Grundlagen von GIS, Teil 2
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Grundlagen von GIS, Teil 2
GEO 243.1 | FS 2016 Einführung in die Raumanalyse mit GIS | Vorlesung 2 Grundlagen von GIS, Teil 2 Robert Weibel Geographisches Institut [email protected] V2 | Grundlagen von GIS 2 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich Zusammenfassung von Woche 1 • • • • • • • • • Der geographische Raum formt und beeinflusst unseren Alltag. GIS-Funktionalität kann viele menschliche Aktivitäten unterstützen. GIS-Funktionalität steht (versteckt) hinter vielen End-user Services. GIS verwendet oft das thematische Ebenenprinzip zur Modellierung der räumlichen Realität. GIS-Daten können als Vector und Raster repräsentiert werden. GIS verbindet Geometrie und Attribute von modellierten Phänomenen. GIS unterstützt verschiedenste Typen von Abfragen und Analysen. GIS kann viele verschiedene Anwendungen sowohl in der natürlichen als auch in der anthropogenen Umwelt unterstützen. GIS ist mehr als Hardware & Software, mehr als Technologie — sondern auch (Geo-)Daten, Knowhow/Methoden und eine Organisation. • Mehr zu Datenmodellierung (Geometrie und Attribute, Vektor und Raster, Entitäten und Felder usw.) in Woche 3! V2 | Grundlagen von GIS 3 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich Fragen von Woche 1 • Ist Google Earth ein GIS nach dem Wortlaut der Definitionen, die wir heute kennen gelernt haben? • Welche Systeme oder Applikationen (z.B. Web-Dienste) kennen Sie schon, die man als “GIS” bezeichnen könnte oder die wenigstens Teile eines GIS realisieren? Begründung Ihrer Wahl? • movo.ch ! Token: QE HO TY MI V2 | Grundlagen von GIS 4 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich Ebenfalls von Woche 1 … • Die Anwendungen von GIS-Technologie, die Sie bis anhin kennen, befinden sich — vermutlich — eher im so genannten “long tail”. Wie Search.ch, Google Maps usw. Komplexität & Funktionsumfang der Software GIS für SpezialistInnen; Fokus auf komplexere Analysen “head” GEO 243 GIS für die “Breite Masse”; Web/mobile Apps; Fokus auf Visualisierung & einfache Abfragen “long tail” Anzahl NutzerInnen • In diesem Modul wollen wir mehr in Richtung Analysefähigkeiten von GIS gehen (“Raumanalyse mit GIS”) • Damit werden die Methoden und Werkzeuge komplexer. V2 | Grundlagen von GIS 5 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich Inhalt 1. Was ist GIS ? — Eine lockere Einführung Teil 1: letzte Woche 2. “GIS”: Definitionen, Komponenten 3. Umfeld: Einflüsse von GIS und auf GIS 4. GIS = GIScience 5. Geschichte: Wie hat sich GIS und GIScience entwickelt? V2 | Grundlagen von GIS 6 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich Lernziele von Woche 2 " Sie kennen einige Lehrbücher als mögl. Einstiegsliteratur. " Sie können eine konzise Definition des Begriffs “GIS” geben und kennen mindestens ein überzeugendes Woche 1 Anwendungsbeispiel, das diese Definition illustriert. " Sie können die wesentlichen Komponenten eines GIS identifizieren und ihren Beitrag zum Funktionieren des Gesamtsystems erläutern. " Sie können die Beziehungen zwischen GIS und GIScience mit anderen Wissenschaften reflektieren. " Sie wissen, dass “GIS” auch für “Geographic Information Science” stehen kann und können die Ziele und Inhalte dieses Forschungsgebiets umschreiben. " Sie kennen die wesentlichen Phasen der geschichtlichen Entwicklung von GIS mit ihren charakteristischen Merkmalen. V2 | Grundlagen von GIS 7 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich 3. Umfeld: Einfluss von GIS und auf GIS " Sie können die Beziehungen zwischen GIS und GIScience mit anderen Wissenschaften reflektieren. Zwei Aspekte stehen im Zentrum: • Interdisziplinarität: GIS als Integrator • GIS-Technologie als Markt V2 | Grundlagen von GIS 8 GIS ist interdisziplinär Der GIS-Baum (Jones 1997: 5) • Die Wurzeln repräsentieren die technischen Fundamente von GIS. • Die Äste repräsentieren Anwendungen von GIS, deren Anforderungen und Resultate auf die Wurzeln rückwirken (Feedback). • Der Baum wird beregnet durch die Datenquellen, welche für das Gedeihen des GIS-Baums so unabdingbar sind wie Niederschlag für einen realen Baum. GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich V2 | Grundlagen von GIS 9 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich GIS: Ein Milliardenmarkt Jack Dangermond: • Gründer und Besitzer der Firma Esri, mit seiner Frau Laura • Aufbau seit 1969 • Seit ca. Ende 1990er Weltmarktführer • Software (ArcGIS etc.) und Services im GIS-Bereich http://www.forbes.com/profile/jack-dangermond/ V2 | Grundlagen von GIS 10 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich GIS als Markt: Software, Geodaten, Services Hier nur kurz. Mehr dazu in Vorlesung “GIS in der Schweiz”. GIS-Software: – Desktop GIS (z.B. GeoMedia, ArcGIS, QGIS in den Übungen) – Server-side GIS (z.B. Geoserver, GIS Cloud, AURIN.org) – Mobile GIS (Apps, z.B. ArcPAD, geopaparazzi, GIS Cloud) Geodaten: – Amtliche Anbieter: z.B. Swisstopo, Kantone, UNO/GRID – Kommerzielle Anbieter: Navi-Daten (HERE (ex-NAVTEQ), TomTom), Satellitendaten, Points-of-interest Services / Dienstleistungen: – Datenveredelung, Datenanalyse (z.B. Geomarketing), Consulting und Auftragsstudien usw. V2 | Grundlagen von GIS 11 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich Es geht auch gratis: Open Source GIS Einstiegsseiten: • www.osgeo.org • www.opensourcegis.org Beispiele für Software: • Desktop: GRASS GIS, QGIS (Qantum GIS), etc. • Web Mapping: MapServer, GeoServer, OpenLayers, TileMill, etc. • Programming libraries: GeoTools, JTS/GEOS, Proj, OGR, GDAL, Shapely, Fiona, etc. Spezfische Programmierumgebungen pro Sprache: Java, C++, Python, JS,… Wir werden uns im Masterstudium ausführlich mit Open Source und VGI beschäftigen (und nutzen mittlerweile QGIS in GEO 113) V2 | Grundlagen von GIS 12 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich Es geht auch gratis: Open Geo Data Benutzergenerierte Daten: Volunteered Geographic Information (VGI): • OpenStreetMap (OSM) als Alternative zu TomTom und HERE (www.osm.org, http://wiki.osm.org) – Schwerpunkt: Humanitarian OpenStreetMap Team (HOT) – OSM Reaktion auf Erdbeben Haiti 2010: hier und hier • OSM Web service als Alternative zu Google Maps, Bing Maps etc. • Geonames.org – Open-content Gazetteer für geographische Namen • Social Media und andere Websites bieten ebenfalls georeferenzierbare, benutzergenerierte Inhalte: georeferenzierte Fotos auf Flickr; georeferenzierbareTwitter Tweets; Wikipedia Articles usw. • Georeferenzierung läuft entweder direkt über Koordinaten (z.B. Fotos mit GPSKoordinaten) oder über Strassenadressen (z.B. für Bars, Restos) oder über geographische Namen und Verbindung mit Gazetteer (z.B. Ortsnamen) • Open Data Initiativen existieren auch in der öffentlichen Verwaltung: • z.B. Open Data Zürich: www.stadt-zuerich.ch/opendata • Einige der Datensätze unserer Übungen stammen von dort. V2 | Grundlagen von GIS 13 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich 4. GIS = GIScience " Sie wissen, dass “GIS” auch für “Geographic Information Science” stehen kann und können die Ziele und Inhalte dieses Forschungsgebiets umschreiben. Motto: From GI Technology to GI Systems to GI Science to GI Society V2 | Grundlagen von GIS GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich GIS-Methoden können komplex sein … • GIS Operationen bauen auf anspruchsvolle Theorien (z.B. hier: Geostatistik) • Benötigen spezialisierte Ausbildung (GEO 113, 123, 243, 246, 372 usw.) • Benötigen (Selbst-)Reflexion für sinnvollen Einsatz (wie alle Technologien). … aber dies alleine ist noch keine Wissenschaft. 14 V2 | Grundlagen von GIS 15 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich Technik & erkenntnis-orientierte Wissenschaft Oft ist wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn nur durch entsprechende technische Fortschritte möglich. Teleskop — Galileos Weltbild Harrisons Schiffschronometer —LängengradBestimmung (und Entdeckung der Weltmeere und neuer Kontinente) Analog soll dies GIS-Technologie über die GIScience auch für die Geographie und andere Raumwissenschaften schaffen. Large Hadron Collider — Teilchenphysik (Higgs Boson) V2 | Grundlagen von GIS 16 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich GIS = GIScience: Theoriebildung • Die Entwicklung der GIS-Technologie und der Einsatz von GIS hatten in den letzten Jahrzehnten wesentliche Einflüsse auf die Geographie (und andere Raumwissenschaften): – Ermöglichung einer Neuorientierung der Geographie weg von einer rein deskriptiven Wissenschaft (quantitative Analyse und Modellierung, Geocomputation) – grosse Fortschritte der Forschung z.B. in physischer Geographie dank GIS-Einsatz – Verbesserung des Profils der Geographie (z.B. stark verbesserte Berufschancen) • Vor allem aber auch: Verwendung von quantitativ-rechnerischen Verfahren schafft Zwang zur genaueren Operationalisierung und stringenter Theoriebildung V2 | Grundlagen von GIS 17 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich GIS = GIScience: Kritik an GIS • In den 1980er-Jahren setzte sich die GIS-Technologie grossflächig durch — die Sichtweise der GIS-Exponenten blieb aber mehrheitlich rein technologie-orientiert. • Vor allen aus der Sozialgeographie kam denn auch Kritik an dieser reduktionistischen Sichtweise: – “easily justified but non-intellectual exercise” – T. Jordan (1988) – „… the very worst sort of positivism, a most naïve empiricism.” – Peter Taylor (1990: 212) • Und die Replik eines GIS-Exponenten auf die Kritik der Sozialgeographen “… mix of genuine ignorance and wilfully misinformed prejudice …” — Openshaw (1991) • Anfang der 1990er Jahre tobte eine spannende und lebhafte Debatte über den Sinn von GIS ! die Kritik führte letztlich dazu, GIS auf ein mehr wissenschaftliches Fundament zu stellen. • Zusammenfassung dieser Debatte in Pickles (1995) V2 | Grundlagen von GIS 18 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich GIScience: Definition Die pragmatische Definition • “The science behind GIS” — Heywood et al. (2011) Die umfassende Definition • “Forschungsgebiet, das zum Ziel hat, geographische Konzepte und ihre Verwendung im Kontext von Geographischen Informationssystemen (GIS) zu (re-)definieren und entsprechende Arbeitsmethoden zu entwickeln. Die GIScience untersucht auch die Auswirkungen von GIS-Technologie auf Individuen und die Gesellschaft, sowie die Wirkungen der Gesellschaft auf die Entwicklung der GIS-Technologie.” — übersetzt aus Mark (2003) Siehe auch die neuere Reflexion über den Stand der Forschung in der GIScience von Goodchild (2011). V2 | Grundlagen von GIS 19 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich GIS = GIScience: Gesellschaftliches Umfeld • Der Umgang mit GIS geht über die reine Technologie und die Methodik zur Beherrschung dieser Technologie hinaus. • GIS tangieren eine Reihe von wichtigen gesellschaftlichen Fragen. Dies sind häufige Forschungsgegenstände der (Geographic) Information Science: – Zugang zu und Verwendung von Information (z.B. „Digital Divide“) – Schutz der Privatspäre (z.B. Location Privacy in Smartphone Apps) – Big Data und Rechte an eigenen Daten • http://hd.media.mit.edu/wef_globalit.pdf, http://openpds.media.mit.edu/ – Transfer von Technologie zu Wissen (z.B. geospatial knowledge economies) – Einbettung in den institutionellen und politischen Kontext usw. (z.B. Nutzung von GIS in Organisationen, im Globalen Süden) V2 | Grundlagen von GIS GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich GIS = GIScience: Gesellschaftliches Umfeld Localness = Wie viel Information in Wikipedia über einen Ort (ein Land) stammt aus diesem Ort (oder Land)? Sen et al. (2015) http://cii.oii.ox.ac.uk/2015/01/15/informational-magnetism-onwikipedia-geographic-networks-of-edits/ 20 V2 | Grundlagen von GIS 21 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich Forschungsfragen der GIScience Als Beispiel — Themenkatalog des US University Consortium for GIScience (www.ucgis.org): • Erfassung und Integration von Geodaten • Raumkognition und Raumerfahrung • Massstabsfragen • Erweiterungen von geograph. Repräsentationen (3D, 4D …) • Raumanalyse & Raum-zeitliche Modellierung und Analyse • Methoden zur Handhabung von Unsicherheiten/Fehlern in geographischen Daten und in GIS-basierten Analysen • Zukünftige Geodaten-Infrastrukturen Kein Lernstoff. • Verteilte Systeme und Mobile Computing Die Module der kommenden • GIS und Gesellschaft Semester werden auf verschiedene dieser Fragen • Geovisualisierung eingehen. • Ontologische Grundlagen der GIScience • Geospatial Data Mining and Knowledge Discovery (Big Data) V2 | Grundlagen von GIS 22 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich 5. Geschichte: Wie hat sich GIS entwickelt? " Sie kennen die wesentlichen Phasen der geschichtliche Entwicklung von GIS mit ihren charakteristischen Merkmalen. Motto: Ein kurzer Blick auf die lange Geschichte von GIS V2 | Grundlagen von GIS 23 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich Geschichte von GIS und GIScience Hier wird nur eine verkürzte Sicht dieser Geschichte wiedergegeben. Folgende Quellen bieten mehr Information, wenn auch meist aus der angelsächsischen Sichtweise: • Longley et al. (2015, Kapitel 1) ! kurz • Foresman (1998) ! ein ganzes Buch zum Thema • GIS timelines mit graphischer Darstellung auf Web: http://www.casa.ucl.ac.uk/gistimeline/ V2 | Grundlagen von GIS 24 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich Phasen der Entwicklung • Bartelme (2005): 5 Phasen – – – – – 1960 - 1975: Zeit der PionierInnen 1970 - 1985: Zeit der Behörden 1982 - 1990: Zeit der Firmen 1988 - 1999: Zeit der NutzerInnen ab ca. 1999: Zeit des offenen Marktes der Geoinformation • Longley et al. (2015): 3 Phasen – 1960er und 1970er Jahre: The Era of Innovation – 1980er und 1990er Jahre: The Era of Commercialization – ab 2000: The Era of Openness and Pervasive Use Wir verwenden die Einteilung nach Longley et al. (2015). V2 | Grundlagen von GIS 25 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich 1960er und 1970er: Ära der Innovation • Allererste Anfänge schon in den 1950ern: “Digital Terrain Model” am MIT (Miller & Laflamme); Doktorarbeit von Waldo Tobler 1959 an Uni Washington (MIMO – Map In, Map Out) • Wenige Rechner vorhanden; teure und riesige Infrastruktur; sehr beschränkte Ausgabe-/Graphikgeräte • Pionierleistungen an Universitäten und grossen Behörden • Beschränkte Technologie ! hohe Kreativität der Lösungen • Grosse raumgreifende Verwaltungsaufgaben führen zu ersten grossen GIS-Projekten – Canada GIS (erste Erwähnung des Begriffs “GIS”!): Verwaltung von natürlichen Ressourcen (Wälder, Geologie usw.) im Canada Land Inventory – Kartierung aller Strassen und Zählkreise in den USA durch das US Bureau of the Census, zur Unterstützung der Volkszählung von 1970 • Erste grosse Uni-Labs für GIS und Raumanalyse: – Harvard Lab for Computer Graphics & Spatial Analysis: SYMAP, ODYSSEY – Experimental Cartography Unit (Oxford) V2 | Grundlagen von GIS 26 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich 1960er und 1970er: Ära der Innovation Aus: Longley et al. (2015: 20) V2 | Grundlagen von GIS 27 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich 1960er und 1970er: Ära der Innovation Wie macht man Karten ohne Graphikplotter? Man verwendet einen Zeildrucker und erzeugt Graustufen durch Überdruck mehrerer Zeichen. IBM 360 Grossrechner (1964) Programm SYMAP (1965) ! vom Harvard Lab for Computer Graphics and Spatial Analysis V2 | Grundlagen von GIS 28 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich 1960er und 1970er: Ära der Innovation Polygon Overlay: Heute eine wichtige GIS-Operation, aber erfunden ohne Computer (durch McHarg, 1969). Overlay mittels durchsichtiger Folien. Scenic Value (Land) Ecological Associations Value Conservation Areas Aus: McHarg (1969: 110-111) V2 | Grundlagen von GIS 29 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich 1960er und 1970er: Ära der Innovation Gab es in den frühen 1960er Jahren praktisch nur Zeilendrucker als Output-Geräte, kommen in den späten 1960ern und frühen 1970ern Outputgeräte auf, welche auch Vektorgrafik produzieren können. Output von Programmen des Harvard Lab for Computer Graphics and Spatial Analyis http://lcgsa.mannlib.cornell.edu/ Programm ASPEX (frühe 1970er) Microsoft 1978 IBM 370 Grossrechner (ab 1970) Tektronix 4014 “Storage Tube Display” (ab 1972, bis Mitte 1980er verwendet) Programm POLYPS (1970er) V2 | Grundlagen von GIS 30 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich 1980er und 1990er: Ära der Kommerzialisierung • In den 1980er Jahren übernehmen Firmen den wesentlichen Schub der Entwicklung ! Intergraph, ESRI, Siemens (SICAD), Wild/Leica (System 9), Kern (Infocam) usw. • Es entsteht ein wachsender Markt, der mit spezieller GIS-Software und spezieller Graphik-Hardware bedient wird. • Ab 1981 wird mit dem IBM PC das Zeitalter des PCs eingeläutet. Damit gibt es gegen Ende der 1980er Jahre GIS auch relativ kostengünstig ! MapInfo • Ab Mitte der 1980er Jahre Take-off der GIS-Verbreitung in Behörden und grossen Infrastrukturfirmen. • Ab ca. 1990: Die grössere Verbreitung von GIS ändert die TechnologieEntwicklung von einer herstellergetriebenen zu einer nutzerbestimmten Entwicklung ! nutzerspezifische Lösungen, graphische Schnittstellen, spezielle Applikationen werden immer wichtiger. • 1991: Start des World Wide Web ! Vernetzte Rechner erlauben die Nutzung von Daten, Systemen und Funktionen in zunehmend breiterem Rahmen. • Dazu braucht es Standardisierung: Gründung des OpenGIS Consortium 1994 V2 | Grundlagen von GIS 31 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich 1980er und 1990er: Ära der Kommerzialisierung Aus: Longley et al. (2015: 20) V2 | Grundlagen von GIS 32 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich 1980er und 1990er: Ära der Kommerzialisierung Technologie der 1980er Jahre IBM PC, spezialgefertigte Graphik-Workstation und Penplotter. Pen Plotter (Stiftplotter) Ende 1980er IBM PC (ab 1981) Intergraph Workstation (Mitte 1980er) Pen Plotter Output V2 | Grundlagen von GIS 33 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich 1980er und 1990er: Ära der Kommerzialisierung Technologie der 1990er Jahre Graphik-Workstations, High-end PCs und die ersten Laptops. Intergraph Interview Workstation mit 28” Bildschirm (1995) Sun Microsystems SPARCstation 1+ (1989) Apple PowerBook G3 (1997) Toshiba Satellite 100CS (1996) V2 | Grundlagen von GIS 34 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich ab 2000: Ära der Offenheit und Allgegenwärtigkeit • Computer-Hardware wird laufend kleiner und mobiler; Graphik-Screens und interaktive Schnittstellen (Touchscreen) sind überall drin; schnellere Netze, zunehmend auf drahtloser Technologie • Desktop GIS werden zunehmend zu mobilen GIS und zu serverbasierten Systemen ! Geoservices, Web Services liefern Dienste für eine in immer stärkerem Masse informationsorientierte Gesellschaft • Typische Beispiele: Google Maps / Earth (beide 2005) ! revolutionieren GIS-Markt in zweierlei Hinsicht: 1) grössere Breitenwirkung als konventionelle GIS-Produkte; 2) Nicht-Geo-Firmen dringen in GeoDomänen ein ! Verlust des “Werkzeug-Monopols” der GIS-Industrie • Neue Produkte möglich: sog. Mashups (= ad hoc Services) auf Basis von Map Services wie Google Maps, Bing Maps, OSM usw. • Neue Geschäftsmodelle, die gratis für den Endnutzer sind: werbefinanziert (Google, Bing/MS usw.) bzw. Open Source, Open Data • Social Media werden geo-fähig über Georeferenzierung von Inhalten. • Nicht-Experten (Nicht-Geographen) bestimmen vermehrt Entwicklung. V2 | Grundlagen von GIS 35 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich ab 2000: Ära der Offenheit und Allgegenwärtigkeit Aus: Longley et al. (2015: 20-21) V2 | Grundlagen von GIS 36 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich ab 2000: Ära der Offenheit und Allgegenwärtigkeit Aus: Longley et al. (2015: 21) V2 | Grundlagen von GIS 37 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich ab 2000: Ära der Offenheit und Allgegenwärtigkeit Technologie ab 2000 Immer kleiner, immer mobiler, immer allgegenwärtiger. “Personal Digital Assistant” (PDA) ! Compaq/HP iPAQ (ab 2000) Apple iPhone (2007) Apple iBook G3 (1999) V2 | Grundlagen von GIS 38 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich Einige Meilensteine der GIS-Geschichte (1) Eigene Liste, zusammengestellt aus verschiedenen Quellen (und mit weniger angelsächsischem Fokus). 1959 Quantitative Geographie in Seattle (U. Washington, USA): Sherman, Berry, Marble, Tobler etc. ! Startpunkt der sog. Quantitativen Revolution in der Gg 1963 Start des Canada GIS (erste Verwendung des Begriffs GIS) 1964 Gründung Harvard Lab. for Computer Graphics and Spatial Analysis (versch. SW: Symap, Grid, Cenvue, Calform etc.) 1964 Bickmore/Boyle (Oxford): Experimental Cartography Unit 1967 Central Intelligence Agency: Automap, CAM (Kartenprojektionsprogramm) 1967 US Census Bureau: erster geocodierter Zensus (DIME) 1968 Gründung Commission on Geographic Data Sensing and Processing (IGU); Deutschland: Inst. f. Angewandte Geodäsie (IfAG), U. Hannover 1970 CIA: World Data Bank I – erste weltweite Vektor-DB mit Ländergrenzen 1972 Geographic Data Handling: Konferenz und Textband; Landsat I als erster Erderkundungssatellit 1973 Nottingham: Konferenz „Display and Analysis of Spatial Data“ 1974 erste AUTO-CARTO Konferenz (älteste Konferenzreihe zum Thema GIS) V2 | Grundlagen von GIS 39 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich Einige Meilensteine der GIS-Geschichte (2) 1975 Kartographisches Institut ETH Zürich: Interaktives kartographisches System installiert (dabei handelt es sich um ein abgewandeltes CAD-System) 1975/76 Erste Systeme für Vermessung auf CAD-Basis in Kt. AG, BS, GE 1977/78 USGS/Harvard: Symposium über Topologische Datenstrukturen. USGS: Gründung des National Mapping Program 1975-80 Erste kommerzielle Systeme: PIOS, MOSS, Scitex, Intergraph 1980+ Breites Interesse für GIS wächst; ab 1982 Bemühungen um kartographische Datenaustauschstandards in den USA, Kanada und UK; ab ca. 1985-88 zuerst in den USA/CDN, danach in Europa Take-off mit breitem Benutzerzuwachs 1981 Am GIUZ: Erster Lehrstuhl für GIS in Europa (Prof. Kurt Brassel) 1981 Erster Release von ARC/INFO als erstes kommerzielles System mit topologischem Datenmodell und robustem Polygon-Overlay 1984 erstes Internationales Symposium ‘Spatial Data Handling’ an der Uni Zürich 1984 Installation der GIS-SW ARC/INFO am GIUZ (erste Installation in Europa) 1985 Gründung der Fachgruppe Geoprocessing der Swiss Comp. Graphics Assoc. 1986 Burrough: erstes Lehrbuch über GIS 1987 Gründung International Journal of GIS; UK: Kommission des Oberhauses empfiehlt Förderung von GIS und FE 1988+ US: Gründung National Center for Geographic Information and Analysis (NCGIA); Zeitschrift Geo-Informationssysteme (BRD, heute GeoBIT) V2 | Grundlagen von GIS 40 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich Einige Meilensteine der GIS-Geschichte (3) 1990 1990 Erste EGIS-Konferenz (European Conference on GIS) Gründung der Arbeitsgruppe SIK-GIS der Schweiz. Informatikkonferenz der Verwaltungen von Bund, Kt. & Gem. 1990+ Kantonale, umfassende GIS werden operationell (1990: AGIS; 1992: GIS-ZH, …) 1993 Gründung der Europ. Dachorganisation für Geo-Information (EUROGI) 1993-96 GISDATA: Programm der European Science Foundation zur Förderung der GISForschung 1994 Gründung der Schweizerischen (Dach-)Organisation für Geo-Information (SOGI) 1994 Gründung des OpenGIS Consortium (www.opengis.org) als Verbund der massgeblichen Firmen, Behörden, Organisationen und Universitätsinstitute mit dem Ziel der Entwicklung von Interface-Standards für offene und verteilte GIS. 1994 Gründung UCGIS (University Consortium for GIScience), Verbund von nordamerikanischen Forschungsgruppen in GIScience (http://www.ucgis.org) 1996 Erste Durchführung der GIS/SIT in Morges VD als gesamtschweizerische GISKonferenz (durch SOGI) (jeweils in geraden Jahren durchgeführt) 1997 Erste Version des schweiz. GIS-Dateninventars der SIK-GIS (heute in Geocat-Katalog aufgegangen – http://www.geocat.ch) 1998 Gründung AGILE (Association of GI Laboratories in Europe), Verbund von europ. Forschungsgruppen in GIScience (http://www.agile-online.org) 2000 Gründung der Koordinationsstelle GIS (KOGIS, http://www.kogis.ch) des Bundes 2000 Erste Durchführung der intl. Konferenz „GIScience“ (http://www.giscience.org) ab 2005 Google Maps, Google Earth, KML usw. revolutionieren den Markt V2 | Grundlagen von GIS 41 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich Zusammenfassung • GIS sind nützlich für verschiedenste Raumwissenschaften. • GIS ist mehr als Hardware & Software, mehr als Technologie. • Es gehören dazu auch Daten, Knowhow/Methoden und eine Organisation. • Die weitere Entwicklung von GIS-Methoden sowie die Erforschung gesellschaftlicher Auswirkungen der GIS-Technologie werden durch die GIScience vorangetrieben. • Die Forschung in GIScience hat ihre eigenen Organisationen und Konferenzreihen und ist heute einer der wichtigen Zweige der Geographie und anderer Raumwissenschaften. • GIS und GIScience haben eine Geschichte, die bis fast in die Anfänge der Computerzeit zurückgeht, bis in die 1950er-Jahre. • Diese Geschichte kann grob durch 3 Phasen charakterisiert werden. V2 | Grundlagen von GIS 42 GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016 R. Weibel, Uni Zürich Literatur — zitiert • Bartelme, Norbert (2005): Geoinformatik – Modelle, Strukturen, Funktionen. Vierte Auflage. SpringerVerlag, Berlin Heidelberg. • Foresman, Timothy W. (1998, ed.): History of Geographic Information Systems: Perspectives from the Pioneers. Prentice Hall PTR, 397 pgs. ISBN 0-13-862145-4 • Goodchild, M.F. (2011): Challenges in geographical information science. Proc. Royal Soc. A, 467(2133): 2431-2443. • Heywood, I., Cornelius, S. & Carver, S. (2011): An Introduction to Geographical Information Systems. 4th Edition. Pearson. • Jones, C.B. (1997): Geographical Information Systems and Computer Cartography. Longman. • Jordan, T. (1988): President's Column. Newsletter of the Assoc. of American Geographers, 23(5): 2. • Longley, P.A., Goodchild, M.F., Maguire, D.J. & Rhind, D.W. (2015): Geographic Information Science and Systems. 4th Edition. John Wiley. • Mark, D. M. (2003): Geographic information science: Defining the field. In: Foundations of Geographic Information Science. Boca Raton, FL: CRC Press. • McHarg, I. (1969): Design with Nature. Doubleday. • Openshaw, S. (1991): A view on the GIS crisis in geography, or, using GIS to put Humpty-Dumpty back together again. Environment and Planning A, 23: 621-628. • Pickles, J., editor, 1995. Ground Truth: The Social Implications of Geographic Information Systems. New York: Guilford. • Sen, S. W., Ford, H., Musicant, D. R., Graham, M., Keyes, O. S. B., Hecht, B. (2015). Barriers to the Localness of Volunteered Geographic Information. CHI 2015 • Taylor, P. J. 1991. A Distorted World of Knowledge. J. of Geography in Higher Education, 15: 85-90. • Turner (2006): Introduction to Neogeography. O’Reilly (e-book).