SIPROTEC Schutztechnik
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SIPROTEC Schutztechnik
SIPROTEC Schutztechnik Basis für höchste Versorgungssicherheit – Grundlagen Frei verwendbar © Siemens AG 2016 www.siemens.de/schutztechnik Ziele dieser Broschüre Ziel • Nachfolgende Beispiele geben einen Überblick über die Anforderungen an Schutzgeräte in Mittelspannungsnetzen mit Lösungshinweisen. Hinweise zur Nutzung dieser Broschüre • Wählen Sie zunächst ein Thema in der Fußleiste aus. • Die Ausgangssituation wird im oberen Teil dargestellt. • Im unteren Bereich werden die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. • Gegebenenfalls wird auf weitere Seiten referenziert. Mit dieser Unterlage stellen wir Ihnen Lösungshinweise aus der Schutztechnik zur erfolgreichen Anwendung zur Verfügung. Seite 2 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Das Schutzsystem Bei der Auslegung des Schutzes für das jeweilige Schutzobjekt ist nicht alleine das Schutzgerät zu betrachten, sondern das gesamte Schutzsystem. Insbesondere die Stromwandler müssen so ausgelegt werden, dass dem Schutzgerät auch für den maximalen Kurzschlussstrom ausreichend lange hinreichend genaue Sekundärströme zugeführt werden, um den Fehler korrekt zu klären. Leistungsschalter* Wandler Zuleitungen* DISTANZSCHUTZ Batterie* Schutzgerät * Auf diese Komponenten wird in dieser Broschüre nicht näher eingegangen. Das System ist so stark wie das schwächste Glied! Seite 3 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Prozessbustechnologie Anschluss der Wandler über Prozessbus Protection device Zuleitungen Konventioneller Anschluss der Wandler Merging Unit Ethernet Protection Protection device device Vorteile Kosteneinsparung (Verkabelung/Kupferverdrahtung, Installation, Betrieb und Wartung) Interoperabilität, basierend auf IEC 61850 Erweiterte Funktionen (z.B. leichte Verteilung von Signalen und Messwerten in der Anlage – auch an mehrere Geräte) Erhöhte Betriebssicherheit (z.B. Handhabung von Strom- und Spannungswandlern) Seite 4 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Redundanz Schutzsysteme werden in der Regel so ausgelegt, dass das Versagen einer Komponente „verschmerzt“ werden kann („n-1-Prinzip“). Je nach dem Grad der Redundanz werden Abstriche in Auslösezeit und/oder Selektivität in Kauf genommen. Beispiel 1: Schutz-Staffelung Beispiel 2: Differentialschutz mit UMZ-Reserveschutz Falls UMZ 2 versagt, löst UMZ 1 verzögert aus. Geringere Selektivität, da Station 1 abgeschaltet wird. UMZ 1 UMZ UMZ Station 1 UMZ 2 Diff Diff Kommunikationsverbindung Station 2 UMZ 3 Falls der Differentialschutz versagt, löst der UMZ-Schutz verzögert aus. Station 3 UMZ 4 Station 4 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Seite 5 Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Stromwandler Die Stromwandler müssen so ausgelegt werden, dass sie den maximalen Kurzschlussstrom für eine bestimmte Zeit sättigungsfrei übertragen können, während der Schutz den Fehler korrekt bewertet. Eine exakte Kalkulation dieser sättigungsfreien Zeit ist nur durch dynamische Simulation (z. B. mit CTDim) möglich, ersatzweise kann aber auch die erforderliche Betriebsüberstromziffer des Wandlers bestimmt werden. Stromwandlerauslegung: Stromwandlerbezeichnung: 5 P 10; 15 VA ' K ssc K ssc Wandlernennleistung Nennüberstromfaktor Kernart: P = Schutz M = Messung Maximaler Fehler in % bei KSSC x IN R ct Rb R ct RLtg Rrelais K‘SSC = Betriebsüberstromziffer KSSC = Nennüberstromziffer Rct = Wandler-Innenbürde Rb = Wandler-Nennleistung RLtg = Zuleitungsbürde Rrelais = Relaisbürde Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Seite 6 Motorschutz Sternpunktbehandlung Mittelspannungsnetze werden in Deutschland vorwiegend kompensiert betrieben, d. h. dass die Sternpunkte des Dreiphasensystems über eine Löschspule (Petersenspule) geerdet werden. Hierdurch wird der einpolige Fehlerstrom (Erdschlussstrom) weitestgehend durch den um 180° phasenverschobenen induktiven Strom kompensiert, so dass die meisten Erdschlüsse schnell von selbst erlöschen (Freileitungsnetz). Selbst bei stehenden Erdschlüssen (Kabelnetz) kann bei einpoligen Fehlern der Betrieb zunächst weiter laufen. Gleichzeitig muss der Erdschluss jedoch geortet werden, da die Spannungserhöhung der erdschlussfremden Phasen die Gefahr von Doppelerdschlüssen nach sich zieht, die dann schnellstmöglich abgeschaltet werden müssen. Die Größe eines kompensierten Netzes ist durch den zulässigen ungelöschten Erdstrom ICE begrenzt: bei 6 kV bis 30 kV auf ICE < 600 A, bei 110 kV auf ICE < 1500 A. Netze geringerer Ausdehnung (z. B. Netze von Industriebetrieben) können sogar isoliert betrieben werden, sofern der kapazitive Erdstrom (Belag der Kabel/Leitungen) des Netzes 50 A nicht übersteigt. Auch in diesem Fall kann – wie beim kompensierten Netz – bei Erdschlüssen der Betrieb zunächst weiter laufen. In (niederohmig) geerdeten Netzen hingegen treten bei einpoligen Fehler (Erdkurzschluss) kurzschlussartige Fehlerströme auf, die schnellstmöglich abgeschaltet werden müssen. Dies schont die Betriebsmittel, führt aber unter Umständen dazu, dass Verbraucher unvermittelt abgeschaltet werden. Seite 7 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Sternpunktbehandlung „niederohmig geerdetes Netz“ Widerstandsgeerdetes Netz: L1 ~ L2 L3 IK R Im niederohmig geerdeten Netz fließen bei Erdfehlern kurzschlussartige Fehlerströme, die durch den Sternpunktwiderstand begrenzt sind und gemäß Netzstaffelplan abgeschaltet werden. Durch das unmittelbare Abschalten des Erdfehlers können Verbraucher abgeschaltet werden. Betriebsmittel werden durch die schnelle Fehlerbeseitigung jedoch geschont. Seite 8 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Sternpunktbehandlung „isoliertes Netz“ Isoliertes Netz: L1 ~ L2 L3 ICE C1 C2 C3 Der Erdstrom ICE (kapazitiver Belag des Netzes) fließt über die Fehlerstelle zum Sternpunkt zurück. Aus der Phasenlage dieses Stroms zur gleichfalls auftretenden Verlagerungsspannung lässt sich die Richtung bestimmen, in der der Erdschluss – bzgl. des Einbauorts der Wandler – liegt. Je nach Ausdehnung des Netzes und dem dazu proportionalen kapazitiven Belag kann der Erdstrom ICE via Holmgreen-Schaltung oder aber mittels Kabelumbauwandler erfasst werden. Bei zu großer Ausdehnung des Netzes (ICE > 50 A) darf der Sternpunkt nicht mehr isoliert betrieben werden, da sonst der auftretende Lichtbogen nicht mehr erlischt. Seite 9 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Erdfehlererfassung „isoliertes Netz“ Erdfehler = Erdschluss, kein Kurzschluss Betrieb geht zunächst weiter Erdschluss muss gemeldet und schnellstmöglich beseitigt werden Sternpunktbehandlung: nicht geerdet -> isoliertes Netz Strahlennetz: Vermaschtes Netz: vorwärts rückwärts Energierichtung Erdschlussrichtungsfunktion, sin φ Methode Erdschlusswischerfunktion Richtungsbestimmung aus Phasenlage zwischen Blindstrom (kapazitiv) und Verlagerungsspannung Stromwandleranschluss: • Kabelumbauwandler oder Holmgreen-Schaltung (abhängig von der Höhe des kapazitiven Stroms) • empfindlicher Erdstromeingang am Schutzgerät Richtungsbestimmung aus der Wirkenergie des Nullsystems (E0wirk) nach Fehlereintritt • negative Wirkenergie: Fehlerrichtung vorwärts • positive Wirkenergie: Fehlerrichtung rückwärts Stromwandleranschluss: Holmgreen-Schaltung Erdschluss liegt auf der Leitung, an deren Enden beide E-Wischerfunktionen „vorwärts“ anzeigen. Seite 10 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Sternpunktbehandlung „gelöschtes Netz“ Gelöschtes Netz: L1 ~ L2 L3 R L IL Iee=ΣI~0 ICE C1 C2 C3 Der Erdstrom ICE (kapazitiver Belag des Netzes) fließt über die Fehlerstelle zum Sternpunkt zurück und wird durch den induktiven Kompensationsstrom IL der Petersenspule (nahezu) kompensiert. Somit fließt an der Erdschlussstelle lediglich der verbleibende Erdstrom Iee, der nur durch einen Kabelumbauwandler verlässlich zu messen ist. Aus der Phasenlage des Wirkanteils dieses Erdstroms Iee zur gleichfalls auftretenden Verlagerungsspannung lässt sich die Erdschlussrichtung bestimmen. Die um 3 erhöhten Leiter-Erde-Spannungen der fehlerfreien Phasen belasten die Isolation des Kabels und führen über kurz oder lang zu einem Doppelerdschluss (Kurzschlussstrom!). Sollte die Zeit bis zur Ausweitung auf einen Doppelerdschluss zu kurz sein, um den einpoligen Erdschluss zu orten, deutet dies auf marode Kabel hin. In diesem Fall sollte überlegt werden, den Sternpunkt des Netzes über einen Widerstand zu erden. Seite 11 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Erdfehlererfassung „gelöschtes Netz“ Sternpunktbehandlung: über Petersenspule geerdet -> kompensiertes oder gelöschtes Netz L Strahlennetz: Erdfehler = Erdschluss, kein Kurzschluss Betrieb geht zunächst weiter Erdschluss muss gemeldet und schnellstmöglich beseitigt werden Vermaschtes Netz: vorwärts rückwärts Energierichtung Erdschlussrichtungsfunktion, cos φ Methode (wattmetrisch) Richtungsbestimmung aus Phasenlage zwischen Wirkstrom und Verlagerungsspannung Stromwandleranschluss: • Kabelumbauwandler • empfindlicher Erdstromeingang am Schutzgerät Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Erdschlusswischerfunktion Richtungsbestimmung aus der Wirkenergie des Nullsystems (E0wirk) nach Fehlereintritt • negative Wirkenergie: Fehlerrichtung vorwärts • positive Wirkenergie: Fehlerrichtung rückwärts Stromwandleranschluss: Holmgreen-Schaltung Erdschluss liegt auf der Leitung, an deren Enden beide E-Wischerfunktionen „vorwärts“ anzeigen. Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Seite 12 Motorschutz Strahlennetz Radialnetze verteilen die Energie von den Einspeisepunkten aus hin zu den Verbrauchern. Allerdings werden bei einer Schutzauslösung alle unterlagerten Verbraucher abgeschaltet. Diese können nach Umschaltungen (Einlegen von Notverbindungen) von anderer Seite wieder versorgt werden. Ein Strahlennetz ist aufgrund der einseitigen Speisung und unvermaschten Topologie einfach zu schützen, dennoch bieten sich auch hier unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten an: Meist ist eine Staffelung ungerichteter UMZ-Relais ausreichend. Zudem bietet es sich bei dieser Netzstruktur an, die Sammelschienen der Stationen mittels rückwärtiger Verriegelung zu schützen. Nachteil dieser Lösung ist der Anstieg der Abschaltzeiten in Richtung Einspeisung hin, dem Ort mit der höchsten Kurzschlussleistung. Durch die zunehmende Staffelzeit wird auch die Anzahl der unterlagerten Stationen begrenzt. Die vorgelagerten UMZ-Relais stellen zugleich den Reserveschutz für unterlagerte Geräte dar. Ein alternatives Schutzkonzept mit kürzesten Abschaltzeiten bieten Differentialschutzgeräte. Leitungsdifferentialschutzrelais schützen die Verbindungen zwischen den Stationen in Schnellzeit. Der Schutz der Sammelschienen selbst bedarf zusätzlicher Überlegung (vgl. SS-Schutz). Auch das Reserveschutzkonzept muss gesondert betrachtet werden. Keinesfalls sollte die in den Differentialschutzgeräten integrierte UMZ-Reserveschutzfunktion für den gleichen Netzabschnitt verwendet werden, da hierbei keine Hardware-Redundanz gewährleistet wäre. Selbstverständlich lässt sich ein Radialnetz auch mittels Distanzschutzgeräten schützen, sofern der Abstand zwischen benachbarten Stationen eine korrekte Staffelung der Distanzzonen erlaubt. Hiermit würden Fehler weitestgehend in Schnellzeit abgeschaltet werden können. Für den Schutz der Sammelschienen bietet sich auch hier das Prinzip der rückwärtigen Verriegelung an. Durch das Überstaffeln unterlagerter Netzabschnitte ist auch der Reserveschutz bereits implizit enthalten. Allerdings erfordern Distanzschutzgeräte Spannungswandler (zumindest an den Sammelschienen). Seite 13 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Strahlennetz Beispiel: Industrienetz geringer räumlicher Ausdehnung Einspeisung 1 Es wurden lediglich die bzgl. der Topologie bedeutenden Schutzrelais eingezeichnet. Einspeisung 2 I> I> I> Notverbindung I> M M M ΔI ΔI M M M M M ΔI M M I> M M M M M M ΔI Notverbindung ΔI I> M M M M M M M M M M Notverbindung ΔI I> I> M M M M SS-Schutz durch rückwärtige Verriegelung via zusätzlichem UMZ oder integriertem Reserve-UMZ (bei ΔI) M M M M Seite 14 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Ringnetz Ringnetze finden vor allem in Industriebetrieben Anwendung, da sie alle Stationen permanent von zwei Seiten mit elektrischer Energie versorgen. Somit können Fehler auf Verbindungskabeln selektiv herausgeschaltet werden, ohne Verbraucher abzuschalten. Die zwei- oder mehrseitige Speisung stellt höhere Anforderungen an das Schutzkonzept, da der Fehlerstrom in beide Richtung fließen kann, d. h. ungerichtete UMZ-Relais sind als Hauptschutz ungeeignet. Meist werden Ringnetze mittels Differentialschutzrelais geschützt. Somit werden Fehler auf den Verbindungsleitungen zwischen den Stationen in Schnellzeit abgeschaltet. Die in diesen Relais enthaltene ungerichtete UMZ-Funktion kann für ein Reserveschutzkonzept Verwendung finden, scheidet jedoch für einen Sammelschienenschutz via rückwärtiger Verriegelung aus. Alternativ können Ringnetze per Richtungsvergleichschutz geschützt werden. Hierfür werden gerichtete UMZ-Relais eingesetzt, die jedoch Spannungswandler sowie eine Kommunikationsverbindung zum jeweiligen Partnergerät am Gegenende der Leitung benötigen. Der Sammelschienenschutz kann mit diesen Relais per rückwärtiger Verriegelung realisiert werden. Durch Überstaffelung benachbarter Netzabschnitte lässt sich zugleich ein Reserveschutzkonzept aufbauen, bei dem bzgl. der Selektivität eventuell Einschränkungen auftreten können. Selbstverständlich lassen sich Ringnetze auch mit Distanzschutzgeräten schützen, sofern der Abstand zwischen benachbarten Stationen eine saubere Staffelung der Distanzzonen erlaubt. Hierbei würden Fehler weitestgehend in Schnellzeit abgeschaltet werden. Für den Schutz der Sammelschienen bietet sich erneut das Prinzip der rückwärtigen Verriegelung an. Durch das Überstaffeln benachbarter Netzabschnitte ist der Reserveschutz bereits implizit enthalten. Allerdings benötigen Distanzschutzgeräte ebenfalls Spannungswandler. Seite 15 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Ringnetz Beispiel: Industrienetz geringer räumlicher Ausdehnung Einspeisung 1 ΔI Einspeisung 2 I> ΔI M M ΔI I> ΔI M ΔI ΔI M M ΔI M M M ΔI ΔI ΔI ΔI M ΔI Es wurden lediglich die bzgl. der Topologie bedeutenden Schutzrelais eingezeichnet. M M M ΔI M M M M ΔI ΔI ΔI ΔI M M ΔI M M M M ΔI ΔI ΔI M M M M M ΔI Leitungsdifferentialschutz (7SD80, 7SD82, 7SD86) ΔI Sammelschienendifferentialschutz (7SS85) I> gerichteter UMZ-Schutz (7SJ80,7SJ82, 7SJ85) M M M ΔI ΔI ΔI M M M M Seite 16 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Überstromzeitschutz Der Überstromzeitschutz erkennt Fehler anhand der Stromhöhe und schaltet nach Ablauf der Verzögerungszeit ab. Überstromzeitschutzgeräte arbeiten entweder mit scharf definierten Stromschwellen (UMZ) oder einer strominversen Auslösekennlinie (AMZ). Moderne digitale Geräte arbeiten phasenselektiv und haben für Erdfehler eigene Einstellwerte. (UMZ / AMZ = un- / abhängiger Maximalstromzeitschutz) UMZ : t [sec] 2.0 der UMZ benötigt mindestens 3 Stromeingänge, besser 4 zur Stromsummenüberwachung AUSLÖSEGEBIET 1.5 1.0 keine Spannungserfassung keine Richtungsbestimmung 0.5 klar definierte Auslösezeit bei UMZ durch Stromschwelle(n) 0.5 1.0 1.5 I> 2.0 2.5 x IN I>> Auslösekennlinie eines zweistufigen UMZ-Schutzes (definite time over current) Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Seite 17 Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Überstromzeitschutz Der abhängige Maximalstromzeitschutz (AMZ) findet in Deutschland nur selten Anwendung, da seine Auslösezeit variabel von der Stromhöhe abhängt. In der Vergangenheit wurden AMZ-Relais häufig als Überlastschutz eingesetzt. Hierfür bieten die digitalen Schutzgeräte jedoch die Funktion „thermischer Überlastschutz“ an. der AMZ benötigt mindestens 3 Stromeingänge, besser 4 zur Stromsummenüberwachung keine Spannungserfassung keine Richtungsbestimmung variable, (invers-)stromabhängige Auslösezeit bei AMZ Kennlinien nach IEC, ANSI oder BS (British Standard) AMZ-Kennliniendiagramme (exemplarisch) (inverse time over current) Seite 18 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Überstromzeitschutz Hauptanwendungen: Der UMZ kann immer dann als Hauptschutz eingesetzt werden, wenn alleine anhand der Stromhöhe zwischen Betriebs- und Fehlerstrom unterschieden werden kann. Selektivität wird über eine Staffelung der Verzögerungszeiten erreicht. Beispiele: 2 1 Leitungsschutz Einsatz des UMZ als Leitungsschutz möglich bei einseitiger Speisung und strahlenförmiger Netzstruktur. Nachteil: höchste Abschaltzeit an Einspeisung 2 Motorschutz 3 Transformatorschutz Einsatz des UMZ als Hauptschutz an Transformatoren (bis ~ 5 – 10 MVA). Hochstromstufe I>> wirkt als unverzögerter Kurzschluss-Schutz auf Oberspannungsseite, Überstromstufe I> als Reserveschutz für Unterspannungsseite Zusatzfunktion „therm. Überlastschutz“ schützt gegen andauernde Überlastung des Transformators. 3 x x x UMZ 1 UMZ UMZ t = 600 ms x M UMZ t = 300 ms x UMZ t = 0 ms Grundlagen Einsatz des UMZ an Motoren als Kurzschlussschutz. Moderne digitale UMZ-Geräte beinhalten meist weitere Schutzfunktionen für Motoren, wie z. B. Überlastschutz. Seite 19 Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Überstromzeitschutz Reserveschutzanwendungen: Der UMZ ist als preiswerter, einfacher Schutz als Reserveschutz prädestiniert. Bei Ausfall des Hauptschutzes vermag der UMZ dann in höherer Staffelzeit zumindest stromstarke Fehler abzuschalten und somit Zerstörungen der Primäreinrichtungen zu verhindern. Mangelnde Selektivität wird hierfür unter Umständen in Kauf genommen. Beispiele: 2 1 1 Blockierung der UMZ-Stufen solange Leitungsdiffschutz aktiv. Hardware-Redundanz gegenüber integrierter Reserveschutzfunktion des Leitungsdiffschutzes evtl. Selektivitätsverlust bei Staffelung des UMZs x x ΔI UMZ UMZ ΔI ΔI UMZ Reserveschutz bei Leitungsdiffschutz 2 Reserveschutz bei Trafodiffschutz x x • Hardware-Redundanz gegenüber integrierter Reserveschutzfunktion des Transformatordifferentialschutzes • permanente Aktivierung als Reserveschutz möglich, da Diffschutz schneller als UMZ Einstellungen wie bei UMZ als Trafo-Hauptschutz, Hochstromstufe I>> leicht verzögert (ca. 50 ms) Seite 20 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Gerichteter Überstromzeitschutz Der gerichtete UMZ/AMZ-Schutz ermittelt aus der Phasenlage von Strom und Spannung die Richtung des Stromflusses und bieten neben den ungerichteten (wie UMZ/AMZ) zusätzliche gerichtete Überstromstufen. Dies erlaubt für beide Richtungen unterschiedliche Stromschwellen und Verzögerungszeiten. Hauptanwendungen sind Parallelleitungen sowie beidseitig gespeiste Leitungen. Speiserichtung x x Beispiel Parallelleitung: Bei einseitiger Speisung über parallele Leitungen wird ein Fehler auf einer Leitung auch über die parallele Leitung und damit per Rückspeisung vom Gegenende her gespeist. Ein gerichteter UMZ-Schutz kann einen gegen die Speiserichtung fließenden Fehlerstrom in Schnellzeit abschalten, da dies kein Betriebsstrom sein kann. UMZ UMZ t = 300 ms t = 300 ms t = 0 ms t = 0 ms UMZ UMZ x x x t = 0 ms UMZ Seite 21 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Gerichteter Überstromzeitschutz Beidseitig gespeiste Leitungen (vgl. Ringnetze) können mit gerichteten UMZ-Relais geschützt werden. Hierzu erfolgt die Staffelung von beiden Einspeisungen her gegeneinander gerichtet. An den beiden äußeren Enden ist jeweils ein ungerichteter UMZ ausreichend. Beispiel: beidseitig gespeiste Leitung x x x x x x UMZ UMZ UMZ UMZ UMZ UMZ t = 600 ms t = 0 ms t = 300 ms t = 300 ms t = 0 ms t = 600 ms Wie bei der Staffelung ungerichteter UMZ-Geräte können nicht beliebig viele Relais gestaffelt werden, da sonst die Verzögerungszeit unzulässig hoch wird. Seite 22 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Richtungsvergleichschutz Gerichtete UMZ-Relais, die am Anfang und Ende eines Leitungsabschnitts platziert sind, können dazwischen liegende Netzstörungen unverzögert abschalten, sofern sie von der Gegenseite die Information erhalten, in welcher Richtung dieses Relais den Fehler sieht. Sehen beide Geräte den Fehler in Vorwärtsrichtung schalten sie unverzögert ab. Dieses Schutzprinzip benötigt eine Kommunikationsverbindung der beiden Relais! A B C D I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t I>,t R 1.1 R 1.2 R 2.1 R 2.2 R 3.1 R 3.2 Die Information, dass der Fehler in Richtung „rückwärts“ liegt, wird über die Kommunikationsverbindung an das Partnergerät übermittelt. Dieses blockiert daraufhin die gerichtete, unverzögerte Auslösestufe, der Schutz arbeitet mit „normaler“ Staffelzeit. Im fehlerbehafteten Leitungsabschnitt sehen beide Geräte den Fehler „vorwärts“. Es erfolgt keine Blockierung der gerichteten Schnellstufe, der Fehler wird unverzögert abgeschaltet. Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Seite 23 Motorschutz Leitungsdifferentialschutz Der Leitungsdifferentialschutz wird eingesetzt, um streng selektive Bereiche in Schnellzeit zu schützen. Das einfache Messprinzip des Stromvergleichs erfordert eine Kommunikationsverbindung zwischen den Partnergeräten. Während früher analoge Messgrößen übertragen wurden (Stromwaage-Prinzip), nutzen moderne Geräte die Vorteile der digitalen Kommunikation. I I Kommunikationsverbindung Vorteile: einfaches Messprinzip schnell (keine Staffelzeit) streng selektiv benötigt nur Stromwandler Voraussetzung: Kommunikation mit Gegenende Seite 24 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Leitungsdifferentialschutz SIPROTEC-Leitungsdifferentialschutzgeräte können Netzgebilde bis zu sechs Enden schützen. Die Geräte 7SD8 verfügen über Wirkschnittstellen um Daten mit den Partnergeräten in Ring- oder Kettentopologie auszutauschen. Intelligente Algorithmen erlauben auch Transformatoren im Schutzbereich. Für Inbetriebsetzung und Prüfung können einzelne Enden aus der Differentialschutzkonfiguration herausgenommen werden. 7SD8 7SD8 Beispiel: unterschiedliche Netztopologien LWL-Kabel 7SD82, 7SD86 und 7SD87 7SD82, 7SD86 und 7SD87 7SD8 7SD8 LWL-Kabel 7SD8 7SD82, 7SD86 und 7SD87 Grundlagen 7SD8 7SD82, 7SD86 und 7SD87 Netzarten Überstromzeitschutz Seite 25 Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Leitungsdifferentialschutz Die Nutzung digitaler Kommunikation zum Austausch schutzrelevanter Daten (z.B. Messwerte, Mitnahmebefehle, etc.) erlaubt eine flexible Anpassung an vorhandene Übertragungswege. Insbesondere Lichtwellenleiter-Direktverbindungen ermöglichen eine beeinflussungsfreie Kommunikation. Aber auch andere Wege bieten sich an. Nutzung von Lichtwellenleitern LWL 820 nm, 1.5 km 1300 nm, 4/24 km 1300 nm, 60 km 1550 nm, 100 km LWL 820 nm, 1.5 km PW O Multi mode Multi/Single mode (SIP5/7SD80) Single mode Single mode 2 Kupferadern O LWL 820 nm, 1.5 km PW bis zu 12 km Nutzung vorhandener Diffschutzkabel oder Telefonadern (2 Adern verwendet) mittels Umsetzung von LWL auf Kupfer (7XV5662-0AC00). Seite 26 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Leitungsdifferentialschutz Für den Austausch schutzrelevanter Daten (z.B. Messwerte, Mitnahmebefehle, etc.) können auch digital Kommunikationsnetze (SDH als auch Netze mit MPLS-Technologie) genutzt werden. Die Ankopplung erfolgt optisch direkt oder über externe Kommunikationsumsetzer. Anbindung an Netzwerke mit elektrischen Schnittstellen mittels Nutzung von Kommunikationsumsetzern (optisch/elektrisch): 7XV5662-0AA00 (X.21 oder G703.1) bzw. 7XV5662-00AD00 (G703.6/E1/T1) G LWL 820 nm, 1.5 km Weitverkehrsnachrichtennetz O G703.1 X21 G703.6 O G LWL 820 nm, 1.5 km G703.1 X21 G703.6 Optische Direktverbindung mit Netzwerken mit IEEE C37.94 Schnittstellen (SDH- und MPLS-Netzwerken) IEEE C37.94 Schnittstelle IEEE C37.94 Schnittstelle Weitverkehrsnachrichtennetz LWL 820 nm 1,5 km LWL 820 nm 1,5 km Seite 27 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Leitungsdifferentialschutz – 7SD80 Für den Austausch schutzrelevanter Daten (z.B. Messwerte, Mitnahmebefehle, etc.) können beim SIPROTEC 7SD80 folgende Kommunikationswege genutzt werden. Nutzung von LWL-Kabeln LWL 1300 nm, 4/24 km, Multi/Single mode fiber cables Nutzung vorhandener Diffschutzkabel oder Telefonadern (2 Adern verwendet) * * 2 Kupferadern bis zu 20 km * Abriegeltrennwandler 5 kV oder 20 kV Seite 28 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Transformatordifferentialschutz Der Transformatordifferentialschutz wird zum selektiven, unverzögerten Schutz von Transformatoren eingesetzt. Da sich die Zuleitungslänge der ober- und unterspannungsseitigen Wandler sich meist in Grenzen hält, kann die Stromsumme in einem Gerät – und nicht wie beim Leitungsdifferentialschutz in getrennten Geräten – gebildet werden. Moderne Trafodiffschutzrelais benötigen keine sekundärseitigen Anpassschaltungen mehr, um die Strombeeinflussung durch den Transformator nachzubilden. Dies erledigt das digitale Schutzgerät rechnerisch. x Normalbetrieb: Trafofehler: I1 I x I2 I1 + I2 = 0 I1 + I2 = 0 Der digitale Transformatordifferentialschutz berücksichtigt rechnerisch: das Übersetzungsverhältnis des Trafos durch Amplitudenanpassung die Phasenverschiebung der Sekundärströme durch Schaltgruppenanpassung die eventuelle Fehlabbildung von Erdströmen durch Nullstromelimination bzw. Nullstromkorrektur Seite 29 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Distanzschutz Der Distanzschutz überwacht die erfassten Ströme und Spannungen hinsichtlich des parametrierten Anregekriteriums. Abhängig von den jeweiligen Netzverhältnissen haben sich unterschiedliche Anregeverfahren etabliert. Sofern Last- und Fehlerstrom eindeutig durch die Stromhöhe unterscheidbar sind, ist eine Überstromanregung ausreichend. Kompliziertere Strom- und Spannungsverhältnisse zwischen Betriebs- und Fehlerzustand erfordern aufwändigere Anregeverfahren. Anregeverfahren: Spannungs- und winkelabhängige Überstromanregung X Impedanzanregung U Spannungsabhängige Überstromanregung R Überstromanregung I> Grundlagen I> Netzarten I >> I Überstromzeitschutz Differentialschutz Seite 30 Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Distanzschutz Regt der Distanzschutz an, so werden aus den erfassten Strömen und Spannungen die Impedanzen aller sechs möglichen Fehlerschleifen ermittelt und mit den parametrierten Zoneneinstellungen (~ Fehlerentfernungen) verglichen. Nach Ablauf der für die jeweilige Zone hinterlegten Verzögerungszeit löst der Distanzschutz aus und klärt den Fehler. X X3 Fehlerschleifen: Auslösekennlinien: E X2 L1 L2 L3 XFehler Distanzschutz X1B L2-E R3 R2 R1 L1-E R1B X1 R RFehler L3-E L1-L2 L2-L3 L3-L1 Seite 31 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Distanzschutz Die ermittelte Fehlerimpedanz erlaubt es, den Distanzschutz in Abgangsfeldern so zu staffeln, dass er Fehler bis zur nächsten Station in Schnellzeit abschaltet. Für weiter entfernte Fehler stellt er zugleich einen Reserveschutz für das Schutzgerät in der nächsten Station dar. Aufgrund von Messungenauigkeiten wird die Zone 1 jedoch kleiner als die Entfernung zur nächsten Station eingestellt, um eine Überfunktion zu verhindern. t tuE ungericht. Endzeit * * nicht bei Impedanzgericht. Endzeit * anregung tgE t3 t2 t1 Station Gerät 1 7SA8 Gerät 2 7SA8 Gerät 3 7SA8 Gerät 4 7SA8 Die SIPROTEC-Distanzschutzgeräte 7SA8 besitzen eine variable Anzahl unabhängiger Zonen, die frei konfiguriert werden können. So lassen sich verschiedene Zonen für beispielsweise sichere Schnellabschaltungen bei „Zuschalten auf Fehler“ oder „Automatischer Wiedereinschaltung“ einstellen. Seite 32 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Distanzschutz Der Distanzschutz im Einspeisefeld dient für die Relais der Abgangsfelder als Reserveschutz und gleichzeitig als Sammelschienenschutz. Da keine selektive Staffelung für die Sammelschiene möglich ist (zu geringe Impedanz), wird dieses Relais als Reserveschutz für den Abgangsschutz mit der kürzesten Zone 1 eingestellt. Sammelschienenfehler werden daher erst mit Ablauf der ersten Staffelzeit abgeschaltet. Einspeiseschutz Abgangsschutz 1. Ebene Abgangsschutz 2. Ebene Seite 33 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Sammelschienenschutz Sammelschienen (SS) sind in Schaltanlagen die Orte der höchsten Energiekonzentration. Zu lange anstehende SS-Fehler können leicht zur Schädigung der Primärtechnik führen. Daraus resultierende Versorgungsunterbrechungen können – insbesondere in Industrienetzen – erhebliche negative Auswirkungen (Produktionsausfälle, etc.) nach sich ziehen. Daher müssen – unabhängig von der Spannungsebene – wichtige Sammelschienen in Schnellzeit geschützt werden. Da jedoch SS-Fehler sehr selten sind, werden Sammelschienenfehler meist erst in höherer Staffelzeit abgeschaltet. Abhängig von der Komplexität des SS-Systems (von Einfach- bis Fünffach-SS) ist ein eigenständiger SS-Schutz mehr oder weniger aufwändig. Der einfachste SS-Schutz lässt sich nach dem Prinzip der „rückwärtigen Verriegelung“ aufbauen, sofern ein Vergleich der anstehenden Schutzanregungen eindeutig ergibt, ob nur einspeisende Felder (SS-Fehler) oder auch Abgangsfelder (außen liegender Fehler) beteiligt sind. Ein eigenständiger SS-Schutz kann bei Einfach-SS durch einen simplen Knotenpunktschutz realisiert werden, da dieser kein Trennerabbild benötigt. Bei komplexer SS-Topologie ist der SS-Schutz aufwändig, da nur der fehlerhafte SS-Abschnitt abgeschaltet werden soll. Hierzu muss der SS-Schutz von jedem Abzweig neben dem Strom auch das Trennerabbild erfassen und daraus die selektiven Bereiche ermitteln. Seite 34 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Sammelschienenschutz – Prinzip der rückwärtigen Verriegelung Eine Schutzanregung in einem Abgangsfeld bedeutet, dass der anstehende Fehler nicht im Bereich der Sammelschiene liegt, auch wenn die Schutzgeräte der Einspeisefelder ebenfalls angeregt haben. Diese Anregung eines Abgangsschutzes kann genutzt werden, die (nahezu) unverzögerte Auslösung des Einspeiseschutzes zu blockieren. Regen lediglich Schutzgeräte der Einspeisefelder an, so fehlt diese Blockierung und der SS-Fehler wird in Schnellzeit abgeschaltet. 2 t = 50 ms t = x ms Anr. + M Anr. Abgangsschutz löst aus und sperrt 50 ms-Stufe im Einspeiseschutz über Ringleitung 2 Einspeiseschutz löst in 50 ms aus, da kein Abgang angeregt und damit gesperrt hat Blockierung 1 + 1 + Anr. Sammelmeldung Anregung Bei zweiseitiger Speisung werden gerichtete Anregemeldungen benötigt, um Rückspeisungen auf außen liegende Fehler zu erkennen. Sollen bei Doppelsammelschienen selektive Bereiche berücksichtigt werden, müssen SS-bezogene Blockiermeldungen (über Trenner-Hilfskontakte) gebildet werden. Seite 35 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Sammelschienenschutz – zentral Beim zentralen Sammelschienenschutz werden alle Ströme und Schalterstellung zentral an ein Schutzgerät zusammengefasst. Mit Hilfe der Schalterstellungen wird das Trennerabbild erzeugt. Mit Hilfe des Trennerabbildes erfolgt die Zuordnung der Leitungen zum Sammelschienenschutzsystem. Sammelschienen: SS-Schutz mit bis zu 20 Messstellen in 26 Feldern X 7SS85 1 2 3 x 7SS85 Einfach-Sammelschienen mit/ohne Umgehungsschiene Doppelsammelschienen mit/ohne Umgehungsschiene Dreifach-Sammelschienen Eineinhalb-Leistungsschalter-Methode Doppelleistungsschalter-Anlagen und ein- oder zwei-Stromwandler je Abzweig Schaltwagenanlagen Anlagen mit Kombischienen Dreibein-Schaltungsanordnungen H-Schaltungsanordnungen mit Kupplung oder Trennung Ring-Sammelschienen 7SS85 Seite 36 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Sammelschienenschutz – dezentral Der dezentrale SS-Schutz 7SS52 erfasst in jedem Schaltfeld Abzweigstrom und Trennerstellungen mittels einer eigenen Feldeinheit. Diese Feldeinheiten sind sternförmig über Lichtwellenleiter mit dem SS-Schutz-Zentralgerät verbunden. Anhand des Trennerabbilds bestimmt der SS-Schutz die selektiven Bereiche und bildet jeweils die Stromsumme. An die Zentraleinheit des 7SS52 können bis zu 48 Feldeinheiten angeschlossen werden. Es stehen bis zu 12 selektive Bereiche (SS-Abschnitte) zur Verfügung. Um sicher zwischen innen und außen liegenden Fehlern zu unterscheiden, genügen 3 ms sättigungsfreie Übertragungszeit des maximalen durchfließenden Fehlerstroms. Die Auslösezeit (am Kontakt der Feldeinheiten) beträgt weniger als 15 ms, unabhängig von der Anzahl der Feldeinheiten. Seite 37 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Motorschutz Für den Schutz von Mittelspannungsmotoren stehen spezielle Schutzfunktionen, wie beispielsweise die Überlastschutzfunktion zur Verfügung. Mittels sogenannter „Thermoboxen“ können die Temperaturen kritischer Punkte des Motors (z. B. Lager) erfasst und überwacht werden. Hierdurch kann insbesondere die Empfindlichkeit des thermischen Überlastschutzes gesteigert werden. Thermobox - 7XV5662-6 RS 485 - 7XV5662-8 Ethernet L1 L2 L3 L1 L3 N Σ i0 RS 485/Ethernet u0 7SK8 M 3~ Seite 38 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Motorschutz Reduzierte Investition durch Schutz und Steuerung in einem Gerät Eigenständige Differentialschutzfunktionen Thermische Motorschutzfunktionen zur sicheren Überwachung des Motors Hohe Empfindlichkeit und kurze Auslösezeiten durch Differentialschutzfunktion Thermische Motorschutzfunktionen mit direktem Anschluss von Temperatursensoren Getrennte Erfassung und Überwachung der Stromwandler Seite 39 Grundlagen Netzarten Überstromzeitschutz Differentialschutz Distanzschutz Sammelschienenschutz Motorschutz Herausgeber Siemens AG 2016 Energy Management Division Freyeslebenstraße 1 91058 Erlangen, Deutschland Artikel-Nr.: EMDG-T10034-00 Gedruckt in Deutschland Dispo-Nr.: 06200 WS 12150.5 SCH DS 07120.75 Wünschen Sie mehr Informationen, wenden Sie sich bitte an unser Customer Support Center. Tel.: +49 180 524 70 00 Fax: +49 180 524 24 71 (Gebühren in Abhängigkeit vom Provider) E-Mail: [email protected] Änderungen und Irrtümer vorbehalten. Die Informationen in diesem Dokument enthalten lediglich allgemeine Beschreibungen bzw. Leistungs-merkmale, welche im konkreten Anwendungsfall nicht immer in der beschriebenen Form zutreffen bzw. welche sich durch Weiterentwicklung der Produkte ändern können. Die gewünschten Leistungsmerkmale sind nur dann verbindlich, wenn sie bei Vertragsschluss ausdrücklich vereinbart werden. Für alle Produkte, die IT-Sicherheitsfunktionen der OpenSSL beinhalten, gilt Folgendes: This product includes software developed by the OpenSSL Project for use in the OpenSSL Toolkit (www.openssl.org). This product includes cryptographic software written by Eric Young ([email protected]). Frei verwendbar © Siemens AG 2016 www.siemens.de/siprotec Seite 40