wieder verschwunden, andere
Branchen, wie der Dienstleistungsbereich, der Freizeitbereich,
der (Massen)Tourismus, die Kommunikationstechnik u. a.,
sind erst nach dem Zweiten Weltkrieg in ihrer Bedeutung
gestiegen, haben schnell immer größere Wichtigkeit gewonnen,
wie auch der in neuester Zeit hinzu kommende Komplex
der Wissensvermittlung und Forschung in Schulen, in
Fachhochschulen, in Universitäten, in Akademien u. a.
Im Raum zwischen Harz und Heide gibt es kein
Industriemuseum
für
das
19.-20.
Jahrhundert,
wie wir es z. B. in Mannheim, in Nürnberg, in
München, in Berlin finden, und in dem dargestellt wird, wie
sich aus einer ursprünglich landwirtschaftlich geprägten
Region eines der bedeutendsten Industriegebiete Deutschlands
entwickelt hat, welche arbeitsmäßigen Leistung von den
Menschen erbracht wurden und welche Rolle in diesem
Entwicklungsprozess die Mobilität bzw. die Mobilitätsindustrie
gespielt haben. Die Museen, die sich in unserem Raum
diesem Thema widmen, beschränken sich zumeist auf einen
Produktionsbereich, auf ein Industrieprodukt, wie z. B. auf
den Bergbau, auf Autos. Zumeist zeigen diese Museen aber nur
die Industrieprodukte (die Ausnahme sind die Bergbaumuseen
im Harz), selten aber, wie diese und mit welcher Technik
hergestellt wurden und werden und welche speziellen sozialen
Auswirkungen die verschiedenen Industriebranchen auf die
Gesellschaft bzw. auf den einzelnen Menschen hatten und
haben.
Auch wenn in der Darstellung des „MITAM“s das Salzgittergebiet und die Stadt Salzgitter einen Darstellungsschwerpunkt
bilden werden, ergibt sich aus der Sache selbst, der regionale,
ja überregionale Bezug. So kann z. B. die Darstellung der
Verkehrswirtschaft (Straßen- und Schienenverkehr) nicht auf
26
Einfügung in Museumslandschaft
Salzgitter beschränkt werden. Andere Industriebranchen waren
für die ganze Region typisch, so z. B. die Lebensmittelindustrie
(Konservenfabriken, Zuckerfabriken, Mühlen u. a.). Große
Industrieunternehmen, wie z. B. Büssing/MAN, Bosch, LHB/
Alstom oder VW, sind erst nach dem Zweiten Weltkrieg
nach Salzgitter oder in die Region gekommen, haben aber
ihre teilweise bis ins 18. Jahrhundert zurückreichende, ganz
Deutschland umfassende Geschichte mitgebracht, auf die in
der geplanten Ausstellung eingegangen werden muss. Zudem
haben die großen Firmen der Region heute Hunderte von
Zulieferbetrieben im Raum, Tausende von Beschäftigten aus
der ganzen Region, beeinflussen die ganze Region, vermarkten
ihre Produkte weltweit.
Hier liegt für das Städtische Museum Schloß Salder eine große
Chance, ein wichtiges Thema in der Region zu besetzen, die
bereits vorhandenen Sammlungen und Präsentationen weiter
ausbauen zu können und damit die Resonanz und Akzeptanz in
der Bevölkerung Salzgitters und der ganzen Region zu erhöhen.
Dabei spielt die Sammlung historischer Loks und Waggons von
LHB mit den einmaligen Exponaten eine herausragende Rolle.
Heute können Museen nicht mehr alles sammeln und
präsentieren. Innerhalb einer Region sollte sich eine
Museumslandschaft entwickeln, in der die verschiedenen Häuser
Schwerpunkte beim Sammeln und Ausstellen absprechen. Die
Industrie- und Arbeitnehmerstadt Salzgitter ist bestens für die
Schwerpunkte „Technik“, „Arbeit“ und „Mobilität“ geeignet,
können den Bürgern doch hier „ihre eigene Berufs- und
Lebenswelt“ und deren historische Wurzeln gezeigt werden.
Aus und von den noch bestehenden Firmen kann stets weiteres
Sammlungsgut eingeworben werden. Das Landesmuseum
Braunschweig begrüßt diese „Spezialisierung“ ausdrücklich,
unterstützt sie und hat dem Museum Schloß Salder bereits
verschiedene, in die Ausstellung gehörende Sammlungsstücke
als Dauerleihgabe bzw. als Geschenk vermacht. Auch anderen
Museumsverbänden der Region (z. B. der AG Museen der
Braunschweigsichen Landschaft) wurde das Grobkonzept für
das „MITAM“ vorgestellt.
Das Museum muss eine außerschulische Lernwerkstatt sein, in
der alle Bevölkerungsgruppen von Jung bis Alt Wissen vermittelt
bekommen, allerdings nicht in platter Wissensvermittlung,
27
Konzeptmodell 3 des
Masterplans
Raumbedarf
Organigramm
vielmehr sollen die Besucher die Möglichkeit erhalten, sich
Wissen zu „erarbeiten“.
Der Masterplan stellt – wie schon angesprochen drei Entwicklungsvarianten vor: 1. Dreispartenhaus,
2. Portalmuseum und 3. überregional bedeutendes
Industriemuseum mit den Schwerpunkten „Technik“,
„Arbeit“ und „Mobilität“. Die Stadt Salzgitter sollte aus den
bereits genannten Gründen das im Masterplan enthaltene
Konzeptmodell 3 „überregionales Standort unabhängiges
Mobilitätsmuseum“ übernehmen, wobei Elemente aus
Konzeptmodell 2 „Portalmuseum“ mit eingebunden werden
sollten. Die spezifische Geschichte der Stadt Salzgitter und auch
des Gesamtmuseums Schloß Salder machen den eigenständigen
Erhalt der bereits vollkommen neu inszenierten Abteilung
Stadtmuseum unabdingbar, wobei dort, wo es sinnvoll, ja
notwendig ist, die Querverbindung zum „MITAM“ hergestellt
werden. Das Museum zur Stadtgeschichte bleibt bestehen und
setzt sich aus folgenden Teilen zusammen: Stadtgeschichte,
Eiszeitgarten, Spielzeugwelt, Bildende Kunst. Die Unterbringung
dieser Abteilungen erfolgt im Schloß Salder, im Kuhstall, im
Pferdestall und auf der Freifläche Eiszeitgarten. Neubauten
sind für diese Abteilungen nicht notwendig. Das „MITAM“ mit
den Schwerpunkten „Technik“, „Arbeit“ und „Mobilität“ kann
im sogenannten Schafstall (1.500 m²) und in einem Neubau
mit insgesamt 6.000 m² (= 7.500 m²) untergebracht werden.
Die Verwaltung und andere Funktionsräume können – bis auf
einige Ergänzungen – so bleiben wie bisher.
Organigramm fürdas „Museum für Stadt- und Industriegeschichte
– Schloß Salder“
Stadtgeschichte
„Museum für Industrie,
Technik, Arbeit und Mobilität“
Eiszeitgarten
Science Fiktion
Spielzeugwelt
Bildende Kunst
Werkstätten
Arbeitsräume
28
Diese Konzeption entnimmt dem Masterplan einige
Empfehlungen, sucht aber auch einen „eigenen Weg“ zum Ziel.
Da in den Empfehlungen des Masterplans nur wenig über die
innere Gestaltung des „MITAM“ enthalten ist, soll dies nun
in diesem Feinkonzept erfolgen, wobei die Tatsache, dass die
räumlichen Planungen für einen notwendigen Ergänzungsbau
nahe dem Städtischen Museum Schloß Salder noch nicht
vorliegen, auch in diesem Papier einige Unbekannte enthalten
sind.
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Für das „MITAM“ wurden und werden seit einigen Jahr ExpoiY^_Y^j[ÇWki\”^hb_Y^[hJ_j[bbWkjAedp[fj_ed(&&-0ØCki[kcpkh=[iY^_Y^#
nate gesammelt. Eine erste Abteilung mit dem Thema der Rohj[Z[hIjWZjIWbp]_jj[hkdZZ[iIWbp]_jj[h][X_[j[iledZ[d[hZ][iY^_Y^jb_Y^[d
7d\d][dX_i^[kj[Ç_ij_cIY^beii][XkZ[kdj[h][XhWY^j$':[h7XiY^d_jj
stofferzeugung „Vom Erz zum Eisen/Stahl“ ist auf rund 600 m²
pkh =heœijWZj]h”dZkd] '/)-\\$ m_hZ (&'( _c EX[h][iY^eii F\[hZ[ijWbb
im Pferdestall präsentiert (sollte evtl. umgesetzt werden, ohne
[_d][h_Y^j[jm[hZ[d$
dass sich der Inhalt und die Gestaltung ändern müssen). In Form
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einer Schaupräsentation ohne Inszenierung werden weitere
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Exponate auf 1.500 m² im sogenannten Schafstall gezeigt. Diese
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Präsentation wird ständig verändert, Exponate werden durch
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Exponate – darunter eine umfangreiche Büssing- und MAN^Wbb[Ak^ijWbbÇl[hm[dZ[j$
Sammlung - sind in zwei großen Magazinen untergebracht.
Der Masterplan vermerkt zu recht, dass das Sammlungsgut
für ein überregional herausragendes Industriemuseums noch
nicht reicht. Dies ist richtig. Der Schwerpunkt der vorhande&,%
nen Sammlungen liegt auf Exponaten aus dem Salzgittergebiet
und der Stadt Salzgitter. Einige Sammlungen (Büssing, MAN,
VW, LHB usw.) greifen nun aber schon darüber hinaus, stammen aus der gesamten Region, aus ganz Deutschland. Dies muss
30
Strukturierung des
Museums
noch intensiviert werden. Um die Schaffung eines „überregional bedeutenden Industriemuseums“ zu erreichen, müssen noch
erhebliche Lücken in den Sammlungen geschlossen werden.
Einige Sammlungs-Lücken wird man ganz sicher schließen
können (Angebote für Ausstellungsexponate liegen bereits vor),
doch nicht immer. Dies sollte jedoch die Stadt Salzgitter nicht
davon abhalten, mit dem Ausbau des „MITAM“ zu beginnen.
Das Museum wird sich schrittweise entwickeln, wie dies auch
in anderen vergleichbaren Häusern erfolgt ist. Zudem werden
zukünftig die großen und kleinen Firmen der Region und darüber hinaus Exponate zur Verfügung stellen (Zusagen liegen
bereits vor).
Das städtische Museum Schloß Salder mit seiner Darstellung
der Geschichte des Salzgittergebietes und der Stadt Salzgitter
von den erdgeschichtlichen Anfängen bis etwa 1990, mit dem
Eiszeitgarten und der Darstellung der Geschichte der Kindheit
und des Spielens und die Städtischen Kunstsammlungen sollen – wie bereits erwähnt - in die Darstellung der Industriegeschichte mit einbezogen werden. Der dokumentarische Wert
der Kunstsammlung „Arbeitswelt“ sei – so der Masterplan –
nur gering, aber der Einbau von Teilen der Kunstsammlung
könne einen emotionalen Zugang zur Technikpräsentation erleichtern. Die Bewertung der recht umfangreichen Sammlung
zur Arbeitswelt ist erstaunlich, nicht nachvollziehbar. Die darin
enthaltenen wertvollen Arbeiten können durchaus in die Technikpräsentation einbezogen werden, allerdings nur zeitweise,
um die Werke vor Schaden zu schützen.
31
Gründung der
Reichswerke
Tausende kamen.
Planungen für die
Hermann-GöringStadt
II.
Die Geschichte der kreisfreien Großstadt
Salzgitter, des Schlosses Salder und des
Städtischen Museums
1. Die Geschichte der Großstadt Salzgitter
Die kreisfreie Großstadt Salzgitter wurde am 1. April 1942 in
einen uralten Kulturraum hinein gegründet. Ursache für diese kommunale Gliederung war die Gründung der Reichswerke am 15. Juli 1937. Im Rahmen seiner Autarkiepolitik hatte
Hermann Göring dieses Staatsunternehmen gegründet mit
dem Ziel, die gewaltigen Erzvorkommen im Salzgittergebiet zu
heben und an Ort und Stelle zu verhütten. Für diesen Zweck
brauchte man ein Hüttenwerk. Der Baubeginn der Reichswerke führte Tausende von Arbeitskräften in das 1937 rund 19.500
Einwohner zählende Aufbaugebiet. Paul Pleiger ordnete Ende
November 1937 ein erstes Bauprogramm von rund 10.000
Wohnungen an, die von der im Dezember 1937 als Tochter gegründeten „Wohnungs-AG“ unter Führung von Herbert Rimpl
in mehreren Siedlungen nahe von Steterburg, Hallendorf, Gebhardshagen, Flachstöckheim und Salzgitter (Kniestedt) erbaut
wurden1. Als Paul Pleiger die Planungen für die „Stadt des KdFWagens“ Ende 1937 bekannt wurden, ließ er sofort auch Ideen
für den Bau einer Großsiedlung im Salzgittergebiet anstellen,
da er angesichts des spürbaren Arbeitskräftemangels hoffte,
mit einer attraktiven Großstadt die Reichswerkebeschäftigten
an das Werk binden zu können. Im Planungsstab unter Herbert Rimpl entwarfen die Architekten Werner Hebebrand,
Walter Tralau, der Gartenarchitekt Wilhelm Heintz u.a. in der
ersten Hälfte 1938 eine Großsiedlung, eine Gartenstadt, die in
ihrer Gestaltung allerdings einige Kompromisse an die Zeit, an
das nationalsozialistische Regime machen musste2. Mit der Zeit
wurden die Planungen für die anfangs für 130.000 Einwohner
ausgelegte Großsiedlung immer gigantischer. Man rechnete mit
165.000 Einwohnern. Immer mehr erhielt die „Hermann-Gö1 Zur Baugeschichte Salzgitters ab 1937 siehe: Schneider, Stadt-Bau Salzgitter
1937-1990; Leuschner, Die Übernahme eines schweren Erbes.
2 Zur Auseinandersetzung darüber, ob die Großsiedlung eine
nationalsozialistische Musterstadt oder eine Gartenstadt war, vgl. Worbs,
Salzgitter-Lebenstedt. Gartenstadt oder NS-Siedlung?, S. 344-366), der in
den Planungen eine Gartenstadt sieht.
32
Plan des Architektenbüros Rimpl der Großsiedlung.
Geplante Volkshalle.
ring-Stadt“ zentralräumliche Funktionen. Mächtige Repräsentationsbauten, ein Theater, eine Universität, eine Volkshalle, ein
Parteihaus, ein DAF-Gebäude, das Verwaltungsgebäude der
Reichswerke, Aufmarschplätze, was zu der Vermutung führte,
dass die neue Stadt in den Plänen Paul Pleigers Hannover und
Braunschweig die politische Mittelpunktfunktion im niedersächsischen Raum streitig machen und in dem nach dem Krieg
zu gründenden niedersächsischen Gau „Hauptstadt“ werden
sollte3.
Im Juli 1938 hatte der Justitiar der Reichswerke Georg Strickrodt in einem Gutachten seine Vorstellungen für eine kommunale Neugliederung des Salzgittergebietes entworfen. Er schlug
vor, dass man alle Orte um die Hütte und um die Gruben herum, die Barackenlager, die Neubausiedlungen und die „Hermann-Göring-Stadt“ genannte Großsiedlung zu einer Stadt
zusammenfassen sollte, nur so könne man den Verwaltungswirrwarr beseitigen, der den Aufbau der Reichswerke behinderte4. Noch war aber nicht einmal der Standort der Großsiedlung festgelegt. Gegen die Absichten des braunschweigischen
Ministerpräsidenten Dietrich Klagges, der die Großsiedlung
in Thiede-Steterburg ansiedeln und später in die Stadt Braun3 Vgl. Stubenvoll, Das Raumordnungsgeschehen, S. 121 ff.; Leuschner, Die
neue Stadt Salzgitter, S. 1086.
4 Vgl. Leuschner, Die neue Stadt Salzgitter, S. 1086.
33
Bau der Großsiedlung
Gründung der Großstadt WatenstedtSalzgitter
schweig eingliedern wollte, um so seine Position im Kampf gegen Hannover verbessern zu können, bestimmte Göring unter
mehreren Standorten Mitte Juli 1939 das Fuhse-Vlothe-Tal als
Standort „seiner Stadt“, weit weg vom KdF-Werk, weit weg
von Braunschweig, aber nahe der Hütte. „Der Bildung einer
Gesamtstadt stimmte Göring zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu,
obwohl es Pleiger vehement gefordert hatte.“5
Im September 1939 bei Kriegsbeginn wurde mit dem Bau der
Großsiedlung begonnen. Bis 1944 ging der Bau daran, aber
auch an den verschiedenen Siedlungen unvermindert weiter.
Sechs Abschnitte (Abschnitt VI nur teilweise) der Großsiedlung
und mehrere Siedlungen mit insgesamt rund 11000 Wohnungen wurden erbaut6. Sie boten vielen Hüttenwerkern und ihren Familien festen Wohnraum. Pleiger unternahm auch nach
1939 weitere Vorstöße, um für das Aufbaugebiet doch noch die
Gründung einer „Gesamtstadt“ zu erreichen. Die Bedeutung der
Reichswerke für den Krieg, wahrscheinlich aber noch mehr die
zunehmende Macht von Paul Pleiger als dem wichtigsten Rüstungsmanager des Dritten Reiches führten 1942 zum angestrebten Ziel. Am 1. August 1941 wurden die Landkreise Goslar (an
Braunschweig) und Holzminden (an Preußen) getauscht7. Damit waren die Voraussetzungen für die Großstadtgründung geschaffen: Am 31. März 1942 fällte der Braunschweiger und Anhalter Reichsstatthalter Rudolf Jordan die Entscheidung, dass
am 1. April 1942 aus 24 Gemeinden, Teilen von 16 sowie fünf
Forstgemarkungen die Stadt Watenstedt-Salzgitter gebildet
werden sollte. Der schriftliche Beschluss wurde Klagges am 13.
April 1942 nachgereicht, die Veröffentlichung erfolgte am 18.
April 1942. Aus dem Landkreis Wolfenbüttel wurden die Orte
Barum, Beddingen, Bleckenstedt, Bruchmachtersen, Calbecht,
Drütte, Engelnstedt, Engerode, Gebhardshagen, Hallendorf,
Heerte, Immendorf, Lebenstedt, Lesse, Lichtenberg, Lobmachtersen, Reppner, Osterlinde, Salder, Thiede (mit Steterburg),
Watenstedt und Teile von Gustedt, Fümmelse und Leinde, die
Forstgemarkungen Steterburg, Lesse, Lichtenberg I/II, Hardeweg und aus dem Landkreis Goslar die Orte Beinum, Flachstöckheim, Groß Mahner, Hohenrode, Ohlendorf, Salzgitter (mit
5 Leuschner, Die neue Stadt Salzgitter, S. 1087.
6 Zum Bau der Siedlungen vgl. ebd.
7 Zum Gebietstausch vgl. Lent, Braunschweig und Salzgitter. Der Gebietstausch
mit Preußen 1941, S. 78-91.
34
Kniestedt und Gitter) und Teilen von Alt Wallmoden, Gielde,
Haverlah, Ringelheim und Steinlah zur kreisfreien Stadt Watenstedt-Salzgitter zusammengefügt8. Die NSDAP-Kreisleiter
hatten vor dem Zusammenschluss die Meinung der Ortsbürgermeister und Gemeinderäte der betroffenen Orte erkundet,
ein Mitspracherecht hatten die jahrhundertealten Dörfer bei
der Bildung der kreisfreien Stadt Watenstedt-Salzgitter jedoch
nicht9.
Mit der Gründung der Stadt Watenstedt-Salzgitter trat keineswegs eine Konsolidierung der Verhältnisse ein, und von
einer planvollen Gestaltung der kommunalen Aufgaben bis
1945 konnte keine Rede sein. Gemäß der „Deutschen Gemeindeordnung“ (DGO vom 30. Januar 1935) wurde auf Vorschlag
8 Vgl. Leuschner, Die neue Stadt Salzgitter, S. 1087 f.
9 Vgl. ebd., S. 1088.
35
Einsetzung eines
Staatskommissars
Verwaltungsstruktur
der neuen Stadt
Ortsrechte
Kriegsende in Salzgitter 1945
des seit dem 1. Januar 1942 amtierenden NSDAP-Kreisleiters
Heinz Deinert an die Spitze der neuen Stadt als Staatskommissar der Goslarer Landrat Rudolf Tiedemann, NSDAP-Mitglied
und SS-Mann, berufen und am 27. April 1942 eingesetzt. Ihm
zur Seite stand seit dem 1. Oktober 1942 der aus dem Feld zurückgekehrte, ehemalige Bürgermeister von Salzgitter, Hermann Ahrens, als Bürgermeister10. Die neue Stadt hatte eine
räumliche Ausdehnung von 209 km², und deshalb war eine zentrale Verwaltung mit einem Rathaus mitten im Kriege angesichts der Verkehrssituation nicht möglich. Eine nach Haupt-,
Bezirks- und Ortsverwaltung notwendige Dezentralisation
wurde zwischen 1942 - Anfang 1944 notwendig. Die alten Ortsrechte wurden bis 1943 aufgehoben und durch die am 18. Juni
1943 erlassene Hauptsatzung zum Teil ersetzt. Sie bestimmte,
dass an der Spitze ein Oberbürgermeister (die Einsetzung eines
Staatskommissars war angeblich eine von Göring gewünschte
Übergangsregelung für die Dauer des Krieges), ein hauptamtlicher Bürgermeister, ein Kämmerer, ein Stadtbaurat und zwei
bezahlte und zwei ehrenamtliche Beigeordnete stehen sollten.
Daneben sollten 30 Ratsherren berufen werden, die entsprechend der DGO nunmehr als Spiegelbild der Bevölkerung beratend wirken durften. Am 4. Februar 1944 fand in Anwesenheit von Klagges, Deinert und Tiedemann im Werksgasthaus
der Reichswerke die erste Ratssitzung statt. Doch „beraten“
wurde nichts, es wurden pathetisch Durchhalteparolen vorgetragen, die über das sich abzeichnende Kriegsende allerdings
kaum noch hinwegtäuschen konnten11.
Da neben der Hauptsatzung die anderen aufgehobenen Ortsrechte nicht durch neue, gesamtstädtische Rechtsvorschriften
ersetzt wurden, konnten beispielsweise bis 1945 verschiedene
Steuern nicht erhoben werden. Die Pflicht der Reichswerke
und ihrer Firmentöchter zur Zahlung von Steuern blieb ebenfalls ungeklärt, so dass die Aufstellung eines Haushaltes bis
1945 unmöglich war12.
Sofort nachdem am 10./11. April 1945 amerikanisch-alliierte
Truppen die Stadt Watenstedt-Salzgitter eingenommen hatten, wurde das Hüttenwerk in Salzgitter von den Amerikanern
10 Vgl. ebd., S. 1089.
11 Vgl. ebd.
12 Vgl. ebd.
36
Karl Kobelt.
Clemens Recker (hinten rechts).
Aufbau einer demokratischen Verwaltung
Fritz Hartmann.
bis auf die Versorgungsbetriebe stillgelegt. Die Nazigrößen der
Stadt waren geflohen oder wurden verhaftet und interniert. Als
neuen, kommissarischen Oberbürgermeister setzten die Amerikaner Karl Kobelt, einen Deutsch-Amerikaner, ein. Als die
Amerikaner die Stadt im Mai/Juni 1945 räumten, wurde Clemens Recker, ein ehemaliges Zentrumsmitglied und christlicher Gewerkschafter, vom britischen Standortkommandanten
Fawns an seine Stelle gesetzt13. Unter Reckers Leitung wurde
die Verwaltung von Nazis gesäubert und ein Neuaufbau eingeleitet, wobei die schon im Krieg etablierte Gliederung in Zentral-, Bezirks- und Ortsverwaltung beibehalten wurde14. Im
Oktober 1945 setzten die Briten einen ehrenamtlichen „Magistrat“ ein, der dem Oberbürgermeister beratend zur Seite stehen
sollte. Obwohl zu diesem Zeitpunkt Parteien noch nicht offiziell
zugelassen worden waren, war dieser Magistrat mit parteipolitisch orientierten, unbelasteten Personen besetzt: Dr. Wilhelm
Höck (CDU), Rudolf Runge (SPD), Hans Hoffmann (KPD), Dr.
Georg Strickrodt (CDU), Fritz Hartmann (SPD) und Kurt Rißling (CDU)15.
Die nach den Potsdamer Verabredungen erlassene „SeptemberDirektive“ der Briten leitete eine neue Politik ein, die Fawns
am 6. Dezember 1945 dem Magistrat erläuterte. „Ausbau der
Selbstverwaltung“ war das nächste Ziel. Recker musste Personalvorschläge für einen zu berufenden Stadtrat machen. 30
Stadtverordnete wurden am 21. Dezember 1945 mit Vertretern
der Parteien, der Landwirtschaft, der Industrie, des Handwerks, der Frauen, der Angestellten, der Arbeiterwohlfahrt,
der Inneren Mission, der Caritas und der Kirchen berufen,
am 17. April 1946 noch zwei der NLP nachnominiert. Zugleich
wurde das zweigleisige Verwaltungsmodell mit einem Oberbürgermeister als Repräsentantem des Rats und einem hauptamtlichen Oberstadtdirektor als Vorgesetztem der Verwaltung
eingeführt. Da Clemens Recker ins Amt des Verwaltungschefs
wechselte, wurde Fritz Hartmann (SPD) zum Oberbürgermeister gewählt16. Die eingesetzte Stadtverordnetenversammlung
hat am 24. Januar 1946 die den neuen Verhältnissen angepasste
13 Vgl. Leuschner, Die neue Stadt Salzgitter, S. 1090.
14 Vgl. ebd.
15 Vgl. Wolff, Kommunalpolitik nach Kriegsende, S. 421.
16 Die Demontage der Reichswerke, S. 49.
37
Parteigründungen
Demokratische Wahlen
Demontage der
Reichswerke
Hauptsatzung verabschiedet. Danach wurden Rats-Ausschüsse
gebildet17.
In der britischen Zone wurde es ab dem 15. September 1945
möglich, Parteien zu gründen (Verordnung Nr. 12). Da schon
vor diesem Termin verschieden politisch orientierte Personen in
Salzgitter zusammengekommen waren und die Gründung von
Parteien vereinbart hatten, konnte es noch 1945 zur Bildung
der KPD, der SPD, der NLP (DP) und der CDU kommen. Die
FDP und der BHE wurden in Salzgitter erst später gebildet18.
Die ab 1946 durchgeführten Wahl machten auf ein stark belastendes Problem in Salzgitter aufmerksam: Die Integration der
Flüchtlinge und Vertriebenen, die in der Stadt Salzgitter einen
hohen Bevölkerungsanteil hatten. Die Stadt Salzgitter musste
mit den genannten Repräsentanten an der Spitze in den ersten
Jahren nach dem Krieg enorme Probleme lösen: Sicherung des
Bestandes der Stadt, Erhalt einer Erstausstattung, Auf- und
Ausbau der Stadt und der noch fehlenden Infrastruktur im
Versorgungs-, Verkehrs-, Verwaltungs-, Sport-, Kirchen- und
Kulturbereich. Entscheidend für die Lösung aller dieser Probleme war die Sicherung der wirtschaftlichen Grundlage, die
Abwehr der vollkommenen Demontage der Reichswerke, der
Erhalt des Hüttenwerkes, wenn auch in verkleinerter Form.
Die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges hatten keine Zweifel
aufkommen lassen, dass Deutschland als Verantwortlicher für
dessen Auslösung umfangreiche Entschädigungen zu zahlen
hatte. Über den 1945 weitgehend stillgelegten Reichswerken lag
bis 1949 die quälende Ungewissheit, in welchem Umfang das als
Rüstungswerk verrufene und mit dem Namen Görings zusätzlich belastete Werk von den Demontagen betroffen sein würde19. Selbstverständlich rechnete man selbst bei den Reichswerken damit, dass die Firmentochter Stahlwerke Braunschweig,
ein unmittelbar neben der Hütte liegender reiner Rüstungsbetrieb, aber auch in der Hütte liegende Rüstungsproduktionsstätten, wie die sogenannte „Aktion 88“, demontiert würden.
Doch das Ausmaß der von den Briten geplanten Demontagen
in den Reichswerken wurde erst im Sommer 1949 klar. Als
17 Vgl. Försterling, Neubeginn politischen Lebens nach 1945, S. 335 f.
18 Vgl. ebd., S. 347 ff.
19 Zur Demontage der Reichswerke in Salzgitter vgl. Die Demontage der
Reichswerke; Thum, Betriebsräte und Gewerkschaften 1945-1952, S. 358389.
38
Demontagen in der
Hütte.
Arbeitslosigkeit
Erstausstattung Bundesdrucksache
1220
die „Interalliierte Reparationskommission“ in Brüssel am 12.
August 1949 den Umfang der Demontagen der Reichswerke
bekannt machte und als die Briten im Februar 1950 mit der
„Entmilitarisierung“ des Werkes begannen, formierte sich in
der Belegschaft der Hütte angesichts von rund 14.000 Arbeitslosen (= 30%) im Arbeitsamtsbezirk Watenstedt-Salzgitter unter Leitung des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Erich Söchtig
und Erich Sewald, dem Betriebsratsvorsitzenden der Hauptwerkstatt, im März 1950 der Widerstand, den die Briten mit
der Besetzung der Hütte zu brechen versuchten. Hinter der
Arbeiterschaft der Hütte standen die gesamte Stadt, die Parteien, die Gewerkschaften, die Kirchen. Dennoch wurden bis
1951 60 – 90 % der verschiedenen Hüttenteile zerstört oder
abgebaut und ins Ausland (Großbritannien, Frankreich, Belgien, Jugoslawien, Norwegen, Griechenland, Indien, Albanien,
Tschechoslowakei) abtransportiert20. In zähen Verhandlungen
erreichten das Land Niedersachsen mit Hinrich Wilhelm Kopf
und die Bundesrepublik Deutschland mit Konrad Adenauer an
der Spitze, dass ab Januar 1951 die Zerstörungen eingestellt
wurden, dass ein kleines Hochofenwerk mit drei Hochöfen in
Salzgitter bestehen blieb. Die gesamte Bevölkerung der Stadt
und Region atmete auf, die Solidarisierung hatte letztendlich
Erfolg. Die Reichswerke als wichtigster Arbeitgeber und Steuerzahler der Stadt Watenstedt-Salzgitter blieben erhalten. Vorübergehend verschlimmerte jedoch das Ende der Demontage
das Elend in Salzgitter, erhöhten doch die nun arbeitslos werdenden Demontagearbeiter (etwa 2 – 3.000) das Heer der Arbeitslosen21.
Die Gründung und der Aufbau einer neuen Stadt erfordert einen erheblichen Kraftaufwand, der angesichts des Krieges bis
1945 einfach nicht erbracht werden konnte. Die Stadt Watenstedt-Salzgitter war im April 1945 in jeder Hinsicht ein Torso.
Sofort nach Kriegsende erhob sich die Frage, wer rechtlich und
finanziell für die Grundausstattung von öffentlichen, zu einer
Stadt gehörenden Einrichtungen verantwortlich war. Nach
dem preußischen Ansiedlungsgesetz vom 25. August 1876,
novelliert am 10. August 1904, musste der Veranlasser eines
städtebaulichen Ansiedlungsvorhabens für eine Erstausstat20 Vgl. Leuschner, Die neue Stadt Salzgitter, S. 1092.
21 Vgl. ebd., S. 1092.
39
Bundesdrucksache 1220.
tung der Siedlung mit Geld oder Naturalleistungen sorgen22.
Die meisten Industrie- und Wohnbauten in Salzgitter lagen
auf braunschweigischem Gebiet, und die ehemals zu Preußen
gehörenden Stadtteile Salzgitters waren am 1. August 1941 zu
Braunschweig umgemeindet worden. Braunschweig hatte kein
Ansiedlungsgesetz, eine reichseinheitliche Lösung fehlte.
Das Fehlen einer übergeordneten, zentralen staatlichen Autorität in Deutschland bis 1949 war die Ursache dafür, dass erst
lange Verhandlungen geführt werden mussten, bis die 1949 gegründete Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger
des Deutschen Reiches die Verantwortung für die Stadt Watenstedt-Salzgitter anerkannte. Im Februar 1950 hatten sich Bonn
und Hannover geeinigt, dass Bonn für den gesamten „Komplex
Watenstedt-Salzgitter“ zuständig sei. Die Stadt Watenstedt-Salzgitter - durch zahlreiche Gutachten des Staatsrechtlers Arnold
Köttgen und des Ingenieurs Dr. Dr. Max Wolf aus Bonn beraten
- forderte sofort von der Bundesregierung für die seit der Währungsreform am 20. Juni 1948 in ihrer Existenz stark gefährdete Stadt den sofortigen Demontagestopp der Reichswerke, die
Erklärung der Stadt zum Notstandsgebiet, die Ansiedlung von
Landes- und Bundesbehörden, verlässliche Finanzeinnahmen,
Grundstücke für den Bau von fehlenden öffentlichen Einrichtungen23.
22 Zur Erstausstattung siehe: Gröttrup, Die zweite Stadtgründung, S. 439-479.
23 Vgl. Gröttrup, Die zweite Stadtgründung, S. 442 ff.; Leuschner, Die neue
Stadt Salzgitter, S. 1093.
40
Sprengungen in der
Hütte.
Besetzung der Hütte.
Neuer Stadtname Salzgitter
Displaced persons
Flüchtlinge und Vertriebene
Als im März 1950 die Auseinandersetzung um die Demontage der Hütte mit der Besetzung des Werkes durch die Briten
ihren Höhepunkt erreichte, war die Stadt angesichts des Wegbrechens der Gewerbesteuereinnahmen nach der Währungsreform am 20. Juni 1948 zahlungsunfähig und konnte bis in die
1950er Jahre nur durch Bedarfszuweisungen über Wasser gehalten werden. Um weiteren Aufruhr in der Region zu verhindern, sah sich die Bundesregierung zum Handeln gezwungen.
Ein Mitarbeiter des Bundeswohnungsbauministeriums, Dr.
Albert Hübner, erarbeitete mit städtischen Vertretern bei einem dreiwöchigen Aufenthalt in Watenstedt-Salzgitter ein am
27. April 1950 vorgelegtes Gutachten, das zur Grundlage für
die am 28. Juli 1950 durch den Bundestag verabschiedete Bundesdrucksache 1220 wurde, die der Stadt Watenstedt-Salzgitter
rund 20 Millionen DM Hilfe vom Bund und rund 213 Hektar Land aus dem Besitz der Reichswerke versprach24. Obwohl
damit die Forderungen der Stadt nicht einmal annähernd erfüllt waren, bedeutete die Bundesdrucksache doch die Wende,
den „Aufbruch zu neuen Ufern“, zur „zweiten Stadtgründung“.
Da zeitgleich auch das Ende der Demontage der Reichswerke
erfolgte, konnte Watenstedt-Salzgitter mit einem neuen, gesamtbürgerlichen Identitätsgefühl unter dem neuen, 1951 vom
niedersächsischen Innenministerium genehmigten Stadtnamen
„Salzgitter“ in die Zukunft aufbrechen25.
Sofort nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben viele
Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und ausländische Vertragsarbeiter, aber auch viele deutsche Arbeitskräfte WatenstedtSalzgitter verlassen. Die Zahl der Einwohner der Stadt sank
zeitweise um 40.000. Viele Osteuropäer, nun als Displaced persons (DPs) bezeichnet, kehrten allerdings nicht in ihre Heimat
zurück. Rund 13.000 warteten bis 1950 in Lagern in Watenstedt-Salzgitter auf eine andere Einweisung in West-Deutschland oder die Auswanderungsmöglichkeit nach Kanada, in die
USA, nach Australien. Über 100.000 Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten wurden ab 1945 durch das Flüchtlingslager Immendorf geschleust. Mehr als 40.000 Menschen (Stand:
September 1950) aus Schlesien, Pommern, Ostpreußen, Sudetenland und anderen Vertreibungsgebieten sind in Salzgitter
24 Vgl. Leuschner, Die neue Stadt Salzgitter, S. 1093 f.
25 Amtliche Bekanntmachungen der Stadt Salzgitter, Nr. 7 (1951).
41
Lager Immendorf
Flächennutzungsplan
Bau der neuen Stadt
geblieben und haben hier eine neue Heimat gefunden. Eine
erste Bestandsaufnahme über die Wohnraumsituation von
1948 wurde vom neuen Stadtbaurat Otto Kraatz veranlasst
und zeichnete ein düsteres Bild. Obwohl es in der Stadt Watenstedt-Salzgitter 1945 rund 17.000 Wohnungen (davon rund
11.000 Neubauwohnungen) gab, reichte der Wohnraum nicht.
Viele Vertriebene fanden vorerst nur in den leergewordenen
Barackenlagern eine Unterkunft, wohnten teilweise bis in die
1960er Jahre darin, bis sie durch Barackenräumprogramme in
feste Wohnungen umziehen konnten. Schnellere Abhilfe konnte nicht geschaffen werden, da der größte Teil der Stadtfläche
im Besitz der Reichswerke war, dieses Land als Reichsbesitz
entsprechend alliiertem Gesetz (Nr. 52) deren Vorbehalt unterlag und neue Baugebiete somit bis in die 1950er Jahre nicht
ausgewiesen werden konnten. Eine geringe Abhilfe war möglich, indem unfertige Wohnblöcke (Abschnitt VI) fertiggestellt,
Baulücken geschlossen, Dächer ausgebaut wurden. Mit der Bewilligung der Erstausstattung von rund 20 Millionen DM und
rund 213 Hektar Bauland begann noch vor Verabschiedung
eines Flächennutzungsplanes 1954 der Bau von öffentlichen
Einrichtungen. Mehrere Schulen, Kirchen, Bäder, Friedhöfe, ein Bahnhof, ein Krankenhaus, eine Kläranlage, Straßen,
Wege und Plätze wurden gebaut bzw. angelegt. Die zur Verfügung gestellten Bundesmittel reichten allerdings nicht. Der
Bau des Rathauses von 1959 - 1963 war nur noch möglich, weil
der Bund seine Unterstützungsmittel im Laufe der 1950er Jahre immer wieder, letztendlich auf 39 Millionen DM aufgestockt
hat. In dem 1954 verabschiedeten Flächennutzungsplan wurde
die „polyzentrische Struktur des Stadtgefüges“ festgeschrieben.
Die Stadtteile Lebenstedt, Salzgitter-Bad, Gebhardshagen und
Thiede sollten bevorzugt mit Wohnraum ausgebaut werden.
Die Vorschläge von Dr. Ing. Müller und Dipl.-Ing. Urmoneit von
der Arbeitsgemeinschaft für Planungswesen an der TH Hannover wurden Grundlage für die Stadtkerngestaltung (City) von
Lebenstedt26. 1955 begannen der Bau bzw. Ausbau der Wohnsiedlungen (Abschnitt VII, VIII, IX und X) in lockerer Bau26 Zur dramatischen Lage der Stadt Salzgitter nach 1945 vgl. Leuschner, Die
neue Stadt Salzgitter, S. 1094 ff.; Metell, Zwischen Kriegsende und „Zweiter
Stadtgründung“, S. 215-288; Leuschner, Die Übernahme eines schweren
Erbes, S. 289-314.
42
Der Flächennutzungsplan
Salzgittersee und Eissporthalle.
weise. Die Einkaufszone (City) (1957/58) und das Verwaltungszentrum mit Rathaus, Post, Katasteramt, Polizei, Amtsgericht,
Wohnungs-AG-Verwaltung, Stadtbibliothek entstanden östlich
der in Blockbauweise errichteten sechs „alten“ Abschnitte27.
Schon die Planungen im Dritten Reich sahen den Aushub eines Sees vor. Diese Pläne wurden wieder aufgegriffen, und ab
Oktober 1960 wurde östlich von Lebenstedt in den landwirtschaftlich kaum nutzbaren Fuhsewiesen der 75 Hektar große Salzgittersee ausgebaggert28. Zur gleichen Zeit entwickelte
Prof. Friedrich Jelpke, Vorstand der Wohnungs-AG, Pläne
für den Bau einer „Trabantenstadt“ östlich des Salzgittersees
27 Zur Entwicklung der Großsiedlung (Lebenstedt) nach dem Zweiten Weltkrieg
siehe: Leuschner, Die Übernahme eines schweren Erbes, S. 289-314.
28 Vgl. ebd., S. 307 ff.
43
unterhalb der Lichtenberge, die ab 1964 von der „Planungsgemeinschaft Fredenberg“ baulich verwirklicht wurden. Ein
Einkaufs-, Schul- und Freizeitzentrum bilden den wirtschaftlichen und kulturell-sportlichen Mittelpunkt des rund 10.000
Einwohner besitzenden Stadtteils. Das sich nordöstlich an das
seit Mitte der 1950er Jahre ausgebaute Stadtzentrum Lebenstedt anschließende Gebiet wurde für Gewerbeansiedlungen
vorgesehen29.
Trabantenstadt Fredenberg.
Weber-Gutachten
Noch einmal stand die Existenz der Stadt Salzgitter auf Messers
Schneide. Ab Mitte der 1960er Jahre wurde in Niedersachsen
eine tiefgreifende Gebiets- und Verwaltungsreform besprochen,
die sehr rasch Salzgitter in den Mittelpunkt der Diskussion
stellte. Das alte Vorurteil, dass das kommunale Kunstprodukt
Salzgitter nicht lebensfähig sei, wurde nochmals heftig diskutiert. Doch zeigte sich, dass sich innerhalb weniger Jahre ein
gesamtstädtisches Bewusstsein herausgebildet hatte, so dass die
Vertreter der Stadt Salzgitter mit dem nach der Kommunalwahl am 29. September 1968 zum Oberbürgermeister gewählten Willi Blume (SPD) und Oberstadtdirektor Günther Paslat
an der Spitze für alle Parteien und Bürger der Stadt sprachen,
als sie in Verhandlungen ab 1968 der Arbeitsgruppe „StadtUmland“ der „Weber-Kommission“ eindeutig klar machten,
dass man die verschiedenen Auflösungsmodelle für Salzgitter
entschieden ablehnte. Tatsächlich blieb die Stadt Salzgitter in
ihrem Bestand erhalten, Üfingen und Sauingen wurden 1974
sogar in Salzgitter eingemeindet30. Innerstädtisch wurden die
29 Ortschaften mit Ortsräten und Ortsvorstehern abgeschafft,
dafür 1972 sieben Ortschaften mit Ortsräten und Ortsbürgermeistern gebildet. Die Stadt Salgitter hat sich auch in dieser
schwierigen Phase behauptet, getragen vom einheitlichen Willen ihrer Bürger. Auf der Basis der gesicherten wirtschaftlichen
und politischen Existenz konnte sie nun in den 1970/1980er
Jahren beginnen, die sportliche, kulturelle und freizeitliche Infrastruktur zu entwickeln bzw. auszubauen: So wurden die Eissporthalle, Hallenbäder in Thiede und Lebenstedt, die Sporthalle Amselstieg, die Sporthalle in Gebhardshagen, das Stadion
29 Vgl. ebd., S. 308 ff.
30 Zur Verwaltungs- und Gebietsreform vgl. Pischke, Um den Fortbestand der
Stadt, S. 480-499.
44
Ausbau einer kulturellen Infrastruktur
Kulturscheune.
in Lebenstedt, die Kniestedter Kirche, die Kulturscheune und
die alte Feuerwache als Veranstaltungszentren, die Brücke am
Fredenberg als soziokulturelles Zentrum, das Museum Schloß
Salder und das Tillyhaus und die Kunsthalle Kuhstall als Ausstellungshäuser u. v. m. gebaut bzw. eingerichtet. Hatten sich
nach 1945 viele Bürger Salzgitters noch als eine Stadt in Niedersachsen empfunden, so ist man heute stolz, eine niedersächsischen Stadt zu sein31.
2.
Erbauung des Schlosses Salder
Merian-Stich, 1654.
Schloß Salder - Die Geschichte
Das Schloß Salder spielte auch im Rahmen des Ausbaus der
Großstadtsiedlung eine wichtige Rolle. Im Jahre 1938 hatten
die Reichswerke das Schloß vom Land Braunschweig erworben und darin die „Großdeutsche Umsiedlungsgesellschaft“ untergebracht, die die Aufgabe hatte, das für den Bau der Reichswerke und deren Tochtergesellschaften, der Siedlungen, des
Zweigkanals notwendige Land von den Bauern aufzukaufen
oder sogar zu enteignen.
Doch das Schloß Salder, das gleichnamige Dorf Salder und das
hier einst ansässige Geschlecht der Herren von Saldern hatte
eine wesentlich ältere Geschichte. Im Jahre 1161 wird erstmals
der Ort Salder erwähnt, in dem ein gleichnamiges Geschlecht
auf einer heute vollkommen eingeebneten Burg saß32. Dieses
Geschlecht hatte für 21 000 Taler seinen Besitz in Salder an
Statius von Münchhausen verpfänden müssen. Der fürstlichbraunschweigische Obrist und Geheimrat David Sachse ( ? 1631) erwarb für 12 000 Taler von Münchhausen an der Fuhse
eine Hofstelle, auf der er 1608 begann, ein Renaissance-Schloss,
möglicherweise nach Plänen des Hofbaumeisters Paul Francke,
zu erbauen. Wann der Renaissance-Schlossbau fertig war, ist
unbekannt, doch bereits Merian bedauerte in seiner „Topographie“ von 1654 dessen desolaten Zustand. Seine bildliche Darstellung zeigt uns jedoch eine vollkommen fertiggestellte Hofan-
31 Zum Ausbau vgl. Leuschner, Die Übernahme eines schweren Erbes, S. 310
ff.
32 Die Geschichte vom Dorf Salder, vom Geschlecht der Herren von Saldern
und von Schloß Salder liegt eine neue, umfassende Publikation vor: Salder.
Die Geschichte eines Dorfes in Salzgitter (mehrere Einzelbeiträge).
45
Schloß Salder wurde
welfisch
Schloß Salder - Herrschersitz und Domäne
Kirche Salder.
lage mit mehreren, karreeartig angelegten Nebengebäuden33.
Das Schloss wurde südöstlich der Dorflage von Salder in ein
sumpfiges Schwemmland der Fuhse auf mächtigen Holzpfosten errichtet. Ebenerdiges Kellergewölbe, Erdgeschoss, Obergeschoss und zwei Dachgeschosse konnten über einen erhöhten
Haupteingang, über eine Freitreppe und einen an der Ostseite befindlichen Treppenturm erreicht werden. Zwei Eckrisalite, Dachgesims und das Barockwappen von Herzog August
Wilhelm (1714 - 1731) über dem Haupteingang verzieren den
Schlossbau34.
Während des Dreißigjährigen Krieges (1618 - 1648) diente das
1620 von Burckhard von Salder(n) erworbene Schloss mehrfach als Quartier für durchziehende Truppen und deren Heerführer. So schlugen hier Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich und Graf Piccolomini 1641 - 1642 ihr Hauptquartier
auf35. Im Jahre 1695 erwarb der damalige Erbprinz August
Wilhelm für 26.000 Taler den „Kleinen“ (alte Burg) und „Großen Hof“. Höchstwahrscheinlich wurde noch im gleichen Jahr
unter Leitung des Landesbaumeisters Hermann Korb (1656 1735) mit der Restaurierung und dem Umbau zur Sommerresidenz des Schlosses begonnen. Entsprechend der Bedeutung seines neuen Besitzes wurde das Schloss bis 1701 repräsentativer
gestaltet, die Innenräume durch Giacomo Perinetti barockisiert, eine reich verzierte Stuckdecke im „Fürstensaal“ eingezogen (die zur Ausmalung vorgesehenen Deckenteile blieben allerdings ungestaltet)36. Kurz nachdem der Umbau fertiggestellt
worden war, wurde in Salder die alte romanische Wehrkirche
abgerissen und von 1713 - 1717 ebenfalls unter Oberleitung
von Hermann Korb von Baumeister Johann Caspar Völcker
(1655-1730) an deren Stelle eine kreuzförmige Barockkirche,
die Maria Magdalena geweiht wurde, erbaut37. Gegenüber dem
heutigen Kuhstall der Schlossanlage wurde um 1710 mit dem
33 Zur Gründungsgeschichte von Schloß Salder siehe: Christiansen, Schloß
Salder, S. 463 f.
34 Vgl. ebd., S. 464.
35 Vgl. ebd., S. 465.
36 Vgl. ebd., S. 467 ff.
37 In älteren Arbeiten wurde der Bau der Schlosskirche stets Hermann Korb
zugeschrieben (vgl. Meier, Die Bau- und Kunstdenkmale). Heute wissen wir,
dass Johann Caspar Völcker der Baumeister war. Zur Baugeschichte der neuen
Schlosskirche vgl. Ellwardt, Die evangelisch-lutherische Schlosskirche, S.
4-55.
46
Schmidt-Stich, 1746.
Bild von Schwartz,
1854.
Bau eines Amtsgerichts in Salder
Bau des Kornspeichers begonnen, der im Laufe der folgenden
Jahrhunderte immer wieder baulich ergänzt bzw. umgestaltet
wurde.
Nachdem Herzog August Wilhelm im Jahre 1731 verstorben
war, bewohnte dessen dritte Ehefrau Elisabeth Sophie Marie
bis 1740 das Schloss, bis Herzog Karl I. (1735 - 1780) ihr das
Nutzungsrecht abkaufte und die Schlossanlage nunmehr als
herzogliche Domäne und ab 1745 als Sitz des Amtes Salder/
Lichtenberg benutzte. Die um 1740 geschlossene Hofanlage beinhaltete an Wirtschaftsgebäuden u.a. einen Schweine-, Schafund Pferdestall, eine Wagenscheune, ein Brauhaus (inzwischen
abgerissen), eine Meierei und Wohnräume für Bedienstete, wie
wir einem Stich von F. F. Schmidt aus dem Jahre 1746 entnehmen können. Ein Aquarell des Malers F.K. Schwartz aus dem
Jahre 1854 lässt erkennen, dass im Laufe eines Jahrhunderts
erhebliche Veränderungen in der Schlossanlage vorgenommen
wurden, die darauf hindeuten, dass sich im 19. Jahrhundert die
Funktion der Anlage verändert hatte, nun vor allem herzogliche Domäne war: Der Ziergarten war entfernt, die Freitreppe
an der Hauptfront und das Tor zwischen Schafstall und Schloss
waren umgestaltet. Nach der Bildung von Kreisverwaltungen
1832 im Herzogtum Braunschweig und der Errichtung eines
Amtsgerichtsgebäudes an der Heerter Straße 1866/1867 wurden
alle Verwaltungseinrichtungen aus dem Schloss Salder ausgelagert, die Schlossanlage mit eigener Schmiede, Stellmacherei,
Brauerei und Kornspeicher und einer Molkerei (seit 1892) im
Dorf Salder nun ausschließlich landwirtschaftlich genutzt. Auf
etwa 700 Morgen Ackerland, 47 Morgen Wiesen, sechs Morgen
Gartenland wurde gewirtschaftet. Als Ergebnis der NovemberRevolution 1918 veränderten sich die Eigentumsverhältnisse an
der Domäne Schloss Salder. Im Jahre 1920 wurde sie aufgrund
eines Beschlusses der Braunschweiger Landesversammlung
staatlicher Besitz und unter dem Verwalter Röpke in ein „sozialistisches Versuchsgut“ umgewandelt. Nachdem dieses Modell
nach wenigen Jahren gescheitert war, wurde die Domäne 1925
in die „Braunschweig GmbH“ integriert und auf Saatgutzüchtung spezialisiert38.
Im Jahre 1939 kauften die Reichswerke Schloss Salder, brachten darin die „Großdeutsche Umsiedlungsgesellschaft mbH“
38 Vgl. Christiansen, Schloß Salder, S. 472.
47
Schloß Salder - Besitz
der Stadt Salzgitter
unter und bewirtschafteten Domäne Salder weiter39. Nachdem
alliierte Truppen Salder am 10./11. April 1945 eingenommen
hatten, wurde das Schloss vorübergehend Quartier der Briten
(Montgomery), aber auch Flüchtlingsfamilien wurden darin
untergebracht. Am 1. April 1955 verkaufte die Salzgitter AG
Schloss Salder für den symbolischen Preis von einer DM der
Stadt Salzgitter40.
3.
Aufgaben des Museums
Die Einrichtung des Städtischen Museums in Schloß
Salder
„Ein Museum ist eine im öffentlichen Interesse verwaltete, ständige Einrichtung mit der Aufgabe, Objekte von kulturellem Wert
zu bewahren, auf unterschiedliche Art und Weise zu erforschen
und - vor allem - zur Freude und zur Bildung der Öffentlichkeit
auszustellen.“41 Um diesen Zielen gerecht zu werden, hat man
vier klassische Museumsaufgaben zu erfüllen: Sammeln, Bewahren, Erforschen und Ausstellen. Allerdings muss man heute
noch einige, mindestens ebenso wichtige Aufgaben hinzufügen:
Öffentlichkeitsarbeit und Museumspädagogik, Marketing und
eine betriebswirtschaftlich fundierte Verwaltung. Die Bedeutung und der Erfolg eines Museums wurde bis vor einigen Jahren zumeist nur an den Besucherzahlen gemessen. Mehrere andere Kriterien sind aber immer deutlicher mindestens ebenso
wichtig: die Qualität der Museumsausstellungen, die Erfüllung
des Bildungsauftrags, die identitätsstiftende Aufgabe eines Museums (in Salzgitter besonders wichtig), aber in Zeiten großer
wirtschaftlicher Probleme, defizitärer öffentlicher Haushalte
immer stärker auch der wirtschaftliche Erfolg.
Der identitätsstiftende Einfluss des Städtischen Museums
Schloß Salder spielt in Salzgitter bei der Zuweisung der Aufgaben für diese Einrichtung eine nicht überschätzbare Rolle, in
einer Stadt, die erst am 1. April 1942 aus rund 30 Orten gebildet
wurde, die ursprünglich zu verschiedenen Landkreisen (Goslar,
Wolfenbüttel) und diese wiederum zu verschiedenen Reichsländern (Braunschweig, Preußen) mit einer eigenständigen Geschichte und Kultur gehört haben. Die Bürgerschaft Salzgitters
39 Vgl. ebd., S. 472.
40 Vgl. Christiansen, Schloß Salder, S. 473.
41 K. Hudson, 1975.
48
Franz Zobel - der
Gründer des Museums Schloß Salder
hat eine ebenso heterogene Geschichte und Zusammensetzung:
Zu den rund 19.500 Alt-Einwohnern des Salzgittergebietes kamen im Laufe der Industrialisierung und Stadtwerdung ab
1937/1942 Tausende von Menschen aus ganz Deutschland und
Europa hinzu. Diese Zuwanderung hat auch nach dem Zweiten
Weltkrieg unvermindert angehalten, Flüchtlinge und Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten und der SBZ/DDR, Gastarbeiter und Spätaussiedler aus Osteuropa, Asien und der restlichen Welt fanden in der Stadt eine neue Heimat (heute spricht
man von Bürgern aus rund 100 Ländern). Die Gründung der
Stadt Watenstedt-Salzgitter 1942 (seit 1951: Salzgitter) hat die
gesamte Region zwischen Harz und Heide verändert, Altes verschwand, Neues entstand und wurde oftmals bald wieder von
noch Neuerem abgelöst. Salzgitter und das Salzgittergebiet stehen exemplarisch für die Geschichte Deutschlands mit vielen
Brüchen, für die zumeist agrarisch geprägte mittelalterliche
und frühneuzeitliche Zeit eines scheinbaren historischen Stillstands, für die Entwicklung aus einem weitgehend agrarisch
strukturierten Gebiet in eine moderne Industrieregion und
-stadt, aber auch für die verbrecherische Zeit des Dritten Reiches, für die Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg, für
den demokratischen Neuanfang, für die Erfolgsgeschichte des
demokratischen Deutschlands.
Schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg hat es im damaligen
Salzgitter-Bad, aber auch in einzelnen, heute zu Salzgitter
gehörenden Dörfern (z. B. Ringelheim, im Karzer der Burg
Lichtenberg) Bemühungen gegeben, Heimatmuseen bzw. Heimatstuben einzurichten. In Salzgitter-Bad ist dies untrennbar
mit dem Namen von Franz Zobel (1889 - 1963) verbunden42.
1911 als Lehrer nach Salzgitter-Bad gekommen, wurde bald
die Heimatpflege und das Sammeln von Museumsgut sein „Steckenpferd“, seine Wohnung und der Schulboden wurden so zur
„Raritätenkammer“. Vorerst blieb Zobel aber nur das Veröffentlichen zahlreicher Beiträge zur Salzgitterer Heimatgeschichte
und das Sammeln von Museumsgut in der Salzstadt und den
umliegenden Dörfern, was er seit 1934 als Kreisheimatpfleger,
als Naturschutzbeauftragter und Archivpfleger tat. Ein Muse42 Eine kurze Darstellung zur Biographie und zur Bedeutung dieses Mannes
für die kulturelle Entwicklung Salzgitters siehe: Wolff, Franz Zobel (29.
Dezember 1889-24. Mai 1963), S. 4-22.
49
um war noch lange nicht in Sicht. Seine heimatgeschichtliche
Arbeit erstreckte sich vor allem auf das Sammeln von Flurnamen, Hausinschriften, Sagen, Liedern, Grabsteininschriften,
Brauchtum, Redensarten, und er sammelte auch schon als
Museumsgut Kinderspiele und -spielzeug. Dabei erkannte Zobel schon sehr zeitig, welche „Gefahren“ dem Salzgittergebiet
durch das gewaltige Erzvorkommen im Harzvorland drohten. Bereits 1928 schrieb er, die großen Eisenerzvorkommen
würden die „alte Salzstadt zwangsläufig mit der Zeit zu einem
bedeutenden Industriestandort machen“. Als er 1932 diese Vorahnung wiederholte, verband er dies mit der Warnung, dass
durch die Entstehung von Großindustrie im Salzgittergebiet
das Alte, das Bauerntum, das ländliche Handwerk zerrieben
würden. Und so kam es tatsächlich ab 1937, durch die Gründung der Reichswerke. Umso schmerzlicher muss es für Zobel
gewesen sein, dass er 1941 sein Amt als Kreisheimatpfleger aus
politischen Gründen nieder legen musste. Erst im Jahre 1943
konnte Zobel wieder die Ortsheimatpflege für Salzgitter übernehmen, die Ortsteile Hohenrode und Flachstöckheim kamen
hinzu. Ab 1943 arbeitete er als nebenamtlicher Sachbearbeiter für Fragen der Heimatkultur im Kulturamt der am 1. April 1942 gegründeten Stadt Watenstedt-Salzgitter. Zobel erhielt
den Auftrag, ein Bildarchiv für die Stadt aufzubauen und eine
Natur- und Kulturdenkmalkartei anzulegen. Erste Überlegungen zur Gründung eines Stadtmuseums wurden nach 1942 von
ihm angestellt, fanden allerdings von den politisch Verantwortlichen kein Gehör.
Nach Kriegsende konnte er bald wieder seine „alten Ämter“
übernehmen: das des Kreisheimatpflegers und des Kreisbeauftragten für Naturschutz, nun aber für die Stadt WatenstedtSalzgitter (ab 1951 Salzgitter). Beruflich wurde Zobel 1947
Rektor der Altstadtschule, ab 1948 Stadtschulrat und Kulturdezernent. In dieser Funktion konnte er an die Verwirklichung
seiner kulturellen Ziele gehen, die vollkommen anders gelagert
waren als in anderen Großstädten. Es konnte keine nur durch
den Krieg unterbrochene Arbeit fortgesetzt werden, in Salzgitter hieß Kulturarbeit vollkommener Neubeginn. Hauptaufgaben waren, „den Prozeß der Gemeinschaftsbildung und damit
der Heimatgewinnung zu fördern und das kulturelle Bedürfnis
der Bevölkerung zu befriedigen“. Dies war aber in Salzgitter un50
gemein schwierig, gab es doch in der Neustadt kein Theater,
keine Konzertsäle, kein Archiv, keine Zentralbibliothek, keine
Ausstellungshalle, kein Museum. Die bis 1946 in Alt-Lebenstedt
als „Heimatmuseum“ benutzte Scheune war noch nicht einmal
ein Provisorium. Spätestens mit der Ausstellung „600 Jahre
heimische Kultur“, die vom 9. - 22. Oktober 1949 in der Schule
Am Eikel von Zobel gezeigt wurde, wurde klar, dass man für
die historischen Schätze Salzgitters eine richtige Unterkunft
benötigte. Zobel dachte wohl anfangs vor allem an die alte
Pfannenschmiede der Saline Salzliebenhalle in Salzgitter-Bad
als Heimatmuseum. Doch schon am 2. Dezember 1949 verwies
die „Braunschweiger Allgemeine Zeitung“ auf die dafür gut geeigneten Räume des Schlosses Salder, die in jenen Tagen vom
Stadtbauamt als Depot von Kartenmaterial und Ausstellungsgegenständen benutzt wurden und der richtige Rahmen für ein
Heimatmuseum seien. Schloss Salder gehörte damals noch den
Reichswerken, und es vergingen noch einige Jahre zäher Verhandlungen zwischen der Stadt und der Eigentümerin, bis am
1. April 1955 Schloss Salder für eine Mark in den Besitz der
Stadt überging43.
„Braucht Salzgitter ein Heimatmuseum?“, so fragte die Salzgitter-Zeitung vom 24. Februar 1955; und weiter: „Oder ist ein
Heimatmuseum etwa schon längst ein Museumsstück unter den
öffentlichen Einrichtungen geworden? Als Museumsstück wird
doch landläufig alles das bezeichnet, was alt, überholt, unnütz ist
und sogar wegen seiner in die Vergangenheit weisenden Tendenz
als Gerümpel abgetan wird.“44 In der Salzgitter-Zeitung vom
18./19. Mai 1957 findet man eine durchaus passende Antwort
Franz Zobels auf diese und ähnlich gestellte Fragen: „Wenn ich
die Notwendigkeit eines eigenen Museums für Salzgitter bejahe,
so aus der Einsicht heraus, dass die Entwicklung dieser Stadt in
Deutschland, selbst darüber hinaus so eigenartig und einzigartig ist, dass ein diese Entwicklung demonstrierendes Museum die
Forderung aller wissenschaftlich Interessierten und nicht nur
der dieser Stadt selber sein und bleiben müsste.“ „Es solle“ - so
Zobel weiter - „kein Heimatmuseum im üblichen Sinn werden,
43 Vgl. Christiansen, Schloß Salder, S. 614.
44 Salzgitter-Zeitung v. 24.2.1955 (zit. nach: Christiansen, Schloß Salder, S.
473).
51
Eröffnung des Museums Schloß Salder
Otto Bothe - neuer
Leiter des Museums
Schloß Salder
das Schicksal dieses Gebietes - die Veränderung vom Bauernland
zum Industrieland - soll dargestellt werden.“45
Im März 1957 konnte Franz Zobel mit Mitarbeitern(innen)
die ersten drei Räume des Schlosses beziehen. Aber nach wie
vor waren noch die Umsiedlungsgesellschaft, die ein Jahr später auszog, und Flüchtlingsfamilien im Schloss untergebracht.
Erste Renovierungsarbeiten waren im Januar 1961 beendet.
Bis zur feierlichen Eröffnung am 14. Dezember 1962 wurden
bereits rd. 250.000 DM in bauliche Maßnahmen gesteckt. Angesichts der großen infrastrukturellen Probleme, die die junge
Stadt Salzgitter dringend lösen musste, kann das Engagement
für das Museum nicht hoch genug eingeschätzt werden. „Dieses Haus möge bis in die fernste Zukunft hinein Zeugnis ablegen, für Zeiten, die uns Menschen der Gegenwart wie die eines
Märchens erscheinen wollen und - wie wir aus unserer eigenen
Kindheit wissen - sind Märchen nicht immer gut.“ „Öffentliche
Museen wollen mit ihren Sammlungen nicht nur einen kleinen
Kreis von Fachleuten oder interessierten Laien dienen. Sie wollen Bildungsstätten der Allgemeinheit sein. Wir wollen dieses
Haus in weitem Maße der Öffentlichkeit zugänglich machen.“46
Diese beiden Zitate aus den Eröffnungsreden - das erste von
dem damaligen Kultusminister des Landes Niedersachsen, Richard Voigt, das zweite von Oberstadtdirektor Günther Paslat
- steckten gleichsam den Rahmen ab, in dem sich das Museum
entwickeln sollte. Die Einrichtung des Hauses orientierte sich
nach damaliger Objektlage und Verständnis an diesen Forderungen. Nicht unerwähnt bleiben darf die Tatsache, dass der
Raum mit der Geologie Salzgitters von Dr. Heinz Kolbe eingerichtet worden ist, der noch viele Jahre dem Museum ehrenamtlich als geologischer Berater zur Seite gestanden hat.
Leider war es Franz Zobel nicht mehr vergönnt, die Schausammlungen vollständig auszubauen, da er bereits ein halbes
Jahr nach Eröffnung des Hauses verstarb. In der Kulturausschusssitzung vom 23. August 1963 wurde der Lehrer Otto Bothe als sein Nachfolger bestimmt. Otto Bothe, der 1930 nach
Salder gekommen war, war zu Lebzeiten von Franz Zobel ei45 Salzgitter-Zeitung v. 18./19.5.1957 (zit. nach: Christiansen, Schloß Salder, S.
473 f.).
46 Salzgitter-Zeitung v. 14.12.1962 (zit. nach: Christiansen, Schloß Salder, S.
474).
52
Wolfram Forche
Neueröfnung des Museums Schloß Salder
1981
ner seiner engsten Mitarbeiter. Ihm oblag die Aufgabe, „die erst
einmal hingestellten Sammlungen, die vorerst nur einen groben
Überblick über das vorhandene Gut darstellten, aufzugliedern“47.
Bis zu seinem Ausscheiden im Februar 1975 kümmerte er sich
insbesondere um die bäuerliche Kultur der Region Salzgitters
und schuf so den Grundstock der landwirtschaftlichen Abteilung. Während seiner Ära wurde bereits intensiv über bauliche
Erweiterungen des Museums nachgedacht. Bei seiner Verabschiedung im Februar 1975 umriss Otto Bothe seine Vorstellung eines Museums: „Die Aufgabe eines Heimatmuseums könne nicht sein, nur Museumsgut zu zeigen. Diese Gegenstände
müssten so dargestellt werden, daß der gesellschaftspolitische
Rahmen der jeweiligen Zeit erkennbar sei.“48
Als Nachfolger Bothes wurde Wolfram Forche, ein Lehrer, nebenamtlich Leiter des Museums49. Sein Augenmerk richtete
sich insbesondere auf den Bereich der Vor- und Frühgeschichte. In seiner Amtszeit vom 1. Januar 1975 - 30. April 1980 fielen
die Sanierungs-, Aufbau und Umbaumaßnahmen des Schlosses durch das Hochbauamt der Stadt Salzgitter, nachdem ein
Gutachten über die Bausubstanz des Schlosses 1975 festgestellt
hatte, dass der damalige Zustand des Gebäudes es nicht mehr
erlaube, Publikumsverkehr zuzulassen. Als sich das Ende der
Bauarbeiten abzeichnete, beauftragte die Stadt Salzgitter Dr.
Norbert Humburg (Hameln) damit, ein Gutachten zum inhaltlichen Ausbau des Museums Schloß Salder zu erstellen. Neben
der Darstellung der Stadtgeschichte solle man - so Humburg vor allem den Bergbau und das Hüttenwesen und die Geologie
und daneben die bäuerlich-landwirtschaftliche Geschichte des
Salzgitterraumes sammeln und ausstellen. Damit war der Weg
in Richtung Wirtschafts- und Technikmuseum gewiesen.
Die Neueröffnung und Wiedereinrichtung des Museums 1981
musste dann relativ rasch, um nicht zu sagen überstürzt, erfolgen. In neuen Räumen wurden die Objekte und Objektgruppen
z. T. neu zusammengestellt. Unberücksichtigt musste vorerst
die eigene städtische Gründungsgeschichte bleiben, ein unhaltbarer Zustand. Voraussetzung für eine fundierte Darstellung
47 Salzgitter-Zeitung v. 24.12.1968 (zit. nach. Christiansen, Schloß Salder, S.
475).
48 Salzgitter-Zeitung v. 27.2.1975 (zit. nach: Christiansen, Schloß Salder, S.
475).
49 Vgl. Christiansen, Schloß Salder, S. 475.
53
Professionalisierung
im Museum Schloß
Salder
Bockwindmühle im
Mühlengarten.
Kunsthalle „Kuhstall“.
Erweiterung der
Ausstellungsfläche
im Museum Schloß
Salder
war allerdings die wissenschaftliche Auswertung der Quellen
und Aufarbeitung der eigenen Geschichte. Dies wurde ab 1982,
seit dem 40jährigen Stadtgründungsjubiläum, immer lauter
in der Öffentlichkeit gefordert. Es sollte allerdings noch zehn
Jahre dauern, bis im Museum in der Abteilung Stadtgeschichte
das besagte Thema präsentiert werden konnte. Mit der Neueröffnung des Museums am 8. Mai 1981 unter Til Friedrichs,
dem neuen Kulturamtsleiter, konnten nun auch Schlossnebengebäude als Ausstellungsfläche benutzt werden. 1984 wurde
die Bockwindmühle ans Museum umgesetzt, ein Backhaus aus
Lesse folgte, in dem seit 1990 die Backtage stattfinden. Im Jahre 1985 erhielt das Kulturamt und damit auch das Museum mit
Alexander Beier einen neuen Leiter, der seinen Arbeitsschwerpunkt in der modernen Kunst hatte. Ihm zur Seite gestellt wurde 1988 Dr. Broder-Heinrich Christiansen, ein Volkskundler,
der besonders die von Zobel begonnene Abteilung Spielzeugwelt ausbaute. Auf Honorarbasis betreute Dr. Heinz Kolbe,
ehemals Chefgeologe der Salzgitter AG, die Abteilungen Geologie und Bergbau. Schon kurze Zeit nach Dr. Christiansens
Amtsantritt konnte im Rahmen eines Museumsfestes die Bergbauabteilung im „Pferdestall“ eröffnet werden. Die Einweihung
des Kuhstalls als Wechselausstellungsgebäude folgte am 21.
Oktober 1989. Der Ausbau des Schafstalls bis 1991 machte eine
Erweiterung der Landwirtschaftsabteilung und der Abteilung
ländliches Handwerk möglich. Im Jahre 1996 erhielt das Museum mit Dr. Jörg Leuschner, nach Ausbildung Historiker, einen
neuen Leiter. 1998/1999 erfolgte für 1,6 Mio. DM die Sanierung
der Schlossfassaden. Im Jahre 2000 konnte der zur Schlossanlage gehörende Kornspeicher mit rund 2.500 m² Fläche von der
Stadt für das Museum erworben werden.
Tatsächlich ist man seit 1980 beim Sammeln und Präsentieren weitgehend den Forderungen und Empfehlungen von Dr.
Norbert Humburg (Hameln) gefolgt. Hinzugekommen ist - Zobel folgend - der Ausbau der Abteilung Spielzeugwelt, die im
Dachgeschoss von Schloß Salder präsentiert wird. Die Techniksammlung nahm immer größere Formen an. Vieles konnte nicht
gezeigt werden, es fehlte Ausstellungsfläche. Vieles, was präsentiert wurde, blieb Stückwerk, in Inhalt und Ausstellungsform
veraltet und überholt. Besonders die Abteilung Stadtgeschichte
war ein Darstellungstorso geblieben. Zu verwirrend waren die
54
Klesmergruppen.
Landwirtschaft,
Handwerk, Bergbau
Erwerb des Kornspeichers
Sprünge durch die Salzgitterer Geschichte. Von der Geologie
und Ur- und Frühgeschichte zum Jägerlager und zum Dritten
Reich von 1937 - 1945 und demokratischen Neuanfang 1945 1951, weiter zu den Klesmern, zur Esskultur, zum Biedermeier
und zum Ersten Weltkrieg, zur Spielzeugswelt kombiniert mit
Handwerkswerkstätten und bäuerlich-ländlichen Wohnsituationen. Ganz wichtige und zentrale Bereiche der Salzgitterer
Stadtgeschichte fanden nicht statt, die Saline Salzliebenhalle,
die Dörfer, das Mittelalter, die Frühneuzeit und die Neuzeit, die
Kirchengeschichte u.v.a. wurden vollkommen ignoriert. Die Abteilung Spielzeugwelt wurde in überfrachteten Vitrinen gezeigt,
ohne eine Einbindung des Spielens in gesellschaftliche Zusammenhänge, in die Familie, in die soziale Umwelt. Besonders unangenehm war das Fehlen von Erklärungen und Beschriftungen. Gleiches kann man auch von den in den Nebengebäuden
des Schlosses untergebrachten Abteilungen „Landwirtschaft“,
„ländliches Handwerk“ und „Bergbau“ und „Verhüttungsindustrie“ sagen. In diesen Abteilungen war das Museumsgut
bisher nur „abgestellt“, eine Erklärung, Beschriftung oder gar
Inszenierung war nicht vorhanden. Manche Ausstellungskuben (z. B. die Tischlerei) sind restlos überfrachtet. Die Darstellung der Bergbau- und Hüttengeschichte Salzgitters von 1937
- 1982 im Pferdestall litt unter den gleichen Mängeln, kaum
gute Erklärungen, schlechte Beschriftung usw. Die Konzentrierung auf diesen kurzen Abschnitt Salzgitterer Geschichte ist
sowieso nicht sinnvoll, bilden doch Bergbau und Verhüttung
in der Salzgitterer Industrie- und Technikgeschichte nur einen
Teil der eigenen Vergangenheit und zudem haben wir im nahen Harz mehrere Bergbaumuseen, die z. T. über 1.000 Jahre
Bergbaugeschichte präsentieren können. Inzwischen wurde im
Jahre 2000 der zur Schlossanlage gehörende Kornspeicher mit
rund 2.500 m² Fläche von der Stadt erworben, der museal oder
anderweitig genutzt werden kann und soll. Ein Versuch, den
Kornspeicher zu einem Kunstmuseum auszubauen, ist leider
gescheitert. Angesichts dieser Situation muss die gesamte, bisher gültige Museumskonzeption neu entworfen werden, um das
Museum als kulturellen Anziehungspunkt für die Bürger Salzgitters und der Region, vielleicht ganz Deutschlands attraktiv
zu gestalten bzw. noch attraktiver zu machen.
55
Kornspeicher, erbaut Anfang des 18. Jahrhunderts.
Museumskonzeptionen von 2000 und
2006/2007
Die im Jahre 2000 und 2006/2007 vorgelegten Museumskonzeptionen wurden, was die Stadtgeschichte von den erdgeschichtlichen Anfängen bis heute betrifft, umgesetzt. Auf rund 1.800
m² wird im Schloß Salder und im Pferdestall (Abteilung Stadtgeschichte von 1933 bis heute) seit dem 1. April 2012 (70 Jahre Stadt Salzgitter) die Stadtgeschichte des Salzgittergebietes/
Salzgitters gezeigt. Die Neugestaltung bzw. die Neueinrichtung
der Abteilung Spielzeugwelt und Eiszeitgarten komplettieren
die Stadtgeschichte. Mit der Abteilung vom „Erz zum Eisen
und Stahl“ wurde zwischen 2008-2012 im Untergeschoss des
Pferdestalls auf rund 600 m² auch die erste Abteilung aus dem
Bereich des Industriemuseums fertig gestellt.
Lokomotiven vor dem Kornspeicher (provisorischer Abstellplatz).
56
III. Die Industrialisierung des Braunschweigischen
Landes im 19. und 20. Jahrhundert
1.
Einleitung
Mit dem Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert trat das Deutsche Reich in ein Zeitalter tiefgreifender sozialer, wirtschaftlicher und politischer Umwälzungen ein. Die nun anbrechende
Epoche der „industriellen Revolution“ wurde von vielen Zeitgenossen als „Goldene Zeit“ begrüßt. Wehler sieht in dieser Umbruchphase sogar die „tiefste Zäsur der Menschheitsgeschichte
seit dem Neolithikum“. Immerhin hat diese von England ausgehende, nun bereits 200 Jahre dauernde industrielle Revolution die Welt, Deutschland, aber auch die Region zwischen Harz
und Heide, das ehemalige Herzogtum Braunschweig und die
Königreiche Hannover/Preußen vollkommen umgeändert1.
Noch prägten mittelalterliche Strukturen die Gesellschaft des
19. Jahrhunderts. Doch Schritt für Schritt setzte sich eine neue,
andere Zeit durch. Tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen und politische Reformen veränderten Deutschland: Bauernbefreiung ab 1834, Revolution 1848/1849, Entstehung von
Parteien, Verbänden und Vereinen, Untergang des Königreiches
Hannover 1866 und deutsche Einheit 1871, Gewerbefreiheit
1864, Verwaltungsreformen mit der Bildung von Landkreisen
1885. Eine moderne Gesellschaft brach sich Bahn, was auch
in einem so kleinen Flecken wie Salzgitter und den Dörfern des
Salzgittergebietes gespürt und gelebt wurde. Das 19. Jahrhundert, in Deutschland vor allem die zweite Hälfte, waren geprägt
vom Ausbau des Fabriksystems, von neuen technologischen
Erfindungen und ihrer Verbreitung (Dampfmaschinen, Eisenbahn), vom Aufblühen der Naturwissenschaften, vom expandierenden Handel, vom Bevölkerungswachstum, von sozialer
Verelendung und tiefen sozialen Spannungen, vom Entstehen
des Proletariats, von der „Verarmung des Handwerks“ einerseits und der Kapitalanhäufung und industriellen Konzentration andererseits, vom Niederlegen der den Handel begrenzenden Zollgrenzen, vom Ausbau des Verkehrsnetzes, von großer
1 Eine umfassende Darstellung dieses Vorganges im nördlichen Vorharzland
siehe: Märtl, Kaufhold, Leuschner, Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte
des Braunschweigischen Landes, Bd. I, II, III.
57
Kapitalbildung (Banken), von sozialen Reformen (Bismarckgesetzgebung 1883-1889). Alle diese schlagwortartig beschriebenen Erscheinungen wurden im 19. Jahrhundert durchlaufen,
in der einen oder anderen Form.
Einwohnerzahl des
Herzogtums Braunschweig 1819
Im Herzogtum Braunschweig lebten im Jahre 1819 222.936
E (60 E/km²). 30 % dieser Menschen lebte in den Städten des
Herzogtums (davon wiederum 50 % in der Landeshauptstadt
Braunschweig)2. Anfang des 19. Jahrhunderts war Braunschweig noch in hohem Maße ein landwirtschaftlich geprägtes
Fürstentum. Das Herzogtum verfügte über bedeutende Bodenschätze, die seit dem Mittelalter intensiv genutzt wurden: Eisenerzbergbau und –verhüttung im Harz (Altenbrak, Hüttenrode,
Rübeland, Zorge, Wieda) sowie im Leine- und Weserbergland
(Bornum, Delligsen, Holzminden). Drei Zehntel des Ertrages
des Montanwesens aus dem sogenannten Kommunionharz zwischen Langelsheim und Oker flossen der Schatzkasse des Herzogtums zu. Hier wurden vor allem Buntmetalle gewonnen, so
Gold, Silber, Blei, Kupfer, Zink3. Einige Salinen wie Schöningen,
Juliushall in Harzburg und Salzliebenhalle in Salzgitter waren
bedeutend4. Seit 1795 wurde das Braunkohlenvorkommen bei
Helmstedt abgebaut5. Überall gab es im Lande Steinbrüche, so
in Rübeland (Marmor), Velpke (Sandstein), Königslutter (Elmkalkstein) und im Solling (Buntsandstein)6. Das Gewerbe, das
Handwerk und der Handel blühten.
Einwohnerzahl des
Herzogtums Braunschweig 1905
Im Laufe des 19. Jahrhunderts hatte sich das Herzogtum
Braunschweig beachtlich entwickelt. Im Jahre 1905 hatte das
Herzogtum Braunschweig nun 485.958 E. (239.135 m, 246.823
w), d. h. 132 E/km². Diese Braunschweiger lebten in 51.706
Wohnhäusern, 111.756 Haushaltungen und Anstalten7. Das
Herzogtum zerfiel in 6 Kreise (Braunschweig, Wolfenbüttel,
Helmstedt, Gandersheim, Holzminden, Blankenburg). Es gab
mehrere Städte, wie Braunschweig, Wolfenbüttel, Ganders2 Zur Bevölkerungsstatistik siehe: Schildt, Das Herzogtum Braunschweig, S.
71 f.
3 Siehe: Wolff, Wirtschaft und soziale Lage, S. 170 ff.; Leuschner, Das
braunschweigische Land, S. 52.
4 Vgl. Leuschner, Das braunschweigische Land, S. 53.
5 Vgl. ebd., S. 53.
6 Vgl. ebd., S. 54.
7 Vgl. Leuschner, Wirtschaft und soziale Situation, S. 293 f.
58
Landwirtschaft
Pauperismus
heim, Helmstedt, Seesen, Holzminden, Blankenburg, in denen
228.592 Menschen lebten, 443 Flecken und Landgemeinden mit
257.366 Einwohnern. Dem Religionsbekenntnis nach waren
455.680 evangelisch, 26.375 römisch-katholisch, 2.029 sonstige
Christen und 1.815 Israeliten. Es gab im Herzogtum 32.102 Gewerbebetriebe, darunter 4.801 Nebenbetriebe, in den Motoren
mit 38.176 Pferdestärken arbeiteten8. Welche Veränderung:
Nun lebte fast die Hälfte der Braunschweiger in Städten, die
Zahl der Einwohner hatte sich mehr als verdoppelt, obwohl
Tausende weggezogen, ausgewandert waren. In der südlichen
Hälfte des Gebietes zwischen Harz und Heide bestand seit 1885
der Landkreis Goslar.
Die Landwirtschaft bildete immer noch die Haupteinnahmequelle aller Bundesstaaten, die in der vollkommen unwirtschaftlichen Dreifelderwirtschaft nicht mehr in der Lage war,
die gerade in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stark gewachsene Bevölkerung zu ernähren. An dem Bevölkerungswachstum hatten vor allem die unteren Schichten in Stadt und
Land den größten Anteil. In der Pauperismus genannten Zeit
kam es zu Hungeraufständen, die von Hauptmann beschriebene
Situation der schlesischen Weber und deren Aufbegehren 1844,
die Unruhen in Hessen-Nassau 1830 waren die Ereignisse, die
die größte Aufmerksamkeit erlangten. In den Städten wurden
die unter dem Einfluss Napoleons eingeführten Reformen der
freien Ausübung des Handwerks wieder zurückgenommen und
die Gilden erhielten nach 1815 wieder die alte Macht zurück9.
Die Belassung des territorialen Flickenteppichs in Deutschland
behinderte die wirtschaftliche Entwicklung ungemein, so gab
es in jedem der deutschen Staaten ein anderes Währungssystem, unterschiedliche Maße und Gewichte, hohe Zölle behinderten den Warenfluss, eine gutes Wegesystem fehlte. Im Jahre
1819 gründete List in Frankfurt a. M. den „Deutschen Handels- und Gewerbeverein“ mit dem Ziele, diese den Warenverkehr behindernden Faktoren abzuschaffen. Bald folgten auch
in den anderen Bundesstaaten Gründungen von Handels- und
Gewerbevereinen, in denen das Bürgertum seine Forderungen
nach Aufhebung der Handelsschranken formulierte. Es ist der
geschickten preußischen Politik zu verdanken, dass man gera8 Vgl. ebd.
9 Vgl. Schildt, Das Herzogtum Braunschweig, S. 83 ff.
59
Binnenzölle
Zollvereine
Steuerverein
Gewerberechte
dezu gegen den inkompetenten Bundestag und die unzulängliche Bundesverfassung in Verhandlungen mit den einzelnen
deutschen Bundesstaaten eine Lösung erreichte.
Schon seit dem 16. Juli 1816 gab es innerhalb der preußischen
Länder keine Binnenzölle mehr. Im Jahre 1821 vereinbarten
in Dresden die Elbuferstaaten Preußen, Österreich, Sachsen,
Hannover, Anhalt, Mecklenburg, Hamburg und Dänemark
Zollfreiheit auf der Elbe. Mit dem Beitritt Hessen-Darmstadts
1828 zum Zollverband Preußens mit den meisten thüringischen Staaten war der erste Einbruch des „Preußisch-Hessischen Zollvereins“ in den süddeutschen Raum gelungen. Dort
hatten auch Bayern und Württemberg 1827 einen Zollverein
(„Süddeutscher Zollverein“) geschlossen. Österreichs Versuche,
durch die Gründung eines „Mitteldeutschen Handelsvereins“
im September 1828 mit Frankfurt, Kur-Hessen, Braunschweig,
Oldenburg, Bremen, Sachsen, Hannover einer wirtschaftlichen
Einigung Deutschlands unter Preußens Führung entgegenzuwirken, verkehrten sich ins Gegenteil. Am 22. März 1833 vereinigten sich schließlich der „Preußische Zollverein“ und der
„Süddeutsche Zollverein“ und besaßen nunmehr freie Handelswege von den Alpen bis an die Nord- und Ostsee. Den Vorteilen konnten sich in der Folge die meisten angrenzenden Länder
nicht verschließen. Am 1. Januar 1834 trat der „Deutsche Zollverein“ in Kraft, begrüßt auch von den Braunschweiger Liberalen, wie Karl Steinacker, einem der führenden Liberalen in
der braunschweigischen Ständeversammlung. Doch Hannover
und Braunschweig blieben vorerst außen vor, was Schildt aus
ausgesprochen unglücklich bezeichnet10.
Im Oktober 1834 gründeten Hannover und Braunschweig einen Steuerverein. Braunschweig blieb bis 1841 im Steuerverein und vollzog dann abrupt eine Kehrtwende, schloss sich
nun dem Zollverein an. Die Voraussetzungen für eine bessere
Entwicklung des Handwerks, des Gewerbes, der Manufakturen und Fabriken war gegeben, wobei die Öffnung der Märkte durchaus auch Gefahren barg, war doch nun der heimische
Markt nicht mehr geschützt11.
Die Rechtsstellung des braunschweigischen Handwerks war
durch das Gewerbegesetz vom 29. Oktober 1821 neu geregelt
10 Vgl. Gerhard Schildt, Das Herzogtum Braunschweig, S. 122 ff.
11 Vgl. ebd.
60
Bauernbefreiung
worden und blieb bis 1864/1865 in Kraft. Als Voraussetzung
für eine Gewerbeanmeldung musste man eine Meisterprüfung
ablegen und konnte dann als selbstständiger Handwerker arbeiten, geschlossene Gilden waren abgeschafft und die Zahl der
Meister an einem Ort war grundsätzlich nicht beschränkt. In
den Städten konnte nun ein immer selbstbewusster werdendes
Bürgertum wachsen12.
Zu den einschneidendsten Folgen der braunschweigischen Revolution von 1830 gehörte die sogenannte Bauernbefreiung,
oder wie wir heute eher sagen, die liberale Agrarreform13. Die
Bauern befanden sich in zweifacher Abhängigkeit, zum einen
in der von den Grundherren, an die jedes Jahr ganz verschiedene und von Ort zu Ort unterschiedlich benannte Abgaben zu
leisten waren, und zum anderen die wechselseitigen Bindungen
unter den Bauern, die sich aus der bestehenden Agrarverfassung mit gemeinsamen Rechten, dem Flurzwang und der Nutzung der Allmende ergaben.
Am 20. Dezember 1834 wurden die beiden vom Landtag verabschiedeten Gesetze, nämlich die „Ablöseordnung“ und die
„Gemeinheitsteilungsordnung“, publiziert. Am gleichen Tag
erschien ein weiteres Gesetz, das die breite Durchführung der
Ablösung im Herzogtum Braunschweig erst ermöglichte. Es
verpflichtet die herzogliche Leihhauskasse (heute Norddeutsche Landesbank), den Verpflichteten die Ablösungsbeträge
zu einem Zinssatz von 4 % bei einem 1 % Tilgung vorzuschießen. Weil die Berechtigten das 25fache bezahlten, waren die
4 % Zinsen genauso hoch wie vorher die Verpflichtungen. Die
Ablösung ging schnell voran. Noch segensreicher war die Gemeinheitsteilung bzw. Separation, entstanden doch jetzt Felder,
die nach individueller Möglichkeit der Bauern, nach Bodenbeschaffenheit den Bauern die Möglichkeiten gaben, nach Marktanforderungen zu produzieren, so seit den 1840er Jahren Zuckerrüben, deren Produktion und Verarbeitung im Herzogtum
Braunschweig einen der wichtigsten Faktoren der industriellen
Entwicklung bis nach dem Zweiten Weltkrieg bedeuten sollte.
Ein selbstbewusstes Bauerntum konnte nun entstehen14.
12 Vgl. ebd.
13 Vgl. ebd., S. 107 ff.
14 Schildt beschreibt die Agrarreform von 1834 als eine der wenigen Reformen
im Herzogtum Braunschweig, die gelungen sei. Vgl. Schildt, Das Herzogtum
Braunschweig, S. 107 ff.
61
2.
Sonderfall nördliche
Vorharzregion
Ansiedlung von Fabriken an Wegen und
Eisenbahnstrecken
Industrie-Straßen
Die Industrie im Braunschweigischen Land
Das nördliche Harzvorland war geologisch von jeher ein „Sonderfall“, da das Gebiet über Jahrmillionen immer wieder
Grenzlinie von Festland-Meer war. An Flachmeerperioden
erinnern Werksteinbänke aus Algen- und Fossilkalken sowie
Sandsteinen, aus denen ab dem 8./9. Jahrhundert Grundmauern und Wehrkirchen gebaut wurden, an Hochmeerperioden
Ton- und Kalkablagerungen, die für ehemals große Ziegeleien,
Töpfereien und Zementwerke die Rohstoffgrundlage lieferten.
Mehrfach verlief durch das nördliche Vorharzland eine buchtenreiche Küste, an der sich Bodenschätze, wie Eisenerz, Salz
und Kalk, ablagerten, und es ist ein Gebiet, in dem sich durch
Gebirgsbildung und durch Eigenveränderung der eingelagerten Salze besondere Speicherverhältnisse herausbildeten. Die
fruchtbaren Lößböden der Braunschweig-Hildesheimer Börde
verzahnen sich in Salzgitter mit den Waldgebieten des Salzgitter-Höhenzuges, der Lichten Berge (Waldungen waren bis ins
Mittelalter im Salzgittergebiet viel größer), des Innerste-Berglands und des Oderwalds15.
In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bildete sich im Herzogtum Braunschweig eine spezielle, vor allem auf den natürlichen
Ressourcen basierende Industriestruktur heraus, die Ihresgleichen im Deutschen Reich suchte. Die Gewerbedichte war beachtlich, allerdings im Lande durchaus sehr unterschiedlich.
In und um Braunschweig herum und im Kerngebiet des Herzogtums lagen die Industrie-Schwerpunkte. Mittelpunkte der
Industrialisierung im Herzogtum waren die Städte, wo oftmals
aus Handwerksbetrieben Manufakturen/Fabriken wuchsen.
Später siedelten sich entlang der Verkehrswege, vor allem der
Eisenbahnschienen neue Industrien an. Es entstanden regelrechte „Industrie-Straßen“, so entlang der Eisenbahnlinie von
Braunschweig nach Derneburg, aber auch an den anderen Eisenbahnstrecken. In den südlichen und westlichen Landesteilen war die Industriedichte nicht so stark.
Etwas später, zumeist nach der verkehrsmäßigen Erschließung
durch Bahnstrecken begann auch auf dem Land, in den Dörfern die Industrialisierung, die Errichtung von Fabriken, in
15 Zu den naturräumlichen Gegebenheiten in der Stadt Salzgitter vgl. Kolbe,
Die naturräumlichen Grundlagen Salzgitters, S. 135-139.
62
Gewerbegruppen
Bodenständigkeit der
Bevölkerung
August Philipp von
Amsberg
Erste Staatseisenbahn
in Deutschland
Eisenbahnstrecken
denen zumeist Landwirtschaftserzeugnisse oder hereingewonnene Rohstoffe verarbeitet wurden. Es entstanden Zuckerfabriken, Konservenfabriken, Ziegeleien, Brennereien, Brauereien,
Mühlen, Molkereien, Druschgesellschaften, Raiffeisenbanken,
Kaufhäuser. Im Jahre 1875 arbeiteten 150 von 1.000 Menschen in der Industrie (Reichsdurchschnitt 127 zu 1.000)16. Die
wichtigsten Gewerbegruppen - durchaus unterschiedlich stark
- waren: die Nahrungs- und Genussmittelindustrie, die Montanwirtschaft, die Chemische Industrie, die Baustoffindustrie,
das Polygrafische Gewerbe, der Maschinen- und Werkzeugbau, der Fahrzeugbau, die Textilindustrie, das Montanwesen,
das Salinenwesen17.
Über Jahrhunderte waren die meisten Menschen bodenständig, nur einige Postlinien verbanden die Regionen, wobei
Salzgitter unter den Kutschern einen furchtbaren Ruf wegen
seiner schlechten Straßen und der in Salzgitter wohnenden
„Strauchdiebe“ gehabt haben soll. Als die deutsche Gesellschaft auf Rädern in Bewegung geriet, machte sich allerdings
die territoriale Zerrissenheit und die staatliche Eingebundenheit Braunschweigs zwischen Preußen und Hannover sehr negativ bemerkbar, vor allem beim für die wirtschaftliche Entwicklung so wichtigen Bau der Bahnlinien. Den ersten Schritt
im Herzogtum Braunschweig auf dem Wege zum Bau von Eisenbahnstrecken unternahm der damalige braunschweigische
Kammerassessor August Philipp von Amsberg zu Anfang der
1820er Jahre. In einer Denkschrift legte er 1824 dar, dass es
wünschenswert sei, „eiserne Straßen“ zu bauen. 1835 wurde
dann die erste Strecke von Nürnberg nach Fürth eröffnet. Im
Herzogtum Braunschweig wurde schon kurz darauf, im Jahre
1838, durch eine Staatseisenbahn die Strecke BraunschweigWolfenbüttel eröffnet, die 1841 bis nach Harzburg an den Harz
heran erweitert wurde18.
An den Eisenbahnwegen entstanden regelrechte Industriestraßen, so an der ab 1838 gebauten Strecke von Braunschweig
nach Harzburg, an der 1856 eröffneten Strecke von Seesen
16 Vgl. Wolff, Wirtschaft und soziale Lage, S. 167.
17 Zur Gewerbestruktur vgl. Schildt, Das Herzogtum Braunschweig zwischen
Biedermeier und Industrie, S. 64-165, Wolff, Wirtschaft und soziale Lage, S.
166-253.
18 Vgl. Leuschner, Wirtschaft und soziale Situation, S. 295 ff.
63
Strecke BraunschweigDerneburg.
Naturräumliche
Voraussetzungen für
Industrialisierung
Maschinenbaufabriken
über Ringelheim und Salzgitter nach Börßum und an der 1886
von der BLE gebauten und mit der „Salder“ genannten Lokomotive eingeweihten Linie von Braunschweig über Thiede, Salder, Lichtenberg nach Derneburg, die 1889 noch einen Abzweig
nach Wolfenbüttel erhielt (39,8 km)19.
Obwohl bereits im Jahre 1838 mit der Strecke von Braunschweig-Wolfenbüttel, später bis Harzburg, die erste deutsche
Staatseisenbahn den Verkehr aufnehmen konnte, geriet Braunschweig eisenbahnmäßig in den folgenden Jahrzehnten in den
Schatten der großen, wichtigen Verkehrslinien (Schnellverbindung Berlin – Hannover über Stendal, Nord-Süd-Verbindung
Kassel – Hannover). Die Erschließung des für die wirtschaftliche Entwicklung wichtigen flachen Landes im 19. Jahrhundert
gestaltete sich noch schwieriger. Erst im Jahre 1886 wurde die
Linie Braunschweig – Derneburg über Salder und Lichtenberg
eröffnet (genau 100 Jahre später wieder abgebaut, heute läuft
auf dem alten Schienenweg, zumindest im Salzgittergebiet die
A 39)20. Der Braunschweiger Harz wurde erst spät oder überhaupt nicht an die Eisenbahnlinien angeschlossen (war auch
eine der Ursachen für die krisenhafte Entwicklung des Bergbaus, Steinkohlenkoks, Konkurrenz der schlesischen und rheinisch-westfälischen Hüttenindustrie, Bergbau war staatlich organisiert).
Im Braunschweigischen Land gab es ausgesprochen fruchtbare Böden (ausgenommen die Mittelgebirge), auf denen Getreide, Flachs, Gemüse mit Spargel, Kartoffeln (seit dem 18.
Jahrhundert), Zuckerrüben (seit dem 19. Jahrhundert) sehr
gut gediehen. Für die Verarbeitung der landwirtschaftlichen
Produkte entstanden Zuckerfabriken (1900 = 31), Konservenfabriken (1914 =50), Molkereien (seit 1890 genossenschaftlich),
Brennereien, Brauereien, Industriemühlen, Leinewebereien
(1858 in Salzgitter-Bad, Braunschweig)21. Die Maschinen für
diese Firmen lieferten heimische Maschinebauer, die bald auch
den deutschen, ja Weltmarkt belieferten: Die bedeutendsten
waren die Braunschweigische Maschinenbauanstalt (BMA), die
Maschinenfabrik Seele & Co. und die Deickesche Fabrik, die
Mühlenbauanstalt Luther und Peters in Wolfenbüttel, die Müh19 Vgl. Leuschner, Wirtschaft und soziale Situation, S. 295 ff.
20 Vgl. dazu: Ebd.
21 Vgl. Löhr, Industrialisierungsansätze auf dem Lande, S. 254-278.
64
lenbauanstalt Ernst Amme, Carl Giesecke und Julius Konegen
in Wolfenbüttel, die Dampfkesselschmiede und Gasometerfabrik August Wilke & Co., die Maschinenfabrik Johann Selwig &
Bruno Lange, die Maschinenfabrik August Krull in Helmstedt
und die Maschinenfabrik Salzgitter. Nähmaschinen stellten in
Braunschweig fünf Firmen her, darunter Ferdinand Meyer und
Grimme, Natalis & Co. Da die heimischen braunschweigischen
Firmen sich gegen die amerikanische Konkurrenz (Singer)
nicht behaupten konnten, ging Natalis im Jahre 1893 zum Bau
der Brunsviga-Rechenmaschinen über, ein Weltunternehmen
nahm hier seinen Anfang22.
Entwicklung des
Fahrrades
Karl Friedrich Drais
- Draisine
Fahrrad und Alltag
Anfang des 19. Jahrhunderts begann eine weitere die Gesellschaft stark beschleunigende Entwicklung. Die Erfindung des
Fahrrades beschleunigte die Mobilität der Gesellschaft in einem Maße, wie man es sich bis dahin nicht vorstellen konnte.
Im Jahre 1817 hatte der badische Forstmeister Karl Friedrich
Drais seine Draisine entwickelt23, ein abenteuerliches Gefährt,
das zwischen zwei Rädern auf einem Brettsitz Platz zum Sitzen bot. Gelenkt wurde das Gefährt mit einer am Vorderrad
angebrachten Lenkstange und die Vorwärtsbewegung erfolgte
durch das Anschieben mit den Füßen. Gefährlich wurde dieses Fahrzeug vor allem bergabwärts, da es keine Bremse hatte
und sich so mancher Fahrer mit der Lenkstange aufgespießt
hat. Nach einigen in die Irre führenden Weiterentwicklungen
(Hochrad, Micheaudine usw.) brachte im Jahre 1884 der Engländer James Starley ein Fahrrad mit Kettenantrieb auf den
Markt, das dem heutigen weitgehend entspricht. Ernst Sachs
fügte die Freilaufnabe hinzu, Dunlop die Luftreifen. Und nun
begann in ganz Deutschland ein wahres Fahrradfieber, vor allem bei Frauen.
In Salzgitter boten allein fünf Händler Ende des 19. Jahrhunderts Fahrräder an, bei knapp 2.000 Einwohnern. Vor allem
Frauen waren fanatische Anhängerinnen des Fahrradfahrens.
Als Frauen für das Fahrradfahren eine eigene Mode kreierten,
besondere Kostüme, ja Hosen anzogen, wurden in der von Män22 Zum Maschinen- und Anlagebau vgl. Wolff, Wirtschaft und soziale Lage, S.
176 ff.
23 Eine umfangreichere Geschichte des Fahrrads und des Fahrradfahrens siehe
weiter hinten in dieser Konzeption.
65
Motorradentwicklung
Straßennetz
Omnibus-Linien vor
dem Ersten Weltkrieg
nern geprägten biedermeierlichen Welt ernste Befürchtungen
und Ängste laut. Das Salzgittersche Kreisblatt berichtete unter
der Rubrik „Vermischtes“ in einer Extraspalte „Fahrradfahren“
und „Frauenemanzipation“ abschreckend gemeinte Beispiele
dieser Befreiungssucht24. In Italien – so das Kreisblatt 1896 –
bestünden Fahrradvereine, in die nur Frauen aufgenommen
würden, die bei ihren Ausfahrten Monokel trügen. In den USA
habe Georg Gravins die Scheidung von seiner Frau Lizzi beantragt, da - so seine Begründung – seine Frau ihn gezwungen
habe, seine Kinder zu betreuen, zu bügeln und Hausarbeit in
der Küche zu verrichten, wobei er dabei eine Schürze habe tragen müssen. Die Ehe sei – so aufatmend das Kreisblatt – sofort
geschieden worden, und die Zeitung fügte warnend hinzu, was
könnte man auch anders von einer Schauspielerin und begeisterten Fahrradfahrerin erwarten. Die schockierendste Nachricht kam jedoch aus dem Großherzogtum Darmstadt. Hier
habe im Jahre 1895 eine Suffragette ein Wahllokal gestürmt
und das Wahlrecht für Frauen gefordert. Nachdem die Wahlhelfer nach einiger Zeit endlich ihre Fassung wieder gewonnen
hätten, habe man die Dame aus dem Wahllokal entfernt. Sie sei
auf ihr Fahrrad gestiegen und davon geradelt. Und fassungslos
fügte das Kreisblatt hinzu, auf einem Herrenfahrrad.
Doch die Mobilitätsbewegung war nicht mehr zu stoppen. 1885
erfanden Daimler und Wilhelm Maibach das Motorrad, das
Pferd des kleinen Mannes. 1886 folgte die Entwicklung des
Autos durch Karl Benz. Heinrich Büssing, der 1869 mit seiner
Fahrradproduktion gescheitert war, gründete 1903 eine Werkstatt/Fabrik, in der die ersten LKWs und Busse in Deutschland
gebaut wurden. Die Eisenbahnstrecken erreichten aber nur einen Teil der ländlichen Gebiete. Das Herzogtum Braunschweig
besaß um 1900 ein Straßennetz von 3.076 km. Die sehr gute
Straßensituation mag auch der Grund dafür gewesen sein, dass
im Jahre 1904 mit der Linie Wendeburg-Braunschweig und
Lebenstedt-Salder-Braunschweig die ersten Motor-Omnibuslinien eingerichtet wurden, 1909 entstand die heutige KVG25.
24 Alle Jahrgänge des „Salzgitterschen Kreisblattes“ enthält ab etwa 1890
Berichte über diese Fahrradfahrsucht. Die entsprechenden Jahrgänge können
im Stadtarchiv Salzgitter eingesehen werden.
25 Vgl. dazu: 100 Jahre KVG, S. 9-129.
66
Braunkohleabbau
Stromerzeugung ÜZH
Erster Weltkrieg
Die Industrialisierung des Braunschweigischen Landes erforderte eine enorme Menge an Energie. Holz und Holzkohle
waren bis ins 19. Jahrhundert hinein das bevorzugte Heizmaterial. Immer größere Bedeutung erlangte der 1795 bei Helmstedt begonnene Abbau der Braunkohle (seit 1873 als BKB), die
seit 1887 auch brikettiert werden konnte26. Der seit dem Ende
des 19. Jahrhunderts zumeist mit Wasserkraft von mehreren
kleinen Stromwerken erzeugte Strom war Voraussetzung einer
weiteren wirtschaftlichen Entwicklung. Im Jahre 1905 wurde
die ÜZH gegründet27.
Die Industrialisierung schlug sich auch in großen sozialen Veränderungen nieder. Dörfer wuchsen zu Städten, kleine Städte
zu Großstädten, ganze Regionen entfalteten eine vollkommen
neue Wirtschaftsstruktur, erhielten damit ein neues Gepräge,
die verschiedenen sozialen Schichten und Gruppen organisierten sich in Parteien, in Gewerkschaften, in Organisationen,
um durch sie ihre Interessen zu vertreten. Im Rahmen dieser
Entwicklung modernisierten sich Wirtschaft und Gesellschaft
des Herzogtums Braunschweig, auch ein vollkommen neues
Unternehmertum entstand, das für seine Arbeit Liberalität
und Weltoffenheit, Bildung und Sprachfähigkeit benötigte.
Der Staat, das Militär, die Bürokratie und die Beamtenschaft
wurden allerdings weiterhin in ganz Deutschland, aber auch
im Herzogtum Braunschweig von konservativen Machteliten
dominiert, was unweigerlich zu heftigen Spannungen zwischen
Unternehmertum und Staat, aber auch mit der Industriearbeiterschaft führte.
Der Stolz auf das Erreichte verband sich mit der Gewissheit,
dass Deutschland eine glänzende Zukunft habe. Dieser fast
kindlich anmutende Nationalismus verband die unterschiedlichen Gruppen, bis hin zur Sozialdemokratie. Mit diesem Bewusstsein zogen die braunschweigischen Landeskinder 1914
begeistert mit in den Ersten Weltkrieg, der im November 1918
endgültig verloren war, zur Abdankung des deutschen Kaisers
und des Herzogs Ernst August im Herzogtum Braunschweig
führte.
26 Vgl. Leuschner, Das Braunschweigische Land während der Westfalenzeit, S.
53.
27 Vgl. Leuschner, Wirtschaft und soziale Situation, S. 300 ff., bes. S. 305.
67
Umstellung von
Kriegs- auf Friedenswirtschaft
Die Wirtschaft in der
Weimarer Zeit
Weltwirtschaftskrise
Die vollkommen auf Kriegswirtschaft umgestellte Wirtschaft
im Herzogtum Braunschweig musste nach 1918 wieder auf
Friedenswirtschaft umgestellt werden, was lange dauerte und
ausgesprochen schwierig war28. Die Wirtschaftsstrukturen
des Freistaates Braunschweig glichen denen des Herzogtums
Braunschweig. Braunschweig war weiterhin das wirtschaftliche
Zentrum des Kleinstaates. 39 % aller Firmen lagen in Braunschweig, 38 % des gewerblichen Kapitals und 46 % des gewerblichen Ertrages wurden in Braunschweig erwirtschaftet29.
Es waren vor allem die großen Firmen, die in Braunschweig
ihren Sitz hatten: Amme, Giesecke Konegen AG, Braunschweigische Maschinenbau-Anstalt AG, H. Büssing, Eisenbahnsignal-Bauanstalt Max Jüdel Co. AG, Grimme, Natalis &Co. AG,
Maschinenfabrik und Mühlenbau-Anstalt G. Luther AG u.a. Außerhalb Braunschweigs waren die Braunschweigischen Kohlenbergwerke bei Helmstedt, die Montanindustrie am nördlichen
Harzrand zwischen Oker und Langelsheim, die Zucker- und
Konservenindustrie in den fruchtbaren Lössgebieten von Bedeutung30.
Nachdem sich die Wirtschaft im Volksstaat Braunschweig ab
1920 langsam stabilisiert hatte - allerdings mit konjunkturellen
Schwankungen - und sich damit auch die soziale Lage in der
Weimarer Republik verbesserte, führte die Weltwirtschaftskrise ab 1929 bis 1933 zu einem tiefen Einbruch in der braunschweigischen Wirtschaft, die konjunkturellen Daten aller
Wirtschaftszweige zeigten nach unten, viele Betriebe mussten
Arbeitskräfte entlassen, was zu einem dramatischen Anstieg
der Arbeitslosigkeit führte, viele Betriebe schlossen ganz ihre
Tore. Die Menschen suchten bei Heilsversprechern Zuflucht,
Hitler und die NSDAP konnten im Volksstaat Braunschweig
bereits seit 1930 mitregieren, in Deutschland seit dem 30. Januar 193331.
Die Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1933 hat die staatsinterventionistischen, protektionistischen und autarkischen
Bestrebungen gestärkt. Am 1. Februar 1933 verkündete das
Hitler-Regime vollmundig zwei Vierjahrespläne, in denen die28 Vgl. Försterling, Die wirtschaftliche Entwicklung, S. 353 ff.
29 Vgl. ebd.
30 Vgl. ebd.
31 Vgl. Leuschner, Die Wirtschaft des Braunschweigischen Landes im Dritten
Reich, S. 452 ff.
68
Bau der Reichswerke
und des KdF-Werks
„Straßen des Führers“
Rüstungsindustrie
Kriegsende 1945
Umstellung auf Friedenswirtschaft
se Gedanken eingeflossen sind. Ausdruck dieser staatlich gelenkten Wirtschaftspolitik war die Gründung der Reichswerke
1937 und des KdF-Werks 1938. Die Zauberworte für die Wiederbelebung der braunschweigischen Wirtschaft im Sommer
1933 waren „planmäßige Wirtschaftspflege“ und „organische
Wirtschaftsbeschaffung“. Die Selbstverwaltungsrechte wurden
auch in der Wirtschaft beseitigt. Die ersten wirtschaftlichen
Maßnahmen hatten vordergründig alle den Zweck, die hohe
Arbeitslosigkeit zu beseitigen, da die Nationalsozialisten wussten, dass sie nur so „dauerhaft“ an der Macht bleiben konnten. Instandsetzungs- und Umbauarbeiten von Wohnungen,
Autobahnbau („Straßen des Führers“ waren das erfolgreichste
Propagandaprojekt des Dritten Reichs, sie dienten aber schon
strategischen Überlegungen im Rahmen der Kriegsplanungen),
Notstandsarbeiten, Bau des Hafens in Braunschweig halfen, die
Arbeitslosigkeit drastisch zu senken. Alle Wirtschaftsbranchen
wurden in zunehmendem Maße in die Rüstungsproduktion
eingebunden. Dies betraf die Konservenindustrie genau so wie
den Maschinenbau. Die Kriegswirtschaft ab 1939 verschärfte
die Situation nochmals dramatisch, Eiserne Rationen (Konserven), Zünder, Munition, Bomber, Kanonen, Panzer, Flugzeuge,
V-Waffenteile – alles wurde in der braunschweigischen Industrie hergestellt32. Die Arbeitspflicht wurde für deutsche Arbeitskräfte eingeführt, in zunehmendem Umfang wurden Vertragsarbeiter aus ganz Europa beschäftigt, später Kriegsgefangene,
Zwangsarbeiter(innen), KZler33.
Am 10./11. April war der Krieg im nördlichen Vorharzland
vorbei. Alliierte Truppen besetzten die Region. Einige Betriebe hatten in den letzten Monaten des Krieges Vorkehrungen
für ihre Weiterexistenz getroffen. Allen war klar, dass wie rund
25 Jahre zuvor die Wirtschaft wieder auf Friedenswirtschaft
umgestellt werden musste, wobei unklar war, was die Betriebe im Rahmen der erwarteten Belastungen durch die Alliierten
zu leisten hatten. Erschwerend kam hinzu, dass die Alliierten
durch ihre Luftangriffe die Infrastruktur des Gebietes zwischen Wolfsburg, Braunschweig, Salzgitter und Goslar stark
beschädigt hatten, dass die Region durch die sich anbahnende
32 Zur Rüstungsindustrie und –produktion vgl. Leuschner, Die Wirtschaft des
Braunschweigischen Landes im Dritten Reich, S. 509ff.; Linhardt, Luftfahrt
in der Region BS, S. 831-887, bes. S. 849ff.
33 Vgl. Pischke, „Europa arbeitet bei den Reichswerken.
69
Wirtschaftsentwicklung in den 1960er
Jahren
Teilung Deutschlands in eine Randlage geriet. Mit einer „gelenkten Wirtschaft“ gelang es, schon bald wieder die Produktion
in Gang zu setzen, allerdings mit Ausnahme der Reichswerke
in Salzgitter, wo die Demontage erst nach harten Auseinandersetzungen zwischen Briten, Land Niedersachsen, Bundesregierung (erst ab 1949), Stadt Salzgitter, Belegschaft im Januar
1951 beendet wurde34.
Auf wirtschaftlichem Gebiet wurde in den 1960er Jahren der
Zwang zu Konzentrationen und Fusionen immer stärker:
Zentralisierung von Kapazitäten in der Landwirtschaft, bei
Molkereien und Zuckerfabriken; Fusionen im hannoverschen
Brauereigewerbe (1969), zwischen der Ilseder Hütte und der
Salzgitter AG (1970) sowie den öffentlich-rechtlichen Kreditanstalten Hannovers und Braunschweigs (Norddeutsche Landesbank, 1970). Im Küstenraum und im Zonenrandgebiet gelang
es, neue Industrien anzusiedeln: Kernkraftwerke entstanden
bei Lingen (Ems) und Stade. Mit dem Baubeginn des Elbeseitenkanals (6. Mai 1968) zeichnete sich für das Zonenrandgebiet eine bessere Verkehrserschließung ab, die mit der nach
15jähriger Bauzeit im Juni 1968 beendeten Mittelweserkanalisierung für den Raum Minden-Bremen bereits geschaffen war.
Durch die Elektrifizierung wichtiger Bahnstrecken seit 1963
wurde der Personen- und Güterverkehr leistungsfähiger, was
sich besonders im Raum Hannover durch die Schaffung eines
Nahschnellverkehrssystems bemerkbar machte35.
34 Vgl. Die Demontage der Reichswerke, S. 204 ff.
35 Vgl. Fiedler, Pingel, Vom Nachkriegsboom, S. 557-664.
70
3.
Saline Salzliebenhalle
Die wirtschaftliche Entwicklung in Salzgitter im 19./20.
Jahrhundert
Salzgitter war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein kleiner,
nach dem Verlust der Saline im Jahre 1523 an den Herzog
Heinrich d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel stark verarmter Flecken, in dem neben der Saline das in Gilden organisierte
Handwerk das wirtschaftliche Geschehen prägte. Schmiede,
Plan von Salzgitter, 1726.
Klesmer
Eisenbahnstrecke
1856
Kalisalzschächte
Schneider, Leineweber, Töpfer, Zinngießer waren bis 1866 in
Gilden zusammengefasst. Eine Besonderheit waren die seit
1790 im Ort lebenden Wandermusikanten, die sich selbst als
Klesmer bezeichneten. Im Jahre 1790 waren es zehn Musikusse, 1845 schon fast 80 Kapellen mit einer Besetzung von 3, 4
bis 12 Musikanten, auch mit Männern und Frauen gemischt,
die lokale Feste mit ihrer Musik bereicherten. Später zogen sie
hinaus in die Welt und spielten von St. Petersburg bis New Orleans, von Canberra bis Rio de Janeiro. Viele der rund 2.000
Sölterschen haben von der Musik gelebt.
Sofort nach dem Bau der Eisenbahnstrecke 1856 von Seesen
nach Börßum siedelten sich in Salzgitter Firmen an: 1858 die
Mechanische Leinenweberei (bis 1939 in SZ)36, 1868 die Eisenhütten in Othfresen und am Gittertor durch Bethel Stroußberg,
den berühmten Eisenbahnkönig, und Emil Langen, die beide
1874 nach der Reichsgründung wieder eingingen37. Seit 1885
wurden Tiefbohrungen auf Kalisalz in der Feldmark von Kniestedt durchgeführt und 1896 mit dem Abteufen eines Schachtes
auf dem Greif begonnen, eines Schachtes, der sich nach Bis36 Zur Geschichte vgl. Lange, Leben und Arbeitswelt.
37 Vgl. im hinteren Teil des Konzeptes kurze Geschichte der Montanwirtschaft.
71
Sozialgesetzgebung
Kurbetrieb mit Saline
Salzliebenhalle
Solbad-Kurhaus.
marck als Bismarckschacht benennen durfte, mit 1.075 m die
tiefste Teufe im Deutschen Reich damals erreichte, 1905 versiegelt werden musste, weil die Betreiber die Kuxenanteilseigner
in schamloser Weise betrogen hatten. In jedem dieser Betriebe
waren zeitweise bis zu 400 oder sogar 500 Menschen beschäftigt. Die Arbeitsbedingungen waren unglaublich hart, wie uns
die überlieferten Fabrikordnungen belegen. Sechs Tage in der
Woche mussten 14-16 Stunden gearbeitet werden bei sehr geringen Löhnen und keinerlei Urlaub38. Miserable Verhältnisse
im Bereich Wohnen, Gesundheit und Bildung waren Begleiterscheinungen der Industrialisierung.
Ein Riss ging durch die Gesellschaft. Die Bismarcksche Sozialgesetzgebung zwischen 1883 bis 1889 minderten die größten
Übel. Langsam stieg der Wohlstand, die Einkommen der arbeitenden Massen verbesserten sich, die Arbeitszeiten wurden
verringert, das Bürgertum und zunehmend auch die Arbeiterschaft konnten sich des wachsenden Wohlstands bei mehr Freizeit erfreuen.
Die Saline in Salzgitter war immer noch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Seit 1523 war sie im Besitz der Welfen, auch der
Gewinn aus dem Verkauf des weisen Goldes, des Salzes, ging an
sie. Doch wurde dieser immer geringer und bot immer weniger
Menschen einen sicheren Broterwerb. Da griff eine unternehmungslustige Frau aus Salzgitter eine Idee auf, die andernorts
bereits in hoher Blüte stand, sie begann, in Salzgitter einen Badebetrieb aufzuziehen. Am 1. Juli 1879 verabreichte Emilie Hascher, die Frau des Salinenpächters Wilhelm Hascher, in zwei
Wannen in einem Teil der Waschküche hinter dem Tillyhaus
(1608 erbaut) die ersten Solbäder. Durch Holzrohre wurde Sole
in die Wannen geleitet, verdünnt und erwärmt. Die Preise für
die zwischen 6.30-19.00 angebotenen Bäder in Salzgitter waren
kostengünstig und daher sofort stark nachgefragt.
Die Seuchen im Mittelalter hatten dazu geführt, dass man die
damals überall in den Städten und auch auf den Dörfern vorhandenen Bäder, so gab es welche in Lesse, Beinum, Ringelheim (wo die Mönche gern Gast waren), mied. Zumal Bäder
als Stätten eines gar lustigen Treibens galten, was einem religiös geprägten Bürgertum diese Bäder als Orte der Unzucht er38 Fabrikordnung der Mechanischen Leineweberei ist abgedruckt: Lange, Leben
und Arbeitswelt, S. 659.
72
Seuchen
Badehaus
Tourismus
scheinen ließ. Wer gesund bleiben wollte, wusch seinen Körper
nicht. Die Haut musste abgedichtet werden. Der Adel lebte es
den einfachen Menschen, den Bürgern, den Bauern, vor. Die
Körperpflege kam gänzlich ohne Wasser aus durch den üppigen Umgang mit Puder, Schminke und Parfüm. Es wurde daher
gern geraucht, konnte man so doch den eigenen Körpergeruch
gut überspielen. Bis ins 19. Jahrhundert hinein machte man das
Wasser für auftretende Seuchen verantwortlich, so auch als im
19. Jahrhundert die Cholera in Ober- und Niederfreden etwa
50 Kinder in den Tod riss. Der damalige Physikus hatte in einem Rundschreiben an die Eltern der Kinder mitgeteilt, dass es
keinen Sinn habe, die „Kinder zu braten“, um das Ausbrechen
der Seuchen zu verhindern. (Hatte man doch die Kinder einen
Schluck Wasser nehmen lassen und sie auf den Ofen gesetzt).
Erst langsam setzte sich – anfangs nur bei einigen wenigen Ärzten - die Erkenntnis durch, dass die Seuchen immer dort ausbrachen, wo es am Schmutzigsten war, das Sauberkeit wichtig
für die Gesundheit war, dass bestimmtes Wasser, Heil-Wasser,
auch Sole, sogar heilen und entspannen konnte. Der Adel und
das Bürgertum, und hier wieder zuerst die Frauen, lebten nach
diesen neuen Erkenntnissen. Im 19. Jahrhundert entstanden so
die berühmten Bäder Baden-Baden, Bad Homburg, aber auch
Solebäder in Lüneburg, Münder, Salzhemmendorf, Salzderhelden, Salzdethfurt. Eine Dame aus Salzgitter, vom Baden begeistert, dichtete im Salzgitterschen Kreisblatt:
„O, schmäht uns unsere Innerste nicht,
mit nörgelhaften Sinnen,
Ich tauchte tief – jedoch ich fand
Nie ein Bazillchen drinnen.“
Im Jahre 1885 wurde ein Badehaus errichtet. Im Jahre 1912
wurde dieses Gebäude durch ein mit 20 Badezellen ausgestattetes
neues ersetzt. Das Badehaus wurde 1911 durch einen Kurgarten
ergänzt.
Im Jahre 1926 kaufte der Flecken Salzgitter die Saline. Schon
bald wurde für die neue Einrichtung geworben. Zahlreiche
Prospekte wurden verschickt, die in Wort und Bild die Vorteile
und Annehmlichkeiten des kleinen Kurortes beschrieben und
den gesundheitlichen Wert des Solebadens hervorhoben. Der
Magistrat des Fleckens beobachtete diese Entwicklung mit
73
„Bad“ Salzgitter
spürbarer Reserve. Bald hieß es „Im Solbad Salzgitter (Harz)“
könne man durch Sol-, Fichtennadel-, Schwefel-, Kohlensäure-,
Sauerstoff-, Wasser- medizinische sowie elektrische Bäder
seine Gesundheit verbessern. Es gab Inhalationen, Massagen
und Solewannenbäder. Die erste Kurliste von 1898, sie wurde
nun regelmäßig im Salzgitterschen Kreisblatt veröffentlicht,
zählte die Gäste auf, die aus ganz Deutschland nach Salzgitter
gekommen waren: anfangs aus Braunschweig, Hildesheim und
Goslar, später aus Celle, Berlin, Dortmund, Köln, Königsberg.
Bald kamen auch Gäste aus dem Ausland, als erste die Dänen,
dann auch Briten, Südafrikaner, Spanier, Österreicher, USAAmerikaner. Die Liste führte neben dem Namen auch den
Stand der Kurgäste auf: es war das kleine Bürgertum, nicht
der Geburts- oder Geldadel, das sich in Salzgitter tummelte.
Besonders viele Lehrer fanden sich unter den Badegästen.
Die Zahl der Gäste stieg stetig an, im Jahre 1911 verzeichnete
die Kurliste 1.238 Besucher. Während des Ersten Weltkrieges
und in den ersten Jahren der Weimarer Republik wurde der
Kurbetrieb eingestellt.
Nachdem der Flecken Salzgitter die Saline 1926 erworben
hatte, setzte man voll auf Kurbetrieb. Man hoffte, noch mehr
Besucher für einen Besuch in Salzgitter gewinnen zu können,
wenn man sein äußeres Erscheinungsbild und natürlich nicht
nur das, verbessern konnte, was mit dem Namen beginnt. Die
großen weltberühmten Kurorte führten alle den Titel „Bad“ im
Namen. Hier waren die Sölterschen nicht zimperlich, schon im
ersten Werbematerial der 1880er Jahren wurde der Ort „Bad“
genannt. „Frischen und frohen Mutes und gestärkt an Leib und
Seele mögen Sie heimkehren und gern zurückdenken an die grüne Stadt (Stadt im Grünen also schon früher!), an das Gesundheit
spendende Heilbad, an die weiten Wälder und leuchtenden Höhen: in Bad Salzgitter.“ Der Flecken änderte seine Kopfvignette,
das Stadtsiegel, seine Anschrift. Alles blieb unwidersprochen.
Auf dem Bahnhof wurde 1885 ein Werbeschild mit dem Ortsnamen „Bad Salzgitter“ ausgeschildert. Als die Kurliste 1899 vom
stetigen Ansteigen der Kurgäste berichten konnte, änderte man
das Bahnhofsschild in „Solbad Salzgitter am Harz“. Nun ging
aber die Obrigkeit dagegen vor. Salzgitter war seit 1866 Teil
Preußens. In diesem Land war alles per Gesetz geregelt, auch
die Benennung von Orten. Die Veränderung eines Ortsnamens
74
bedurfte der Genehmigung durch das preußische Innenministerium, wie es das Ansiedlungsgesetz von 1894 vorschrieb. Der
Goslarer Landrat Brecht forderte den Flecken auf, nicht ohne
Erlaubnis und Zustimmung durch ihn und durch die Regierung in Hildesheim und das preußische Innenministerium den
Ortsnamen zu verändern. Es gab einen heftigen Briefwechsel,
der sich bis weit ins nächste Jahrhundert zog. Salzgitter musste
nachgeben, aber nur brieflich. Das Ortsschild blieb. Auch als
1929 Salzgitter wieder Stadt wurde, änderte sich an der Ortsbezeichnung nichts, obwohl nun ein entsprechender Antrag
eingereicht worden war. Doch bei den Besuchern des Ortes
hatte sich die Bezeichnung „Bad Salzgitter“ eingebürgert, alle,
ausnahmslos alle Anschreiben an den nach 1926 eingerichteten
Kurbetrieb waren an Bad Salzgitter gerichtet
4.
Raky-Firma
Reichswerkegründung
Die Wirtschaft und sozialen Verhältnisse in Salzgitter
von der Weimarer Zeit bis heute
Für den Eisenerzabbau im Salzgittergebiet begann nach dem
Verlust des lothringischen Eisenerzreviers 1918/1919 durch
den Versailler Vertrag eine neue Epoche. Die Ilseder Hütte verstärkte ihre Unternehmungen im südlichen Teil des SalzgitterHöhenzuges und beauftragte Anton Raky, Erkundungsbohrungen durchzuführen39. Andere Hüttenunternehmen schlossen
sich diesem Auftrag an. So erlangte man in den 1920er Jahren
erstmals einen Eindruck über den Umfang und die Lagerverhältnisse der Eisenerzvorkommen im Salzgittergebiet. Auf 1,5
Milliarden Tonnen Erz wurden nach Rakys Untersuchungen
die Vorkommen geschätzt (spätere Erkundungen führten sogar
zu der Erkenntnis, dass 3 Milliarden Tonnen Erz im Salzgittergebiet anstanden). Eine großindustrielle Verhüttung der Erze
kam aufgrund des hohen Anteils an Kieselsäure zu dieser Zeit
noch nicht in Betracht. Erst die Erfindung der beiden Hüttenfachleute Max Paschke und Eugen Peetz von der Bergakademie Clausthal machten dies möglich.
Nachdem am 15. Juli 1937 im Rahmen der Autarkiepolitik des
Dritten Reiches die Reichswerke Hermann Göring gegründet
worden waren, kam es zum Ausweitung des Erzabbaus im
39 Zu Raky siehe: Bergmann, Anton Raky, S. 53-58.
75
Reichswerke mit Kanal.
Erzbergbau
Salzgittergebiet40. Das Bergbaurevier reichte von Lichtenberg
und Altenhagen im Norden bis nach Ringelheim und Hohenrode
im Süden und nach Flachstöckheim und Ohlendorf im Osten.
Alle bisherigen Eigentümer der Erzfelder wurden enteignet. Die
Reichswerke übernahmen einen Felderbesitz von 146,69 km².
Sie errichteten die Erzbergwerke Haverlahwiese, Hannoversche
Treue, Finkenkuhle, Georg und Worthlah/Ohlendorf. Der Abbau
erfolgte sowohl im Tagebau als auch im Tiefbau. Ende des
Krieges 1945 wurden die Gruben vorübergehend stillgelegt.
Der Erzbergbau konnte aber schon 1946 den Betrieb wieder
aufnehmen. Er erlebte vor allem in den 1950er Jahren eine große
Blüte. Die Salzgitterer Bergwerke mit rund 6.200 Beschäftigten
(Stand 1957) gewannen 5,2 Millionen Tonnen Erz im Jahr (Stand
1959), das anfangs an die westdeutschen Hütten und nach Ilsede
geliefert wurde. Ab April 1949 wurde auch in Salzgitter wieder
Eisen mit heimischem Erz erzeugt. Doch schon Ende der 1950er
Jahre begann schleichend die Krise des Salzgitterer Bergbaus.
Die westdeutschen Hütten, aber auch die Salzgitter AG nahmen
immer weniger Erz ab, weil ausländische Erze kostengünstiger
waren. Grube für Grube schloss in Salzgitter die Tore, am 30.
Juni 1982 wurde auf Schacht Haverlahwiese die letzte Schicht
verfahren41. Es blieb nur der erst ab 1957 abgeteufte Schacht
Konrad im Salzgitterer Montanrevier bestehen, aber nur,
weil er als Bergwerk zum Endlager für schwach strahlenden
Atommüll ausgebaut werden soll.
Bergwerke
Eisenerzbergwerke im Salzgittergebiet
Name
Betriebszeiten
Teufe
Fördermengen
Roherz
(in Metern)
(in Mio. Tonnen)
(Fe in %)
Haverlahwiese
1937/1938 –1982
100- 600
81
33
Hannov. Treue
1937/1938 - 1965
50 –450
19,8
30
Finkenkuhle
1937/1938 - 1956
60 – 250
7,73
29
1937/1938 - 1965
900
11,06
30
1937/1938 – 1966
920
9,01
32
1957/1958
900-1300
/
34
mit Galberg
Georg
mit Gitter
Worthlah/
Ohlendorf
Konrad
40 Das gesamte Wissen zur Salzgitterer Montangeschichte ist zusammengefasst:
Bergbau in Salzgitter, S. 9-420 (mehrere Einzelartikel, bisherige Literatur).
41 Vgl. ebd., S. 119 ff.
76
5.
Reichswerkegründung
Reichswerke mit
Hochöfen.
Paul Pleiger.
Hermann A. Brassert.
Die Reichswerke von 1937 – 1945
Seit der Mitte der 1930er Jahre forcierte die nationalsozialistische
Führung des Deutschen Reiches das Tempo der deutschen
Kriegsvorbereitung.
Die
deutsche
Großindustrie,
insbesondere die Schwerindustrie, als wichtigster Träger der
Aufrüstung erhielt zunehmend eine instrumentale Funktion,
betriebswirtschaftliche Kriterien spielten demgegenüber nach
dem Willen der Machthaber kaum noch eine Rolle. Hitler
selbst präzisierte im Sommer 1936 die Ziele seiner Politik in
einer Denkschrift: Wehrmacht und Wirtschaft sollten bis
1940 kriegsbereit sein, die Abhängigkeit Deutschlands von der
Rohstoffzufuhr aus dem Ausland schnellstmöglich beendet und
das Reich wirtschaftlich autark gemacht werden, nicht zuletzt
auch im Bereich der Eisenerzversorgung. Erreicht werden
sollte dieses Ziel durch einen auf eine vierjährige Laufzeit
angelegten Wirtschaftsplan, zu dessen Exekutor Hitler am 18.
Oktober 1936 Hermann Göring berief. Vor allem Paul Pleiger,
ein 1936 noch weitgehend unbekannter, aus dem Rheinland
stammender Fabrikant, von Göring dennoch in dem zur
Vierjahresplanbehörde gehörenden Amte für deutsche Rohund Werkstoffe zum Leiter des Hauptreferates Metalle berufen,
war überzeugt, dass bei der angestrebten Rohstoffautarkie
im Erzbereich das seit den 1920er Jahren in seinem
gewaltigen Umfang bekannte Salzgitterer Erzvorkommen von
entscheidender volkswirtschaftlicher Bedeutung werden könnte.
Pleiger wollte für die im Jahre 1919 verloren gegangene Minette
ein neues Lothringen, ein neues Zentrum der Schwerindustrie
zur Versorgung des mitteldeutschen Raumes schaffen.
Mit dem Wissen, dass es dem bekannten amerikanischen
Hüttenbauer Hermann A. Brassert in Corby in Mittelengland
gelungen war, ein Hochofenwerk zu erstellen, das erfolgreich
saure Erze verhüttete, konnte Pleiger Hermann Göring für
das Salzgitterprojekt gewinnen, was in Pleigers Vorstellungen
nur von einer Reichsgesellschaft verwirklicht werden konnte.
Die Gründung des Staatsbetriebes erfolgte am 15. Juli 1937 in
Salzgitter42. Mit Brassert wurde über den Bau des Hüttenwerkes
42 Zur Entstehung der Reichswerke gibt es inzwischen eine recht umfangreiche
Literatur. Als Einstieg in die Problematik mit mehreren Einzelartikeln siehe:
Benz (Hg.), Salzgitter. Geschichte und Gegenwart einer deutschen Stadt.
77
Erster Abstich 1939
Modell der Reichswerke.
Kriegsende 1945
ein Vertrag geschlossen, dessen Realisierung sofort danach von
120 Ingenieure begonnen wurde. Am 7. November 1937 legte
Göring den Standort des Hüttenwerkes zwischen Hallendorf,
Watenstedt und Bleckenstedt fest. Das in vier Ausbaustufen
mit jeweils acht Hochöfen geplante Hochofenwerk wurde mit
einer Kokerei, einem Walzwerk und Stahlwerk und weiteren
Nebenbetrieben erbaut. Im Oktober 1939 erfolgte der erste
Abstich. Im Jahre 1945/1946 sollte das Werk fertig sein und
rund 4 Millionen Tonnen Roheisen erzeugen. Obwohl Brassert
mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges Deutschland verließ,
ging der Bau des Hüttenwerkes nun unter Leitung von Pleiger
weiter. Im Mai 1940 konnte das Kraftwerk seinen Betrieb
aufnehmen, im Juni 1940 die Erzbahn und die Kokerei, im
August 1940 das Thomasstahlwerk und im September 1940
das Blockwalzwerk. Im Herbst 1940 konnten der fünfte und
sechste Hochofen angeblasen werden, im Mai 1941 lief das
Siemens-Martinstahlwerk an, im August 1941 arbeitete die erste
Walzstraße, die 575er Fertigungsstraße und im September 1941
das Elektrostahlwerk. Seit Juli 1941 lieferten die Reichswerke
über die Ferngasleitung Gas bis Magdeburg und Berlin.
Nach der Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen im
Jahre 1940 fiel die Minette wieder in die Hände Deutschlands.
Die Reichswerke verloren daher ihre Bedeutung. Erst
bei Kriegsende erfuhren sie wieder einen erheblichen
Bedeutungszuwachs, da die Hütten an der Saar und Ruhr von
den Alliierten immer öfter aus der Luft angegriffen, Anfang
1945 besetzt wurden. Die Reichswerke wurden am 10./11.
April 1945 von Amerikanern eingenommen und stillgelegt, die
Versorgungsbetriebe ausgenommen.
6.
Demontage der
Reichswerke
Die Demontage der Reichswerke
Die Stadt Salzgitter musste in den ersten Jahren nach dem Krieg
enorme Probleme lösen: Sicherung des Bestandes der Stadt,
Erhalt einer Erstausstattung, Auf- und Ausbau der Stadt und der
fehlenden Infrastruktur im Versorgungs-, Verwaltungs-, Sport-,
Kirchen- und Kulturbereich. Entscheidend für die Lösung
aller dieser Probleme war die Sicherung der wirtschaftlichen
Grundlage, die Abwehr der vollkommenen Demontage der
Reichswerke, der Erhalt des Hüttenwerkes, wenn auch in
78
Georg Strickrodt.
Erich Söchtig.
Erich Sewald.
Ende der Demontage
verkleinerter Form. Die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges
hatten keinen Zweifel aufkommen lassen, dass Deutschland
als Verantwortlicher für dessen Auslösung umfangreiche
Entschädigungen zu zahlen hatte. Über den 1945 weitgehend
stillgelegten Reichswerken lag bis 1949 die quälende Ungewissheit,
in welchem Umfang das als Rüstungswerk verrufene und
mit dem Namen Görings zusätzlich belastete Werk von den
Demontagen betroffen sein würde. Selbstverständlich rechnete
man selbst bei den Reichswerken mit dem von den Engländern
eingesetzten Custodian Georg Strickrodt an der Spitze
damit, dass die Firmentochter Stahlwerke Braunschweig, ein
unmittelbar neben der Hütte liegender reiner Rüstungsbetrieb,
aber auch in der Hütte liegende Rüstungsproduktionsstätten,
wie etwa die Aktion 88, demontiert würden. Das Ausmaß der
von den Briten geplanten Demontagen in den Reichswerken
wurde erst im Sommer 1949 klar. Als die „Interalliierte
Reparationskommission“ in Brüssel am 12. August 1949 den
Umfang der Demontagen in Salzgitter bekannt machte und
als die Briten im Februar 1950 mit der Demontage begannen,
formierte sich in der Belegschaft der Hütte unter der Leitung
des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Erich Söchtig und Erich
Sewald, dem Betriebsratsvorsitzenden der Hauptwerkstatt, der
Widerstand, den die Briten mit der Besetzung der Hütte im März
1950 zu brechen suchten. Hinter der Arbeiterschaft der Hütte
standen die gesamte Stadt, die Parteien, die Gewerkschaften, die
Kirchen. Dennoch wurden bis 1951 60 – 90 % der verschiedenen
Hüttenteile abgebaut und ins Ausland (Großbritannien,
Frankreich, Belgien, Jugoslawien, Norwegen, Griechenland,
Indien, Albanien, Tschechoslowakei) abtransportiert. In zähen
Verhandlungen erreichten das Land Niedersachsen mit Hinrich
Wilhelm Kopf an der Spitze und die gerade erst entstandene
Bundesrepublik Deutschland mit Konrad Adenauer an der
Spitze, dass ab Januar 1951 die Zerstörungen eingestellt wurden,
dass ein kleines Hochofenwerk mit zwei, später drei Hochöfen
in Salzgitter bestehen blieb. Die gesamte Bevölkerung der
Stadt Salzgitter und der Region atmeten auf. Mit einem neuen
bürgerlichen Bewusstsein konnten die Menschen daran gehen,
die, ihre Stadt aufzubauen, die 1951 vom niedersächsischen
Innenministerium den Namen Salzgitter bestätigt erhielt und
ein Stadtwappen.
79
Neue Werke in Salzgitter
Bosch.
Die Hütte war und blieb im Zentrum der wirtschaftlichen
Strukturen, obwohl nach 1945 neue und andere Unternehmen
nach Salzgitter kamen, von denen einige aber auch schon wieder
verschwunden sind: Die Oderwerke, FAKA, LHB (Alstom),
Scharfenberg, MAN (Büssing) 1966, VW 1969/1970 (K 70, VW
411, VW 412, Passat), Bosch/Blaupunkt /19601982 u. v. a. m.
Die Firmen in der Stadt bieten Tausenden von Menschen, viele
davon Einpendler, eine gute Arbeit.
LHB.
VW.
80
IV.
Das „Museum für Industrie, Technik, Arbeit
und Mobilität“ (mit einer „Zukunftsabteilung“
– Science Fiktion)
1.
Begriffserklärung von „Technik“, „Arbeit“ und
Mobilität“
a.
Technik
Unter Technik verstehen wir, wie sich der Wandel in der Gesellschaft vollzieht. Dabei bedeutet Technik die Gesamtheit aller vom Menschen geschaffenen Gegenstände, alle Verfahren
und Handlungen, mit denen der Mensch zum Erreichen eines
Zieles diese Gegenstände vorausdenkend entwirft, herstellt
und anwendet. Die Technikgeschichte ist ein Teilgebiet der Geschichtswissenschaften und befasst sich mit der historischen
Entwicklung von Methoden zur praktischen Anwendung unterschiedlicher Naturwissenschaften und Technologien. Gegenstand der Untersuchungen sind einzelne Entwicklungsstränge
der Technik, wie z. B. die Dampfmaschine, die Mobilitätstechniken u.a., der Einfluss auf die Industrialisierung sowie die Beschreibung der Biografien der Persönlichkeiten, die mit ihr zu
nennen sind – in diesen konkreten Fällen die Miterfinder, Vermarkter und Anwender.
Weiterhin untersucht die Technikgeschichte sie als Technikfolgenabschätzung die Wechselwirkung zwischen technischem
Fortschritt und der Geschichte sozialer Prozesse. Ihre Relevanz erhält die Technikgeschichte aus der technischen Prägung
unserer Kultur. Ihr Ziel ist die Analyse kultureller und gesellschaftlicher Voraussetzungen, Bedingungen und Folgen von
Technik. Dabei beschäftigt sich die Technikgeschichte mit der
materiellen Kultur und nimmt daher, stärker als andere historische Disziplinen, auch Objekte in den Blick. Sie untersucht
und stellt dar die Entstehung, Entwicklung und Durchsetzung
von vom Menschen hergestellten Gegenständen und komplexen
Sachsystemen. Technikhistorisches Wissen stellt somit einen
zentralen Beitrag zur Orientierung in unserer von Technik geprägten Gegenwart dar. Technischer Fortschritt war ein wichtiger Schrittmacher für die Entwicklung unserer Zivilisation.
Eine Gesellschaft gilt als fortgeschrittener, je mehr Wissen sie
81
besitzt. Zu dieser Wissensvermittlung soll unser Technikmuseum beitragen.
b.
Arbeit
Jede Epoche der menschlichen Geschichte hat ihre zum erstrebenswerten Ideal erhobene Vorstellung vom Menschsein und
von der Arbeit und den Arbeitenden. Die antiken griechischrömischen Gesellschaften verachteten die Arbeit und die Arbeitenden und sahen in den Müßiggängern, in den Notabeln,
ihre Vorbilder, ihr erstrebenswertes Ideal. Platon (427 – 347
v. Chr.) beschrieb den idealen Staat als eine „Gemeinschaft, in
dem die Bürger sich von der Feldarbeit der Bauern und Sklaven
ernähren konnten“. Und wenn Notabeln doch einmal arbeiteten – was nach Platon durchaus vorkommen konnte -, dann
geschah es aus Liebe zum Geld, aus Habgier. Die Römer haben
diese Einstellung zur Arbeit und zu den Arbeitenden übernommen. Seneca und Cicero verachteten die Arbeit, die eines freien
Mannes unwürdig sei. Mit der Abwertung der Arbeit war eine
Verachtung aller Arbeitenden verbunden, der Plebejer verstünde nicht, ein Gemeinwesen zu führen. Doch das Heer der
Entrechteten und Armen, der arbeitenden Plebejer, wurde im
römischen Reich immer größer und begann, Forderungen zu
stellen, sodass die römischen Herrscher bemüht sein mussten,
mit „Brot und Spielen“ für deren Wohlergehen und Stillhalten
zu sorgen.
Ein vollkommen neues Menschenbild vermittelte das Christentum. Dessen positive Einstellung zur Arbeit und zu allen arbeitenden Menschen als einem „gottgefälligen Werk“ bedeutete eine
radikale Kritik der antiken römischen Gesellschaft, beschrieb
eine Gegenwelt zum „Müßiggang“, „nutzlosem Spiel“, „dem
Nichtstun“. Doch bot die frühchristliche Theorie durchaus kein
einheitliches Bild: Das Neue Testament empfiehlt in der Bergpredigt, sich ohne irdische Vorsorge ganz der göttlichen Vorsehung anzuvertrauen“ („So jemand nicht will arbeiten, der soll
auch nicht essen.“) Ein Lehrsatz, der bis ins 20. Jahrhundert
hinein von Landesherrn und politischen Regimen (Kommunismus/Stalinismus, Nationalsozialismus) benutzt wurde, um gesellschaftliche „Randgruppen“, missliebige Einzelgänger oder
Regimegegner zu isolieren, auszugrenzen, gar zu vernichten.
82
Die Völkerwanderung und der Untergang des weströmischen
Reiches im Jahre 476 führte zu einer tiefen wirtschaftlichen
Krise in den auf dem Territorium West-Roms entstandenen
germanischen Staaten. Erst mit der Entstehung und Entwicklung des großfränkischen Reiches stabilisierten sich im 7./8.
Jahrhundert die Verhältnisse. Nach dem Zerfall des weströmischen Reiches im 5. Jahrhundert und der Entstehung von
Nachfolgestaaten begann im Deutschen Reich eine beachtliche wirtschaftliche Blüte. Städte und Dörfer entstanden und
blühten auf, technische Neuerungen im Handwerk und neue
Produktionsmethoden in der Landwirtschaft führten zu einer
vollkommen neuen Sicht und Betrachtung der Arbeit und der
verschiedenen Berufsgruppen, was von der Scholastik unterstützt wurde. Der Bußcharakter der Arbeit gewann im Mittelalter große Bedeutung. Arbeit – so Thomas von Aquin – war
ein nützliches Mittel gegen die Unordnung der Triebe sowie
zur Behinderung des Müßiggangs und seiner Folgen. „Ora et
labora“ (= „Bete und arbeite!“) war für diese Einstellung die
denkbar knappste Ausdrucksform. Für jede Arbeit konnte
ein bestimmter Lohn genommen werden, der eine bestimmte,
standesgemäße Lebenshaltung und Position in der Gesellschaft
sicherte. Überschüsse sollten sozial Bedürftigen zukommen,
was ein moralisches Nahverhältnis von Arbeit und Armut ausdrückte. Gewinnstreben war unvereinbar mit dem christlichen
Gewissen, doch wohltätige Stiftungen, wie wir sie überall im
Mittelalter kennen, konnten diese Konfliktsituation aufheben.
Die spürbare Verknappung von Arbeitskräften (Pest 1347-1351
in ganz Europa) führte keineswegs zu einem Goldenen Zeitalter
der Lohnarbeiter, vielmehr wälzten die Fürsten der Territorialstaaten und die städtischen Obrigkeiten die ständig steigenden
Kosten auf die einfachen Schichten ab: Neue Steuern, härtere
Fronlasten und Gewerbebehinderungen waren Ausdruck dieser Entwicklung. Die Lebensbedingungen wurden für die einfachen ländlichen und städtischen Schichten immer schlechter:
Aufstände waren die Folge, wie letztendlich der große Bauernaufstand von 1524/1525, dessen desaströser Ausgang für die
Bauern und die niedrigen städtischen Schichten scheinbar eine
Zementierung der gesellschaftlichen Verhältnisse für fast 300
Jahre in Deutschland brachte. Doch dieses Bild täuscht.
Mit dem Beginn der Neuzeit um 1500, mit der Renaissance,
83
trat ein ganz anderer Typ Mensch auf die geschichtliche Bühne. Er war geprägt von sittlicher Freiheit, von hoher Bildung
und sozialem Verantwortungsbewusstsein. Die von der Kirche
geprägte Auffassung von der Arbeit wurde durch die antirömische Reformation und die antikirchliche Aufklärung grundlegend geändert, ein neues Lebensideal, eine protestantische
Ethik entstand, die Voraussetzung für die Entstehung moderner kapitalistischer Erwerbsgesellschaften war und die von
allen gesellschaftlichen Gruppen der Staaten getragen wurde:
vom Adel, vom Bürgertum und von der Bauernschaft, wobei
die staatlich-politische Macht bis ins 19. Jahrhundert hinein
zumeist von den adeligen Notabeln ausgeübt wurde. Adelssippen oder fürstliche Dynasten mussten sogar eine besonders arbeitsame Einstellung entwickeln, wenn sie das „Erbe und das
Eigen“ der Vorfahren sichern oder vermehren wollten. Der
Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) hat diese Anforderung so ausgedrückt: „Parol auf dieser Welt ist nichts als
Mühe und Arbeit, und wo man nit selb er die Nase in allen Dreck
stecket, so gehen die Sachen nit.“
Von allen Bürgern – und bis ins 18. Jahrhundert war die Entwicklung vom Untertanen zum Bürger abgeschlossen – verlangte die protestantischen Ethik die Führung eines gottgefälligen, einfachen, schlichten und arbeitsamen Lebens. Die Arbeit
wurde – so Max Weber in seinem epochalen Werk zur „Protestantischen Ethik“ – für alle zum reinen Selbstzweck. So konnte
Kapital angehäuft, die Grundlage für wirtschaftliche Entwicklung einer neuen, kapitalistischen Gesellschaft gelegt werden.
Die protestantischen Staaten Nord-Deutschlands, Nord-Europas und Nord-Amerikas wurden Motoren dieser neuen gesellschaftlichen Entwicklung. Im Jahre 1800 zeichnete Friedrich
Schiller (1759-1805) vom Bürgertum in den Städten, von den
Handwerkern und Kaufleuten ein überaus positives Bild, deren
Arbeit eine gewinnbringende „Zierde“ sei. Sein Wohlstand sei
– so Schiller weiter – erarbeitet, im Bergbau, im Hüttenwesen,
in den Manufakturen.
Im 19. Jahrhundert brach sich auch in Deutschland ein neues Zeitalter Bahn. Die gesellschaftliche Reichtumsproduktion nahm unvorstellbare Ausmaße an. Die Landwirtschaft
wurde von ihren alten feudalen Fesseln befreit, immer mehr
Manufakturen und Fabriken entstanden, Eisenbahnstrecken
84
erschlossen das gesamte Land verkehrsmäßig, der Warenverkehr nahm erheblich zu. Die Industrialisierung Deutschlands
wurde begleitet von bedrückenden sozialen Verhältnissen in
den schnell wachsenden Städten. Die Arbeiter – die neue Klasse – schufteten 14-16 Stunden am Tag, die Löhne waren ausgesprochen gering, oftmals mussten die Kinder und Frauen mitarbeiten, eine Renten- und Krankenversicherung gab es nicht.
Die Wohnverhältnisse waren erbärmlich, die Arbeiter hausten
mit ihren Familien in Baracken, in Hinterhofslums und Elendsvierteln. „Man kann einen Menschen mit der Wohnung genauso
erschlagen wie mit der Axt“, schrieb Heinrich Zille (1858-1929),
der künstlerische Dokumentar des bedrückenden Berliner Arbeitsmilieus. Und das Bürgertum verschloss die Augen vor dem
Elend. „Arbeit adelt“ oder „Jeder ist seines Glückes Schmied“
wurde – halb entschuldigend – von denen gefaselt, die nicht am
Webstuhl saßen, in Bergwerken und in Eisenhütten schufteten,
bei Wind und Wetter auf den Feldern die oftmals karge Ernte
einbrachten.
Karl Marx (1818-1883) und sein politischer Mitstreiter, der Fabrikant Friedrich Engels (1820-1895), haben diese Form der
Arbeits- und Erwerbsgesellschaft einer schonungslosen Kritik
unterzogen. Die Industrialisierung habe die Arbeit als Sinnganzes aufgehoben. Die Arbeiterschaft, eine neue, ständig größer
werdende Klasse, werde – so die Hoffnung von Marx und seinen kommunistischen Mitstreitern – als Subjekt der Geschichte in einem revolutionären Akt die ausbeuterischen Strukturen
verändern, um danach ein neues Stadium der Menschheitsgeschichte einzuleiten, in dem alle sozialen Probleme gelöst seien.
Jeder sollte nach seinen Bedürfnissen leben und danach arbeiten. Doch die proletarische Revolution ließ auf sich warten.
Andere politische Kräfte setzten daher auf einen evolutionären
Weg der Verbesserung der Industriegesellschaft, um die soziale
Frage auf friedliche Weise zu lösen. Als organisatorische Mittel diente dieser Bewegung der 1863 von Ferdinand Lassalle
(1825-1864) gegründete „Allgemeine Deutsche Arbeiterverein“,
aus dem 1890 die Sozialdemokratische Partei Deutschlands
(SPD) als politisch-parlamentarisches Instrument der Arbeiterbewegung hervorging. Das Sozialistengesetz, 1878 von
Reichskanzler Bismarck verabschiedet, konnte den durch die
Industrialisierung verursachten Riss durch die Gesellschaft
85
nicht beseitigen. Bismarck versuchte, durch Sozialprogramme die Arbeiter aus dem Bannkreis der Sozialdemokratie zu
reißen: So wurde 1883 eine Kranken-, 1884 eine Unfall- und
1889 eine Alters- und Invaliditätsversicherung eingeführt. Zuckerbrot und Peitsche, Sozialpolitik und Sozialistengesetz, der
Staat als „fürstliche Versicherungsanstalt gegen Demokratie“.
Doch die Sozialdemokratie war damit nicht aufzuhalten. Im
Erfurter Programm von 1891 wurde unter August Bebel (18401913) der Wert der Arbeit als „Quelle aller Kultur“ beschrieben, die bereits erkämpften sozialen Verbesserungen allerdings
kaum anerkannt. Arbeit wurde zum Inbegriff einer gerechten
Lebenskultur – ähnlich wie in der christlichen Soziallehre.
Viele soziale und politische Ziele konnte die Sozialdemokratie
erst nach dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) verwirklichen,
doch gelang es ihr und den anderen demokratischen Parteien
und Gewerkschaften der Weimarer Zeit nicht, den demokratischen Grundbestand der ersten deutschen Demokratie von
1919 bis 1933 so zu stabilisieren, dass die Weimarer Republik nicht vom Rechts- und Linksradikalismus zerstört werden
konnte. Die 1933 unter Hitler an die Macht gelangte NSDAP
propagierte die Aufhebung des Gegensatzes von Kapital und
Arbeit. Die Arbeiter, die Handwerker und die Bauern wurden
vom Nazi-Regime hofiert, der 1. Mai sogar als „Tag der Arbeit“
zum Ehrentag der Arbeitenden gemacht. Doch hinter der Fassade sah es anders aus. Die Arbeiterschaft wurde weitgehend
entmündigt, viele ihrer hart erkämpften Rechte wurden aufgehoben, ihre Parteien, Organisationen, Gewerkschaften, Betriebsräte und Vereine verboten. Das Streikrecht, die Tarifautonomie, freie Arbeitsplatzwahl wurden untersagt, sogar eine
Arbeitspflicht (Zwangsarbeit) eingeführt. Arbeiter, Angestellte
und Unternehmer wurden in „Arbeiter der Faust“ und „Arbeiter der Stirn“ unterteilt. Ansonsten gehörten sie alle der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft an. Wer sich gegen das
Regime stellte, Widerstand leistete, musste mit Repressalien
für sich und seine Familie rechnen, wurde oftmals verhaftet
und eingesperrt und musste in KZs Sklavenarbeit leisten, wobei die Opfer am Eingang der KZs mit dem sie verhöhnenden
Satz „Arbeit macht frei“ empfangen wurden.
Im Jahre 1945 lagen Deutschland und große Teile Europas in
Schutt und Asche, Ergebnis von zwölf Jahren nationalsozialis86
tischer Politik. Ein neues, demokratisches Deutschland sollte
nun aufgebaut werden, allerdings vorerst nur in der westlichen
Hälfte. Vor allem die Vertreter der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie rieten im Parlamentarischen Rat 1948 entschieden davon ab, das „Recht auf Arbeit“ ins Grundgesetz von 1949
aufzunehmen (in einigen Bundesländern ist dieses Recht enthalten). Dieses einklagbare Grundrecht hätte – so die Gegner
– alle Beschäftigten zu einer Art Staatsdiener gemacht, was das
Grundrecht auf Streik gefährdet hätte. Als Ausgleich wurde
das Sozialstaatsgebot erheblich gestärkt, was die Länder- und
Bundesregierungen zwingen sollte, auf eine Vollbeschäftigung
hinzuwirken, ohne in die freie Wahl des Arbeitsplatzes oder die
Niederlassungsfreiheit für Gewerbe und Unternehmen einzugreifen. Einen vollkommen anderen Weg ging man in der DDR,
in deren Verfassung wurde eine Arbeitspflicht festgeschrieben.
Menschen, die dieser Pflicht nicht nachkommen wollten, konnten so kriminalisiert werden.
In den ersten beiden Jahrzehnten nach dem Ende des Zweiten
Weltkrieges entwickelte sich die bundesrepublikanische Gesellschaft und Wirtschaft mit einer unglaublichen Dynamik, man
sprach vom „Wirtschaftswunderland“ und Ludwig Erhards Versprechen „Wohlstand für alle“ schien Wirklichkeit zu werden.
Als am 4. April 1949 in Salzgitter der erste Hochofen wieder
angeblasen wurde, ließ der Konzern, der zu diesem Zeitpunkt
noch Reichswerke hieß, eine gusseiserne Platte gießen, auf der
stand: „Leben heißt Arbeiten.“ Der „VW-Käfer“ und „Neckermann machts möglich“ waren Symbole bzw. Schlagworte der
Zeit. Der Wohlstand stieg. „Vati gehört am Samstag der Familie“, so der Kampf der Gewerkschaften und Betriebsräte um
Arbeitszeitreduzierungen und einen Anteil der Arbeiternehmer
vom Wohlstandskuchen. Seit Ende der 1960er Jahre bestimmten andere Parolen die härter gewordene Realität: Strukturkrise, Ölkrise, Umweltkrise, Finanzkrise und letztlich steigende
Arbeitslosigkeit – der Industriegesellschaft ging die (bezahlbare) Arbeit aus. Umbaukonzepte der Arbeitsgesellschaft wurden
und werden entwickelt und verworfen und wieder neue aufgestellt. Das Ziel ist stets eine auf mehr Eigenverantwortung der
Bürger setzende Gesellschaft, in der wirtschaftliche Dynamik
und soziale Gerechtigkeit im Gleichgewicht bleiben.
87
c.
Mobilität
Der Begriff Mobilität ist – so bemerkt der Masterplan richtig
– „ungeheuer mobil“ (Masterplan, S. 12). Jede Zeit interpretiert Mobilität anders. Heute wird unter Mobilität der Wunsch,
die Möglichkeit verstanden, dass Menschen zu jeder Zeit ohne
große Probleme an jeden Ort der Erde gelangen können. Dies
geschieht und dies ist auch Ausdruck individueller Freiheit zumeist mit dem PKW. Dies war nicht immer so. Über Jahrhunderte waren die Menschen ungemein bodenständig, nur einige
Postlinien verbanden die Regionen. Mit einfachen Kutschen,
Karren oder Fuhrwerken wurden Menschen und Waren transportiert. Schon im Mittelalter wurden Wege gesucht, eine größere Mobilität zu erreichen, so wird Leonardo da Vinci (14521519) die Entwicklung eines Zweirades zugeschrieben, auch
ein Automobil entwickelte er. Doch ist sehr umstritten, ob die
Erfindung des Fahrrades tatsächlich auf das große italienische
Universalgenie zurückgeht. Erst über 300 Jahre später, im Jahre 1817, entwickelte der badische Forstmeister Karl Friedrich
Drais seine Draisine. Auch in Salder soll es einen Klempnermeister Warnecke (?) gegeben haben – so jedenfalls die Pfarrchronik von Pastor Münster -, der ein fahrradähnliches Gefährt entwickelt haben soll.
Anfangs war das Fahrradfahren vor allem ein Vergnügen der
wohlhabenden Stände, doch mit Beginn des 20. Jahrhunderts
wurde es zum Fortbewegungsmittel des kleinen Mannes. In vielen Orten entstanden Fahrradvereine, so in Beddingen und Gitter. Die Bedeutung des Fahrrads nahm nach der Entwicklung/
Einsatz des Motorrads/Mopeds, des PKWs, von Omnibussen,
Straßenbahnen im 20. Jahrhundert ab. Doch hat es immer wieder Zeiten gegeben, in denen die Bedeutung des Fahrrads wieder stieg, so im Zweiten Weltkrieg, in der Nachkriegszeit, im
Rahmen der Fitness-Bewegung, eines neuen Umweltbewusstseins seit den 1980er Jahren.
Mobilität war aber keine rein technische Angelegenheit. Das
gesamte 19. und 20. Jahrhundert waren geprägt von einer
enorm großen Binnen- und Außenmobilität der Menschen.
Innerhalb des Raumes zwischen Harz und Heide fuhren die
durch die großen Landwirtschaftsreformen seit 1834 frei gewordenen Arbeitskräfte zur Arbeit in die umliegenden Städte,
88
wie Braunschweig, Hildesheim, Goslar, Wolfenbüttel, Salzgitter. Da bald schon Arbeitskräfte fehlten, wurden Saisonarbeitskräfte ins Vorharzland geholt, so z. B. aus dem Großherzogtum
Posen („Polenkasernen“ entstanden, so in Salder). Es fand aber
auch eine große Wanderbewegung aus dem Herzogtum Braunschweig statt, im deutschen Sprachraum nach Preußen, darüber hinaus als Wanderarbeiter in mehreren Ländern. Weiterhin
wanderten sehr viele Menschen aus, in die USA, nach Brasilien,
Australien, Russland u.a. Mit der zunehmenden Industrialisierung erfolgte ein immer stärkerer Bevölkerungsaustausch.
Die Bevölkerungswanderungen nahmen im 20. Jahrhundert
noch größere Formen an. Am tiefgreifendsten war im 20. Jahrhundert die Gründung des KdF-Werkes (VW) und der Reichswerke (Salzgitter AG), die innerhalb kürzester Zeit Tausende
von Menschen in die Region zwischen Harz und Heide brachten. Nachdem das System des Dritten Reiches im April/Mai
1945 zusammen gebrochen war, verließen wieder Tausende die
Region. Nun kamen in mehreren Wellen neue Bevölkerungsgruppen in die Region: Flüchtlinge und Vertriebene aus den
deutschen Ostgebieten, DDR-Flüchtlinge, Gastarbeiter (aus
Italien, Jugoslawien, Spanien, Portugal, Türkei u.a.), Spätaussiedler (Sowjetunion und deren Nachfolgestaaten wie Russland,
Ukraine, Weißrussland, aus Rumänien, Ungarn, Polen usw.).
Seit dem 19. Jahrhundert bewirkten die wirtschaftlichen Veränderungen, die Industrialisierung des nördlichen Vorharzlandes
einen ständigen Wanderungsprozess. Die wirtschaftlichen Veränderungen, das Schließen von Werken (Bergbau in Salzgitter)
oder das Neueröffnen von Werken (VW in Salzgitter, Bosch,
Scargill u.a.) führten zu einem beachtlich großen Zuwachs an
Menschen, an Arbeitern, wobei die neuerbauten Siedlungen für
Arbeiter oder Führungskräfte die Ortbilder vollkommen veränderten. Hinzu kommen andere Faktoren, die die Mobilität
der Menschen beeinflussten, so z. B. der Konkurrenzkampf der
Städte um Einwohner, die zeitlichen Vorlieben der Menschen
für bestimmte Wohngegenden, die Vorgaben der Politik (Kilometergeld für die Fahrt zur Arbeit, die Zumutbarkeit für Arbeitslose für die Anfahrt zum Arbeitsplatz usw.).
89
V.
Die museale Umsetzung
1.
Feingliederung
Unterteilt werden sollte das „MITAM“ in drei Teile:
-
-
-
die Landwirtschaft,
das Handwerk und
die Industrie, Technik, Arbeit und Mobilität.
In unserem Technikmuseum soll auch die Landwirtschaft und
das Handwerk dargestellt werden, allerdings nur die Bereiche,
die für die Industrialisierung, für die Entstehung von Fabriken
von grundlegender Bedeutung waren. So ist die Entstehung der
Nahrungsmittelindustrie ohne die Landwirtschaft nicht denkbar, das Handwerk bildete die Grundlage für die Entstehung
von Manufakturen und Fabriken. Die Grundlage der Präsentation dieser Abteilungen soll das bereits vorhandene und zu
einem Teil bereits präsentierte Sammlungsgut aus Salzgitter,
seiner Umgebung und darüber hinaus sein. Schon im ersten
Schritt sollte für bestimmte Präsentationen über das engere
Stadtgebiet von Salzgitter hinausgegriffen werden (Verkehrswirtschaft, Lebensmittelindustrie u. a.), danach im Laufe der
nächsten Jahre Schritt für Schritt vorhandene Lücken für die
gesamte Region geschlossen werden. Neben der Einwerbung
von technischen Sachzeugnissen muss parallel dazu eine Dokumentation (Fotos, Plänen, Akten u.a.) aufgebaut werden (so befindet sich z. B. das Archiv der Büssingwerke mit rund 140.000
Konstruktionsplänen (der Bestand ist offenbar noch größer)
bereits in Schloß Salder, das gesamte Fotoarchiv der SMAG
mit 70.000 Glasplatten konnte gesichert werden, rund 100 Meter Akten der Zuckerindustrie wurden gerettet u.v.a.m.).
90
2.
Die museale Darstellung
a.
Die Landwirtschaft und das ländliche Leben
Allgemeines
Die Landwirtschaft im Salzgittergebiet/Salzgitter ist genau wie
die der Region zwischen Harz und Heide im 19./20. Jahrhundert von einem permanenten Rationalisierungsdruck geprägt
worden. Die Zahl der Voll-Höfe ist auf etwa 5-6 % von vor 100
Jahren gefallen. Immer weniger Personen (heute: 1 Person =
100 - 150 Hektar) bewirtschaften mit moderner Technik immer
größere Flächen, auf denen in der gesamten Region heute vor
allem Zuckerrüben, Getreide und Gemüse (dies immer weniger) angebaut werden. Dieser Wandlungsprozess in der Landwirtschaft und auf dem Dorf kommt einer stillen Revolution
gleich. Die Abteilung „Die Landwirtschaft und das ländliche
Leben“ soll beispielhaft diesen für Salzgitter und die gesamte
Region typischen Wandlungsprozess auf rund 700 m² Ausstellungsfläche im sog. Schafstall vorstellen. Unbedingt müssen für
diese Präsentation der gesamte Schafstall winterfest gemacht,
die Türen und das Dach abgedichtet, die Ausstellungsräume
beheizbar gemacht werden.
Der Ausstellungsinhalt
Die Entwicklung der Landwirtschaft soll - wie schon jetzt - im
linken Bereich des Schafstalls präsentiert werden. Es kann jedoch nicht die ganze Breite der Landwirtschaftsgeschichte gezeigt werden, vielmehr sollen die Bereiche der Landwirtschaft
vorgestellt werden, die für die Industrialisierung des nördlichen Harzvorlandes von Bedeutung waren: Gemüse-, Zuckerrüben-, Kartoffel-, Gerste- und Flachsanbau. Nach einem kurzen Vorspann der Entwicklung bis zum Jahr 1900 (was wurde
wie im 18. und 19. Jahrhundert in der Region angebaut und
gezüchtet), werden anhand von Objekten die einschneidenden technischen Veränderungen im 19. Jahrhundert beschrieben. Die Maschinen, Düngemittel, Pflanzenschutzmittel, neue
Zuchtsorten hielten Einzug in der Landwirtschaft. Die diversen
Anbautechniken, der Umfang der Produktion wird präsentiert.
91
Dafür stehen ausreichend landwirtschaftliches Gerät, Bilder,
Quellen zur Verfügung. Die mit einem Furchenöffner versehene Sämaschine wurde um 1800 in England erfunden (Sämaschinen sind im Museum vorhanden), der erste Mähdrescher,
eine Kombination aus Mäh- und Dreschmaschine, wurde 1818
in der USA entwickelt (mehrere Mähdrescher sind im Museum
vorhanden). Obwohl in der USA schon 1889 der erste Traktor
entwickelt wurde, in Deutschland hat Lanz erst 1921 den ersten
modernen Traktor auf den Markt gebracht (mehrere Traktoren, allerdings erst jüngeren Datum sind im Museum vorhanden: Lanz, Hanomag u.a.).
Die landwirtschaftliche Arbeit war eine von der Natur, von
den Jahreszeiten abhängige Arbeit. Um die ganze Breite der
landwirtschaftlichen Arbeit auf dem Feld und auf dem Hof zu
zeigen, soll ein abgebautes Fachwerkhaus im Schafstall aufgerichtet werden. Darin soll der Alltag und die Arbeit auf dem
Hof gezeigt werden. Auf den nachgestellten Ackerflächen werden die Kulturpflanzen nachgestellt, die für die Entwicklung
der Nahrungsmittelindustrie im Braunschweigischen Land von
entscheidender Bedeutung waren. Folgende Fragen sollen behandelt werden:
-
-
-
-
Wer besaß welches Land?
Was wurde wie angepflanzt?
Wie war die rechtliche Stellung der Bauern?
Wie sah der Viehbestand auf den Höfen aus?
Folgende Objekte/Objektgruppen sollen die alltägliche ländliche Arbeit vor Einführung maschineller Hilfsmittel darstellen:
-
-
-
-
Pflüge und Eggen,
Windfegen,
Gerätschaften zur Verarbeitung von Obst und Gemüse
und
Schrot- u. andere Mühlen.
Anhand des Vorganges des Dreschens soll zukünftig beispielhaft auch der Einzug der Technik in die Landwirtschaft aufgezeigt werden. Vom Handdrusch über den Dreschkasten mit
Dampfantrieb (Lokomobile), später mit Elektroantrieb (mobi92
ler Stromgenerator) bis hin zum sog. „Selbstfahrer“ wird ein
Verarbeitungsvorgang von 1900 bis 2000 begleitet.
Objekte für den Bereich „Technisierung der Landwirtschaft“:
-
-
-
-
-
Dreschflegel,
Dreschkasten mit Lokomobile,
Dreschkasten mit intergrierter Strohpresse,
angetrieben vom Elektromotor,
„Selbstfahrer“ und
Foto- und Prospektmaterial mit dem Thema:
Wie wurde der Arbeitsalltag mit diesen technischen Neuerungen dargestellt, wie sah er tatsächlich aus? Das Leben auf dem
Lande wird - sofern es nicht die Arbeit auf dem Felde betrifft
- im rechten Teil des Ausstellungsgebäudes präsentiert werden.
Auch hier kann nur beispielhaft gearbeitet werden (ein Museumsdorf würde sicherlich sehr viel mehr Möglichkeiten bieten). Geplant ist im Schafstall die Rekonstruktion eines Hauses.
Neben dem Wohnbereich soll beispielsweise auch der Arbeitsbereich der Landfrauen dargestellt werden. Wie haben diese
Leute gelebt und gearbeitet. Dies wird anhand von zahlreichen
Objekten und Text/Bildtafeln erläutert werden.
Objektgruppen
-
-
-
Küche mit Herd, Milchverarbeitung (Butterfaß) und
Küchenmobiliar.
Kammer mit Wäschemangel, Waschmaschine und
Bügeleisen.
Wohn-/Schlafbereich mit Bauernbett mit Schrank und
Waschtisch.
Die für diesen Teil der Präsentation notwendigen Objekte lagern derzeit in den Depots des Schlosses.
Das ländliche Leben spielte sich neben der Arbeit nicht nur im
privaten Bereich ab. Dörfliche Vereine spielten als Kommunikationsebene eine wesentliche Rolle. Man traf sich im Verein,
um auch über andere Themen sprechen zu können. Der Zusam93
menhalt im Dorf wurde durch die Mitgliedschaft in den Vereinen gefördert und gefestigt. Letztlich wurde erwartet, dass
der Bauer/Landarbeiter in bestimmte Vereine eintrat, um seine
Verbundenheit mit der Dorfgemeinschaft zu manifestieren. Die
Geschichte der Vereine wird beispielhaft dargestellt werden.
Hierzu gehört letztlich auch eine Darstellung der Entwicklung
der Freiwilligen Feuerwehr in dieser Region.
Objektgruppen
-
-
-
historische Löschfahrzeuge und -gerätschaften,
Fahnen, Urkunden und Pokale und
historisches Fotomaterial.
Objektgruppen (musealer Art)
-
-
-
-
-
b.
Fahnenschrank mit Vereinsfahne,
Kachelofen,
historischer Geldspielautomat,
Getränkewerbung und
historische Biergläser.
Das Handwerk
Allgemeine Entwicklung
Im Herzogtum Braunschweig und auch im Salzgittergebiet galt
bis Anfang des 19. Jahrhunderts im Handwerk die traditionelle gewerbliche Selbstverwaltung durch die Zünfte. Die Zunftverfassung fand mit der Eingliederung der preußischen und
braunschweigischen Gemeinden in das Königreich Westfalen
zunächst ein Ende. Mit Wirkung vom 1. Januar 1809 wurden
die Zünfte aufgehoben und die Niederlassungsfreiheit eingeführt. Wer ein Gewerbe betreiben wollte, musste nur noch ein
sogenanntes Patent, gegen Entrichtung einer Patentsteuer, eine
Art Gewerbesteuer, erwerben. Diese Verordnung berechtigte
die Patentinhaber auch, überall im Königreich Westfalen tätig
zu sein. Auch konnte jeder, sofern er die Patente löste, mehrere Gewerbe gleichzeitig betreiben. Dieses freie Niederlassungsrecht betraf auch die Juden im Königreich Westfalen.
94
Handwerke
Gewerbefreiheit
Handwerk und Frauen
Das Patentsteuergesetz wurde allerdings sofort nach dem Ende
der französischen Herrschaft wieder außer Kraft gesetzt und
die Zünfte wiederhergestellt. Die alten Privilegien und Gildebriefe mussten aber einer Revision unterzogen werden, und
die in der französischen Zeit patentierten Handwerker durften
nach Maßgabe ihres zuletzt erhaltenen Patentes weiterarbeiten.
Den Meistern vom Lande war es auch erlaubt, Gesellen und
Lehrburschen zu halten. Generell wurde aber wieder bestimmt,
dass das Handwerk und der Handel zur städtischen Nahrung
gehörten und außer den patentierten Meistern auf dem Lande
nur Grob-, Huf- und Nagelschmiede sowie Rademacher, Dachdecker, Schwarzbrotbäcker, Schuhmacher, Schneider, Tischler
und Weber geduldet wurden; weiter durfte auf dem Lande nur
Hokenhandel mit den für den Landmann unentbehrlichen Waren getrieben werden.
Die kurze Zeit der Gewerbefreiheit hatte für das Handwerk dennoch langfristige Folgen, da den sogenannten Konzessionierten
ausdrücklich die Fortführung ihrer Gewerbe auf Lebenszeit
zugesichert worden war. Vielerorts waren, einhergehend mit
der Zunahme der Bevölkerung, in einzelnen Bereichen zu viele
Handwerker tätig, was die Verdienste schmälerte. Die Landhandwerker rekrutierten sich überwiegend aus den unteren
bäuerlichen Schichten.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Gewerbefreiheit eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit, vor allem
um große regionale Uneinheitlichkeiten zu beseitigen. Die
Liste der Handwerkszweige, die sich auf dem Lande niederlassen durften, wurde erweitert, und die Landmeister durften
sich den städtischen Gilden ihrer Gewerbe anschließen; es war
ihnen nur nicht erlaubt, in den Städten zu arbeiten. Eine Gewerbeordnung auf der Grundlage der Gewerbefreiheit galt ab
1869 für das Gebiet des Norddeutschen Bundes und ab 1871
im Deutschen Reich. Mit der zunehmenden Industrialisierung
ergaben sich Aufgabenverschiebungen von der Produktion zur
Reparatur für bestimmte Bereiche des Landhandwerks, zum
Beispiel ging den Stellmachern die Neuwagenproduktion fast
ganz verloren. Einige Handwerkszweige litten unter der Konkurrenz der „Fabrikwaren“.
Im Verlauf des Ersten Weltkrieges wurden auch viele Handwerker eingezogen. Vielfach hielten Frauen und ältere Gesellen
95
Handwerk im Dritten
Reich
die Gewerbebetriebe aufrecht, deren Existenz in den Kriegsund ersten Nachkriegsjahren von den Schwierigkeiten bei der
Rohstoffversorgung, der staatlichen Preiskontrolle und Abwanderungen, vor allem von Hilfskräften in die Industrie, bedroht
waren. Von der Stabilisierung der Wirtschaft ab 1924 profitierten auch die Handwerksbetriebe. Gegen die mit der Weltwirtschaftskrise immer rascher um sich greifende Arbeitslosigkeit
bot die Selbständigkeit zunächst einen gewissen Schutz. Im
Verlaufe der Krise gingen jedoch Umsätze und Gewinne drastisch zurück.
Viele Handwerker erhofften sich von der NSDAP eine Besserung ihrer sozialen Lage. Nach der Machtübernahme durch
die Nationalsozialisten im Jahre 1933, wurden auch die handwerklichen Organisationen gleichgeschaltet. Doch die schwierige Lage der Betriebe, auch im Hinblick auf die Kreditsituation, hielt an. Die staatlichen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
kamen in erster Linie dem Baugewerbe und den Metallhandwerkern zu gute. Andere staatliche Förderprogramme erfüllten vielfach die in sie gesetzten Hoffnungen nicht, zum Beispiel
zeigten sich Tischler und Polsterer enttäuscht, dass die eingeführten Ehestandsdarlehen nicht die erhoffte Wirkung hatten.
Dagegen traf die Zurückdrängung der öffentlichen Regiebetriebe und der Schwarzarbeit auf ungeteilte Zustimmung.
Der vorausgesagte „Untergang“ des Handwerks ist weder im
19. und auch nicht im 20. Jahrhundert erfolgt. Die moderne
und sehr effektive Industrieproduktion hat für das Handwerk
genügend Raum für sein Fortbestehen gelassen. Allerdings sind
bestimmte Handwerkszweige im Laufe der Jahre vollkommen
verschwunden, andere sind entstanden, so z. B. der gesamte Dienstleistungsbereich im Rahmen der Motorisierung, der
Dienstleistungsbereich im Bereich der Haushaltstechnik u.s.w.
Die Darstellung:
Neben der Darstellung der allgemeinen Entwicklung des Handwerks in den ehemals selbständigen Dörfern der Stadt Salzgitter und der Region, bietet die Objektlage die Möglichkeit,
einzelne Handwerke und ihre Entwicklung zu präsentieren.
Dies soll im Mittelteil des sogenannten Schafstalles erfolgen.
Auf Grund des zur Verfügung stehenden Platzes wird die allge96
meine Entwicklung des Handwerks exemplarisch für die ganze
Region in einer Kube dargestellt werden, sie erfolgt in erster
Linie durch die Präsentation von Flachware (Schautafeln über
die zahlenmäßige Entwicklung der Handwerksbetriebe, Texttafeln, Fotos, Meisterbriefe). In diese Darstellung fließen auch
Informationen über die soziale Lage der Handwerker und über
ihre politische Haltung mit ein. Über einen in dieser Kube stehenden PC sollen Informationen über die im Salzgittergebiet/
Region zwischen 1800 und 1937 vorhandenen Handwerksbetriebe abrufbar sein.
Der Bereich der vorhandenen Einzeldarstellungen (Bäckerei,
Fleischerei, Schmiede, Stellmacherei, Mühle) wird um eine
Schuster- und eine Sattlerwerkstatt erweitert werden. Im Mittelpunkt der Präsentation stehen hier die Produktionsmittel
und die Produktionsabläufe. Im einzelnen ergeben sich aufgrund der Objektlage folgende Darstellungsmöglichkeiten:
Bäckerei: u.a. historischer Backofen, Backofen für Schwarzbrote, Brotknetmaschine, Gebäckmodel, Brotstempel, Brotmarken,
Meisterbriefe, Fotos, Rechnungen.
Fleischerei: u.a. Verkaufstresen, Fleischwölfe, Mollen, Bolzenschussapparat, Wasserkessel, Dosenverschlussmaschine, diverse
Fleischmesser und -gabeln, Fotos, Rechnungen, Meisterbriefe.
Schmiede: u.a. mobile Feldschmiede, Schmiedeesse mit Blasebalg, Amboss, Hämmer, diverse Kleinwerkzeuge, Meisterbriefe,
Fotos, Rechnungen.
Stellmacherei/Tischlerei: u.a. Hobelbank, diverse Hobel, diverse
Sägen, Meisterbriefe, Fotos, Rechnungen.
Schusterwerkstatt: Einrichtung um 1900 inklusive Schusterkugel, Kinder- und Erwachsenenschuhen, manuellen und mechanischen Werkzeugen, u.a. einer Schusternähmaschine, Rechnungen.
Sattlerei: ehemalige Werkstatt des Sattlers und Tapezierers Hermann Meier aus Engelnstedt.
97
Verkaufsladen: Im Übergang vom ländlichen Handwerk zum
Handel ist die Einrichtung eines Kaufmannsladens vorgesehen,
u.a. mit Regalen, Werbeschildern, Bonbondosen und -gläsern,
Waschmittelkartons, Gurkengläsern, Fotos, Geschäftspapieren.
Mühle(n): große und kleine Schrotmühle. Die große Mühle, die
aus einer Mühle über vier Stockwerke abgebaut wurde und mit
der Mühlentechnik der letzten 150 Jahre ausgestattet war (vor
allem mit Geräten der Mühlentechnikfirmen MIAG und SEC),
sollte in einem gläsernen Gebäude mit Stahlkonstruktion aufgebaut werden, voll funktionsfähig gemacht werden. Eine vollständig funktionsfähige Bockwindmühle aus der Zeit um 1800 steht
im Mühlengarten vor dem Schafstall.
Einige andere Handwerke bzw. Gewerbe sollten zukünftig unbedingt noch hinzukommen: eine Töpferei, eine Weberei, eine
Klempnerei, eine Apotheke, eine Post, eine Zahnarzt- bzw.
Arztpraxis und vor allem eine PKW-Motorrad-Reparaturwerkstatt. Im Mittelpunkt der Präsentation stehen hier die Produktionsmittel (Werkzeug und Geräte) und die Produktionsabläufe (bildliche Darstellung). Den Besuchern soll hier auch die
Möglichkeit gegeben werden, sich in der Nische zwischen der
Stellmacherei/Tischlerei und der Schmiede Filme zu Produktionsabläufen im ländlichen Handwerk anzuschauen.
Die Arbeit des Handwerks unterschied sich in hohem Maße
von der Industriearbeit. Es wurden in der Regel „Einzelstücke“
gefertigt. Es war in der Regel Auftragsarbeit. Das Handwerk
verursachte seit dem Mittelalter einerseits die Sesshaftigkeit,
andererseits aber auch die Mobilität. Jeder Handwerksgeselle musste für einige Jahre auf die Wanderschaft (Walz). Dies
führte dazu, dass die Gesellen in andere Länder kamen, andere
Handwerksmethoden kennen lernten. Die Handwerksgesellen
waren auch in unserer Region eine soziale Gruppe, die immer
wieder für gesellschaftlichen Wandel eintrat, große Bewegung
in der Gesellschaft erzeugte.
98
c.
Die Darstellung der industriellen Schwerpunkte im
Braunschweigischen Land und in Salzgitter
Allgemeines
Dieser Teil der Ausstellung benötigt rund 6.000 m² Ausstellungsfläche. Diese Ausstellungsfläche kann nur erreicht werden, wenn ein Hallenneubau erfolgt (Ideen dafür liegen vor).
Die präsentierten Ausstellungsobjekte sollen durch gut lesbare
Schrifttafeln erklärt, in den wirtschaftlich-gesellschaftlichen
Zusammenhang gestellt werden. Anhand von Modellen kann
die einzelne „Maschine“ eingeordnet werden. Doch es sollen
nicht nur Maschine an Maschine oder Fahrzeug an Fahrzeug
gereiht werden, es sollen ganze Produktionsstätten gezeigt werden (z. B. der Kontrast eines Handwerkerarbeitsplatzes mit
einer Fließbandstraße aus der Motorproduktion), durch die
die Veränderung von Arbeit gezeigt werden kann. Wichtig ist
aber auch, welche Ingenieure Maschinen entwickelt haben, wie
der Mensch diese beherrscht hat. Welche Rolle die Industrialisierung auf die Arbeit, auf die Menschen hatte. Kleine Filmsequenzen können „Verständnislücken“ überbrücken.
Darstellungsschwerpunkte
Im „MITAM“ müssen bei der Darstellung der Industriegeschichte folgende Schwerpunkte gesetzt werden, die sich aus
den natürlichen Gegebenheiten, aus der industriell-technischen
Entwicklung, den industriellen Schwerpunkten in der Region
zwischen Harz und Heide und auch in Salzgitter ergeben haben. Folgende Schwerpunkte sind dies:
-
die Salzgewinnung und der Kalibergbau
Seit dem Mittelalter wurde im Herzogtum Braunschweig Salz
in der Saline Schöningen, in der Saline Hedwigsburg und der
Saline Salzliebenhalle gesotten. In Schöningen wurden jährlich
über 30.000 Tonnen Speisesalz gewonnen.
Das Salzgittergebiet war bis ins 20. Jahrhundert hinein dörflichlandwirtschaftlich geprägt. Eine Ausnahme bildete Salzgitter.
99
Saline Salzliebenhalle.
Salzkoten in Salzgitter
Vor rd. 120 Millionen Jahren entstand im nördlichen Harzvorland, im heutigen Salzgitter, während der Unterkreidezeit ein
Salzstock mit Eisenerzansammlungen in den Randsenken, der
180 - 220 Meter tief liegend mehrere Quellen in dem ursprünglich sehr sumpfigen Warnetal speiste. Diese Salzquellen, die
dem Gebiet um Ringelheim und Gitter herum den im Jahr 1007
in einer Hildesheimer Urkunde überlieferten Namen „Salzgau“
eintrugen, waren die Grundlage für die Entstehung der alten
Salzstadt im Gebietsdreieck dreier uralter Dörfer: +Veppstedt,
Kniestedt und Gitter, deren Bewohner die Salzgewinnung offensichtlich schon seit dem Frühmittelalter im Warnesumpf
betrieben. Neben dem Kloster Marienrode bei Hildesheim sind
auch Salzgitterer Bürger, vor allem aber Klöster bzw. Adelsgeschlechter als Inhaber von Koten für das Mittelalter belegt:
Stift Georgenberg in Goslar, Kloster Steterburg, Kloster Ringelheim, Kloster Grauhof, Kloster Dorstadt, Kloster Heiningen
und Kloster Wöltingerode, die Familien von Wallmoden, von
Haus, von Stopler, von Cramm, von Grevensleben, von Gadenstedt und von Rhüden. Die Belehnten mussten den Salzzehnten an das Gericht/Amt Liebenburg abliefern, im Jahre 1293
werden so bereits 47 arbeitende Koten überliefert, eine Zahl,
die sich bis ins 16. Jahrhundert kaum geändert hat, wie das
Liebenburger Erbregister von 1548 belegt. Eine Sonderstellung
unter den Belehnten nahm offensichtlich Kloster Steterburg
ein, dessen Mönche sogar als Fachleute zu Reparaturen an
der Saline herangezogen wurden, wie die „Steterburger Annalen“ („Annales Stederburgenses“) im Jahre 1273 berichten. Die
Lehnsherren von Koten haben in den folgenden Jahrhunderten
noch oft gewechselt. Auch Kloster Meiningen und die Herren
von Kniestedt, von Oberg, von Mahner, von Gitter, von Gustedt
und von Schwiecheldt waren Besitzer von Salzkoten.
Bis zum 14. Jahrhundert hatte sich offensichtlich im und um
den Salzsumpf herum eine kleine Siedlung entwickelt, die 1337
erstmals als „Dat Salz“ bezeichnet wurde. „Das Salz“ war zu
dieser Zeit von einer palisadenbewehrten Wallanlage umgeben,
durch die drei mächtige, mit Rhätsandsteinquadern erbaute
Tore ins Innere führten: das Veppstedter, das Kniestedter und
das Haverlaher (Gitterer) Tor. An der Wallanlage befanden
sich vier große Wehrmauern, mit denen Wasser vor den Wallanlagen gestaut werden konnte und somit weiteren Schutz bot.
100
Salzgitter und Verfassung
Stadtrechte für Salzgitter (?)
Saline wurde braunschweigisch
Zwischen den Jahren 1310 und 1331 wurde letztmalig +Veppstedt als eigenständiger Ort urkundlich erwähnt. Im Jahre 1337
taucht „Dat Salz“ als Ortsbezeichnung für den Salzort auf. Zur
Präzisierung der Ortsbeschreibung nennen die Quellen den
Ort auch „Salz to Gitter“, im Jahre 1459 benutzte erstmals eine
Urkunde den Ortsnamen verschmolzen als „Solt(to)Gyter“ =
„Salzgitter“. Um diese Zeit - so wird wohl zu Recht schon von
Franz Zobel vermutet - seien die Bewohner von +Veppstedt und
aus anderen Orten ganz in die 10 Hektar große, mehr Schutz
bietende Siedlung gezogen, die im Hochmittelalter um die 350
Einwohner besessen hat. Im Jahre 1452 berichtet eine Urkunde
über eine Schenkung des Hilleburg von Gitter an den „Rat von
Salz zu Gitter“ („Rade tom Sollte to Gittere“). Die Einwohner des
Salzortes werden in der gleichen Urkunde als „Bürger“ („cives“) benannt. Von zwei Bürgermeistern als gewählte Repräsentanten des Salzortes wird in den Quellen gesprochen. Ein eigenes Siegel hatte der Salzort ebenfalls, wie wir einer Urkunde
von 1471 entnehmen können. Nicht klärbar ist, ob Salzgitter im
Mittelalter die hohe Gerichtsbarkeit besaß. Eine Quellenaussage dazu kennen wir nicht. Möglicherweise deutet der Flurname „Am (Auf dem) Galgenberg“ in der Gitterer Flur, nahe des
Salzortes auf den Besitz der Blutgerichtsbarkeit hin. Obwohl
der Salzort „Bürger“ als Einwohner, einen Rat und zwei Bürgermeister hatte und möglicherweise der Ort auch die hohe Gerichtsbarkeit besaß, kann die Frage, ob Salzgitter Stadtrechte
hatte oder nicht, nicht eindeutig beantwortet werden, da dafür
eine Stadtrechtsverleihungsurkunde fehlt.
Falls der Salzort im Mittelalter die Stadtrechte besaß, so hat
Salzgitter diese nach 1523 verloren. Als Ergebnis der Hildesheimer Stiftsfehde (1519 - 1523) erhielt das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel am 13. Mai 1523 durch den Frieden von
Quedlinburg Teile des Hildesheimer Hochstifts, am 20. Oktober 1523 auch das Regal an den Salzwerken, Brauereien und
Krügen in Salzgitter zugesprochen. Herzog Heinrich d. J. (1514
- 1568) riss den Besitz der Koten an sich. Sein Sohn Herzog
Julius (1568 - 1589) versuchte, die nachhaltig erbosten Bürger
des Salzortes für diesen Verlust zu entschädigen, befürchtete er
doch ansonsten, dass die von ihm sofort mit Regierungsantritt
1568 eingeführte Reformation von den Söltern abgelehnt würde. Nachdem Herzog Julius angesichts des sehr kleinen Salzab101
Saline vor dem Abriss.
Kommunion-Verwaltung
satzgebietes die Zahl der Pfannen reduziert hatte, erschienen
seit dem Ende des 16. Jahrhunderts neben den Töpfern auch
Schmiede, Schumacher, Schneider, Fleischer Leineweber in
Salzgitter als Handwerker, die sich in Gilden organisierten.
Als Salzgitter aufgrund des Goslarer Accords 1643 wieder hildesheimisch wurde, lag die Saline aufgrund des Dreißigjährigen Krieges danieder, die wirtschaftlichen Verhältnisse waren
bedrückend. Die Saline unter Kommunion-Verwaltung wurde
regelmäßig verpachtet. Nachdem bereits in der Zeit vor dem
Ersten Weltkrieg Saline ihren Betrieb seit 1879 auf Kurbetrieb
umgestellt hatte, kam die Salzgewinnung um 1926 zum Erliegen. Die Salinengebäude wurden schrittweise abgerissen.
Das Jahr 1860 gilt als Gründungsjahr der deutschen Kaliindustrie, eine Industrie, die für die Landwirtschaft von herausragender Bedeutung werden sollte. Nachdem Adolph Frank ein
chemisches Verfahren entwickelt hatte, wie man Chlorkalium
als Düngemittel gewinnen konnte, erfasste ganz Deutschland
ein Kalifieber. Zuerst wurden die Kalisalzvorkommen bei Staßfurt bei Magdeburg aufgeschlossen und abgebaut. Im Königreich Hannover wurde zuerst im niedersächsischen Raum in
Kalischacht Fürst BisVienenburg der Kalischacht „Hercynia“ abgeteuft. 1872 bemarck.
gann die Bohrgesellschaft Thiederhall in Thiede mit der Suche
nach Kalisalz und wurde fündig. Fürst Bismarck auf dem Greif
in Salzgitter-Bad folgte 1890. In 1.050 Metern Tiefe schien man
Kalisalz gefunden zu haben, doch es war alles Betrug. Die Gutachten waren gefälscht. Der tiefste Schacht Deutschlands – zu
damaliger Zeit – gab kein Gramm Salz her. 1893 führten Probebohrungen in der Asse zum Erfolg. Grasleben bei Helmstedt
Kalischacht Thiederhall - und Flachstöckheim folgten einige Jahre später.
niedergelegt.
Die Darstellung:
Im städtischen Museum Schloß Salder ist die Geschichte der
Salzgewinnung seit dem Mittelalter bis 1925 nachgestellt, dann
wurde die Salzgewinnung in Salzgitter eingestellt. Es blieb der
Kurbetrieb mit Solewellenbad. Die Kalisalzgewinnung kann
nur Anhand von Quellen und Bildern beschrieben werden. Die
baulichen Hinterlassenschaften können noch angeschaut wer102
den (zwischen Flachstöckheim und in Salzgitter-Bad auf dem
Greif das Mundloch).
-
Montanwirtschaft vor
2000 Jahren
Rennofen in Lobmachtersen
Rammelsberg bei
Goslar
die Montanwirtschaft (die Eisenhütten 1858/1868
(Ilsede, Bethel Stroußberg in Othfresen, Emil Langen
am Gittertor vor Salzgitter)
Das klassische Montanrevier des Herzogtums Braunschweig
war der Harz, wo nach neuesten Erkenntnissen am Rammelsberg und auf dem Oberharz seit dem 3./4. Jahrhundert Erze
hereingewonnen und verhüttet wurden.
Ohne allzu tief in diese römische und mittelalterliche Phase der
Rohstoffausbeutung einzudringen, möchte ich doch einige Eckdaten dieser frühen Situation beschreiben. Bei Grabungen der
letzten Jahrzehnte wurden mehrere Rennöfen im Salzgittergebiet geborgen, in Salzgitter-Lobmachtersen und in SalzgitterLebenstedt (am Fredenberg). Der bei einer Grabung zwischen
1953-1955 in Lobmachtersen freigelegte Rennofen, im Original
im städtischen Museum Schloß Salder zu bewundern, war offensichtlich Teil einer größeren Hüttenanlage. Es wurde nicht
nur Eisen erschmolzen, sondern auch in der dazugehörenden
Schmiede die Luppen ausgeschmiedet. Das verhüttete Erz kam
höchstwahrscheinlich aus dem Gebiet zwischen Lengede und
Bodenstedt (Oberkreidekalkerz) und aus Kniestedt, Engerode
und Gebhardshagen (Unterkreideerz), aber auch vom Goslarer Rammelsberg, wie erst vor kurzem durchgeführte spektralanalytische Erkenntnisse vermuten lassen. Goslarer Erz wurde nicht nur nach Düna transportiert, wahrscheinlich auch in
nördlich des Harzes gelegene Verhüttungsanlagen.
Seit dem 9./10. Jahrhundert entwickelte sich der Harz auf Betreiben der Liudolfinger zum bedeutendsten Montanrevier in
Deutschland. Die Montanwirtschaft wurde nun von „Fachleuten“ betrieben, Bauern waren nicht mehr in der Lage, im
Nebenerwerb wirtschaftlich Montanwirtschaft auszuüben. Die
Entwicklung des Harzes zu einem der bedeutendsten Montanreviere in Deutschland im Mittelalter bezog das gesamte
Vorharzland in diese Entwicklung mit ein, vor allem aber als
Zulieferregion für von der Montanwirtschaft benötigte Waren.
Das 1186 gegründete Kloster Neuwerk in Goslar, um nur ein
Beispiel zu nennen, besaß zahlreiche Gruben und Hütten im
103
Montanwirtschaft im
Salzgitter-Höhenzug
Großes „Berggeschrei“
Harzer Bergbau
Riechenberger Vertrag
Harz und am Harzrand und zugleich riesige Besitzungen in den
Dörfern des nördlichen Vorharzlandes: Äcker, Wiesen, Weiden
und Wälder, die zur Versorgung des Harzes, der Gruben, der
Hütten, der Versorgung der Berg- und Hüttenleute herangezogen wurden. Auch für das nördliche Harzvorland gibt es einige
ganz wenige archäologische Befunde und Quellenbelege dafür,
dass im Mittelalter im nördlichen Harzvorland Erz verhüttet
wurde. Im Jahre 1311 erwähnt eine Quelle unter 38 Hütten, die
den Schlagschatz an den herrschaftlichen Zehntner schuldig
geblieben sind, auch acht Hütten im nördlichen Harzvorland:
Thuringeroth (= Thuringerode bei Immenrode), Slackenhuche
an der Wedde (= Schlackenkam bei Weddingen), Kühligerode
(= Könneckenrode?), Erzpicke und Erzpelken bei Kalbechte
(= Calbecht), Bedekenstede (= Baddeckenstedt), Vlaslande (=
Flachstöckheim), Adersen (= Adersheim?) und Herthigen (=
Heerte?). Da in dieser Quelle die Orte nicht genau beschrieben
werden und diese auch archäologisch bisher nicht nachgewiesen werden konnten, kann auch nicht gesagt werden, woher das
Erz kam, das im Vorharzland verhüttet wurde, welchen Umfang diese Produktion hatte, was verhüttet wurde (Kupfer, Eisen, Silber), wohin das Material geliefert wurde. Mitte des 14.
Jahrhunderts begann eine tiefe Krise der Harzer Montanwirtschaft, die für fasst 100 Jahre zum Stillstand kam.
Erst Mitte des 15. Jahrhunderts begann erneut das große
„Berggeschrei“. Die große Zeit des Bergbaus im Herzogtum
Braunschweig begann im 16. Jahrhundert unter den Herzögen
Heinrich d.J. (1514-1568) und Julius (1568-1589). Bergstädte
wurden im Oberharz begründet, Grund, Zellerfeld, Wildemann,
und 1552 durch den Riechenberger Vertrag der Rammelsberg
und der Goslarer gehörende Harzwald ins Herzogtum eingegliedert (haben die Goslarer Braunschweig nie verziehen). Seit
dem 16. Jahrhundert hatte der braunschweigische Staat das
Bergbaumonopol im Harz. Der Braunschweiger Staat stützte
den Bergbau und das Hüttenwesen indem auswärtige Montanprodukte nicht auf den heimischen Markt gelassen wurden, indem er Auflagen erließ, dass nur heimische Montanprodukte
im Herzogtum verwendet werden durften.
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Montanwirtschaft im
Hochstift Hildesheim
Familie von Brabeck
als Montanunternehmer
Auch das Hochstift Hildesheim versuchte, nachdem es im Jahre
1643 seine im nördlichen und westlichen Vorharzland liegenden
Gebiete mit dem südlichen Teil des heutigen Salzgitter zurückerhalten hatte, seine finanziellen Probleme durch die Förderung der Montanwirtschaft zu beheben. Im Jahre 1667 kam
Jobst Edmund von Brabeck, ein ungemein unternehmungslustiger Mann, aus Hemmern aus der Grafschaft Mark nach Hildesheim. Am 3. Dezember 1682 erhielt er vom kurkölnischen
Bergamt zu Brilon die Konzession, im „Ödfeld der Innerste“
zwischen Ringelheim und Goslar in Dörnten ein „wirkliches Eisenberg- und Hüttenwerk“ zu erbauen, das seinen Namen von
seiner Ehefrau erhielt: Kunigunde. Nachweislich erhielt dieses
Eisensteinwerk seine Erze aus der Eisenkuhle an den Fischköpfen bei Dörnten und aus Holle. Da dieses Hüttenwerk schlechtes Eisen lieferte, hat man es 1693 geschlossen, wieder geöffnet
und zumindest bis 1703 oder gar bis 1738 betrieben. Jobst Edmund von Brabeck hat weitere Erztagebaue für sein Hüttenwerk aufgeschlossen, so seit 1687 einen Erbstollen bei Gitter,
in dem der Vorläufer der im 19. Jahrhundert noch betriebenen
Bergwerke Helene und Ludwig an der Grenzlerburg bei Gitter gesehen werden können. In Gitter selbst befand sich zu diesem Zeitpunkt eine Hofstelle mit einem Eisenerzanbruch, dem
späteren Bergbau Glückauf. Nachdem die Hütte Kunigunde
stillgelegt worden war, entstand auf ihrem Gelände eine Mahl-,
Säge- und Pulvermühle, die bis ins 20. Jahrhundert hinein als
Sprengstofflieferant große Bedeutung für den Harz hatte.
Jobst Edmund von Brabeck wurde von 1688 bis 1702 selbst
Fürstbischof von Hildesheim. Seine Brüder und Neffen haben
sein wirtschaftliches Engagement im montanwirtschaftlichen
Bereich aufgegriffen und fortgeführt. Der Kämmerer und
Oberstallmeister Friedrich Johann Arnold von Brabeck erhielt
1691 den Besitz aller bergmännischen Unternehmen im Fürstbistum Hildesheim. Neben den bereits genannten Fundstellen
von Eisenerz nahe Salzgitter muss noch Wallmoden und die Erzwiese bei Könneckenrode genannt werden, deren Erze an der
Innerste bei Hohenrode von Unternehmern und Bauern verhüttet wurden. Um die durch den Siebenjährigen Krieg (17561763) ruinierten Staatsfinanzen wieder zu sanieren, wurden
von Fürstbischof Friedrich Wilhelm von Westfalen (1763-1789)
neben allerlei mystisch-alchimistischen Überlegungen auch an
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Rohstoffsuche
Bergbau am Hamberg
eine Neubelebung der Montanwirtschaft im Vorharzland gedacht. Die Hildesheimer Regierung beauftragte 1763 den Bergsachverständigen G.H. Wolf, im Hochstift nach Rohstoffen zu
suchen. Sein Gutachten vom 29. März 1764 war ausgesprochen
optimistisch, dass man genügend Eisenerz, Steinkohle (!), Kupfer, Schiefer im Hochstift finde, dass die Lage, die besser als die
im Harz seien. Er verwies besonders auf die Grube in Alt Wallmoden. Daraufhin erhielt im Amte Liebenburg der Amtmann
Hermann Krist den Auftrag, die Gebirge in seinem Amtsbezirk
ebenfalls nach Rohstoffen zu untersuchen. Mit Unterstützung
des Seesener Markscheiders Huldreich Carl Friedrich Lünecke
untersuchten sie Am Haferkamp (südlich von Salzgitter) einen
alten Steinkohleschacht, ohne Erfolg. Mehr Erfolg versprach
ein Schacht am Reitel, am südlichen Ende des Salzgitter-Höhenzuges unterhalb des Hamberges. Am 31. März 1764 begannen
mit Harzer Bergleuten die Abteufarbeiten. Die optimistischen
Berichte von Krist an die Regierung nach Hildesheim endeten
stets mit Geldforderungen. Der zur Kontrolle im Juni 1764 entsandte Wegeinspektor Pelizaeus konnte über den Schacht am
Reitel und einen zweiten An der Teufelskirche nur berichten,
dass man nur Sand, Kies und Mergel gefunden habe. Da Krist
nicht aufgeben wollte, sogar Silber in den Schächten vermutete,
musste am 16. Mai 1766 Fürstbischof Friedrich Wilhelm von
Westfalen ein die Aktivitäten Krists unterbindendes Machtwort sprechen. 1.657 Taler, ein beachtliche Summe, waren inzwischen verpulvert. Ab 1837 wurden alle bekannten Erzausbisse am Salzgitter-Höhenzug untersucht. Im Hannoverschen
Teil Salzgitters lag die Verantwortung dafür bei Bergrat Urban
von Unger (1809-1873) und im Braunschweigischen bei Kammerrat August von Strombeck (1809-1900). Urban von Unger
legte seine Ergebnisse im Jahre 1843 vor:
1.
2.
3.
4.
In Haverlahwiese wurde ein etwa 100 m starkes
Eisenerzlager gefunden.
Über die Sandsteingrube des Zimmermanns Bartels
hatte Bodemann bereits 1839 in dem 5 m starken
Erzlager Vanadium gefunden.
Bekannt war der Ausbiss vom Galberg bei Gitter und
das kalkige Erz der Grenzlerburg (Ida) bei Othfresen.
Bei Dörnten wurde am Eisenkuhlenberg,
106
5.
Hüttenwerke im 19.
Jahrhundert in und
bei Salzgitter
Emil Langen.
Bethel Stroußberg.
Wurzelbüchenberg, Fischerköpfen und Hellerskopf
Erz gewonnen. Die Brabecksche Grube war verfallen.
Die Fundstelle von Erz am Bohnen- und Benteberg bei
Klein-Döhren, südlich der Ohlei (später: Morgenstern)
war bekannt.
Mit der Eröffnung der Bahnlinie Seesen-Salzgitter-Börßum
im Jahre 1856 wurde das bekannte Salzgittererz als Verhüttungszugabe auch für die Hütten am Harz interessant, weil es
nun kostengünstig und schnell transportiert werden konnte.
Daraufhin wurden 1858 die Ilseder Hütte, 1868 das Eisenhüttenwerk Salzgitter durch Emil Langen (1824-1870), das Hüttenwerk Othfresen von Bethel Stroußberg (1823-1883) und die
Mathildenhütte bei Schlewecke gegründet. Durch die Berichte des Salineninspektors Albert Schloenbach (1812-1877) über
die Erzvorkommen Finkenkuhle bei Salzgitter und die spätere Hannoversche Treue bei Kniestedt im Jahre 1866 war Emil
Langen, Generaldirektor des Sieg-Rheinischen Bergwerksund Hüttenvereins, auf die Erzfelder im Salzgittergebiet aufmerksam geworden. Im Jahre 1867 kam er nach Salzgitter
und gründete 1868 mit 80.000 Reichstalern in Hannover die
„A.G. Eisenwerke Salzgitter“. Ein Hochofenwerk mit vier Hochöfen wurde sofort begonnen zu bauen. Von Pferden gezogene
Schmalspurbahnen beförderten das Erz aus den nahen Gruben
zu den Hochöfen. Am 12. Oktober 1869 erfolgte der erste Abstich. Am 1. Oktober 1870 verstarb Emil Langen an den Folgen
eines Unfalls, der sich bei Versuchen im Hüttenwerk ereignete.
Das Eisenwerk hat Langen nicht lange überlebt. Im Jahre 1874
arbeitete nur noch ein Ofen. Steigende Löhne, sinkende Preise,
die geringe Qualität des Erzes, die große Konkurrenz anderer
Montangebiete im 1871 gegründeten Deutschen Reich, hier vor
allem Elsaß-Lothringen mit der Minette, brachten viele kleine Hüttenwerke um ihre Existenz. Am 31. August 1874 wurde
das Hüttenwerk Salzgitter geschlossen. Ein ähnliches Schicksal
hatte auch das Hüttenwerk Othfresen. Am 20. Februar 1872
musste Stroußberg die Hütte an die „Dortmunder Union“ mit
den dazugehörenden Erzfeldern für 1 Mio. Reichstaler verkaufen. Im Jahre 1874 wurde auch sie stillgelegt, obwohl sie
263.000 Zentner Roheisen erzeugt hatte. Nur die Ilseder Hütte
hat den Ersten und Zweiten Weltkrieg überlebt. Das Erz erhielt
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Bergbautechnik vor dem Museum im Schloß Salder.
Modell der Hütte (Stand: 2006).
108
sie zu einem großen Teil aus dem Salzgittergebiet über die berühmte, von Kriegsgefangenen im Ersten Weltkrieg errichtete
Erzbahn. Diese Entwicklung in und um Salzgitter brachte für
den Ort Salzgitter beträchtliche Veränderungen, da sie in einem Gebiet erfolgte, in dem es vor allem an Facharbeitskräften
fehlte. Schon vor den Hüttengründungen waren in Salzgitter
in der Saline um die 100 Salinisten angestellt. Im Jahre 1858
wurde die Mechanische Leinenweberei gegründet, die rund 400
Menschen, vor allem Frauen, beschäftigte. Das Hüttenwerk von
Emil Langen hatte mit den Bergleuten in den Gruben ebenfalls
rund 600 Berg- und Hüttenleute unter Vertrag. Weitere Firmen
kamen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hinzu: eine
Maschinenbauanstalt mit rund 200 Arbeitern, der Kalischacht
Fürst Bismarck mit 200 Beschäftigten. Viele der im Salzgittergebiet Beschäftigten kamen aus dem montanwirtschaftlich kriselnden Harz ins nördliche Harzvorland. Bei einer Einwohnerzahl von rund 2.000 Menschen bedeutete dies mit rund 1.500
hinzugekommenen Industriearbeitern und deren Familien eine
beträchtliche einwohnermäßige Vergrößerung und Belastung
in jeder Hinsicht (Schulen, Geschäfte usw.), zumal im Salzgittergebiet mit den Kalischächten Thiederhall in Thiede und
Wortlah in Flachstöckheim, den Portland-Zementwerken in
Salder, den zahlreichen Zucker- und Konservenfabriken (zehn
Zuckerfabriken), Molkereien, Bahnbetrieben entstanden.
Erzeugung von Buntund Edelmetallen
Besser war die Lage der Unterharzer Buntmetallgewinnung.
Das im Rammelsberg hereingewonnene Erz wurde in Oker und
Langelsheim zu Gold, Silber, Blei, Kupfer, Zink verarbeitet. In
Oker arbeiteten an der Jahrhundertwende fast 1.000 Personen.
Im Jahre 1900 wurden im Herzogtum 138.999 Tonnen Eisenerz
gewonnen, 36.820 Tonnen Roheisen, 385 Tonnen Bleierz, 5.237
Tonnen Blei, 1.558 Tonnen Kupfer, 918 Tonnen Kupfervitriol,
5.246 Tonnen Zinkvitriol, 82 Kilogramm Gold, 10.245 Kilogramm Silber.
Verlust der Minette
Durch den Versailler Vertrag verlor Deutschland wieder ElsaßLothringen, und damit auch die Minette, die hochkonzentrierte
eisenmäßige Rohstoffbasis der Hütten an Saar und Ruhr. Devisen für die Einfuhr von Erzen aus Frankreich und Schweden waren nur beschränkt oder gar nicht vorhanden und so
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rückten die Erzvorkommen im nördlichen Vorharzland in der
Zwischenkriegszeit näher ins Blickfeld. Das gesamte Salzgittergebiet wurde mit der Technik der 1919 von Anton Raky in
Salzgitter gegründeten „Anton Raky Tiefbohrungen A.G.“ unter
Leitung des Hallenser Geologen Johannes Weigelt (1890-19489
untersucht. Rund 3 Milliarden Tonnen Erz wurde dabei im
Salzgittergebiet festgestellt, davon 1,5 Milliarden Tonnen bergmännisch erreichbar. Noch vor Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 wurde der Bau eines großen „Ersatzhüttenwerkes“
im Salzgittergebiet geplant und besprochen. Besonders das
Reichswehrministerium, die Harzkreise sprachen sich energisch für dessen Realisierung aus, hoffte man doch dort, die
überzähligen Montanarbeitskräfte in einem neuen Montanrevier unterbringen zu können. Die Weltwirtschaftskrise machte diesen Pläne 1929 weitgehend ein Ende. Selbst die Gruben
im Salzgittergebiet stellten weitgehend die Produktion ein (nur
noch auf der Dörntener Grube Georg Friedrich wurde Eisenerz gefördert).
Aufschwung der
Montanwirtschaft im
Dritten Reich
Erst nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten
im Jahre 1933 begann ein sehr vorsichtiger Aufschwung des
Salzgitterer Bergbaus. In diese Zeit fiel eine Entwicklung, die
für die Verhüttung von Salzgittererz von großer Bedeutung
werden sollte. Im Jahre 1934 entwickelten die beiden Clausthaler Eisenhütteningenieure Max Paschke und Eugen Peetz ein
Verhüttungsverfahren, mit dem das stark kieselsäurehaltige
Salzgittererz zu hochwertigem Roheisen zu akzeptablen Preisen verhüttet werden konnte. Dies war sicher einer der Gründe
dafür, dass die deutsche Schwerindustrie sich stärker bergbaulich im Salzgittergebiet engagierte. Doch kommen noch andere
Gründe hinzu, der nach 1933 langsam beginnende wirtschaftliche Erholungsprozess, die gezielte staatliche Förderung des
inländischen Eisenerzbergbaus in Form von Aufschluss- und
Förderprämien, und vor allem zunehmender politischer Druck
seitens des Regimes auf die deutsche Schwerindustrie, verstärkt
inländische Erze zu verhütten und somit wirtschaftlich autark
zu werden. Sicherlich muss aber noch erwähnt werden, dass
dem deutschen Reich zunehmend die Devisen ausgingen, die
zur Einfuhr von Erz notwendig gewesen wären. Die Reichswer110
kegründung wurde schon weiter vorn beschrieben und kann
daher hier unterbleiben.
Letzte Blüte des Erzbergbaus
In den 1950er Jahren waren die Hütte und der Erzbergbau weiterhin wichtigster Arbeitgeber in Salzgitter. Der Erzbergbau
konnte schon 1946 den Betrieb wieder aufnehmen. Er erlebte vor allem in den 1950er Jahren eine Blüte. Die Salzgitterer
Bergwerke mit rund 6.200 Beschäftigten (Stand: 1957) gewannen 5,2 Millionen Tonnen Erz (Stand: 1959), das anfangs an die
westdeutschen Hütten und nach Groß Ilsede geliefert wurde.
Ab April 1949 wurde auch in Salzgitter wieder Eisen mit heimischem Erz erzeugt. Im Juni 1950 und August 1952 konnten zwei
weitere Hochöfen des in „Salzgitter AG“ umbenannten Hüttenwerkes in Betrieb genommen werden. Bundeskanzler Konrad
Adenauer kam im Juni 1953 nach Salzgitter zur Einweihung
des Stahlwalzwerkes.
Krise des Bergbaus
Im Bergbau begann schon Ende der 1950er Jahre eine schleichende Krise. Die westdeutschen Hütten, aber auch die Salzgitter AG nahmen immer weniger Erze ab, weil ausländische
kostengünstiger verhüttet werden konnten. Grube für Grube
schlossen in Salzgitter die Tore, am 30. Juni 1982 wurde auf
Schacht Haverlahwiese die letzte Schicht verfahren. Es blieb
nur der erst ab 1957 abgeteufte Schacht Konrad im Salzgitterer
Montanrevier bestehen, aber nur, weil das Bergwerk als Endlager für Atommüll genutzt werden soll. Jahr für Jahr mussten
ab Anfang der 1960er Jahre Bergleute in neue Arbeitsplätze
umgesetzt werden. Anfangs nahm die Hütte viele auf, bis sie
selbst aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen gezwungen
war, Stellen abzubauen. Neben der Hütte und dem Bergbau als
den ursprünglich wichtigsten und größten Arbeitgebern waren
in Salzgitter inzwischen weitere beachtlich-große Unternehmen
herangewachsen bzw. neu angesiedelt worden.
Letzte Schicht auf
Schacht Haverlahwiese, 1982.
Die Darstellung:
Die Montanwirtschaft, die Hereingewinnung von Erz und dessen Verarbeitung zu Eisen und Stahl ist bereits als erste Abteilung bearbeitet und inszeniert worden. Diese Abteilung könnte
in der bestehenden Form in das Industriemuseum übernom111
men, evtl. in die neuen räumlichen Gegebenheiten umgesetzt
werden.
-
BKB-Kraftwerk Buschhaus.
Braunkohle/Pech
Seit dem 18. Jahrhundert wurde das Braunkohlelager bei
Helmstedt im Tiefbau in mehreren Gruben genutzt. Im Jahre 1873 verkaufte der Staat seine Gruben und es wurde die
Braunschweigische Kohlenbergwerke AG mit Sitz in Helmstedt
gegründet. Im Jahre 1899 wurden 1.100.068 Tonnen Braunkohle gefördert. Die meiste Kohle wurde von den Zuckerfabriken
abgenommen. Die 1887 eingeführte Brikettierung machte auch
eine Nutzung als Heizmaterial in Haushalten möglich. Nachdem ab 1896 die betriebseigene Energieversorgung teilweise
auf Elektrizität umgestellt worden war, erfolgte 1905 die Gründung der ÜZH. Bald verdrängte der Tagebau den Tiefbau. Im
Bergbau und Hüttenwesen arbeiteten 5.561 Arbeiter.
Die Darstellung:
Die Förderung von Braunkohle kann nur mit Quellen, Fotos,
Produkten dokumentiert werden. Es müssen noch Exponate
erworben werden.
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Baustoffe
die Baumaterialienindustrie (Portland-Zementfabrik
Salder, Ziegeleien, Steinbrüche, Lehmkuhlen),
Seit dem Mittelalter hat man für den Bau von Häusern, Kirchen, Schlössern, für die Befestigung von Straßen Baumaterialien benötigt: Holz, Lehm, Ton, Ziegel, Steine. Fast im gesamten Gebiet nördlich des Harzes hatten die Dörfer Steinbrüche,
Lehmkuhlen, Waldungen. Bei Rübeland wurde Marmor, Granit im Okertale, Porphyr bei Hüttentale, Sandstein bei Blankenburg, Velpke und im Solling den „Höxterstein“ (hier reichte
die Abbautradition bis ins 15. Jahrhundert) gewonnen, Tuffstein bei Königslutter, Syenit bei Lutter a. B., große Gabbrobrüche gab es bei Harzburg, Diabasbrüche bei Neuwerk. Mit
dem zunehmenden Chausseebau ab den 1830er Jahren nahm
dieses Gewerbe erheblich zu. Asphalt wurde bei Eschershausen
in schwerer und gefährlicher Handarbeit gewonnen. Portland112
zement wurde seit 1872 in Vorwohle bei Eschershausen erzeugt,
seit 1886 (Eisenbahn!!) auch in Salder durch die Puzzolan-Cement-Fabrik (später „Braunschweiger Portland-Cementwerke“).
Bei Schöningen gab es die „Portland-Cement-Fabrik Hoyersdorf
GmbH.“ Umfangreich war auch die Herstellung von Gips und
Schwerspat.
Die Darstellung:
Für die Dokumentation der Zementherstellung der PortlandZement-Fabrik Salder und der späteren Fels-Werke sind Exponate, Quellen, Fotos, Filme vorhanden.
Portland-Zementwerk Salder.
113
-
Zuckerfabrik Thiede.
Erste Zuckerfabrik in
Schlesien
Die Lebensmittelindustrie (Zuckerfabriken,
Konservenfabriken, Mühlen, Brauereien)
Über Jahrhunderte hatten die Menschen ihren Bedarf auf Süßigkeit durch Bienenhonig gedeckt. Nachdem Columbus auf
seinen Amerika-Entdeckungsfahrten Zuckerrohrpflanzen als
Basis für die Herstellung von Zucker gefunden hatte, wurde
der europäische Markt mit so genanntem Kolonialzucker überschwemmt. Dennoch blieb der Zucker Luxusgut. Dies änderte sich, als der Berliner Wissenschaftler Andreas Sigismund
Markgraf 1747 feststellte, dass auch die Rübe Zucker enthält.
Sein Schüler Franz Carl Achard errichtete im Jahre 1801 in
Schlesien die erste Zuckerrübenfabrik. Durch Napoleons Kontinentalsperre gelangte kein Kolonialzucker mehr nach Festlandeuropa. Der Rübenzucker begann seinen Siegeslauf. Die
ersten Zuckerfabriken im Herzogtum Braunschweig wurden
Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet, zuerst in der Stadt
Braunschweig, dann in den Kreisen Wolfenbüttel und Helmstedt (allein im späteren Salzgitter gab es zehn Zuckerfabriken). In Salzgitter wurde die erste Zuckerfabrik in Üfingen im
Jahre 1851 gegründet.
Die ersten Zuckerfabriken kämpften noch mit erheblichen
Schwierigkeiten, die Produktionstechnik war noch schlecht und
es fehlten die Zuckerrüben, die Bauern hatten noch kein rechtes Vertrauen, da dem hohen Arbeitsaufwand ein sehr stark
schwankender Zuckerpreis gegenüber stand. Braunschweig
gehörte zumindest in Teilen noch dem Hannoverschen Steuerverein an, der durch die Verbindung zu England billigen Rohrzucker einführte. Die ersten Zuckerfabriken überlebten nur,
wenn sie gleichzeitig Rohrzucker raffinierten. Der Anschluss
an den Zollverein wirkte sich durchaus positiv aus. In Braunschweig überlebten aber nur bis dahin die Zuckerfabriken von
Salomon und von Eduard Seeliger vor dem Petritor (später
Raffinerie Brunonia). Die in Üfingen angelegte Zuckerfabrik
wurde direkt im Anbaugebiet angelegt. Nun folgte Zuckerfabrik auf Zuckerfabrik.
Die ersten, in Braunschweig angelegten Zuckerfabriken waren
noch städtisch-kaufmännische Gründungen, die in Üfingen, Königslutter u. a. wurden durch solvente Grundbesitzer gegründet und danach waren sie Gründungen genossenschaftlicher
114
Zuckerfabriken im Braunschweigischen Land.
115
Karte mit den Standorten der Zuckerfabriken im Herzogtum Braunschweig und Königreich
Preußen, 1877.
116
Art durch Landwirte. Im Jahre 1900 gab es 31 Zuckerfabriken: Üfingen, Königslutter, Braunschweig, Jerxheim, Offleben,
Thiede, Hoiersdorf, Königslutter, Barum, Vechelde, Wendessen, Broistedt, Watenstedt, Broitzem, Eichthal, Wierthe u.a..
Um 1900 wurden 17 Mio. Zentner Zuckerrüben verarbeitet.
5.300 Arbeiter waren in der Zuckerindustrie beschäftigt, wobei
allerdings nur ein Viertel Stammpersonal war, die anderen waren Saisonarbeiter, z. B. Polen aus dem Großherzogtum Posen,
die z. B. in besonderen Gebäuden untergebracht waren, die im
Volksmund bis heute ihre Bezeichnung als „Polenkasernen“ haben.
Heute gibt es im alten Land Braunschweig keine Zuckerfabriken mehr. In Salzgitter wurde nach der Kampagne 1986 die
letzte Zuckerfabrik Barum geschlossen. Heute müssen die Bauern ihre Zuckerrüben bis nach Schladen oder Wierthe transportieren.
Die Darstellung:
Für die Darstellung der Zuckerindustrie gibt es im Museum
Schloß Salder und im Stadtarchiv umfangreiche Exponate und
Quellen. So steht ein Labor zur Verfügung, das zur Zuckergehaltsbestimmung in Barum vorhanden war. Ergänzt werden
kann dies durch Geräte aus der Zuckerfabrik Baddeckenstedt.
Im Stadtarchiv Salzgitter befinden sich rund 100 Meter Akten
zur Geschichte mehrerer Zuckerfabriken, darunter Barum.
Darin befinden sich Akten, Pläne, Karten, Protokollbücher.
Auch der Maschineneinsatz in den Fabriken kann rekonstruiert/dokumentiert werden. Auch der Umfang der Zuckerproduktion, der Abnehmer des Zuckers, des Zuckerverbrauchs
u.s.w. können dargestellt werden. Verschiedene Maschinen aus
der Zuckerrübenverarbeitung sind im Museum vorhanden.
Konservenfabriken
Nachdem zwischen 1820 und 1839 die Appertsche Konservierungsmethode in Blechdosen bekannt geworden war, wurde
im Jahre 1830 der Seesener Klempnermeister Züchner beauftragt, das Verfahren zu testen. Es dauerte noch ein Weile, bis
in die 1840er Jahre bis das Verfahren seinen Weg über Seesen
hinaus ins Braunschweiger Land nahm. Bis 1870 gab es vier
Konservenfabriken im Herzogtum, 1890 bereits 42, darunter
117
Konservenfabrik Paul
Kasper, um 1920.
Werbung für die Konservenfabrik Lampe, 1955/1956.
die Firma Karges & Hammer, die in den 1870er Jahren jeder
für sich angefangen hatten und 1899 zu einer AG verschmolzen
wurden, Bremer & Brückmann, Firma Unger (1872). In Salzgitter gab es in Ringelheim, Gebhardshagen, Thiede Konservenfabriken. Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges waren es
im gesamten Herzogtum Braunschweig rund 50. Zumeist wurde Spargel konserviert, bald aber auch anderes Gemüse und
Obst und Fleisch- und Wurstwaren. Die Dosen wurden hergestellt von den Firmen Bremer und Brückmann, die Chininfabrik
Buchler, Firma Unger, die Firma Schmalbach(1898) schlug alle
aus dem Feld.
118
Die Darstellung der Konservenindustrie ist sehr schwierig, da
nur noch wenige Maschinen vorhanden sind, mit denen konserviert wurde. Es gibt allerdings ausreichend Quellen- und Bildmaterial um ein Bild von der Konservenindustrie zu geben.
Schon seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. wurde im Zweistromland
Bier gebraut. Durch alle Kulturen hindurch wurde die Kunst
der Herstellung von Bier weiter vermittelt. Im Jahre 1516 hat
Herzog Wilhelm IV. von Bayern ein Reinheitsgebot für das
Brauen erlassen, das in Deutschland bis vor kurzem Gültigkeit
besaß (aufgeweicht durch EU-Gesetzgebung): Gerste, Hopfen und Wasser waren die Grundstoffe fürs Brauen. Fast jede
Stadt, viele Adelsfamilien hatten in unserer Region seit dem
Mittelalter das Braurecht.
Die Darstellung:
Es gibt ausreichend Quellenmaterial und Fotos und einige Exponate, um die Brauereigeschichte darstellen zu können.
Bockwindmühle.
In fast allen Siedlungen des Braunschweigischen Landes gab
es Mühlen, die entweder mit Wind oder Wasser angetrieben
wurden. Jeder Bauer musste sein Getreide in einer bestimmten, festgelegten Mühle mahlen lassen. Die Windkraft verlor
als Antriebssystem ihre Bedeutung als Dampfmaschinen, später auch Benzinmotoren zum Antreiben der Mühlen zur Verfügung standen. Die Mühlen wurden immer größer, sie wurden
industrielle Mühlen.
Die Darstellung:
Mühle - im Besitz des
Museums Schloß Salder.
Das Museum besitzt umfangreiche Exponate, um die Geschichte des Mühlenwesens darstellen zu können. So haben wir eine
vollkommen intakte Bockwindmühle aus der Zeit um 1800.
Weiterhin besitzen wir eine kleine Mühle und eine über vier
Etagen eingerichtete Mühle mit MIAG- und SEC-Technik, die
rund 150 Jahre Mühlentechnik dokumentieren. Angetrieben
wurde diese Mühle mit Wasser, in wasserarmen Zeiten hatte
die Mühle eine riesige Batterie, einen Stromspeicher, von dem
die Mühle ebenfalls betrieben werden konnte. Diese Mühle
119
Flüsse mit Mühlen: Schunter, Wabe und Altenau.
sollte in Gänze wieder über drei bis vier Stockwerke aufgebaut
werden, und zwar auf und in einem offenen, stählernen Gerüst.
Quellen, Fotos über Mühlen sind in ausreichender Form vorhanden.
-
Tuchherstellung (Heimarbeit - Webstuhl, mechanische
Leinenweberei)
Anfang des 18. Jahrhunderts ordneten die Herzöge des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel den Anbau von Flachs an. In
fast allen Dörfern des Fürstentums wurden daraufhin Flachsrotten angelegt. Anfangs wurde der Flachs noch in Heimarbeit
be- und verarbeitet (im Museum sind die Flachsbearbeitungsgerätschaften vorhanden). Diese wenig effektive Be- und Verarbeitungsmethode wurde bald abgelöst von Manufakturen,
im 19. Jahrhundert von Tuchfabriken. Die Textilindustrie hat
allerdings im Herzogtum Braunschweig keine herausragende
Bedeutung erlangt, wie z. B. im Königreich Hannover oder in
Schlesien. Erste größere Flachsverarbeitungswerke entstan120
Flachsrotten.
den im 19. Jahrhundert in Wolfenbüttel. In Vechelde wurde im
Jahre 1861 eine Jutespinnerei Spiegelberg und Co. gegründet.
1869/70 wurde auch in Braunschweig eine Jutespinnerei errichtet. In Salzgitter wurde im Jahre 1856 eine „Mechanische
Leinenweberei“ von Ludwig Gehrke begründet, die bis 1939
existierte. Im Jahre 1939 schloss sie im Salzort ihre Tore, sie
verlegte ihre Produktion nach Allendorf. Die Arbeitskräfte in
Salzgitter wurden in den 1937 gegründeten Reichswerken benötigt. In diese Leinenweberei haben die Flachsrottenbesitzer
der gesamten Region den Flachs geliefert.
Die Darstellung:
Ludwig Gehrke.
Mechanische Leinenweberei Salzgitter.
Die Darstellung der Tuchindustrie ist ebenfalls sehr schwierig. Es existieren in fast allen Dörfern noch Spuren der ehemaligen Flachsrotten (siehe Projekt der Braunschweigischen
Landschaft). Auch Flachsbearbeitungsgeräte aus der Zeit vor
den Fabrikgründungen sind in ausreichender Form im Museum Salder vorhanden. Auch vorindustrielle Webstühle für die
Heimarbeit gehören zum Bestand des Museums. Die industrielle Produktion kann nicht so gut dokumentiert werden. Hierfür stehen nur Quellen und Fotos zur Verfügung. Was aus den
Braunschweigischen Fabriken nicht belegt ist, kann aber an der
Mechanischen Leinenweberei Salzgitter aufgezeigt werden, die
Härte der Industriearbeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Aus der Fabrikordnung gehen die harten Arbeitsbedingungen hervor. Die vorhandenen Baupläne zeigen, dass erst
gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Toilette in der Fabrik
errichtet wurde.
-
der Anlagen- und Maschinenbau
In der Gewerbegruppe Maschinen, Werkzeuge, Wagenbau gab
es im Herzogtum Braunschweig mehrere Großbetriebe. Motor
für deren Gründung waren der Eisenbahnbau, seit den 1860er
Jahren die Zuckerindustrie und das Mühlenwesen. Zu den
größten Firmen zählten die Braunschweigische Maschinenbauanstalt (BMA 1853, 1870), die Maschinenfabrik Seele & Co. und
die Deickesche Fabrik, die Maschinenfabrik und Mühlenbauanstalt Luther und Peters in Wolfenbüttel (1846), die Mühlenbau121
Zahl der Dampfmaschinen in der Stadt Braunschweig von 1832 bis 1874.
MIAG-Lehrlinge.
Faun der SMAG Salzgitter.
anstalt Ernst Amme, Carl Giesecke und Julius Konegen (1895)
in Wolfenbüttel, das Eisenwerk Carlshütte, Günter und Spamann in Schöningen, die Firma Friedrich Seele & Co. (seit 1870
BMA), die Dampfkesselschmiede und Gasometerfabrik August
Wilke und Co. (1856) und die Maschinenfabrik Johann Selwig
und Bruno Lange (1878), die Maschinenfabrik August Krull in
Helmstedt (Mitte der 1850er) und die Firmen Fuhrmann in
Schöppenstedt und Zickerick in Wolfenbüttel.
Die Herstellung von Landmaschinen erfolgte vor allem durch
Lefeldt und Lentsch in Schöningen, Giffhorn und Bormann
in Wolfenbüttel und durch die Maschinenfabrik und Kesselschmiede Pistorius in Holzminden (1846). Der Wagenbau erfolgte durch die Braunschweiger Firmen Braunschweigische
Eisenbahnwagenbauanstalt von Friedrich Deike (1876 liquide)
und Bock und Sohn.
Einen großen Markt hatte man auch für Nähmaschinen. Im
Jahre 1864 gründete Ferdinand Meyer eine der fünf Braunschweiger Nähmaschinenfabriken, die 1871 als „Grimme, Natalis & Co“ große Bedeutung erlangte und 500 bis 600 Menschen
beschäftigte. Im Jahre 1893 begann das Unternehmen mit dem
Bau von „Brunsviga-Rechenmaschinen“. Die Braunschweigische Eisenbahn ließ 1868 ein Stellwerk nach englischem Vorbild erbauen, dieser Versuch schlug aber so gründlich fehl, dass
zwei Jahre später die Bahnhöfe Börßum und Jerxheim Stellwerke aus England erhielten. Inzwischen war in Braunschweig
eine kleine Fabrik entstanden, die „Eisenbahnsignal-Bauanstalt
G. Ungnade“, die Bahnausrüstungsgegenstände und Sicherheitseinrichtungen herstellte. Dieses Unternehmen wurde mit
122
der Montage der englischen Stellwerke beauftragt. 1870 trat
der Ingenieur Heinrich Büssing (vorher Fahrräder gebaut) und
1873 der Kaufmann Max Jüdel in die Firma ein, nun die „Eisenbahnsignalbauanstalt Max Jüdel“ genannt. 1903 errichtete
Heinrich Büssing eine Autowerkstatt, in der LKWs und Busse
erstellt wurden und aus der eines der bedeutendsten Werke
Braunschweig entstand.
Die Darstellung:
Heinrich Büssing (18431929).
Für jedes dieser Unternehmen gibt es einzelne Exponate, besonders gut ist der Landmaschinenbau in der Landwirtschaftssammlung dokumentiert. Es gibt ausreichend Quellen- und Fotomaterial.
-
Max Jüdel (1845-1910).
die Elektrifizierung des Vorharzlandes
Für die wirtschaftliche Entwicklung des nördlichen Vorharzlandes war die Einführung des elektrischen Stroms von herausragender Bedeutung, wobei die Herstellung von Geräten
dafür selbst ein Teil der industriellen Entwicklung wurde. Die
Beleuchtung mit Strom vermittelte den Menschen ein vollkommen neues Lebensgefühl. Die Verwendung von Strom in den
Haushalten war wesentlich gesünder als die stark rußenden
Wachs- und Ölleuchten. Die Verwendung von Strom in den Fabriken ließ ein längeres Arbeiten zu, führte zum Einsatz neuer
Maschinen, bewirkte eine sprunghafte Steigerung der Arbeitsproduktivität.
In der Stadt Braunschweig gab es seit dem Jahre 1883 eine
Zentralstation, die elektrischen Strom lieferte, den sich anfangs
nur wohlhabende Bürger leisten konnten. Die erste Firma in
Braunschweig, die elektrischen Strom einführte, war die Firma Teichmüller & Holland, die mit ihren Vorführungen von
„elf Flammen Glühlicht mit Kohlefaden“ große Bewunderung
erregte. Auch die „Helmstedter Zuckerraffinerie“ war seit dem
Frühjahr 1883 mit 87 „elektrischen Flammen“ ausgerüstet. Ein
leistungsfähiges E-Werk wurde in Braunschweig im Jahre 1907
fertig.
Dem Braunschweiger Vorbild folgten bald mehrere E-Werke in
der gesamten Region. So errichtete im Jahre 1889 der Ringel123
Aufteilung des Braunschweigischen Landes auf die Stromlieferanten.
124
Die „Überlandzentrale Helmstedt A.G.“ in Ringelheim mit Kesselhaus, um 1920.
heimer Baron Walter von der Decken (1868-1941) in der Klostermühle Ringelheim ein E-Werk. Weitere E-Werke folgten auf
dem flachen Land.
Die Darstellung:
Für das Ringelheimer E-Werk besitzt das Museum mehrere
Exponate. Hier sollte eine Verteilerstation nachgebaut werden.
Quellen- und Fotos sind vorhanden.
-
die verkehrsmäßige Erschließung des Vorharzlandes
(Wegesystem, Fuhrwagen, Kutschen, Postkutschen,
Schlitten)
Im Rahmen der in Salder zu entwickelnden Ausstellung ist es
wichtig darauf hinzuweisen, mit welchen Fahrbahnen die ersten motorisierten Fahrzeuge um die Jahrhundertwende zurecht
kommen mussten. Das hat sowohl Einflüsse auf die technische
Gestaltung gehabt wie auch auf die Sicherheit der Fahrzeuge.
Außerdem ist der Ausbildungsstand der Fahrer zu berücksichtigen, der zu Beginn außerordentlich gering war. Die ersten Au125
Modell von Straßenaufbau.
Straßenwalze Kaelble.
tomobile wurden den Straßen angepasst, erst viel später haben
sich die Straßen nach den technischen Möglichkeiten der Autos
gerichtet (z. B. die Einführung von so genannten Schlackenspuren auf den Pflasterstraßen, die sich nach der Spurweite der
Fahrzeuge richtete).
Zu Beginn der Motorisierung waren die Straßen vor allem im
Überlandverkehr nicht mit einer festen Oberfläche versehen.
Das bedeutete, die nun schneller als Kutschen fahrenden Fahrzeuge haben erheblich mehr Staub aufgewirbelt, der sowohl den
anderen Straßennutzern (Fußgängern oder Pferdefuhrwerken)
als auch den Automobilisten selber viel Ärger eingetragen hat.
Die damals noch offenen Fahrzeuge haben es erfordert, dass
sich die Insassen der Fahrzeuge mit speziellen Kappen, Brillen
und Mänteln ausstatten mussten. (Die Straßen der damaligen
Zeit müssen in einem Modell nachgestellt werden. Historische
Filmaufnahmen mit rasant fahrenden Autos können die Dreckaufwirblung zeigen). Der Vergleich des Aufbaus römischer
Straßen mit denen des 19. Jahrhunderts zeigt, dass sich hier
im Prinzip nichts geändert hat. Allerdings sollte auch der heute
noch übliche Begriff „Macadam-Straße“ erläutert werden. Bei
Bristol in England wurde 1815 von dem Ingenieur John Loudon McAdam die erste geschotterte Straße gebaut. Der Unterbau der Straße wurde aus grobem Schotter hergestellt, darüber
lagen kleinere Steine und Schlacke. Diese Steine wurden gegeneinander verfestigt. Damit das Wasser abfließen konnte, wurde
die Straße mit einer gerundeten Oberfläche versehen, die am
Fahrbahnrand höher lag als das sie umgebende Oberflächenniveau. Dieser Fahrbahnaufbau hat sich im Prinzip bis heute
gehalten.
In Mitteleuropa wurde diese Straßenbauweise erst ab 1850 eingeführt. Die damaligen Chausseen sind dann so gebaut worden (in der Napoleonzeit wurden die Straßen schon möglichst
geradlinig von Kirchturm zu Kirchturm einer Stadt oder zwischen den Dörfern angelegt). Der Schweizer Ingenieur Albert
Merian ließ im Jahre 1854 erstmals eine Chaussee mit Asphalt
überziehen. Dazu ließ er pulverisierten Asphalt auf den Oberbau der Landstraße aufbringen und anschließend fest walzen.
Der Ursprung heutiger Straßen mit einem Teerüberzug liegt
etwa bei 1902, als von Guglielminetti in der Nähe von Monaco
eine Schotterstraße mit Teer überzogen wurde. Damit war dann
126
127
der Bau einer staubfreien Straße möglich, die bisher nur durch
aufwändiges Pflastern zu erreichen war. Um diese Änderungen
der Straßen zu verstehen, ist die Kenntnis der Nutzung des Autos zu Beginn des Jahrhunderts wesentlich: Am Anfang wurde
das Auto nahezu ausschließlich alt Sportgerät genutzt. Das zeigen die damals durchgeführten Autorennen bzw. die längeren
Tourenfahrten, die ihre Fortsetzung in großen Tourenrennen
von Paris bis Dakar u.ä. bis heute haben.
Nach der Jahrhundertwende wurde das Auto auch anderweitig
genutzt. Für Freiberufler, wie Ärzte, bedeutete das Auto eine
Erleichterung, konnte man doch mit den Fahrzeugen entfernt
wohnende Patienten Tag und Nacht betreuen. Das erforderte
die Installation von Lampen, die das Vorfeld der Autos ausleuchten konnten. Diese neuen Nutzer haben dann auch weitere
Veränderungen des Autos gefordert, zuerst die Installation von
Windschutzscheiben, dann von Teilverdecken und schließlich
von geschlossenen Karosserien. Diese „Endstufe“ der Entwicklung wird im Museum in Salder durch den vorhandenen Wagen
Marke „Essex“ visualisiert. Er war 1922 das erste preiswerte
amerikanische Fahrzeug mit einer geschlossenen Karosserie.
Die Darstellung:
Das Museum besitzt mehrere Fuhrwerke, alte Kutschen, alte
Schlitten, Handwagen u.s.w. Zudem stehen zumindest zwei
Straßenwalzen, Teerkocher zur Verfügung. Ein altes Straßenprofil kann ohne Probleme nachgestellt werden. Unterlagen und
Fotos stehen zur Verfügung. Es sollte noch eine alte Dampfwalze beschafft werden.
-
Verkehrsregulierung (Straßenverkehrsordnung,
Verkehrsschilder, Fahrprüfungen, Strafkatalog,
Unfälle, Verkehrssicherheit, Versicherungen,
Steuern, Kleidung, Umweltbelastung Verkehrsvereine
wie ADAC usw.)
Über Jahrhunderte hatten sich die Menschen zu Fuß, mit
Fuhrwerken oder Kutschen von Ort zu Ort bewegt. Reichere
Leute konnten sich auch ein Reitpferd leisten/halten. Diese sehr
langwierige Fortbewegung wurde abgelöst durch das Fahrrad,
128
Tanksäule.
Verkehrsschulung durch
KVG.
Verkehrsvorschriften
Reichsstraßenverkehrsordnung
die Eisenbahn, Straßenbahn, später durch das Motorrad, den
PKW, Bus. Doch diese letztere Entwicklung ging nur langsam
voran. Die Motorisierung nahm in Deutschland erst in den
1920er Jahren beachtlich zu. 1929 wurden fast 200.000 Motorräder in Deutschland jährlich hergestellt. Die Straßen wurden
daher ständig verbessert. Ein Netz von Händlern überzog das
gesamte Deutsche Reich und verkaufte Fahrräder, Motorräder
und PKWs. Die Reparaturen führten immer öfter Auto- und
Motorradschlosser in ihren Fachwerkstätten durch, nicht mehr
Schmiede. Das Benzin wurde nun in Tankstellen verkauft und
nicht mehr in Apotheken.
Als um die Jahrhundertwende das Auto begann, die „Welt“ zu
erobern, wurde es dringend notwendig, die Fahrer von Fahrzeugen mit Warnungen, Geboten und Verboten zu informieren.
In Berlin wurde seit 1902 erstmals an Kreuzungen der Verkehr
geregelt. Die 1910 erlassenen Verkehrsvorschriften wurden
präzisiert, 1922 die Kraftfahrzeugsteuer eingeführt (1906 als
Luxussteuer geschaffen) und 1923 eine Beleuchtungsverordnung erlassen. In den Ortschaften durfte man bis zu 30 km/h
fahren, das Nummernschild musste an Motorrädern auf dem
Schutzblech vorne befestigt sein (längs der Fahrtrichtung und
beidseitig beschriftet).
Der Börsenkrach im Oktober 1929 führte auch in Deutschland
zur tiefen Krise der Fahrzeugindustrie. In Deutschland wurde 1934 eine „Reichsstraßenverkehrsordnung“ erlassen, deren
Schilder weitgehend bis heute gelten.
Die Darstellung:
Die für das Betreiben von Sport notwendigen oder gern angezogenen Kleider/Moden sind im Museum ausreichend vorhanden.
Die Gesetzestexte befinden sich im Archiv. Weitere Quellen und
Fotos sind vorhanden.
129
-
Eisenbahnstreckenführung
Strecke Braunschweig - Derneburg
1886/1889
Das Eisenbahnwesen (Streckenführung, Bahnhöfe,
z. B. Lebenstedt, Bahnhofswirtschaft, Stellwerk, Loks,
Waggons, Eisenbahnzubehör, Fahrpläne, Uniformen,
Fahrscheine u.s.w.),
Das dominierende Transportmittel seit den 1830er Jahren
war in ganz Deutschland die Eisenbahn. Eisenbahnmäßig war
Braunschweig und natürlich noch mehr das zu Braunschweig
gehörende Gebiet in den Schatten der großen, wichtigen Verkehrslinien von West nach Ost (Hannover-Stendal-Berlin) und
von Nord nach Süd (Kassel-Hannover-Hamburg) geraten. Alle
wichtigen Strecken führten an Braunschweig vorbei. Die auf
Philipp von Amsberg zurückgehende Idee, das stark zerrissene
Herzogtum durch Eisenbahnlinien nach Magdeburg und Hamburg wirtschaftlich zu stärken, scheiterten an der Rivalität der
größeren Nachbarstaaten Hannover und Preußen, an der Lage
Braunschweigs nördlich des Harzes, aber auch an eigenen taktischen Fehlern der Braunschweiger Staatsbahnverwaltung.
Einer dieser Fehler war sicher der Verkauf der Braunschweigischen Eisenbahngesellschaft an Preußen, was der Braunschweigische Landtag am 3. Februar 1899 in einer Erklärung
bitterlich beklagte. Preußen hatte beim Verkauf der Braunschweigischen Staatseisenbahn versprochen, die verkehrs- und
volkswirtschaftlichen Interessen Braunschweigs zu beachten.
Obwohl Preußen ab 1889 im Herzogtum die Eisenbahnstrecken um 241 km erweitert hat, wurden die Zusagen nicht gehalten. Braunschweig blieb ohne direkte Verbindung mit den
großen aufstrebenden Wirtschaftsmetropolen wie Frankfurt,
Hamburg, Berlin und Köln.
Auch die verkehrsmäßige Erschließung des flachen Landes des
Herzogtums Braunschweig an die großen Verkehrswege über
Sekundärbahnen bzw. Nebeneisenbahnstrecken erfolgte im
Herzogtum nur zögerlich und spät, ab 1865. Von den zahlreichen, vor allem seit der Mitte der 1880er Jahre im Herzogtum
Braunschweig entstandenen Privateisenbahngesellschaften, die
zur Förderung der Wirtschaft und Landwirtschaft das Herzogtum mit einem relativ dichten Streckennetz überzogen, wurde
für die Verkehrsentwicklung der Stadt Braunschweig die Tätigkeit der 1884 als Aktiengesellschaft gegründeten „Braunschweigischen Landes-Eisenbahngesellschaft (BLE)“ besonders
130
Der zweite Bahnhof der Stadt Braunschweig, 1843/1845.
Eisenbahnentwurf Ambergs, 1832.
131
Entwicklung des Eisenbahnnetzes im Braunschweigischen Land.
132
Privatbahngesellschaften.
Ausbau des Braunschweigischen Eisenbahnnetzes von 1889 bis 1912.
133
Transportkapazität
wichtig, da diese Gesellschaft 1886/1889 den Bau der Lokalbahn
Braunschweig-Thiede-Salder-Lichtenberg-Derneburg
mit einem Abzweig nach Wolfenbüttel verwirklichte. An dieser
Strecke siedelten sich relativ schnell Fabriken an bzw. war die
Streckenführung so gewählt, dass bereits vorhandene Fabriken
nun einen Zugang an das große Verkehrsnetz gewannen. Auf
dieser Strecke wurden bereits im Jahre 1886 100.000 Personen und 38.000 Tonen Güter befördert, im Jahre 1911 waren
es 774.000 Personen und 1.400.000 Tonnen Güter. Im Mittelpunkt des Eisenbahnstreckennetzes im nördlichen Vorharzland
lag die Stadt Braunschweig, die vier Bahnhöfe hatte, die die
Stadt mit den umliegenden Städten und Dörfern verbanden:
der Hauptbahnhof, der Ostbahnhof, der Westbahnhof und der
Westbahnhof.
Die Darstellung:
Für die Darstellung gibt es im Museum den weitgehend abgebauten Bahnhof aus Lebenstedt, das Stellwerk Börßum, Eisenbahneruniformen, Schaffnerzubehör, Fahrpläne, Fahrkarten
u.s.w.
-
Geschichte von LHB
seit 1834
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Lok 125-Modell.
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LHB/Alstom (hier Integration der Gesamtsammlung
auf rund 2.500 m², LHB kommt aus Breslau, heute Sitz
in Salzgitter, hatte Firmentöchter in ganz Deutschland,
hat für den gesamten Weltmarkt Loks, Waggons,
Straßenbahnen, Flugzeuge u.a. produziert)
Gottfried Linke (18. Dezember 1792 - 28. Februar 1867) gründete in der 1834 von seinem Vater übernommenen Stellmacherei 1839 die „Wagenbauanstalt Gottfried Linke“ in Breslau/
Schlesien. Zu diesem Zeitpunkt erhielt er den Auftrag, für die
Oberschlesische Eisenbahn 100 offene Güterwagen zu bauen.
Mit der Entwicklung der Eisenbahn zum wichtigsten Fortbewegungsmittel des 19. Jahrhunderts wuchs das Unternehmen,
auch unter seinen Söhnen, die 1867 das Unternehmen als „G.
Linkes Söhne, Waggonfabrik, Breslau“ weiter entwickelten.
1889 konnte bereits der 120.000. Waggon ausgeliefert werden.
Angesichts der notwendigen Investitionen wurde das Familienunternehmen 1897 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.
134
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LHB/Alstom-Hauptverwaltung mit LHB-Logo.
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Im Jahre 1897 erwarb die „Breslauer AG für Eisenbahnwagen][iY^_Y^j["m[Z[hh[]_edWbdeY^Z[kjiY^bWdZm[_j"deY^pkh=[iY^_Y^j[Z[h
bau“ die „Maschinenbauanstalt Breslau GmbH vorm. G. H. von
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Ruffer“, die 1833 gegründet worden war und 1861 die erste Loie_h[ikdZCeZ[bb[[_d[i[_dp_][d>[hij[bb[hi$:WiB>8#M[haicki[kc[dj#
komotive an die Oberschlesische Eisenbahngesellschaft gelieijWdZe^d[cki[ebe]_iY^[{X[hb[]kd][d]WdpWkiZ[cH[fhi[djWj_edi#
fert hatte. Dieses Unternehmen wurde zur Abteilung der Linke
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AG und baute ab 1900 Lokomotiven für die Linke-HofmannZWcWbim_[Z[h][medd[d[m_hjiY^W\jb_Y^[Fej[dpZ_[i[i>[hij[bb[him_Z[h$
Werke. Die Rufferschen Werkstätten wurden stillgelegt. 1906
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wurden die „Breslauer AG für Eisenbahnwagenbau“ und die
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Abteilung Waggonbau zusammengelegt. Der neue Name laukdj[hbWii[d[d?dijWdZi[jpkd]iWk\m[dZkd][dZkhY^b[_^m[_i[i{X[hbWii[d
tete nun „Breslauer AG für Eisenbahnwaggonbau und MaschiZ[hEX`[aj[Z[h\\[djb_Y^[d>WdZ”X[h][X[dcY^j["ZWZWiM[haicki[#
nenbauanstalt, Breslau“. Das Unternehmen wuchs weiter. 1912
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schloss es sich mit der „Waggonfabrik Gebr. Hofmann & Co.
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AG, Breslau“ zusammen, die 1856 gegründet worden war. Der
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neue Name lautete nun „Linke-Hofmann-Werke – Breslauer
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AG für Eisenbahnwagenbau, Lokomotiv- und Maschinenbau“.
1917 wurde die 1866 gegründete „Waggonfabrik AG vorm. P.
Herbrand & Cie.“ in Köln-Ehrenfeld in das Unternehmen inte&%+
griert. Während der ersten Weltkrieges baute LHB auch Flugzeuge.
135
Radsätze des nach der Verrentung Putzes nicht mehr realisierten
Nachbauprojektes
im Lichthof des LHB-Museums.
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Nach
dem Ende des Ersten Weltkrieges ging die Expansion von
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LHB
weiter. 1920 wurde die 1854 gegründete „Maschinenfabrik
H. Füllner“ in Warmbrunn übernommen. Weiterhin wurden
75 % der 1725 gegründeten „AG Lauchhammer“ erworben.
1921 erfolgte die Übernahme der 1862 gegründeten „Waggonfabrik J. P. Gossens, Lochner & Co.“ in Brand bei Aachen.
Zudem wurde im gleichen Jahr der Zusammenschluss mit der
AEG beschlossen. 1923 erfolgte die Übernahme der in Mochbern angesiedelten und 1875 gegründeten „Archimedes AG für
Stahl- und Eisenindustrie“, im Jahre 1928 die Fusion mit der
„Waggon- und Maschinenfabrik AG vorm. Busch, Bautzen“, mit
der „Sächs. Waggonfabrik Werdau AG“ in Werdau und der
„Linke-Hofmann-Werke AG“ in Breslau zur „Linke-HofmannBusch-Werke AG“. 1934 wurde das Unternehmen in zwei Betriebsgesellschaften aufgeteilt: „Linke-Hofmann-Busch-Werke
AG“ in Breslau und die „Waggon- und Maschinenfabrik vorm.
Busch“ in Bautzen. Weitere Werkzukäufe und auch –abgaben
erfolgten bis 1945.
Durch den Ausgang des Zweiten Weltkrieges gingen die Werke in Breslau und Bautzen verloren und in West-Deutschland
musste ein Neuanfang gemacht werden. Nach 1945 schlossen
die „Linke-Hofmann-Werke AG“ und die „Waggon- und Maschinenfabrik AG vorm. Busch“ mit der „Stahlwerk GmbH“ in
Salzgitter eine Interessensgemeinschaft. Die Stahlwerke Braun136
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schweig stellten die Fertigungseinrichtungen zur Verfügung,
LHB das Know how. Als FAMAS wurde ab 1950 in Salzgitter
mit Waggonsanierung begonnen, seit 1958 wieder Waggonbau
betrieben.
Im Jahre 1994 kaufte der internationale Konzern „GEC ALSTOM“ von der Preussag 51 % der Firmenanteile von LHB.
1997 übernahm dieser Konzern auch die restlichen 49%. 1998
wurde aus drei Gesellschaften „ALSTOM“ gegründet, deren
Tochter von da ab als „ALSTOM LHB GmbH“ firmierte. Im
Jahre 2009 erfolgte die Umbenennung in „ALSTOM Transport
Deutschland GmbH“.
Nachdem sich LHB nach dem Zweiten Weltkrieg in Salzgitter
angesiedelt und schrittweise wieder Boden unter den Füßen gewonnen hatte, wurde parallel zum Auf- und Ausbau des Werkes ein Werksmuseum seit Anfang der 1960er Jahre errichtet
bzw. eingerichtet. Auftakt und Motivation war die 1959 erfolgte Schenkung eines Salonwagens der Kaiserin Auguste Victoria
anlässlich des 120jährigen Firmenjubiläums. Schrittweise wurde danach das Museum mit Produkten von LHB erweitert. So
entstand ein für ganz Deutschland und für die Region zwischen
Harz und Heide beeindruckendes Industriemuseum mit dem
Schwerpunkt Eisenbahngeschichte. Heute sind folgende Exponate im Museum zu finden:
137
Salonwagen 9 200 299, erbaut 1911 als Hofsalonwagen 2a der
Kaiserin Auguste Victoria (1858-1921).
138
Salonwagen 9 200 299, erbaut 1911 als Hofsalonwagen 2a der
Kaiserin Auguste Victoria (1858-1921).
Zweiteiliger Gelenk-Doppelstockwagen der LBE 30 005, erbaut
1937 in den Linke-Hofmann-Werken in Breslau. Mit Scharfenbergkupplung.
139
SVT 137 277, wurde ab 1938 für den Schnellverkehr Berlin-Köln
erbaut. Nach dem Krieg noch als VTO 6 104 bis 1958 im Betrieb.
Legendäre preußische Personenzugdampflok 2412 Hannover,
wurde 1913 erbaut in Breslau mit der Fabriknummer 1068. 1960
ausgemustert.
140
Lok 39 184 wurde 1924 in Breslau erbaut und mit der Fabriknummer 2922 ausgeliefert. 1960 ausgemustert.
B-Kuppler-Dampflok, wurde 1922 in Breslau erbaut und mit der
Fabriknummer 2539 ausgeliefert.
750mm-Schmalspur-Dampflokomotive von 1926, ausgeliefert
1926 mit der Fabriknummer 2617, 1967 ausgemustert.
141
Elektrische Lokomotive von 1916 mit der Fabriknummer 1104
ausgeliefert. 1961 auf Oberleitungsbetrieb umgerüstet. Wurde
1983 an LHB abgegeben.
Triebwagen ET 171 044a, erbaut 1942. 1990 ausgemustert. In
Hamburg eingesetzt.
142
Kesselwagen 503 281, erbaut 1921.
Drehgestell.
Modell.
143
Mehre Drehgestelle, Einzelachsfahrwerke, Modelle, Firmenzeichen u.a. sind im LHB-Museum.
144
Mit dem Angebot von Alstom, die Objekte des LHB-Museums
in Gänze dem Museum Schloß Salder zu übergeben, wäre es
möglich, nicht nur die Geschichte des Schienenverkehrs im
Salzgittergebiet, sondern darüber hinaus Aspekte der Bahngeschichte Deutschlands der Öffentlichkeit zu präsentieren. Folgende Bereiche könnten mit dem Fahrzeugpark von LHB mit
zwei bis drei Ergänzungen dargestellt werden:
-
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-
Dampflokomotiven – die Königinnen des
Schienenstrangs,
Innovationen auf Schienen
Werksbahnen
Nahverkehr
Standesunterschiede
Güterwagen.
Dampflokomotiven – die Königinnen des Schienenstrangs
Lokomotiven aus den Kindertagen der Eisenbahn sind als Unikate z. B. im Verkehrsmuseum Dresden oder im Verkehrsmuseum Nürnberg zu besichtigen. Während nach der Jahrhundertwende kleinere Dampflokomotiven für den Regionalverkehr,
insbesondere auch für den Rangierdienst in den Bahnhöfen
und für Werksbahnen eingesetzt wurden, wurden große leistungsfähige Schlepptenderlokomotiven für den Fernverkehr
entwickelt. Mit der preußischen Schlepptenderlokomotive „P
8“ mit dem Namen „Hannover“, die 1913 im Werk Breslau produziert wurde, verfügt das LHB-Museum über ein Exemplar
der am meisten gebauten Dampflokbaureihen Deutschlands
(über 3.800 Exemplare wurden bis 1928 gebaut). Die Lok wurde hauptsächlich für Personenzüge, aber auch für Eilgüterzüge eingesetzt. Neben der preußischen Staatsbahn setzten auch
andere inländische und ausländische Bahnverwaltungen diese
Lok ein. Bei ihrer Rückkehr in das LHB-Museum wurde die
Lok mit ihrer schwarzen Lackierung durch die Reichs- und
später Bundesbahn wieder in die Ursprungfarben (PreußischGrün) umlackiert. Ihre Nachfolgerin, die Schlepptenderlokomotive „P 10“ gilt als stärkste Personenzuglok der deutschen
Länderbahnen. Es war eine komplette Neuentwicklung, um die
Lokomotiven noch leistungsfähiger zu machen. So sollten bei
145
langen Schnellzügen und Personenzügen in Mittelgebirgen die
Vorspanndienste von anderen Lokomotiven überflüssig werden. Zwischen 1922 und 1927 wurden 260 Maschinen von verschiedenen Firmen gebaut. Das Exemplar des LHB-Museums,
die BR 39184 (so die Bezeichnung der Deutschen Reichsbahngesellschaft) wurde 1924 in Breslau gebaut und war bis 1960
im Einsatz. Die Ära der Dampflokomotiven hatte in den 1930er
Jahre mit den Schlepptenderlokomotiven „BR 01“ und „BR 05“
ihren Höhepunkt. Da beide vorhandene Maschinen bis weit in
die 1950er Jahre erfolgreich auf den Schienen der Bundesbahn
liefen, ist die Dampflokära mit diesen beiden Maschinen gut
abgedeckt. Ein besonderes Dampflokexemplar befindet sich im
Besitz des Museums Salder. Es ist eine Hanomag aus dem Jahre
1923 mit finnischer Spurbreite, die die finnische Partnerstadt
Imatra dem Museum Salder geschenkt hat.
Innovationen auf Schienen
In den 1920er/1930er Jahren standen bei den verschiedenen
europäischen Eisenbahn-Gesellschaften zwei Komponenten
der Fernreisezüge im Mittelpunkt des Interesses: Die Reisezeit
sollte weiter verkürzt und für die Reisenden noch bequemer
werden. Insbesondere die für Reisende immer attraktiver werdende Konkurrenz der Fluggesellschaften führte zu neuen Entwicklungen bei Schienenfahrzeugen. Das wohl spektakulärste
Fahrzeug ist sicherlich der Schienenzeppelin von Franz Kruckenberg. Dieses wurde 1930 in Hannover-Leinhausen gebaut
und stellte 1931 einen neuen Geschwindigkeitsrekord von 230
km/h auf, der 24 Jahre Bestand hatte. Während der Erprobungsfahrten konnte man den Schienenzeppelin auch auf der
Strecke Kreiensen-Braunschweig im Salzgittergebiet bewundern. Auf Grund technischer Mängel - so konnten keine weiteren Fahrzeuge angekoppelt werden und ein Rückwärtsfahren
war nicht möglich – kam es zu keiner Serienproduktion des
Schienenzeppelins. Ab 1932 wurden Schnelltriebwagen entwickelt. Der zweiteilige „Fliegende Hamburger“ wurde ab 1933
auf der Strecke Hamburg –Berlin eingesetzt. Er gilt als Prototyp für den „SVT 137277“, der ab 1938 als dreiteilige Zugeinheit von LHB für den Schnellverkehr zwischen Berlin und Köln
eingesetzt wurde. Mit einem verbesserten Raumangebot – 102
146
Plätze der 2. Klasse in sehr gut ausgestatteten Abteilen und 30
Plätzen im Speisewagen – gegenüber den anderen Triebwagen
und einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h entsprach er
den Vorstellungen vom bequemen und schnellen Reisen.
Die Lübeck-Büchner-Eisenbahn (LBE) mit ihren Endbahnhöfen Lübeck-Hamburg stand Anfang der 1930er Jahre vor dem
Problem, das stetig wachsende Fahrgastaufkommen auf der
Strecke bei einer möglichst kurzen Fahrzeit noch zu bewältigen.
Zusammen mit dem Lokomotivhersteller Henschel in Kassel –
hier konstruierte man stromlinienförmige Tenderlokomotiven
– wurden u. a. bei LHB „Doppelstockwagen mit Steuerwagen“
gebaut. Mit diesem Steuerwagen fielen zeitaufwendige Wendebzw. Umsetzfahrten der Lokomotiven weg und die –fahrtzeit
zwischen Lübeck und Hamburg betrug damit weniger als eine
Stunde. Zudem konnten mit der zweiten Sitzebene sehr viel
mehr Fahrgäste mitgenommen werden.
Werksbahnen
VPS-Lok, im Besitz des
Museums.
Bei der Industrialisierung spielte der Einsatz von Schienenfahrzeugen eine herausragende Rolle. Zum einen konnten innerhalb des Betriebsgeländes Rohprodukte transportiert werden und zum anderen konnten die entsprechenden Fertigwaren
über die Schienennetze der Länder- und Reichsbahnen schnell
zum Endabnehmer transportiert werden. Darüber hinaus führten firmeneigene Schienenfahrzeuge auch Personentransporte
durch. LHB hat mit einer Vielzahl von Fahrzeugen auch diesen
Bedarf abgedeckt. Das älteste diesbezügliche Objekt der Sammlung ist eine elektrische Lokomotive Typ „Bo“, die 1916 mit der
Fabriknummer 1104 als Akkumulatorenlok ausgeliefert wurde. 1961 erfolgte die Umrüstung auf Oberleitungsbetrieb . Die
Lok fuhr für die Bremer Lagerhaus Gesellschaft. Die Tenderlok Typ „B“, die 1922 mit der Fabriknummer 2539 an die Bergwerks AG Gelsenkirchen ausgeliefert wurde und zuletzt bei der
Hafenbahn in Wilhelmshaven lief, steht für unzählige Tenderlokomotiven der Typen „B“, „C“, „D“, die als Werksloks als
„Arbeitstiere“ unermüdlich tätig waren. Angelöst wurden die
Dampfloks in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den
meisten Fällen von den Dieselloks, wie sie auch von der VPS in
Salzgitter auf dem Hüttengelände eingesetzt wurden (ein Exem147
plar befindet sich bereits im Besitz des Museum Schloß Salder).
Um die Arbeitnehmer der Hütte möglichst schnell und bequem
an den Arbeitsplatz zu bringen, wurden zunächst von Dampflokomotiven gezogene Personenzüge eingesetzt. 1957 entwickelte
LHB den „VT 40901“ (Hüttenflitzer), der als Dieseltriebwagen
bei der VPS bis zur Einstellung des Personenverkehrs im Jahre
1976 im Einsatz war (ein Exemplar befindet sich im Besitz der
Salzgitter AG – Verkehrsbetriebe, die Salzgitter AG hat in Aussicht gestellt, dass das „Museum für Industrie, Technik, Arbeit
und Mobilität“ den „Hüttenflitzer“ erhält).
Eine besondere Form der Werkslok sind die Schmalspurloks,
die auf Grund der schmaleren Spurbreite der Gleise weniger
Platz benötigen. Die „750mm-Schmalspur-Tenderlokomotive Typ
‚B’“ mit der Fabriknummer 2617 wurde 1926 an die „Gewerkschaft Humboldt und Grube“ in Thüste-Wallensen ausgeliefert
und im dortigen Braunkohletagebau eingesetzt. Die Schmalspur-Elektrolok von Siemens wurde in den 1930er Jahren bis
in die 1960er Jahre für den Material- und Personentransport
im Untertagebau in Salzgitter eingesetzt.
Nahverkehr
Um in den Großstädten in immer kürzerer Zeit immer mehr
Menschen zum Arbeitsplatz zu bringen, waren der Ausbau und
die Erneuerung des städtischen Verkehrsnetzes von großer Bedeutung. Zwar gab es bereits Ende des 18. Jahrhunderts schienengebundene Pferdebahnen, aber erst mit der Motorisierung
dieser Bahnen entwickelte sich ein zuverlässiges Massenverkehrsmittel in den Städten. Im Jahre 1904 eröffnete Heinrich
Büssing die erste Buslinie von Wendeburg nach Braunschweig
und von Lebenstedt-Salder nach Braunschweig mit Motor-Omnibussen. Im Jahre 1909 folgte die Gründung der KVG, einer
Personenbeförderungsgesellschaft (anlässlich des 100jährigen
Bestehens dieser Gesellschaft wurde die Geschichte des Unternehmens detailliert aufgearbeitet, Exponate gesammelt, so z. B.
Uniformen, Arbeitsgeräte der Schaffner, Geldwechselautomaten, Verkehrsschulungsgeräte, Fahrpläne, Fahrkarten usw.).
148
Standesunterschiede
Mit dem „Salonwagen 9200299“, erbaut im Jahre 1911 als
Hofsalonwagen 2a für die deutsche Kaiserin Auguste Victoria
(1858-1921) verfügt die Sammlung über ein Fahrzeug, das in
seiner Ausstattung für die damalige Zeit nicht zu überbieten
war. Hiermit konnten eben nur die Kaiserin und ihr Hofstaat
reisen. Demgegenüber gestellt werden sollte ein Wagen der III.
bzw. IV. Klasse. Derartige Wagen stehen im Augenblick in den
unterschiedlichsten Erhaltungsständen im Lokpark Braunschweig. Darunter auch ein dreiachsiger Waggon mit der Bezeichnung „CDI-PR. 14“ -, der im Jahr 1917 bei LHB gefertigt wurde. Dieser Wagen sollte nach Salzgitter geholt werden,
wenn einem solchen Ansinnen die Braunschweiger Eisenbahnfreunde zustimmen würden.
Güterwagen
Als Beispiel für den Transport von Gütern jeglicher Art befinden sich in der LHB-Sammlung ein „Niederbordwagen“ aus
dem Jahre 1869 und ein „Kesselwagen mit Bremserhaus Nr.
503281“ aus dem Jahre 1921, den LHB als Stiftung von der
Firma VTG erhielt. Um die Vielfalt des schienengebundenen
Transportes von Gütern aller Art zu dokumentieren, wäre ein
gedeckter Güterwaggon als Ergänzung der Sammlung notwendig. Bei der Bedeutung des Schieneverkehrs bei der Stahlproduktion wäre ein Erzwagen der Salzgitter AG eine sehr gute
und nützliche Ergänzung. Für den Bereich des Untertagebaus
kämen zwei Waggons für die Personenbeförderung in Frage,
die sich bereits im Eigentum des Museums Salder befinden.
Präsentation der Fahrzeuge im Museum
Neben den Lokomotiven und Waggons enthält die LHB-Sammlung noch eine Dampfhammerpresse aus dem 19. Jahrhundert,
mehrere Fahrgestelle, den Nachbau (nur teilweise) einer der
ersten, im 19. Jahrhundert gebauten von LHB gebauten Lokomotiven, zahlreiche Modelle der eigenen Produktreihen, Firmenlogos für die für mehrere Länder hergestellten Loks bzw.
Waggons. Um alle aufgeführten Objekte vernünftig im MITAM
149
Möglichkeit der Besichtigung des Inneren der Waggons über Laufsteg.
150
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(enthalten im: Masterplan, S. 129).
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Modell.
Niederbordwaggon mit
Robotraupe.
Presse.
Hanomag-Lokomotive,
im Besitz des Museums
Schloß Salder.
präsentieren zu können, müssen die Schienenstränge durchgängig durch die Hallensegmente verlaufen. In die Schienenführung sollte das Börßumer Stellwerk integriert werden (ist
im Museum vorhanden). Das Stellwerk soll nur ein Beispiel für
die Sicherheitstechnik beim Bahnverkehr sein. Innerhalb der
Ausstellung wird auch ein Teil eines beschrankten Bahnübergangs der 1950er Jahre nachgebaut, um auf die Problematik
„sich kreuzender Verkehrswege“ aufmerksam zu machen.
Der Besucher beginnt seinen Gang durch die Geschichte der
Eisenbahn mit den Objekten zum Nahverkehr an einer Haltestelle. Dort wird eine Figur über den beschwerlichen Weg
zur Arbeit ohne moderne Verkehrsmittel berichten. Den Übergang zu dem Bereich Werksbahnen stellen dabei sowohl der
„ET 171“ als auch der so genannte „Hüttenflitzer“ dar. Bei der
Präsentation des Hüttenflitzers, der ein weiteres Highlight innerhalb der Ausstellung darstellen kann (die Salzgitter AG hat
den letzten noch existierenden Hüttenflitzer erworben und in
Aussicht gestellt, dass das „MITAM“ ihn erhalten wird), muss
auf die Personenbeförderung für die Salzgitter AG hingewiesen
werden, d. h. vom so genannten „Gummibahnhof“ in den Anfängen der Hütte bis letztlich auch zum Individualverkehr der
1980er/1990er Jahre. Als Ergänzung zur schienengebundenen
Personenbeförderung innerhalb von Industriebetrieben käme
noch der „Untertage-Zug“ in Frage. Zwei Güterzug-Garnituren – „Tenderlok B-Kuppler mit Niederbord- und Kesselwagen“
und „Diesellok der VPS mit Erzwagen“ – sollen auf die Vielfalt
der Güterbeförderung hinweisen. Eine angedeutete Verladerampe wird auf die Entwicklung des Güterverkehrs hinweisen.
Eine Figur, die dort einen Wagen ent- bzw.- belädt, wird u. a.
auch von den Schwierigkeiten der Fuhrunternehmen berichten, die durch die Eisenbahn eine nicht zu schlagende Konkurrenz erhielten.
-
Straßenbahnen
Um in den Großstädten in immer kürzerer Zeit immer mehr
Menschen zum Arbeitsplatz zu bringen, waren der Ausbau und
die Erneuerung des städtischen Verkehrsnetzes von großer Bedeutung. Zwar gab es bereits Ende des 18. Jahrhunderts schie152
nengebundene Pferdebahnen, aber erst mit der Motorisierung
dieser Bahnen entwickelte sich ein zuverlässiges Massenverkehrsmittel in den Städten. Die Straßenbahnen verbanden die
Innenstadt mit den Außenbezirken und förderten damit letztendlich auch die Ansiedlung neuer Industriebetriebe und Siedlungen an der Peripherie der Städte.
Straßenbahnstrecken
Von der Pferdebahn
zur Straßenbahn
Die Straßenbahnen verbanden die Innenstadt mit den Außenbezirken und förderten damit letztendlich auch die Ansiedlung
neuer Industriebetriebe und Siedlungen an der Peripherie der
Städte. Am 11. Oktober 1879 wurde die Braunschweiger Pferdebahn zur Erschließung der Braunschweiger Innenstadt eröffnet. Das interessanteste daran war, dass die Bahn auf Lochschienen lief und die Räder der Achsen Zapfen hatten. Dieses
System hatte jedoch einen Nachteil, sobald die Löcher verstopft
waren, entgleiste die Bahn. Dieses System konnte sich nur bis
zum Sommer 1881 halten und wurde innerhalb weniger Wochen
auf das heute bekannte System mit Vignol- und Rillenschienen
umgebaut. Auch wurde das Netz weiter ausgebaut, blieb jedoch
im Bereich der alten Wallanlagen der Stadt begrenzt. Die letzte
Pferdebahn verkehrte bis 1904 auf dem Abschnitt Marienstift
bis Friedhof Helmstedter Straße. Hier war das Problem die
Querung der Eisenbahnstrecke. Ab 1904 mussten die Fahrgäste
weiterhin zu Fuß über die ebenerdige Bahnstrecke gehen und
dahinter in den Pendelwagen der elektrischen Straßenbahn
einsteigen. Dieser durfte nämlich nur morgens und abends die
Gleise der Eisenbahn überqueren.
1897 wurde dann die Elektrifizierung der Pferdebahn von der
Stadt Braunschweig beschlossen und auch nach Wolfenbüttel
wurde eine elektrische Straßenbahnverbindung gebaut. In der
Mitte der Strecke wurde am Sternhaus eine Gaststätte von der
Straßenbahngesellschaft gebaut, um den Ausflugsverkehr zu
erhöhen. Das Kraftwerk zur Stromversorgung wurde an der
Eisenbütteler Straße in Braunschweig errichtet, wo auch der
Betriebshof und die Werkstatt der elektrischen Straßenbahn
gebaut wurden.
In den nächsten Jahren wurden viele neue Straßenbahnstrecken in die entfernteren Wohngebiete Braunschweigs gebaut.
153
Bau einer Straßenbahnstrecke bis zu
den Reichswerken
Auch heute anmutig erscheinende Planungen waren damals im
Gespräch, wovon jedoch keine realisiert wurde und die Strecke
nach Wolfenbüttel die einzige Überlandlinie blieb. Auf diesem
Streckenabschnitt wurde auch Güterverkehr für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse zur Markthalle in Braunschweig angeboten, welche sich nördlich vom Hagenmarkt befand.
Des weiteren gab es eine Güterverbindung zum Kraftwerk in
der Wilhelmstraße in Braunschweig, von der Hamburger Straße aus. Diese Verbindung war bis vor dem Zweiten Weltkrieg in
Betrieb. Im Jahre 1928 wurden neue Güterwagen beschafft, wo
die Betriebsanweisung in einem Buch veröffentlicht vorhanden
ist. Jedoch sind keine Bilder vom Betrieb bekannt.
In der ersten Zeit wurden die Linien mit Farben dargestellt, gegen 1912 erfolgte dann die Umstellung auf Liniennummern. Die
Entwicklung der Straßenbahn war in nächster Zeit auf technische und betriebliche Abläufe beschränkt. Zum Schutz der
Fahrer wurden die Fronten verglast, um bei schlechtem Wetter
besser geschützt zu sein. Das Streckennetz wurde immer mehr
zweigleisig ausgebaut, damit der Verkehr reibungsloser laufen konnte. Einige Strecken durch die Innenstadt von Braunschweig wurden aufgegeben, da die Radien zu eng waren.
Ende der 1920er Jahre fand die erste große Fahrzeugmodernisierungswelle bei der Braunschweiger Straßenbahn statt. Die
neuen Fahrzeuge ersetzten die Wagen aus der Anfangszeit der
elektrischen Bahn und auch die letzten noch vorhandenen Wagen der Pferdebahn, welche dann hinter den Triebwagen der
Elektrischen liefen.
Im Jahre 1937 war die größte Ausdehnung des Braunschweiger
Streckennetzes mit der Verlängerung der Straßenbahn nach
Riddagshausen erreicht. Riddagshausen war damals schon ein
großes Ausflugsziel der Braunschweiger, unter anderem hatte
dort Hermann Göring seine Jagd.
Im Jahre 1941 wurde ein neuer großer Betriebshof für die Straßenbahnen mit Werkstatt gebaut, in der Gemarkung Altenwiek.
Dieser Betriebshof sollte die erste Werkstatt der Straßenbahn
an der Eisenbütteler Straße ersetzen. Denn dort wurde für den
neuen geplanten Durchgangsbahnhof der Eisenbahn Platz für
den Bahndamm benötigt.
Auch zu diesem Zeitpunkt gab es Planungen, die Straßenbahn
bis zu den Reichswerken im Salzgittergebiet zu bauen. Bis auf
154
einige Baumaßnahmen an der heutigen Eisenhüttenstraße ist
daraus nichts geworden. Der Zweite Weltkrieg führte dazu,
dass durch alliierte Luftangriffe auch in Braunschweig Teile
der Straßenbahn beschädigt wurden. Doch konnte nach Ende
des Zweiten Weltkrieges der Straßenbahnbetrieb schnell wieder aufgenommen werden. Im Jahre 1949 wurden die ersten
neuen Straßenbahnwagen nach dem Kriege geliefert. Jedoch
veränderte sich in der Folgezeit das Denken und die Straßenbahn wurde als verwaltet dargestellt. Dies führte zu erheblichen
Betriebsumstellungen. Der Omnibus gewann an Bedeutung.
Im Jahre 1954 wurden die Überlandstrecken nach Wolfenbüttel auf den Omnibus umgestellt und in den folgenden Jahren
sollten weitere Strecken folgen: 1955 Madamenweg und Stadtpark, 1959 Ölper.
Zu diesem Zeitpunkt wurden die Planungen für den neuen
Durchgangsbahnhof wieder aufgenommen und in dem Bereich
südlich des Haltepunktes Braunschweig Ost an der Helmstedter Straße. Dieser Bau erfolgte dann Ende der 1950er Jahre und
die Deutsche Bundesbahn pochte bei der Stadt Braunschweig
auf die Erfüllung eines Straßenbahnanschlusses des neuen
Hauptbahnhofes. Im Jahre 1938 hatte die damalige Deutsche
Reichsbahn mit der Stadt vereinbart, solange in Braunschweig
eine Straßenbahn verkehrt, muss der neue Hauptbahnhof mit
zwei Linien angeschlossen werden. Dieser Vertrag hat die Straßenbahn gerettet.
So wurde eine neue Strecke vom Augustplatz (heute: J. F.
Kennedy-Platz) zum Hauptbahnhof gebaut und vom Leonhardplatz eine Verbindung, um auch auf kurzem Wege vom
Betriebshof Altewiek zum Hauptbahnhof zu gelangen. Durch
die Eröffnung des neuen Hauptbahnhofes und der Einführung
des City-Ringes für den Autoverkehr wurden einige Strecken
in der Innenstadt eingestellt.
Bereits 1957 wurden die ersten Großraumwagen für Braunschweig beschafft, welche dann überwiegend ab 1960 auf den
Linien zum Hauptbahnhof eingesetzt wurden. Die Triebwagen
wurden von LHB in Salzgitter und die Beiwagen von DWB
Berlin bezogen.
Jedoch waren die 1960er Jahren noch durch weitere Einstellung von Strecken geprägt. 1963 wurde wegen einer Baumaßnahme in der Kastanienallee die Straßenbahn nach Riddags155
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156
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hausen eingestellt und bei der Wiederherstellung der Straße die
Schienen nicht wieder eingebaut. 1967 wurde der Bereich zur
Frankfurter Straße eingestellt. 1969 wurde durch den Ausbau
der Berliner Straße das Streckennetz nochmals auf eine Länge
von 12 Kilometern gekürzt. Jedoch wurde zu dieser Zeit auch
der Ausbau von neuen Strecken angegangen.
Im Herbst 1969 wurde die Straßenbahn vom Stadion nach Rühme verlängert und 1970 in den Heidberg. 1975 wurde eine neue
Verbindung durch die Georg-Eckert-Straße gebaut, um eine
zweite Ausrückstrecke vom Betriebshof zu haben. 1978 wurde das größte Neubauprojekt bei der Straßenbahn eröffnet, die
Anbindung der Weststadt mit der Innenstadt, insgesamt wurden über 5 Kilometer Strecke neu gebaut. Zudem wurden bis
Anfang der 1970er Jahre die letzten zweiachsigen Triebwagen
gegen moderne sechsachsige Gelenktriebwagen ersetzt. In der
Folgezeit wurde das Netz immer wieder weiter ausgebaut. 1995
wurden die ersten Niederflurbahnen nach Braunschweig geliefert und ersetzten die Straßenbahnwagen der 1960er Jahre.
Im Jahre 2006 wurde die letzte Straßenbahnneustrecke nach
Stöckheim eröffnet, die auf Teilen der ehemaligen Strecke nach
Wolfenbüttel von 1897 verläuft. Im Jahre 2009 wurde der Betriebshof Altewiek an den Hauptgüterbahnhof verlegt, um die
Werkstatt den aktuellen Vorschriften und Bedingungen anzupassen. Das Straßenbahnnetz hat jetzt eine Ausdehnung von
rund 39 Kilometern.
Seit Mitte der 1990er Jahre war/ist geplant, das Gebiet zwischen Harz und Heide mit einer RegioStadtBahn zu vernetzen.
Aus Kostengründen und verschiedenen Widerständen wurde
das Projekt im Jahre 2011 eingestellt/zurückgestellt.
Die Darstellung:
Bei der Braunschweiger Verkehrs-AG sind noch einige Oldtimer
der Straßenbahngeschichte vorhanden, die z.T. auch für Sonderfahrten vermietet werden, darunter befindet sich auch eine
Straßenbahn, die 1968 von LHB entwickelt wurde (Tw 15). In
der Sammlung des LHB-Museums befinden sich zwei Straßenbahnen aus der eigenen Produktion, die noch wesentlich älter
sind. Der „Triebwagen T 27“ wurde 1928 in Breslau gebaut und
fuhr bis 1967 in Berlin. Die zweite 1950/1951 erbaute Straßen157
bahn – der „Triebwagen V 6“ – wurde in Hamburg eingesetzt
und 1978 ausgemustert. Der Wunsch der Verkehrsplaner, das
Schienenetz der Eisenbahn in den Großstädten ebenfalls für den
Nahverkehr nutzen zu können - dies war bei den schmalspurigen Straßenbahnen nicht möglich –, führte zur Entwicklung
von Triebwagen wie den „ET 1711044a“, der ab 1942 bis Ende
der 1980er Jahre in Hamburg eingesetzt wurde. Die ursprüngliche Farbgebung des Fahrzeuges von LHB – ein dunkles Blau
– wich im Verlauf der Jahrzehnte der aktuellen Farbgebung
der Bundesbahn. Das ausgestellte Fahrzeug ist renovierungsbedürftig. Dabei stellt sich dann die Frage, ob zumindest ein
Teil des Fahrzeuges wieder in den Ursprungszustand zurückversetzt werden sollte.
Das Unternehmen Scharfenberg
Scharfenbergkupplung
Auf Grund der großen Verletzungsgefahr beim Kuppeln von
Eisenbahnwaggons wurde bereits 1873 vom Verein Deutscher
Eisenbahnverwaltungen (VDEV) ein Wettbewerb ausgelobt,
dessen Ziel es sein sollte, Eisenbahnwaggons zu kuppeln, ohne
dass der Rangierer zwischen die Waggons treten musste. Erst
1903 gelang es Karl Scharfenberg (1874-1938), in der Waggonfabrik L. Steinfurt A.G. in Königsberg mit seiner „Mittelpufferkupplung mit Öse und drehbarem Haken als Kuppelglieder“ (Reichspatente 149727 vom 6. Mai 1903 und Reichspatent
188845 5. April 1906) dieses Problem zu lösen. Zunächst wurde
Aufbau einer Scharfenbergkupplung.
158
Scharfenberg in Salzgitter
seine Kupplung bei Kleinbahnen mit großem Erfolg eingesetzt,
so erstmals 1909 in der privaten Kleinbahn von Memel nach
Plicken. Im Jahre 1921 gründeten die Waggonfabrik Steinfurt
und die Firma Busch in Bautzen die Scharfenberg-Kupplungs
A.G. mit Sitz in Berlin. Durch Zusammenarbeit mit Siemens
und anderen Unternehmen der Elektrobranche wurde eine verbesserte Kupplung entwickelt. Nunmehr war es auch möglich,
elektrische Leitungen sowie die Brems-Luftleitungen ebenfalls
automatisch zu verbinden. Diese Kupplung wurde ab 1924 bei
Fahrzeugen der Berliner U-Bahn verwendet. Die ersten Fahrzeuge, die mit dieser Kupplung auf den Gleisen der Deutschen
Reichsbahn fuhren, waren ab 1935 die Diesel-Schnelltriebwagen und der der Henschel-Wegmann-Zug.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verlegte die Scharfenberg AG auf
Veranlassung der Linke-Hofmann-Busch GmbH ihren Sitz nach
Salzgitter. Im Jahre 1957 wurde das Unternehmen in die Salzgitter AG eingegliedert. Zum Geschäftsführer und Chefkonstrukteur wurde Walter Scharfenberg, der Sohn des Firmengründers, eingestellt und blieb es bis zu seiner Pensionierung
im Jahre 1985. Im Jahre 1998 übernahm der Voith-Konzern die
Scharfenbergkupplung GmbH @ Co. KG und firmiert heute unter dem Firmennamen Voith Turbo Scharfenberg GmbH @ Co.
KG. Im Jahre 2002 wurde der Typ 10 der Scharfenbergkupplung zum Stand für alle Hochgeschwindigkeitszüge erklärt.
Die Darstellung:
In der Sammlung des Museums Salder befindet sich eine Kupplung des Typs 10, die heute in allen Hochgeschwindigkeitszügen der Deutschen Bundesbahn eingesetzt wird. Weiterhin sind
Quellen, Fotos, Filme über das Unternehmen und seine Produkte vorhanden.
-
Nachbau eines BüssingFahrrades.
die Entwicklung des Fahrrads
Parallel zum Ausbau der Eisenbahn als Massentransportmittel setzte Anfang des 19. Jahrhunderts mit der Erfindung des
Fahrrads auch die Entwicklung des Individualverkehrs ein.
Bereits Leonardo da Vinci soll um 1500 herum Ideen für den
Bau eines fahrradähnlichen Gefährts entwickelt haben (Nach159
Fahrradmarken
Auswirkungen des
Fahrradfahrens auf
die Gesellschaft
bau ist im Museum vorhanden). Im Jahre 1817 entwickelte der
badische Forstmeister Karl Friedrich Drais seine Draisine (ist
im Museum nicht vorhanden, hier sollte ein Nachbau erstellt
werden). Gefährlich wurde dieses Fahrzeug vor allem bergabwärts, da es keine Bremse hatte und sich so mancher Fahrer
mit der Lenkstange aufgespießt hat. Nach einigen in die Irre
führenden Weiterentwicklungen (Hochrad, Micheaudine usw.)
(mehrere Exemplare sind im Museum vorhanden) brachte im
Jahre 1884 der Engländer James Starley ein Fahrrad mit Kettenantrieb auf den Markt, das dem heutigen weitgehend entspricht. Ernst Sachs fügte die Freilaufnabe hinzu, Dunlop die
Luftreifen.
Überall boten Fahrradhändler ihre Produkte an: Opel, Viktoria-Blitz, Mars, Dürrkopps, Naumanns Germania, Braunschweiger Fahrradwerke (ab 1907 Pantherwerke) (ein Pantherfahrrad ist im Museum vorhanden) und auch ein Erfinder aus
Salder. Über ihn berichtet Pfarrer Münster in seiner Pfarrchronik. Allein in Salzgitter waren es fünf Händler im Jahre 1895,
und dies bei nur rund 2.000 Einwohnern.
Vor allem waren Frauen fanatische Anhängerinnen, sie fanden
im Fahrradfahren eine hochwillkommene Freizeitbeschäftigung, eine gesunde Alternative zu den geistlosen Handarbeiten
und zum langweiligen Klavierspielen. Als Frauen für das Fahrradfahren eine eigene Mode kreierten, besondere Kostüme, ja
Hosen anzogen, wurden in der von Männern geprägten biedermeierlichen Welt ernste Befürchtungen und Ängste laut (Kostüme sollten nachgenäht werden). Das Salzgittersche Kreisblatt
berichtete unter der Rubrik „Vermischtes“ in einer Extraspalte
„Fahrradfahren“ und „Frauenemanzipation“ abschreckend gemeinte Beispiele dieser „Befreiungssucht“. Angesichts solcher
Berichte fasste eine – so das Salzgittersche Kreisblatt im Jahre
1896 – recht sittliche und noch nicht verdorbene Jungfrau aus
Salzgitter ihre Abscheu in ein Gedicht:
„Ach, das edle Weib von heute
das bekanntlich Rosen flicht
spricht vom Zweirad und vom Dreirad
doch vom Spinnrad spricht es nicht.
160
Und der Junggesell von heute
Folgt erröthend ihrer Spur
Spricht vom Zweirad und vom Dreirad
Doch von Heirath – schweig er nur.“
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Fahrradsammlung
im
Museum Schloß Salder.
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Anfangs
war das Fahrradfahren vor allem ein Vergnügen der
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wohlhabenden Stände, doch mit Beginn des 20. Jahrhunderts
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wurde
zum Fortbewegungsmittel
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vielen
Orten entstanden Fahrradvereine, so in Beddingen und
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Gitter.
Fahrradrennen wie die Tour de France begeisterten ab
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1903
sofort die Menschen.
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Das
Museum
besitzt
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und
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deren Fahnen, Ehrenurkunden, Pokale usw.
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die Motorisierung (Tankstelle mit alten Tanksäulen,
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Tankstellenzubehör)
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Eine
Tankstelle befindet sich im Besitz des Museums mit Tank_dIWbp]_jj[hX[aWddj$:_[i[EX`[aj[add[dZ_[?d\hWijhkajkhWbi8[ijWdZj[_b
säulen
und Tankstellenzubehör.
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Nachbau einer Tankstelle mit Originalobjekten, links „Essex“ von
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1922.
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-
die Entwicklung des Motorrads/des Motorrollers/des
Mopeds
Doch die Mobilitätsentwicklung nahm noch viel rasantere Formen an. Straßenfahrzeuge mit Dampfmaschinenantrieb waren
schon seit vielen Jahrzehnten erprobt und um 1830 sogar als
Omnibusse im Linienbetrieb eingesetzt worden, doch sie hatten
sich vor allem wegen ihres hohen Gewichts nicht bewährt. Mit
dem Gasmotor von Otto stand in den 1880er Jahren eine neue
Antriebstechnik zur Verfügung. Aber auch der Otto-Motor war
zunächst noch sehr schwer, und Gas hätte als Brennstoff nur
in kleinen Mengen in einem Fahrzeug mitgeführt werden können. Damit sind die beiden Schlüsselprobleme für die WeiterGottlieb Daimler (1834- entwicklung des stationären Otto-Motors zum Fahrzeugmotor
1900).
genannt, mit deren Lösung sich eine ganze Reihe von Tüftlern
und Erfindern beschäftigte. Eine besonders gute Ausgangsposition besaßen zwei Ingenieure, die 1872 in die von Nikolaus
August Otto und Eugen Langen gegründete Gasmotorenfabrik
Deutz eingetreten waren und sie 1882 wieder im Streit verlassen
haben: Gottlieb Daimler (1834-1900) und Wilhelm Maybach
(1846-1929), der die Konstruktionsabteilung geleitet hatte. Bei
gleichbleibender Leistung konnte der Otto-Motor kleiner und
leichter gebaut werden, wenn es gelang, die Drehzahl zu erhöhen. Für hohe Drehzahlen war aber die schiebengesteuerte
Flammenzündung des Otto-Motors zu träge. In ihrer kleinen
Versuchswerkstatt bei Stuttgart konstruierten Daimler und
Maybach einen Motor mit einer im Prinzip bekannten Glührohrzündung. Dabei heizte eine Flamme von außen ein Rohr
Wilhelm Maybach (1846an, das Verbindung mit dem Brennraum hatte. Für das als
1929).
Brennstoff gewählte Benzin entwickelte Maybach einen Vergaser, der für eine konstante Gemischzusammensetzung sorgte.
Der 1884 fertig gestellte Motor, wegen seiner Form „Standuhr“
genannt, besaß ein Volumen von knapp 500 Kubikzentimetern
und leistete etwa eine Pferdestärke. Daimler und Maybach achteten besonders darauf, dass ihr Motor wenig wog, sie legten die
einzelnen Motorteile möglichst leicht aus, kühlten den Motor
mit Luft statt mit Wasser und übertrugen die Kolbenbewegung
über eine Pleuelstange direkt auf die Kurbelwelle.
Beide Erfinder sahen in ihrem Motor in erster Linie ein uniErste Motorrad von
Daimler/Maybach, 1885. verselles Antriebsmittel. Anwendungen konnten sie sich über162
Erste Motorrad 1885
all da vorstellen, wo geringes Gewicht von Bedeutung war, bei
Booten, Draisinen, Straßenbahnen, Feuerwehren, Sägen, aber
ebenso bei Straßenfahrzeugen. Im Jahre 1885 erfanden Daimler und Wilhelm Maibach das Motorrad, das Pferd des kleinen
Mannes. Im Jahre 1885 bauten Gottlieb Daimler und Wilhelm
Maybach (1846-1929) ihren 1883 patentierten Benzinmotor in
ein eisenbereiftes, hölzernes Zweiradgestell, das als Vorläufer
des Motorrades gilt und als „Reitwagen“ bezeichnet wurde.
Dies war eine entscheidende Verbesserung im Verhältnis zu
dem 1868/69 von M. Perreaux entwickelten Zweirad, einem eisenbereiftem Fahrrad, das mit einer Dampfmaschine angetrieben wurde. Die Jungfernfahrt des von Daimler und Maybach
entwickelten Gefährts fand am 10. November 1885 statt. Das
„Ur-Krad“ fuhr 12 km/h. Bei einem Brand im Jahre 1903 wurde das „Ur-Motorrad“ vernichtet.
Motorradgeschichte der folgenden Jahrzehnte schrieben andere. Von dem im Jahre 1894 von den Deutschen Heinrich Hildebrand und Alois Wolfmüller in München entwickelten „Motorzweirad“ wurden nur wenige Exemplare gebaut. Das erste
brauchbare Motorrad im heutigen Sinne brachten im Jahre
1897 die Franzosen Albert de Dion (1856-1946) und Georges
Bouton (1847-1938) heraus. Um die Jahrhundertwende schossen in ganz Europa zahlreiche Firmen aus dem Boden, die MoHistorische Rollermarken
163
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Motorradtypen vor
dem Zweiten Weltkrieg
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deY^Z[h[d][iY^_Y^jb_Y^[;djm_Yabkd]$8[_pm[_<W^hhZ[hd7&+kdZ7
torräder
bauten: Laurin & Klement (Böhmen, Fahrräder mit
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Motor),
NSU, Adler, Hercules, Mars, Opel, Triumph, Victoria,
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Wanderer.
Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges (1914-1918)
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;_djhW]kd][dؔX[hWhX[_j[jÇXpm$Øh[ijWkh_[hjÇd_Y^jdWY^lebbp_[^[d$
gab
es 55 Motorradhersteller in Deutschland.
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Der
erste einsitzige Motorroller deutsche Produktion wurde
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im
Jahre 1919 von Krupp in Essen auf den Markt gebracht.
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D[X[d'*_c?dl[djWh][b_ij[j[dCef[ZikdZCejehhZ[hdZWledp[^dWbi
Sein
Name war „Motorläufer“. Bald folgten weitere Firmen mit
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diesem
Produkt: 1920 bis 1923 die Firma Viktor Klassen, 1921
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b_Y^X[_[_d[cCejehhWZ9''_ijZ[hDkjp[h"Z_[8[hk\i\[k[hm[^hIWbp]_j#
DKW
mit dem „Golem“ genannten Motorroller, 1923 die Motoj[h"X[dWddj$
renfabrik
Franz Tautz in Leipzig-Gohlis. Erfolgreich gemacht
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wurde der Motorroller durch die Produkte der italienischen
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Unternehmen
Piaggio, das seit 1946 als Vespa am Markt war,
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und
Innocenti mit der seit 1947 produzierten Lambretta. Einer
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b[" 7diY^dWbbfÔ_Y^j kdZ l_[b[d m[_j[h[d X[_if_[b^W\j (&&*%&+ _c Cki[kc
der
ersten deutschen Nachkriegsroller wurde ab 1949 als „Wal\”hJ[Y^d_akdZ7hX[_j"CWdd^[_ch[Wb_i_[hj[dJ^[c[d$)
ba“, später FAKA auf den Markt gebracht.
Die Darstellung:
Das Museum hat eine sehr umfangreiche Sammlung von Motorrädern und Mopeds aus der Zeit von 1910 bis heute.
-
FAKA = Fahrzeugfabrik Kannenberg
Fahrzeugfabrik Kannenberg (FAKA)
Die Fahrzeugfabrik (FAKA) wurde 1923 von Kurt Kanneberg
in
Danzig gegründet. Neben dem Handel von Kraftfahrzeugen
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((_dl[djWh_i_[hj[Fam"WY^j_dl[djWh_i_[hj[Cejeh[d"[_d[>kf["pm[_Ce#
stand der Karosseriebau für Sonderfahrzeuge im Vordergrund
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der
beruflichen Tätigkeiten. Mit der Eröffnung des Autohauses
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Kannenberg im Jahre 1936 in Stettin festigte Kurt Kanneberg
seinen Ruf als Großhändler von Fahrzeugen des&%%
Autoherstellers Opel in Pommern. Gleichzeitig wurde in Posen ein modernes Werk für den Bau von Lastwagen errichtet.
Am 1. Februar 1946 nahm Kurt Kannenberg mit einigen ehemaligen Mitarbeitern in Salzgitter die Produktion wieder auf.
Im Vordergrund standen in den ersten Monaten neben der Demontage von beschädigten Eisenbahnwagen die Herstellung
von Leselampen, Büchsenöffnern, Handwagen und andere
Gebrauchsgegenstände. Aus diesen Neuanfängen entwickelten
sich im Verlauf der Zeit die Reparatur von Fahrzeugen sowie
der Bau von LKW-Fahrerhäusern und LKW-Anhängern. An164
FAKA-Motorroller
Automobilmodell von
Leonardo da Vinci.
fang der 1950er Jahre gelang es Kurt Kannenberg Großaufträge für die Omnibusfertigung seitens der Bundespost und
Bundesbahn zu erhalten. Die Ausstattung der Reisebusse ließ
keinerlei Wünsche offen: „Der Bus verfügt über bequeme Sitze
aus echtem Leder, Schiebedach, Oberlichtverglasung. Selbstverständlich fehlen nicht die Radioanlage mit vier Lautsprechern,
Handmikrophon und die neuzeitliche Telefonanlage.“ Neben
Fahrgestellen von Büssing wurden beispielsweise auch Fahrgestelle von „FAUN“ für den Omnibus genutzt. Im Jahre 1954
entstand mit dem „Leichtbus SK 4,5“ die erste komplette Eigenentwicklung.
Ein zweites, sehr wichtiges Standbein war die Produktion von
Motorrollern. Beschränkte man sich in den ersten Jahren auf
die Herstellung von dreirädrigen Lastenrollern und die insbesondere für den Export gedachten Motorrikschas, so begann
im Jahre 1953 der Siegeszug der Motorroller „Faka-Tourist“
und „Faka-Commodore“. Beide Maschinen bestachen in ihrer
Zeit durch ihr Design und die Motorleistung.
Im Jahre 1958 übernahm die Fahrzeugfabrik Kanneberg die
Produktionsstätten der Bückeburger Firma Hermann Harmening und setzte dort unter eigenem Namen die Herstellung des
„HKB-Clubbusses“ fort. Zwei Jahre später wurde die Busherstellung eingestellt. Es wurden wieder bis zur Übernahme des
Unternehmens durch die Firma Kögel im Jahre 1972 nur noch
Wechselpritschen und Container hergestellt.
Die Darstellung:
Bisher ist es leider nicht gelungen, einen Motorroller FAKAS
oder Bus des Unternehmens zu erhalten (ein motorroller ist uns
jetzt als befristete Leihgabe angeboten worden). Quellen, Fotos, Konstruktionspläne sind vorhanden.
-
„The Rocket“ - Dampflokomotive aus England.
die Entwicklung des PKWs
Der erste Vorschlag für ein motorisiertes Fahrzeug findet sich
bei Leonardo da Vinci (1453-1519), der in seinen Aufzeichnungen ein angetriebenes Fahrzeug hinterlassen hat, das mit
drei Rädern ausgestattet war und von dem zwei Räder über
Getriebe angetrieben werden konnten. Die Energie sollte von
165
Straßenfahrzeug
L‘Obeissante.
Benz-Wagen von 1886.
Daimler-Motorkutsche,
1886.
Büssing-LKW,
1903/1904.
Büssing-Omnibus, 1904.
vorgespannten Federn geliefert werden (Nachbau im Museum
vorhanden). Man kann sich auch heute noch gut vorstellen,
dass es mit diesem Fahrzeug möglich gewesen wäre, Menschen
und Güter zu befördern. Allerdings ist die Energie aus der vorgespannten Feder doch sehr gering, um damit nennenswerte
Transportleistungen zu erbringen.
Diese Situation änderte sich im 19. Jahrhundert, als „technische Energie“ in Form von Dampfdruck zur Verfügung stand.
Es begann die Industrialisierung und eine steigende Mobilität
versorgten die entstehenden Eisenbahnen. Die Schienen waren geeignet, schwere Fahrzeuge zu tragen, in denen mit Kohle
Dampfdruck erzeugt wurde, der dann auf einen Antrieb wirken
konnte, wie wir es bei einer der ersten Lokomotiven im Museum York (England) sehen können.
Auch bei den Straßenfahrzeugen wurde lange Zeit (ab 1763
bis 1902) an Dampfantrieben gearbeitet. Es haben damit sogar
Wettfahrten stattgefunden und der Geschwindigkeitsrekord
von 1902 (Leon Serpollet) wurde von einem Dampfwagen erreicht. Die damalige Verwandtschaft zwischen Eisenbahn und
Straßenfahrzeug kann aus „L’Obeissante“ („Die Gehorsame“)
erkannt werden, die 1873 von Amedee Bollee gebaut wurde. So
gab es bei diesem Fahrzeug bereits eine Achsschenkellenkung
und eine unabhängige Radaufhängung(zumindest an der Vorderachse). Im hinteren Teil des Fahrzeugs ist der große Kessel
erkennbar. Diese „moderne Fahrwerkstechnik“ wurde für längere Zeit wieder vergessen.
Nach 1902 wurden die Dampfwagen von den Fahrzeugen abgelöst, die mit Verbrennungsmotoren angetrieben waren, denn die
waren viel leichter. Sie waren einmal von der damaligen Fahrradtechnik abgeleitet worden, wie der Benz Patentwagen oder
sie hatten die bis dahin üblichen Pferdekutschen zur Grundlage, die dann motorisiert wurden (wie die Daimler-Fahrzeuge).
Das Jahr 1886 stellt mit diesen Fahrzeugen auch den Beginn
der „Automobilen Mobilität“ dar.
In Deutschland wurde das Auto bis in die 1920erJahre für Kurzstrecken benutzt. Für längere Fahrten benutzten die Menschen
die Eisenbahn. Für die Fahrt zum und vom Bahnhof diente
noch lange die Kutsche bzw. vermehrt auch das Automobil.
Dazu mussten die Reisenden jedoch einen gewissen Wohlstand
haben. Das Nutzverhalten bezogen auf das Auto änderte sich
166
Fahrzeugkleidung, 1905.
ab den 1920er Jahren, als die Industrie vermehrt die Straßen
zum Transport ihrer Güter nutzte. Begonnen wurde diese Entwicklung von FIAT in Turin. In Deutschland setzte sich dieser Trend erst mit dem Bau der Autobahnen ab 1933 („Straßen
des Führers“) durch. Dieser Autobahnbau hatte nachhaltigen
Einfluss auf die Fahrzeugentwicklung. Es wurde erkannt, dass
diese Straßen nun auch das Auto für Langstrecken geeignet
machten. Das hatte Auswirkungen auf die Autoindustrie, denn
nun waren bessere Fahrwerke samt Lenkung und Bremsen sowie haltbare Reifen erforderlich. Ein wesentlicher, damals als
wichtig angesehener Entwicklungsschwerpunkt wurde die Aerodynamik. (Für diese Entwicklung gibt es im Moment in Salder kaum Exponate. Diese Themen müssen mit interaktiven,
rechnergestützten Informationen verdeutlicht werden).
In den USA veränderte sich das Nutzerverhalten bereits in
den 1920er Jahren. Das wurde vor allem durch die preiswerten Ford-Fahrzeuge bewirkt. Der oben bereits erwähnte und
in Salder gezeigte „Essex“ ist ein Beleg dafür. Die Automobile
wurden in der USA durch die Fließbandproduktion auch für
nicht sehr begüterte Menschen erschwinglich. In Deutschland
sind diese amerikanischen Fahrzeuge ebenfalls verkauft worden. Allerdings waren sie hier noch immer nur für begüterte
Kunden erschwinglich.
Ferdinand Porsche hatte nach dem Ersten Weltkrieg den Plan,
nach dem Vorbild von Henry Ford einen kleinen, kostengünstigen Personenwagen in Massenauflage zu produzieren. Nachdem er im Jahre 1931 in Stuttgart eine eigenen „ProduktionsGmbH“ gegründet hatte, verfolgte er dieses Ziel mit enormer
Konsequenz. Er entwarf ein solches Auto. Im Jahre 1932 wollten die NSU-Werke Neckarsulm ihre Absatzkrise bei Motorrädern und die dadurch entstandene Unterbeschäftigung mit
der Produktion eines „Volksautos“ überwinden. Porsche hatte
seinen ersten Entwurf eines solchen Autos inzwischen weiterentwickelt, doch konnte es aus rechtlichen Gründen bei NSU
nicht in Produktion gehen. Auch die „Zündapp-Motoren-Werke Nürnberg“ wollten mit Porsche ein „Volksauto“ bauen, was
aber aus finanziellen Gründen scheiterte. Hitler hatte bereits
in seinem Buch „Mein Kampf“ seine Begeisterung für die Motorisierung und Mobilisierung erkennen lassen und die „Brechung des Kraftfahrzeugprivilegs (der Amerikaner) durch einen
167
Volkswagen“ angekündigt. Bei der Eröffnung der 23. Automobilausstellung in Berlin am 11. Februar 1933 stellte Hitler seine Ziele in dieser Frage in vier Punkten vor: „1. Herausnahme
der staatlichen Interessenvertretung des Kraftwagenverkehrs aus
dem Rahmen des bisherigen Verkehrs, 2. allmähliche steuerliche
Entlastung des PKWs, 3. Inangriffnahme und Durchführung
eines großzügigen Straßenbauplanes und 4. Förderung motorsportlicher Veranstaltungen.“
Die deutsche Automobilindustrie hatte bisher in diese Richtung keinerlei Konzeption entwickelt. Hitlers Berater in Automobilfragen, Jakob Werlin (Leiter der Daimler-Benz A.G.),
suchte im September 1933 Porsche in Stuttgart auf und ließ
sich von ihm über die Pläne für ein Volksauto berichten. Als
Ergebnis dieses Gesprächs reichte Porsche am 17. Januar 1934
dem Reichsverkehrsministerium und der Reichskanzlei ein
Expose ein, in dem er den Bau eines Volksautos entwickelte.
Hitler präzisierte im Frühjahr 1934 bei einem Zusammentreffen mit Porsche und Werlin seine Forderungen: Porsche sollte
ein Auto entwickeln, dass auf den „Straßen des Führers“ mit
100 km/H Dauergeschwindigkeit fahren könnte, 7 Liter/100 km
verbraucht, vier bis fünf Sitze hat, damit die ganze Familie darin Platz habe, mit Luftkühlung ausgestattet wäre und nicht
mehr als 1.000 RM kostet. Porsche nahm die Herausforderung
nach einigem Zögern an.
Die von Porsche in Stuttgart entwickelten Prototypen wurden
vom Reichsverband der Deutschen Automobilindustrie (RDA)
geprüft, der den Vorschlag machte, die Weiterbearbeitung bis
zur Serienreife einem Automobilhersteller zu übertragen, um
das Projekt scheitern zu lassen. Dafür kamen in Deutschland
nur Opel/Rüsselsheim oder Ford/Köln in Frage. Doch Hitler
sah darin das Intrigenspiel überseeischer Finanzkräfte. Er
wollte das Auto durch eine deutsche Firma gebaut haben. Auf
der 27. Automobilausstellung in Berlin vom 20. Februar bis
zum 7. März 1937 stellte Opel seinen „Opel P 4“ (ist im Museum Salder vorhanden) vor, der nur 1.450,-RM kosten sollte.
Noch im Februar 1937 erteilte Hitler an den Chef der Deutschen Arbeitsfront (DAF), Ley, den Auftrag, Automobilwerk zu
gründen, was den Bau von Automobilen in NS-Regie bedeutete.
Zu diesem Zweck gründete Ley am 28. Mai 1937 die „Gesellschaft zur Vorbereitung des deutschen Volkswagens mbH“ mit
168
Sitz in Stuttgart. Das angestrebte Werk sollte bis zu 1.000.000
Autos jährlich produzieren. Der erste Spatenstich erfolgte am
24. Februar 1938. Hitler selbst legte für den Bau des Werkes
den Grundstein am 26. Mai 1938, im heutigen Wolfsburg. Neben der Produktion eines Volkswagens für 990,-RM sollte das
Projekt zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit und zur Legitimation des NS-Regimes beitragen. Die Planungen für die dazugehörende Siedlung – „Stadt des KdF-Wagens“ – für rund 90.000
Bewohner übernahm Peter Koller. Bei Kriegsende 1945 betrug
die Einwohnerschaft von Wolfsburg etwa 25.000 Personen, davon waren 11.000 dienstverpflichtete Deutsche und zwangsverpflichtete Ausländer. Das Volksauto wurde bis zum Ende des
Krieges nicht gebaut, das Werk wurde zum Bau von Kübelwagen für die Wehrmacht und für andere, für den Krieg wichtige
Rüstungsgüter eingesetzt.
Die Massenmotorisierung in Deutschland begann nach dem
Zweiten Weltkrieg in der zweiten Hälfte der 1950er und in den
1960er Jahren – die „AWS“ war bereits in Konkurs gegangen.
Erst diente das Motorrad zur Entwicklung der individuellen
Mobilität, das wird dann vom Auto abgelöst. Mit dem eigenen
Fahrzeug fuhren die Menschen vermehrt zur Arbeit und in die
Freizeit. Die Nutzung der Eisenbahn ging zurück. Das Automobil entwickelte sich mehr und mehr zum Gebrauchsgut.
In Deutschland in den 1950er/1960er Jahren angebotene Fahrzeuge.
169
IFA DKW F 8.
Fahrzeugstrukturen im
DKW und Trabant.
Von diesen Fahrzeugen hat Museum Salder bereits verschiedene Trabant-Fahrzeuge aus der ehemaligen DDR im Bestand
(mit 2-Takt- und 4-Takt-Motoren) sowie einen DKW Junior de
Luxe mit einem 2-Takt-Motor, der allerdings schon eine Frischölautomatik hat. Zur Darstellung der damaligen Entwicklung
wären natürlich weitere Fahrzeuge interessant. Wesentlich haben damals die Lloydfahrzeuge von Borgward, die Goggomobile von Glas und die Ente 2 CV von Citroen zur Motorisierung
beigetragen.
Das wichtigste Fahrzeug der damaligen Zeit war natürlich der
VW-Käfer, der für das Museum wegen seines Regionalbezugs
eine besondere Bedeutung hat. Solche Käfer gehören auch zum
Bestand des Museums Salder (weiter Fahrzeuge aus der VWProduktion kann das Museum von VW erhalten, entsprechende Absprachen bestehen). In der PKW-Sammlung des Museums Salder befinden sich noch weitere PKWs: ein Fiat 500, ein
IFA F 8 (das erste in der ehemaligen DDR produzierte SerienAuto), ein Tempo Hanseat (Dreirad).
Mit diesen vorhandenen Fahrzeugen (IFA, Trabant, DKW Junior und VW Käfer) kann die Zeit der intensiven Mobilisierung
Deutschlands bereits recht gut dargestellt werden. So lässt sich
bei dem DKW Junior durch Trennung von Rahmen und Aufbau gut zeigen, wie zu damaligen Zeiten die Fahrzeugbauweisen bereits unterschiedlich waren: Blechschalen im VW Käfer,
Rahmen und Blechkarosse im DKW sowie Struktur und „Pappe“ im Trabant. Dabei lassen sich auch die Unterschiede in den
Fahrwerken darstellen.
In diesem Zusammenhang wäre auch die Geschichte von DKW
zu erläutern. So ist heute kaum mehr bekannt, dass DKW die
Abkürzung „DampfKraftWagen“ bedeutet. Der dänische Ingenieur Rasmussen gründete die Firma 1916 in Sachsen. Der Versuch, ein dampfgetriebenes Fahrzeug zu bauen, schlug dann
fehl. Im Jahre 1919 hat Rasmussen einen kleinen ZweitaktMotor entwickelt. Um die Abkürzung beibehalten zu können,
nannte er dies Produkt „Des Knaben Wunsch“. Eine Anwendung fand der kleine Motor in einem Motorrad, das dann „Das
Kleine Wunder“ genannt wurde. Aus diesem Anfang hat sich in
den 1930er Jahren die größte Motorradfabrik der Welt entwickelt (siehe unter Motorrad).
170
Im Jahre 1932 hat sich DKW mit Audi, Horch und Wanderer
zur „Auto-Union“ verschmolzen. Dieses Unternehmen wurde
1957 von Daimler-Benz erworben. Damit ist der DKW Junior seinem Kern nach ein Daimler-Auto. Seit 1964 gehört die
Auto-Union zur Volkswagen. Das letzte DKW-Auto war der F
102, ein Mittelklassefahrzeug, das bis 1966 gebaut wurde. Nach
dessen Produktionsstop wurde der Firmenname in Audi umgewandelt.
Mit dem F 8 wird es auch möglich sein, das so genannte Dynastart-System zu erläutern. Heute werden Aggregate, die Generator und Anlasser in sich vereinen, gerade „wiedererfunden“.
Der F 8 ist mit einem solchen Aggregat schon ausgestattet gewesen. In der Ausstellung kann die „alte“ Lösung der „neuen“
gut gegenüber gestellt werden. Es kann auch erläutert werden,
warum es diese Kombination in der Zwischenzeit nicht gegeben
hat. Der erste DKW war der so genannte F 1 (F = Frontantrieb)
von 1931. Das ist auch der Beginn des Frontantriebs in Deutschland. Die zuvor mit einem Heckantrieb versehenen Fahrzeuge
waren mit Querblattfedern ausgerüstet und wurden „Schwebeklasse„ genannt. Hier wird die Verwandtschaft der ersten
Trabant-Fahrzeuge mit den DKW-Fahrzeugen offensichtlich.
Die Bauweise des Trabants lässt sich auch an Einzelteilen vertieft zeigen, wie z. B. an einer Tür, von der die Außenhaut abgetrennt worden ist (solche Teile sollten noch beschaffbar sein).
Bei den moderneren Trabant-Fahrzeugen ist die Querblattfeder bereits durch ein McPherson-Federbein ersetzt worden.
Trabant-Röntgenbild und
Diese Einzelheiten lassen sich ebenfalls verwenden, um BezieTrabant-Struktur.
hungen zur heutigen Zeit herzustellen. Die Fa. ZF Friedrichshafen bietet für moderne Kleinfahrzeuge Hinterachsen mit
Querblattfedern aus Glasfasern an. Funktional haben sowohl
die Querblattfeder des Trabants als auch die der ZF AG die
gleichen Eigenschaften. Über die Querblattfeder kann auch ein
Bezug zum Smart hergestellt werden, der auch im Bestand des
Museums Salder ist. Dieses Fahrzeug, es war eines der ersten
gefertigten, hat an der Vorderachse eine Querblattfeder. Auf
dieses Fahrzeug ist später noch zurück zu kommen. Der ebenfalls in den Beginn der Motorisierung gehörende Käfer ist in
der Ausstellung in Salder ausführlich zu zeigen. Der in Salder
vorhandene VW-Käfer ist leider neuerer Art (ein älteres Modell kann jedoch von VW erhalten werden). Um die Fertigung,
171
VW-Käfer 1952.
VW 411-Röntgenbild.
VW-Käfer 1965.
VW-Käfer 1976.
die Technik und die Entwicklung des VW Käfers zu zeigen,
bieten sich zahlreiche Filme an. Es können beispielweise die
technischen Veränderungen in der Karosserie, im Innenraum
und bei den Aggregaten (Motor, Lenkung, Achsen u.s.w.) vom
so genannten „Brezelkäfer“ über eine Ausführung von 1965
(noch mit Längslenker-Vorderachse) hin zum Käfer der 1970er
Jahre (mit McPhersson-Federbeinachse) gezeigt und erläutert
werden.
Nach der Darstellung des Käfers sollten die weiteren Fahrzeuge
aus dem VW-Werk behandelt werden, die im Museum in Salder
verfügbar sind. Dabei handelt es sich um einen VW K 70, VW
411, VW 412 und einen VW Passat. Weiterhin befinden sich im
Bestand des Museums mehrere Motoren, die nach der Einstellung der Produktion des VW Passat in Salzgitter im VW-Motorenwerk gebaut wurden, die zumeist technische Quantensprünge markieren.Der VW 411 kennzeichnete die Bemühungen von
VW, aus der „Monokultur“ des VW Käfers herauszukommen
und auch größere Fahrzeuge zu bauen. Diese neue Generation, die mit den Stufenhecklimousinen 1500 und 1600 begonnen
worden waren, haben weiterhin einen luftgekühlten Heckmotor gehabt. Die Hinterachse war bereits als Schräglenkerachse
ausgeführt. Die Vorderachse war eine McPherson-Federbeinachse, als Lenkung wurde eine Rollenlenkung mit Lenkstangen
eingesetzt. Sehr deutlich wird auch die schlichte Struktur vorn
im Fahrzeug, die relativ wenig Crashenergie aufgenommen haben dürfte und die vor allem (bei leerem Kofferraum) auch wenig Gewicht auf die Vorderachse gebracht hat. Diese Fahrzeuge
waren hecklastig und damit z. B. bei Seitenwind schwierig zu
fahren. Es gab von dieser Baureihe auch Kombi-Ausführungen,
die noch hecklastiger werden konnten. Im Unterschied dazu
hatte der VW-Konzern zur etwa gleichen Zeit die NSU-Fabrik
in Neckarsulm übernommen. Dabei kam der so genannte VW
172
K 70-Röntgenbild.
VW K 70 im Querschnitt.
K 70 in den Einflussbereich von VW. Dieses Auto, etwa gleich
groß wie der VW 411, war aber als Frontantrieb ausgelegt und
der K 70 (im Museum Schloß Salder befindet sich ein Exemplar) hatte einen modernen wassergekühlten Frontmotor. Über
die Entwicklung dieses Fahrzeuges würde es sich lohnen, eine
(zeitlich begrenzte) Sonderausstellung zu machen, denn mit der
Übernahme von NSU durch VW haben sich erhebliche Probleme ergeben, die in dieser Industrie immer wieder auftreten. Außerdem hat der K 70 einen starken lokalen Bezug zu Salzgitter,
da in dem seit 1969 errichteten Werk in Salzgitter-Beddingen
gebaut worden ist. Der K 70 hatte eine kantige Form, die wegen
der Motorbauweise erforderlich war und die zu einem cw-Wert
von 0,52 geführt hat, der selbst zu damaliger Zeit unakzeptabel
hoch war. Aber der K 70 hatte einen modernen Aufbau. Der
wassergekühlte Reihenlängsmotor liegt vorn im Fahrzeug. Sie
Scheibenbremsen sind direkt an das Getriebe angebaut, d. h.
Antrieb und Bremsen werden über die Seitenwellen auf die
Räder übertragen. Diese Technik, die heute nicht mehr angewendet wird, war bereits bei den DKW-Fahrzeugen üblich. Der
oben diskutierte DKW-Junior war noch mit innenliegenden
Trommelbremsen ausgestattet, das Nachfolgemodell F 11 hatte
bereits innenliegende Scheibenbremsen. Diese Anordnung der
Bremsen verringert die so genannten ungefederten Massen, haben aber bei ungleichen Reibwerten zwischen Bremsbelag und
Bremsscheibe ein Schiefziehen des Fahrzeuges zur Folge. Bei
modernen Vorderachsen würde dieser Effekt allerdings vernachlässigbar sein. Hier bietet sich innerhalb der Ausstellung
eine Diskussion zwischen „früher“ und „heute“ an.
An der Hinterachse wurde der K 70 mit einer Schräglenkachse ausgestattet, obwohl diese Achse nicht angetrieben war. Diese
„high-tech“-Lösung war auch damals verwunderlich. Insgesamt wurde der K 70 als modernes Fahrzeug wahrgenommen,
dem es allerdings an Leistung fehlte. Seine Höchstgeschwindigkeit betrug etwa 160 km/h.
173
Audi 100 C 1.
VW-Roboter.
Der unmittelbare Wettbewerber in dieser Klasse war der Audi
100, der 1968 bei Audi eingeführt worden war. Auch solch ein
Fahrzeug befindet sich im Museum Salder. Wegen dieses Wettbewerbers wurde der „Solitär“ K 70 schließlich eingestellt,
nachdem 211.127 Fahrzeuge hergestellt worden waren. Es gab
im Konzern keine Gleichteile dieses Fahrzeuges mit anderen
Baureihen. Für das Museum ist die Beschäftigung mit dem K
70 jedoch sehr lohnend, einmal aus dem regionalen Bezug, zum
anderen aber auch wegen der revolutionären Technik, die damit in den VW-Konzern Einzug hielt.
Der Audi 100 C 1 (1 bedeutet erste Baureihe dieses Autos) stellt
ebenfalls eine Besonderheit in der Automobilgeschichte dar, die
auch einen Bezug zur Region hat. Seine Produktion begann im
März 1968 als Fahrzeug der Auto Union GmbH. Diese Firma
gehörte schon zu Volkswagen und sie wurde 1969 in die Audi
NSU Auto Union AG umbenannt. VW hatte das Unternehmen
von der Daimler-Benz AG gekauft, um in Ingolstadt zusätzlich VW Käfer zu produzieren. Das ist auch erfolgt. Der damalige VW-Chef Nordhoff war überzeugt, dass der Käfer auch
zukünftig nachgefragt würde. Diese Meinung wurde jedoch
vom Chefentwickler Kraus nicht geteilt. Er entwickelte daher
„heimlich“ einen neuen Audi, nämlich diesen Audi 100. Dazu
wurden neue Methoden, wie z. B. die Finite Elemente Methode, angewendet. Derartige Entwicklungen ohne Auftrag finden
in der Fahrzeugindustrie immer wieder statt. Sie sind in einer
Reihe von Fällen die Ursachen für Innovationen gewesen. Die
Entwickler übernehmen dabei allerdings ein hohes Risiko, denn
im Falle eines Misserfolges droht durchaus der Rauswurf aus
dem Unternehmen. Beim Audi 100 von Chefentwickler Kraus
war das anders. VW akzeptierte den Bau dieses Fahrzeuges
und als 1970 die Käfer-Konjunktur und die des heckgetriebenen VW 411 einbrach, waren dieser Audi 100 und der K 70 die
Lösung zum Überleben des VW-Werkes. Außerdem konnten
nach ähnlichem Baumuster die weiteren Audi-Fahrzeuge wie
der Audi 80 (im Museum vorhanden) entwickelt werden. So
sind die wassergekühlten Reihenvierzylinder mit Frontantrieb
in den VW-Konzern gekommen. Die VW-Nachfolgemodelle
des Passats haben diese Bauprinzipien dann übernommen. Der
dann in den 1970er Jahren angebotene VW Golf wurde ebenfalls mit einem wassergekühlten Motor versehen. Dieser Motor
174
Golf 1 von 1974,
(Quelle: Volkswagen
Classic.de).
Passat B1.
war allerdings quer eingebaut (VW Golf ist im Museum Salder
vorhanden).
Der VW Golf stellt ebenfalls eine „Revolution“ innerhalb der
VW Entwicklungen dar. Bereits seit Ende der 1960er Jahre
wurde an neuen Fahrzeugen als Käfer-Nachfolger gearbeitet,
da die Wettbewerber aus dem Ausland ebenfalls erfolgreicher
wurden. Ein Vorläufer des Golf I ist in dem Baumuster EA 276
zu finden, das als Einzelstück im VW Automuseum zu besichtigen ist. Dieses Fahrzeug stammt aus 1969 und es weist mit 32
kW und 130 km/h Höchstgeschwindigkeit dem Käfer ähnliche
Leistungsdaten auf. Für dieses Fahrzeug war ein Frontmotor
mit Frontantrieb, eine Verbundlenkerachse und ein schräge
Heckklappe vorgesehen. Das sind technische Ausstattungen,
die sich bei dem 1974 eingeführten VW Golf ebenfalls wiederfinden. Allerdings wurde bei diesem ersten Baumuster (EA 276)
noch der aus dem Käfer bekannte luftgekühlte 4-Zylinder Boxermotor eingesetzt, jetzt allerdings als Frontantrieb. Ein anderer Vorschlag für den Golf hat einen längs eingebauten wassergekühlten Motor unter der hinteren Sitzbank vorgesehen.
Der 1974 als Golf I vorgestellte Wagen hat dann Motoren bekommen, die zuvor schon im Audi 50 (1,1 Liter Hubraum Reihenvierzylinder) und Audi 80 (1,5 Liter Reihenvierzylinder)
verwendet worden sind. Diese Verwendung von Bauteilen aus
dem Konzern hat den Golf leichter und kostengünstiger gemacht als es der Käfer zuvor gewesen ist. Der „Trick“ war, die
zuvor längs eingebauten Motoren jetzt quer einzubauen und
damit Bauraum für die Passagiere zu gewinnen. Für das Museum Salder bietet sich an, die Weiterentwicklung vom Käfer
zum Golf zu visualisieren, indem die Aggregate (Motoren, Getriebe, Achsen, Lenkungen) gegenübergestellt werden.
Aus der VW-Produktpalette sollte außerdem der Passat in die
Darstellungen zu diesen Entwicklungen einbezogen werden. Er
wurde stilistisch als Nachfolger des VW 1600 (der hatte noch
einen luftgekühlten Heckmotor) gestaltet, jedoch unter der
Haube auch mit den Motoren von Audi ausgestattet. Diese wassergekühlten Motoren waren (wie auch beim VW K70) als Vorderradantriebe längs eingebaut. Die Diskussion um Längs- oder
Querbaukasten haben in der Vergangenheit zu mehrfachem
Wechsel der Motoreinbauten geführt. Gerade kürzlich wurde
175
der „Modulare Querbaukasten“ eingeführt, diese konstruktiven
Auseinandersetzungen dauert also bis in die heutige Zeit an.
Der Passat wurde bereits ab 1973 verkauft, die Variant - Version ist (wie der Golf 1) im Jahre 1974 auf den Markt gekommen.
Die Übernahme der Audi-Aggregate und auch der Plattform
des Audi 80 hat die Produktionskosten überschaubar gehalten.
Über die Gestaltung des Hecks konnte eine Differenzierung zu
den Audi-Fahrzeugen erreicht werden.
Insgesamt bieten sich die Fahrzeuge von Audi und VW dazu
an, die technischen Entwicklungen zu Beginn der 1970er Jahre
darzustellen (das ist weit genug weg, um Empfindlichkeiten zu
wecken) und zu zeigen, wie technische Lösungen relativ kurzfristig Wandlungen unterworfen worden sind. Solche „Brüche“
bei den Fahrzeugentwicklungen lassen sich beispielhaft auch
für andere Hersteller und andere Aggregate zeigen (Achsen bei
Daimler-Benz, die Beendigung von ganzen Fahrzeugklassen bei
Opel, den Dieselmotor bei BMW). Entsprechende Betrachtungen lassen sich auch für die Nutzfahrzeuge anstellen.
Die Mobilitätsentwicklung seit den 1960er Jahren soll im Museum Salder auch an den so genannten „Luxusfahrzeugen“ gezeigt werden. Dazu dient eine Sammlung von Fahrzeugen von
Mercedes S-Klasse, beginnend mit der „Heckflosse“ von 1964
bis zum S-Klassen Allrad-Fahrzeug von 2000 (W 220). Diese
Fahrzeugsammlung umfasst die Entwicklung bei DaimlerBenz vom Ende der 1950er Jahre bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. Es handelt sich um die Baureihe W 111 (Heckflosse)
aus dem Jahre 1964, die Baureihe W 108 aus dem Jahre 1972,
den W 116 (schwäbischer Barock wegen des vielen Chroms) aus
dem Jahr 1978, den W 126 aus dem Jahr 1989, den großen W
140 und den allradgetriebenen W 220 mit dem Baujahr 2000.
Sammlung Mercedes-Benz S-Klassen, seit 1964.
176
Mercedes-Benz 4 Matic - der erste elektronisch schaltende Vierradantrieb.
Mercedes Jellinek - die
Namensgeberin der
Mercedes-Autos.
Mit Hilfe dieser Fahrzeuge kann die PKW-Entwicklung sehr
gut nachvollzogen werden. Der W 111 von 1964 ist das erste
Fahrzeug, das eine intensive Entwicklung zur Steigerung der
passiven Sicherheit durchlaufen hat. Mit dieser Baureihe hat
Daimler-Benz begonnen, die Ergebnisse aus Crashversuchen in
die Konstruktion zu übernehmen. Hierzu gibt es interessante
Crashfilme, diese Entwicklungsleistungen verdeutlichen. Weiterhin kann an diesem Fahrzeug Fahrzeug die Einführung von
Scheibenbremsen erläutert werden. Vor dieser Baureihe glaubten die Daimler-Benz-Entwickler noch an die Trommelbremse.
Ausführliche Erläuterungen können auch zu den Achsenentwicklungen gegeben werden, z. B. zu den Hinterachsen. Im W
111 und im W 108 sind noch die legendären Pendelachsen verbaut. Im W 116 und im W 126 befinden sich Schräglenkerachsen, während in dem W 140 und dem W 220 Raumlenkerachsen eingesetzt worden sind. Die Schräglenkerachse wurde bei
Daimler-Benz auch Diagonal-Pendelachse genannt, damit das
lange Festhalten an der ursprünglichen Pendelachse kaschiert
werden konnte. Dieses Achsprinzip findet sich aber auch in den
später noch zu besprechenden BMW-Modellen und im Opel
Senator wieder. Entsprechende Vergleiche können auch für die
Vorderachse angestellt werden, da auch in diesem Bereich große technische Umwälzungen erfolgten.
Weitere Schwerpunkte in der technischen Entwicklung der
vergangenen 50 Jahre können an diesen Fahrzeugen auch bezl.
der Motortechnik herausgearbeitet werden, so z. B. bei den
Einspritzsystemen, Abgasnachbehandlung, Verbräuche u.s.w.
Für diesen Zweck ist ein im Museum vorhandener Mercedes
177
Diesel-Motor sehr gut geeignet. Als weitere Schwerpunkte der
historisch-technischen Entwicklung im Mobilitätsbereich kann
die Entwicklung von Innenräumen und Bediensystemen dargestellt werden.
Einen Schwerpunkt der technischen Entwicklung mit regionalem Bezug stellen die Arbeiten zur „Blockierverhindung beim
Bremsen“ (ABS) und die „Fahrstabilitätsregelung beim Fahren
an der Stabilitätsgrenze“ (ESP) dar. Die Mercedesfahrzeuge hatten bis 1978 kein ABS, wohl aber die nachfolgenden. Während
die ABS-Entwicklung bei BOSCH (zum Unternehmen siehe eigenen Punkt) vor allem auf empirischer Basis begonnen hat,
sind die Arbeiten bei Teves in Frankfurt auf Basis theoretischer
Arbeiten an der TU Braunschweig entwickelt worden. Auch
der Übergang von spezifischen Bauelementen in der Elektronik
auf Mikrorechner ist durch Arbeiten in Braunschweig beeinflusst worden. In noch erheblicherem Maße haben sich die theoretisch-praktischen Arbeiten am Institut für Fahrzeugtechnik
der TU Braunschweig auf die Entwicklung der Stabilitätsregler (wie ESP, der im W 220 enthalten ist) ausgewirkt. Hier hat
es in den 1970er Jahren Untersuchungen zum automatischen
Fahren am Leitkabel gegeben. Diese Untersuchungen haben
theoretische Ansätze und praktische Realisierungen verknüpft.
Es wurde klar, dass es mit „elektronischen Beifahrern“ möglich ist, die Fahrstabilität zu garantieren. Diese Erkenntnisse
wurden dann erstmals bei der Entwicklung der Daimler-Benz
4Matic angewendet. Dabei handelt es sich um ein Allrad-Antriebssystem , bei dem die Vorderachse erst dann angetrieben
wird, wenn eine Elektronik die Notwendigkeit dazu erkennt.
Das geschieht durch den Vergleich des realen Fahrzustandes
mit einem, der durch ein Simulationsmodell während der Fahrt
berechnet wird. Bei Abweichungen zwischen dem Ist- und dem
Sollzustand wird der Allradantrieb hydraulisch zugeschaltet.
Zur Visualisierung dieser Entwicklung verfügt das Museum
Salder über ein W 124 4Matic Fahrzeug. Dieser Kombi ist sogar in der Lage, die Vorderachse von Hand zuzuschalten und
auch die Zentral- und Hinterachssperre separat zu betätigen.
Mit diesem Auto lässt sich also die Entwicklung hin zu elektronisch beeinflussten Fahrhilfen sehr anschaulich darstellen.
Über rechnergestützte Simulationsmodelle können die Zusammenhänge auf einem Bildschirm deutlich gemacht werden.
178
Fahrzeug Baureihe W
114 / W 115.
Die spezielle Feder an der Vorderachse wurde nötig, da dieses
Fahrzeug mit der Vorderachskinematik eines heckangetriebenen Fahrzeugs versehen worden ist. Das Gefühl am Lenkrad
ist dadurch verbessert worden. Das Verteilergetriebe kann sowohl mit einem Mittendifferential betrieben werden, als auch
im gesperrten Zustand. Bei normaler Fahrt ist dies Mittendifferential ohne Funktion und es wird direkt die Hinterachse angetrieben.
Die nächste Entwicklungsstufe, die ebenfalls auf dieser Verknüpfung von Theorie und Praxis beruht, stellt die Fahrdynamikregelung dar, die ab 1996 von BOSCH als ESP vermarktet
wurde. Die zugehörigen Elektroniken finden sich im BMW 7er,
auf den nachfolgend eingegangen wird, und im Mercedes W
220, der eine andere 4Matic Bauform erhalten hat, der aber
über den Fahrdynamikregler mit Bremseingriff verfügt. In diesem Auto ist der Allrad permanent im Eingriff, die Fahrstabilität wird aber wie schon bei der 4Matic über einen Vergleich
von Simulation und Messung ermittelt. Zur Beibehaltung der
Stabilität wird einmal die Motorleistung vermindert, zum anderen werden gezielt Einzelbremsen angesteuert. Das bedeutet, unter Verwendung der letzten S-Klasse kann auch auf diese
elektronischen Systeme eingegangen werden. Filmmaterial zur
Visualisierung auf einem Bildschirm gibt es dazu genügend.
Weiterhin verfügt der W 220 über die erste Version der so genannten Distronic. Das ist ein System, das radarbasiert ein vorausfahrendes Fahrzeug erkennt und stets einen ausreichenden
Abstand zu diesem Fahrzeug einhält. Notfalls wird automatisch
gebremst. Zukünftig werden solche Systeme erheblich dazu
beitragen, dass Auffahrunfälle verhindert werden. Auch zum
automatischen Fahren stellt die Distronic einen wesentlichen
Baustein dar. Die Weiterentwicklung dieses Systems Distronic
zu Distronic Plus (seit 2005) kann das Fahrzeug bei Bedarf bis
zum Stillstand abbremsen. Selbstverständlich können die verschiedenen S-Klasse-Modelle auch motorenmäßig verglichen
werden. Hier werden die erheblichen Verbesserungen im Verbrauch, in der Leistung und im Abgasverhalten deutlich.
Ein weiteres, für die Fahrzeugentwicklung bedeutendes Fahrzeug im Bestand des Museums Salder ist der so genannte „Strich
8“. Dabei handelt es sich bei diesem Auto um ein Mittelklassefahrzeug von 1973 (vor dem Facelift), das als W 114 bezeichnet
179
wird. Diese Baureihe mit Sechszylinder-Reihenmotoren und die
Baureihe W 115 mit den Vierzylindermotoren haben lange Zeit
die Mittelklasse definiert. Sie wurden von 1967 bis 1976 gebaut
und die Produktion hat insgesamt eine Stückzahl von etwa 2
Mio. Fahrzeugen erreicht. In dieser Baureihe ist die oben bereits erwähnte Schräglenkerachse bei Daimler-Benz erstmals
eingeführt worden. In den S-Klasse-Baureihen ist das erst
später erfolgt. Eine weitere Besonderheit, die hier eingeführt
worden ist, stellt die Fuß-Feststellbremse dar, die mit einem
Knopf am Armaturenbrett wieder gelöst werden kann. Diese
Baureihe war auch die erste mit einer umfangreichen Sonderausstattung. Das bedeutet, an diesem Fahrzeug lassen sich im
Museum Salder zahlreiche Ausstattungsmerkmale festmachen,
wie z. B. hydraulische Servolenkung, Stahlschiebedach, Zentralverriegelung usw., die wir heute selbst in preiswerten Kleinwagen vorfinden. Die Doppelquerlenker-Vorderachse hat dem
Fahrzeug ein hohes Maß an Komfort verliehen.
-
Autowerke Salzgitter
Die „Autowerke Salzgitter“ (AWS)
Der Aufbau der Reichswerke führte eine beachtliche Reihe von
Zulieferbetriebe bzw. Dienstleistungsbetriebe ins Salzgitterge180
Ansiedlung in Salzgitter
biet. Kurz nach der Gründung der Reichswerke 1937 kam Heinrich Janssen ins Salzgittergebiet und gründete hier eine Reparaturwerkstatt für Kraftfahrzeuge. Nebenbei betrieb Janssen
noch einen Lastkraftwagentransportbetrieb. Weitergehende
Pläne scheiterten vorerst , weil Janssen vom Luftfahrtministerium 1942 mit seinen Werkstätten nach Russland dienstverpflichtet wurde. Im Mai 1946 gründete Janssen zusammen mit Josef
Mikolajczyk, Besitzer einer Halle und Betreiber eines Mietwagen- und Omnibusgeschäftes in Salzgitter-Bad (zwischen Eisenbahnstrecke und Braunschweiger Straße), die „OHG. Niedersächsisches Auto- und Motoreninstandsetzungswerk, Janssen
& Mikolajczyk in Salzgitter“ (NAW). Die Kurbelwellen- und
Zylinderschleiferei beschäftigte schon bald 300 Personen. Da
nicht ausreichend Reparaturarbeit angesichts der Demontage
der Reichswerke vorhanden war, mussten die Firmeneigner
den Betrieb umstellen. Sie beschlossen, die zu Tausenden auf
den Lagerplätzen der STEG (Staatliche Erfassungsgesellschaft
für öffentliches Gut m.b.H.) stehenden Jeeps der Alliierten in
PKW umzubauen. Am 1. Dezember 1949 nannte sich das Unternehmen um in „Autowerke Salzgitter Janssen & Mikolajczik
OHG“. Zuletzt beschäftigte das Unternehmen 543 Mann, da-
181
„AWS“-Werbung mit den umgebauten Fahrzeugen.
182
183
Zeitungsbericht über das „AWS“-Werk.
184
Elsbett - Motorenfachmann
Ludwig Elsbett (19132003).
Direkteinspritzender
Dieselmotor
runter rund 300 Flüchtlinge. Aus den alten Jeeps wurde der
„Jeep aus Salzgitter“. Die Zahl der vorhandenen und umbaubaren Jeeps war natürlich begrenzt, im Jahre 1950 zeichnete
sich ab, dass keine weiteren Militärfahrzeuge für den Umbau
zur Verfügung stehen würden.
Im September 1949 beschloss daher die „AWS“, einen Auto-Eigenbau herauszubringen. Mit Ing. Ludwig Elsbett (1913-2003),
einem in Motorfachkreisen hervorragend beleumundeten Fachmann, der vorher bei den Junkers-Flugzeugwerken in Dessau
als Abteilungsleiter Motoren entwickelte, wurde herangezogen,
um seine Erfindung (Mehrzweckwagen, 8 Personen/1-TonneLieferwagen mit Dieselmotor in X-Sternform mit einem Normalverbrauch von 6,5 Liter Diesel/100 km mit einer Spitzengeschwindigkeit von 125-130 km/h) zu produzieren. Auch Ing.
Kosche wurde eingestellt, um das Rohrrahmen-Fahrgestell zu
konstruieren. Die Karosserie entwickelte Heinz Schaal. Elsbett
sollte einige Musterfahrzeuge und Mustermotoren bauen. Im
Herbst 1950 fuhr das neue Auto. In diesem Stadium kam die
Entscheidung der HICOG, keine Jeeps mehr an die „AWS“ zu
liefern. Dies bedeutete natürlich das Aus, Ende 1950 ging das
Werk Konkurs. Bis 1950 hat das „AWS“ rund 11.000 Jeeps in
8-sitzige Personenwagen und Lieferwagen umgebaut. Auch im
Busbau versuchte sich das Werk: Zu einem 3-achsigen BedfordFahrgestell wurde ein Busaufbau konstruiert und gebaut. Der
Bus wurde im örtlichen Verkehr eingesetzt. Ein weiterer Versuch wurde mit einem Gaubschat-Busanhänger unternommen.
Er wurde an eine Zugmaschine über eine Lenkvorrichtung direkt angekuppelt.
Elsbett machte später noch einige herausragende Erfindungen,
die ihn zu einem geschätzten Partner mehrerer großer Autofirmen werden ließ. Er entwickelte direkteinspritzende Dieselmotoren für PKW, was bis dahin alle Wissenschaftler und Fachleute für nicht machbar hielten. 1977 stellte Elsbett als erster
Motoren her, die mit Pflanzenöl angetrieben wurden.
Die Darstellung:
Diese für das Technikmuseum ungemein interessante Episode
eines „eigenen“ Autowerks und die damit zusammenhängenden technischen Entwicklungen von Ludwig Elsbett müssen
185
umfassend dargestellt werden. Es existiert in Deutschland noch
ein in den „AWS“ umgebautes Auto, das uns der Besitzer angeboten hat und das unbedingt erworben werden sollte. Weiterhin besitzen wir umfängliches Bildmaterial, Quellen, Entwicklungspläne, Werbematerial, Preislisten und ein Firmenschild.
Zu erbauende Modelle werden die Vorstellung von diesen Wagen erhöhen.
-
Bosch/Blaupunkt baut Autozubehör, elektronische
Fahrzeugsteuerungstechnik
Das Unternehmen Blaupunkt wurde im Jahre 1960 in Salzgitter angesiedelt. Es baute Fernsehgeräte, Autoradios u.a. Das
Unternehmen ging im Boschwerk auf, das im Jahre 1982 in
Salzgitter ein Werk eröffnete. In diesem Werk wurde und wird
Autozubehör, PKW-Steuerungstechnik hergestellt.
Die Darstellung.:
Das Museum besitzt vom Blaupunktfernsehgerät bis zur Steuerungstechnik umfangreiches Dokumentationsmaterial. Auch
Fotos und anderes Material ist vorhanden.
-
Entwicklung von
LKWs
die Entwicklung der Nutzfahrzeuge – Allgemein
Um das Jahr 1900 herum wurde der Transport von schweren
Lasten und Gütern weitgehend von der Eisenbahn durchgeführt. Pferdegespanne konnten den Verteiler- und Güterverkehr im begrenzten Umfang bis zu 100 km durchführen. Die
an das Schienennetz gebundene Eisenbahn transportierte Lasten und Güter über größere Entfernungen, verfügte aber nicht
über die notwendige Flexibilität für die Transportzeit. Somit
entstanden Wartezeiten durch Umladen und Rangieren, die zu
Unmut bei den Transportgesellschaften und Endverbrauchern
führten.
Um Güter und Lasten schneller und individueller befördern zu
können, überlegte man den Einsatz von Motorlastwagen, die
diese Aufgaben bewältigen könnten. Voraussetzung dafür war,
dass die Infrastruktur des Straßennetzes entsprechend vorbereitet werden musste, um einen sicheren und zeitnahen Trans186
port zu gewährleisten. Zwei Firmen, die in unserer Region zu
Hause waren bzw. sind, seit den 1960er Jahren in Salzgitter ineinandergeflossen sind, haben beim Bau von Nutzfahrzeugen
eine große Rolle gespielt und spielen sie noch: MAN und Büssing.
MAN
Entstehung und Geschichte von MAN im
18. Jahrhundert
Wurzeln im Ruhrgebiet
Standort Augsburg
Im Jahre 2008 konnte MAN das 250-jährige Jubiläum feiern.
Die Wurzeln des Unternehmens lagen im westlichen und südlichen Teil Deutschlands. Die Entstehung des Konzerns nahm
seinen Anfang mit der Inbetriebnahme der Eisenhütte „St. Antony“ in Osterfeld bei Oberhausen am 18. Oktober 1758. Im
Umfeld der St. Antony- Hütte wurden etwa 30 Jahre später die
Hütte „Gute Hoffnung“ im Jahre 1782 und die Hütte „Neu- Essen“ im Reichsstift Essen im Jahre 1791 gegründet. Im Jahre
1808 fusionierten diese drei Hüttenbetriebe zu dem gemeinsamen Unternehmen mit dem Namen: „Hüttengewerkschaft und
Handlung Jacobi, Haniel & Huyssen“. Etwa ab dem Jahre 1820
wurde das Geschäftsfeld Maschinen- und Stahlbau verstärkt
eingeführt. Produziert wurden Dampfmaschinen, Lokomotiven und Stahlbrücken. Im Jahre 1873 entstand aus diesem Unternehmen die „Gutehoffnungshütte Actienverein für Bergbau
und Hüttenbetrieb“ (GHH). Dieses Unternehmen hatte seinen
Sitz in Oberhausen. Im Jahre 1877 wurde die St. Antony- Hütte
aus Rentabilitätsgründen stillgelegt.
In Süddeutschland gründete der Kaufmann Ludwig Sander
gemeinsam mit dem „Mechanikus“ Jean Gaspar Dollfuss in
Augsburg am 13. November 1840 die Sandersche Maschinenfabrik. Nachdem die Firma, die im Maschinebau tätig war, nicht
so erfolgreich war, entschloss sich Sander im Jahre 1944, seine
Fabrik an den Unternehmer Carl August Reichenbach zu verpachten. Diese Fabrik stellte Druckmaschinen und Schnellpressen her und lieferte seine Maschinen an Zeitungsverlage und
Druckereien. Damit war der Grundstein für die auch später
prosperierende Druckmaschinenindustrie in Augsburg gelegt.
Gleichzeitig wurde die Produktion um den Bau von Wasserturbinen und Dampfmaschinen erweitert. Im Jahre 1857 wurde diese Firma in die „Maschinenfabrik Augsburg AG“ umbenannt. Ab dem Jahre 1876 wurde in diesem Unternehmen sehr
187
Standort Nürnberg
erfolgreich der Bau von Eismaschinen nach dem Prinzip von
Professor Carl von Linde gefertigt. Im Jahre 1873 wurde von
Johann Renk die Firma „Mechanische Werkstätte von Johann
Renk, Herstellung von Zahnrädern aller Art“ gegründet, die sich
später in den MAN- Verbund eingliederte.
Am 28. Februar 1892 meldete Rudolf Diesel beim Kaiserlichen Patentamt zu Berlin ein Patent für eine Neue Wärmekraftmaschine an. In industriellen Kreisen wurde zunächst die
Funktion dieser Maschine als Alternative zur Dampfmaschine
angezweifelt. Um den von ihm entwickelten Motor zur Serienreife zu bringen war ein Kraftaufwand notwendig, den er allein
nicht bewältigen konnte, zumal ihn ständig Rückschläge verschiedenster Art bremsten. Auch die von ihm prognostizierte
Entwicklungszeit von einem halben Jahr geriet zur Illusion,
denn es vergingen letztlich vier Jahre. Verschiedene Kraftstoffe
mussten erprobt werden, bis sich endlich eine Lösung abzeichnete. Dieser Motor war für den Gebrauch von Mineralölen
konstruiert. Mit finanzieller Unterstützung der Firma Friedrich Krupp und mit Hilfe von Ingenieuren der MAN, konnte
der Motor erst im Jahre 1897 fertig gestellt werden. Einen Motor der mit Pflanzenöl betrieben wurde, konnte man auf der
Weltausstellung im Jahre 1900 in Paris sehen. Große Hilfe und
Unterstützung bei der Realisierung seines Vorhabens fand Rudolf Diesel auch bei dem Generaldirektor Heinrich von Buz in
Augsburg. Dieser war im Jahre 1857 in die Maschinenfabrik
Augsburg eingetreten. Eine Lizenz zum Bau von Dieselmotoren
wurde in Abstimmung mit der Firma Krupp von dem Augsburger Werk übernommen.
Auch in Süddeutschland, in Nürnberg, gründete Johann Friedrich Klett im Jahre 1841 die „Eisengießerei Klett & Comp“.
Diese Maschinenfabrik stellte Produkte für den Eisenbahnbedarf her. Nachdem der Firmengründer im Jahre 1847 gestorben war, übernahm der Kaufmann Theodor Cramer dieses Unternehmen und wandelte es schließlich im Jahre 1873
in die „Maschinenbau-Actiengesellschaft Nürnberg“ um. Die
Produktpalette reichte neben der traditionellen Eisengießerei,
von der Produktion von Eisenbahnmaterials, Eisenbahnwaggons, Dampfmaschinen und Brücken bis zum Bau des Wintergartens in der königlichen Residenz in München und zum Bau
eine Glaspalastes für die Allgemeine Münchner Gewerbeaus188
stellung im Jahre 1854. Mitte 1865 hatte Theodor von CramerKlett damit begonnen sein Unternehmen neu zu organisieren.
Die Brückenbauabteilung wurde im Jahre 1873 ausgegliedert
und in eine neue Tochtergesellschaft überführt. Diese neue Gesellschaft produzierte ab diesem Zeitpunkt in Gustavsburg und
hatte ihren Firmensitz als Süddeutsche Brücken AG in München. Nach der organisatorischen Veränderung seines Unternehmens zog sich Cramer-Klett als Unternehmer zurück. Nach
seinem Rückzug kam das Unternehmen in allen seinen Sparten in erhebliche Bedrängnis. So gab es im Jahre 1884 bereits
Überlegungen das Gustavsburger Werk zu schließen und die
Süddeutsche Brücken AG aufzulösen.
Am 5. April 1884 verstarb Theodor von Cramer- Klett und sein
Sohn, der zu diesem Zeitpunkt gerade zehn Jahre alt war, erbte das Industrieunternehmen. Im Jahre 1889 wurde der Maschinenbau-Ingenieur Anton von Rieppel vom Aufsichtsrat in
den Vorstand berufen. Nachdem von Rieppel ab 1892 alleiniges Vorstandsmitglied war, begann er mit der Modernisierung
und Entwicklung des Unternehmens in Nürnberg, um es wieder wettbewerbsfähiger zu gestalten. Eigentlich hatte er sich
auf Konstruktionen im Brückenbau spezialisiert und im Jahre 1874 bei der Süddeutschen Brückenbau AG im Münchner
Büro begonnen. Im Jahre 1884 wurde auf Grund der kritischen
Unternehmenslage die Süddeutsche Brückenbau AG aufgelöst
und das Gustavsburger Werk in die Maschinenbau-Actiengesellschaft Nürnberg integriert. Anton von Rieppel wurde mit
der Gesamtleitung des Gustavsburger Werkes beauftragt um
den Brückenbau weiterzuführen. Ihm gelang es nach knapp
zehn Jahren, das Werk wieder zu einem der führendsten Brückenbau- Unternehmen Deutschland zu entwickeln.
Trotz der erfolgreichen Entwicklung der Maschinenbau- Actiengesellschaft Nürnberg plante Cramer- Klett jun. der nach
dem Tod seines Vaters, im Alter von zehn Jahren Eigentümer
war, nach etwa 14 Jahren den Verkauf des Unternehmens. Anton von Rieppel sah jetzt die Möglichkeit durch Fusion mit
seinem Wunschpartner das Unternehmen zu erweitern und so
die industrielle Macht in Süddeutschland auszubauen. Dieser
Wunschpartner war die Maschinenfabrik Augsburg und so
nahm er Kontakt mit Heinrich von Buz auf. Nachdem sich beide handelseinig waren kam es im Jahre 1898 zur Fusion und
189
damit zur Gründung der „Vereinigten Maschinenfabrik Augsburg und Maschinenbaugesellschaft Nürnberg AG“. Als Vorstände standen diesem Unternehmen Heinrich von Buz und
Anton von Rieppel vor. Diese erfolgreiche Verschmelzung beider Unternehmen zeigte kurzfristig bereits Wirkungen. Von
Buz führte den Dieselmotor zum Durchbruch und ließ die erste
deutsche Sechs-Farben-Rotationsdruckmaschine bauen. Auch
lieferte er das erste Großdieselmotoren- Kraftwerk der Welt
nach Kiew. Von Rieppel ließ Großgasmaschinen, Brücken und
epochale Stahlhochbauten im In- und Ausland errichten. Im
Jahre 1913 schied Heinrich von Buz aus dem Vorstand aus und
von Rieppel wurde alleiniger Generaldirektor. Er begann den
Betrieb neu zu ordnen und begründet damit die „Maschinenfabrik Augsburg- Nürnberg AG, Augsburg“. Dieses Unternehmen
gliederte sich in vier Werke mit Hauptverwaltung in Nürnberg.
Zu diesem Zeitpunkt entstand auch der Plan in das Nutzfahrzeuggeschäft einzusteigen.
Werksaufbau von
MAN
MAN AG im Jahre 1908.
Im Westen Deutschlands bei der „Gutehoffnungshütte Actienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb“ (GHH) begann mit dem
Eintritt von Paul Reusch, der im Jahre 1909 den Vorsitz des
Vorstands übernahm, der strukturelle Umbau des gesamten
Unternehmens. Er begann damit das in Oberhausen ansässige
Montanunternehmen GHH zum Maschinen- und Anlagenbau190
er umzubauen. Verschiedene weitere Unternehmen der verarbeitenden Industrie komplettierten das Produktportfolio und
sicherten einen Teil des Absatzes der Stahlproduktion. Er war
beteiligt an der Gründung der „Deutschen Werft“ in Hamburg
und an mehreren anderen Unternehmen. Im Jahre 1921 übernahm er auch für die GHH die Aktienmehrheit der Maschinenfabrik Augsburg Nürnberg AG (MAN).
Im Jahre 1923 besetzten französische Truppen das Ruhrgebiet
wegen nicht geleisteter Reparationszahlungen. Reusch verlegte
daraufhin die Konzernzentrale nach Nürnberg. Jetzt wurde die
GHH zu einer reinen Holding. Die GHH übernahm 40 % der
in Den Haag im Jahre 1920 gegründeten „Ferrostaal“, die sich
mit dem Vertrieb von Industriegütern beschäftigte. Gleichzeitig
wurde auch die „Mechanische Werkstatt von Johannes Renk“ in
Augsburg übernommen.
Etwa vier Jahre später, 1924, wurde in Nürnberg mit dem Bau
von Nutzfahrzeugen begonnen. Diese verfügten über die in
Augsburg entwickelten Motoren mit Direkteinspritzung. Otto
Meyer kam im Jahre 1925 als technischer Leiter in das Werk
und wurde im gleichen Jahr in den Vorstand der MAN berufen.
Er führte das Unternehmen durch die schwierigen Zeiten der
Wirtschaftskrise 1929.
Die GHH im Jahre 1925.
191
„Neuanfang“ nach
1945
Wenige Monate nach der Machtübernahme durch Hitler im
Jahre 1933, zeigten die Umsatz- und Produktionszahlen einen
erheblichen Einbruch als Folge der Weltwirtschaftskrise von
1929. Ein Jahr später zeigten sich die Zahlen erfolgreicher und
der Warenumschlag war um 40 % gestiegen. Ab den Jahren
1935/1936 profitierte die GHH und damit auch die MAN zunehmend von Rüstungsaufträgen. Das Lastwagengeschäft kam
durch Aufträge des Heeres wieder kräftig in Schwung. GHH
und auch MAN waren daran interessiert eine wichtige Rolle im
Rüstungsgeschäft zu spielen. Während das Augsburger Werk
Geschäfte mit der Marine machte, hatte sich das Nürnberger
Werk entschlossen, sich an der Panzer- Produktion zu beteiligen. Dennoch blieb das Verhältnis der meisten Vorstandsmitglieder gegenüber dem politischen System distanziert. Sowohl
Paul Reusch, wie auch Otto Meyer standen dem politischen
System besonders kritisch gegenüber, was letztendlich für sie
selbst zu Konsequenzen führte. Paul Reusch musste schließlich
auf Grund des politischen Drucks seine Vorstands- und Aufsichtsratsposten im Jahre 1942 aufgeben und zog sich verbittert zurück.
Die „Nachkriegs-GHH“ hatte nur noch wenig mit dem einstigen Industrieunternehmen gemeinsam. Der Sohn von Paul
Reusch, Hermann Reusch, leitete jetzt die „Gutehoffnungshütte Aktienverein“. Da Steinkohlebergbau und Hüttenwerke
nicht mehr weiter existierten, war die einstmals große GHH
nun auf das Weiterverarbeitungswerk in Sterkrade zusammen
geschrumpft.
Ab dem Jahre 1952 kam es zu einer Neuordnung des Konzerns.
Die weiterverarbeitenden Betriebe der GHH arbeiteten jetzt
unter dem neuen Namen „Gutehoffnungshütte Sterkrade AG“.
Ab dem Jahr 1966, nachdem Dietrich Wilhelm von Menges den
Vorsitz des Vorstandes übernahm, formt dieser das Unternehmen in die Richtung eines Komplettanbieters von Anlagen und
Systemlösungen. Dabei setzt er wesentliche Schwerpunkte auf
den Export.
Ab Mai 1945 wurden die Werke der MAN von den Alliierten
besetzt. Nach der Rückkehr Otto Meyers in die Betriebe der
MAN bot sich ihm ein erschütterndes Bild. 70 % der Gebäude
waren zerstört. Die übrigen waren stark beschädigt.
192
Um die Zukunft des MAN Nutzfahrzeugbaus sicher zu stellen,
wurde der Lastwagenbau 1958 in das von der BMW AG in
München erworbene ehemalige Flugmotorenwerk in München
Allach verlegt. Hier entstand ein neues Montagewerk für Lastkraftwagen. Ab 1963 entschloss man sich im Nutzfahrzeugbau
zur Zusammenarbeit mit dem französischen Lkw- Hersteller
Saviem und produzierte mit diesem eine leichte Baureihe. Diese
Kooperation wurde 1981 wieder beendet.
Im Jahre 1969 zeigte sich, das das neue Montagewerk in München- Allach bereits zu klein geworden war und es wurde daraufhin in einer Rekordbauzeit von elf Monaten, ein neues Montagewerk für Omnibusse in der strukturschwachen Region in
Penzberg errichtet.
Auch im Jahre 1958 war MAN mit der Gründung der „MAN
Turbomotoren GmbH, München“, wieder in den Bau von Flugzeugmotoren eingestiegen. Auch von Seiten der GHH sah man
hier eine Branche der Zukunft die langfristig hohe Erträge
und Umsätze erwarten ließen. Im Jahre 1960 begann hier die
enge Zusammenarbeit mit der BMW Triebwerkebau GmbH,
München, die über große Erfahrungen in der Herstellung von
Triebwerken verfügten und sich mit 50 % daran beteiligte. In
diesem Gemeinschaftsunternehmen arbeiteten sehr erfolgreich
im Jahre 1964, zusammen etwa 3.600 Beschäftigte. Später Ende
1965 wurde dieser Bereich noch erweitert und die Neue Technologie gegründet, die ihre Aktivitäten im Bereich der Raumfahrt aufnahm.
Im Mai 1964 entschloss sich der MAN-Vorstand zur Gründung eines deutsch-türkischen Gemeinschaftsunternehmens.
MAN war 1966 bei dem türkischen Unternehmen MANAS zu
30 % beteiligt. Diese LKW-Werk befand sich in Istanbul und
war für die Produktion von Lastkraftwagen errichtet worden.
1997 übernahm MAN die Aktienmehrheit, verkaufte später
das Werk in Istanbul und verlegte die gesamte Fertigung von
Omnibussen und Lastkraftwagen nach Ankara.
Im Jahre 1969 kam es zu einem weiteren Umbau des Konzerns,
da es zwischen der GHH Sterkrade und dem anderen Maschinenbau-Bereich der GHH und der MAN zu Überschneidungen
in der Produktionspalette gekommen war. Dadurch sollte der
Bereich der Maschinenbau innerhalb der GHH durch einen
Zusammenschluss mit der MAN weiter aufgewertet werden.
193
Büssing - Teil von
MAN
Dieser Umbau erfolgte am 30. Juni 1969 durch Aktientausch
der GHH Sterkrade AG und der MAN AG. MAN übernahm
damit 99 % der GHH Sterkrade-Aktien.
Im Jahre 1971 kam die Firma BÜSSING zur MAN. BÜSSING
befand sich seit 1965 zu rund 75 % in Bundesbesitz, nachdem
die Familie Büssing ihren Mehrheitsanteil schrittweise an die
bundeseigene Salzgitter AG veräußert hatte. Vorausgegangen
war bereits ein im Jahre 1967 geschlossener Kooperationsvertrag zwischen der MAN AG und BÜSSING. Die Firmen BÜSSING und MAN wollten sich auf den Gebieten der Produktion,
des Vertriebes und des Kundendienstes gleichermaßen nachhaltig stärken. Da auch Daimler- Benz Interesse an der Übernahme von BÜSSING zeigte, wollte man dies von Seiten der
MAN unter allen Umständen verhindern. Am 31. Januar 1969
übernahm MAN zunächst eine 50 % Beteiligung an BÜSSING.
Mitte 1972 befanden sich sämtliche BÜSSING- Aktien je zur
Hälfte im Besitz der GHH und der MAN. Die vollständige Übernahme von BÜSSING durch die MAN erfolgte dann zeitgleich
mit dem Ausstieg des GHH- Konzerns aus der Howaldtswerke
Deutsche Werft, seit 1969 ein Gemeinschaftsunternehmen mit
der Salzgitter AG.
Im gleichen Jahr 1972 erwarb die MAN Nutzfahrzeuge ein
weiteres Unternehmen in Österreich, um die Nutzfahrzeugproduktion auszuweiten. Es handelte sich um die Mehrheit an der
Österreichischen Automobilfabrik ÖAF in Wien.
Auch eine Gemeinschaftsproduktion mit VW wurde im August
1977 vertraglich vereinbart. Diese Gemeinschaftsproduktion
eines leichten LKWs wurde hauptsächlich im Werk Salzgitter
gefertigt.
Zum 1. Juli 1985 wurde in einem ersten Schritt der Konzern
in Unternehmensbereiche gegliedert, praktisch wurde so aus
der GHH die MAN AG. Zunächst wurden die MAN Unternehmensbereiche Nutzfahrzeuge, Maschinen und Anlagen sowie
die Neue Technologie als selbstständige Gesellschaften ausgegliedert. Es entstanden so die MAN Nutzfahrzeuge GmbH, die
MAN Gutehoffnungshütte GmbH und die MAN Technologie
GmbH. Diese Gesellschaften wurden gleichermaßen wie die
bereits selbstständigen Bereiche MAN Roland AG und MAN
B&W Diesel GmbH durch Gewinnabführungsverträge mit der
MAN AG verbunden. Damit war der erste Schritt der Umstruk194
turierung erfolgt. Die anderen Beteiligungen der GHH für die
ausgegliederten und verselbständigten Unternehmen der MAN,
sowie für die Deggendorfer Werft, die Zahnradfabrik Renk
und Ferrostaal wurden im Kernkonzern zusammengefasst. Die
weiteren Beteiligungen der GHH an Kabelmetall, SchloemannSiemag (SMS) und Schwäbische Hüttenwerke (SHW) wurden
dabei nicht mit einbezogen.
In einem zweiten Schritt wurden zum 1. Januar 1986 die MAN
auf den GHH Aktienverein verschmolzen. Diese neue Holding
erhielt den Namen MAN Aktiengesellschaft. Der Sitz dieser Gesellschaft wurde von Oberhausen nach München verlegt. Im
gleichen Jahr übernahm Rudolf Rupprecht im Juli die Führung des Konzerns von seinem Vorgänger Klaus Götte.
Der GHH Konzern 1984/1985.
195
Der GHH Konzern 1986.
196
Übernahme von
MAN durch VW
Im Jahre 1989/1990 kam noch ein österreichischer Nutzfahrzeughersteller hinzu. Die Übernahme der Lastkraftwagensparte der Steyr-Daimler-Puch-Werke in Steyr. Damit konnte die
Produktionskapazität nochmals ausgeweitet werden.
Eine weiterer Ausbau der Produktion erfolgte bereits in den
Jahren 2000/2001 durch die Übernahme mehrerer Firmen,
darunter STAR Trucks in Polen, die Gottlob Auwärter GmbH
(NEOPLAN) sowie Sulzer Turbo in der Schweiz.
Im Januar 2005 kam es zu einem Vorstandswechsel an der Führung der MAN AG. Hakan Samuelsson, der vorher Vorstandsvorsitzender bei der MAN Nutzfahrzeuge war, übernahm jetzt
die Konzernleitung und setzte den Schwerpunkt auf Globalisierung und Orientierung auf die Kernkompetenzen des Unternehmens. In diesem Jahr wurden mehrere Tochtergesellschaften und Beteiligungen verkauft. Darunter war die MAN
Technologie, MAN Logistics, MAN Wolffkran sowie Sulzer
Turbo in der Schweiz. Im Jahre 2006 wurde auch MAN Roland
verkauft. Im Jahre 2008 verdiente MAN mit Nutzfahrzeugen,
Dieselmotoren, Turbomaschinen und Industriedienstleistungen
Geld. Dazu gehörte der Getriebespezialist RENK, an dem MAN
mehrheitlich beteiligt war. Als wichtigste Sparte des Konzerns
erzielten die Nutzfahrzeuge rund zwei Drittel des Konzernumsatzes. Im Frühjahr 2009 trennte sich MAN von Ferrostaal.
Gleichzeitig wurde MAN als europäische Aktiengesellschaft
MAN SE eingetragen. Auch im Juli 2009 fusionierten die Töchter MAN Turbo, MAN Diesel und Renk zum Konzernbereich
Power Engineering.
Ab dem Jahr 2011 begann VW in mehreren Schritten das Unternehmen zu übernehmen.
197
Wilfried Lochte.
Fazit: MAN hat sich in seiner 254-jährigen Geschichte von einem traditionellen Anlagen- und Maschinenbauer zu einem
Global-Player gewandelt, der im Kern immer dem Thema Mobilität verbunden war und ist. Viele prägnante Persönlichkeiten die im Rahmen ihrer verantwortungsvollen Funktion als
Vorstände, Aufsichtsräte und Führungskräfte wirkten, haben
das Unternehmen mit Weitblick nachhaltig verändert, stabilisiert und immer zukunftsorientiert ausgerichtet.
Mobilität stand dabei ständig im Focus dieser Veränderungsprozesse. Gerade auch deshalb ist es nicht verwunderlich, dass
der langjährige Vorstandsvorsitzende der MAN Nutzfahrzeuge
und spätere Aufsichtsratsvorsitzender der Salzgitter AG Dr.Ing. E. h. Wilfried Lochte, dem Werk Salzgitter immer in besonderer Weise verbunden war. Seine Bemühungen, die Person
und das Werk Heinrich Büssings immer wieder zu reflektieren
und die Erinnerung an diesen großen Nutzfahrzeugpionier
wach zu halten, war auch Teil seines Lebens.
-
Schmiedewerkstatt Büssing in Nord-Steimke.
Die Entwicklung der BÜSSING- Nutzfahrzeuge
Die Entwicklung von Nutzfahrzeugen wurde auch von Heinrich
Büssing sorgfältig beobachtet und führte dazu, dass er im Jahre 1902 sich dem Bau von Lastkraftwagen widmete. Im Alter
von 60 Jahren und unter Einsatz seiner gesamten finanziellen
Ressourcen, gründete er 1903 seine Firma: „H. Büssing, Fabrik
für Motorlastwagen und Motoren“.
LKW
Büssing/MAN, Ausgangspunkt Nord-Steimke (Wolfsburg),
Braunschweig, zuletzt Salzgitter, Teil des MAN-Werkes (Fahrräder, LKWs, Busse, Waffen, KVG, Schifffahrt auf der Okertalsperre, Büssingarchiv)
„Graue Katze“
Die Entwicklung des Nutzfahrzeugbaus begann bei BÜSSING
mit dem Prototyp „grauen Katze“ (Bild 1). Auf dieser Basis
entstand der erste Lastkraftwagen im Jahre 1903 (Bild 2). Ab
dem Jahr 1905 führte Büssing die Differenzialsperre an seinen Fahrzeugen ein. Im Jahr 1920 wurde damit begonnen die
Stahlguss- oder Stahlblechräder mit Vollgummi durch Luftbe198
Familie Büssing.
199
Büssing-Werk in Braunschweig, Werkhallen und Produkte.
200
Geschichte des Büssing-Werkes
Büssing im Dritten
Reich
reifung zu ersetzen. Ab dem Jahr 1925 wurde der Typ V G produziert, der kurze Zeit später mit einem Sechszylinder- Motor
ausgerüstet wurde. (Abb. 3). Diese Fahrzeuge wurden bereits
im Fließbandverfahren hergestellt, das im Jahr 1925 bei BÜSSING im Stammwerk Braunschweig eingeführt wurde. Später
im Jahre 1927 führte BÜSSSING die Druckluftbremse von der
Firma Knorr an den Getrieben der Fahrzeuge ein.
In der Zwischenzeit verlangte das transportierende Gewerbe
nach höherer Transportkapazität, die mit dem Lastkraftwagen befördert werden sollten. Da die Lastverteilung auf einer
Hinterachse begrenzt war, entschloss sich Büssing im Jahre
1923, durch seinen Konstruktionschef Willy Staniewicz zum
Bau eines Dreiachser- Lastkraftwagen, um somit die Last auf
vier angetriebene Hinterräder zu verteilen. Als Ergebnis dieser
Entwicklung wurde der Sechsradwagen mit Luftbereifung der
Kundschaft vorgestellt und kurze Zeit später in Serie produziert. Die technische Besonderheit dieser Fahrzeuge war, dass
die Lastverteilung auf die Hinterräder durch den Einsatz einer
drehbar gelagerten Waagebalken- Federung übernommen wurde. Dieses Konstruktionsprinzip stellte die gleichmäßige Verteilung der Brems- und Antriebskräfte sicher (Abb. 4). Nachdem
BÜSSING erfolgreich seinen Dreiachser der Öffentlichkeit vorgestellt hatte, zogen auch die Firmen NAG und VOMAG mit
dem Bau solcher Fahrzeugtypen nach.
Die Wirtschaftskrise von 1929 führte dazu, das BÜSSING
und die zur AEG gehörende Nationale Automobilgesellschaft
(NAG), sich 1931 zu einer Fusion zusammenschlossen und dabei
gleichzeitig ihr Produktionsportfolio aufteilten. Das Firmenlogo der Firma BÜSSING wurde ab diesem Zeitpunkt um den
Schriftzug NAG erweitert. Ab dem Jahr 1931, letztlich auch
durch den Zusammenschluss mit der NAG, wurde bei BÜSSING neben dem Programm der schweren Lastkraftwagen ein
Programm von Leichtlastwagen entwickelt, das bis zum Jahre
1937 Bestand hatte. Diese Leichtlastwagenreihen wurden ab
dem Jahr 1934 mit dem Namen „Burglöwe“ bezeichnet (Abb.
5). Der Ausbau des Nutzfahrzeug- Produktionsprogramms
war dadurch möglich, da zwischenzeitlich die Werke der NAG
in Berlin- Oberschöneweide und das DUX- Werk in Leipzig in
den Produktionsverbund dazugekommen waren. Die neuen
Eineinhalb- bis Zweitonner bekamen wahlweise einen Diesel201
Nachkriegsproduktion
oder einen Ottomotor. Im Jahre 1935 wurde die Fertigung dieser Fahrzeugtypen von Leipzig in das Stammwerk nach Braunschweig verlegt.
Im Jahre 1934 trat die erste Reichsstraßenverordnung in Kraft.
Diese Verordnung regelte Maße und Gewichte für Nutzfahrzeuge neu. Gleichzeitig wurde im Rahmen eines Programms
der Reichsregierung ein Straßenbauplan entwickelt. Ergänzt
wurde dieses Programm durch entsprechende Maßnahmen
zur Steuererleichterungen und zur Förderung des Güterfernverkehrs. Das BÜSSING- Produktionsprogramm von mittleren und schweren Lastkraftwagen sah sowohl den Bau von
Zweiachsern, wie auch von Dreiachsern vor. Bei den Zweiachsern erstreckte es sich auf die Typenreihen 350 bis 650 und bei
den Dreiachsern auf die Typenreihen 801 bis 900. Gleichzeitig
wurde die Umstellung auf die Großserie des 4 ½ t- EinheitsLkw mit 10 t Gesamtgewicht durchgeführt. Ab 1938 bekamen
die Nutzfahrzeuge ein „neues Gesicht“ durch die neugestaltete Kühlerform in Form von verchromten Rippen, die auch als
Büssing-Spinne bezeichnet wurde.
Nach dem Krieg wurden auf der Basis des Typs 650 die neuen
Typen 7000 S produziert. Kurze Zeit später folgte der Typ 8000.
Ab dem Jahr 1950 wurde die Produktion des 105er eingestellt
(Abb. 7). Dieses Fahrzeug hatte sehr stark den Wiederaufbau
der durch den Krieg zerstörten Städte begleitet und prägte das
Bild vieler Baustellen. Die nachfolgenden Fahrzeuge bekamen
jetzt wieder an der Motorhaube oberhalb der Chromspinne
den Büssing- Löwen. Das Emblem NAG wurde nicht mehr verwendet. Am 12 September 1950 verließ der 10 000. Nachkriegswagen das Montageband im Stammwerk Braunschweig. Es ist
ein Fahrzeug des Typs 8000. (Abb. 8). Ab dem Jahr 1952 gab
es dieses Fahrzeug auch in einer Ausführung mit Unterflurmotor.
Im Jahre 1951 zeigte BÜSSING auf der IAA den von Willy Staniewicz und Paul Arendt konstruierten neuen Dreiachser, den
Typ 12000. Das Fahrzeug war der erste Dreiachser der Nachkriegszeit (Abb. 9). Dieser Typ hatte ein an drei Punkten gelagerten Unterflurmotor. Zu diesem Zeitpunkt erreichten die
Fahrzeuge der Firma BÜSSING bereits eine Fahrleistung von
Zwei Millionen Kilometern.
Ab 1953 nahm BÜSSING in das Produktionsprogramm als Al202
ternative zu den schweren Lastkraftwagen, den Typ 4000 auf
mit einem 100 PS Unterflurmotor. Dieses Fahrzeug sollte besonders im Güter- Verteilerverkehr eingesetzt werden.
Auf Initiative des damaligen Bundesministers für Verkehr
Hans- Christoph Seebohm kam es durch Veränderung der
Straßenverkehrs- Zulassung- Verordnung 1955 unter anderem
zu einer Veränderung der zulässigen Achslasten und Baumaße
für Nutzfahrzeuge. Ein Hintergrund dabei war, den Eisenbahnverkehr für den Transport von Gütern zu stärken. BÜSSING
reagierte darauf mit der Entwicklung des Typs 7500 U. Mit
diesem Fahrzeug setzte sich der Unterflurmotor in der Breite
durch.
In dem Zeitraum von 1958 bis 1965 verschrieb sich BÜSSING
der Konstruktionsprinzipien des Leichtbaus, der Kostensenkung bei der Produktion, einer größeren Reparaturfreundlichkeit und einem höherem Fahrkomfort. Infolge dessen wurde
dieser Zeitraum durch drei Lastkraftwagentypen bestimmt. Es
waren der Burglöwe / Konsul, der Supercargo und der Commodore. Alle drei Fahrzeuggattungen wurden in der Hauben- und
Frontlenker Ausführung produziert. Auch der Typ Commodore LS 11 wurde in diesem Zeitraum produziert (Abb. 11).
Am 1. Januar 1960 wurden die Baumaße und die Gesamtgewichte für Nutzfahrzeuge wieder gesetzlich geändert. Sicherlich war ein Grund, die deutschen Nutzfahrzeuge wieder international wettbewerbsfähiger zu machen. Der Commodore
S16-210 (Abb. 12) sollte für das Unternehmen den erhofften
positiven Gewinn bringen, denn BÜSSING war in Deutschland
der einzige Hersteller der Sattelzugmaschinen mit Luftfederung herstellte. Das Fahrzeug konnte allerdings den Absatzplanungen nicht entsprechen und wurde von der Kundschaft nicht
angenommen. Ab 1967 trat Büssing eine Verbindung mit MAN
ein, die letztlich zum Ende der Marke BÜSSING führte. In der
Übergangszeit trugen die Fahrzeuge an der Fahrerhausfront
beide Logos, das der MAN und der Schriftzug BÜSSING.
Abbildungen Lastkraftwagen
Lastkraftwagen die einen historischen Überblick der Nutzfahrzeugentwicklung bei BÜSSING geben. Dieser Vorschlag
kann vor dem Hintergrund der Gesamtheit der technischen
203
Entwicklung und der verschiedenen Typenabweichungen nicht
vollständig sein. Sie stellen aber Meilensteine der Entwicklung
dar. Sonderfahrzeuge wurden hierbei nicht berücksichtigt.
Abb Fahrzeug/Exponat/Baujahr
.
1
1902
2
903
1925
3
1923
4
1931
5
1
Beschreibung
Bestand
Graue Katze
Prototyp
Fahrzeug mit Riementrieb
auf die Hinterachse.
Reibungskupplung.
PIV- Getriebe
Nicht vorhanden
Nachbau
möglich
Erster Lkw
Zweizylinder-Motor 9 PS
60 Zentner Nutzlast
Vollgummireifen
Kraftübertragung durch
Ketten.
Typ VG
Vierzylinder und
Sechszylinder- Motor.
Otto Motoren
Getriebe bereits mit vier
Vorwärts- und einem
Rückwärtsgang.
Stahlguß-Scheibenräder
Typ 6 G 1
VierzylinderSechsradwagen
Otto- Motor
Das Chassis dieses
Fahrzeuges wurde auch für
den Omnibus verwendet.
Beide Hinterachsen
angetrieben.
Leichtlastwagen Typ 250
Burglöwe mit 2,5 t Nutzlast
Fischbauchförmiger
Rahmen
Mit langsamlaufenden
Motoren
Besonderheit hier fullfloating- Hinterachse .
Vorhanden als
Replikat im
Museum Salder
Nicht vorhanden
Nicht vorhanden
Nicht vorhanden
204
1939- 1947
6
7
1950
Fahrzeuge des
Kriegsprogramms
Typ 4500A. Vereinfachte
Kotflügel, ohne SchmuckNicht vorhanden
details. Buntmetalle wurden
möglichst ersetzt. Getriebe
wurde vereinfacht in der
Herstellung.
Typ 5500 oder 105er
Büssing
Das Fahrzeug war als
Wehrmachts- Einheitstyp
Nicht vorhanden
konzipiert und galt als
zuverlässiger Fünf- Tonner.
Typ 8000
Mit stehenden Motor als
Abschleppwagen.
8
Vorhanden
9
1952
Typ 12000
Zulässiges Gesamtgewicht
von 24 Tonnen.
Unterflurmotor. Drei
einfach bereifte Achsen.
Beide Hinterachsen waren
angetrieben. Die
Hinterachsen haben eine
Waagebalken- Aufhängung.
Motorleistung 180 PS,
später auch höher.
Typ 7500 U
Mit einem Motor U 10
Sechszylinder.
Besonders der kleine
Wendekreis zeichnet diese
Fahrzeuge aus.
10
Vorhanden
Nicht vorhanden
1954
205
11
1962
12
1965
Typ Commodore LS 11 / 16
K
Der traditionelle Kühler ist
nicht mehr vorhanden.
Der Motor ist ein stehender
Sechszylinder mit einer
Leistung von 192 PS
Typ Commodore S 16-210
F34
Aus Platzgründen ist hier
der Motor vor die
Vorderachse gelegt. Das
Fahrzeug hatte eine
Luftfederung.
Vorhanden
Unrestauriert
Vorhanden
Die Büssing-Omnibusse
Von der Pferdebahn
zum Omnibus
Die Idee, Straßenfahrzeuge für Personen- Massenbeförderung
zu bauen, fällt in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts. 1662
gründete Blaise Pascal (1623-1662) in Paris die weltweit erste
Pferdeomnibuslinie. Eine gegründete Gesellschaft erhielt das
Privileg, Wagen nach festem Zeitplan durch Paris fahren zu
lassen. Als Benennung für diese Wagen wählte Pascal den Dativ
Pluralis von Omnis – also „Omnibus“ – das besagt: „für alle“.
Damit begründete Pascal die erste Omnibusgesellschaft der
Welt.
Diese Omnibusse bestanden aus einem Wagenkasten auf eisenbereiften Rädern mit Pferdebespannung. Technische Probleme
gab es kaum. In der weiteren Entwicklung wurden dieselben
Fahrzeuge mit gleicher Pferdebespannung auf Eisenschienen
gezogen; so entstand die Pferdebahn. Beide Transportmittel –
Pferdebahn und Pferdeomnibus- konkurrierten nebeneinander fast zwei Jahrhunderte, bis sie durch die auf Schienen fahrenden, größeren Fahrzeuge mit Kraftantrieb, zu Beginn mit
Dampf, später mit elektrischem Antrieb – abgelöst wurden. Es
entstand so die Straßenbahn.
Bereits ein halbes Jahr nach dem genauer untersuchten ersten
Lastkraftwagen am 3. Juni 1904, trat der erste Omnibus der
Büssing- Konstruktion die Versuchsfahrt an. Auf das normale
Lastwagengestell wurde ein geschlossener Wagenkasten montiert. Als Antrieb diente zunächst der Lkw-Motor mit 9 PS
206
Buslinien
Unterbrechung des
Busverkehrs im Ersten Weltkrieg 19141918
Leistung. So entstand der Wendeburger (Abb. 13). Die Holzräder mit Vollgummibereifung, sowie der Kettenantrieb wurden
ebenfalls vom Lkw übernommen.
Der Kastenaufbau wurde in zwei Klassen geteilt und ergab
somit Platz für 18 Personen. Die Geschwindigkeit betrug
20 km/h. Zur praktischen Erprobung der Omnibusse eröffnete
BÜSSING als Nebenbetrieb am 5. Juni 1904 eine Kraftomnibuslinie im Harz, u. a. Goslar – Hahnenklee. Etwa zur
gleichen Zeit wurde auch eine Linie von Braunschweig nach
Salder- Lebenstedt eröffnet.
Mit gut entwickelten und erprobten Omnibussen konnte
man jetzt auch in das England-Geschäft einsteigen. Die
erste Lieferung von Omnibussen nach England erfolgte am 10.
August 1904. Im Laufe der kommenden Jahre wurden etwa
400 Omnibusse, bzw. Chassis in eigener Fertigung oder im
Lizenzbau durch die Londoner Firma Straker & Squire Ltd.
verkauft. Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1914/1918
war die Entwicklung der BÜSSING- Omnibusse stark vorangetrieben worden. Aus dem mehr oder minder primitiven
Wagenkasten für die Personen der ersten Omnibusse waren
bequeme Karosserien entstanden. Die Fahrgestellabfederung war wesentlich verbessert (BÜSSING- Doppelabfederung). Die Motoren wurden verstärkt. Statt der 2-ZylinderMotoren wurden jetzt 4- Zylinder- Motoren eingebaut, deren
ruhiger Lauf besonders begrüßt wurde. Die Bereifung wurde
von Vollgummireifen auf Luftreifen umgestellt. Der Kettenantrieb, der erheblichen Betriebslärm entwickelte und großem Verschleiß unterlag, wurde durch den Kardanantrieb
ersetzt.
Die Jahre des ersten Weltkrieges 1914/1918 unterbrachen
die weitere technische Entwicklung. Im Jahre 1924 entstand
eine Art Niederfluromnibus mit bequemen Einstieg von der
Straße aus. Im gleichen Jahr zeigte BÜSSING auf der Berliner Automobil- Ausstellung den ersten Dreiachs- Omnibus der
Welt mit zwei angetriebenen Hinterachsen. Dieser Fahrzeugtyp wurde für die weitere Entwicklung von bahnbrechender
Bedeutung und hat den schienenlosen Verkehr stark gefördert.
(Abb. 14)
Im Jahr 1929 wurde eine Entwicklung eingeleitet, die zu einer
Konstruktion führte, die für BÜSSING typisch werden sollte:
207
KVG-Gebäude in Salzgitter-Lebenstedt.
KVG-Buslinien im nördlichen Vorharzland unter Einbeziehung des Harzes.
208
Büssing-Werke nach
dem Zweiten Weltkrieg
dem Trambus. Besonders erwähnenswert aus den Jahren 1934
ist eine Konstruktion im Omnibus-Bau (Typ 80 N Fdo), die
unter der Bezeichnung „Langer Sachse“ großes Aufsehen
erregte (Abb. 15). Es handelte sich um einen Sechsradomnibus, der mit einem Doppel-Sechszylinder-Motor von 320 PS
Leistung ausgerüstet war. Dieser Omnibus wurde besonders
für die Kraftverkehrsgesellschaft Sachsen entwickelt, die für
ihren Liniennetz im Erzgebirge Fahrzeuge mit großer Leistung benötigte. Dieser Omnibus-Typ fand auch bei anderen
Verkehrsunternehmen großen Anklang. Eine Weiterentwicklung des Typs 80 N Fdo war der Reichs-Autobahn-Omnibus.
Auch dieses Fahrzeug war mit zwei Motoren ausgerüstet. Die
Realisierung des Unterflur- Gedankens begann im Jahr 1935.
Auf der Internationalen Automobilausstellung 1936 in Berlin
zeigte BÜSSING zum ersten Mal einen Trambus mit UnterflurDiesel- Motor. Es war der Typ 900 TU mit vorn liegenden eingebauten Sechs-Zylinder Unterflur-Dieselmotor (Abb. 16). Die
weitere technische Entwicklung kam durch den Zweiten Weltkrieg zum Erliegen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Nachholbedarf in der
Verkehrstechnik außerordentlich groß. Die Bundesbahnbetriebe waren durch die Kriegsereignisse zum großen Teil lahm
gelegt. Eine Zeit für aufwendige Neukonstruktionen im Omnibusbau stand unter diesen Umständen nicht zur Verfügung.
Man griff daher auf die bisherigen Konstruktionen zurück
und baute Omnibusse wie vor dem Krieg. Das bedeutete
Fahrgestell und Aufbau waren getrennt voneinander. Die immer größer werdenden Anforderungen an die Omnibusse,
möglichst viele Menschen zu transportieren, führten zu der
Überlegung neue Konstruktions- Prinzipien einzuführen. Berücksichtigt werden musste dabei eine der Hauptforderungen,
das Leergewicht des Fahrzeuges zu verringern. Dies führte zu
dem Hauptaugenmerk, das Fahrgestell zu ändern.
Im Laufe der Entwicklung unterschieden sich die Fahrgestelle durch eine niedrige Lage der Rahmenoberkante über
der Fahrbahn und durch eine weichere Federung. Der Rahmen war so bemessen, dass er die gesamte Last tragen konnte.
Die Karosserie wurde zur Aufnahme der Last nicht mit einbezogen. Zu Wartungszwecken ließ sich der Motor ausschwenken.
Ende 1956 begann die Konstruktionsarbeit zur Einführung der
209
Luftfederung, die zur Verbesserung der Federungseigenschaften führen sollte.
Auf der Internationalen Automobilausstellung 1957 zeigte
BÜSSING zum ersten Mal voll- luftgefederte Omnibusse, und
zwar den TU 11 (Abb. 17) in Verbundbauweise, sowie den
Prototyp eines selbsttragendem Trambusses TU 5 S .
Der erste Trambus der Bauart Typ 12 R U 5 H (Röhre), mit 620
mm Fußbodenhöhe wurde auf der Internationalen Automobilausstellung 1959 gezeigt. Das Besondere war außer der
selbsttragenden Röhrenbauweise der sehr tiefe Fußboden von
620 mm Höhe in der Fahrzeugmitte, so das am Ein- und Ausstieg nur noch eine Stufe vorhanden war. Im Jahre 1961 kam
der Typ 14R Präsident auf den Markt (Abb. 18), gleichzeitig
mit dem ähnlichen Typ Senator .
Danach wurde der Typ Konsul 11 im Jahre 1962 mit in das Produktionsprogramm aufgenommen (Abb. 19).
Die Firma BÜSSING baute 1967 nach den Richtlinien des Verbandes öffentlicher Verkehrsbetriebe den ersten Standardlinienbus und zeigte dieses Modell im gleichen Jahr auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt/Main. Das
Fahr- und Triebwerk stammte aus der Präfekt- Reihe (Abb.
20). Dieser Standardlinienbus wurde mit den Motorvarianten
U 7D; U 10 und U 11 D mit einer maximalen Leistung von 195
PS angeboten. Dieser Standardlinienbus ersetzte die bisherigen
Stadtbus- Ausführungen des Präfekt- Omnibusses. Durch die
gelungene Gestaltung der Einstiege war es nicht mehr erforderlich, eine Omnibus- Variante mit 620 mm Fußbodenhöhe
für den Stadtverkehr anzubieten. Die Fußbodenhöhe von 725
mm ergab einen stufenlosen Innenraum bis zur Frontbank.
Die Karosseriebetriebe bei den BÜSSING seine Reisebus-Fahrzeuge aufbauen lies, sind nicht mehr vollständig nachvollziehbar. Der Schwerpunkt der eigenen Fabrikation der Karosserie im Werk Braunschweig, Werk Braunschweig Querum und
Werk Salzgitter-Watenstedt lag in der Hauptsache bei den
Stadtomnibussen und den Überlandomnibussen. Ab 1972, nach
der Übernahme durch die MAN- Nutzfahrzeuge wurden einige
Fahrzeuge noch weiter produziert, aber von MAN vertrieben
und mit der eigenen Omnibusproduktion vernetzt Abb. 21).
210
Abbildungen Omnibusse
Omnibusse die einen historischen Überblick der Nutzfahrzeugentwicklung bei BÜSSING geben. Dieser Vorschlag kann vor
dem Hintergrund der Gesamtheit der technischen Entwicklung
und der verschiedenen Typenabweichungen nicht vollständig
sein. Sie stellen aber Meilensteine der Entwicklung dar. Bei der
Auflistung wurde auf die Fahrzeugtypen verzichtet, die bei externen Karosserieherstellern hergestellt wurden. Großraumfahrzeuge und Doppeldecker- Omnibusse sind ebenfalls auf
Grund der Vielzahl der Typen nicht mit berücksichtigt.
Abb Fahrzeug/Exponat/Baujah
.
r
13
14
15
1904
1924
1934
16
Beschreibung
Der Wendeburger.
Motorleistng 9 PS, später VierZylindermotor mit 20 PS. Der
Aufbau, Spanten aus Holz mit
Blech verkleidet.
Der erste Dreiachseromnibus.
Holzspantengerippe. Zwei
angetriebene Hinterachsen.
Chassis vom Lastkraftwagen
übernommen.
Motorleistung 55 PS.
Der lange Sachse mit einem
Doppel- Sechszylindermotor von
320 PS.
Zu dieser Zeit der stärkste und
schnellste Omnibus der Welt.
Konzipiert für 70 Personen.
Gewicht 16 t.
Typ 900 TU
Der erste Sechsrad- Trambus mit
einem Unterflurmotor DU 6
Bestand
Vorhanden
Nicht
vorhanden
Nicht
vorhanden
Nicht
vorhanden
1936
211
17
18
19
20
21
Typ TU 11
Motorleistung 150 bis 170 PS.
Versehen mit einem von
BÜSSING entwickelten DIWABusgetriebe.
1957
Typ Präsident
Motorleistung 150 PS
Gesamtgewicht 16 t.
1961
Typ Konsul
Motorleistung 126 PS
Versehen mit dem Motor U 5.
Gesamtgewicht 11 t.
1962
Präfekt
Motorleistung 155 bis 210 PS.
Einbau der Motoren U 7, U 11
und U 11 D.
Gesamtgewicht 16 t.
1967
BS 100
Standard-Linienbus versehen mit
dem Motor U 11 D mit einer
Leistung von 135 PS
Nicht
vorhanden
Vorhanden
Nicht
vorhanden
Nicht
vorhanden
Nicht
vorhanden
1968
-
Fluggeräte von Leonardo da Vinci
die Luftfahrtindustrie (Heißluftballon, Fallschirm
Lattemann/Pauli, Segelflugschulen und Flugplätze in
Gitter und Salder, Flugzeugbau, Bauanteile an V 1 und
V 2, Flugtage, Flugplatz Braunschweig).
Seit Menschen Gedenken haben wir davon geträumt, fliegen
zu können. Die Gebrüder Montgolfier ließen erstmals im Jahre
1783 erfolgreich einen Heißluftballon in den Himmel steigen.
Schon Leonardo da Vinci konzipierte Segelfluggleiter und einen Fallschirm (beides ist als Nachbau im Museum Salder vorhanden). Im Jahre 1785 ließ der Heißluftballonfahrer Jean Pierre Blanchard, der in diesem Jahr die erste Ballonfahrt über
den Ärmelkanal wagte, erstmals einen Hund an einem Fallschirm aus einem Ballon auf die Erde zurückschweben. Ähnliche Versuche gab es im 19. Jahrhundert von verschiedenen
212
Der Flugplatz Broitzem (1919-1929) und Braunschweig-Waggum (1939) und in den Lutherwerken hergestellte Flugzeuge (z. B. Messerschmidt Bf 110).
213
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;_i[dXW^d#=[i[bbiY^W\j
Hermann Lattemann
- ein Luftfahrtpionier
aus Gebhardshagen
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B_Y^j^e\Z[iB>8#Cki[kci
Segelflugplatz in
Gitter
Waghalsigen, nun aber mit Menschen. Ein solcher Mann war
auch Hermann Lattemann, der aus Heißluftballons mit einem
Stofffallschirm absprang, allerdings im Jahre 1896 in Krefeld
den Tod fand, da sein Fallschirm sich nicht öffnete. Seine Lebensgefährtin Pauli hat bis zu ihrem Tod im Jahre 1941 in Berlin eine Fallschirmfabrik betrieben.
Oberhalb Gitters errichtete Franz Zobel in den 1920er Jahren
mit
arbeitslosen Jugendlichen
Flugplatz
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]_d] ie m[_j"einen
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zeuge.
Viele bedeutende Flugkapitäne haben hier das Fliegen
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p[X[iY^W\\j^Wj$:WiLehX_bZ]_d]Wc&($&'$'.,'WbiDh$'(+WdZ_[EX[h#
gelernt.
Die Nationalsozialisten nutzten die Begeisterung vieler
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ÅE^bWk[h\\d[jkdZWc(/$&+$'.*)X_iEff[bdl[hbd][hj^Wj$
jungen
Leute, gründeten die Flieger-SA oder
Flieger-HJ und
Z[i 8[pk]i pk Z_[i[h :WcfÔea X[p[k]j WkY^" ZWii B>8 c_j Z[h I[_j[d#
brachten
den jungen Leute das Fliegen bei, was sie als Piloten
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'/,+[h\\d[j[dL[hmWbjkd]i][XkZ[WbiWkY^Z_[<[ijiY^h_\jled'/,,l[h#
in der Luftwaffe während des Zweiten Weltkrieges gut gebraup_[hj ^Wj$ :Wi Fhe`[aj iY^[_dj ifj[h d_Y^j m[_j[h l[h\eb]j mehZ[d pk i[_d"
ZeY^ij[^[dZ_[Zh[_HWZijp[deY^^[kj[_cB_Y^j^e\Z[i7kiij[bbkd]i][#
chen
konnten. Eingerichtet wurde ein solcher Flugplatz oberXkZ[iWbi8[b[]\”hZWiDWY^XWk#Fhe`[aj$
halb Salders.
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Die
Darstellung:
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Es
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von
Leonardo
da Vincis
Fluggleitern
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Teil
einer V-Rakete.
7kiij[bbkd][_d[iØE\[diÇHWaj[dWdjh_[X7*
_cB>8#Cki[kc
und vom Fallschirm im Museum vorhanden. Segelflugzeuge
Fkjp[ iebb Z_[i[d E\[d Wki Z[d KI7 c_j [h^[Xb_Y^[c 7k\mWdZ \”h ZWi
und
Leichtflugzeuge
übernommen
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tieren zahlreiche ),Werbematerialien von seinen Flugvorführun[d kdZ i_Y^[hpkij[bb[d$ :_[i[i i_Y^[h Wk\ 8[jh[_X[d Z[i B>8#9^[\i kdZ
gen
und Absprüngen. Von einer V-Rakete gibt es einen Motor
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im
Museum
(Leihgabe
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Weiterhin
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”X[h# haben wir
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umfangreiches
Dokumentationsmaterial, quellen über den Bau
l[hXkdZ[dmWh$Kdm_ii[d^[_j_ijd_Y^jWdpkd[^c[d"[_d[Z[hWhj[nfed_[hj[
F[hidb_Y^a[_jm_[Fkjp[Z”h\j[ledZ[dkdc[diY^b_Y^[dFheZkaj_edi#L[h#
des
Flugplatzes bei Gitter, Quellen, Fotos, Filmberichte.
^bjd_ii[d_dAb[_dXeZkd][dkdZWdWdZ[h[dIjWdZehj[dm_[Z[cX[dWY^#
XWhj[dØC_jj[bXWk:ehWÇpkc_dZ[ij[_d[7^dkd]][^WXj^WX[d$
-
Die Schifffahrtsindustrie
Über Jahrhunderte bildeten die Wasserwege und
&&(die darauf
verkehrenden Schiffe wichtige Verkehrsstraßen. Ein Großteil
des Gütertransportes erfolgte auf diesem Weg, zumal die Wege
über das Land schlecht waren, oftmals Gefahren wie Banditentum bargen. Das nördliche Vorharzland war nur mit sehr
wenigen und für den Schiffsverkehr nicht geeigneten Wasserwegen versehen. Die aus dem Harz kommenden Flüsse führten
zu wenig Wasser, um darauf Schiffsverkehr einzurichten. Herzog Julius (1568-1589) hat zwar versucht, die Oker schiffbar zu
machen, doch scheiterte dieser Versuch. Die Harzflüsse wurden
214
Flüsse als „Verkehrswege“
Mittellandkanal
Stichkanal nach Salzgitter
zumindest in der Zeit, in der sie viel Wasser führten, zum Flößen von Holz aus dem Harz in die Städte benutzt. Zahlreiche
Stapelplätze entlang dieser Flüsse zeugen davon, dass hier Holz
zwischengelagert wurde. Im westlichen Teil des Fürstentums
Braunschweig-Wolfenbüttel hatte man mit der Weser einen
größeren, schiffbaren Fluss. Salz aus Salzliebenhalle und aus
den anderen Salinen wurde über die Weser bis nach Bremen
transportiert. Im 19. Jahrhundert wurden in Holzminden auch
„Weserdampfschifffahrtgesellschaften“ gegründet.
Der Mittellandkanal war vom Rhein bis nach Hannover fertig gestellt. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde beschlossen, den Kanal bis zur Elbe weiter zu führen. Für die aus
dem Felde zurück kehrenden Männer boten die Aushubarbeiten auf einer Strecke von 30 Kilometern bis Peine Beschäftigung. Die Weiterführung dieser Arbeiten bis Braunschweig
scheiterte über längere Zeit an verschiedenen Vorstellungen
über die Streckenführung, an Geldknappheit, an der 1929 beginnenden Weltwirtschaftskrise. Erst 1934/1935 wurde der Hafen in Braunschweig fertiggestellt, nun waren schon die Nationalsozialisten an der Macht und feierten das Ereignis als Beleg
für ihre gute Politik. Vom Mittellandkanal wurde ab 1938 ein
Stichkanal nach Salzgitter ausgehoben, über den die 1937 gegründeten Reichswerke mit Koks beliefert werden konnte und
das in Salzgitter hereingewonnene Erz zu den Hütten im Ruhrgebiet gebracht werden konnte. Auch heute noch wird die Hüt-
Verlauf des Mittellandkanals.
215
te der Salzgitter AG auf diesem Wege mit den zur Verhüttung
benötigten Rohstoffen beliefert. Für diesen Zweck wurde ein
kleiner Hafen angelegt.
Die Darstellung:
Die museale Darstellung dieses Themas ist im Moment noch
sehr schwierig, da im Museum keine Exponate vorhanden sind.
Es gibt Bauunterlagen, Pläne, Risse, Fotos. Es wäre sicher sehr
gut, wenn zur Dokumentation ein Schiff eingeworben werden
könnte.
-
andere Industrien und Gewerbe
Im Bereich der Fotoindustrie hat Peter Wilhelm Friedrich Voigtländer (1849) eine erste Firma in Braunschweig errichtet. Die
Chininfabrik (Fa. Hermann Buchler 1859), Tabak-, Zigarren-,
Cichorien-, Tapeten-, Seifen-, Kanalstein-, Stroh-, Filz-, Seidenhut-, Schokoladenfabriken, Chemiefabriken in Braunschweig,
Langelsheim, Oker, Schöningen, Vanillin in Holzminden, Sägewerke, Zündhölzerfabriken, zur Vorbereitung von Holzstoff
zur Papierfabrikation am Harz, am Solling, Ziegeleien, Schießpulverfabriken in Rübeland, Porzellanfabrik in Fürstenberg,
Nähmaschinenwerke, feuerfesten Geldschränken (Fa Lüders
in Braunschweig), Langstrohpressenfabrik (Gebrüder Welger
in Wolfenbüttel), Glacehandschuhen, Bierbrauereien rundeten
das Tableau Braunschweiger Industriebetriebe ab. Unter den
vielen kleinen Musikinstrumentenbauern ragten Zeitter und
Winkelmann (1837) und Grotrian-Steinweg (zuerst in Seesen,
1835 in Wolfenbüttel, 1850 USA) im 19. Jahrhundert heraus. Die Firma Schimmel kam erst im 20. Jahrhundert nach
Braunschweig von Leipzig. Das Polygrafische Gewerbe wuchs
schnell an, da die Verlage Vieweg, Westermann und Litolff sich
vergrößerte. Im Jahre 1900 arbeiteten nahezu 1.000 Personen
in diesem Gewerbe. Mit den in diesen Industriezweigen hergestellten Waren fand ein umfangreicher Handel statt. In der
Mitte des Deutschen Reiches gelegen hatte vor allem Braunschweig stets als Handelsmetropole seit dem Mittelalter große
Bedeutung (Hansestadt). Seit dem Mittelalter fanden in Braunschweig Messen (zwei Stück) statt, die allerdings zum Ende des
216
Maschinensaal von Westermanns Verlagshaus.
Klavierproduktion der Firma
Grotrian-Steinweg.
Firma Voigtländer.
217
19. Jahrhunderts hin an Bedeutung verloren. Die wichtigsten
Handelswaren Ende des 19. Jahrhunderts waren Jute, Cichorien, Tapeten, Filz- und Seidenhüte, Zucker, Bier, Konserven,
Blei, Eisen/Stahl, Eisenwaren, Verblendziegel, roter Ton (aus
Helmstedt), Tafelglas, Braunkohle, Kalisalz, Dampfmaschinen
und Kessel, Nähmaschinen, Holz und Holzwaren, Bausteine,
Zement, Asphalt, Schwefelsäure, Honigkuchen. Das Aufblühen
der Landwirtschaft, die Verstärkung des Handels (obwohl die
Braunschweiger Messe in einer tiefen Krise steckte), der Beginn
der Industrialisierung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts erforderte das Schmiermittel allen wirtschaftlichen Fortschritts
– das Geld. Seit dem Jahre 1876 gab es in Braunschweig eine
Reichsbankstelle mit einer Nebenstelle in Holzminden. Zudem
gab es die Braunschweigische Bank (1853), die Braunschweigisch-Hannoversche Hypothekenbank, eine Kreditanstalt, eine
herzogliche Leihhausanstalt mit fünf Zweigstellen. Die Landeskreditanstalt (herzogliches Leihhaus) vermittelte seit 1842 die
Staatsanleihen. In Braunschweig gab es zudem eine herzogliche
Sparkasse mit 61 Sparkassenstellen. Seit 1862 bestand als Hypothekenbank für ländlichen Grundbesitz ein ritterschaftlicher
Kreditverein. Die Bauernbefreiung, die Gewerbefreiheit, der
Beginn der Industrialisierung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, ganz allgemein gesagt der wirtschaftliche Aufschwung,
stellten vollkommen neue Anforderungen an die Bauern, die
Handwerker, die Gewerbetreibenden, die Kleinindustriellen,
die Arbeiter. Sie alle mussten sich mit kaufmännischen Problemen, mit der Finanzierung ihrer Produkte, der Rentabilität
ihrer Unternehmen und Höfe befassen. Genau in dieser Zeit
verbreitete sich der Genossenschaftsgedanke sehr stark. Schulze-Delitzsch und Wilhelm Raiffeisen gründeten 1846/1847
Hilfs- und Wohltätigkeitsvereine, aus denen seit 1850/1851 eine
Genossenschaftsbewegung mit „Vorschussvereinen“ bzw. „Darlehnskassenvereinen“ wuchsen. Aufgrund der Erfahrungen
in den Dörfern kombinierten die Raiffeisengenossenschaften
mehrere Geschäftswege: Darlehns- und Warengeschäfte. Bis
zum Ersten Weltkrieg entstanden in Deutschland rund 17.000
Kreditgenossenschaften, fast in jedem Dorf und jeder Stadt
des Herzogtums Braunschweig gab es um 1900 eine Genossenschaftsbank.
218
d.
Die Entwicklung der Arbeit
-
die soziale Frage - von der 14- zur 8-Stundenwoche
(Fabrikordnungen, Betriebsräte, Gewerkschaften,
Arbeitszeit, Löhne).
-
Die Arbeit im 19. Jahrhundert (Polen aus dem
Großherzogtum Posen, Auswanderung, Kriegsgefangene im Ersten Weltkrieg im Arbeitseinsatz,
Frauenarbeit, Kinderarbeit),
-
die soziale Frage unter den Bedingungen des Dritten
Reiches (Volksgemeinschaft – wer gehörte dazu und
wer wurde ausgeschlossen, Betriebsgemeinschaft –
Führer und Gefolgschaft, 1. Mai als Tag der Arbeit),
-
der Arbeitskräfteeinsatz im Dritten Reich (deutsche
Arbeitskräfte – auch Frauen, Arbeitsbuch, Pflicht
zur Arbeit, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene, KZler),
-
Bevölkerungswanderungen (Binnenwanderung,
Außenwanderung, Auswanderung).
e.
Die Industrialisierung und die Folgen für die
Gesellschaft und Umwelt
Die industrielle Revolution, die Veränderung der Produktionsverfahren, das immer effektivere Wirtschaften im Laufe
der letzten 200 Jahre hat unsere Lebenssituation verändert,
eindeutig verbessert. Doch hat sich dieser Prozess, die ungehemmte Ausbeutung unseres Planeten, unserer Umwelt z. T. ins
Negative verkehrt, hat bedrohliche Folgen für die Menschheit
angenommen. In der Zeit der technischen Erfindungen hat man
die Folgen der Entdeckungen anfangs kaum beachtet, sie im
Rahmen einer allgemeinen und unbedachten Technikbegeisterung übersehen. Teilweise müssen sich heute die Menschen vor
den Folgen dieses Prozesses schützen, natürlich auch die uns
umgebende Natur und Tierwelt. Ganze Landstriche sind mit
Schadstoffen belastet, Flüsse, Bäche, Teiche und Seen enthal219
Arbeit und Wanderung - Konstanten der Industriegesellschaft: Frauenarbeit (oben), Zuzug für
den Bau und Betrieb der Reichswerke (Mitte), Flucht aus den damaligen deutschen Ostgebieten (unten links) und Anwerbung von ausländischen Arbeitern in der Türkei (unten rechts).
220
Betriebszahlen im Handwerk 1933-1936.
Erwerbspersonen nach Wirtschaftsabteilungen 1933.
Beschäftigte Kriegsgefangene im Lande Braunschweig, 1944.
221
ten für die Menschen gefährliche Zusätze, die Luft ist oftmals
verpestet, die Erde heizt sich immer mehr auf. Achtlos wurde
mit den vorhandenen Rohstoffen gearbeitet, die Wegwerfgesellschaft wollte ihre Waren verkaufen.
Schon recht früh hat man versucht, bestimmte Auswüchse zu
verhindern. Bis ins 19. Jahrhundert hinein rissen Seuchen Tausende Menschen in den Tod, und man konnte sich nicht erklären, woher diese kamen. Dass sie mit dem dreckigen Wasser
zu tun haben könnten, ahnte man, aber man wusste es nicht.
Im 18. Jahrhundert wurde daher begonnen, die Abwasserentsorgung zu verbessern. Im Jahre 1739 wurde Wien als erste
Stadt Europas kanalisiert. Andere Städte folgten. Die durch
die Industrialisierung wachsenden Städte erstickten bald an
der immer schmutziger werdenden Luft, verursacht durch die
Verwendung von Kohle und anderen fossilen Brennstoffen als
Heizmaterial. Der Müll und Abfall der Fabriken ließ die Abfallhalden wachsen, die zumeist ohne jede Kontrolle am Stadtrand oder sogar auf dem Firmengelände aufgetürmt wurden.
Als Ausweg, als „reine Kraftquelle“ wurde über Jahrzehnte die
Atomkraft gesehen, das Entsorgungsproblem des Atommülls
wurde dabei wissentlich oder fahrlässig übersehen. Diese Beispiele von Industrialisierung und Umweltverschmutzung ließen sich noch weiter fortsetzen.
Als Gegenreaktion auf diese Folgen der Industrialisierung entstand vor allem in den demokratischen Staaten eine immer
stärker werdende Umweltschutzbewegung. Für alle sichtbare
Katastrophen, wie das Waldsterben, die Verschmutzung der
Flüsse und das sich daraus ergebende Fischsterben, die Versauerung der Meere, die Belastung der Lebensmittel (durch Pflanzenschutzmittel), die Atomunfälle (siehe Japan), akzeptierten
die Menschen nicht mehr als Begleiterscheinung unserer Industriegesellschaft. Der immer wichtiger werdende Tourismus
„duldete“ keine die Landschaft und Natur zerstörende Industrie. Erst waren es wenige, dann überzeugten deren Argumente
immer mehr Menschen. Es entstanden Vereine (z. B. NABU,
BUND, Greenpeace u. a.), Parteien (Die Grünen), die sich den
Schutz der Umwelt zum Ziel gemacht haben.
Das Wort Umweltschutz entstand im Jahre 1969. Heute herrscht
in der Bevölkerung ein vollkommen anderes Umweltbewusstsein als noch vor 30-40 Jahren.
222
Der Staat reagierte auf diese Entwicklung, er richtete Umweltministerien, Umweltämter ein, verabschiedete Gesetze, veranstaltete große Symposien, ließ Umweltprobleme erforschen,
begründete eine Bundesumweltstiftung in Osnabrück, deren
Grundkapital mit Mitteln aus dem Verkauf der Salzgitter AG
gebildet wurde. Auch die Industrie hat die Zeichen der Zeit
erkannt, sie sogar als wirtschaftliche Chance begriffen. Der
Wind, die Sonne und das Wasser wurden und werden wieder
verstärkt zur Energiegewinnung genutzt, wie schon in der Zeit
vor der industriellen Revolution. Autos werden mit umweltfreundlicher Antriebstechnik ausgestattet.
Die Darstellung:
Das „MITAM“ besitzt in seinen Sammlungen solche umweltfreundlichen Exponate, so z. B. eines der ersten Hybridautos.
Diese Sammlung soll erweitert werden, so dass dargestellt und
beschrieben werden kann, wie sich die Industrialisierung im
Laufe von 200 Jahren auf die Menschen und die Natur ausgewirkt haben, welche die Umwelt besonders belastenden Techniken es gegeben hat. Es soll gezeigt und behandelt werden,
welche technischen Lösungen die Industrie entwickelt, um den
Menschen und ihre Umwelt mit Hilfe der Technik zu verbessern.
f.
Das Museum der Zukunft (Science Fiktion, Projekte
der Zukunft)
1.
Reflexionen über Ziele, Aufgaben und Praxis von Museen sind in der Fachdiskussion in reicher Zahl vorhanden. Die
folgenden Überlegungen sollen diese Zahl nicht vermehren,
sonder sind lediglich als pragmatischer Denkanstoß auf der
Grundlage von Marketing- und Identitätsbildungsaspekten zu
verstehen.
2.
Salzgitter ist eine junge Großstadt, eine Stadt des 20.
Jahrhunderts. Eine Image-Umfrage auf assoziativer Basis
würde vermutlich vor allem Begriffe wie Industrie, Stahlerzeugung, Fahrzeugbau und vielleicht auch noch Landwirtschaft
evozieren. Damit unterscheidet sich Salzgitter von benachbar223
ten geschichtsträchtigen Städten wie Braunschweig, Goslar
oder Wolfenbüttel.
3.
Museen, Archive, Bibliotheken sammeln, allgemein
gesprochen, Artefakte menschlichen Schaffens. Darunter befinden sich auch zahlreiche Entwürfe in Schrift, Bild oder als
Gegenstand (z. B. Fahrzeug-, Schiffs-, Automodelle), die dann
später entwickelt wurden, aber auch solche, die nie realisiert
worden sind. Dazu gehören etwa auch Entwürfe für eine zukünftige Gesellschaft auf politischer, religiöser oder technischnaturwissenschaftlicher Basis. Diese Entwürfe finden wir in
Form von ernsthaften ausgearbeiteten Theorien, aber auch in
der eher spielerischen Form der Literatur, des Hörspiels, des
Films. Die Rede ist von Utopien, von Zukunftsliteratur, von Science Fiction.
4.
Ein Ort, an dem Zukunftsentwürfe der unterschiedlichsten Art zentral gesammelt werden, ein „Museum der Zukunft“,
eine „Bibliothek der Zukunft“ existiert in Deutschland, ja in
Europa nicht. Ansätze dazu sind vorhanden in der „Phantastischen Bibliothek“ in Wetzlar, die sich jedoch als kleine, allerdings außerordentlich produktive und kreative Institution vor
allem der Science-Fiction- und Fantasy-Literatur widmet. Das
„Science-Fiction-Museum“ in Yverdons-les-Bains (Schweiz)
war eine pfiffige Idee in den 1980er Jahren, ist jedoch winzig
geblieben und nicht weiter entwickelt worden.
5.
Wenn sich Salzgitter in seiner kulturellen Präsentation
neu orientieren will, so wäre der Zukunftsaspekt gerade in dieser Stadt des 20. Jahrhundert aussichtsreich, attraktiv und realisierbar. Die Sammlungen und Aktivitäten könnten sich etwa
folgenden Bereichen widmen:
- Gesellschaftliche Utopien
- Religiöse Utopien,
- Technisch-naturwissenschaftliche Utopien.
6.
Entscheidend ist bei allen Planungen, dass sowohl die
wissenschaftliche und museumspädagogische Grundlage gegeben ist, dass aber auch Unterhaltung und Vergnügen nicht zu
kurz kommen. Information und Spaß müssen gleichberechtigt
224
nebeneinander stehen. Eine Hauptzielgruppe der Präsentation wie der Aktivitäten sollten Kinder/Jugendliche sein, nicht
zuletzt die wachsende Zahl der Studenten der Fachhochschule
Wolfenbüttel/Salzgitter.
7.
Neben der Finanz- und Raumbedarfsplanung wären
weitere Überlegungen notwendig hinsichtlich:
- der Kooperation mit allen Bildungs- und
Kultureinrichtungen der Stadt (VHS, Schulen),
Fachhochschule Calbecht, Industrie, Wirtschaft,
Handel;
- des Fundraising;
- der Öffentlichkeitsarbeit.
225
VI. Sammelschwerpunkte für das „MITAM“
Grundlage jeder Museumsarbeit ist der Sammlungsbestand.
An ihn knüpfen alle weiteren Aufgaben im Museum an: Bewahren, Dokumentieren, Forschen, Ausstellen und Vermitteln
an die Öffentlichkeit. Gesammelt werden Zeugnisse, mit denen
sich erforschen und darstellen lässt, wie Menschen unterschiedlicher Gesellschaftsschichten in Vergangenheit und Gegenwart
gelebt, gearbeitet haben: Sachzeugen aus allen Lebens- und
Arbeitsbereichen, Zeichnungen, Schriftgut, Bilder, Filme und
Tonträger (letzteres Sammlungsgut wird in FD 41 absprachegemäß vom Archiv, der Heimatpflege und dem Medienzentrum
gesammelt und aufbewahrt und steht jederzeit dem Museum
zur Verfügung).
Das Industriemuseum steht am Anfang. Es hat zu den einzelnen Sammelbereichen noch erhebliche Lücken, die – soweit
dies möglich sein sollte – Schritt für Schritt geschlossen werden
sollen. Für die Zukunft ist es sicher leichter, Exponate der soeben hergestellten Produkte zu erhalten, da die hiesigen großen
Betriebe bereits Unterstützung zugesagt haben.
In folgenden Bereichen muss auf der Grundlage der vorliegenden Konzeption Museumsgut gesammelt werden:
Landwirtschaft
-
Geräte- und Maschinenbau
-
Anbau, Ernte und Aufbereitung
-
ländliche Kulturformen
-
Dokumente zur Arbeit in der Landwirtschaft
Handwerk
-
ländliche Handwerkseinrichtungen
-
Handwerksgeräte
-
Handwerkskultur
-
Dokumente zur Handwerksarbeit
Grundstoffe
-
Bergbau und Bergbautechnik
-
Schmiede- und Walztechnik und Zubehör
-
Rohstoffabbau und -verarbeitung
-
Salzgewinnung und Kalibergbau
226
Energie
-
Elektrizitätsherstellungstechnik
-
Elektrizitätsweiterleitungstechnik
Chemie
-
Labortechnik bzw. -einrichtung
Lebensmittelherstellung
-
Zuckerfabriktechnik
-
Konserverfabriktechnik
-
Mühlentechnik
-
Getreideverarbeitungstechnik
Fertigungstechnik / Produktionsgüter
-
Metallbearbeitung / Automatisierungstechnik
-
Maschinenbau
-
Werkzeugmaschinen
-
Dampfmaschinen / Dampfturbinen
-
Wasserkraftmaschinen
-
Faserherstellung
-
Elektrotechnik / Beleuchtung
-
E-Anlagen / E-Maschinen
-
Elektronik
-
Halbleitertechnik
-
Feinmechanik
-
Waagen / Uhren
-
Hoch- und Tiefbau
-
Fahrzeugbau „Straße“
-
Fahrzeugbau „Schiene“
Konsumgüter
-
Drucktechnik und -maschinen
-
Textiltechnik
-
Bekleidung
-
Nahrungs- und Genussmittel
-
Lebensmitteltechnologie
-
Mühlenbau / Handwerk
-
Verkauf / Konsumtion
-
Fotografie
227
Dienstleistungen und Alltag
-
Wohnen
-
Alltagstechnik
-
Information
-
Telefon
-
Telegrafie / Computer
-
Radio / Fernsehen
-
Bürotechnik
-
Reparatur / Installation
-
Medizintechnik
-
Zukunftstechnik (!!!)
-
Katastrophenschutz / Feuerwehr
-
Design
Mobilitätstechnik
-
Fahrräder, Mopeds, Motorräder, Motorroller
-
PKW, Omnibusse,
-
Lokomotiven, Waggons, Eisenbahnzubehör
Luftfahrttechnik
-
Heißluftballons
-
Fallschirme
-
Segelflugzeuge
-
Flugzeuge
Arbeit
-
Dokumente, Bilder, Filme
-
Erinnerungsberichte (oral history schriftlich und auf
Video)
-
Literatur
228
VII. Raumbedarfsplan
Eine genaue Verortung der Ausstellung des „MITAM“ ist im
Moment noch nicht möglich, da noch keine Entscheidung über
den notwendigen Neubau gefallen ist. Neben dem Schafstall mit
rund 1.500 m² muss, um das Konzept realisieren zu können,
ein Neubau mit rund 6.000 m² erstellt werden. Um die museale
Präsentation nicht zu stark auseinander zu reißen, sollte dieser
Neubau nahe dem Museum Schloß Salder erfolgen. Die konzeptionelle Behandlung des Themas stellt auch die Reihenfolge
dar, in der die Inszenierung erfolgen sollte.
Für die einzelnen Abteilungen des „MITAM“ werden insgesamt 7.500 m² Ausstellungsfläche benötigt:
-
Landwirtschaft, Arbeit und Mobilität = 600 m²
(Schafstall)
-
Handwerk, Arbeit und Mobilität = 400 m² (Schafstall)
-
Frühindustrialisierung, Arbeit und Mobilität
(Fuhrwerke, Kutschen, Fahrräder, Motorräder) =
500 m² (Schafstall)
-
Industrie, Technik, Arbeit und Mobilität
a. PKW = 600 m² (Neubau)
b. LKW/Busse = 1.500 m² (Neubau)
c. Eisenbahn = 2.500 m² (Neubau)
d. Schifffahrt = 200 m² (Neubau)
e. Luftfahrt/Raumfahrt = 200 m² (Neubau)
i. Umweltproblematik = 200 m² (Neubau)
f. Science Fiktion = 200 m² (Neubau)
g. Aktionsbereich für Kinder = 400 m² (Neubau)
h. Funktionsräume = 200 m² (Neubau)
zusammen = 7.500 m²
229
VIII. Ausstellungsgestaltung
Ausstellungstechnisch können neben Exponaten Tafeln, Banner, Beschriftungen, Bilder, Plakate, Fotos, Filme u. a. eingesetzt werden. Die Kunst-Sammlung Arbeitswelt sollte partiell
in den Bereich „Arbeit“ mit eingebaut werden. Um aber eine
lebendige Ausstellung im Sinne von Mobilität zu erreichen,
sollten mediale Stationen zum Einsatz kommen. Diese können
einerseits zur Recherche von spezifischen Themen benutzt werden, aber auch für Szenarien, Simulationen und Spiele. Um
die Besucher – Kinder, Jugendliche und Erwachsene – in der
Ausstellung über das Betrachten der Objekte und das Lesen
von Informationen hinaus gezielt zu „mobilisieren“, sollte die
Ausstellung über einen größeren Aktivitätsbereich (rd. 400 m²)
verfügen. Hier sollte es möglich sein, Maschinen nicht nur virtuell, sondern direkt durch eigene Kraft zu bewegen. Ohne hier
in Einzelheiten gehen zu können, ist durchaus vorstellbar, Bewegungsarten oder Bewegungsumlenkung - zum Beispiel von
horizontal nach vertikal oder von horizontal in die Rotation selbst auszuführen. Man könnte sich dazu überdimensionierte
„Maschinen“ aus Holz nach „Da Vinci-Vorlagen“ vorstellen, die
durch den ganzen Einsatz eigener Körperkraft bewegt werden.
Sozusagen ein „Phäno der Mobilität“. Auf diese Weise würde es
gelingen, physikalische Bewegungen zu erfahren bzw. zu erzeugen. Mechanik quasi selbst zu erleben bzw. Kräfte zu entfalten.
Nicht nur, dass dadurch der Antrieb von Lokomotiven, Dampfmaschinen, Eisenbahnen usw. direkt vermittelt wird, der Besucher wird selbst mobil, kommt in Bewegung, setzt dadurch
etwas in Bewegung – das Museum lebt!
Eine derartige Konzeption sollte für Familien gleichermaßen
interessant sein wie für ganze Schulklassen. Es handelt sich
dabei um eine Kombination in der musealen Vermittlung zwischen Information von historisch-kulturgeschichtlichen Fakten
sowie dem Erleben physikalischer Gesetzmäßigkeiten quasi am
eigenen Leib. Damit wäre der Bogen zu den Objekten geschlagen: was ist Energie, wie entsteht Bewegung, wie funktionieren
Dampfloks und Elektroantriebe?
In einem gesonderten Experimentierbereich werden zuletzt
Versuche und Experimente zum Thema „Bewegung“ angeboten. Insbesondere die Bereiche „Mechanik“, evtl. auch „Elekt230
rik“ sollten hier verfolgt werden. Hebel, Rollen, Flaschenzüge,
Wärmekraft, Antriebe usw. kommen hier zum Einsatz. Die spezifischen Angebote sollten mit Schulen/Hochschulen entwickelt
werden.
Eine derartig lebendig gestaltete Präsentation zieht nicht nur
den an Eisenbahnen interessierten Besucher an. Damit gibt man
Schulen in der gesamten Region einen Anlass, nach Salzgitter
zu kommen, um Mobilität zu erleben, zu erfahren, Physik zu
verstehen und Geschichte zu erfahren. Nicht umsonst erfreuen sich Präsentationen wie das Phaeno oder die Autostadt in
Wolfsburg hoher Besucherzahlen. Ausstellungen zum Mitmachen ziehen gleichermaßen Familien sowie Gruppen an.
231
IX. Weitere Museumsabteilungen
Magazine
Neben den Ausstellungsflächen benötigt das Museum auch Magazinflächen, um das vorhandene, nicht in Dauerausstellungen
präsentierte Museumsgut ordentlich und sicher aufbewahren zu
können. Für kleineres, nicht so schweres Sammlungsgut eignen
sich die Spitzdächer des Schlosses und der Wirtschaftsgebäude
sehr gut. Dort ist auch der größte Teil des Sammlungsgutes,
das nicht ausgestellt ist, untergebracht. Die größeren Exponate
sind im Moment in Thiede und Calbecht eingelagert.
Werkstätten und Restaurationswerkstatt
Für den Arbeitsbereich Reparatur und Restauration und Ausstellungstechnik werden rund 200 m² Arbeitsräume benötigt.
Die Restaurierung von Papier, Leder, Pergament, Stoffen u.ä.
erfolgt im Stadtarchiv; Eisen-, Holz-, Stein- und Plastik-Restaurierungen müssen im Museum erfolgen. Für die Bearbeitung der Großmaschinen sollte eine Werkstatt mit Grube und
leistungsstarker Hebevorrichtung vorhanden sein.
Verkaufsshop
Jedes größere Museum hat einen mehr oder weniger großen
Verkaufsshop, wo neben Katalogen Andenken, die in irgendeiner Form mit den Museumsbeständen in Verbindung gebracht
werden können, zum Kauf angeboten werden. Seit Neueröffnung des Museums im Jahr 1981 werden in den Räumen des
Museums auch Kataloge verkauft. Das Angebot wurde mit
Postkarten erweitert. Nach der Zusammenlegung mit dem
Stadtarchiv werden auch dessen Publikationen mit wachsendem Erfolg im Museum verkauft.
Verkaufsläden werden als Einnahmequelle für das Museum
eine immer stärkere Rolle spielen. Daher muss das Verkaufsangebot zukünftig noch markt-orientierter präsentiert werden.
Der Museumsbesucher muss als Kunde in diesem Verkaufsladen die Möglichkeit haben, alle Dinge in Ruhe studieren zu
können. Optimal wäre zum Beispiel eine Leseecke.
232
In dem Raum links neben der Schloßhalle (rd. 40 m²) könnte
der Verkaufsshop untergebracht werden. Die Sitzbänke und
die beiden großen Tische müssten entfernt, die Sitzbänke in die
Ausstellungen als „Ruhezonen“ integriert werden. Ansichtsexemplare von allen verkäuflichen Büchern müssen gut sichtbar
auf einer Art Tresen ausliegen, hinter dem sich in einem Regal
die Verkaufsexemplare befinden.
Museumsgastronomie
Ist vorhanden.
Arbeitsräume für Besucher
Für Maßnahmen der Museumspädagogik werden der Seminarraum und weiterhin die Lernwerkstatt evtl. mit zusammen
rund 100 m² benötigt.
Heizung und Toiletten
Die technische Ausstattung für eine Gesamtheizung Schloß
wurde eingebaut. Für einen evtl. Neubau muss das Heizungsproblem gelöst werden, vor allem für den Schafstall.
233
X.
Weitere Gesichtspunkte
Verkehrsanbindung
Das Museum Schloß Salder ist sowohl mit öffentlichen Verkehrsmitteln als auch mit Pkw gut erreichbar. Die Anfahrt mit
dem Pkw ist überregional über die BAB 39 über die Ausfahrt
Salzgitter-Salder möglich. Angesichts der zu erwartenden Zunahme der Besucher muss das Parkplatzproblem gelöst werden.
Die Verkehrszuführung muss ebenfalls überdacht werden. Die
Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist über den Bahnhof Salzgitter-Lebenstedt mit der Buslinie 12 möglich. Schloß
Salder ist aber auch über mehrere Fuß- und Fahrradwege gut
erreichbar.
Eintrittspreise
Bisher wurde im Museum Schloß Salder kein Eintrittsgeld genommen. Dies sollte auch so bleiben, da der mit der Erhebung
von Eintrittspreisen notwendige Verwaltungs- und Personalaufwand höher wäre als die Einnahmen (so müsste man an allen Zugängen zu den einzelnen Abteilungen Personal stationieren, um die Eintrittsgelder zu erheben). Eintritte erheben kann
man bei Sonderausstellungen, die Höhe sollte nach der Wichtigkeit der Ausstellung und der damit verbundenen Kosten von
Ausstellung zu Ausstellung festgelegt werden.
Das virtuelle Museum
Das Museum Schloß Salder muss eine noch lebendigere Kultureinrichtung der Stadt Salzgitter werden. Verschiedene Maßnahmen können dazu beitragen:
Führungen (mit Voranmeldungen)
Die Führungen sollen die Möglichkeit bieten, sich einen Überblick zu verschaffen oder sich mit besonderen Schwerpunkten
(Themenführungen) auseinander zusetzen.
234
Vorführungen (mit Voranmeldungen)
Museum Schloß Salder ist ein „arbeitendes Museum“, in dem
Maschinen und Geräte bei ihrer Arbeit gezeigt werden. Diese
Vorführungen müssen thematisch festgelegt werden.
Schul- und Kindermuseum (mit Voranmeldung)
Neben speziellen, auf das Alter der Kinder- und Jugendlichen
abgestimmten Führungen und Vorführungen können in der
Kinderwerkstatt schulrelevante Projekte durchgeführt werden.
Das Thema „Mobilität“ ist an niedersächsischen allgemein- und
berufsbildenden Schulen in den Rahmenrichtlinien verschiedener Fächer verankert. Ausgehend vom Curriculum-Modell
„Mobilität“ bietet dieses Thema weit über das traditionelle
Fach der Verkehrserziehung hinaus die Möglichkeit, dass sich
Schüler(innen) mit der Entstehung und Entwicklung von Mobilität, den aktuellen Problemen von Mobilität sowie der Mobilität in der Zukunft befassen. Für den Unterricht wurden zehn
Bausteine zum Thema Mobilität entwickelt, die in den verschiedenen Jahrgangsstufen behandelt werden sollen. Dabei geht es
nicht nur um Mobilität im Sinne von „Verkehr“, sondern auch
um die Gefahren einer immer weiter entwickelten Mobilität im
Hinblick auf Gesellschaft und Umwelt.
Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, die neu zu konzipierende Ausstellung auf diese Anforderungen auch museumspädagogisch auszurichten, um zu einer weiteren Vernetzung zwischen Schulen in Salzgitter sowie der Region und dem Museum
als außerschulischem Lernort zu gelangen. Bisher bietet das
Städtische Museum Schloß Salder eine Führung mit Beiprogramm zum Thema „Mobile Menschen – Bewegte Maschinen“
an. Der Untertitel „Vom Holzrad zum Hybridfahrzeug“ zeigt
an, dass es in dieser Veranstaltung hauptsächlich um die Ausstellungsobjekte Fahrrad – Motorrad – Auto geht, um deren
Entwicklung und Bauweise und Betrieb. In einer abteilungsübergreifenden Führung wird darüber hinaus versucht, den
Schülern(innen) Informationen zur Geschichte und den Ursachen des Mobilseins, zu „bewegenden Erfindungen“ sowie den
Grenzen der Mobilität zu geben. Ein Konzept für unterschiedliche Jahrgangsstufen liegt vor und ein Beiprogramm in der
235
Lernwerkstatt (Bauen einfacher Fahrzeuge) wird angeboten.
Bei der Weiterentwicklung des Konzeptes müssen die Themen
„Energie und Bewegung“ sowie auch „Umwelt und Klima“ eine
wichtige Rolle bekommen. Mobilität gelingt nur durch Kraftaufwand, Kräfte wirken durch Bewegung und beeinflussen unsere direkte Umwelt und letztendlich das globale Klima. Diese
Zusammenhänge müssen anschaulich dargestellt werden: Die
Mobilität in der Vergangenheit von vor 200 Jahren bis heute
und in der Zukunft.
Schule wie zu „Omas Zeiten“ (ohne Rohrstock)
Im historischen Schulraum kann Unterricht gehalten werden,
mit alten Unterrichtsmaterialien.
Lehrerfortbildung
Weiterbildung über die Nutzungsmöglichkeit des Museums
Schloß Salder, zu den präsentierten Themen, welche Möglichkeiten hat das Museum als außerschulischer Lernort.
Zeit-Reisen
Referendare, Praktikanten o.a. erstellen für Schüler(innen) in
Übereinstimmung mit dem Lehrstoff, zu bestimmten Themen
Zeit-Reisen durch das Museum/Museumsabteilung (Beispiel:
Zeit der Industrialisierung):
Kinderwerkstatt
In regelmäßigen Abständen finden Kinderwerkstätten statt,
die zu bestimmten Themen durchgeführt werden, die auch in
Beziehung zu Sonderausstellungen stehen sollten. Die offene
Kinderwerkstatt kann auch Sonntags stattfinden. Das Alter der
Kinder sollte zwischen 7-15/16 Jahren liegen.
Forschungswerkstatt
Industrie und Technik waren stets ungemein innovative Bereiche beim Entwickeln neuer Produkte. Mit der hiesigen Wirt236
schaft können/sollten Foren durchgeführt werden, in denen
Schüler/Studierende und andere Forscher Informationen und
Erfahrungen austauschen. In einer ersten Phase sollten außerschulisch Kinder und Jugendliche betreut und an das Thema
herangeführt werden, z. B. durch einen Malwettbewerb „Was
muss noch erfunden werden?“ Durch die Forschungswerkstatt kann eine intensive Zusammenarbeit mit verschiedenen
Vereinen wie BUND u.a. beginnen. (Die Inhalte der in der Forschungswerkstatt angebotenen Projekte/Themen müssen noch
mit Naturwissenschaftlern/Lehrern besprochen/ausgearbeitet
werden.)
Freizeitangebote
Kindergeburtstage mit verschiedenen Angeboten wie Spinnen
und Weben, Falschgeld herstellen, Holzbearbeitung u.a.
Vermietungen
Die Räume des Museums können für Tagungen, Vorträge und
Feiern angemietet werden (siehe Entgelteordnung).
Öffentlichkeitsarbeit
Das Museum stellt sich mit einem Museumsführer (mehrsprachig) dem Besucher vor. Eine Präsentation im Internet sollte
selbstverständlich sein. Postkarten und Plakate sollten zum
Verkauf bereitstehen. Unbedingt sollten zu den Ausstellungen
Kataloge und Forschungen zu bestimmten Themen erstellt und
gedruckt werden, die zum Verkauf angeboten werden. Dem
Besucher des Museums soll der Inhalt der Inszenierungen mit
moderner Technik in mehreren Sprachen vermittelt werden.
Vortragsreihen, historisches Kino, Tagungen, Seminare, Weiterbildung
Mit diesen Aktionen können zum Inhalt der Dauer- und Wechselausstellungen, aber auch zu anderen Themen entsprechende
Veranstaltungen durchgeführt werden.
237
Feste
Das Museumsfest, der Kultursommer, das Old-Timer-Treffen,
die Spielzeugbörse, der Adventsbasar, Handwerkstage u.a. sollen weiterhin durchgeführt werden.
Zusammenarbeit mit Vereinen
Mit den verschiedenen Traditionsvereinen (Förderverein
Schloß Salder, Geschichtsverein Salzgitter e.V., Trachtenvereine, Gesangsvereine u.a.) sollen gemeinsam Veranstaltungen
durchgeführt werden.
Handwerkstage
Der Erfolg der Backtage weist für zukünftige Aktivitäten in die
richtige Richtung. Bei gutem Wetter kommen während eines
Backtages einige Hundert „Schaulustige“ zur Backstube. Der
heutige Besucher - und das sind nicht nur Kindergärten und
Schulklassen - möchte das Museum aktiv erleben. Historisches
Handwerk muss veranschaulicht werden. Neben der Bäckerei
würde sich in Salder - bleibt man beim Nahrung herstellenden
Handwerk - auch das Fleischerhandwerk anbieten. Im Gegensatz zu früheren Vorführungen müsste hier zukünftig - ähnlich
den Backvorführungen - professionell vorgegangen werden.
Eine mögliche Verbindung zu den Backtagen böte sich hier an.
Grundsätzlich sollte es bei Ausstellungseröffnungen die Möglichkeit geben, Wurst- und Bäckereiwaren käuflich erstehen zu
können.
Andere Handwerkszweige, wie Tischler, Schmied oder Töpfer,
sollten zukünftig zu bestimmten Terminen ihr Handwerk dem
Publikum vorführen. Diese sollte nicht nur beim Museumsfest
und während des Weihnachtsmarktes passieren. Man kann
sich genauso gut vorstellen, dass einmal im Monat ein Tag des
historischen Handwerks eingerichtet und für den entsprechend
geworben wird. Räumlich könnten diese Vorführungen zum einen in dem Bereich „dörfliches Handwerk“ im Ausstellungsgebäude Schafstall stattfinden. Optimal - auch für das Publikum
- wären diese Vorführungen im Museumsdorf.
Das Beispiel der Museumsbäckerei verdeutlicht auch, dass die238
se handwerklichen Vorführungen für den einzelnen Handwerker durchaus auch von finanziellem Interesse sein können. Ein
möglicher Effekt könnte bei Fleischerei und Bäckerei zum Beispiel auch darin bestehen, dass die Besucher erfahren, was sich
in den Lebensmitteln befindet. Die immer häufiger stattfindenden Bauernmärkte mit ökologischen Lebensmitteln könnten
wertvolle Orientierungshilfen liefern. Langfristig sollte ein derartiger Bauernmarkt im Museumsdorf veranstaltet werden.
So interessant die Ausstellungen und Sonderausstellungen im
Museum auch sein mögen, der heutige und zukünftige Museumsbesucher möchte oftmals mehr, als eine „passive“ Betrachtung von Ausstellungsobjekten. Das Museum als Freizeitvergnügen - man geht auch in das Museum, um nur dem Schmied
zuzuschauen, oder um eine Tasse Kaffee zu trinken, ohne sich
eine Ausstellung angesehen zu haben - dürfte zukünftig eine
immer größere Bedeutung erlangen.
239
XI. Beirat
Für den Aufbau des MITAM sollte ein Beirat gebildet werden,
in den Vertreter verschiedener Institutionen der Region und
Fachleute für bestimmte Themen berufen werden:
-
TH Braunschweig,
-
FH Wolfenbüttel/Salzgitter
-
BU Clausthal-Zellerfeld,
-
Landesmuseum Braunschweig
-
Stiftungen der Region,
-
Landwirtschaftsvertreter,
-
Handwerks- und Gewerbevertreter,
-
Firmenvertreter
-
Vertreter der Politik und Verwaltung und
-
Förderverein Schloß Salder und
-
Geschichtsverein Salzgitter.
240
XII. Verzeichnis benutzter Literatur (Auswahl)
Benz, Wolfgang (Hg.)
Salzgitter. Geschichte und Gegenwart einer deutschen Stadt
1942-1992, München 1992.
Bergbau in Salzgitter, in: Beiträge zur Stadtgeschichte, Bd. 13,
Salzgitter 1997, S. 9-420
Bergmann, Ulrich
Anton Raky – Ein Wegbereiter der industriellen Erschließung
Salzgitters, in. Beiträge zur Stadtgeschichte, Bd. 13, Salzgitter
1997, S. 53-58.
Christiansen, Broder-Heinrich
Schloß Salder: Adelssitz – Sommerresidenz – Domäne, in: Benz
(siehe oben), S. 605-614.
Die Demontage der Reichswerke (1945-1951), in. Beiträge zur
Stadtgeschichte, Bd. 3, Salzgitter 1990, S. 11-344.
Ellwardt, Kathrin
Die evangelisch-lutherische Schlosskirche St. Maria Magdalena in Salzgitter-Salder, 2001, S. 4-55.
Försterling, Reinhard,
Neubeginn politischen Lebens nach 1945. Parteigründungen
und Wahlen, in: Benz (siehe oben), S. 335-357.
Ders.
Die wirtschaftliche Entwicklung im Freistaat Braunschweig
1918-1032, in: Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des
Braunschweigischen Landes, Bd. III (weiterhin:WiSo Bd. III),
Hildesheim 2008, S. 353-421.
Gröttrup, Hendrik
Die zweite Stadtgründung im Spannungsfeld Bund – Land –
Kommune – Konzern, in: Benz (siehe oben), S. 439-479.
241
Fiedler, Gudrun, Pingel, Norman-Mathias
Vom Nachkriegsboom in den Strukturwandel, in: WiSo Bd. III,
Hildesheim 2008, S. 557-664.
Hundert Jahre KVG, Salzgitter 2009, S. 9-129.
Kintzinger, Martin
Handwerk in Braunschweig, Braunschweig 2000.
Kolbe, Heinz
Die naturräumlichen Grundlagen Salzgitters, S. 135-139.
Lange, Horst-Günther
Bürger und Bauern, in: Benz (siehe oben), München 1992, S.
647-666.
Lent, Dieter
Braunschweig und Salzgitter. Der Gebietstausch mit Preußen
1941, in: Benz (siehe oben), München 1992, S. 78-91.
Leuschner, Jörg
Die Übernahme eines schweren Erbes, in: Vom Dorf zum Stadtzentrum, in: Beiträge zur Stadtgeschichte, Bd. 23, Salzgitter
2009, S. 289-314.
Ders.
Die neue Stadt Salzgitter, in: Die Braunschweigische Landesgeschichte, hg. v. Horst-Rüdiger Jarck u. Gerhard Schildt,
Brauschweig 2001, S. 1079-1100.
Ders.
Das Braunschweigische Land während der Westfalenzeit (18071813), in: WiSo Bd. III, Hildesheim 2008, S. 27-63.
Ders.
Die Wirtschaft des Braunschweigischen Landes im Dritten
Reich
(1933-1945), in: WiSo Bd. III, Hildesheim 2008, S. 452-556.
242
Linhardt, Andreas
Luftfahrt in der Region Braunschweig im Spannungsfeld von
Wirtschaft, Forschung und Politik, in: WiSo, Bd. III, Hildesheim 2008, S. 831-887., S. 831-887.
Löhr, Marianne
Industrialisierungsansätze auf dem Lande von der zweiten
Hälfte des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts, in: WiSo Bd.
III, Hildesheim 2008, S. 254-278.
Märtl, Claudia, Kaufhold, Karl Heinrich, Leuschner, Jörg
(Hgg.)
Die Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Braunschweigischen
Landes, Bd. I-III, Braunschweig 2008.
Metell, Gerd
Zwischen Kriegsende und „Zweiter Stadtgründung“, in: Vom
Dorf zum Stadtzentrum in: Beiträge zur Stadtgeschichte, Bd.
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