Grundlagen von GIS, Teil 2

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Grundlagen von GIS, Teil 2
GEO 243.1 | FS 2016
Einführung in die Raumanalyse mit GIS | Vorlesung 2
Grundlagen von GIS, Teil 2
Robert Weibel
Geographisches Institut
[email protected]
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R. Weibel, Uni Zürich
Zusammenfassung von Woche 1
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Der geographische Raum formt und beeinflusst unseren Alltag.
GIS-Funktionalität kann viele menschliche Aktivitäten unterstützen.
GIS-Funktionalität steht (versteckt) hinter vielen End-user Services.
GIS verwendet oft das thematische Ebenenprinzip zur Modellierung der
räumlichen Realität.
GIS-Daten können als Vector und Raster repräsentiert werden.
GIS verbindet Geometrie und Attribute von modellierten Phänomenen.
GIS unterstützt verschiedenste Typen von Abfragen und Analysen.
GIS kann viele verschiedene Anwendungen sowohl in der natürlichen
als auch in der anthropogenen Umwelt unterstützen.
GIS ist mehr als Hardware & Software, mehr als Technologie —
sondern auch (Geo-)Daten, Knowhow/Methoden und eine Organisation.
•  Mehr zu Datenmodellierung (Geometrie und Attribute, Vektor und
Raster, Entitäten und Felder usw.) in Woche 3!
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Fragen von Woche 1
•  Ist Google Earth ein GIS nach dem Wortlaut der
Definitionen, die wir heute kennen gelernt haben?
•  Welche Systeme oder Applikationen (z.B. Web-Dienste)
kennen Sie schon, die man als “GIS” bezeichnen könnte
oder die wenigstens Teile eines GIS realisieren?
Begründung Ihrer Wahl?
•  movo.ch ! Token: QE HO TY MI
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Ebenfalls von Woche 1 …
•  Die Anwendungen von GIS-Technologie, die Sie bis anhin
kennen, befinden sich — vermutlich — eher im so
genannten “long tail”. Wie Search.ch, Google Maps usw.
Komplexität &
Funktionsumfang
der Software
GIS für SpezialistInnen;
Fokus auf komplexere Analysen
“head”
GEO 243
GIS für die “Breite Masse”; Web/mobile Apps;
Fokus auf Visualisierung & einfache Abfragen
“long tail”
Anzahl NutzerInnen
•  In diesem Modul wollen wir mehr in Richtung Analysefähigkeiten von GIS gehen (“Raumanalyse mit GIS”)
•  Damit werden die Methoden und Werkzeuge komplexer.
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Inhalt
1. Was ist GIS ? — Eine lockere Einführung
Teil 1:
letzte Woche
2. “GIS”: Definitionen, Komponenten
3. Umfeld: Einflüsse von GIS und auf GIS
4. GIS = GIScience
5. Geschichte: Wie hat sich GIS und GIScience entwickelt?
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Lernziele von Woche 2
"  Sie kennen einige Lehrbücher als mögl. Einstiegsliteratur.
"  Sie können eine konzise Definition des Begriffs “GIS” geben
und kennen mindestens ein überzeugendes
Woche 1
Anwendungsbeispiel, das diese Definition illustriert.
"  Sie können die wesentlichen Komponenten eines GIS
identifizieren und ihren Beitrag zum Funktionieren des
Gesamtsystems erläutern.
"  Sie können die Beziehungen zwischen GIS und GIScience mit
anderen Wissenschaften reflektieren.
"  Sie wissen, dass “GIS” auch für “Geographic Information
Science” stehen kann und können die Ziele und Inhalte dieses
Forschungsgebiets umschreiben.
"  Sie kennen die wesentlichen Phasen der geschichtlichen
Entwicklung von GIS mit ihren charakteristischen Merkmalen.
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3. Umfeld: Einfluss von GIS und auf GIS
"  Sie können die Beziehungen zwischen GIS und GIScience
mit anderen Wissenschaften reflektieren.
Zwei Aspekte stehen im Zentrum:
•  Interdisziplinarität: GIS als Integrator
•  GIS-Technologie als Markt
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GIS ist interdisziplinär
Der GIS-Baum (Jones 1997: 5)
•  Die Wurzeln repräsentieren die
technischen Fundamente von GIS.
•  Die Äste repräsentieren
Anwendungen von GIS, deren
Anforderungen und Resultate auf die
Wurzeln rückwirken (Feedback).
•  Der Baum wird beregnet durch die
Datenquellen, welche für das
Gedeihen des GIS-Baums so
unabdingbar sind wie Niederschlag
für einen realen Baum.
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GIS: Ein Milliardenmarkt
Jack Dangermond:
•  Gründer und Besitzer
der Firma Esri, mit
seiner Frau Laura
•  Aufbau seit 1969
•  Seit ca. Ende 1990er
Weltmarktführer
•  Software (ArcGIS
etc.) und Services im
GIS-Bereich
http://www.forbes.com/profile/jack-dangermond/
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GIS als Markt: Software, Geodaten, Services
Hier nur kurz. Mehr dazu in Vorlesung “GIS in der Schweiz”.
GIS-Software:
–  Desktop GIS (z.B. GeoMedia, ArcGIS, QGIS in den Übungen)
–  Server-side GIS (z.B. Geoserver, GIS Cloud, AURIN.org)
–  Mobile GIS (Apps, z.B. ArcPAD, geopaparazzi, GIS Cloud)
Geodaten:
–  Amtliche Anbieter: z.B. Swisstopo, Kantone, UNO/GRID
–  Kommerzielle Anbieter: Navi-Daten (HERE (ex-NAVTEQ),
TomTom), Satellitendaten, Points-of-interest
Services / Dienstleistungen:
–  Datenveredelung, Datenanalyse (z.B. Geomarketing), Consulting
und Auftragsstudien usw.
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Es geht auch gratis: Open Source GIS
Einstiegsseiten:
•  www.osgeo.org
•  www.opensourcegis.org
Beispiele für Software:
•  Desktop: GRASS GIS, QGIS (Qantum GIS), etc.
•  Web Mapping: MapServer, GeoServer, OpenLayers, TileMill, etc.
•  Programming libraries: GeoTools, JTS/GEOS, Proj, OGR, GDAL,
Shapely, Fiona, etc.
Spezfische Programmierumgebungen
pro Sprache: Java, C++, Python, JS,…
Wir werden uns im Masterstudium ausführlich mit Open Source und
VGI beschäftigen (und nutzen mittlerweile QGIS in GEO 113)
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Es geht auch gratis: Open Geo Data
Benutzergenerierte Daten: Volunteered Geographic Information (VGI):
•  OpenStreetMap (OSM) als Alternative zu TomTom und HERE
(www.osm.org, http://wiki.osm.org)
–  Schwerpunkt: Humanitarian OpenStreetMap Team (HOT)
–  OSM Reaktion auf Erdbeben Haiti 2010: hier und hier
•  OSM Web service als Alternative zu Google Maps, Bing Maps etc.
•  Geonames.org – Open-content Gazetteer für geographische Namen
•  Social Media und andere Websites bieten ebenfalls georeferenzierbare,
benutzergenerierte Inhalte: georeferenzierte Fotos auf Flickr;
georeferenzierbareTwitter Tweets; Wikipedia Articles usw.
•  Georeferenzierung läuft entweder direkt über Koordinaten (z.B. Fotos mit GPSKoordinaten) oder über Strassenadressen (z.B. für Bars, Restos) oder über
geographische Namen und Verbindung mit Gazetteer (z.B. Ortsnamen)
•  Open Data Initiativen existieren auch in der öffentlichen Verwaltung:
•  z.B. Open Data Zürich: www.stadt-zuerich.ch/opendata
•  Einige der Datensätze unserer Übungen stammen von dort.
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4. GIS = GIScience
"  Sie wissen, dass “GIS” auch für “Geographic Information
Science” stehen kann und können die Ziele und Inhalte
dieses Forschungsgebiets umschreiben.
Motto:
From GI Technology to GI Systems to GI Science to GI Society
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GIS-Methoden können komplex sein …
•  GIS Operationen bauen auf anspruchsvolle Theorien (z.B. hier: Geostatistik)
•  Benötigen spezialisierte Ausbildung (GEO 113, 123, 243, 246, 372 usw.)
•  Benötigen (Selbst-)Reflexion für sinnvollen Einsatz (wie alle Technologien).
… aber dies alleine
ist noch keine
Wissenschaft.
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Technik & erkenntnis-orientierte Wissenschaft
Oft ist wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn nur durch
entsprechende technische Fortschritte möglich.
Teleskop — Galileos Weltbild
Harrisons Schiffschronometer —LängengradBestimmung (und Entdeckung der Weltmeere
und neuer Kontinente)
Analog soll dies GIS-Technologie
über die GIScience auch für die
Geographie und andere
Raumwissenschaften schaffen.
Large Hadron Collider — Teilchenphysik (Higgs Boson)
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GIS = GIScience: Theoriebildung
•  Die Entwicklung der GIS-Technologie und der Einsatz von GIS
hatten in den letzten Jahrzehnten wesentliche Einflüsse auf die
Geographie (und andere Raumwissenschaften):
–  Ermöglichung einer Neuorientierung der Geographie weg
von einer rein deskriptiven Wissenschaft (quantitative Analyse
und Modellierung, Geocomputation)
–  grosse Fortschritte der Forschung z.B. in physischer
Geographie dank GIS-Einsatz
–  Verbesserung des Profils der Geographie (z.B. stark
verbesserte Berufschancen)
•  Vor allem aber auch: Verwendung von quantitativ-rechnerischen
Verfahren schafft Zwang zur genaueren Operationalisierung
und stringenter Theoriebildung
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GIS = GIScience: Kritik an GIS
•  In den 1980er-Jahren setzte sich die GIS-Technologie
grossflächig durch — die Sichtweise der GIS-Exponenten blieb
aber mehrheitlich rein technologie-orientiert.
•  Vor allen aus der Sozialgeographie kam denn auch Kritik an
dieser reduktionistischen Sichtweise:
–  “easily justified but non-intellectual exercise” – T. Jordan (1988)
–  „… the very worst sort of positivism, a most naïve empiricism.” – Peter
Taylor (1990: 212)
•  Und die Replik eines GIS-Exponenten auf die Kritik der
Sozialgeographen “… mix of genuine ignorance and wilfully
misinformed prejudice …” — Openshaw (1991)
•  Anfang der 1990er Jahre tobte eine spannende und lebhafte
Debatte über den Sinn von GIS ! die Kritik führte letztlich dazu,
GIS auf ein mehr wissenschaftliches Fundament zu stellen.
•  Zusammenfassung dieser Debatte in Pickles (1995)
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GIScience: Definition
Die pragmatische Definition
•  “The science behind GIS” — Heywood et al. (2011)
Die umfassende Definition
•  “Forschungsgebiet, das zum Ziel hat, geographische Konzepte
und ihre Verwendung im Kontext von Geographischen
Informationssystemen (GIS) zu (re-)definieren und entsprechende
Arbeitsmethoden zu entwickeln. Die GIScience untersucht auch
die Auswirkungen von GIS-Technologie auf Individuen und die
Gesellschaft, sowie die Wirkungen der Gesellschaft auf die
Entwicklung der GIS-Technologie.” — übersetzt aus Mark (2003)
Siehe auch die neuere Reflexion über den Stand der Forschung in
der GIScience von Goodchild (2011).
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GIS = GIScience: Gesellschaftliches Umfeld
•  Der Umgang mit GIS geht über die reine Technologie und die
Methodik zur Beherrschung dieser Technologie hinaus.
•  GIS tangieren eine Reihe von wichtigen gesellschaftlichen
Fragen. Dies sind häufige Forschungsgegenstände der
(Geographic) Information Science:
–  Zugang zu und Verwendung von Information (z.B. „Digital Divide“)
–  Schutz der Privatspäre (z.B. Location Privacy in Smartphone Apps)
–  Big Data und Rechte an eigenen Daten
•  http://hd.media.mit.edu/wef_globalit.pdf, http://openpds.media.mit.edu/
–  Transfer von Technologie zu Wissen (z.B. geospatial knowledge
economies)
–  Einbettung in den institutionellen und politischen Kontext usw. (z.B.
Nutzung von GIS in Organisationen, im Globalen Süden)
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GIS = GIScience: Gesellschaftliches Umfeld
Localness =
Wie viel Information in
Wikipedia über einen Ort (ein
Land) stammt aus diesem Ort
(oder Land)?
Sen et al. (2015)
http://cii.oii.ox.ac.uk/2015/01/15/informational-magnetism-onwikipedia-geographic-networks-of-edits/
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Forschungsfragen der GIScience
Als Beispiel — Themenkatalog des US University Consortium for
GIScience (www.ucgis.org):
•  Erfassung und Integration von Geodaten
•  Raumkognition und Raumerfahrung
•  Massstabsfragen
•  Erweiterungen von geograph. Repräsentationen (3D, 4D …)
•  Raumanalyse & Raum-zeitliche Modellierung und Analyse
•  Methoden zur Handhabung von Unsicherheiten/Fehlern in
geographischen Daten und in GIS-basierten Analysen
•  Zukünftige Geodaten-Infrastrukturen
Kein Lernstoff.
•  Verteilte Systeme und Mobile Computing
Die Module der kommenden
•  GIS und Gesellschaft
Semester werden auf
verschiedene dieser Fragen
•  Geovisualisierung
eingehen.
•  Ontologische Grundlagen der GIScience
•  Geospatial Data Mining and Knowledge Discovery (Big Data)
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5. Geschichte: Wie hat sich GIS entwickelt?
"  Sie kennen die wesentlichen Phasen der geschichtliche
Entwicklung von GIS mit ihren charakteristischen
Merkmalen.
Motto: Ein kurzer Blick auf die lange Geschichte von GIS
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Geschichte von GIS und GIScience
Hier wird nur eine verkürzte Sicht dieser Geschichte
wiedergegeben. Folgende Quellen bieten mehr Information,
wenn auch meist aus der angelsächsischen Sichtweise:
•  Longley et al. (2015, Kapitel 1) ! kurz
•  Foresman (1998) ! ein ganzes Buch zum Thema
•  GIS timelines mit graphischer Darstellung auf Web:
http://www.casa.ucl.ac.uk/gistimeline/
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Phasen der Entwicklung
•  Bartelme (2005): 5 Phasen
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1960 - 1975: Zeit der PionierInnen
1970 - 1985: Zeit der Behörden
1982 - 1990: Zeit der Firmen
1988 - 1999: Zeit der NutzerInnen
ab ca. 1999: Zeit des offenen Marktes der Geoinformation
•  Longley et al. (2015): 3 Phasen
–  1960er und 1970er Jahre: The Era of Innovation
–  1980er und 1990er Jahre: The Era of Commercialization
–  ab 2000: The Era of Openness and Pervasive Use
Wir verwenden die Einteilung nach Longley et al. (2015).
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1960er und 1970er: Ära der Innovation
•  Allererste Anfänge schon in den 1950ern: “Digital Terrain Model” am
MIT (Miller & Laflamme); Doktorarbeit von Waldo Tobler 1959 an Uni
Washington (MIMO – Map In, Map Out)
•  Wenige Rechner vorhanden; teure und riesige Infrastruktur; sehr
beschränkte Ausgabe-/Graphikgeräte
•  Pionierleistungen an Universitäten und grossen Behörden
•  Beschränkte Technologie ! hohe Kreativität der Lösungen
•  Grosse raumgreifende Verwaltungsaufgaben führen zu ersten
grossen GIS-Projekten
–  Canada GIS (erste Erwähnung des Begriffs “GIS”!): Verwaltung von
natürlichen Ressourcen (Wälder, Geologie usw.) im Canada Land Inventory
–  Kartierung aller Strassen und Zählkreise in den USA durch das US Bureau
of the Census, zur Unterstützung der Volkszählung von 1970
•  Erste grosse Uni-Labs für GIS und Raumanalyse:
–  Harvard Lab for Computer Graphics & Spatial Analysis: SYMAP, ODYSSEY
–  Experimental Cartography Unit (Oxford)
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1960er und 1970er: Ära der Innovation
Aus: Longley et al. (2015: 20)
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1960er und 1970er: Ära der Innovation
Wie macht man Karten ohne Graphikplotter?
Man verwendet einen Zeildrucker und erzeugt
Graustufen durch Überdruck mehrerer Zeichen.
IBM 360 Grossrechner (1964)
Programm SYMAP (1965)
! vom Harvard Lab for Computer
Graphics and Spatial Analysis
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1960er und 1970er: Ära der Innovation
Polygon Overlay: Heute eine wichtige GIS-Operation, aber erfunden ohne
Computer (durch McHarg, 1969). Overlay mittels durchsichtiger Folien.
Scenic Value (Land)
Ecological Associations Value
Conservation Areas
Aus:
McHarg (1969: 110-111)
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1960er und 1970er: Ära der Innovation
Gab es in den frühen 1960er Jahren praktisch nur Zeilendrucker als
Output-Geräte, kommen in den späten 1960ern und frühen 1970ern
Outputgeräte auf, welche auch Vektorgrafik produzieren können.
Output von Programmen
des Harvard Lab for
Computer Graphics and
Spatial Analyis
http://lcgsa.mannlib.cornell.edu/
Programm ASPEX (frühe 1970er)
Microsoft 1978
IBM 370 Grossrechner (ab 1970)
Tektronix 4014 “Storage Tube Display”
(ab 1972, bis Mitte 1980er verwendet)
Programm POLYPS
(1970er)
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1980er und 1990er: Ära der Kommerzialisierung
•  In den 1980er Jahren übernehmen Firmen den wesentlichen Schub der
Entwicklung ! Intergraph, ESRI, Siemens (SICAD), Wild/Leica (System 9),
Kern (Infocam) usw.
•  Es entsteht ein wachsender Markt, der mit spezieller GIS-Software und
spezieller Graphik-Hardware bedient wird.
•  Ab 1981 wird mit dem IBM PC das Zeitalter des PCs eingeläutet. Damit gibt
es gegen Ende der 1980er Jahre GIS auch relativ kostengünstig ! MapInfo
•  Ab Mitte der 1980er Jahre Take-off der GIS-Verbreitung in Behörden und
grossen Infrastrukturfirmen.
•  Ab ca. 1990: Die grössere Verbreitung von GIS ändert die TechnologieEntwicklung von einer herstellergetriebenen zu einer nutzerbestimmten
Entwicklung ! nutzerspezifische Lösungen, graphische Schnittstellen,
spezielle Applikationen werden immer wichtiger.
•  1991: Start des World Wide Web ! Vernetzte Rechner erlauben die Nutzung
von Daten, Systemen und Funktionen in zunehmend breiterem Rahmen.
•  Dazu braucht es Standardisierung: Gründung des OpenGIS Consortium 1994
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1980er und 1990er: Ära der Kommerzialisierung
Aus: Longley et al. (2015: 20)
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1980er und 1990er: Ära der Kommerzialisierung
Technologie der 1980er Jahre
IBM PC, spezialgefertigte Graphik-Workstation und Penplotter.
Pen Plotter
(Stiftplotter)
Ende 1980er
IBM PC (ab 1981)
Intergraph Workstation
(Mitte 1980er)
Pen Plotter
Output
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1980er und 1990er: Ära der Kommerzialisierung
Technologie der 1990er Jahre
Graphik-Workstations, High-end PCs und die ersten Laptops.
Intergraph Interview Workstation
mit 28” Bildschirm (1995)
Sun Microsystems SPARCstation 1+
(1989)
Apple PowerBook G3
(1997)
Toshiba Satellite 100CS
(1996)
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ab 2000: Ära der Offenheit und Allgegenwärtigkeit
•  Computer-Hardware wird laufend kleiner und mobiler; Graphik-Screens
und interaktive Schnittstellen (Touchscreen) sind überall drin; schnellere
Netze, zunehmend auf drahtloser Technologie
•  Desktop GIS werden zunehmend zu mobilen GIS und zu serverbasierten Systemen ! Geoservices, Web Services liefern Dienste für
eine in immer stärkerem Masse informationsorientierte Gesellschaft
•  Typische Beispiele: Google Maps / Earth (beide 2005) ! revolutionieren
GIS-Markt in zweierlei Hinsicht: 1) grössere Breitenwirkung als
konventionelle GIS-Produkte; 2) Nicht-Geo-Firmen dringen in GeoDomänen ein ! Verlust des “Werkzeug-Monopols” der GIS-Industrie
•  Neue Produkte möglich: sog. Mashups (= ad hoc Services) auf Basis
von Map Services wie Google Maps, Bing Maps, OSM usw.
•  Neue Geschäftsmodelle, die gratis für den Endnutzer sind:
werbefinanziert (Google, Bing/MS usw.) bzw. Open Source, Open Data
•  Social Media werden geo-fähig über Georeferenzierung von Inhalten.
•  Nicht-Experten (Nicht-Geographen) bestimmen vermehrt Entwicklung.
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ab 2000: Ära der Offenheit und Allgegenwärtigkeit
Aus: Longley et al. (2015: 20-21)
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ab 2000: Ära der Offenheit und Allgegenwärtigkeit
Aus: Longley et al. (2015: 21)
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ab 2000: Ära der Offenheit und Allgegenwärtigkeit
Technologie ab 2000
Immer kleiner, immer mobiler, immer allgegenwärtiger.
“Personal Digital
Assistant” (PDA)
! Compaq/HP
iPAQ
(ab 2000)
Apple iPhone (2007)
Apple iBook G3
(1999)
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Einige Meilensteine der GIS-Geschichte (1)
Eigene Liste, zusammengestellt aus verschiedenen Quellen (und mit
weniger angelsächsischem Fokus).
1959
Quantitative Geographie in Seattle (U. Washington, USA): Sherman, Berry,
Marble, Tobler etc. ! Startpunkt der sog. Quantitativen Revolution in der Gg
1963 Start des Canada GIS (erste Verwendung des Begriffs GIS)
1964 Gründung Harvard Lab. for Computer Graphics and Spatial Analysis
(versch. SW: Symap, Grid, Cenvue, Calform etc.)
1964 Bickmore/Boyle (Oxford): Experimental Cartography Unit
1967 Central Intelligence Agency: Automap, CAM (Kartenprojektionsprogramm)
1967 US Census Bureau: erster geocodierter Zensus (DIME)
1968 Gründung Commission on Geographic Data Sensing and Processing (IGU);
Deutschland: Inst. f. Angewandte Geodäsie (IfAG), U. Hannover
1970  CIA: World Data Bank I – erste weltweite Vektor-DB mit Ländergrenzen
1972 Geographic Data Handling: Konferenz und Textband; Landsat I als erster
Erderkundungssatellit
1973 Nottingham: Konferenz „Display and Analysis of Spatial Data“
1974 erste AUTO-CARTO Konferenz (älteste Konferenzreihe zum Thema GIS)
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Einige Meilensteine der GIS-Geschichte (2)
1975
Kartographisches Institut ETH Zürich: Interaktives kartographisches System
installiert (dabei handelt es sich um ein abgewandeltes CAD-System)
1975/76 Erste Systeme für Vermessung auf CAD-Basis in Kt. AG, BS, GE
1977/78 USGS/Harvard: Symposium über Topologische Datenstrukturen. USGS:
Gründung des National Mapping Program
1975-80 Erste kommerzielle Systeme: PIOS, MOSS, Scitex, Intergraph
1980+
Breites Interesse für GIS wächst; ab 1982 Bemühungen um kartographische
Datenaustauschstandards in den USA, Kanada und UK; ab ca. 1985-88 zuerst
in den USA/CDN, danach in Europa Take-off mit breitem Benutzerzuwachs
1981
Am GIUZ: Erster Lehrstuhl für GIS in Europa (Prof. Kurt Brassel)
1981
Erster Release von ARC/INFO als erstes kommerzielles System mit
topologischem Datenmodell und robustem Polygon-Overlay
1984
erstes Internationales Symposium ‘Spatial Data Handling’ an der Uni Zürich
1984
Installation der GIS-SW ARC/INFO am GIUZ (erste Installation in Europa)
1985
Gründung der Fachgruppe Geoprocessing der Swiss Comp. Graphics Assoc.
1986
Burrough: erstes Lehrbuch über GIS
1987
Gründung International Journal of GIS; UK: Kommission des Oberhauses
empfiehlt Förderung von GIS und FE
1988+
US: Gründung National Center for Geographic Information and Analysis
(NCGIA); Zeitschrift Geo-Informationssysteme (BRD, heute GeoBIT)
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Einige Meilensteine der GIS-Geschichte (3)
1990
1990
Erste EGIS-Konferenz (European Conference on GIS)
Gründung der Arbeitsgruppe SIK-GIS der Schweiz. Informatikkonferenz der
Verwaltungen von Bund, Kt. & Gem.
1990+ Kantonale, umfassende GIS werden operationell (1990: AGIS; 1992: GIS-ZH, …)
1993
Gründung der Europ. Dachorganisation für Geo-Information (EUROGI)
1993-96 GISDATA: Programm der European Science Foundation zur Förderung der GISForschung
1994
Gründung der Schweizerischen (Dach-)Organisation für Geo-Information (SOGI)
1994
Gründung des OpenGIS Consortium (www.opengis.org) als Verbund der
massgeblichen Firmen, Behörden, Organisationen und Universitätsinstitute mit dem
Ziel der Entwicklung von Interface-Standards für offene und verteilte GIS.
1994
Gründung UCGIS (University Consortium for GIScience), Verbund von
nordamerikanischen Forschungsgruppen in GIScience (http://www.ucgis.org)
1996
Erste Durchführung der GIS/SIT in Morges VD als gesamtschweizerische GISKonferenz (durch SOGI) (jeweils in geraden Jahren durchgeführt)
1997
Erste Version des schweiz. GIS-Dateninventars der SIK-GIS (heute in Geocat-Katalog
aufgegangen – http://www.geocat.ch)
1998
Gründung AGILE (Association of GI Laboratories in Europe), Verbund von europ.
Forschungsgruppen in GIScience (http://www.agile-online.org)
2000
Gründung der Koordinationsstelle GIS (KOGIS, http://www.kogis.ch) des Bundes
2000
Erste Durchführung der intl. Konferenz „GIScience“ (http://www.giscience.org)
ab 2005 Google Maps, Google Earth, KML usw. revolutionieren den Markt
V2 | Grundlagen von GIS
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GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016
R. Weibel, Uni Zürich
Zusammenfassung
•  GIS sind nützlich für verschiedenste Raumwissenschaften.
•  GIS ist mehr als Hardware & Software, mehr als Technologie.
•  Es gehören dazu auch Daten, Knowhow/Methoden und eine
Organisation.
•  Die weitere Entwicklung von GIS-Methoden sowie die Erforschung
gesellschaftlicher Auswirkungen der GIS-Technologie werden durch die
GIScience vorangetrieben.
•  Die Forschung in GIScience hat ihre eigenen Organisationen und
Konferenzreihen und ist heute einer der wichtigen Zweige der
Geographie und anderer Raumwissenschaften.
•  GIS und GIScience haben eine Geschichte, die bis fast in die Anfänge
der Computerzeit zurückgeht, bis in die 1950er-Jahre.
•  Diese Geschichte kann grob durch 3 Phasen charakterisiert werden.
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GEO 243.1 | Einführung in die Raumanalyse mit GIS | FS 2016
R. Weibel, Uni Zürich
Literatur — zitiert
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•  Heywood, I., Cornelius, S. & Carver, S. (2011): An Introduction to Geographical Information Systems. 4th
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•  Jones, C.B. (1997): Geographical Information Systems and Computer Cartography. Longman.
•  Jordan, T. (1988): President's Column. Newsletter of the Assoc. of American Geographers, 23(5): 2.
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•  Sen, S. W., Ford, H., Musicant, D. R., Graham, M., Keyes, O. S. B., Hecht, B. (2015). Barriers to the
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•  Turner (2006): Introduction to Neogeography. O’Reilly (e-book).

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