Gänsehaut

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Gänsehaut
Gänsehaut
Krimisammelband
von Schülerinnen und Schülern der HS1 Bad Aussee
Autoren und Autorinnen:
Markus Amon, Franziska Berton, Sabrina Brandl, Nadine Egger,
Anna-Maria Erhart, Jakob Frosch, Christina Grill, Benno Hacker,
Eva Haim, Sara Hillbrand, Lena Huber, Lisa Höber, Sarah Mayer,
Lena Mittermair, Christina Moser, Adrian Neuhuber, Sophie Rastl,
Jakob Schweitzer
unter der Anleitung von Krimiautorin Beate Maxian
Schuljahr 2011/2012
Inhaltsverzeichnis
Mord am Feuerkogel von Markus Amon
3
Mr. Anonym von Franziska Berton
7
Die letzte Party von Sabrina Brandl
17
Tödlicher Schlaf von Nadine Egger
23
David Jones von Anna-Maria Erhart
33
Der dumpfe Knall von Jakob Frosch
41
Dein Freund und Helfer von Christina Grill
47
Hass von Benno Hacker
57
Blaue Augen von Eva Haim
61
Das Leichenboot von Sara Hillbrand
71
Ein Tag im Himmel und wieder zurück von Lena Huber
76
Empire State von Lisa Höber
87
Der fast perfekte Mord von Sarah Mayer
97
dreizehn von Lena Mittermair
108
Geschwisterliebe von Christina Moser
116
Tödlicher Umzug von Adrian Neuhuber
122
Atemlos von Sophie Rastl
128
Der Pfeilgift Mord von Jakob Schweitzer
141
Mord am Feuerkogel
(Markus Amon)
Wieder einmal war das Gössler Almfest. Wie auch so viele andere war Susi zu diesem Anlass den
weiten Weg aus dem Tal gekommen. Es wurde gelacht und auch so einige Biere und Schnäpse
getrunken. Es wurde spät und Susi begann damit, sich zu verabschieden. “Ich glaube, ich werde
jetzt schön langsam den Weg ins Tal antreten“, fügte sie noch hinzu.
„Du kannst aber auch gerne bei mir in der Hütte schlafen und dann morgen zurück ins Tal gehen,
sonst verletzt du dich zum Schluss noch“, bot Martha an. Susi und Martha kannten sich schon seit
der Volksschulzeit und waren seit dem beste Freunde.
Susi nahm das Angebot gerne an. Martha meinte noch, dass die Hütte offen sei und dass sich Susi
in das Bett auf der rechten Seite legen könne.
Da Susi und Martha schon ewig befreundet waren, kannte sie genau den Weg zu der Hütte. Es war
nicht weit, einfach nur geschätzte 150m dem Weg folgen und dann noch zweimal rechts gehen. Die
Hütte lag neben dem Almweg bergaufwärts.
Plötzlich sah sie eine Gestalt aus dem Dunkel der Nacht hervortreten. Sie erkannte aber sofort, dass
es ihr Nachbar und guter Freund Peter war. Sie begrüßten sich freundlich und Susi lud ihn auf einen
Tee in die Hütte ein. Eine Stunde später beschlossen die beiden einen Mondscheinspaziergang auf
den Feuerkogel zu machen. Es war eine wunderschöne Nacht und Susi war so richtig in
Hochstimmung. Oben am Feuerkogel angekommen, konnten die beiden die Wahnsinns Aussicht,
durch den Vollmond über ihnen, bewundern.
Susi strahlte Peter an. Plötzlich packte er sie am Arm und zog sie grob zu sich.
„Was soll das, Peter?“ Sie versuchte sich zu befreien, doch Peters Umklammerung wurde umso
fester, je mehr sie sich wehrte. „Verdammt, du tust mir weh!“„Es soll auch weh tun.“ „Sag einmal,
was soll das? Bist du verrückt geworden?“, röchelte sie noch halb benommen.„Sagt dir der Name
Don Giovanni etwas?“
Susi sah ihren vermeintlichen Freund verständnislos an und plötzlich schossen Bilder durch ihren
Kopf. Vor ihrem inneren Auge lief ein Film ab, Szenen, die vor vielen Jahren in Sardinien
geschehen waren.
Er würgte Susi bis sie keine Luft mehr bekam, dann lag sie leblos im Gras, und als wäre das nicht
genug, stieß er ihr noch zur Sicherheit ein Messer mitten ins Herz! Susi lag blutüberströmt im
taunassen Gras und rührte sich nicht mehr. Peter hatte ihr das Leben genommen, und dabei hatte sie
ihren Nachbarn immer so gerne gehabt. Er nahm die tote Susi unter den Armen und schliff sie
Richtung Abgrund, dort schmiss er den leblosen Körper in den Abgrund. Susi schlug noch einige
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Male auf, bevor sie dann endgültig liegen blieb. Peter war zufrieden, er hatte seinen Auftrag erfüllt.
Sein Patron wird es ihm danken, da war er sich sicher.
Als Martha in die Hütte kam, fielen ihr die beiden Teetassen auf dem Tisch auf. Hatte Susi Besuch
gehabt? Sie schlich zur Schlafkammer, legte ihr Ohr an die Tür, lauschte. Kein Geräusch war zu
hören. Vorsichtig öffnete sie die Tür einen Spalt breit, spähte in den Raum. Das Bett stand im
hintern Eck. Obwohl kein Licht darauf fiel, sah Martha sofort, dass Susi nicht darin lag. Das Bett
schien vollkommen unberührt zu sein.
Martha schloss die Tür und wechselte in ihre eigene Schlafkammer. Im Bett grübelte sie noch eine
Weile über die Teetassen und Susis Verschwinden nach. Irgendwann übermannte sie jedoch die
Müdigkeit und sie schlief ein.
Ein lautes Geräusch riss Martha aus ihrem Schlaf. Erschrocken fuhr sie hoch. Was war das
gewesen? Es hatte wie ein lauter Schrei geklungen. In diesem Moment hörte sie es wieder.
Eindeutig. Da draußen schrie sich jemand die Seele aus dem Leib. Ihr erster Gedanken gehörte ihrer
Freundin.
Noch einmal. Erst jetzt erkannte sie, dass die Stimme zu einem Mann gehören musste, und dass
diese Stimme ihren Namen brüllte.
Schnell warf sich Martha ihren Morgenmantel über, rannte zur Haustüre, riss sie auf. Vor ihr stand
Sepp, ihr Hüttennachbar.
Er wollte sich gerade auf den Weg ins Tal machen, als er am Feuerkogel, eine Blutlacke fand. Als er
der Blutspur folgte, welche der Lacke entsprang, machte er dann die furchtbare Entdeckung. Die
Spur führte zum Abgrund und da unten lag ein lebloser Körper.
Sepp nahm mit einem Schrei den Almweg Richtung Tal, um zu der Stelle zu kommen, an der Susi
lag. Martha lief so schnell sie konnte hinter Sepp nach und rief: ,, Was ist passiert? Warum schreist
du so herum?“ Und Sepp schrie nur: ,, Komm mit, ich glaub, da ist etwas Furchtbares passiert!“
Zehn Minuten später hatten die beiden dann die Unfallstelle erreicht. Sie hatte keinen Puls. Martha
dachte an die beiden Teetassen in ihrer Hütte und meinte: ,, Das war kein Unfall“, und die
Würgemale an Susis Hals waren eine Bestätigung für Martha. Sepp sagte spontan: ,, Die hat jemand
vom Feuerkogel geschubst. Oben ist eine Blutlacke und eine Schleifspur bis zum Abgrund“. Martha
sagte entsetzt: „ Wir müssen die Polizei rufen“.
Aufgeregt warteten Martha und Sepp auf das Eintreffen der Polizei.
Nach langen drei Stunden war es endlich so weit, sie sahen wie am Fuße des Hanges zwei
Bergretter und ein unbekannter Dritter, den Weg herauf kamen.
Sepp wollte ihnen ein Stück entgegenlaufen, doch Martha wollte mit der toten Susi keine einzige
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Sekunde alleine zurückbleiben. Zwanzig Minuten später waren die drei endlich bei ihnen
angekommen.
„ Bin ich froh, dass ihr endlich da seid“, meinte Martha erleichtert. Auch Sepp konnte man ansehen,
dass ihm leichter war.
„Was ist passiert“, fragte der unbekannte Mann, der mit den Bergrettern gekommen war.
„Wir hatten gestern ein Almfest, und eigentlich wollte die Susi bei mir in der Hütte übernachten,
und als ich zurückkam, war sie nicht mehr da. Nur habe ich das gleich sehr eigenartig gefunden,
dass zwei Teetassen auf dem Tisch gestanden sind. Da muss noch jemand in der Hütte gewesen
sein,“ sprudelte es aus Martha heraus.
Aha, meinte der Mann nur und sah sich nun die Leiche ganz genau an. Nachdem er auch den Boden
rund um Susis Leiche genauestens untersucht hatte, meinte er: „Wo könnte hier in der Nähe ein
Hubschrauber landen“?
Einer der Bergretter sagte ihm, das oben auf der Gössler Alm genug Platz dazu ist, und dann
funkten sie einen Polizeihubschrauber an.
In der Zeit bis zum Eintreffen des Hubschraubers ging der Mann mit Martha und Sepp hinauf zur
Hütte, um sich alles genau anzusehen.
Dann erst stellte er sich als Kriminal-Oberkommissar Berger vor.
Er fand das auch höchst merkwürdig, dass in der Hütte zwei Teetassen standen, und so stellte er sie
gleich für eine DNA- Analyse sicher. Dann hörten sie schon den Hubschrauber kommen.
Kommissar Berger ging gemeinsam mit den beiden zum Hubschrauberlandeplatz. Ein
Spurensicherungsteam und ein Pathologe stiegen aus. Dann wurde ein Lagebericht gemacht und die
Aufgaben eingeteilt. Der Pathologe und ein Mann der Spurensicherung gingen zu Susis Leiche, und
der Kommissar, Martha, Sepp und der zweite Spurensicherer gingen auf den Feuerkogel.
Der Spurensicherer brauchte nicht lange um festzustellen, dass am Feuerkogel ein Kampf um Leben
und Tod stattgefunden haben muss, den Susi leider verloren hat. Oberkommissar Berger fragte Sepp
und Martha ob sie wüssten, ob Susi Feinde hatte. „Nein“, meinten beide, „ die Susi mochte jeder
gerne“.
Die Bergretter hatten in der Zwischenzeit die Leiche von Susi eingepackt und zum Hubschrauber
transportiert. Sie brachten Susi dann auch gleich nach Salzburg um eine Autopsie vor zu nehmen.
Kommissar Berger blieb noch einige Zeit mit der Spurensicherung auf der Gössler Alm. Am
meisten Hoffnung legte er in die Teetasse, die er in Marthas Hütte gefunden hatte. Dann flog Berger
mit dem Polizeihubschrauber ebenfalls nach Salzburg.
Als die Fingerabdrücke und die DNA, die sich auf der Teetasse befanden, sichergestellt waren, kam
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der Kommissar zurück nach Grundlsee um sich in Susis Haus und in der Nachbarschaft umzusehen
und umzuhören. Als er an Peters Haustür klopfte, dachte sich dieser: „Lass dir ja nichts anmerken“.
„Grüss Gott“, sagte Berger zu Peter: „ich bin der leitende Ermittler im Fall von Frau Susanne
Köberl, haben Sie diese Frau gut gekannt?“, fragte Berger mit ernster Miene. „Ja natürlich, ich
wohn ja schon ein paar Monate neben ihr und sie wissen ja wie es am Grundlsee ist, da kennt jeder
jeden“, sagte Peter. „Woher kommen sie eigentlich ursprünglich Herr Stoiser?“, fragte Berger. „ Ich
komme aus Vorarlberg, genauer gesagt aus Bregenz.“ Peter dachte sich, warum der Kommissar ihm
all diese Fragen stellen würde, der konnte doch gar keinen Verdacht geschöpft haben! Als der
Kommissar dann auch noch sagte, dass er von sämtlichen Bekannten von Susi gerne DNA und
Fingerabdrücke haben würde, bekam Peter schön langsam Panik. Peter meinte zu Berger: „ Ich
muss jetzt los, ich bin schon sehr spät dran, denn ich habe heute einen Zahnarzttermin.“ „Ja, dann
will ich sie nicht mehr länger aufhalten Herr Stoiser, aber vergessen sie nicht später nach Bad
Aussee auf den Polizeiposten zu kommen, um ihre Fingerabdrücke abzugeben.“ Fügte der
Kommissar noch im Gehen hinzu. Peter packte so schnell wie möglich das Wichtigste zusammen,
und verschwand dann mit seinem Auto hinter der nächsten Kurve. Er kam natürlich nie beim
Zahnarzt an und so ließ Kommissar Berger österreichweit nach ihn fahnden. Auf der Grenze zu
Italien, wurde Peter Stoiser bereits gestoppt und umgehend nach Salzburg überstellt. Dort wartete
Berger schon auf ihn.
Peter konnte sich nicht mehr raus reden, viel zu eindeutig war seine Flucht, Berger wollte nur
einfach wissen WARUM.
Alles begann vor vielen Jahren auf Sardinien, Susi machte dort Urlaub und hatte beobachtet, wie
sein Patron, Don Giovanni, in einer Taverne einem anderen Mann ein Messer in die Brust gerammt
hatte. An Hand von Susis Aussage wurde Don Giovanni für zehn Jahre verurteilt und kam im
Gefängnis ums Leben. Und so bin ich nach Österreich gekommen um meinen Patron und Bruder
Don Giovanni zu rächen.
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Mr. Anonym
(Franziska Berton)
Dienstag, 00:05
Oh mein Gott! Schon Mitternacht! Und ich brauche noch die Hausübung für morgen. Verzweifelt
starre ich auf den Bildschirm. Lisa wollte mir ihre Arbeit übermitteln, damit ich sie abschreiben
kann. Natürlich ein bisschen verändert, damit unsere Lehrerin nichts merkt. Dass jedoch bis jetzt
nichts gekommen ist, ist ungewöhnlich für Lisa. Keine SMS. Keine Mail. Ich blicke alle paar
Sekunden auf mein Handy.
Endlich die E-Mail. …… Das ist nicht Lisas Adresse. [email protected]. Wem gehört diese Adresse?
Kenne ich wen mit dieser Adresse? Nein. Wahrscheinlich eine Spam. Aber eine Spam ohne Betreff?
.. Und klick. Was soll das wieder bedeuten: „450.“ Was bedeutet das? Google-Fenster auf und
Suche. Keine Ergebnisse. Okay, löschen und aus.
Mittwoch, 06:30
Ich reiße meine Augen auf und mein erster Gedanke gehört der Hausübung. Decke weg, Computer
an. Während sich das Betriebssystem hochfährt, hole ich meine Zahnbürste. Explorer an, einloggen
und Posteingang. Yeaah! Eine Mail. Waaaas!? Schon wieder von diesem [email protected]. Wieder
ohne Betreff. „450. Du entkommst mir nicht. Ich beobachte dich.“ Wer könnte das sein? Das ist
keine Spam mehr. Aber einfach löschen, anziehen und ab in die Schule.
Auf dem Weg zur Schule, 07:30
Hmmmm, wer könnte mir diese E-Mails geschickt haben? Die Autos sausen an mir vorbei, doch
keiner bleibt stehen, um mich über die Straße zu lassen. Endlich, einer bleibt stehen und ich hebe
aus Dankbarkeit meine Hand. Nun schnell zum Bäcker.
„Hallo Maria!“
„Hallo Nelly!“
„Ein Käsestangerl,bitte!“
„ Zwei Minuten musst du warten, denn sie sind noch nicht ganz fertig.
„Kein Problem.“
Ach da steht dieser nette, ganz in Schwarz gekleidete Mann, der jeden Morgen um die gleiche Zeit
hier Kaffee trinkt. Soviel ich weiß, ist sein Name Wolfgang.
„Hallo Wolfgang.“
„Hallo Nelly! Wie geht’s?“
„Danke, sehr gut.“
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„Hier dein Käsestangerl.“
„Danke, hier zwei Euro. Tschüss.“
Schule, 07:59
In fünf Minuten läutet es. Schnell rein in die Schule und rauf in die Klasse. Da steht Lisa am Gang.
Mit was wedelt sie da? Was ist das in ihrer Hand?
„Nelly! Deine Hausübung! Ich hab sie dir ausgedruckt. Ich hatte gestern kein Datenvolumen mehr
und deswegen hab ich es dir heute einfach mitgebracht. „Man Lisa, danke. Ich habe schon gedacht,
dass ich ohne Hausübung in den Unterricht muss.“
Wir umarmen uns noch schnell und dann ab in die Klasse.
13:32
Endlich Zuhause. Ich geh schnell ins Internet und dann mach ich meine Aufgabe. Schon wieder eine
E-Mail von diesem anonym. Diesmal steht: „348. Es ist zwecklos. Ich weiß alles über dich.“
Oh nein! Ich hab Angst und meine Eltern kommen erst in vier Tagen aus dem Urlaub zurück. Was,
wenn er zu mir nach Hause kommt? Meine Freundinnen werden es mir nicht glauben. Die werden
meinen ich scherze, denn ich mache oft Scherze über solche Sachen. Und bevor sie es nicht selber
sehen, lachen sie mich nur aus. Meinen Computer kann ich doch nicht in die Schule mitnehmen und
wenn ich alleine Zuhause bin, darf keiner zu mir kommen. Aber ich könnte die E-Mail ausdrucken.
Ich drehe mich schnell zum Drucker, da fällt mir ein, dass die Tinte leer ist, und dass ich neue hätte
besorgen sollen. Andere Idee. Ich leite die Mail einfach an Lisa weiter, dann wird sie mir glauben
müssen. Vielleicht hilft sie mir sogar bei der Suche nach diesem Mr. Anonym. Mitteilung
erfolgreich gesendet, steht auf dem Display meines Computers, doch es wird länger dauern bis Lisa
diese Mail sieht, denn sie ist heute Nachmittag nicht zu Hause und morgen und übermorgen haben
wir lange Schule. Und wenn sie ihre Mails checkt, dann meistens gleich nach der Schule. Ich
könnte sie anrufen. Nein, doch nicht. Ich habe heute zu Mittag mein letztes Guthaben verbraucht,
als ich meinen Eltern geschrieben habe, dass alles OK ist. Und zum Aufladen hab ich kein Geld. Es
läuft mir kalt über den Rücken.
Was soll ich jetzt tun? Ich hab Angst. Ich spüre wie mir der kalte Schweiß übers Gesicht läuft.
Meine Hände und Knie zittern. „Ganz ruhig, Nelly“, versuche ich mich zu beruhigen. „Denk nach!
Wer könnte das sein?“
Es läutet an der Tür. Oh mein Gott!
Ich schleiche aus meinem Zimmer.
„Wer ist da?“, frage ich am Weg zur Tür.
Schnell aber leise schleiche ich durch den kurzen und schmalen Vorraum.
Keine Antwort.
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Bei der Tür trete ich einen Schritt beiseite. Jetzt bin ich mir absolut sicher, dass Anonym vor der Tür
steht, ich habe mir gemerkt, dass Gangster gerne durch Türen schießen, das habe ich in einem Film
gesehen. Verdammt! Jetzt kann ich nicht mehr durch den Spion schauen. Ich will nicht, dass mein
Leben bald vorbei ist. Was habe ich diesem Mr. Anonym getan? Wie könnte ich mich wehren? Ich
spüre, wie der warme Schweiß aus meinen Poren kommt. Ich frage noch einmal.
„Wer ist da?“
Es läutet wieder.
Es läutet immer öfter und in kürzeren Abständen.
Ich frage wieder: „Wer ist da?“
Keine Antwort. Ich schaue mich um. Womit könnte ich mich bewaffnen?
Nahe der Eingangstür liegt nichts. Die Pfanne, schießt es mir durch den Kopf. In der Küche steht
die Gusseisen-Pfanne noch auf der Anrichte. Die ist schwer und als Waffe geeignet. So leise wie
möglich stehle ich mich von der Tür weg, Richtung Küche. Währenddessen wird der Besucher
ungeduldiger. Er läutet in immer kürzeren Abständen. Die letzten Meter laufe ich, schnappe mir die
Pfanne und gehe mit meiner Waffe im Anschlag zurück. Das Läuten verstummt. Hat er aufgegeben?
Ich bin wie gelähmt. Ich weiß nicht wie mir zumute ist. Ich kann mich eine Zeit lang nicht
bewegen. Ich stehe da, starre in die gelbe, gegenüberliegende Wand, die nur einen Schritt von mir
entfernt ist.
Jetzt bin ich mir sicher. Er ist weg. Langsam schaue ich durch den Spion.
Nichts zu sehen.
Total aufgebracht gehe ich ins Zimmer zurück. Ich muss mich beruhigen. Das Beste wäre jetzt,
wenn ich mich ins Bett lege und versuche zu schlafen. So werde ich am schnellsten und am besten
ruhig.
Och du liebe Maria! Ich habe bis halb sechs geschlafen?! Egal ich bin zumindest ruhiger geworden.
Doch jetzt habe ich Hunger. Raus aus dem Bett und ab in die Küche.
Na toll. Ich war wieder nicht einkaufen. Eine Milch, zwei Joghurts und vertrocknete Tomaten sind
im Kühlschrank. Ich nehme mir ein Joghurt heraus und mische es mit dem Müsli, das auf der
Anrichte steht.
Das war jetzt gut. Doch mir geht noch immer das Klingeln von heute Mittag nicht aus dem Kopf.
Wer verfolgt mich? Wer weiß, wo ich wohne? Wer ist der „Verfolger“?
Ach ich muss noch den Müll raus tragen. Ich nehme den Mülleimer und gehe zur Haustür. Ich ziehe
meine Schuhe an und begebe mich vorsichtig nach draußen.
Oh nein! Da kommt Frau Stoller. Die hört nichts, also muss ich immer schreien und die fragt immer
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so viel.
„Hallo Nelly!“
„Hallo Frau Stoller.“
„Wie gehst dir?“
„Gut, danke. Ihnen?“
„Auch gut. Ich war heute bei dir und habe geklingelt, doch keiner hat aufgemacht. Was war los?“
Ach so. Das war die Frau Stoller. Und deswegen hat auch niemand auf meine Frage, wer da sei,
geantwortet.
„Ich war einkaufen. Hätten Sie was gebraucht?“, lüge ich.
„Ich hatte keine Eier, aber ich war gerade welche kaufen.“
„Okay dann. Ich muss leider los. Auf Wiedersehen.“
Mann, ich glaube das ganze Haus hat mich schreien gehört. Egal, zumindest habe ich jetzt Ruhe
gefunden. Ich dachte wirklich, dass dieser Mr. Anonym vor der Tür steht. Hahaha, lächerlich.
Ich rede mir ein, dass alles okay ist, doch ich habe noch immer Angst. Doch das ist keine normale
Angst. Es war eine unangenehme Angst. Eine ganz unheimliche. Ich gehe in die Wohnung zurück.
Dort begebe ich mich ins Zimmer und schalte den Fernseher ein.
Nichts gibt es. Kindersendung, Sportsendung, Leute mit ihren Problemen, Nachrichten. Oh mein
Gott! Es gibt kein ordentliches Programm. Ich werde dann einfach ein Buch nehmen und lesen.
Donnerstag, 06:31
Neeeeiiin!! Okay, gut. Es war nur ein Traum. Dieser Mann wollte mich entführen. Egal, war nur ein
Traum. So auf und ab in die Schule.
Beim Bäcker, 07:25
„Hallo Maria. Ein Mohnweckerl bitte.“
„Ja sofort“
„Hallo Wolfgang!“
Hallo Nelly. Bist du noch immer alleine zu Hause?“
„Ja. Meine Eltern kommen erst in drei Tagen.“
„Hier dein bestelltes Mohnweckerl.“
„Okay, danke. Tschüss.“
In der Schulpause, 09:30
„Hey Lisa. Du, ich hab da eine Frage. Könntest du mir bitte bei der Suche nach Mr. Anonym helfen.
Ich weiß, du glaubst mir nicht, doch ich hab auch eine E-Mail von ihm an dich weitergeleitet. Bitte
Lisa.“
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„Man Nelly. Das ist kein Problem. Du weißt doch, dass ich dir immer helfe.“
„Danke Lisa.“
„Dann fangen wir gleich heute nach der Schule an, okay?“
„Okay danke.“
Nach der Schule, 14:03
„So welche Anhaltspunkte hast du?“
„Ich hab nur E-Mails von Mr. Anonym bekommen.“
„Okay, dann gehen wir zu dir und schauen uns die E-Mails an. Vielleicht finden wir irgendwelche
Anhaltspunkte.“
„Aber meine Eltern erfahren nicht, dass du bei mir warst.“
„Bist du verrückt?!“
Wir machen uns auf den Weg und kommen bei der Bäckerei vorbei, in der ich morgens immer mein
Frühstück kaufe. Dann bei einem kleinen Supermarkt, vor dem ein Spielplatz liegt, man die Kinder
schreien und lachen hört.
„Warum hast du mich nicht früher gebeten, dir zu helfen?“
„Ich dachte, dass du mir nicht glauben würdest.“
„Mensch Nelly. Du kannst immer zu mir kommen und werde dir immer helfen.“
Mann, was würde ich ohne Lisa machen. Okay, wir sind zu Hause. Schnell ab ins Zimmer und
Computer an.
Während das Betriebssystem des Computers hochfährt, frage ich Lisa ob sie Hunger hat.
Sie lehnt ab.
Internetfenster auf und schnell meine Mails checken. Eine neue E-Mail von Mr. Anonym ist
angekommen. Drinnen steht: 450. Ich brauch das Geld von dir, bevor deine Eltern zu Hause sind!
Ok, mir wird so einiges klar. Die Zahl die er immer mit geschickt hat, ist eine Geldsumme.
Der will Geld von mir? Der weiß wohl, dass meine Mutter Maklerin und mein Vater Geschäftsmann
ist.
„Nelly, der will Geld von dir. Aber wie viel?“
„Ich glaub, dass es etwas mit dieser Zahl zu tun hat.“
„Ja, gute Idee. Okay 450 Euro sind zu wenig, aber 4 500 Euro könnte ich mir vorstellen.“
„Ja, du hast Recht. Mehr wird der von mir doch nicht verlangen. Doch ich kann meine Eltern nicht
bestehlen und wohin soll ich ihm das Geld bringen? Ich kann nicht einfach zum Save gehen und das
Geld heraus nehmen, so eine Summe fällt auf. Doch wenn ich ihnen sage was los sei, also sie jetzt
anrufe, dann kommen sie aus dem Erholungsurlaub zurück. Das will ich auch nicht. Ich brauche
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einen klaren Kopf. Komm, ich lad´ dich auf ein Eis ein.“
Auf dem Weg zur Eisdiele kommen wir wieder an dem kleinen Supermarkt vorbei. Dort steht eine
Gruppe von Frauen. Man hört sie tratschen.
„Habt ihr gewusst, dass Wolfgang total hohe Schulden hat?“
„Der Wolfgang Göngler?“
„Ja, genau der.“
Heißt nicht dieser Wolfgang, der immer beim Bäcker ist, Göngler?
„Du Lisa. Ich hab einen Verdacht wer dieser Mr. Anonym sein könnte.“
„Dann sag.“
„Du erklärst mich aber nicht für verrückt, wenn ich dir das erzähle.“
„Nein, und sag jetzt endlich.“
Ich warte bis der gelbe LKW vorbeifährt und sag‘s ihr dann.
„Die Frauen dort haben gerade über den Wolfgang Göngler erzählt, und dass der Schulden hat. Und
er kennt meine Eltern gut und weiß, dass sie zurzeit nicht da sind.“
„ Und du meinst jetzt, er stalkt dich? Das hört sich relativ logisch an. Nelly! Ich hab eine Idee. Du
hast mir ja mal erzählt, dass er in der Früh immer beim Bäcker ist. Morgen schwänzen wir die
Schule. Du wirst trotzdem so tun als ob du in die Schule gehst und kommst dann zu mir. Ich werde
mich irgendwo verstecken wo ich einen Blick auf die Bäckerei hab. Wenn er dann raus kommt,
gehe ich ihm nach. Warte kurz. Arbeitet er wo?“
„Nope. Er ist arbeitslos.“
„Okay gut. Also weiter im Plan. Ich geh ihm nach und du wirst dann auch nachkommen, doch Pass
auf, dass dich keiner sieht.“
„Sehr gute Idee.“
Freitag. 07:00.
Ich bin so aufgeregt. Ich hab fast gar nicht geschlafen. Hoffentlich kommen wir heute drauf, wer
der Täter ist. Gleich treffe ich mich mit Lisa. Schnell fertig machen und ab.
Bei der Bäckerei
„Hey Lisa. Wie geht’s?“
„Hey Nelly. Gut, dir?“
„Hab nicht viel geschlafen, weil ich so aufgeregt war.“
„Na dann gehen wir der Sache auf den Grund.“
„Aber Lisa, was willst du machen, wenn wir fertig sind, mit der Verfolgung?“
„Lass dich überraschen!“
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„Okay.“
„So und jetzt rein mit dir.“
Ich springe über die niedrige Trennwand zwischen der Bäckerei und dem Gehsteig und laufe zur
Tür. Durchatmen und rein.
„Hallo Maria.“
„Hallo Nelly.“
„Ein Mohnweckerl, bitte“, sage ich zu Maria und drehe mich um, zu Wolfgang.
„Hi Wolfgang.“
„Hallo Nelly. Wie geht’s deinen Eltern?“
„Sehr gut, danke der Nachfrage.“
„Hier, bitteschön“, unterbricht uns Maria und übergibt mir das Mohnweckerl.
Ich leg ihr das Geld hin und geh wieder.
„Tschüss ihr beiden.“
Ich öffne die Tür und sehe Lisa. Sie sieht mich neugierig an. Ich laufe mit einem Grinsen im
Gesicht zu ihr und teile ihr mit, dass Wolfgang sich in der Bäckerei befindet.
Nach einer halben Stunde kommt er heraus und geht geradeaus. Lisa verfolgt ihn mit etwas
Abstand, um nicht von ihm gesehen zu werden. Sie gibt mir übers Handy Bescheid, erklärt mir in
unregelmäßigen Abständen, wo sie sich gerade befindet, damit ich auf dem Laufenden bleibe.
Eine alte Frau geht mit einem kleinen Mops an mir vorbei. Ich beobachtet wie manche Menschen
sorgenlos durch die Straßen gehen. Andere haben ein besorgtes Gesicht aufgesetzt und eilen durch
die Straßen.
Das Läuten meines Handys reißt mich aus den Gedanken. Ich hebe ab und Lisa beginnt sofort zu
reden.
„Komm zur Post Nelly. Beeile dich aber!“
„Okay. Bin gleich da.“
Ich springe auf und mache mich auf den Weg zur Post. Ich laufe fast. Warum soll ich mich beeilen?
Was hat sie entdeckt? Ich biege um die Ecke und sehe Lisa hinter einem Busch. Ich laufe zu ihr und
frage was los ist.
„Nelly, Wolfgang ist gerade in die Spielhalle hineingegangen und wenn man eins und eins
zusammen zählt, weiß man, dass er spielsüchtig ist. Und ich glaube, dass eine größere Summe als
4.500 Euro im Spiel ist. Ich glaube, dass 45. 000 Euro gemeint sind und das ist wirklich ein
Problem.“
„Nein Lisa. Bitte nicht.“ Ich spüre wie mir die Tränen die Wangen hinunterlaufen. Ich weine nicht
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aus Schmerz oder Verzweiflung, sondern, weil ich besorgt bin. „ Lisa, könntest du heute bei mir
übernachten. Alleine habe ich Angst.“
„Ja klar.“ Sie dreht sich zu mir und wischt mir die Tränen aus dem Gesicht. „Mach dir keine
Sorgen. Wir lösen den Fall.“
„Danke Lisa, dass du mir hilfst.“
„Kein Problem. Und jetzt warten wir bis er herauskommt.“
Wir setzen uns im Schneidersitz hin und warten. Lisa erzählt mir wie es in der Therme war, die sie
letztes Wochenende mit ihren Eltern besuchte. Nachdem sie mir alle Details über die Therme und
über die ach-so-tollen Jungs erzählt hat, blicken wir zur verdunkelten Tür. Sie geht langsam auf und
Wolfgang kommt wieder raus.
„Ach, da hat wohl jemand kein Geld mehr, oder warum ist der so schnell“, kommentiert Lisa
spöttisch. „Ich geh ihm wieder nach und du gehst eine Minute später los. Okay?“
„Okay, aber du hast mir noch immer nicht die Überraschung gesagt.“
„Wart nur ab.“
Sie dreht sich um und folgt Wolfgang. Da sitze ich wieder und warte bis ich losgehen kann, aber
diesmal muss ich nicht lange warten. Eine Minute ist schnell vorbei, dann mache auch ich mich auf
den Weg.
Wolfgang geht am Gehsteig. Keine auffälligen Bewegungen oder Aktionen. Er wirkt ruhig. Man
sieht ihm gar nicht an, dass er jemanden bedroht oder spielsüchtig ist.
Lisa biegt in die Glöcknergasse ein, ich folge ihr.
Als ich dort angekommen bin, hockt sie schon hinter einer niedrigen Wand.
„Er ist in dieses Haus vor uns reingegangen. Ich schätze er wohnt hier.“
„Ich geh schnell an der Glocke schauen.“
Ich stehe auf und laufe schnell hin. Ja, Glöckner, steht da. Ich schleiche zurück.
„Ja er wohnt hier. Und sogar im Erdgeschoss.“
„Perfekt und jetzt sag ich dir die Überraschung. Ich hab einen „Zauberschlüssel“ besorgt. Das
bedeutet, dass der Schlüssel für alle Schlösser passt.“
„Wo hast du so was her?“
„Aus unserer Schlosserei. Wenn wer mal den Schlüssel verliert, hat mein Vater so etwas und ich hab
ihm halt einen gestohlen. Fällt eh nicht auf.“
„Wow Lisa, aber wir können nicht rein so lange er drinnen ist.“
„Warte ich bin noch nicht fertig. Ich hab herausgefunden, dass er heute um 13:00 Uhr in den
Karten-Klub geht. Dort treffen sich Männer die alle möglichen Kartenspiele spielen.“
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„Und es ist 13:30, also ist er gleich weg.“
„Gehen wir in der Zwischenzeit ein Eis kaufen?“
„Ja gern. Ich lade dich ein.“
„Okay danke.“
13:03 vor Wolfgangs Haus
Wir setzen uns hinter den Busch und warten bis Wolfgang vorbei geht. Was wenn er uns sieht? Tut
er uns dann was an?
Ich will gar nicht daran denken. Die Tür des Wohnhauses geht auf. Wir heben unseren Kopf
langsam und sehen nach. Es ist Wolfgang. Beide halten die Luft an. Er soll ja nicht hersehen. Bitte
nicht! Er kommt ums Eck, setzt seinen Hut auf und geht an uns vorbei. Er sieht nicht her.
„He Nelly. Die Luft ist rein.“
„Na dann.“
Wir stehen auf und begeben uns vors Haus. Lisa macht sich schon auf den Weg, um die Tür zu
öffnen. Als ich mir das Haus ansehe, fällt mir auf dass Wolfgangs Fenster offen ist.
„Du Lisa. Komm mal.“
„Ja bitte. Was ist los?“
„Heute ist unser Glückstag. Wolfgang hat sein Fenster offen gelassen.“
„Nicht dein Ernst. Okay dann gehen wir halt durchs Fenster rein.“
Wir gehen auf dem schmalen Kiesweg zum Fenster und springen rein.
Hmm, altmodisch eingerichtet hier.
„Nelly, komm schon. Ich hab den Computer gefunden.“
„Ach super. Komme schon.“
Ich gehe durchs kleine Wohnzimmer in sein Schlafzimmer. Hier müffelt es. Ich stell mich neben
Lisa und wir haben Glück, denn er hat die Seite mit seiner E-Mail offen gelassen.
Ich lese, dass er mir vor zwei Minuten eine E-Mail geschrieben hat. Ich werfe ein Blick auf mein
Handy und sehe die Nachricht.
„Nelly, hast du die E-Mail schon bekommen.“
„Ja warte. Ich les sie dir vor:
Hallo Nelly! Kannst du dich nicht mal melden. Du hast noch vier Stunden Zeit, dann will ich das
Geld auf dem Spielplatz beim Kindergarten im Sand vergraben finden. 450.
„Tja, Pech für ihn. Wir können jetzt alles der Polizei erzählen.“
Ich sehe wie Lisa einen kleinen Zettel in der Hand hält. Sie liest ihn vor:
„Freitag, 17:00, Uhr Geld abholen!! (4 500euro)“
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„Ha, der weiß wohl nicht, dass ich die beste Freundin hab, die mir bei allem hilft und mit mir jedes
Problem löst.“
Ich hole mein Handy heraus, wähle die Nummer der Polizei und erzähle ihr, dass mich wer übers
Internet bedroht hat, und dass ich jetzt endlich weiß wer er ist. Ich habe ihnen auch die Adresse
gesagt.
Nach fünf Minuten hören ich und Lisa die Sirenen. Ich bin so erleichtert. Ich habe sofort ein
Grinsen im Gesicht.
Die Polizisten kommen wie die Verrückten zur Tür herein gestürmt. Ich zeige ihnen den Computer
und einer der Polizisten nimmt uns zum Verhör mit. Ich erzähle ihm alles, auch dass meine Eltern
nicht da sind. Er meint erst ob das nicht gefährlich sei, doch dann fällt ihm ein, dass ich vierzehn
bin. Er ruft meine Eltern an und erzählt ihnen alles, danach gibt er mir das Telefon.
Mein Papa meldet sich und sagt:“ Kind was machst du nur für Sachen. Nein ich scherze nur. Wenn
nächstes Mal etwas los ist, sage es uns. Aber weißt du was, ich und Mama nehmen den Flieger in
einer Stunde und dann sehen wir uns in drei Stunden.“
„Okay Papa“
Wir verabschieden uns und die Polizei bringt mich und Lisa heim.
Wir öffnen die Tür und ich begebe mich gleich ins Zimmer und lege mich auf mein Bett. Ich denke
nach. Was wäre gewesen wenn ich es ignoriert habe? Oder was wenn..? Ich bin zu müde, um
nachzudenken. Die ganze Aktion hat mich fertig gemacht.
„Guten Morgen, Schatz“, ich höre die sanfte Stimme meines Vaters.
Ich muss wohl eingeschlafen sein.
Mein Vater drückt mich und sagt: “Nächstes Mal spielst du nicht Detektiv!
Du kannst mit jedem Problem zu uns kommen.“
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Die letzte Party
(Sabrina Brandl)
Die Tanzpaare tanzten eng umschlungen zu den Klängen. Es war Abschlussfeier in einer Schule.
Der Saal war brechend voll und es schien, als fehle niemand.
“Buuuuuuuum!!“
Plötzlich riss ein lauter Knall die tanzende Menge aus ihrer Umarmung. Augenblicklich war die
Musik tot und die Gäste des Schulballs schauten fragend umher. Niemand schien zu begreifen, was
soeben passiert war. Es waren so viele Leute im Festsaal, dass man gar nicht feststellen konnte, ob
jemand fehlt. Doch Vali wusste, dass seine Freundin Nici kurz den Raum verlassen wollte.
Vali rannte in den Nebenraum. Er wusste das seine Freundin in den Nebenraum wollte weil sie ihre
Handtasche dort liegen hatte und sie wollte ihr Handy hohlen um ein paar Bilder zu machen.
Doch seine Freundin war nicht da. Er konnte nichts Verdächtiges erkennen, nur das seine Freundin
nicht hier war, ihre Handtasche aber schon. Er überlegte wovon der Knall kam? War es ein Schuss
oder wurde in der Nähe etwas gesprengt? Und hatte Nici was damit zu tun? Sie war ja nicht hier wo
sein sollte. Er kannte sich nicht mehr aus. Langsam lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken,
denn er hatte sehr Angst um seine Freundin. Panik machte sich in ihm breit. Wo verdammt war
Nici? Was war hier passiert? Er würde gerne seine Freunde um Hilfe bitten, aber würde ihn die
anderen auslachen, wenn er sich um seine Freundin sorgte, nur weil sie kurz den Saal verlassen
hatte? Er, der coole Vali, der sich um nichts und niemanden sorgte wurde panisch, nur weil Nici sich
von ihm entfernt hatte, würden sie lachen. Egal, dieses Risiko musste er eingehen. So schnell er
konnte, lief er in den Saal zurück. Dort versuchten einige Schüler, die sich nicht um den Knall
interessierten, die Musik wieder in Gang zu setzen.
Er rannte zuerst in die Klasse wo die Matratzen aufgebaut waren. Dann rief er Ben und Silvi an. Sie
kamen sofort nach oben und halfen Vali beim Suchen. Silvi lief zuerst ins Mädchen WC. Dort war
sie nicht. Ben lief zum Kaffeeautomaten. Da war sie wieder nicht. Vali versuchte Nici anzurufen,
doch sie ging nicht ran. Die drei trafen sich wieder im Stiegenhaus. Sie teilten sich mit, dass
niemand Nicoletta gefunden hatte. „Schon langsam gerate ich in Panik! Scheiße! Wo ist sie
verdammt ??“, rief Ben angespannt. Alle stimmten ihm zu. Sie beschlossen aber keinen Elefanten
aus dieser Sache zu machen und weiter zu suchen. Sie wollten es den anderen nicht erzählen, denn
es würde Panik ausbrechen. Es könnte ja auch sein, dass Nicoletta einen Scherz machen wollte und
allen einen Schrecken einjagen will. Plötzlich fiel Vali ein, dass Nici vielleicht raus gehen wollte.
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Die drei rannten zum Ausgang. Doch was sie da sahen, glaubte ihnen zuerst keiner….
Sie sahen Nicoletta. Aber wie? Sie war tot. Sie hang blutüberströmt am Baum. Es sah schlimm aus.
Keiner konnte es glauben. Silvi brach in Tränen aus, sackte zusammen. ,,Wieso? Wieso sie? Nein!
Bitte nicht!“, schrie sie unentwegt, Sie lag am Boden und war nicht mehr ansprechbar.
Vali sagte kein Wort. Und Ben sprach kein Wort. Vali versuchte zu fliehen. hinaus zu laufen. Doch
die Tür ging nicht auf. Sie standen vor der Eingangstür, sahen die tote Nicoletta aber bekamen die
Tür nicht auf um raus zu laufen. Es war schlimm für die drei einfach dazu stehen und nicht zu ihr
laufen zu können. Ben versuchte Silvi zu trösten während Vali Gegend die Tür trat. Vergeblich.
Sie schrie wie am Stiel. So laut das inzwischen schon mehrere Leute angerannt kamen und sehen
wollten, was los war. Ben schickte alle wieder zurück in den Festraum und sagte dass es nicht so
schlimm sei und dass es sich um ein privates Problem handelte.
Sie wollten nicht, dass jemand bemerkt was gerade los ist. Es ist unglaublich für alle und sie wollen
die anderen nicht damit belasten. Sie wollten den unerwarteten Tod aufdecken. Sie wollten wissen
wer so etwas macht. Oder hat sie es selbst gemacht? Aber warum so auffällig? Sie fragten sich
warum die Türe zum raus gehen geschlossen war. Da rannte Vali zum Hintereingang, doch dieser
war auch geschlossen. Es brach erneute Panik auf. Was sollte Vali auch tun? Jemanden anrufen?
Wäre ja eine gute Idee. Wenn er Empfang hätte. Hat er aber nicht. Er rannte zurück zu Ben und
Silvi. Doch wo sind sie jetzt hin? Nicht mehr da!
,,Scheiße! Silvi !?! Ben!?! Wo seit ihr????‘‘
Doch keiner meldete sich. Vali wollte sein Handy heraus hohlen. Doch wo war es jetzt? Jetzt hat er
sein Handy auch noch verloren. Beim Eingang hätte er Empfang, dass weiß er. Er lief zurück zum
Hintereingang um sein Handy zu suchen. Plötzlich hörte er einen Schrei. Es klang nach dem Schrei
von Silvi. Und Ben hörte man auch. Er fragte sich wo die beiden sind. Eine Tür wurde aufgerissen.
Es rannte jemand heraus. Eine sehr dicke Person. Ganz schwarz angezogen. Man konnte nicht
erkennen ob diese Person männlich oder weiblich war. Vali wollte hinterher laufen, doch seine Füße
waren wie angewachsen. Die Tür stand nun offen. Er ging langsam hin und sah Ben und Silvi an
zwei Stühlen aneinander gebunden und ein Tuch in den Mund gesteckt. Vali packte sein
Taschenmesser aus und fing an die beiden zu befreien. Es dauert gefüllte zehn Minuten bis er Silvi
befreit hatte. Und dann noch einmal so lange für Ben. Alle hatten einen Schock. Silvi und Ben
wussten auch nicht wer diese Person war und warum diese Person das machte. Alle waren verwirrt.
Da lief die Person wieder vorbei ……
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Vali lief ihm hinterher. So schnell er konnte. Jetzt lief diese Person die Stiegen hinauf. Ganz hinauf.
Silvi und Ben liefen genauso hinterher. Vali war aber um einiges schneller, kam der schwarzen
Gestalt aber nicht gut hinterher, weil die Person ja etwas Vorsprung hatte.
Die Gestalt lief die Stiegen im Schulhaus so hoch hinauf, wo Vali, Silvi und Ben noch nie waren. Es
musste der Dachboden sein. Es war stockdunkel. Man sah gar nichts. Die Schwarze Person sah man
auch nicht mehr. Silvi schaltete die Handylampe ein. Leider war diese auch nicht mehr so gut zu
benützen, da ihr Handy fast keinen Akku mehr hatte. ,,Scheiße ! Mein Handy hat bald keinen Akku
mehr. Was machen wir jetzt? Was wenn dieser Idiot uns davon kommt? Dann ist Nicoletta
gestorben ohne dass wir den Täter erfasst haben. Dieser Idiot muss gestraft werden!‘‘, sagte Silvi
leicht nervös. ,,Silvi jetzt beruhig dich erst Mal. Wir schaffen es schon diesen Vollidioten zu fassen.
Und wenn er uns entkommt schalten wir so schnell wie möglich die Polizei ein. Ich frage mich
wieso wir das nicht gleich gemacht haben. Jetzt ist es zu spät. Keinen Empfang am Handy und raus
können wir hier auch nicht.‘‘, versuchte Ben Silvi zu beruhigen. Er schaffte es ziemlich wenig. Aber
er schaffte es, dass Silvi ein klein wenig ruhiger wurde. Ben drehte sich um und schrie:,, Scheiße!
Dieser Idiot hat uns eingesperrt. Er hat gerade die Türe zu gesperrt. Scheiße verdammt! Jetzt
können wir auch sterben. Nein! ‘‘
Silvi ließ sich langsam und schleppend auf den Boden fallen. Man sah ihr ihre Verzweiflung sehr
an. Auch Vali wusste sich nicht mehr zu helfen. Der einzige der noch einen Ausweg aus dem
dunklen Dachboden suchte war Beni. Aber nach wie vor ohne Erfolg. Langsam blinkte der
Akkuwarner auf dem Handy. Sie mussten jetzt schnell einen Ausweg aus dieser Dunkelheit finde.
Plötzlich sah Silvi ein kleines silbernes Fenster, so groß, dass sie durch passen könnten neben einem
großen Kasten vollgestellt mit Schachteln. Sie sprang auf und lief zu dem Fenster und versuchte es
zu öffnen. Vergeblich! ,,Hey Jungs! Helft mir mal schnell dieses Fensterartiges Teil auf zu machen.
Vielleicht könnten wir dadurch flüchten.‘‘, schrie Silvi den Jungs zu. Beni sprang sofort auf in
Gegensatz zu Vali. Vali wurde gerade alles klar. Seine Freundin war tot. Jetzt begriff er erst alles. Es
war ein schlimmes Gefühl. Ben nahm eine lange Eisenstange und schlug gegen das Fenster. Da
merkte er, dass es leicht auf gehen würde. Es war aber kein Fenster. Es war ein dünner Gang wo
man in den Wänden der Schule herum kriechen konnte. Sie hatten keine Ahnung für was es gut war
aber vielleicht könnten sie ja dadurch flüchte. Ben schrie Vali zu:,, Komm schon Vali! Wir haben
einen Ausweg gefunden. Da kommen wir vielleicht raus und melden es gleich einen Lehrer. Komm
jetzt!‘‘ Vali stand langsam auf und ging mit einem gesenkten Kopf zu den anderen. Vali war immer
der Coole und der Schwarm von der ganzen Schule. Und nun zeigte er Gefühle. Gefühle die noch
niemand bei ihm gesehen hatte. Es war traurig. Ben kroch als erstes in diesen komischen Gang. Es
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war sehr eng und es roch ziemlich eigenartig. Man konnte nur auf den Knien und auf Händen herum
krabbeln. Dicht hinter Ben war Silvi und mit einem kleinen Abstand dann auch Vali. Es war so zu
sagen eine lange Reise durch die Gänge. Aber endlich schrie Ben: ,,Da ist ein Ausgang. Da geht es
raus! Endlich!‘‘ Sie kamen im Damen WC der Schule heraus. Sie sprangen nach der Reihe aus dem
Gang und rannten raus. Da stand die schwarze Gestalt bei der Stiege und schaute die drei wütend
an. Man sah das Gesicht. Ihr Gesicht. Das Gesicht von dem man es am wenigsten erwartet hätte.
Es war Nici. Es war das Gesicht von der wunderschönen Nicoletta Rodalfo. Aber wieso? War sie
nicht tot? Oder wer war das dann auf dem Baum?
,,Nici? Du lebst noch?‘‘, schrie Vali. Er wollte hin laufen um sie zu umarmen aber sie erwiderte
diese Umarmung nicht. Sie drückte ihn weg. Sie schrie Vali an: ,,Lass mich! Lasst mich alle in
Ruhe! Ihr geht mir alles so dermaßen auf die Nerven. Mit eurem beste Freunde Getue. Ihr braucht
mich ja eh alle nur weil ich so wunderhübsch bin. Ich meine schaut mich an? Und dann schaut euch
an. Keiner versteht mich von euch. KEINER! Und ich brauch euch nur um beliebter zu werden da
ich noch nicht lange hier wohne. Das habe ich geschafft. Ich bin die Schönheit der Schule. Also
verschwindet jetzt.‘‘
,,Aber wieso? Wieso? Du hast doch Vali geliebt und ich war deine beste Freundin und Ben dein
bester Freund. Und wieso bist du überhaupt hier? Du hängst ja am Baum. T-t-t-tot.‘‘, fragte Silvi.
,,Ach kommt schon! Ihr seid alle so naiv. Ihr habt keine Ahnung. Ich brauch euch nicht. Ich hab
euch nur ausgenutzt! Und dich Vali? Dich hab ich sowieso nie geliebt. Ich hasse euch alle!‘‘ , rief
Nici mit einem bösen Blick im Gesicht und rannte nun die Stiege hinunter. Während dem Laufen
griff sie sich plötzlich unter ihren viel zu großen Pullover und zog zwei große Polster heraus. Daher
sah sie auch so dick aus. Diese schmiss sie auf die Stiege um schneller laufen zu können. Sie lief
weiter und Vali, Silvi und Ben liefen ihr hinterher. Plötzlich brach Nicoletta zusammen. Sie lag
leblos auf dem Boden. Silvi stürzte sich sofort auf sie. Ben rannte weiter und wollte einen Lehrer
holen. Er fand gerade keinen also lief er wieder zurück. Er sah das Nici die Augen auf hatte und
leise sagte:,, Ich kann nicht mehr. Bringt mich um! Tötet mich verdammt! Ich habe einen Mord
begangen. Ich bin ein Mörder!‘‘ Sie weinte, sie weinte so sehr, wie sie noch niemand bevor gesehen
hat. Plötzlich nahm sie ein blutiges Messer aus Hosentasche. Es wussten sofort alle was sie jetzt
wollte. Sie wollte sich umbringen. Ben wollte ihr das Messer aus der Hand reißen, da steckte das
Messer bereits in ihrem Bauch. Man konnte langsam sehen wie ihr die Augen zufielen. Silvi rief die
Rettung an. In dieser Zeit versuchten alle Nici am Leben zu halten. Sie durfte einfach nicht
einschlafen! Nicoletta war schon länger krank. Keiner wusste genau was sie hatte. Man sah es ihr
nicht wirklich an, aber es fehlte ihr etwas. Als Silvi am nächsten Tag ins Krankenhaus fuhr,
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überlegte sie im Bus, was sie jetzt zu dem Arzt sagen sollte, der sie gestern bat für ein Gespräch ins
Krankenhaus zu kommen. Als sie ankam wurde sie sofort von einem Arzt erwartet. Silvi fragte
gleich mit Tränen in den Augen: ,, Wie geht es ihr? Lebt sie noch? Oh mein Gott! Was ist nur mit
ihr los? ‘‘ Er erklärte ihr die Situation, dass sie außer Lebensgefahr ist, aber noch nicht ansprechbar
ist. Jetzt fragte er sie, ob sie etwas zu diesem Fall weiß. Sie überlegte nicht lang, atmete tief ein und
fing mit einem traurigen und fertigen Ton an: ,, Sie litt unter Magersucht, schon länger. Aber sie
sagte mir immer, dass es nicht so schlimm sei und dass sie nicht zu dünn sei. Am Ende wurde sie
immer dünner und aß nichts mehr. Wir gingen mit ihr zu einem Beratungsgespräch, aber sie redete
nichts mit dem Psychologen. Sie hatte auch Probleme zu Hause. Ihr Vater hatte eine Affäre mit der
Mutter von dem Opfer. Die Mutter von Nicoletta saß tagelang nur mehr da und heulte. Es war
schlimm für Nicoletta an zu sehen wie ihre Mutter litt, weil Nici absolut nichts dagegen machen
konnte. Sie liebt ihre Mutter wie eine Freundin. ‘‘ ,,Wie heißt das Opfer?‘‘, fragte er interessiert. Sie
antwortete ihm leise: ,, Tabea. Tabea Lindner glaube ich. Sie war zwei Jahrgänge hinter uns. Sie sah
Nicoletta ziemlich ähnlich. Blonde, lange Haare, gleicher Style, ähnliche Größe. Es passt alles
zusammen. Es war eine Tat aus Rache an die Mutter von dieser Tabea, die Nicolettas Familie
zerstörte‘‘ Der Arzt bedankte sich für das lange Gespräch und verabschiedete sich. Als Silvi nach
Hause ging, traf sie Vali auf der Straße. Er sah immer noch ziemlich niedergeschlagen aus. Silvi
rannte zu ihm hin und fragte ihn:,, Weißt du jetzt schon alles über den Mordgrund und dem ganzen?
Da du ja jetzt bei deinem Vater in Holland gewesen bist‘‘
,,Nein ich weiß gar nichts. Ich wollte gerade zu dir gehen, da du dein Handy ausgeschaltet hast. Wie
geht es ihr? L-l-l-lebt sie noch? ‘‘, sagte er verzweifelt zu Silvi.
,, Ja sie lebt noch. Sie wurde gerade operiert. Sie wird noch lange im Krankenhaus verbringen und
der Arzt glaubt auch, dass sie danach in die Psychiatrie kommen wird, wegen ihrer Magersucht ‘‘,
erklärte sie ihm. Sie erzählte ihm noch alles was sie dem Arzt auch sagte.
Das letzte dass Vali sagte, war: ,, Es wird nichts mehr so wie zu vor!
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Tödlicher Schlaf
(Nadine Egger)
Sie flieht. Sie ist barfuß. Ihre Füße sind wund von den vielen Steinen, welche sich wie Glasscherben
anfühlen. Immer wieder dreht sie sich um, als ob jemand sie verfolgt. Die zerrissenen Kleider
flattern in der kühlen Nachtluft. Sie spürt, dass etwas Warmes, Flüssiges über ihre zierlichen
Wangen läuft. Blut. Die Zweige und Äste der vielen Bäume schneiden ihr wie Messer in ihre Haut.
Wieder dreht sie sich panisch um. Sie hört Geräusche. Jetzt fühlt sie, dass ihr diese warme, klebrige
Flüssigkeit auch von ihren langen, blonden Haare tropft. Ein letztes Mal dreht sie sich noch um. Da
steht es, stürzt sich auf sie. Sie fällt.
Inspektor Baloon sitzt gemütlich in seinem breiten Sessel. Er trinkt seine Tasse Tee als plötzlich der
Beamte Brown auf ihn zustürmt.
-
Inspektor Baloon. Es wurde eine Leiche gefunden, eine junge Frau, Mitte zwanzig.
Der sehr massige Inspektor steht auf und wendet sich Brown zu.
-
Na, dann wollen wir doch mal den Tatort besichtigen. Haben wir schon irgendwelche
Informationen zum Opfer?
-
Nur, dass die Frau im Deeperforest aufgefunden wurde. Doch zur Zeit können wir weder
sagen wie sie heißt, noch wer sie war.
-
Naja, dann los. Lass es uns herausfinden.
Inspektor Baloon betritt den nassen, feuchten Waldboden. Überall riecht es nach modrigem
Holz und Moos, doch es mischt sich noch ein fürchterlicher Geruch hinzu. Ihm wird der
Weg zum Opfer gewiesen.
Inspektor Baloon schreitet auf die Leiche zu. Sie ist blond. Ihre langen Haare sind von dem
getrockneten Blut völlig braun gefärbt.
-
Wieso? Warum bringt man denn nur so ein junges Mädchen um?
-
Warum kann ich leider auch nicht sagen. Vielleicht kann ich dir anderwärtig mehr helfen.
Baloon dreht sich um. Er blickte in ein altbekanntes Gesicht.
-
Wie lange ist es her? 20 Jahre? Jones.
Erst jetzt beäugt er auch den restlichen Körper.
-
Alt bist du geworden.
-
Und du hast auch ein paar Kilo zugenommen. Hab ich nicht recht?
23
-
Noch immer der alte Spaßvogel!
-
Du kennst mich doch.
Brown, der noch immer verwundert daneben steht, spricht endlich aus, was auch das
restliche Tatortteam denkt.
-
Ich wusste gar nicht, dass die Herren sich kennen.
-
Er war mein Schwager, Brown.
-
War, wenn sie erlauben Inspektor?
-
Ja. War.
Tiefe Gefühle von Kummer durchströmten Baloons Körper. Er musste an sie denken. Sie
war noch so jung.
-
Ähhm… Sie müssen nicht darüber sprechen, wenn Sie nicht wollen.
-
Doch Brown. Wir arbeiten jetzt schon sehr lange zusammen. Es ist an der Zeit, dir die
Wahrheit über meine Vergangenheit zu erzählen: Ich hatte vor 20 Jahren eine Frau. Ihr
Name war Lizzy. Ich war in der Arbeit als es geschah…
-
Als was geschah?
Baloon bringt kein Wort heraus. Er ist dankbar. Dankbar, dass sein alter Freund James Jones
das weitere Reden übernimmt.
-
Lizzy ging an diesem Morgen in die Bank. An diesem Tag war ein Überfall. Es gab Geiseln.
Eine davon war Lizzy.
Jetzt stockt auch er. Er spricht weiter.
-
Der Anführer der Gruppe, kannte Baloon noch von früher. Er erkannte Lizzy wieder. Er
packte Lizzy am Kragen. Er hielt ihr die Pistole an den Kopf. Er stürmte aus dem Gebäude.
Baloon war, damals noch als normaler Polizist an Ort und Stelle. Der Bankräuber wusste
das. Er ließ anordnen, das gewünschte Geld überreicht zu bekommen. Baloon sollte es tun.
Als Baloon ihn erreichte, übergab er ihm das Geld. Er hoffte, dass auf diesen Weg Lizzy die
Freiheit erlangte. Dem war nicht so.
Baloon unterbricht.
-
Er grinste mir noch einmal schelmisch ins Gesicht. Er drückte ab.
-
Das ist ja schrecklich. Das tut mir leid für Sie beide.
-
Danke. Wie gesagt, es war vor 20 Jahren und dieses junge Mädchen hat mich irgendwie an
sie erinnert. Aber mein alter Freund, was machst du hier?
-
Das Mädchen. Ihr Name ist Julie McScinney. Sie stammt aus Florida und ist 23 Jahre alt.
Ihre Mutter ist eine alte Bekannte von mir. Und wie du weißt, arbeite ich in Florida bei der
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Mordkommission. Daraus lässt sich schließen, dass wir bei diesem Fall wohl Partner sein
werden.
Baloon betritt das Zimmer. Es riecht steril wie im Krankenhaus. Überall sind weiße
Gestalten. Auch die ganze Einrichtung ist weiß. Mitten im Raum steht ein Tisch. Auf ihm
liegt etwas, das mit einem Tuch verhüllt ist. Vor jenem Tisch steht Mann in einem weißen
Kittel. Der Doktor.
Baloon spricht angeregt mit dem Doktor.
-
Die Wunden am Kopf weisen auf einen harten Schlag hin. An dem gesamten Körper sind
Schürfwunden. Solche, wie man sie normalerweise erleidet, wenn man angefahren wird. Da
sie jedoch im Wald aufgefunden wurde, muss sie einige Meilen gelaufen sein.
-
Das bedeutet, die Stelle, an der das Mädchen angefahren wurde, liegt irgendwo in einem
Radius von vier Meilen um den Tatort.
-
Richtig.
-
Gut… dann werde ich jetzt all meine Leute losschicken um die Stelle zu finden.
-
Halt, nicht so schnell. Es gibt noch etwas zu wissen. Es war sehr auffällig, dass sie barfuß
ist. Ich weiß nicht vielleicht findet ihr die Schuhe noch. Jedoch habe ich auch
Fingerabdrücke gefunden. Wir lassen sie diesen Moment durch die Datenbank laufen.
-
Gut. Informieren Sie mich, wenn Sie Ergebnisse haben.
-
In Ordnung.
-
Und nun entschuldigen sie mich.
Inspektor Baloon nimmt sein Telefon heraus und wählt Browns Nummer.
-
Brown hier.
-
Guten Tag Brown.
-
Oh Sie sind‘s. Wie kann ich Ihnen helfen?
-
Schicken Sie sofort alle Leute die wir haben los. Sie sollen alle Straßen im Umfeld von vier
Meilen vom Tatort absuchen.
-
In Ordnung Sir.
-
Ach ja, und bitte informieren Sie Inspektor Smith.
-
Mach ich. Gibt es sonst noch etwas?
-
Danke, das war alles.
-
Gut, dann auf wieder hören.
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Der Inspektor geht die langen Gänge des Police Departments entlang. Endlich erreicht er
sein Büro. Erschöpft lässt er sich in seinen Sessel fallen. Froh darüber, endlich ein paar
Minuten Ruhe zu finden. In diesem Moment stürmt der Dokter herein.
-
Entschuldigung. Ich hätte anklopfen sollen. Störe ich?
-
Nein, nein. Schon gut, was gibt’s?
-
Ich habe die Ergebnisse für die Fingerabdrücke. Wenn Sie mir bitte folgen würden?
-
Gut.
Baloon erhebt sich aus seinem Stuhl. Etwas schwerfällig. Er folgt dem noch sehr jungen
Doktor. Die beiden betreten einen Raum, in dem es vor Technik nur so wimmelt. Alles auf
dem neuesten Stand.
-
Inspektor! Hier herüber bitte.
-
Also… Was hat es mit diesen Fingerabdrücken auf sich?
-
Wie zu erwarten waren die besagten Fingerabdrücke nicht in der Datenbank.
-
Das bringt uns nicht weiter…
-
Nein tut es nicht. Doch das hier schon.
Der Doktor hält ein kleines Proberöhrchen in die Höhe. Baloon entdeckt darin einen
orangefarbenen Faden.
-
Was ist das?
-
Ich habe es in ihren Haaren gefunden. Als ich mir die Faser genauer unter dem Mikroskop
ansah, entdeckte ich Baumwoll- und Kunststofffasern. Und das Verhältnis stimmt genau mit
dem, einer Häftlingskleidung zusammen.
-
Aber wie sollte ein Häftling sie umbringen. Es gab in den letzten Monaten keinerlei
Ausbrüche in den Vereinigten Staaten.
-
Eben das ist das Problem! Ich kann es mir einfach nicht erklären!
-
Beruhige dich. Keine Sorge. Wir werden es schon herausfinden.
Es ertönt eine schrille Musik. Der Inspektor braucht jedoch einen Moment, um zu begreifen,
dass es sein Handy war das klingelt.
-
Baloon?
-
Guten Tag, Smith hier. Wir haben die Stelle, an der Julie angefahren wurde, gefunden.
-
Endlich erfreuliche Nachrichten. Ich komme sofort.
-
Gut, bis später.
Baloon steigt aus seinem Wagen aus. Die Straße ist eine Nebenstraße. Ziemlich staubig. Er
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bewegt sich zu den Kollegen Smith und Brown. Jene knien auf der staubigen Straße. Jetzt
erst bemerkt Brown den Inspektor.
-
Oh, Inspektor! Endlich sind Sie da.
-
Tut mir Leid. Ging nicht schneller.
-
Nun, jetzt sind Sie ja da.
-
Was haben wir gefunden?
-
Nun ja, natürlich das Blut des Opfers. Und Reifenspuren. Wahrscheinlich vom harten
Abbremsen. Dort hinten,
Der Inspektor folgt der ausgestreckten Hand des Beamten.
-
fanden wir ein Auto. Wir fanden den Führerschein und er gehört dem Opfer.
-
Also war es ein Unfall?
-
Es scheint fast so…
-
Aber dann läge das Opfer nicht mit einer tödlichen Kopfverletzung 4 Meilen östlich!! Aber
zurück zu den Reifenspuren.
-
Genau. Wir ließen einen Spezialisten holen.
-
Und was meinte er?
-
Dass es sich um Spuren eines Müllwagens handelt! Ist das nicht verrückt?
-
Nein, ganz und gar nicht. Smith?
-
Ja?
-
Bitte schau, ob es irgendwo Müllmänner gibt, die Häftlingskleidung tragen.
-
Ist das ein Scherz?
-
Nein, mein totaler Ernst.
-
Gut. Wenn du meinst.
-
Danke. Und wenn Ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich muss noch mal ins Büro.
Zurück im Büro versucht Baloon etwas zur Ruhe zu kommen. Er schafft es nicht. Dieser
Fall beschäftigt ihn einfach zu sehr. Wie wird es wohl der Mutter ergehen, wenn sie erfährt,
dass ihre geliebte Tochter tot ist.
Endlich erreicht ihn der ersehnte Anruf von Smith.
-
Alter Freund , du hattest Recht!
-
Das weiß ich. Ich habe immer recht.
-
Ja schon gut… Möchtest du jetzt wissen wo man die Sträflingsmüllmänner findet?
-
Natürlich. Wo soll ich hinkommen?
-
Zu der Harperlane 596. Nervenklinik.
27
-
Nerve…
-
Frag nicht. Ich erkläre es dir später.
Baloon erreicht das Gelände. Er steigt aus dem Wagen. Er betritt einen vertrockneten Rasen.
Überall nur einzelne vertrocknete Halme. Er erblickt ein von außen modern aussehendes
Gebäude. Es ist blau und müsste dem Aussehen nach zu beurteilen über 200 Fenster haben.
Brown geht auf Baloon zu.
-
Guten Tag Sir.
-
Tag Brown. Nun sagen Sie, was ist das hier für ein Gebäude?
-
Darf ich vorstellen, die Psychosomatische Klinik von Mannhatten Umgebung.
-
Und was haben Sie herausgefunden?
-
Noch nicht allzu viel nur, dass sie hier eine Art Programm haben, welches beinhaltet, dass
die psychisch labilen Menschen Gefängniskleider tragen und als Müllmänner herumfahren.
Detektiv Jones spricht gerade mit dem Leiter der Klinik um Näheres herauszufinden.
-
Na worauf warten wir dann noch? Lass uns hineingehen.
Die beiden Herren betreten das Gebäude. Baloon blickt einmal quer durch den Raum. Es
riecht wie in einem Altersheim. Doch das Zimmer ist bunt bemalt. Es sieht fast wie ein
Wartezimmer in einer Arztpraxis aus. Alles ist in Orangetönen gehalten. Baloon folgt
Brown, der ihm den Weg zu einer verschlossenen Tür weist. Er deutet darauf. Baloon
versteht. Er betritt das Zimmer hinter der Tür. Er sieht Jones mit knallrotem Kopf. Vor Jones
sitzt ein älterer Herr, der der Leiter zu sein scheint.
-
Na endlich!
-
Was ist los Jones?
-
Was ist los?! Was ist los?!Baloon!!!! Der will mir einfach nichts erzählen!
-
Schon gut. Beruhige dich. Ich übernehme ab jetzt.
-
Mir soll‘s recht sein…
-
Also mein Name ist Charles Baloon. Und wie darf ich Sie nennen?
-
Dr. William Green
-
Freut mich sie kennen zu lernen.
-
Mich nicht wirklich.
-
Nun, das kann ich mir denken. Jedoch würde es uns beiden das Leben etwas leichter
machen, wenn Sie kooperieren würden und mir die Antworten, die ich benötige, geben.
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Einverstanden?
-
Einverstanden.
-
Also, was hat es mit diesen Müllmännerhäftlingen auf sich?
-
Das sind keine Häftlinge!
-
Was denn dann?
-
Es sind ganz normale, wir nennen sie hier ,,Andere‘‘.
-
Und warum tragen sie Sträflingskleidung?
-
Nun ja, das ist das Programm. Hierbei versuchen wir ,,Andere‘‘ wieder in die Gesellschaft
einzubringen. Wir lassen sie hierbei Jobs erledigen wie Straßenkehren, Gemeindearbeiten
-
und Müllbeseitigung.
-
Und Müllbeseitigung.
-
Und warum die Häftlingskleidung?
-
Dazu wollte ich gleich kommen! Nun, damit man sie noch von den anderen Arbeitern
unterscheiden kann, tragen sie diese Häftlingskleidung. Die Menschen, die bei diesem
Programm dabei sind, haben Freude daran, sich wieder einmal normal zu fühlen.
-
Und führen sie denn auch Listen, welche besagen, welcher Teilnehmer zu welchem
Zeitpunkt an welchem Ort ist?
-
Aber natürlich! Es wäre doch unverantwortlich wenn nicht!
-
Und könnten sie mir die besagte Liste von gestern Abend vorlegen?
-
Ja, warten Sie, ich muss sie nur schnell suchen.
Neugierig beäugt Baloon den Doktor, während er die Liste sucht. Ein bisschen verrückt sieht
er aus. Er, mit seinen kugelrunden Brillengläsern und seiner Halbglatze. Die einzigen Haare,
die er noch hat, sind weiß und stehen zu Berge. Baloon muss schmunzeln.
-
Ha! Hab sie gefunden!
-
Schön, händigen Sie mir die Liste aus.
-
In Ordnung.
Baloon liest die Liste. 19. 20. 21.Na endlich! Der zweiundzwanzigste. Er liest die Aufgaben,
bis er zu der Kategorie ,,Müllmänner‘‘ kommt. Baloon liest die Namen und das jeweilige
Ortsgebiet. Er liest und liest und liest und liest.
Es herrscht Stille. Plötzlich bricht Baloon die Stille.
-
Ich hab ihn!
Er stürmt aus dem Zimmer ohne auch nur einen weiteren Blick an den Doktor zu
verschwenden. Brown und Smith kommen auf ihn zu.
29
-
Hast du ihn?
Will Brown wissen.
-
Wer ist es?
Fragt Jones.
-
Ja, ich hab ihn und sein Name lautet Fred Newton. Hier auf dieser Liste steht alles drauf! Er
wurde vor drei Jahren hier eingeliefert und…. Aha. Er bewohnt Zimmer Nummer 396. Also
los meine Herren!
Sie rennten zu Zimmer Nummer396. Baloon öffnet die Tür und sie stellen Fred Newton.
-
Fred Newton, Sie werden uns jetzt aufs Revier begleiten. Sie haben das Recht zu schweigen.
Baloon schaut von einem Fenster aus zu, wie Jones Newton seine Rechte vorliest. Er ist
fertig. Jetzt betritt Baloon den kleinen Verhörraum. Newton sitzt zusammen gekauert auf
dem Stuhl mitten im Raum. Baloon tut es weh, solche Leute zu befragen. Denn meistens
sind sie sich ihrer Tat gar nicht bewusst, während sie sie verüben. Solche Leute tun ihm leid,
da sie es unbewusst machen. Und jene armen Leute dann auch noch ins Gefängnis zu
schicken, war eine Bürde für sich. Man kann das alles nur überstehen, wenn man an das
Opfer denkt. In diesem Fall Julie McSkinney. Baloon lässt einen tiefen und langen Seufzer
von sich, dann beginnt er.
-
Guten Tag, Mister Newton.
-
Gu-uten Tag wünsch ich Ihnen auch. Ganz, ganz viel.
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Wissen Sie was, nennen Sie mich Charly.
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Und Si-ie mich Mister Newtony.
Newton lacht. So fröhlich, dass Baloon das Herz aufgeht.
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Darf ich dich auch Fred nennen?
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Ist oka-ay.
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Gut Fred. Hast du dem jungen Mädchen gestern weh getan?
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Weh getan? Nein! Mädchen hat geschlafen.
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Geschlafen?
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Jaaa. War müde von laufen.
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Fred, warum ist sie gelaufen?
Und Fred erzählt ihm die ganze Geschichte auf seine, sozusagen kindliche Art. Fred erzählte
jedes Detail. Im Glauben, dass dieses Mädchen nur schläft. Doch Baloon versteht, wie es
wirklich geschehen ist. Er verabschiedet sich herzlich bei Fred und verlässt den Raum. Er
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wendet sich an Brown.
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Bitte berufen Sie eine Pressekonferenz ein.
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In Ordnung, aber was werden Sie denen erzählen?
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Die Wahrheit.
Es ist stickig. Ein paar Schweißperlen laufen ihm übers Gesicht. Es ist laut. Überall sind
nervöse Reporter zu hören und mittendrin Baloon. Er begibt sich auf ein Podium und
beginnt.
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Darf ich um Ruhe bitten!
Um Baloon herum wird es Augenblicklich still. Er fährt fort.
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Ich werde Ihnen jetzt erzählen, was gestern Nacht geschehen ist. Ich werde danach keine
Fragen beantworten. Und ich möchte im Vorfeld sagen, dass der Mann, Fred Newton, der
dieses Verbrechen begangen hat, das nicht wollte. Er ist ein sehr netter Mensch und hat in
jener Nacht nicht verstanden, was geschehen ist. Es geschah so: Mr. Newton fuhr wie jeden
Mittwochabend mit dem Müllwagen, um seiner Tätigkeit nach zu gehen. Er übersah das
Mädchen, Julie McSkinney, welches auf der Straße stand und Hilfe suchte, da ihr Wagen
stehen geblieben war. Er fuhr sie an und blieb sofort stehen. Er stieg aus um nach dem
Rechten zu sehen und sah das ohnmächtige Mädchen. Er beugte sich hinunter und zog ihr
die Schuhe aus, denn Schuhe zu sammeln ist eine seiner Makken. Doch das Mädchen
wachte genau in diesem Moment wieder auf und fing vor Schreck an zu schreien. Dann fing
auch Fred an zu schreien und das Mädchen sprang auf und rannte in den Wald. Fred hielt es
für ein Spiel und rannte hinterher. Er rief nach ihr, sie solle stehen bleiben, doch sie rannte
weiter. Das machte ihn wütend und er rannte schneller. Er wurde immer wütender und als er
sie schließlich erreichte, riss er sie nieder und ihr Kopf schlug auf einen Stein auf. Er dachte,
dass sie so müde vom Laufen war und deswegen jetzt schlief. Er ging zurück zum Wagen
und setzte seine Runde fort. Wir haben am besagten Auto eine Schramme und Blut vom
Opfer gefunden. Das war alles. Ich danke Ihnen fürs Zuhören.
Und Baloon steigt vom Podium. Die ganzen Fragen um ihn herum hört er nicht. Er begibt
sich zum Ausgang. Dort trifft er auf Jones.
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War schwer gerade, nicht?
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Ja. Es war schön dich wieder einmal zu sehen, mein alter Freund. Und es tut mir leid, dass
du für die Mutter des Opfers keine bessere Nachricht hast.
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Mir auch. Dann auf Wiedersehen.
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Ja. Auf Wiedersehen.
Die beiden umarmen sich, dann begibt sich Baloon in sein Büro, setzt sich in seinen grünen
Sessel und trinkt eine Tasse Tee.
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David Jones
(Anna-Maria Erhart)
Dort stand sie.
Mit zitternder Hand am Abzug. Nur eine Haarlänge von ihm entfernt. Ihre kalten, leeren Blicke
trafen ihn. Minuten um Minuten verstrichen. Die Schneeflocken flogen unruhig umher. Sie wurden
von einem kalten Wind begleitet. Kein Wort, kein bedeutender Blick, nichts. Ihre Lippen zuckten
nervös. Sie zog ihre Augenbrauen hoch. Er spürte ihre Angst deutlich.
„Du hast es nicht anders gewollt.“, sagte sie leise und drückte ab. Ein einziger Schuss genügte und
er ging qualvoll nieder. Einige Minuten blieb sie stocksteif stehen. Ohne wirklich zu begreifen, was
geschehen war. Lange starrte sie ihn wie gelähmt an. Wie ferngesteuert ließ sie die Waffe fallen und
ging. Zurück bleib nur ihr Stolz.
Während der vollbärtige Polizei Inspektor Mario Dragoner verzweifelt versucht sein Tetris-Spiel
noch zu retten, saß sein Partner gelangweilt neben ihm und kaute lustlos an seinen Fingernägeln
herum. Plötzlich ertönt das nervige Geräusch des Telefons.
Dragoner hob ab.
„Bin ich jetzt richtig?“
„Mit wem wollen Sie sprechen?“
„Die Dame von vorhin hat gesagt, dass ich mit dem Inspektor Dragoner reden soll.“
Die Stimme klang gehetzt und sie klang, als gehöre sie einer älteren Dame.
„Dann sind Sie hier richtig. Was kann ich für Sie tun?“
„Ich habe eine Leiche gefunden.“
Nun hatte die Frau Dragoners volle Aufmerksamkeit.
„Können Sie genau angeben, wo Sie sich befinden?“, fragte der Inspektor.
„Ja, in Eselsbach kurz nach dem Fußballplatz. Erstes Haus rechts.“
„Wir werden uns umgehend auf den Weg machen.“
Ein ungutes Gefühl machte sich im Inspektor breit.
Nervös tappte er mit seinen Fingern auf das Lenkrad. Sein ohnehin schon ungeduldiger Partner
Lorenz Polt kaute noch nervöser auf seinen kaum vorhandene Fingernägel.
Endlich angekommen machte sich Polt sofort ans Werk die Daten und die Aussage von Frau
Stadlberger aufzunehmen, während Dragoner sich den Weg zur Leiche freischaufelte.
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Als Dragoner vor Ort der Leiche dann ins Gesicht blickte, stockte ihm der Atem. Er drehte sich um
und ging. Weg. Einfach weg vom Geschehen. Ging und konnte nicht stehen beleiben. Mal schnell,
mal langsam. Er ging. Dann lief er. Er heulte, dann schwieg er. Plötzlich setzte er sich hin. Ohne
darüber nachzudenken. Setzte sich mitten auf eine Straße. Er schwitzte und fror zugleich. Seinen
Tränen gefroren ihm im Gesicht. Konnte vor Nebel und Dunkelheit nichts sehen. Nur hin und
wieder brannten ihm die Lichter der vorbeirasenden Autos in den Augen. Ob er weinte, merkte er
nicht mehr. Ob er dachte, wusste er nicht mehr. Ob er fühlte, spürte er nicht mehr. Ein warmes
Gefühl
kam
auf
in
ihm.
Kalt
lief
es
ihm
über
den
Rücken.
Er
schlief
ein.
„Hallo?“
Kurz öffnete der Inspektor die Augen. Tageslicht brannte wie Feuer in seinen Augen.
„Sie sind Polizist oder? Ich bin Claudia“, sagte eine dunkelhaarige, attraktive Frau mit
kärntnerischem Akzent und reichte ihm erwartungsvoll die Hand. Ohne auf eine Reaktion zu warten
redete sie weiter:
„Was machen Sie denn hier auf dieser öden, einsamen Straße? Also Sie könnten mir
freundlicherweise sagen, wie ich zurück zum Erzherzog Johan Hotel komme?“
Wieder ließ die etwas hysterische Frau ihn nicht zu Wort kommen.
„Ich will ja nicht unhöflich sein, aber sie sehen scheiße aus. Krank und verletzt. Ist etwas passiert?
Kann ich helfen?“
Undeutlich und langsam fragte er:
„Wo bin ich hier?“
„Ja, irgendwo im Ausseerland. Gössel sagt man hier dazu oder so. Aber keine Ahnung, ich komme
aus Kärnten.
So sehr sich der Inspektor auch anstrengte, er konnte nichts mehr sagen.
„Ich rufe einen Krankenwagen. Bis der kommt, könnten Sie mir ja erzählen, was geschehen ist?“
Plötzlich sprang sie auf und lief davon als sie einen schwarzen Mercedes vorbei- fahren sah.
Vergeblich versuchte sich Dragoner aufzurichten. Wie gelähmt lag er auf dem kalten Eis der Straße.
Er fiel in Ohnmacht.
Als
er
wieder
aufwachte,
umgaben
ihn
die
schleichenden
Geräusche
weißer
Krankenschwesterpatschen. Nichts als Geräte, Schläuche und Nadeln um und in ihn.
Noch mit etwas verschwommenem Blick sah er dann eine Schwester am Schreibtisch neben ihm
sitzend Zeitung lesen.
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„Guten Morgen.“ War alles was, ihm einfiel zu sagen.
„Herr Dragoner. Wie geht es Ihnen?“
„Hm. Mir ist wichtig zu wissen warum ich hier auf der Intensivstation liege?“
„Weil eine junge Kärntnerin gestern Nacht einen Krankenwagen für sie gerufen hat während sie vor
lauter Unterkühlung in Lebensgefahr schwebten.“ Erklärte im die schöne Brünette sanft.
„Schön. Wann kann ich nach Hause?“ fragte er mit einer Menge Sarkasmus in der Stimme.
„Wenn alle Untersuchungen gut ausfallen in etwa zwei Stunden.“
Wieder im Polizei Revier angekommen, setzte sich Mario sofort hinter den Computer um den
Fortschritt der Ermittlung nachzuschauen. Nichts. Sofort griff er zum Telefon um seinen Partner
anzurufen, doch in diesem Augenblick kam dieser mit läutendem Telefon zur Tür herein und
berichtet ihm sofort von den bisherigen Untersuchungen der Ermittlung. Sie beschließen noch
einmal zum Tatort zu fahren um sich nach möglichen weiteren Hinweisen umzuschauen. Auf dem
Weg dort hin überlegte sich Inspektor Pollier ob und wie er Dragoner auf den Vorfall vergangenen
Tages ansprechen soll.
„Wie geht es dir?“
„Bestens. Danke. Wie nach zwei Wochen Urlaub.“
„Ich mach mir Sorgen um dich!“
„Warum? Dazu hast du keinen Grund.“
„Wegen dem Vorfall. Mein Beleid. Soll ich mit dem Chef sprechen, damit diesen Fall jemand
anderer übernimmt?“
„Das Einzige, was mir jetzt noch bleibt ist, dass ich denjenigen, der Julian das angetan hat, finde
und für die nächsten Jahrzehnte hinter Gitter zu bringen. Am liebsten würde ich ihm das gleiche
antun.“
„Das hat keinen Sinn. Und deinen Bruder bringt es dir auch nicht mehr zurück.“
„Aber derjenige verdient es.“
Nach zwei Stunden langem erfolglosen im Schnee Herumstapfen haben sich die beiden doch dazu
entschlossen, erstmal nach Hause zu fahren und sich auszuruhen. Alleine auf dem Sofa machte sich
Dragoner daran zu überlegen, ob sein Bruder vielleicht Feinde hatte. Nach zahlreichen Telefonaten
mit Verwandten und Freunden war Dragoner um drei Tassen Tee und 17 Beileidswünsche schwerer,
doch helfen können hat ihm keiner. Gerade als er sich auf den Weg ins Bett machen wollte, fiel ihm
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ein Zettel aus seiner Westentasche. Darauf stand:
Gute Besserung
wünscht dir deine „Kärntnerin“ Claudia.
Ruf mich an, wenn du den Zettel gefunden hast.
Sofort wählte er die Nummer, doch er kam nur in die Mobilbox. zwei weitere Tage lang versuchte
er diese Nummer zu erreichen, blieb jedoch erfolglos. Krampfhaft versuchte er sich an diese Frau
zu erinnern. Dann kam ihm die Idee, bei sämtlichen Hotels der Stadt nach einer jungen Kärntnerin
zu fragen. Beim Erzherzog Johann Hotel mitten in Bad Aussee wurde er schließlich doch fündig.
Claudia Herobeck hieß sie. Er versuchte über Internet die Adresse herauszufinden. Dass sie laut
Internet keinen festen Wohnsitz in Österreich hatte, verwirrte ihn. Er telefonierte lange mit der
Auskunft, doch die konnte ihm auch nicht weiter helfen. Plötzlich klingelte das Telefon. Claudia
Herobeck ruft an, erschien groß auf seinem Bildschirm.
„Hallo? Mit wem spreche ich?“, sagte eine junge Stimme etwas gehetzt.
„Mario Dragoner mein Name. Ich bin Polizist. Ich habe ihren Zettel gefunden. Ich hoffe, ich
spreche mit Claudia?“
„Oh. Jetzt weiß ich, wer sie sind. Sie sind der Polizist von neulich Abend oder?“
„Genau. Im Krankenhaus hat man mir gesagt, sie haben mich “gerettet“.“
„Ja ich habe sie auf der Straße liegend gefunden. Ich habe lediglich den Krankenwagen gerufen.“
„Ja. Aber warum sind Sie dann auf einmal weggelaufen?“
„Äh. Ich muss auflegen. Auf Wiederhören.“
„Warten Sie. Sind Sie noch in Bad Aussee?“
„Ja.“ Hörte man noch leise, während sie schon fast aufgelegt hat.
Ein zweites Mal klingelt sein Telefon. Eine dunkle Stimme mit deutschem Akzent sagte leise:
„Mario. Schön dich zu hören. Ich will dich warnen. Lass die Ermittlungen im Fall deines Bruders
fallen, sonst wird dir dasselbe angetan. Das gleiche passiert wenn du dich nicht ab sofort von
Claudia fernhältst.“
Bevor Dragoner noch etwas sagen konnte, geschweige denn überhaupt realisieren was gerade
geschehen war, legte er auf. Über das musste er erstmal eine Nacht schlafen. Also legte er sich mit
unruhigem Gewissen ins Bett.
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Am nächsten Tag vertraute er das seinem Partner Polt an. Dieser schlug sofort vor denjenigen
anzuzeigen, doch weil Dragoner glaubt, mit dem ist wirklich nicht zu scherzen, redet er es Polt
schnell wieder aus. Zuerst wollen die Beiden herausfinden wer ihn angerufen hatte. Was er mit
Dragoners toten Bruder zu tun hat und warum Claudia mit drin steckte.
Er vereinbart ein Treffen mit Claudia. Mit feuchten Händen und vereinzelt Schweißperlen auf der
Stirn gab sie ihm etwas zitternd die Hand. Stocksteif saß sie auf den dunkeln Sesseln des
Kaffeehauses.
„Alles in Ordnung?“, fragte Mario desinteressiert.
„Ja natürlich. Also was wollen Sie wissen?“
„Ich möchte wissen, warum Sie am 8. Januar, in dieser Nacht in der sie mich gefunden haben,
weggelaufen sind?“
„Bei allem Respekt Herr Dragoner, kann ich Ihnen dazu keine Auskunft geben.“, erwiderte Claudia
auf einmal förmlich.
„Ich bin Mario, lass uns du sagen!“ und er reicht ihr nochmals die Hand. Nur widerwillig stimmt sie
ein.
„Claudia.“, sagt sie schnell.
„Gut, Claudia. Für mich ist es enorm wichtig, wenn du mir erzählen könntest, was an diesem Abend
genau geschehen war, warum du auf dieser Straße unterwegs waren und vor allen Dingen ohne Auto
und warum du weggelaufen bist als der Mercedes vorbei fuhr?“
Claudia beugt sich zu ihm vor und flüsterte:
„Ich kann Ihnen hier in der Öffentlichkeit nichts sagen. Sehen sie diesen Mann dort unten an dem
Tisch im Eck?“
„Ja.“
„Er beobachtet mich. Ich kenne diesen Mann. Er ist einer dieser Handlanger meines Ex-Freundes
Prunto.“
„Ich brauche diese Informationen. Wann kannst du sie mir geben?“
„Schreib deine Adresse auf diese Serviette. Ich komme heute gegen elf Uhr bei dir vorbei.“
Er schrieb seine Adresse auf die Serviette und bemühte sich dabei unauffällig zu sein. Zügig steckte
Claudia sie in die Tasche und ging hinaus. Zurück blieb Dragoner mit 2 Kaffees und einer
Rechnung. Er kontaktierte seinen Partner Polz und berichtete seinen Fortschritt.
Zu Hause wartete er ungeduldig auf Claudia. Nach zwei stunden langem Zeitungslesen klingelte es
endlich an der Tür
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„Hallo“, begrüßte Claudia ihn mit einer Umarmung. Noch mit den Gedanken bei dieser Umarmung
sagte Mario:
„Hallo bitte kommen Sie herein.“ Er nahm ihr den Mantel ab und führte sie an seinen Küchentisch.
„Als Claudia, bitte kannst du mir jetzt erzählen, was in dieser Nacht genau geschah?“
„Es ist alles etwas kompliziert. Vor zwei Wochen hat uns ein Ausseer um 7800 Euro betrogen. Mein
Ex-Freund ist daraufhin sofort nach Österreich gekommen und wollte sich das Geld holen.“
„Wie war sein Name?“
„Julian. Er nannte keinen Nachnamen.“
Als Dragoner das hörte, war ihm sofort nach Weinen zumute. Weiterhin versuchte er sich jede
Emotion zu verkneifen und professionell weiter zu fragen:
„Was ist mit diesem Julian geschehen?“, fragte er mit ängstlichem Unterton in der Stimme. Obwohl
er die Antwort schon kannte.
„Er hatte wie erwartet kein Geld.“ Kurz hörte sie, auf als sie bemerkte, dass Dragoner das Wasser in
den Augen stand.
„Also machte er es genau wie bei allen anderen, die nicht nach seinen Regeln spielen“, fuhr sie fort.
„Er tötete ihn?“, fragte er.
„Nicht direkt er. Er ließ ihn töten.“
„Wissen Sie wann dies genau geschah?“
„Ja seltsamer weise in der Nacht, bevor ich sie gefunden hatte.“
„Ok. Und warum sind Sie noch mal vor diesem Mercedes weggelaufen?“, fragte er etwas verwirrt.
„Er saß darin. Ich habe etwas getan, was nicht nach seinen Regeln ging. Ich wusste, er würde mich
gefangen halten, wenn er mich kriegt.“
„Wie gut kannten Sie Julian?“
„Naja, er ist mir nie wirklich aufgefallen als er noch in unserem Geschäft tätig war. Aber Prunto hat
immer gemerkt, dass er mich anstarrte. Deshalb hat er ihn schnell befördert und so von mir
ferngehalten.“
„Welches „Geschäft“?“
„Naja. Wir verkaufe illegal Drogen. Und als Julian mit Drogen im Wert von 7800 Euro weglief,
waren seine Tage praktisch schon gezählt.“
„Gut. Darf ich Sie jetzt bitten zu gehen? Ich muss für mich alleine sein.“
„Was ist jetzt auf einmal los mit Ihnen? Geht es Ihnen nicht gut?“
Doch erst als sie das mit Kerzen umrandete Bild von Julian Dragoner auf der Komode stehen sah,
mit einem Schriftzug auf dem stand: Für immer wirst du, mein geliebter Bruder, in meinem Herzen
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weiterleben, begriff sie auch, warum er kurz vorm Weinen war. Auch warum er in dieser Nacht auf
der Straße saß und warum es ihm so wichtig war es zu erfahren, was wirklich geschehen ist. Sie
rannte aus dem Haus.
Als sie Dragoner am nächsten Tag im Hotel treffen wollte, hatte Claudia nur einen Brief für ihn
hinterlassen. Dieser Brief lautete:
Lieber Mario,
Ich verstehe jetzt, warum es dir so wichtig war, alles zu verstehen. Hier noch mal die wahre
Geschichte:
Als dein Bruder vor knapp zwei Jahren bei uns eingestiegen ist, war es wie Liebe auf den ersten
Blick zwischen uns. Wir verbrachten wunderschöne Monate zusammen. Eines Tages machte er mir
den Vorschlag, einfach ein par Drogen zu nehmen und abzuhauen. Ich sagte ihm, dass er keine
Chance hätte mit dem durchzukommen und wollte ihn dabei aufhalten. Er hat damit gedroht, Prunto
von uns beiden zu erzählen. Also habe ich ihn laufen lassen, da ich wusste Prunto, würde ihn
umbringen. Als wir alle in Österreich waren, habe ich den entschluss gefasst es selber zu
vollbringen also habe ich ihm vor seiner Haustür aufgelauert. Ich weiß jetzt, dass es der größte
Fehler meines Lebens war, dich zu verletzen. In den wenigen schönen Tagen mit dir ist mir
aufgefallen, dass es wichtigeres gibt im Leben als Geld zu machen, nämlich das wahre Leben. Ich
habe mich entschlossen zurück zu meiner Familie nach Brasilien zu fliegen. Wenn du das liest
werde ich schon im Flieger sitzen.
Mach es gut! In Liebe, Claudia.
Dragoner schwieg bis an sein Lebensende über die Tat und über diesen Brief.
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Der dumpfe Knall
(Jakob Frosch)
Seit Wochen herrschte Dürre.
Der Boden glich einer Wüste, die Flüsse und Bäche führten kaum Wasser.
Auch der Tag, an dem sich Hannes, Stefan, Oliver und ich zum Fußballspielen verabredeten, war
trocken und heiß. Aus diesem Grund schloss unsere Schule nach nur vier Stunden und wir konnten
den Nachmittag für das Spiel nutzen. Wir trafen uns oft zum Fußballspielen, denn wir waren alle
recht gute Spieler. Hannes und Oliver spielten beim SG. Ausserland und waren dort die Besten.
Hannes wurde im vorigen Jahr Torschützenkönig und Oliver Zweiter. Stefan und ich spielten früher
auch einmal beim SG. Ausserland, doch damals spielten wir nur noch zum Spaß.
Immer wenn es extrem heiß war, gingen wir zur Abkühlung in den Bach hinterm Fußballplatz und
dadurch stand gleich fest, dass wir an diesem Tag auch in den Bach gehen würden. Es war ein
kleiner Bach, der dank der Schneeschmelze auch zu dieser Zeit noch genug Wasser führte. Er war
nie sonderlich warm, doch es war immer zu ertragen. Um zum Bach zu gelangen, musste man ein
kleines Feld queren und einen Wald durchqueren. Wir waren oft dort, denn zur Abkühlung war er
großartig, es war auch ein Wasserfall dort. Wenn der Bach genug Wasser führte, konnte man den
Wasserfall auch hinunterspringen. Aber in diesem Sommer führte er viel zu wenig Wasser.
Dann sagte Oliver: „Ich habe eine tolle Idee, lasst uns hier eine große Party feiern.“
„Da müssen wir aber erst unsere Eltern fragen“, sprach Hannes das Unvermeidliche an.
„Hast Recht. Und was erzählen wir ihnen? Wenn ich meinen Eltern verrate, dass ich mitten in der
Nacht am Bach feiern möchten … vergiss es!“ Stefan machte eine abfällige Handbewegung. Die
anderen verstanden, seine Eltern waren die strengsten von allen.
Oliver fügte noch hinzu:,, Jakob, du holst ein Zelt und nimmst Getränke mit, Stefan, du bringst
etwas zum Essen mit, Hannes, du nimmst ein bisschen Alkohol mit und ich nehme gute Laune mit.“
Nachdem das mit den Eltern geklärt war und wir ihnen erzählt hatten, dass wir alle bei Oliver
schlafen würden, ging ich los, um meine Sachen und ein Zelt zu holen. Am Weg nach Hause dachte
ich mir:,, Warum darf Oliver von seinen Eltern aus alles machen? Irgendwie ist das auch ein wenig
komisch. Ich möchte nicht alles dürfen, denn dann würde ich vielleicht auf die schiefe Bahn geraten
und etwas mit Drogen zu tun haben!“
Ich war sehr schnell fertig, ging aber noch nicht rüber zum Fußballplatz. Ich suchte eine
Taschenlampe und ein Radio, damit wir Musik hören konnten. Danach schnappte ich meine Tasche
und packte alles hinein. Ich ging zu meinem Rad und radelte rüber zum Fußballplatz, bzw. zum
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Zieglbach. Ich war noch alleine dort, niemand war da und somit hatte ich Zeit, das Zelt aufzubauen.
Ich war schon fast fertig, als Oliver und Hannes kamen. Die beiden hatten so viel Zeug mit, dass
jeder zwei Taschen mitschleppen musste. Wir bauten das Zelt fertig und bereiteten alles vor, um
darin schlafen zu können, obwohl wir wussten, dass wir wahrscheinlich nicht schlafen würden.
Doch wo war Stefan? „Er wird wohl gleich kommen“ ,dachte ich mir.
Hannes, Oliver und mir war so heiß, dass wir uns nochmal abkühlen mussten. Wir gingen unterhalb
vom Wasserfall in ein kleines Becken, welches der Wasserfall im Laufe der Jahre ausgrub.
„Schön langsam müsste Stefan auch kommen“, sagten wir gleichzeitig, wie im Chor.
Wir beschlossen, Stefan zu Hause abzuholen, er wohnte nicht weit entfernt vom Fußballplatz. Als
wir bei ihm zu Hause angelangt waren, läuteten wir. Seine strenge Mutter öffnete die Türe. Ich
fragte: „Wo ist denn Stefan?“
„Er ist oben, er muss seine Aufgaben machen und lernen muss er auch noch!“
„Wir hatten uns aber ausgemacht bei Oliver zu schlafen. Darf Stefan nicht?“, erwiderte Hannes.
„Auf keinen Fall! Nächste Woche sind zwei Schularbeiten und dafür muss er noch viel lernen!“,
fuhr Stefans Mutter uns an und schmiss die Türe vor unserer Nase zu.
Das war wieder mal typisch für Stefans Mutter. Er durfte nie etwas mit uns unternehmen. Irgendwie
tat er mir leid!
Wir gingen wieder rüber zum Bach und ließen uns unseren Spaß, obwohl Stefan nicht durfte, nicht
verderben. Als wir wieder beim Zelt ankamen, fing es an zu dämmern. Wir packten den ersten
Alkohol heraus und nahmen alle einen Schluck. Eigentlich wollte ich ja gar keinen Alkohol trinken,
denn ich war Sportler und Sportler tranken keinen Alkohol. Ich konnte aber nicht „nein“ sagen.
Meine Freunde würden mich dann wieder als feig bezeichnen.
Als wir immer lustiger wurden, holte ich meinen Radio heraus, um die Stimmung anzuheizen. Ich
drehte Ö3 auf volle Lautstärke auf.
Plötzlich rauschte unsere Zeltplane, zuerst dachten wir es sei nur der Wind, doch als es sich
wiederholte, gingen wir mit Taschenlampen ausgerüstet hinaus. Man sah nichts, doch als ich in den
Wald schaute, sah ich zwei leuchtende Augen. Ich deutete in die Richtung, machte meine Freunde
darauf aufmerksam. Die Gestalt kam näher, löste sich aus der Dunkelheit … und … es war Stefan.
„Ich bin von zu Hause abgehauen, meine Mutter darf nichts davon erfahren und wenn sie es
erfahren würde, habe ich mein ganzes Leben Hausarrest.“
„Ok, wir werden das für uns behalten. Aber deine Mutter ist schon komisch“, entgegnete ich. „Da
hast du Recht“, antwortete Stefan.
Nach dieser Überraschung gingen wir zurück in unser Zelt und richteten für Stefan einen
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Schlafplatz her. Nun mussten wir zusammenrücken, um im Zelt Platz zu haben. Nach einer Zeit und
viel Alkohol beschlossen wir, baden zu gehen. Hannes zögerte zuerst, doch dann ließ er sich doch
überreden. Wir zogen uns unsere Badehosen an und gingen mit Taschenlampe und Handtüchern
bewaffnet hinaus. In dieser Nacht war es nicht so finster, es war fast Vollmond. Wir gingen wieder
in das kleine Becken unterhalb vom Wasserfall. Im Gegensatz zum Nachmittag war der Bach eiskalt
und wir brauchten lange, bevor wir mit dem gesamten Körper untertauchten. Je länger wir uns im
Wasser aufhielten, umso mehr gewöhnten wir uns an die Kälte.
Es war sehr lustig, doch irgendwie kam mir Stefan komisch vor. Er verhielt sich ruhig, schien
geistig abwesend, wollte nie bei irgendwelchen Blödeleien mitmachen. Ich fragte ihn, ob es ihm
schlecht ginge, er Bauchweh oder ähnliches habe.
„Mir geht es gut, ich muss nur immer dran denken, was passiert, wenn mich meine Mutter hier
erwischt. „
„Das kann ich verstehen. Doch komm, feiere mit uns und denk nicht dran, was sein könnte.“
Währenddessen holte Oliver Alkohol, um im Bach eine „Poolparty“ zu machen. Ehrlich gesagt, war
Oliver da schon ganz schön besoffen. Er laberte unentwegt und konnte schon fast nicht mehr
gehen. Er sagte mit komischer Stimme: „Lasst uns eine Mutprobe machen. Wer traut sich vom
Wasserfall springen?“
„Bist du wahnsinnig! Es ist viel zu wenig Wasser. Da kommst du am Boden an und das könnte sehr
schmerzhaft werden“, sagte Hannes empört.
„Bist du feig oder was?“, antwortete Oliver.
„Nein, bin ich nicht! Ich springe auf keinen Fall, ihr könnt alle gerne springen, wenn ihr euer Leben
riskieren wollt!“ ,schrie Hannes.
„Ok, wenn du nicht willst, musst du nicht. Aber ich möchte springen. Wer ist noch dabei?“
antwortete Oliver ganz ruhig.
„Ich“, sagten Stefan und ich in einem Chor.
„OK! Kommt lasst uns springen!“
Oliver stand schon am Abgrund, als ich erst durch den Wald zu ihm ging. Als ich oben ankam, sagte
er:“ Bis gleich!!!“ und sprang.Zuerst dachte ich mir, dass das sicher nicht gut ausgeht. Doch er
tauchte nach seinem Bauchfleck gleich wieder auf. Das hatte sicher extrem weh getan, doch durch
den vielen Alkohol spürte er es nicht mehr. Er schrie nur: „Komm Jakob, das ist verdammt lustig!“
Als ich am Abgrund stand, zögerte ich kurz, dachte darüber nach, wie viel Alkohol ich getrunken
hatte. Mir blieb eh nichts anderes übrig, als zu springen und somit dachte ich nicht lange darüber
nach, was passieren konnte. Ich sprang einfach. Ich machte keinen Bauchfleck, so wie Oliver. Nun
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war Stefan an der Reihe. Er hatte noch fast keinen Alkohol getrunken und somit dachte ich mir,
dass da auch nicht sonderlich viel passieren würde. Er sprang gleich und überlegte nicht lange. Kurz
darauf war ein dumpfer Knall zu hören. Blitzschnell schaute ich hinauf in den Wald und sah eine
schwarze Gestalt verschwinden.
Es war der fürchterlichste Augenblick in meinem Leben, Stefan leblos fallen zu sehen. Er kippte
nach vorne und machte einen Bauchklatscher. Oliver lachte zuerst, weil er dachte, dass Stefan nur
einen Spaß machen würde.
“ Hör jetzt auf zu lachen und zieh ihn aus dem Wasser!!“, schrie ich ihn an.
Oliver befolgte meine Anweisungen und zog ihn heraus. Ein Loch klaffte in seinem Rücken. Ich
hatte mich nicht getäuscht. Jemand hatte unseren Freund angeschossen.
Ich legte sofort mein Ohr an seinen Mund, um zu hören, ob er noch atmete. Hoffte auf ein
Lebenszeichen. Doch es war nicht zu hören, man konnte auch keinen Puls mehr spüren! Er war tot.
Es war furchtbar für mich, meinen besten Freund tot neben mir liegen zu haben. Der
zweitschlimmste Gedanke war, das ganze nun seiner Mutter zu erzählen. Derweil telefonierte
Hannes schon mit der Polizei und es dauerte auch nicht lange bis man das Licht der
Autoscheinwerfer durch den Wald blitzen sah. Es waren zwei staatliche Männer, die in ihren
schwarzen Uniformen aus dem Auto stiegen und uns merkwürdig musterten. Die beiden kamen
gleich zu mir und fragten mich, was passiert sei. Ich erzählte ihnen alles, verschwieg aber, dass
Stefan von Zuhause abgehauen war. Ich dachte mir, dass das nicht so entscheidend sei, doch ich
dachte falsch.
Ich hoffte, dass sie so schnell wie möglich den Mörder finden werden. Und ich hoffte, dass der
Mörder eine ordentliche Strafe kassieren würde. Die Polizei verhörte uns alle und rief dann den
Leichenwagen, welcher Stefan mitnahm und in die Gerichtsmedizin zur Obduktion brachte.
Als der Leichenwagen wieder gefahren war, fragte uns der Polizist, wer und wo die Eltern des Toten
sind. Hannes erklärte ihm den Weg zu Stefans Haus. Nachdem wir wieder alleine waren,
beschlossen wir die Zelte abzubauen und nach Hause zu gehen. Nur Oliver wollte noch bleiben,
denn er hatte das alles aufgrund seines Alkoholspiegels nicht verstanden, doch wir überredet ihn,
mit uns nach Hause zu gehen. Hannes und ich waren sehr betroffen und konnten das alles nicht
verstehen. Und der Gedanke an Stefans Mutter ging mir auch nicht aus dem Kopf. „Was sie wohl
machen wird, wenn sie erfährt, dass er abgehauen und jetzt tot ist?“, stellte ich mir selbst die Frage.
Als ich zu Hause angekommen war, schlief meine Familie bereits. Ich schlich ins Haus, fiel in mein
Bett, schlug verzweifelt mit den Fäusten gegen meinen Polster.
Am nächsten Morgen weckte mich das Läuten meines Handys. Ich hatte unheimlich Kopfweh und
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der Klingelton nervte mich ungemein, trotzdem ging ich dran. Es war der Polizist von gestern. Er
hatte eine Nachricht für mich. Er wusste, wer der Mörder von Stefan war. Ich dachte, es sei
irgendein Unbekannter, welcher nichts Besseres zu tun hatte, als junge Menschen umzubringen.
Doch dann sagte er etwas, dass ich mein ganzes Leben nicht vergessen werde. Dieser Satz prägte
mein Leben und meine Gedanken über Erwachsene. Es war am Anfang nicht leicht zu glauben, was
er sagte, ich dachte mir, das gibt es nicht, das ist unmöglich. Doch dann sagte der Polizist es
nochmal: ,,Der Mörder von Stefan ist seine eigene Mutter!! Sie hat gestanden, ihren Sohn ermordet
zu haben.“ Und diesen Satz konnte ich nie mehr vergessen. Nie mehr.
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Dein Freund und Helfer
(Christina Grill)
Friedlich lag er da, der Grundlsee. Das steirische Meer, wie er auch genannt wurde. Die Oberfläche
zeigte sich spiegelglatt, keine einzige Welle brach sich am Ufer. Ich tauchte hinein und spürte das
Wasser. Letzte Nacht hatte es geregnet. Die Seetemperatur war gesunken.
Ich ging oft im Sommer mit meinen Freunden baden. Diesmal war ich jedoch alleine, wollte diesen
Tag nutzen. Der Herbst stand vor der Tür und damit das Ende der Badesaison.
Zusätzlich gab es noch einen Grund, warum ich heute alleine an den See kam. Ich erkundete den
See nach Schätzen. Meine beste Freundin Charlie und ich suchten immer nach gleich aussehenden
Steinen. Das waren dann unsere Freundschaftssteine. „Friend- Stones“, wie wir sie nannten .
Vielleicht würde ich auch alleine etwas Besonderes finden.
Ich schwamm hinaus. Tauchte unter. Jetzt gab es nur noch mich und das Wasser. Viele verschieden
große Steine waren zu sehen. Manche waren fast so groß wie ich. Einer sogar größer. Ich sah einen
Fisch vorbeischwimmen. Es war eine Forelle. Von unten sah ich ein Funkeln. Ich konnte aber nicht
erkennen, was es war. Zu viele Algen versperrten mir die Sicht. Also musste ich tiefer
hinuntertauchen, um den Grund zu sehen. Als ich mich an den Algen festhielt, um nicht
aufzutreiben, sah ich eine Hand. Ich tat die anderen Algen beiseite um mehr zu sehen. Und da war
sie.
Eine Leiche!
Erschrocken ließ ich die Algen los. Schnappte wie ein Fisch nach Luft, doch meine Lungen füllten
sich mit Wasser. Ich musste auftauchen. Luft holen. Ich schwamm so schnell es mir möglich war
nach oben. Dort atmete ich gierig. Was sollte ich jetzt tun? Noch mal runter tauchen? Oder war das
alles Einbildung? Meine Neugier war groß. Ich musste zurück. Nochmals schwamm ich hinunter zu
der Stelle, wo ich sie entdeckte. Was würde passieren? Ich rechnete mit dem Schlimmsten. Ich sah
wieder das Funkeln an der Stelle, wo ich die Gestalt entdeckte und schwamm dorthin. Ich suchte
hinter den Algen. Weiter rechts. Links. Doch wo war sie?? Ich bekam es mit der Angst zu tun. War
sie hinter mir? Über mir? Würde sie aus dem Nichts auftauchen und mich mit in die Tiefe reißen?
Doch nirgends war sie. Ich gab auf. Hatte ich mir alles nur eingebildet? Wahrscheinlich.
Ich ließ mich an die Wasseroberfläche treiben. Setzte mich wieder ans Ufer und wickelte mich in
mein Handtuch. War das wirklich gerade passiert? So unmöglich wäre das ja gar nicht, eine Leiche
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zu sehen. Aber wieso konnte ich sie nicht mehr finden? War alles Einbildung?? Ab und zu spielt mir
meine Fantasie einen Streich. Das wäre nicht das erste Mal. Und auch dieses Erlebnis wollte ich als
Hirngespinst abtun. Ich fror, wollte nur noch nach Hause. Rasch zog ich meine Kleidung an, schob
das Fahrrad zur Straße und wollte losfahren, doch dann sah ich meinen Nachbarn Franz Hengl auf
mich zu gehen. Er hatte ein komisches Lachen aufgesetzt und sein Blick wirkte nervös.
„Hallo Samantha.“ Ich hasse es, wenn man mich mit meinem vollständigen Namen anspricht.
„Hallo Franz“, sagte ich mit zittriger Stimme. Würde er merken, dass etwas nicht stimmte?
Hoffentlich nicht. Aber er war ja Polizist, also könnte ich eigentlich, oder eher müsste ich es ihm
erzählen.
„Du woast schwimmen oder?“
„Ähm, jo.“
„Und? Wie woas?“
„Eigentlich eh recht lustig.“ Eine glatte Lüge.
„Woast tauchen a?“
„Jo, aber nit long.“
„Host wos entdeckt oder g’ funden do unten?“ Bildete ich mir das nur ein oder zuckte sein Auge?
Irgendwie gruselig. Aber was sollte ich nur sagen? - Ja, eine Leiche. Nein ich hab sie nicht da
reingeworfen. Du glaubst mir nicht? Was? Gleich mit ins Gefängnis? – Das wäre keine gute Idee.
Ich könnte lügen, wär ja nicht das erste Mal.
„Jo, sicher.“
„Und wos?“ Sein Tonfall wurde ernst und sein Blick durchbohrte mich. Ich kramte in meiner
Tasche herum. Vielleicht hatte ich etwas dabei? Hoffentlich.
„Also, wos host jetzt g’ sehn?“, drängte er mich. Zum Glück waren einige Friend- Stones vom
letzten Mal in der Tasche. Ich zeigte sie ihm.
„Aso.“ Er lächelte. „Muas jetzt nu wohin. Pfiati. “
„Pfiati Franz.“ Und weg war er. Jetzt ab aufs Rad und los.
In dieser Nacht konnte ich kaum schlafen. Ich musste immer wieder an die Leiche denken. Ich
schwamm im Traum nochmals zu diesem Funkeln. Wieder sah ich sie. Nur dieses Mal riss mich die
Hand mit. Zog mich in die Tiefe. Vorbei an dem Holz, vorbei an den Steinen. Sie ließ mich los. Ich
war erleichtert. Doch plötzlich fingen sich die Algen seltsam zu bewegen an. Ich wollte aus dem
Wasser. Ich schwamm. Und schwamm. Als ich fast an der Oberfläche angekommen war, schlang
sich eine Alge um meinen Fuß. Ich riss sie ab. Doch kaum hatte ich diese besiegt, kam schon die
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zweite! Und eine dritte! Es folgten so viele, dass ich nichts mehr dagegen tun konnte. Sie zogen
mich immer tiefer. Ich hatte keine Chance und ertrank.
Am nächsten Morgen wachte ich schweißnass auf. „Zum Glick nur a Tram“, dachte ich.
Ich stand auf und ging ins Badezimmer, um zu duschen. Ich drehte das Wasser auf und spürte
förmlich, wie mir die Sorgen abfielen. Es war befreiend. Ich zog mich um und machte mich auf den
Weg zum Bus. Dort eingestiegen, setzte ich mich auf meinen Stammplatz. Sollte ich es den anderen
erzählen oder es lieber für mich behalten? Ich glaubte, dass es besser wäre, wenn ich es nur Charlie
und Amy erzählte. Meinen besten Freundinnen konnte ich ja vertrauen.
Wer wusste schon, was die anderen sagen würden? Ich konnte es mir bildlich vorstellen. Sie zielten
mit ihren Fingern wie mit Pistolen auf mich und ihre Kommentare schmerzten wie Schüsse.
„Do kimmt die Lebendige, die Tote sieht!“ oder „Nimmst Du mi des nächste Moi mit zum
Leichenschmaus?“ könnte ich öfter zu hören bekommen. Weil ich nicht der Typ war, der sich gut
mich Worten rechtfertigen konnte, wollte ich so etwas möglichst vermeiden.
Der Bus hielt an. Ich stieg aus und ging die Straße entlang zur Schule. Vor den Spinden warteten
auch schon meine Freunde auf mich. Ich begrüßte sie mit einer Umarmung und als ich mir Schuhe
und Jacke ausgezogen hatte, gingen wir die Treppe hinauf.
„Und, wos wor bei eng so los?“, fragte Charlie.
„Z’ wenig. Bei dir Sam?“, sagte Amy.
„I muas eng wos erzöhn.“ Doch in diesem Augenblick klingelte auch schon die Schulglocke.
„Nächste Pause im Gang. Okay?“
„Passt“, sagten sie, wie aus einem Mund.
Wir gingen in die Klasse, stellten die Schultaschen zu unseren Plätzen und holten das
Geschichtsheft und Buch heraus. Die Lehrerin kam, wie immer, erst nach zehn Minuten. Während
der Stunde überlegte ich, wie ich die Geschichte mit der Leiche am besten erzählen könnte. So
kompliziert wird es schon nicht werden, grübelte ich.
Als es läutete, gingen wir wie ausgemacht in den Gang und setzten uns auf den Boden.
„Also?“, fragte Amy.
„I wor gestern schwimmen. Und beim Tauchen hob i a Leiche gsehn.“
„Du host a Leiche gsehn…!?“, sagte Amy, während Charlie vor Schreck kein Wort heraus brachte.
„Doch es stimmt. I hob nit g’ wusst wos i doa soid. I bin rauf g’ schwommen und donn wieder
runter. Donn wor’ s weg“, ergänzte ich leise.
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„Wie hot sie ausg’ schaut?“, erkundigte sich Charlie, die ihre Stimme wieder gefunden hatte.
„Braune Haare, um die 30. I werd’ nie ihren fürchterlichen Blick vergessen..“ Mir kamen still die
Tränen. Die beiden nahmen mich in die Arme, um mich zu trösten. Es tat gut, verstanden zu
werden.
„Du muasst zur Polizei! Der hot sicher an Unfall g’ hobt, oder is vielleicht sogar ermordet worden!“
„Ageh! Sicher nit!“
„Woasst du’s?“
„Hey! Hert’s auf mit der Streiterei!“, unterbrach ich sie und wischte mir die Tränen aus dem
Gesicht. „Der Franz wor a do und hot mi ausg’ frogt.“
„Wie ausg’ frogt?“, erkundigte sich Charlie.
„Wos i do ho und wos i g’ sehn ho. “
“Irgendwie komisch...“ Zum Glück sah man mir nicht an, dass ich geweint hatte. „I schau moi wos
in nächster Zeit passiert und donn sehn ma’ s eh.“
Sie nickten verständnisvoll und wir gingen zurück in die Klasse. Den restlichen Schultag verbrachte
ich eher still auf meinem Platz. Nach der letzten Stunde gingen wir wieder die Treppe runter, zogen
uns Jacke und Schuhe an und stiegen in den Bus. Um uns herum war es laut. Alle redeten oder
lachten. Nur wir saßen still auf den Plätzen und warteten darauf, endlich unsere Bushaltestelle zu
sehen. Als ich ausstieg, war nur ein leises „Tschüss, bis morgen“ zu hören.
Mein Nachhauseweg führte mich am Grundlsee entlang und ich musste sofort an das Ereignis
denken. War die Leiche noch dort unten? Wurde sie schon entdeckt? Wie lange war sie überhaupt
schon dort unten? War es ein Unfall oder wirklich ein Mord, wie Amy gesagt hat? Ein Mord? Bei
uns? Das hört sich, dann schon seltsam an. Wer sollte denn schon in unserem kleinen Ort jemanden
umbringen? Höchstens der Bauer die Kuh. Aber so ein richtiger Mord?
Naja, vielleicht würde es ja genau deswegen mal Zeit dafür?!
Ich öffnete die Haustür und trat ein. „Hi Mama! Wos gibt’s zu essen?“
„A Schnitzel. Passt des eh?“
„Sicher!“ Ich warf meine Schultasche in eine Ecke, setzte mich auf meinen Platz und aß genüsslich
meine Leibspeise. Mhhh… Meine Mama war die beste Köchin auf der Welt! Leider musste sie
mittags meistens arbeiten und dann musste ich kochen. Und das war mehr schlecht als recht! Nach
dem Essen nahm ich mir die Zeitung und die Schultasche mit auf mein Zimmer.
Ich setzte mich zu meinem Schreibtisch und machte meine Hausaufgaben. Ich fing mit Mathe an
und arbeitete mich langsam bis zu Englisch vor. Zum Schluss kam Deutsch, das war zum Glück
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nicht so viel wie sonst immer! Nach getaner Arbeit schlug ich die Zeitung auf, um wieder up- todate zu sein . Sonst übersprang ich die ersten Seiten immer, weil mich dieser ganze politische Kram
nicht interessierte. Doch heute war es anders. Mich überkam das Gefühl, dass es heute nicht
schaden könnte. Ich las Artikel für Artikel. Und da sah ich es. Dick und fett, schwarz auf weiß stand
es da: LEICHENFUND IN GRUNDLSEE/BAD AUSSEE. Mir stockte der Atem. War das meine
Leiche, die da gemeint war? Oder nur Zufall? Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich las weiter:
Gestern wurde eine Leiche in der Traun (Grundlsee/Bad Aussee) gefunden. Sie wurde als Regina
Stangl identifiziert. Bei der Obduktion stellt man Blutergüsse am Oberkörper und Schnittwunden
am Hals fest. Die Polizei vermutet, dass sie zuerst misshandelt, stranguliert und dann in den
Grundlsee geworfen wurde. Von dort trieb sie in den weiterführenden Fluss die Traun, wo sie von
der Feuerwehr aus dem Wasser gezogen wurde. Die Polizei fordert alle auf, die Hinweise zu diesem
Fall haben, sich zu melden.
Oh mein Gott! Amy hatte Recht! Es war also wirklich ein Mord… Also musste ich doch zur Polizei.
Aber eigentlich hatte ich keinen einzigen Hinweis. Ich hatte die Leiche gesehen … das war es dann
auch schon! Wofür also dahin? Ich könnte ja auch wieder zum See und dort nach irgendetwas
suchen. So einfach konnte ich dieses Geschehnis ja auch nicht vergessen! Ich musste dort hin! Am
besten gleich morgen mit Amy und Charlie. Heute wollte und konnte ich einfach nicht mehr. Ich
war zu müde für das alles. Ich musste neue Kräfte sammeln und erst dann konnte ich mich zu
irgendwas aufraffen.
„I hob’ s dir doch g’ sogt!“
„I woas…“
„Wie wär’ s mit ’ner Entschuldigung?“
„Für wos??“
„I hob recht g’ hobt und du nit.“
„Na und? I entschuldig’ mi nit!“
„Doch des wirst du!“
„Na wieso soid i?“
„Hey! Kinnt’ s ihr a ohne Streiten?“ Warum mussten die beiden immer und immer wieder streiten??
War auch egal. Ich hatte jetzt wichtigere Sorgen.
Ein leises „Entschuldigung!“ war zu hören.
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„Endlich… Wos soid i jetzt doa? Kemmt’ s ihr donn mit zum Tauchen?“
„Sicher! “, antworteten sie gleichzeitig.
„Wenigstens do seid ihr eng einig!“ Ich lächelte und war schon gespannt auf diesen Nachmittag.
Nach dem Essen schnappte ich mir mein Rad und trat so schnell ich konnte in die Pedale. Würden
wir mit einem Hinweis zurückkommen oder bliebe der große Fund nur ein Traum? Ich hoffte, in der
Eile nichts vergessen zu haben! Jetzt war es auch schon egal. Ich war fast da. Von Weitem sah ich
schon die Fahrräder von Amy und Charlie. Ich stellt meines dazu und lief zu ihnen.
„Hey. Hobt’ s eh auf mi g’woatet?“, fragte ich.
„Natürlich.“
„Donn legen wir moi los!“
Wir gingen ins Wasser und schwammen hinaus. Ich musste voran, denn nur ich wusste wo wir
suchen mussten. Nun tauchten wir hinunter. Vorbei an den Steinen. Vorbei an den Algen. Hier
musste es doch gewesen sein! Plötzlich sah ich wieder dieses Funkeln! Ich deutete den anderen
aufzutauchen. Sie verstanden mich.
„Hobt’ s ihr das Funkeln g’ sehn? Do hob i de Leiche entdeckt. Schauen ma moi wos des is!“
Wieder tauchten wir runter. Ich tauchte genau darauf zu. Wieder waren mir die Algen im Weg. Ich
bekam Angst, dass die Leiche wieder auftauchen könnte. Doch das tat sie nicht. Zum Glück. Ich tat
die Algen beiseite und schwamm noch näher. Nun konnte ich es erkennen. Es war eine goldene
Brosche! Doch es war keine billige, die es bei irgendwelchen Geschäften im Ausverkauf gab. Sie
sah teuer aus. Sehr teuer! Ich hob sie auf und schwamm mit ihr nach oben.
„Schwimmen wir zum Strand!“, sagte ich.
Amy und Charlie nickten nur und wir gingen aus dem Wasser. Wir setzten uns und begutachteten
das Stück.
„Glaubst Du die hot der Leiche g’ hört?“, fragte Charlie.
„Vielleicht. Kinnt a wer andrer verloren haben-“, fügte ich hinzu.
„De hob i schon moi wo g’ sehn!“, unterbrach mich Amy und nahm die Brosche an sich. „De is nit
billig! Nur wos für Reiche, aber wer is so reich, dass er sich des leisten ko? Wor de Frau reich?“
„Keine Ahnung. Stand nit in der Zeitung. Miassad ma sich erkundigen. Wahrscheinlich soid i doch
zur Polizei.“
„Hallo“, sagten Amy, Charlie und ich gleichzeitig.
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„Hallo. Wie ko i eng höfn?“, sagte Franz.
„I hob vorgestern doch mehr g’ sehn. I hob de Leich dort beim Tauchen g’ sehn, nur donn woas
weg.“
„Du host mi belogen?!“ So aufgebracht hatte ich ihn noch nie gesehen.
„I wor in Panik! Und im Zeitungsartikel stand, dass olle de Hinweise hom, zur Polizei gehen
sollen!“
„Entschuldigung.“ Er beruhigte sich langsam. „Wor sonst nu wos?“
„Na. I hoff der Mörder wird bald g’ funden. Wir gehen jetzt wieder. Pfiat di.“
„Der Mörder is bereits g’ funden.“
„Wer wor’ s?!“, wollten Amy und Charley gleichzeitig wissen.
„Ihr Mann. Sie sind seit 20 Johren verheiratet, nur die Ehe bröckelt schon long. Er hot gedocht, dass
sie fremd geht und hot sie aus Eifersucht umgebrocht. Doch er sitzt nu nit im Gefängnis, weil wir
Beweise brauchen.“
„Wow. Des hätte i jetzt nit gedocht. Pfiat di.“
„Pfiat di.“
Als wir aus dem Polizeigebäude gingen, fragte mich Charlie: “Warum host nichts g’ sogt? De
Brosche hätte er bestimmt braucht!“
„De hom den Täter doch schon!?“, antwortete ich.
„Doch, nur de Polizei wird’s mehr brauchen als wir. Oder wos sollen wir damit mochn?“
„Wir gehen auf Spurensuche! I glaub nit, dass der Herr Stangl seine Frau ermordet hot. Nit aus
Eifersucht.“, schlug Amy vor. „Einverstanden?“
„Okay, aber wo sollen wir suchen?“, fragte ich.
„Wir fragen den Herr Stangl ob die Brosche seiner Frau g’ hört hot.“
Gesagt - getan. Und schon standen wir vor der Haustür der Familie Stangl. Ich wusste zwar selbst
nicht, was uns das bringen sollte, aber wir hatten nichts zu verlieren.
„Hallo Herr Stangl. Mein Beileid wegen ihrer Frau“, sagte ich einfühlsam.
„Danke. Und genau jetzt wär’ s mit unserer Ehe bergauf gegangen wär. Sie wor mein Leben…“
Seine Augen wurden glasig und eine Träne rann aus seinem Augenwinkel die Wange herunter.
„Wir wollten eigentlich gor nit long stören, nur wir hätten do a Frage.“
„Hot de Brosche ihrer Frau g’ hört?“, fragte Amy. „Wir hom sie am Ufer vom Grundlsee
funden.“ Sie zeigte ihm die Brosche. Er erkannte sie sofort.
„Jo de hot sie immer dabei g’ hobt.“
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g’
„Hom Sie die Brosche ihrer Frau g’ kauft?“
„Na, sie hot g’ sogt, ihre Tante hot’ s ihr g’ schenkt.“
„Und wo wohnt die Tante?“, erkundigte sich Charlie.
„Des Haus rechts.“ Er deutete auf das große, alte Haus, das eher wie eine Villa aussah. Das Haus
umschloss ein schöner Garten mit vielen Bäumen und einer großen Terrasse. Auch wundervolle –
wenn auch etwas kitschige – Statuen von Engeln zierten das Paradies.
„Danke, dass Sie uns weiter g’ hoifn hom“, bedankte sich Charlie.
„Warum hobt ihr des eigentlich wissen wollen?“, fragte Herr Stangl mit einem misstrauischen
Blick.
„Wir glauben an ihre Unschuld und wollen des beweisen“, sagte ich entschlossen. Dann gingen wir
die Straße bis zum Haus der Tante entlang und ich konnte noch bevor Herr Stangl hinter der Tür
verschwand sehen, wie ein Lächeln über seine Lippen kam und ich dachte mir „Er is definitiv kein
Mörder!“ Als Amy geklingelt hatte, machte uns eine alte und runzelige Frau auf. Sie hatte bestimmt
schon bessere Zeiten hinter sich!
„Hallo. Wir wollten fragen ob Sie de Brosche schon moi g’ sehn hom.“ Und auch dieses Mal zeigte
Amy die Brosche her.
„Na. I hob nu nie so a Brosche g’ sehn, geschweige denn g’ kauft. Solche Dinger sind nur unnötig
und Staubfänger. Warum?“ Ich habe noch nie in meinem bisherigen Leben so eine unfreundliche
und boshafte Person gesehen! Ich glaube es ist besser wenn sie nicht zu viel weiß oder überhaupt
etwas. Sie scheint so, als ob sie uns bei dem nächsten falschen Wort den Kopf abhacken würde,
schießt es mir durch den Kopf.
Als könnte Amy meine Gedanken lesen, antwortete sie: „Wir hom die Brosche am Gehsteig g’
funden und hom docht sie g’ hört vielleicht Ihnen. Aber da des nit der Fall is gehen wir jetzt wieder.
Auf Wiedersehen und Entschuldigen Sie de Störung.“ Bei dem letzten Satz setzte Amy ein so
zuckersüßes und unschuldiges Lächeln auf, dass man meinen hätte können, die Tante müsste sich
gleich übergeben. Ohne auch nur ein Wort des Abschiedes knallte sie uns die Tür vor der Nase zu
und wir gingen lachend weiter.
„Aber wenn ihr Mann und ihre Tante de Brosche nit g’ kauft hom, wer donn?“, fragte sich Amy.
„Warum hätte de Frau Stangl den Herrn Stangl belügen soin?“
„Jeder hot seine Geheimnisse. Auf zum Juwelier!“, sagte ich.
„Wos willst du beim Juwelier?! Shoppen kost a später “, sagte Amy verwundert.
„Na i versteh schon“, sagte Charlie. „Der Juwelier in Aussee ko ins weiterhöfn! Der wird wissen
wer die Brosche g’ kauft hot!“
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Wenigstens eine, die mit dachte!
Nun standen wir vor dem Juwelier und wussten nicht, was wir tun sollten. Würden sie uns
überhaupt etwas sagen dürfen? Gibt es nicht genau dafür den Datenschutz? Aber so genau wusste
ich das jetzt auch wieder nicht.
„Überlasst die Sache mir… “, sagte Amy. Sie nahm die Brosche, warf noch einmal einen prüfenden
Blick in den Taschenspiegel und ging mit wackelnden Hüften und einem verführerischen Blick auf
den Verkäufer zu. Charlie und ich sahen uns die Szene genüsslich an und mussten lachen. Das war
so typisch für Amy. Immer wenn ein männliches Wesen, das nicht älter als 19 war, anwesend war,
musste sie sich auf ihn stürzen und mit ihm flirten und immer wieder fielen die Jungs darauf rein!
Man konnte sie mit einer hungrigen Löwin vergleichen, die immer auf der Suche nach neuen
Opfern war. Nach kurzer Zeit kam sie mit zwei Zetteln in der Hand aus dem Geschäft heraus.
„Wos host do?“
„Auf dem ersten Zettel steht die Handynummer von dem feschen Verkäufer und auf dem zweiten
der Name des Besitzers der Brosche. Wer glaubst hot’ s g’ kauft?“
Ich nahm sofort den Zettel und las den Namen. „Na!“
„Oh doch! Unglaublich oder?“
„Franz Hengl.“ Jetzt riss mir Charlie den Zettel aus der Hand, um sich selbst zu überzeugen.
„Der hot ihr de Brosche g’ schenkt! Er is die Affäre wegen der die Ehe der Stangl g’ bröckelt hot!“,
stellte Charlie fest.
„Er wor der Mörder! Wir miassn zur Polizei. Jetzt!“, befahl Amy.
„Da Franz is aber Polizist. Der muas sicher orbeiten!“, sagte ich.
„Wir miassn’ s riskieren. Vielleicht hom wir Glick.“
Und wir hatten Glück. Keine Spur von diesem hinterhältigen Mörder. Wir liefen voller Eile auf den
anderen Polizist zu, als würde uns ein Bienenschwarm verfolgen.
„Wir wissen, wer der wahre Mörder von Regina Stangl is!“
„Wirklich? Wer denn?“, sagte der Polizist mit einem Grinsen im Gesicht, als wären wir Verrückte.
„Franz Hengl“, sagte ich.
„Und warum seid ihr so überzeugt davon? Der wahre Mörder is ihr Mann. Oder hobt ihr Beweise?“
„Des soin ma glauben. Der Herr Hengl hot a Affäre mit der Frau Stangl g’ hobt und des hot ihr
Mann vermutet. Der Hengl hot ihr de Brosche g’ kauft und wollte, dass sie ihren Mann verlässt. Nur
jetzt hot sie ihren Mann mehr geliebt, in der Ehe ging es bergauf und sie wollte sich vom Hengl
trennen. Nur der hot sich gedocht „Wenn i sie nit hom ko, donn niemand!“ und hot sie umgebrocht.
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Jetzt wollte er des dem Herr Stangl anhängen, weil er ihn dafür hasst, dass er seine Geliebte
bekommt und nicht er.“
„Aber wenn er sie so g’ liebt hot, warum hot er sie vorher misshandelt?“, fragte de Polizist.
„Damit sie genauso leidet wie i g’ litten hob! “ Wir drehten uns um. Wir hatten nicht bemerkt, wie
Franz Hengl die Tür hereinkam. Er hatte ein hasserfülltes Lachen im Gesicht und eine Pistole in der
Hand, die auf uns gerichtet war.
„Also stimmt des olles Franz?! Du hättest sie jo nit umbringen miassn! Du woast, dass i di
festnehmen muas…“
„Des dad i an deiner Stelle nit. Immerhin hob i de Pistole nit du.“
„Hey! Und wos sogst donn unseren Eltern wenn wir tot sind??“, fragte Amy in einem
provozierenden Ton.
„Du bist jetzt moi leise, sonst bist du de erste, mein Schatz.“ Er war ganz nahe bei ihr und hielt ihr
die Pistole unters Kinn. Er lachte. Doch Amy schien ganz ruhig, er war so auf sie fixiert, dass ich
mich nach hinten schleichen konnte, um mir eine Buchstütze aus schwerem Messing zu nehmen.
„Nenn mi nie wieder Schatz“, sagte Amy, bevor sie ihm in seine Visage spuckte.
Genau in dem Moment, als er sie zur Seite stieß, um mehr Platz zu haben, schlug ich ihm die Stütze
über sein Haupt und er fiel zu Boden. Einige Sekunden lag er nur da und rührte sich nicht. Es war
still. Totenstill. War er nur verletzt oder gar tot? Er hatte eine Wunde auf dem Kopf. Das dunkelrote
Blut rann auf den Teppich. Die Flecken würde man nie mehr herausbringen. Der andere Polizist
durchbrach die furchtbare Stille und rief die Rettung. An das, was in den nächsten Minuten und
Stunden geschah, konnte ich mich nur noch verschwommen erinnern. Hengl wurde verarztet und
dann verhaftet. Der Fall kam in die Zeitung und bis jetzt verging kein Tag, an dem ich nicht darüber
nachdachte, was gewesen wäre, wenn der Mörder nicht zurückgegangen wäre und gleich
geschossen hätte.
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Hass
(Benno Hacker)
Hass?! Was ist das? Eine körperliche Regung? Ein Fehler im Gehirn? Oder ein zum Menschen
passendes Gefühl? Ich habe bisher noch nie gehört, dass Tiere hassen. Ihn empfinden immer nur
Menschen. Hass hat viele Seiten, gute findet man selten. Auch ich musste das am eigenen Leib
erfahren. Es gab einmal eine Zeit, in der ich dachte, dass Hass eine lebenswichtige Regung ist.
Damals hasste ich viele Leute, heute nur noch mich. Damals dachte ich, dass alle die nicht hassen,
nicht würdig sind zu leben und alle die, die falschen Leute hassen ebenso. Aber am meisten hasste
ich die, die nicht so waren wie ich oder die nicht das taten, was ich von ihnen wollte. Und nur
aufgrund meines Hasses machte ich Fehler, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Heute will
ich die ich Tat nur noch wiedergutmachen.
Ich sitze auf einer Holzbank und schaue dem Mann, der mir gegenübersitzt, fest in die Augen. Wie
er das alles aufnehmen wird? Seine Unruhe ist deutlich zu spüren. Durch das Gitter merke ich, wie
ihm der Angstschweiß auf der Stirn steht. Ich kann ihn zwar nicht gut sehen aber es reicht, um zu
wissen, dass er lieber sein Leben behalten und mich nicht verraten will, als mich zu verraten und zu
sterben …
Da ich ihm das noch mal vor Augen führen will, frage ich ihn mit liebenswürdiger Stimme:
„Du wirst deine Pflichten als Beichtvater auch in diesem besonderen Fall nicht vernachlässigen,
oder?“
„Ne-Nein werde ich nicht, versprochen“, antwortet er mit brüchiger Stimme.
„Ich werde jetzt gehen. Sie bleiben sitzen und nach ein paar Minuten können Sie ebenfalls den
Beichtstuhl verlassen. Hören Sie?“
Sein Nicken erahne ich mehr, als dass ich es sehe.
Ich will den Kirchturm besichtigen. Ich bezahle die geforderten „freiwilligen“ Spenden und fange
an die Treppe hochzusteigen. Ich zähle mit und komme auf 164 Stufen. Eine schöne Zahl denke ich
und trete an das Geländer. Es ist nur halbhoch, mir reicht es gerade zum Bauch. Vom Turm aus
schaue ich zum Mittelteil der in klassischer Form gehaltenen Kirche. Das Dach vor mir war früher
einmal mit roten Dachziegeln belegt, heute sind viele Löcher darin und die Dachziegel, die noch da
sind, sind von grünem Moos bedeckt. Ein Windstoß trifft mich. Mir wird richtig kalt. Ich wechsle
die Seite und schaue jetzt direkt auf den kleinen Platz vor dem Eingang unter dem Turm. Ich halte
mich an dem kalten Eisengeländer vor mir fest. Ich denke über die Worte des Pfarrers nach. Sprach
er die Wahrheit, als er meinte, dass man beim Sterben noch mal sein ganzes Leben vor Augen sieht?
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Nein, eigentlich kann das gar nicht sein. Ist das dann vielleicht die Hölle? Ist die Hölle nur die
Erinnerung an alles, was man falsch gemacht hat? An alle schmerzhaften Entscheidungen des
Lebens? Wenn dann die Worte des Pfarrers der Wahrheit entsprachen, erlebt ja jeder Mensch die
Hölle. Egal wie viel Gutes oder Böses jemand getan hat. Eine Hand berührt meine Schulter. Als ich
mich umdrehen will, verhindert dies jemand. Derjenige flüstert mir gleich darauf leise ins Ohr:
„Ein schönes letztes Treffen, hier oben.“
Die Hand fängt plötzlich an, mich nach vorne zu schieben. Als ich mich vom Geländer abstoßen
will, gibt es nach. Ich falle. Das Geländer ist immer noch in meiner Hand. Eine einzige Wolke steht
am Himmel. Sie ist zart wie eine Feder. Ein starker Wind zerrt an dem Geländer. Habe ich mich
doch verzählt mit den Stufen? Eigentlich dauert mein Sturz bereits viel zu lange. Plötzlich habe ich
das Gefühl, als würden meine Arme ausreißen. Das Geländer ist noch gar nicht heruntergefallen,
wie ich jetzt bemerke. Eine Hand hält es fest. Die Hand gehört einem Mann:
Meinem Beichtvater! Nein, doch nicht, wie ich jetzt bemerke. Sie sehen sich nur sehr ähnlich. Ich
kenne den Mann, aber woher?
„Lass ihn fallen, für ausgiebige Rache ist später noch genügend Zeit.“
„Falls er es überleben sollte. Es sind auch schon Menschen aus niedrigeren Höhen gefallen und
gestorben.“
„Der ist robust gebaut und falls er nicht überleben sollte, ist es auch egal.“
Als ich in die Straße einbiege, merke ich, dass das ich in die Altstadt gekommen bin. Alle Hauser
sind sehr alt und haben kaum noch Farbe an der Fassade, manche sind sogar schon in sich
zusammengebrochen. Eben bin ich noch an prachtvollen frisch aufgestellten Häusern
vorbeigegangen, während jetzt für jedes zweite Haus jede Hilfe zu spät ist. Ich schaue mich kurz
um. Das Haus neben mir hat die Nummer 124. Ich suche die Nummer zwei!
Sofort fällt es ins Auge. Es ist aus Holz und hat einen dunkelbraunen Anstrich, zweistöckig und
besitzt einen kleinen Vorgarten, mit nahezu englischem Rasen. Der Weg in den Garten geht durch
ein Tor mit farbenfrohen Ranken, das die einzige Lücke in der sonst perfekten Hecke darstellt.
‚Immer für Überraschungen gut‘, denke ich mir, während ich in die gut versteckte Kamera lächle.
Als ich an der Tür ankomme, wird diese gerade von einer lächelnden Frau in ihren besten Jahren
aufgemacht.
„Hallo, komm doch rein.“
Bevor ich ihrer Aufforderung folge, schaue noch mal die Straße auf und ab, aber ich kann wieder
niemanden ungewöhnlichen entdecken. „Wirst du verfolgt?“, fragt sie, während die Tür zuschlägt.
„Ich weiß es nicht, aber ich habe so das Gefühl als ob.“
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Dass ich nicht einfach so ein Gefühl habe, weiß sie sehr genau. Dennoch sagt sie nichts. Das Haus
ist gut beheizt. Das Vorzimmer führt in einen Flur von dem die Zimmer abzweigen. Die Frau führt
mich direkt in das erste Zimmer. Es ist die Küche. Außer einem Herd, einem Kühlschrank und einer
Arbeitsplatte ist hier auch ein mit Kuchen und Kaffee gedeckter Tisch.
Sie weist mir einen Stuhl vor dem ein kleines Küchlein auf einem kitschigen Teller steht.
Da ich ein Mann bin der gern schnell zur Sache kommt, spreche ich sie gleich auf mein Problem an:
„Als ich auf dem Computer, den Sie mir gegeben hatten, nach Informationen über Ihren Vater
suchte, fand ich vor allem eines:
Informationen über Projekte einer Gruppe, die Firmen infiltriert und Daten über geplante Projekte
dieser Firmen.
Ihr Vater hatte Informationen über eine Vereinigung die Wirtschaftsspionage im großen Stil betreibt.
Woher hatten Sie den PC überhaupt?“
„Papas letzter Vermieter hat ihn mir zugeschickt, warum?“
„Ich werde, seit ich mit ihm in einem Hotel ins Netz gegangen bin, verfolgt. Die wollen mich tot
sehen!
“Aber sie werden Sie nicht tot sehen oder doch?“
„Ich hoffe nicht.“
Plötzlich explodiert etwas. Alles um mich herum ist wie im Himmel, viel zu viel weiß. Ich höre nur
unverständliche Laute. War ich bewusstlos? Plötzlich bewegt sich jemand oder etwas schnell auf
mich zu. Ich spüre wie mich etwas auf der Wange trifft und meinen Kopf beiseite schleudert. Ein
Brummen erfüllt mein ganzes Ohr und mir wird schwarz vor den Augen.
Zwei Männer reden mit einander. Wer sind die? Und was wollen die? Haben sie jetzt was sie
wollen? Oder wollen sie mich? Rational denken. Jetzt höre ich keinen einzigen Ton mehr. Staub
erfüllt die Luft. Ein Krachen, ich schrecke auf und sehe gerade noch wie die Wand die auf meiner
linken Seite ist zu mir hin umkippt. Mir fällt irgendetwas Schwereres auf den Kopf. Ich falle zu
Boden.
Neben mir zischt die Uhr vorbei. Über mir sehe ich noch das hämische Grinsen des Mannes, der
mich geschubst hat. Der Boden kommt schnell näher. Plötzlich bleibt alles stehen. Ich hänge auf
dem Rücken in der Luft. Nein unter mir ist etwas. Komisch ich habe die Landung gar nicht gespürt.
Ist das Gras unter mir? Wo bin ich und wie bin ich hier hergekommen? Plötzlich strömt es auf mich
ein. Die Kopfschmerzen überwiegen alles. Ich spüre nur meinen Kopf und der pulsiert. Ich richte
mich langsam auf alles dreht sich eine Weile, sodass mir ganz übel wird. Vor mir liegt ein anderer
Mann. Er ist voller Staub und hat überall Schürfwunden. Sein Kopf! Was ist damit passiert. Mir
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wird schlecht und ich erbreche mehrere Male bevor ich mich dazu durchringe meinen anzufassen.
Mein Kopf ist kalt, eiskalt. Und viel härter als ich ihn in Erinnerung habe. Oder ist er womöglich
genauso wie der von dem Mann zu meinen Füßen aus Eisen? Ich spüre Glas und sehe plötzlich
meine Hand. Ich kann alles sehen. Ich sehe die einzelnen Verbindungen und wie sie aufgebaut sind.
Ich weiß plötzlich, wie meine Hand funktioniert wie sie aufgebaut ist und wie sie sich vernichten
lässt. Ich denke nur noch eines bevor alles schwarz wird: Vernichten?
60
Blaue Augen
(Eva Haim)
Eine Stimme weckte mich. Meine Augenlider waren schwer, ich konnte sie nicht öffnen. Doch ich
hörte jemanden reden, jedoch verstand ich die Bedeutung der Worte nicht.
Mein Kopf brummte. Als hätte ich am Vortag zu viel getrunken.
Gestern! Was war eigentlich gestern?
Ich versuchte mich zu erinnern. Ich war mit Natascha in der Disco. Und dann?
Dann war da ein riesiges Loch.
Endlich gelang es mir, meine Augen zu öffnen. Ich sah meine Freundin Lena neben mir sitzen. Ich
wollte mich aufsetzen, doch mein Kopf versetzte mir einen schmerzvollen Stich, sodass ich nur ein
genervtes Brummen von mir gab.
Lena, die fast eingeschlafen wäre, schrak durch mein Brummen auf.
„Sie kommt zu sich“, sagte sie erst leise, dann lauter und irgendwann brüllte sie es. „Sie kommt zu
sich!“
Dann hörte ich jemanden in den Raum kommen. Schemenhaft erkannte ich eine Krankenschwester.
Erst dann bemerkte ich, dass ich nicht zu Hause war.
„Wo ...“,
“ Du bist im Krankenhaus“, unterbrach mich Lena. „ Stevie, der Securitybeamte von der Disco, hat
dich mit einer riesigen Platzwunde gefunden. Du bist mitten am Parkplatz gelegen. Du hattest
gestern wohl eine kleine Prügelei und mit welchem schiachen Hawara ist eigentlich Natascha
wieder mitgefahren? Sie ist nämlich seit eurem Besuch in der Disco nicht mehr aufgetaucht.“
Ich wollte antworten, doch mein Kopf wurde schwer und meine Augen fielen zu.
Als ich wieder aufwachte, war Lena weg und eine Krankenschwester stand neben mir.
Als sie bemerkte, dass ich aufwachte, ging sie aus dem Zimmer und kam mit meiner Mutter zurück.
Sie schaute mich böse an, obwohl sie dennoch sichtlich darüber erleichtert war, mich hier lebend zu
sehen.
Ich glaube, sie hatte Angst um mich. Sie würde sicher wissen wollen, was passiert ist. Aber was
sollte ich ihr erzählen? Ich wusste doch selbst nicht, was passiert war oder wo Natascha sich befand.
„Ach Kind“, seufzte meine Mutter.
Mir war klar, dass jetzt ein langer Vortrag folgen würde. Das war immer so. Ich verletzte mich und
meine Mutter klärte mich über die Gefahren des Lebens auf.
„Was hast du dir eigentlich nur dabei gedacht?“
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„Gedacht!? Was sollte ich mir schon groß denken!?“
„In einem anderen Ton mein Fräulein! Und eigentlich bist du alt genug um auf dich aufzupassen
und über deine Entscheidungen nachzudenken!“
„Wenn ich wüsste was ich gemacht habe oder was passiert ist, könnte ich dir sagen was ich mir
dabei gedacht habe!“
„ Ja das mein liebes Kind kommt vom vielen Alkohol!“
Ich verdrehte die Augen.
Das war wieder typisch meine Mutter. Als sie es endlich einsah, dass ich mich an nichts mehr
erinnern konnte, schob sie meinen Gedächtnisverlust auf den Alkohol. Dann mischte sich die
Krankenschwester ein und erklärte meiner Mutter, dass ich nichts mehr von dem Abend wusste,
weil ich einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf bekommen hatte.
Ich schaute mit Vergnügen zu, wie sich das Gesicht meiner Mutter zu einer ärgerlichen Grimasse
verzog. Ich wusste, dass sie es nicht leiden konnte, Unrecht zu haben. Am liebsten würde sie jetzt
irgendetwas sagen, um die Krankenschwester zu beleidigen.
Sie ballte die Fäuste, atmete tief durch und ließ dann die Hände wieder entspannt hängen, gab mir
einen Kuss auf die Stirn und ging. Die Tür quietschte, weil meine Mutter Steine von der Straße
herein getragen hatte und wahrscheinlich einer unter die Tür gekommen war. Ich bekam Kopfweh
und mir wurde schwarz vor Augen.
Natascha und ich stehen in der Disco. Es sind viele Leute um uns herum. Natascha zieht mich aufs
Klo, vorbei an den ganzen Leuten.
Auf dem Klo stehen einige Mädchen. Manche schminken sich vorm Spiegel, andere hängen schon
vor der Kloschüssel und kotzen sich die Seele aus dem Leib. Natascha verschwindet in einer
Kabine. Ich warte. Sie geht noch zum Waschbecken, um sich die Hände zu waschen. Doch davor
stehen viele Mädchen, die sich schminken und Natascha boxt sich durch, wäscht sich die Hände
und macht die Tür nach draußen auf.
Eines der Mädchen schiebt sich an mir vorbei durch die offene Tür. Den Bruchteil einer Sekunde
sehe ich ein Gesicht, das mir bekannt vorkommt. Blaue Augen blitzen mich an. Die Tür schlägt
wieder zu und Natascha erscheint.
„Ich hab ihn gesehen“, zische ich ihr zu.
Ein starkes Rütteln weckte mich. Eine Krankenschwester stand über mich gebeugt und schüttelt
mich. „Was ist los? Du hast geschrien!“
„Ich hab geschlafen.“
„Dann hattest du wohl einen Albtraum, oder?“
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Erst da merkte ich, dass ich kreidebleich war und schwer atmete.
„Ja. ähm. Ich versuche wieder weiterzuschlafen.“
Ich spürte, wie langsam eine Träne über mein Gesicht floss. Blitzschnell stützte ich meinen Kopf in
die Hand, damit man meine Träne nicht sah. Dann setzte ich noch ein unechtes Lächeln auf und
hoffte, dass die Krankenschwester nun endlich glauben würde, dass es mir gut ging und das Zimmer
verlassen würde. Ich wollte allein sein.
„Okay, kann ich dich dann allein lassen?“, sagte sie endlich.
„Ja ja! Klar, wenn was ist, schrei ich einfach wieder!“
Wenn was ist, da schrei ich einfach wieder!? Was war denn das für ein bescheuerter Spruch gerade?
Was wird sich die jetzt von mir wohl denken?
Ich sah an ihrem Blick, dass sie mich für vollkommen übergeschnappt hielt!
Wow, die Krankenschwester hatte eigentlich voll die blauen Augen. Ich hätte auch so gern blaue
Augen, meine sind ja nur grün und grüne Augen hat sowieso jeder. Wenn sie nicht so dick wäre,
wäre sie ja eigentlich ganz hübsch. Ich meine blaue Augen, blonde lange Harre, sie ist genau das
Gegenteil von mir. Ich habe ja grüne Augen und dunkelbraune schulterlange Haare. Ich würde
sofort mit ihr tauschen. Dann wären mir die paar Kilos mehr auf den Hüften auch egal. Nur ihre
piepsige Stimme war unerträglich.
„Okay ich schau dann später noch einmal nach dir.“
Sie ging aus dem Zimmer. Was war denn das gerade!? Ich wischte mir schnell die Tränen aus den
Augen.
Was war das für ein Mann? Sollte ich es jemanden erzählen?
Nein! Ich rege mich viel zu viel auf!
„Es war nur ein Traum!“, beruhigte ich mich selbst.
„Nur ein Traum.“
Und was, wenn nicht?
Ich darf mich jetzt damit nicht fertig machen!
Ich sollte wirklich versuchen wieder weiter zu schlafen. Doch mir gingen die blauen Augen der
Krankenschwester nicht aus dem Kopf. Ich habe solch intensiv blaue Augen schon einmal gesehen!
Aber wo?
Ist ja jetzt egal!
Ich muss einfach versuchen zu schlafen!
Einfach die Augen schließen und versuchen zu schlafen.
Natascha und ich stehen in der Disco.
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Wir setzten uns zur Bar, um etwas zu trinken. Natascha sieht sich nervös um.
„Da ist er schon wieder!“ Sie starrt in eine Ecke.
Ich folge ihrem Blick.
Blaue Augen blitzen mich an.
„Gehen wir lieber!“
Ein Klopfen weckte mich. Ich öffnete langsam meine Augen. Die Krankenschwester steckte ihren
Kopf bei der Tür herein. Ihre blauen Augen blitzten mich an, wie gerade noch die Augen in meinem
Traum. Doch dieses Mal machten sie mir Angst.
„Ich bring dir essen!“
Erst jetzt bemerkte ich das Tablett ihn ihrer Hand, zu sehr hatte ich ihr in die Augen gestarrt.
Schnell senkte ich den Kopf, um ihr nicht mehr ihn die Augen sehen zu müssen.
„Ja ja..“
„ Okay … ich stell‘s dir einfach neben das Bett.“
Sie ging ohne ein weiteres Wort.
Irgendwie tat sie mir jetzt leid.
Ich meine, ich hab ihr einfach auf einmal nicht mehr ins Gesicht geschaut.
Ich sollte etwas trinken, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Ich nahm langsam das Glas
mit Orangensaft in die Hand.
Orangensaft.
Das war Nataschas Lieblingssaft. War? Was dachte ich da bloß!? Natascha lebte doch noch!
Oder etwa nicht?
Langsam liefen mir Tränen über die Wange.
Erst jetzt merkte ich. was eigentlich los war.
Meine Freundin war verschwunden und niemand wusste wo sie war.
Nur ich wusste, was passiert war!
Und ich? Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern!
Eine unglaubliche Wut durchfuhr mich. Eine solche Wut, dass das Glas, das ich in der Hand hielt,
zersprang. Doch nicht einmal diesen Schmerz spürte ich.
Ich spürte nur die Wut und die Tränen, die mir über die Wangen liefen.
Trotzdem wagte ich einen Blick auf meine Hand.
Sie blutete und Glassplitter steckten in ihr. Mir wurde schwarz vor Augen.
Ich liege am Boden. Mein Kopf schmerzt. Um mich herum ist lauter Blut und einzelne
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Glasscherben liegen am Boden. Alles vor meinen Augen ist verschwommen.
„Jenny!“ Natascha, sie schreit nach mir!
„Jenny!“ Ihre Stimme klingt verweint.
Ich kann mich nicht bewegen, so sehr ich es auch versuche.
Ich sehe die verschwommenen Umrisse von Natascha. Sie wird in ein Auto gezogen, von einem
Mann. Ich kann ihn nicht erkennen. Das einzige das ich von ihm sehe, sind seine blauen Augen.
Meine Augenlider fallen zu.
„Aaaaah!“ Ich wusste jetzt wieder, was passiert war.
„Aaaaah!“ Lena saß neben mir, ich habe sie anscheinend erschreckt.
Doch das interessierte mich jetzt nicht.
Ich begann wieder zu weinen.
Lena sprang auf und nahm mich in den Arm.
Obwohl sie doch gar nicht wusste, was passiert war! Aber sie wahnte, dass ich genau das in diesem
Moment brauchte. Das hatte ich schon den ganzen Tag vermisst. Jemanden der mich in den Arm
nimmt!
„Was ist denn los?“ Es war schön Lenas beruhigende Stimme zu hören.
„Hast du Schmerzen?“
„Nein. Ich habe gesehen, was mit Natascha passiert ist.“
„Du weißt wieder was passiert ist?“
„Ja.“
„Und? Komm schon, was ist passiert?“
„Natascha und ich waren in der Disco und da war dieser Mann. Er hat uns schon die ganze Zeit so
komisch angesehen. Wir hatten echt Angst vor ihm, also beschlossen wir, früher zu gehen.
Als wir draußen am Parkplatz standen, kam er auf einmal auch heraus. Wir wollten gehen doch er
hielt Natascha am Ärmel fest! Ich sagte ihm, er soll sie loslassen! Aber er reagierte nicht, nahm
seine Bierflasche und schlug sie mir gegen den Kopf! Er schleppte Natascha in sein Auto. Das ist
das letzte, was ich noch weiß.“
„Oh Gott, das meinst du doch nicht ernst?“
„Doch, so ist es passiert!“
Ich setzte mich ein Stück auf.
„Ich muss so schnell wie möglich aus diesem Krankenhaus raus und Natascha suchen!“
Lena drückte mich zurück ins Bett.
„Beruhige dich erst einmal! Ich schalte dir den Fernseher zur Ablenkung ein und überlege
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inzwischen, wie ich dich hier rausbekomme.“
Lena griff zur Fernbedienung, schaltete den Fernseher ein und ging aus dem Zimmer.
Ich sah mir die Nachrichten an.
„Mann aus Psychiatrischer Klinik entkommen! Der 51-jährige Mann ist aus der Psychiatrie
geflohen. Er wurde dort eingeliefert, da er seit dem Tod seiner eigenen Tochter ein Mädchen im
Alter von ca. 17 Jahren mit blondem Harren entführt hat und diese dann bei sich zu Hause gefangen
gehalten hat. Sozusagen als Ersatz für seine eigene Tochter. Zum Glück konnte die junge Frau
fliehen. Nun befürchtete die Polizei erneut eine Entführung, bittet daher die Bevölkerung um Hilfe.
Falls sie diesen Mann sehen, melden Sie sich bitte bei der nächsten Polizeidienststelle!“
„Lena!!“
Lena kam so schnell wie möglich bei der Tür wieder hereingerannt.
„Was ist denn los?“
„Der Mann da im Fernsehen! Er ist es!“
„Was ist er?“
„Er ist der, der Natascha entführt hat!“
„Bist du dir sicher?“
„Ja ich erkenne ihn an seinen blauen Augen und eigentlich hat es geheißen, dass er auf blonde
Mädchen losgeht! Das würde erklären, warum er mich nicht auch noch entführt hat!“
„Das ist gut! Je mehr Informationen wir haben, desto besser! Ich habe wiederum nicht so gute
Neuigkeiten...“
„Was ist denn passiert?“
„Die wollen dich noch nicht gehen lassen!“
„Wir müssen aber Natascha finden!“
„Ja, ich weiß!“
„Und was wollen wir jetzt machen?“
„Tja. Gut, dass dein Zimmer im Erdgeschoß ist!“
„Du willst doch nicht etwa, dass ich einfach abhaue? Das würden die doch merken, wenn ich am
nächsten Tag einfach nicht mehr da bin!“
„ Du sollst ja auch nicht für immer abhauen. Nur für diese Nacht. Wir fahren in die Disco und
schauen, ob irgendjemand weiß wo der Typ wohnt!“
„Okay und wann soll ich dann abhauen?“
„Gute Frage ... Weißt du, wann die hier Schluss machen?“
„Nein ... Das hab ich bis jetzt jedes Mal verpennt!“
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„Hmm.. Ich klopfe dann einfach gegen das Fenster okay?
„ Ja okay.“
„ Aber jetzt muss ich echt weg.“
„Okay bis später.“
„Gut. Bye bye und mach dir nicht zu viele Sorgen, wir finden Natascha!“
„Passt. Tschüss.“
Nicht zu viele Sorgen machen, wie stellt sie sich das vor?
Ich meine meine, beste Freundin ist von einem Psycho entführt worden!!
Und sie sagt mir, ich soll mir nicht so viele Sorgen machen, ging es mir durch den Kopf.
Ich sollte noch ein bisschen schlafen.
*
„Hey.“
„Na endlich! Ich habe mir schon überlegt, ob ich die Scheibe einschlagen soll, weil du nicht
aufgemacht hast!“
„Ja tut mir leid! Aber diese alte Schnepfe war noch da und wollte gar nicht mehr gehen!“
„Schon okay. Komm steig ein!“
Was mache ich hier eigentlich!? Ich bin aus einem Krankenhaus abgehauen um in die Disco zu
fahren, regte sich mein Gewissen. Es ist ja für einen guten Grund!
Auch wenn ich mir höchstwahrscheinlich im Nachhinein wieder einen Vortrag von meiner Mutter
anhören durfte.
Naja. Natascha ist es mir wert!
Ich war noch so müde, ich konnte kein Auge zu tun. Ich musste die ganze Zeit daran denken, was
passieren wird.
„Wir sind da!“
„Okay und wen fragen wir jetzt am besten?“
„Fragen wir doch Stevie! Der weiß sowieso, wo jeder wohnt, der hier ein- und ausgeht!“
„Das machen wir!“
„Hey Jenny!“
Ich drehe mich um und sehe, dass Stevie mir geschrien hat.
„Hier fang!“
„Igitt!! Was soll ich den mit diesen alten Lappen!?“
„Du hast vergessen den Scheiß wegzuputzen, den du gemacht hast!“
„Nicht witzig du Idiot!“ mischte sich Lena ein.
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„Wir sind sowieso wegen etwas ganz anderem da!“
„Aha und warum? Wollt ihr wieder einmal einen draufmachen?“
„Nein, ich wollte fragen, ob du weißt, wo der Kerl hier wohnt?“ Natascha hielt Stevie ein Bild von
dem Mann hin.
„Woher hast du das Bild?“
„Ich hab ja gesagt, ich muss nach Hause! Vorbereitungen treffen!“
„Ja, den kenne ich, der wohnt gleich hier ums Eck in dem lila farbenen Haus! Ein ganz ein
komischer Typ.“
„Gleich hier ums Eck! Dann komm doch Lena, fahren wir hin!“
„Müsstest du nicht eigentlich noch im Krankenhaus liegen?“
„Stevie hat Recht, du musst wieder ins Krankenhaus! Morgen Jenny okay!?“
„ Aber.. Ja okay..“
„Gut, danke Stevie, bye bye“
„Was heißt hier bye bye!? Und wer putzt den Scheiß hier dann weg?“
Natascha und ich hopsten schnell ins Auto und sahen zu, wie Stevies Kopf rot anlief und er selbst
die eingetrocknete Blutlacke wegwischte.
„Ich will sie jetzt schon holen!“
„Ich weiß, ich ja auch Jenny! Aber wir müssen uns jetzt erst einmal ein wenig ausruhen und dann
schauen wir weiter!“
Die ganze Nacht brachte ich im Krankenhaus kein Auge zu. Wie sollte ich denn auch schlafen?
Meine beste Freundin wurde von einem Psychopathen entführt, der was weiß ich mit ihr aufführt!
Und ich? Ich weiß sogar wo er wohnt und darf nicht zu ihr fahren und sie endlich holen!
Ich muss hier raus!!
Ich muss einfach und zwar sofort!!
So, hier steh ich ein paar Meter vor dem Haus.
Ich höre leise Schritte.
Ich sehe ihn!
Den Mann!
Den Mann von dem Foto, den Mann von der Disco, den Mann der Natascha hatte!
Ich lief hinter eine große Eiche und sah ihm zu.
Ich zitterte.
Meine Hände – eiskalt.
Mein Kopf - bebte.
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Meine Augen - voll mit Tränen.
Er hatte eine Schaufel in der Hand.
Ich sah ein perfektes Rechteck, das am Boden zuerst ausgehoben und dann zugeschüttet wurde.
Er legte einen Strauß weißer Rosen darauf.
Mein Herz schlug schneller.
Meine Tränen flossen schneller.
Ich verstand.
Ich wartete, bis er wegging.
Dann rannte ich hin, schnappte mir die Schaufel, welche er zurückließ und grub!
Meine Tränen quollen und ich hoffte, dass es nicht zu spät war.
Endlich stieß ich auf eine Kiste, sie war vernagelt.
Ich hörte ein leises Jammern und Kratzen von innen kommen.
Ich riss die Kiste auf!
Ich war selbst überrascht, wie stark ich sein konnte.
Erst danach bemerkte ich, dass mir das Blut von den Fingern tropfte.
Egal!
In der Kiste lag Natascha.
Sie hatte ein weißes Kleid an, durch welches das Blut, das ihr über den ganzen Körper lief noch
mehr zur Geltung kam.
Ich starrte auf ihren Brustkorb und war erleichtert, als ich eine Bewegung bemerkte.
Ich wollte ihr aus der Kiste helfen, doch dann…
Meine Augenlider waren schwer. Ich hörte jemanden reden.
Ich öffnete meine Augen.
Im Krankenhaus – schon wieder.
Die Krankenschwester lehnte wieder über mir.
Doch dieses mal sagte sie mit einem Lächeln: „Auch wieder einmal da! „
Ich legte meinen Kopf auf die Seite.
Ich sah Lena am neben Bett sitzen.
Doch neben wem?
Ich sah die blonden Harre und wusste dass es Natascha war.
Ich musste lächeln.
Lena stand auf, drehte sich zu mir, stemmte die Hände in die Hüfte, versuchte böse zu schauen,
konnte sich aber ein Lächeln nicht verkneifen und sagte:
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„Ich habe doch gesagt, du sollst warten! Naja, irgendwie war es mir ja klar. Jetzt mussten ich und
die Polizei halt nachkommen!“
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Das Leichenboot
(Sara Hillbrand)
Ich sah es. Es war riesig. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals in meinem Leben so ein großes
Schiff gesehen zu haben. Ich ging näher hin und sah den Eingang. Ich wurde schon erwartet, als sie
mich sahen, fragten sie mich nach meinen Ausweis und als sie meinen Namen lasen, sagten sie
voller Freude:
Ein schwimmendes Grandhotel, mit eleganten Kabinen, dem größten Sonnendeck mit mehren
Schwimmbecken. Purer Luxus, wenn man dem Prospekt glaubte. Der Eingang am Ende des
Zugangstegs war mit verschiedenen Fahnen dekoriert worden. Ich vermutete, dass dies die
Internationalität der Feriengäste des Schiffs symbolisieren sollte. Kaum hatte ich den Eingang
passiert, erwarteten mich zwei Stewards in weißen Anzügen. Jeder von ihnen hielt ein Klemmbrett
in der einen und einen Kugelschreiber in der anderen Hand.
„Herzlich Willkommen auf der MSC Fantasie. Ihr Name bitte“, säuselte einer der beiden.
„Berger. Kornelia Berger.“
„Oh, Frau Berger. Wir haben schon sehnsüchtig auf Sie gewartet. Sie haben die Kabine Nr. 77 am
obersten Deck. Das Team der MSC Fantasie wünscht einen angenehmen Aufenthalt.“
Er entließ mich mit einem freundlichen Lächeln und widmete sich der Dame hinter mir.
Ich war auf dem neuesten Schiff der Welt eingeladen. Und alles nur, weil mein Mann Silvio Berger
ein erfolgreicher Bauingenieur war und Millionen auf dem Konto hatte. Im Moment befand er sich
auf einer Dienstreise, darum reiste ich alleine.
Ich war ein bisschen nervös. Unentwegt kam mir die Titanic und deren schreckliches Schicksal in
den Sinn. Als ich jedoch die Räumlichkeiten der MSC Fantasie betrat, war meine Nervosität wie
weggeblasen.
Ich wurde vom Personal nett begrüßt- „Solche Schleimer!“, schoss es mir durch den Kopf. „Die
begrüßen mich nur so übertrieben freundlich, weil mein Mann Millionär ist!“
Ich bedankte mich ebenfalls übertrieben freundlich für den Champagner und verschwand in
Richtung Kabine.
Die Kabine war riesengroß, glich einem Appartement.
Es war wunderschön. Natürlich war ich seit Jahren an Luxus jedweder Art gewöhnt, aber das hier
übertraf sogar meine Ansprüche.
Ich trat auf den Balkon und betrachtete den Hafen von New York. Der Anblick beeindruckte mich.
Ich sah auf die Uhr. Es war 14:55. In fünf Minuten würde das Schiff abfahren. Ich wandte mich um,
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ging in das Badezimmer, um mich frisch zu machen. Gerade als ich mein Make up auffrischte,
spürte ich eine sanfte Bewegung. Das Schiff legte ab.
Auf dem Weg zum Abendessen fiel mir ein Mann auf. Er erschien mir armselig, trug zerrissene,
alte und schmutzige Jeans.
Ich war verwundert, setzte meinen Weg dennoch fort, wollte auf gar keinen Fall zu spät zum
Abendessen erscheinen.
Der Saal war sehr schön und groß. Als Ehrengast durfte ich am Kapitänstisch sitzen. Dort lernte ich
die Gattin eines wohlhabenden Unternehmers kennen. Sie hieß Linda. Wir verstanden uns auf
Anhieb und unterhielten uns nach dem Essen noch lange an der Bar. Wir tauschten unsere
Kabinennummern aus und verabredeten uns für den nächsten Tag am Swimmingpool.
Auf dem Weg zu meinem Zimmer kam ich an einer Kabine vorbei, deren Tür offen stand.
Zuerst dachte ich mir nichts dabei, hatte eben jemand vergessen, seine Tür zu schließen. Aber schon
wenige Schritte weiter, beschlich mich ein eigenartiges Gefühl. Was, wenn jemand meine Hilfe
brauchte? Ich ging zurück, drückte vorsichtig die Tür zur Gänze auf und betrat den dunklen Raum.
Ich ging in alle Räume aber es war niemand hier.
Dann fiel mir noch der Balkon ein! Ich rannte auf den Balkon und sah etwas, was ich nie vergessen
werde. Ich sah einen toten Mann auf dem Boden liegen. Er war voller Blut und daneben lag ein
blutverschmiertes Messer.
Mein Blick wanderte umher und blieb an der Balkontür haften. Instinktiv steuerte ich darauf zu,
drückte die Klinke und zog die Tür auf. Mir stockte der Atem. Vor mir lag ein Mann. Seine
Kleidung und auch sein Gesicht waren voll Blut. Überall war Blut. Auch das Messer, das neben ihm
auf dem Boden lag, war blutverschmiert. Diesen Anblick werde ich mein Leben lang nicht
vergessen.
Ich war so geschockt, dass ich nicht einmal schreien konnte. Und dann schoss es mir durch den
Kopf. Ich hatte diesen Mann schon einmal gesehen. Der Tote war der armselige Mann mit den
zerrissenen Jeans.
Ich löste mich aus meiner Starre, lief so schnell ich konnte zu Lindas Kabine. Aufgeregt klopfte ich.
„Linda. Linda. Mach die Tür auf!“
Kurz darauf öffnete meine neue Freundin. Sie trug noch ihr Abendkleid, hatte ihre Haare mit einem
Haarband zurückgeschoben und in ihrem Gesicht Reinigungsmilch verteilt.
„Was ist los? Warum brüllst du hier so herum?“
„Es ist etwas Schreckliches passiert. Du musst mitkommen.“
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Ich sagte es sei ein Notfall und sie kam mit. Ich zeigte ihr die Leiche und fragte, was ich jetzt
machen soll. Ich hatte panische Angst, dass sie mich jetzt verdächtigen.
Linda sagte, wir sollen zum Kapitän gehen und ihm sagen, dass es eine Leiche auf dem Schiff gibt.
Aber irgendwie hatte ich Angst vor diesem Gedanken zum Kapitän zu gehen. Linda überredete
mich schließlich und wir gingen zum zu ihm. „Ja?“, sagte er als wir anklopfen. Wir gingen herein
und er begrüßte uns übertrieben freundlich ,wie es alle hier machten. „In der Kabine 333 liegt ein
alter Mann. Erstochen. Ich sah das die Türe offen war und ging hinein und auf dem Balkon lag der
alte Mann. Neben ihm lag ein blutverschmiertes Messer. Es ist ein älterer Mann. Und er schaut
nicht aus, als ob er viel Geld hätte, denn er hat eine zerissene und dreckige Hose an.“, sagte ich zum
Kapitän. Er staunte. Er rief den Rettungsdienst.
Die Leiche wurde in einen kühlen Raum gelegt, wo sie untersucht wurde.
Es vergingen die Tage und ich hörte nichts Weiteres von der Leiche oder dem Mörder. Aber
plötzlich sah ich Linda in der Nacht am Gang herumschleichent, ich bekam panische Angst und
verschwand in meinem Zimmer. Dort angekommen, dachte ich mir aber, dass ich ein Zeuge sein
könnte, wenn Linda jetzt jemanden umbringen will, aber sie ist doch meine Freundin?!
Ich schlich mich aus meiner Kabine und verfolgte sie. Sie ging durch den ganzen Stock. Plötzlich
blieb sie stehen. Ich bekam unheimliche Angst und wollte umkehren, aber dann kam mir wieder der
Gedanke, dass ich ein Zeuge sein könnte. Also blieb ich im Gang stehen und beobachtete die etwas
anders wirkende LInda. Ich dachte mir:“ Was ist wenn sie mich sieht?! Tötet sie mich dann, weil ich
etwas gesehen haben könnte? Aber ich verdrängte den Gedanken schnell und redete mir ein, dass
Linda, die ja eigentlich nett schien, nicht die Mörderin sein könne.“ Sie stand schon ungefähr fünf
Minuten an der gleichen Stelle und schaute sich um. Auf einmal öffnete sie mit einem Draht die
Kabinentür. Ich bekam leichte Panik. Sie ging in das Zimmer und ich verfolgte sie bis zur
Zimmertür. Dann sah ich, dass Linda ein Messer zuckte und mit dem Messer einen anderen Raum
betrat. Ich konnte nicht feststellen, welcher Raum es war, aber ich vermutete, dass es das
Schlafzimmer war, denn es war eine ähnliche Kabiene wie Lindas. Ich war entsetzt, wie ich mich in
Linda getäuscht hatte. Ich wartete vor der Kabine und plötzlich hörte ich einen lauten Schrei und
grausame Geräusche. Ich wusste nicht mehr, was ich machen sollte , denn ich hatte Angst um mein
Leben. Ich ging in die Kabine hinein und schaute in dieses Zimmer. Ich bekam einen Schock. In der
Kabine sah ich Lindas Ehemann mit einer anderen Dame im Bett und daneben stand Linda weinend
mit einem Messer in der Hand. Ich rannte hinein und schrie so laut ich nur konnte stop. Linda
schaute mich verwundert und entsetzt an und fiel mir in die Arme. Sie sagte weinend zu ihrem
Mann: ,,Ich hasse dich“ und dann brachte ich sie auf meine Kabine und sie erzählte mir, dass sie
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sich schon länger gedacht habe, dass ihr Mann eine Affäre habe, aber sie redete nie mit ihm darüber.
Ihre Ehe war schon sehr schlecht und als sie diesen Gedanken mit der Affäre hatte, machte sie sich
Vorwürfe, aber dann plante sie Rache und wollte ihren Mann umbringen. Ich war schockiert, wie
enttäuscht und wütend Linda war. Und mir wurde langsam wieder klar, dass dieser Mörder noch
immer auf dem Schiff herumlief. Linda übernachtete bei mir, denn sie war ziemlich traurig. Am
nächsten Tag ging ich zum Kapitän, ich erzählte ihm nichts von Lindas geplanten Mord, denn dann
würde sie verdächtigt werden. Ich fragte ihn, wie es bei den Ermittlungen aussah und er sagte, dass
sie nur wissen, dass der alte Mann von einem Mann erstochen wurden ist. Ich war erleichtert, als ich
hörte, dass ein Mann den Mord begangen hatte. Ich ging zu Linda zurück in die Kabine. Als ich die
Türe aufsperrte, hörte ich zwei Stimmen. Ich ging hinein und sah Linda und ihren Mann. Sie
schrien sich an und machten sich gegenseitig Vorwürfe. Ich ließ die beiden alleine und hoffte, dass
Linda auf keine Dummheiten kam. Danach ging ich am Schiff spazieren und plötzlich sah ich einen
Mann, der mir schon bekannt war, es war ein gesuchter Mörder, der abgetaucht war und seit Jahren
gesucht wurde. Er stritt gerade heftig mit einer älteren Dame. Ich war überzeugt, dass dieser Mann
der Mörder ist der gesucht wird. Er hatte sich sicher unter einem falschen Namen und gefälschten
Dokumenten einchecken lassen. Ich fing ein Gespräch mit ihm an und erkannte ihn sofort. Ich ließ
mir nichts anmerken und fragte ganz nebenbei nach seiner Kabinennummer. Er verriet sie mir und
ich verabschiedete mich. Danach ging ich zum Kapitän und erzählte ihm, was ich erfahren hatte. Er
glaubte mir und sagte, sie werden den Mann im Auge behalten. Danach ging ich in die Kabine
zurück und Linda erzählte mir mit einem Lächeln, dass sie sich mit ihrem Mann ausgesprochen hat
und sie einen Neuanfang machen. Ich freute mich für sie, und erzählte ihr was ich gesehen hatte. Sie
war schockiert, dass ein gesuchter Mörder auf diesem Schiff war. Ich beruhigte sie und sie packte
ihren Koffer und zog wieder zu ihrem Mann in die Kabine. Ich konnte nicht schlafen in dieser
Nacht. Deshalb ging ich um Mitternacht an die Bar. Als ich am Weg zu meiner Kabine war, sah ich
den gesuchten Mann in den Aufzug steigen. Ich rannte in meine Kabine, denn ich bekam Angst. Als
ich in der Kabine war, schloss ich alle ab und ging schlafen. Am nächsten Morgen hörte ich beim
Frühstück dass eine ältere Dame erstochen worden war. Ich ging sofort zum Kapitän und erzählte
ihm dass ich diesem Mann gestern um ungefähr 3 Uhr in der Nacht im Aufzug gesehen hatte. Der
Kapitän bedankte sich herzlich und ich ging zurück in meine Kabine. Es vergingen Tage, aber
nichts geschah. Aber plötzlich bekam ich einen Anruf. Der Kapitän sagte ich soll so schnell wie
möglich zu ihm kommen. Ich ging hin, machte die Tür auf und sah ihn. Ihn den gesuchten Mörder
in Handschellen sitzen. Ich fragte, was los sei und erfuhr die ganze Wahrheit. Henry Monel
ermordete zwei Menschen auf dem Boot, seinen Bruder, den älteren Mann nach einem Streit um
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eine Frau und die ältere Dame. Die ältere Dame wusste über seine Vergangenheit Bescheid. Ich war
schockiert und erleichtert zugleich. Aber diesen Urlaub werde ich nie mehr vergessen..
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Ein Tag im Himmel und wieder zurück
(Lena Huber)
“Com on Lea, don’t dream – answer my question“
Englischunterricht, jeden Freitag in der letzten Stunde das selbe.
Lea, die allgemein als „Tagträumerin“ bekannt war, versank in eine Fantasie-Welt: Eine große
Wiese, auf der die schönsten Blumen blühen, ein kleiner Teich, in dem die Koikarpfen um die Wette
schwimmen, bunte Schmetterlinge und in der Mitte ein einziger Apfelbaum.
Nichts tat sie lieber, als sich dort hin zu flüchten um dem Alltag zu entkommen.
Der Englischunterricht, der zuerst in den Hintergrund geraten und vor ihren Augen verschwommen
war, kehrte mit einem Ruck zurück.
„Oh, I’m sorry Miss, I faded away. Can you please repeat your question?”
Na toll, ein Minus näher am Genügend im Zeugnis.
Doch es war Freitag und einfach schon zu nah am Wochenende, wer konnte sich da noch auf Schule
konzentrieren?
Gott sei Dank läutete es in diesem Moment und Lea konnte sich vor dem Tadel ihrer Lehrerin
drücken. Durcheinander, aber glücklich, eilte sie den Flur zu ihrem Schließfach entlang, um nicht in
die tobende Menge zu geraten. „Lea, du musst den Kopf frei kriegen! Hör endlich auf zu träumen
und konzentrier dich auf das Wesentliche!“, das sagte sie sich immer wieder. Sie rannte schon fast
um die Ecke, und, bumm, sie krachte frontal in jemanden rein. „Oh mein Gott, bitte lass es keinen
Lehrer sein“, dachte sie gerade, als sich vor ihr jemand aufrichtete. „Tut mir verdammt leid, ich war
total in Gedanken versunken. Hab nicht gecheckt, dass du da warst.“
Die Stimme, die zu ihr sprach, war Lea die liebste auf der Welt. Es war Liam. Für sie war er der
tollste Typ auf Erden. Da war nur ein Problem, er war mit Natascha, dem beliebtesten Mädchen der
Schule, zusammen. Natascha und Lea waren damals die allerbesten Freundinnen gewesen, so
unzertrennlich wie Billa und Hausverstand. Aber wie es so oft kommt, sind sie jetzt die größten
Feinde. Lea wusste nur noch, dass es einen Riesenstreit wegen einer Barbie-Puppe gab, also
eigentlich völlig belanglos. Jedenfalls stand Liam jetzt mit einem schuldbewussten
Gesichtsausdruck vor ihr.
„Kein Ding, ist ja nichts passiert“,
sagte sie, noch völlig benommen von dem Sturz.
„Ich glaub dir das jetzt mal, aber geh doch besser zur Krankenschwester, vielleicht hast du ja eine
leichte Gehirnerschütterung. Komm, ich begleite dich?!“
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Tollpatschig stand sie auf und ließ sich von Liam zu Krankenstation leiten. Natürlich hatte sie keine
Verletzungen oder eine Gehirnerschütterung, nur ein paar blaue Flecken. Dennoch, das war eine der
schönsten Stunden ihres Lebens gewesen. Liam-Zeit, sie liebte es. Der Bus war schon längst weg,
deshalb musste sie zu Fuß gehen. Und da Liam „überfürsorglich“ war, wich er ihr nicht von der
Seite. Erst als sie die Türe zu ihrem Zimmer öffnete, blieb er stehen und lehnte sich gegen den
Türrahmen. Er beobachtete jeden ihrer Schritte, es war bestimmt nur das Schuldgefühl, obwohl Lea
genau so schuldig war wie er.
„Du musst dir keine Sorgen machen, es geht mir gut! Wirklich. Das hat dir die Krankenschwester
mindestens zehnmal bestätigt.“
„Ich mach mir auch keine Sorgen mehr um dich. Aber, als ich beim Zusammenprall deine Haut
berührte, fühlte es sich an, als ob du Fieber hättest und das beunruhigte mich. Noch merkwürdiger
wurde es, als die Krankenschwester diese Temperatur nicht zu bemerken schien.“
Liam sah sie mit einem so ernsten Blick an, dass es ihr kalt über den Rücken lief. „Ich habe kein
Fieber, ich wiederhole es gerne noch mal: ES GEHT MIR GUT! Und falls du mich nicht noch
länger so anstarren möchtest, kannst du jetzt gehen. Danke für alles. Ich seh dich dann morgen in
der Schule.“
Ohne noch ein Wort zu sagen, wendete er seinen beinahe engelhaften Körper und schwebte
scheinbar die Treppe runter. Lea wusste selbst nicht, warum sie so forsch geworden war, aber das
etwas nicht mit ihr stimmte, hatte sie auch schon gemerkt. Zum Beispiel hatten ihre braunen Haare
einen unglaublichen Goldstich bekommen. Das konnte zwar auch an der Sonne liegen, aber bisher
hatten sich im Frühjahr nur immer ein paar Strähnchen gefärbt. Egal, die Haarfarbe war ja auch eher
neben sächlich. Sie fühlte sich nicht wohl in ihrem Körper. Fast als würde sie, wie die Nähte bei
einem alten Teddy, platzen. Dabei war sie eigentlich unglaublich schlank. Einige ihre
Klassenkameradinnen beneideten sie um ihre Figur. Lea konnte sich nicht erklären, was mit ihr los
war. In ihr machte sich, wenn sie nicht gerade in der Schule war, ein wohlig warmes Gefühl breit.
Sie fühlte sich so vollkommen, wie sie es noch nie getan hatte. Zugegeben das hörte sich nicht
wirklich merkwürdig an, aber Lea kannte sich, sie wusste dass etwas nicht stimmte und sie wollte
herausfinden, was das war. Doch gerade im Moment fühlte sie sich hundeelend. Als hätte sie den
ganzen Dreck, der auf dem nach Hause weg gelegen hatte, aufgesaugt. Sie ging ins Bad und ließ
sich eine heiße Badewanne ein. Verdammt, es war Freitag und sie hatte keine Pläne für den Abend
oder für den restlichen Tag. Kein normaler Teenager startet planlos ein Wochenende. Zumindest
konnte sie sich keine vorstellen, außer ihr selbst. Also ließ sie ein heißes Bad ein. Um einmal richtig
zu entspannen. Nach dem Bad, streifte sie sich ihre Lieblingsjogginghose und ein T-Shirt über und
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setzte sich mit einem Buch und einer Packung Haribo Beeren-Mix aufs Sofa.
„Bist du auch so aufgeregt wie ich? Wenn die Welt sich schlafen legt…“
Lea schlug die Augen auf. Ihr Handy klingelte und das Lied „Dach der Welt, von Max Giesinger“
tönte aus dem Lautsprecher. Es war ein Uhr morgens. Sie wollte schon auflegen, doch dann sah sie
den Namen, der auf dem Display aufleuchtete: „Liam“.
„Wenn nicht mindestens jemand gestorben ist, lege ich wieder auf!“
„Genau darum geht’s. Natascha wurde auf dem Parkplatz vorm Puzzles gefunden, tot. Die Polizei
will, dass du kommst. Frag nicht warum, ich weiß es nicht. Beeil dich!“
In Windeseile schlüpfte sie in ihre Jacke und rannte zu ihrem Motorroller.
Glücklicherweise waren es nur zehn Minuten zum Puzzles. Als Lea dort ankam, war ein riesiges
Durcheinander, überall waren Polizisten und Jugendliche, die zuvor vermutlich noch in der Bar
waren und sich jetzt um den Ort des Geschehens tummelten.
„Tud mir leid, aber das hier ist ein Tatort, Sie können nicht auf den Parkplatz fahren.“
Einer der Polizisten kam auf Lea zu.
„Oh ja klar, aber ich bin Lea Johnson und man sagte mir, ich solle kommen.“
„Wenn das so ist, dann folgen Sie mir bitte. Wir sollten an einem ruhigeren Platz miteinander
reden.“
Sie gingen ins Innere der Bar und setzten sich an einen der hinteren Tische.
„Fräulein Johnson, könnten Sie mir bitte sagen, was sie am gestrigen Abend zwischen zehn und elf
Uhr getan haben?“
„Ich habe geschlafen. Ich bin um ca. sieben Uhr in die Badewanne gestiegen und habe dann von ca.
acht bis halb zehn gelesen. Danach bin ich eingeschlafen.“
„Gibt es irgendwelche Zeugen?“
„Meine Eltern werden das sicher bestätigen.“
„Gut ich werde sie morgen Früh kontaktieren. Eine Frage hätte ich aber noch, wissen sie ob
Natascha irgendwelche Feinde hatte?“
„Ich denke so ziemlich jedes Mädchen in der Stadt hatte etwas gegen sie. Sie war eigentlich nur bei
den Jungs beliebt.“
„Vielen Dank Lea, Sie können jetzt gehen. Ich weiß, es ist merkwürdig für Sie, dass sie kommen
mussten, aber nachdem so viele Jugendliche bereits hier sind, wollten wir die Befragungen hier
abhalten und alle möglichen Täter hier haben. Nicht, dass sie unter Verdacht stehen würden.“
Immer noch ziemlich perplex kam Lea wieder zu Hause an. Was sollte das?
Mit diesen letzten Gedanken wurde ihr schwarz vor den Augen und sie verlor das Bewusstsein. Als
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Lea wieder erwachte, war um sie alles dunkel, völlige Stille. Wo zur Hölle war sie? Und warum
brannte ihr Rücken wie verrückt?
Sie hörte etwas reißen und spürte wieder einen höllischen Schmerz. Ihr entfuhr ein Schrei und
plötzlich richtete sich ein greller Lichtstrahl auf sie und die Stimme einer Frau sprach zu ihr.
„Hallo Lea, ich habe mich schon gefragt, wann du zu uns kommen wirst. Es hat erstaunlich lange
gedauert. Wie fühlst du dich?“
„Ähm hallo. Ich, nun ja also, entschuldigen Sie, aber wo genau bin ich?“
„Im Himmel, wo sonst. Du bist ein Engel mein Kind. Das wusstest du doch, oder etwa nicht?“
Zugegeben Lea war auf vieles vorbereitet gewesen, aber auf so etwas bestimmt nicht.
„Ein Engel. Wow, das ist jetzt etwas verwirrend.“
„Aber Schatz, das ist doch nur logisch, wenn man deinen Familienstammbaum betrachtet. Übrigens,
deine Flügel stehen dir gut.“
Himmel, Engel, Flügel, das war einfach zu viel für Lea. Sie fing an zu schluchzen und dann weinte
sie, so sehr wie noch nie zuvor.
Keiner sagte etwas, keiner kam zu ihr um sie zu trösten.
Und nach einer gefühlten Stunde hörte sie auf. Ihre Tränen waren aufgebraucht, für den Moment.
Nach einem kurzen Zögern stand sie auf und blickte dem schönsten Geschöpf, das sie je gesehen
hatte, in die Augen. Wie zwei strahlend blaue Saphire leuchteten sie ihr entgegen. Sie war so
wunderschön, dass Lea sich kurz fangen musste, bevor sie sprechen konnte.
„Sie wussten also schon länger, dass ich komme?“
„Natürlich, jeder hier wusste es. Wir haben seit deiner Geburt darauf gewartet. Gott hat uns gesagt,
dass du kommen würdest, sobald du das erste verlierst, das dir je Hoffnung gab. Wir hatten nur
nicht gedacht, dass das so lange dauern würde.“
„Natascha? Unmöglich! Ich habe sie gehasst.“
„Nicht ganz, zu Beginn war sie dir wichtig und ich denke, du weißt genau so gut wie ich, dass sie
dir immer noch wichtig ist. Aber genug davon, gehen wir besser zu dir nach Hause und suchen dir
was zum Anziehen heraus.“
Sie gingen oder besser schwebten eine ganze Weile nebeneinander her. Vorbei an anderen Engeln
und anderen Wesen, die Lea noch nie gesehen hatte. Es war wahrlich der Himmel, in dem sie sich
befand, wo sonst konnte es so schön sein wie hier. Nach ca. einer halben Stunde konnte Lea die
Pforte eines Schlosses, welches im Schein der untergehenden Sonne erstrahlte, erkennen. Vor dem
Schloss standen zwei Engel, sie sahen aus wie Krieger. Als sie weiter in das Schloss hineingingen,
konnte Lea mehr von den Wachen entdecken.
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„Wer wohnt hier? Ich meine, weil es so sehr gesichert ist.“
„Hier lebt der Erbe des Jaros. Der Nachfolger Gottes.“
„Gott hat einen Nachfolger?“
„Jeder hat einen Nachfolger. Und jeder ist ein Nachfolger.“
„Und wessen Nachfolger bin ich?“
„Der der Erbin des Jaros. Du wirst die Gemahlin von unserem Hohenpriester.“
„Wow, nein das kann nicht sein. Ich glaube, da liegt eine Verwechslung vor. Ich bin gerade mal 17,
ich kann doch von keinem die Ehefrau sein.“
„Aber der Hohenpriester ist in seiner menschlichen Gestalt auch erst 18. Lea, du wurdest dazu
bestimmt, das kannst du dir nicht aussuchen.“
Damit war die Unterhaltung abgeschlossen. Sie betraten einen riesigen Thronsaal. Ein langer roter
Teppich führte zu, wie sollte es anders sein, dem Thron.
„Ah Nafiriti, ich habe dich erwartet. Die ausgesandten Krieger haben mir Bericht erstattet, das Heer
rü… Wer begleitet dich Nafiriti?“
Nafiriti, der namenlose Engel hatte also doch einen Namen.
„Lea Johnson, mein Priester. Sie wird ihre Gemahlin sein.“
„Lea, wie schön, dass du hier bist. Nach so langer Zeit. Ich befürchtete schon das du nicht kommst.“
„Hören Sie Mr. Priester, da muss es eine Verwechslung geben…“
„Eine Verwechslung? Liebes, da gibt es keine Verwechslung. Du bist die Nachfolgerin meiner
ehemaligen Geliebten.“
„Aber, nichts für ungut, ich liebe Sie nicht. Ich hatte bis vor ein paar Stunden nicht einmal die
geringste Ahnung von Ihrer Existenz, wie kann es da sein das ich schon einen fixen Platz in dieser
Welt habe?“
Diesmal war es Nafiriti, die das Wort an sie richtete:
„Wie ich dir bereits gesagt habe, wussten wir bereits seit deiner Geburt, dass du kommen wirst,
mein Kind.“
„Bringt Sie doch erst mal in Ihre Gemächer. Lasst Sie ankommen.“
Mit diesen Worten verließen Nafiriti und Lea den Thronsaal. Nafiriti führte Lea eine schmale
Wendeltreppe hinauf. Bis sie wieder vor einer Tür standen. Aber diese Tür sah anders aus als die,
die Lea sonst im Schloss gesehen hatte. Sie war schneeweiß und hatte eine unglaublich schöne
Verzierung, es erinnerte Lea ein wenig an eine Tür, die sie mal auf dem Dachboden ihrer
Urgroßmutter gesehen hatte, als sie noch jünger war. Sie betraten das Zimmer und Lea konnte ihre
Verwunderung nicht verbergen.
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„Das sieht ja aus wie mein Zimmer.“
„Wir haben von all deinen Möbeln eine exakte Kopie herstellen lassen. Damit du über den Verlust
besser hinweg kommst. Willst du dich nicht erstmal im Spiegel betrachten?“
Als Lea ihr Spiegelbild sah, stockte ihr der Atem. Sie hatte tatsächlich Flügel und sah auch sonst
aus wie ein Engel. Es war ein ungewohntes Bild für sie.
„Ich lasse dich jetzt alleine. Mach dich vor dem Abendmahl etwas frisch. Später hole ich dich
wieder ab.“
Als sie weg war, ließ sich Lea auf ihr Bett fallen. Es war ihr so vertraut, es roch auch ein wenig wie
zu Hause. Ein paar Minuten verweilte sie so, aber dann merkte sie wie dreckig sie sich fühlte. Nach
kurzem Zögern sprang sie auf und suchte nach einer Tür in ein Badezimmer. Da alles war wie bei
ihr zu Hause, war es schnell gefunden. Aber konnte man mit Flügeln überhaupt unter die Dusche?
Lea versuchte etwas zu finden um die Flügel vor dem Wasser zu schützen, aber da war nichts. Also
beschloss sie sich einfach nur zu beeilen. Sie stellte das Wasser an und voller Freude bemerkte sie,
dass die Flügel trocken blieben. Nach einer ausgiebigen Dusche versuchte sie in ihrem
Kleiderschrank etwas Angemessenes zum Anziehen zu finden. Immerhin war es ja ein Abendessen
mit einem Hohenpriester. Es waren verdammt viele Kleider drin. Aber Lea erkannte nichts davon
wieder. Es war alles neu. Die Entscheidung viel ihr nicht leicht, aber schließlich fand sie doch
etwas. Als sie fertig mit allem war, klopfte es auch schon an ihrer Tür. Es war einer der Wachen, der
sie abholte und in einen ungeheuer großen Speisesaal brachte. Eine Tafel, die in der Mitte des
Zimmers stand, war feierlich gedeckt. Am oberen Ende saß dieser Priester, zugegeben er sah echt
verdammt gut aus, aber eine gezwungene Zukunft mit ihm konnte sie sich trotzdem nicht vorstellen.
Als sie auf die Tafel zuging, stand er auf und verbeugte sich leicht vor ihr.
„Du siehst bezaubernd aus Liebste. Wie ein Engel.“
Er zwinkerte ihr zu.
„Danke.“
Lea wollte nicht unhöflich klingen, aber es ging ihr ziemlich gegen den Strich, dass er so vertraut
mit ihr umging.
„Wie ist eigentlich dein Name? Weißt du, es nervt mich ein wenig, dass alle wissen, wer ich bin und
ich von niemandem den Namen weiß.“
„Das verstehe ich natürlich. Ich heiße Marlo. Kein sehr ungewöhnlicher Name. Nicht?“
„Aber auch nicht sehr gewöhnlich. Immer noch besser als Lea.“
Sie musste lächeln, als sie das sagte und ihr fiel auf, dass es gar nicht schwer war, ihn zu mögen, so
wie sie es zuerst gedacht hatte.
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„Dein Name ist doch schön. Oder magst du ihn nicht? Hier im Himmel kannst du ihn
selbstverständlich ändern, wenn du magst.“
Lea wollte gerade antworten, als die Tür aufsprang und ein Krieger hereinstürmte.
„Mein Priester, sie kommen!“
Marlo sprang auf. Sein Gesichtsausdruck ließ nichts Gutes ahnen.
„Wie viel Zeit bleibt uns noch?“
„Etwa 20 Minuten bis zum Schloss.“
Er kam auf Lea zu und zerrte sie eine Treppe in den unteren Teil des Schlosses hinab. Lea war viel
zu aufgeregt um etwas zu sagen. Marlo lief immer weiter und eine ganze Meute Krieger hinterher.
„Mein Priester, sollten Sie ihrer Gemahlin nicht sagen was hier vorgeht?“
„Aber natürlich Damir. Liebste, verzeih mir, dass ich nichts sagte, aber auch der Himmel hat seine
Schattenseiten. Die Hölle hat uns den Krieg erklärt und jetzt greifen sie an.“
Dieser erste Tag war nicht gerade nach Leas Geschmack. Sie kamen in einen Raum, in dem überall
Schwerter, Axten, Morgensterne, und Dinge, die sie nicht kannte, sortiert waren, es war die
Waffenkammer. In der Mitte des Raumes standen zwei goldene Rüstungen. Lea ahnte, wem sie
gehörten und sie behielt recht mit ihrer Vermutung. Die Rüstungen waren für Marlo und sie. Es kam
ihr vor wie eine Ewigkeit die Rüstung anzuziehen. Als sie es geschafft hatte, war Marlo schon dabei
die Waffenkammer wieder zu verlassen. Lea folgte ihm so schnell sie konnte. Im nächsten Raum, in
den er sie führte, waren mehrere Boxen. In ein paar davon waren auch Pferde. Eines davon, eine
Fuchsstute, war Leas Pferd. Sie war noch nie zuvor geritten, aber als sie auf der Stute saß, wusste
sie genau, was sie zu tun hatte.
„Als wäre es das natürlichste auf der Welt, nicht?“
Marlo deutete auf das Pferd.
„Ja, stimmt.“
In wildem Galopp stürmte sie auf die Weide vor dem Schloss und schon bald konnte Lea die
übrigen Krieger sehen. Es war, trotz der unglücklichen Umstände, ein Bild für Götter. Als Lea sich
neben Marlo in die Formatierung einreihte, sah sie in der Ferne das Heer der Hölle. Es waren bei
Weitem mehr Krieger als im Himmel.
„Wir sind zu wenige“,
stammelte Lea. Doch Marlo blickte ihr siegessicher in die Augen.
„Nein, wir sind in der Überzahl. Schau dich doch mal um.“
Und das tat sie. Marlo hatte Recht, sie waren scheinbar wirklich in der Überzahl. Es waren noch
unglaublich viele Krieger zu ihnen gestoßen.
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„Ich weiß aber gar nicht, wie man kämpft.“
„Du wirst auch nicht kämpfen. Es ist nur seit jeher Tradition, dass die Hohenpriester, wenn ein
Krieg beginnt, am Anfang, den Kopf der Formation bilden. Nachher ziehen wir uns zurück. Ich
wollte nur nicht auf die Formalitäten verzichten.“
Es beruhigte sie zu wissen, dass sie nicht kämpfen musste, aber sie war sich nicht hundertprozentig
sicher, ob es auch wirklich stimmte. Das Heer der Hölle rückte schnell näher. Den Kopf ihrer
Position bildete ein Wesen, das Lea nicht einmal in ihren schlimmste Träumen so hatte aussehen
lassen. Der Teufel. Sie sah ihm direkt in die Augen und er erwiderte ihren Blick. In seinen Augen
war weder Furcht noch Zweifel, in seinen Augen war Erregung und Begierde für den Krieg.
„Pervers.“
Lea sagte es voller Zorn. Der Teufel schien es zu hören, denn er lachte bei ihren Worten schallend
auf. Ein dreckiges Lachen.
„Na Marlo. Wen bringst du mir da als Opfergabe? Glaubst du den Krieg so zu verhindern?“
„Sie ist keine Opfergabe. Sie ist meine Gemahlin. Und ich versuche ganz bestimmt nicht mit einer
lebenden Opfergabe deinen Krieg zu verhindern.
Wir können doch darüber reden…“
„Reden? Mein kleiner Priester, glaubst du wirklich, du kannst statt Krieg zu führen einfach über
alles reden?“
Eine der Höllenfrauen, die einzige Höllenfrau, wie Lea bemerkte, stellte sich neben den Teufel. Da
niemand sonst gerade sprach, ergriff sie das Wort.
„Geliebter, die Männer sind es müde zu warten, lass sie angreifen. Keiner von uns hat die Absicht
lange zu bleiben. Bringen wir die Sache hinter uns.“
Wieder blitze die Erregung in den Augen des Teufels auf.
„Ja Geliebte, bringen wir die Sache hinter uns.“
Er wendete sein Pferd und schrie in die Meute, die hinter ihm gestanden hatte.
„Macht euch bereit zum Kampf Männer, stürmt dieses verdammte Schloss. Zum Frühstück wollen
wir ja wieder unten sein.“
Mit einem Mal stürmten sie alle los, die ersten Engel rissen sie einfach mit. Nur Lea und Marlo
blieben vorerst verschont.
„Bringen wir uns in Sicherheit Liebste. Es hat keinen Sinn, sich dem Feind so offen auszuliefern.“
Er riss sein Pferd nach rechts und galoppierte auf ein Waldstück zu, ohne zu überlegen tat Lea es
ihm nach. Niemand schien die beiden zu bemerken. Sie ritten und ritten, als in dem Waldstück
plötzlich eine kleine Lichtung vor ihnen erschien.
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„U unmöglich“,
stammelte Lea.
„Das ist meine Lichtung.“
Es war wie in ihren Tagträumen. Auf der Lichtung blühten die schönsten Blumen, ein kleiner Teich,
in dem die Koikarpfen um die Wette schwammen, bunte Schmetterlinge und in der Mitte war ein
einziger Apfelbaum.
„Du hattest Visionen von der Lichtung, ich weiß. Es ist ein Ort der Ruhe und des Friedens. Selbst
wenn eigentlich ein Krieg herrscht.
„Werden sie uns hier nicht finden?“
„Nein, niemals. Sie können uns in diesen Teil des Himmels nicht folgen. Wir kehren erst zurück,
wenn wir den Krieg gewonnen haben und entweder alle Höllenkrieger tot oder zurückgekehrt sind.“
Er sprang von seinem Pferd und nahm ihm den Sattel und das Zaumzeug ab.
Es war alles in allem ein furchtbar sinnloses Ereignis, was sich nach dem Essen vollzogen hatte. Ein
Krieg, vor dem man sich versteckte, seine Gefolgsleute aber sterben ließ, oder darauf hoffte, dass
man gewann. Nein. So nachlässig und dumm konnte der Himmel nicht sein. Lea konnte so nicht
sein. Sie griff nach ihrem Schwert und wendete ihr Pferd in Richtung Schlachtfeld. Wieder eilte sie,
aber diesmal offen, auf die Gefahr zu. Das Schlachtfeld sah nach diesen wenigen Minuten ganz
anders aus als zuvor. Das Höllenheer hatte ungefähr gleich viele Krieger verloren wie das
Himmelsheer. Es war kein schöner Anblick. Voller Zorn stürzte sich Lea auf den Höllenkrieger, der
ihr am nächsten war. Sie zog ihr Schwert und rammte es ihm genau ins Herz. Keiner der
Höllenkrieger trug eine Rüstung. Es war ein unfairer Krieg. Der Krieger fiel von seinem Pferd. Er
war tot. Lea spürte ein Gefühl von Macht und Abscheu in sich aufsteigen. Sie hätte nie gedacht,
dass sie zu so etwas wie Mord fähig wäre. Mit diesen Gedanken tötete sie den nächsten Krieger. Es
wurden immer mehr, alle starben sofort. Lea konnte Damir sehen, der Krieger, der sie in die
Waffenkammer begleitet hatte. Er kämpfte an der Seite eines anderen und sie töteten, wie zuvor
Lea, ohne mit der Wimper zu zucken, einen nach dem anderen. Ein Blutbad vom Feinsten.
Entsetzlich so etwas mit ansehen zu müssen, noch schlimmer bei so etwas helfen zu müssen. Aber
erstaunlicherweise waren nur noch wenige Höllenkrieger vorhanden. Dies war kein richtiger Krieg.
Es war ein wer vernichtet wen als erstes. Der Himmel würde gewinnen, ohne Zweifel. Und so war
es auch. Nach zwei Stunden gewann der Himmel, ohne großen Verlust. Keiner der Höllenkrieger
überlebte. Nicht einmal der Teufel selbst. Lea hatte gegen ihn gekämpft, aber er war kein begabter
Kämpfer, nach wenigen Minuten fiel auch er von seinem Pferd. Die Himmelskrieger zogen sich
zurück, alle, bis auf Damir, er ritt auf Lea zu.
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„Hohenpriesterin, es war sehr mutig von ihnen an unserer Seite zu kämpfen. Mutig und unüblich.“
„Ich weiß Damir, aber ich konnte nicht auf der Lichtung bleiben. Es schien mir falsch zu sein selbst
zu feig zu kämpfen aber die anderen sterben lassen.“
Ehrfürchtig verneigte er sich vor ihr. Als er sich wieder aufrichtete, starrte er auf das Waldstück.
„Er kommt zurück.“
Marlo trabte auf sie zu.
„Der Krieg ist gewonnen. Sehr schön. Liebste, es ist nicht üblich, dass eine Hohenpriesterin kämpft.
Das nächste Mal unterlässt du das besser. Wir wollen dich noch lange am Leben erhalten.“
„Das ist doch kein Krieg gewesen, verdammt noch mal! Das war eine Schlacht, wenn überhaupt.
Und ich werde mich nicht verstecken! Ich werde auch beim nächsten Mal kämpfen!“
„Liebste du darfst dich nicht zu sehr aufregen. Es ist deine Entscheidung ob du kämpfst oder nicht.
Wie gesagt, es war nur nicht üblich.“
Sie ritten zurück zum Schloss, entledigten sich ihrer Rüstungen und stiegen die Treppe wieder
empor. Lea ging in ihr Zimmer, ließ sich auf ihr Bett fallen und schlief sofort ein. Sie träumte nicht.
Zum zweiten Mal an diesem Tag, hüllte sich alles um sie in einen schwarzen Schleier.
„Lea? Schatz? Ist alles in Ordnung?“
Sie hörte eine Stimme, es war ihre Mutter. Wie konnte das sein? Ihre Mutter war doch auf der Erde
und Lea war im Himmel. Mit schwacher Stimme versuchte sie zu sprechen.
„Mom? Bist du das?“
„Liebling, Gott sei dank. Ich hatte schon die schlimmsten Befürchtungen. Warum liegst du denn
hier draußen? Bist du in Ohnmacht gefallen?“
Draußen? Wo war sie? Langsam öffnete Lea die Augen. Sie lag im Garten vor ihrem Haus.
„Schatz, die Polizei hat gestern angerufen. Natascha wurde nicht ermordet, sie hatte einen
Herzstillstand. Wusstest du, dass sie Drogen nahm?“
„Was? Nein, das wusste ich nicht. Woher denn auch? Mom, lass uns jetzt nicht mehr darüber reden,
okay?“
„Schon gut. Komm steh auf. Wir gehen besser ins Haus, es sieht nach Regen aus.“
Lea stand auf und sie gingen ins Haus. Wie konnte es sein, dass sie jetzt wieder hier war? Noch vor
wenigen Minuten war sie doch noch im Himmel. Oder hatte sie alles nur geträumt? Hatte sie einen
Schock gehabt, wegen Nataschas Tod?
„Lea, bitte geh ins Bad und pick dir die Federn aus den Haaren. Woher kommen die überhaupt?
Hast du ein Kissen zerrupft?“
Völlig verständnislos ging Lea ins Bad. Als sie vor den Spiegel trat konnte sie sich ein Kichern
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nicht verkneifen. Ihre Haare waren weiß. Über und über mit Federn bedeckt. Ein Tag im Himmel
und wieder zurück. War alles nur ein Traum gewesen?
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Empire State
(Lisa Höber)
„Desastre, desastre!“,hörte ich Piere rufen. Ich drehte mich zu ihm um und sah direkt in seine
braunen Augen die mich zu zwei schmalen Schlitzen zusammengekniffen böse anstarrten. „Ella,
bist du verrückt?!!“, zischte er mich mit seinem französischen Akzent an, „du hast mich
ruiniert!!“Ich musste schmunzeln. Immer, wenn Piere sich schrecklich aufregte, zuckte sein
Schnurrbart nervös hin und her. „Was gibt es da zu lachen, Fräulein?!!“
Ich wurde wieder ernst. „Nichts, gar nichts, Piere.“. Er ließ sich in einen Stuhl fallen und seufzte
laut. Er sah mich eine Weile lang verzweifelt an. Ich versuchte seinen Blicken auszuweichen, indem
ich den Boden anstarrte. Nach einer Weile fing ich an die Bodenfliesen zu zählen. Weiß waren sie,
weiß mit einer kleinen blauen Blume in der Mitte. Obwohl sie schon ziemlich abgenutzt waren,
strahlten sie immer noch dieses typische Flair eines alten französischen Landhauses aus. Genauso
wie der Rest von Pieres Bistro.
„Was soll ich bloß mit dir machen??“,riss mich Piere aus meinen Gedanken. Dann schlug er die
Hände vors Gesicht. Es schien, als wolle er damit meiner Handlung, die ihn angeblich ruinierte,
mehr Dramatik verleihen. Allmählich machten mich seine Gesten und sein Schweigen nervös. Nach
einiger Weile nahm er die Hände vom Gesicht, beugte sich etwas nach vorne und blickte ins Leere.
Was hätte ich jetzt dafür gegeben, seine Gedanken zu lesen. Überlegte er etwa mich zu feuern?
Nein. Piere doch nicht, beruhigte ich mich stumm. Oder doch?
„Ella“, stammelte er langsam, „versteh doch, ich muss hier einen Betrieb am Laufenden halten. Da
kann ich mir solche Ausrutscher einfach nicht leisten.“
Beschämt sah ich zu Boden. Piere hatte im Grunde ja Recht. Ein kleines Mädchen vom Land, wie
ich es war, hatte im Gastronomiebetrieb einfach nichts zu suchen! Wär ich doch bloß in meinem
kleinen unbedeutenden Städtchen am Rande von New York City geblieben. Ich wär bestimmt eine
super Bäuerin geworden. Oder ich hätt es wie Tante Catherine gemacht: Einen reichen Graf
geheiratet und nach Europa abgehaut. Was wohl aus ihr geworden war? Mehr als die üblichen
Weihnachtsgeschenke bekamen wir alle nicht mehr von ihr. Ich wusste nicht mal wo sie überhaupt
genau wohnte. In der Schweiz vielleicht? Das würde die Schweizer Schokolade erklären, die letztes
Jahr in meinem Päckchen wär. Naja, die landete im Endeffekt so oder so im Bauch meiner zwei
kleinen Brüder…
„Ella, hörst du mir überhaupt zu?“, riss mich Piere aus meinen Tagträumen.
„Natürlich, Sir.“
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Eine äußerst unglaubwürdige Lüge. Ich wusste doch, was jetzt kommt. Er würde mir einen ewig
langen Vortrag halten über mein Versagen und meiner totalen Unfähigkeit und dass er sich so einen
Tollpatsch wie mich einfach nicht leisten konnte und am Schluss würde ich vor der Tür landen.
Wozu also das ganze Gerede? Konnte Piere nicht einfach mal seine Meinung sagen und mich
rauswerfen? Er war doch sonst auch nicht so zimperlich! Naja, ich hätte mich weniger aufregen
sondern mich eher bemühen sollen zu retten, was noch zu retten war! Vielleicht lässt er mir noch
wenigstens einen Job als Putze, die die Toiletten schrubbt. Wär mir auch recht, Hauptsache ich hätte
einen Job!! Ach warum gab ich mir Mühe, wir wissen alle wie die Geschichte ausgehen würde:
Piere wird mich rauswerfen.
So war es dann auch. Aber es war keineswegs furchtbar oder unerträglich gewesen. Nein, es war
sogar ganz nett. Ok, nett ist vielleicht nicht das passende Wort, aber ich hab die Sache ganz gut
überstanden. Piere hatte mir sogar noch meine Bezahlung für den nächsten Monat gegeben!
Tja, da stand ich nun. Starrte die Ladentür an. Wie so ein angebundener Hund, der nicht verstand,
warum er dort im Inneren nicht willkommen war. Doch nun Schluss damit! Ich konnte schließlich
nicht ewig dort rumstehen! Meine Zeit im Bistro war vorbei! Das musste ich nun mal einsehen,
auch wenn es hart war! Es war nicht der Untergang der Welt…vorerst.
Was Ted wohl dazu sagen würde?
Ted war mein Freund seit letztem Sommer. Ich besaß damals noch einen Hund, sein Name war
Chookie. Und naja, wie soll ich sagen, Chookie war nicht gerade der artigste aller Hunde! Nachdem
er damals meine Großmutter ins Handgelenk gebissen hatte, war es an der Zeit, mit ihm eine
Hundeschule zu besuchen. Das lief nicht ganz so am Schnürchen, wie ich mir das vorgestellt hatte.
Da Chookie nicht grade der Engel unter den Hunden war, waren die Trainer nicht begeistert von
ihm und gaben ziemlich schnell auf. Doch dann kam Ted und er hatte den Hund im Griff wie kein
anderer vor ihm! Und so ergab sich die Geschichte mit uns schließlich von selbst. Chookie lebt
übrigens nicht mehr: vom Bus überfahren der Arme. Ted und ich denken aber schon wieder darüber
nach uns einen neuen Hund zuzulegen.
Jedenfalls wird Ted nicht begeistert davon sein, dass ich meinen ohnehin schon schlecht bezahlten
Job los war. Wir waren vor einer Weile zusammen in eine Wohnung im Stadtzentrum gezogen. Die
Miete war ziemlich teuer, doch wir konnten noch nichts Besseres finden.
Langsam setzte ich mich in Bewegung. Es begann zu schneien, und ehe ich mich umsah, war die
gesamte Straße in einen Nebel aus weißen Schneeflocken gehüllt. Mir war eiskalt. So schnell mich
meine Füße trugen, lief ich die lange Straße entlang, bis ich unser kleines Wohnhaus sah. Mit
zittrigen Händen schlich ich das Treppenhaus hinauf.
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Während des Treppensteigens versuchte ich mir eine möglichst glaubwürdige Ausrede
auszudenken. Vielleicht sollte ich ihm erzählen, dass Piere zumachen müsse? Nein, Pieres Bistro
war eines der erfolgreichsten der ganzen fifth Aveneu. Die Story konnte ich also streichen. Ich
könnte sagen, dass Piere einen ganzen Batzen Geld geerbt habe, und deshalb nicht mehr arbeiten zu
brauchen. Auch nicht gut, es würde doch sicher einer seiner sieben Neffen den Laden übernehmen.
Mann, das gibt’s doch nicht! Sollte ich ihm einfach die Wahrheit erzählen? Er würde doch sicher
sauer werden. Obwohl, Ted weiß, wie hart es ist, einen anständigen Job zu finden. Er wuchs auf der
Straße auf, und ist seither das raue und oberflächliche Leben in New York City gewohnt. Das ist
jedenfalls das, was er mir erzählt hat. Ich habe mir nie wirklich große Gedanken über Teds früheres
Leben gemacht. Viel wichtiger war mir das hier und jetzt. Ted und ich, das war das einzige, das
zählte. Solange wir zusammen waren, konnte uns nichts zerstören, und ich wusste auch, dass es für
immer so bleiben würde.
Das dachte ich jedenfalls.
Noch immer von der Kälte geschüttelt suchte ich hektisch unsere Schlüssel, die immer unter der
Fußmatte lagen. Doch sie waren nicht da. Ich sah nach, ob die Haustüre aufgesperrt war. Das war
sie. Bis jetzt kam mir die Sache noch nicht sonderlich verdächtig vor. Doch das sollte sich schon
sehr bald ändern.
Langsam öffnete ich die Tür. Es war mucksmäuschen still. Ted war also nicht zu Hause. Doch
warum sperrte er dann nicht ab? Er wusste, doch dass wir uns in einer äußerst kriminellen Gegend
aufhielten, oder?
Nachdem ich den kurzen hellen Gang hinter mir hatte, war ich im Wohnzimmer angelangt. Hier
sollte mich ein Schock erwarten. Ich zog die roten Vorhänge, die es vom Gang trennten zur Seite
und mein Herz blieb fast stehen. Ich brauchte einen Moment um zu realisieren warum.
Es war leer.
Das Wohnzimmer war leer. Ein weißer, leerer Raum mit zwei großen Fenstern am Rand. Sogar der
Lampenschirm und die darunter versteckte Glühbirne war verschwunden!
Da stand ich nun. Versteinert. Wie eine Statue. Im kleinen, weißen Raum wo früher unser Sofa und
unser Fernseher stand. Unser kleines verstaubtes Klavier, unsere Bilder. Und jetzt, jetzt war alles
nur noch ein großes Nichts. Ich versuchte mich zu bewegen, mich zu piksen, damit ich endlich von
diesem Albtraum aufwachen konnte!
Doch es war kein Traum. Es war die harte, traurige Realität. Ted und ich, wir waren Opfer eines
Raubüberfalles.
Da schoss es mir wie ein Blitz durch den Kopf! Ted! Wo war er nur?! Ob sie ihm etwas angetan
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haben?! Schnell löste ich mich aus meiner kalten Starre und rannte in die Küche.
Wie auch im Wohnzimmer nichts. Mein nächstes Ziel war das Schlafzimmer. Nichts. Kein Ted.
Keine Möbel. Kein gar nichts. Nicht mal ein Staubkorn war zu sehen. Als hätten sie noch
aufgeräumt, nachdem sie eingebrochen waren.
Langsam ergriff mich die Panik. Wo war Ted?! Wo waren unsere Möbel?! Ich eilte zurück ins
Wohnzimmer, als mich endgültig die Kraft verließ. Ohne darüber nachzudenken legte ich mich auf
den kalten Boden und rollte mich zusammen. Tausend Gedanken gingen mir durch Kopf. In mir
tobte eine eigenartige Mischung aus Trauer, Verzweiflung, Wut und Ungewissheit, was noch auf
mich zu kommen würde. Ich merkte nicht mal, wie meine Hände wieder unbeweglich und kalt
wurden. Ich lag bloß da. Besser gesagt meine leblose Hülle lag da. Mit meinen Gedanken war ich
bei meinem Großvater. Ich erinnerte mich an die letzten Worte, die er, als ich letzten Sommer
beschloss mein Glück in New York zu versuchen, zu mir sagte. „Ein Vögelchen vom Land gehört
auch aufs Land und nicht in die Stadt.“
Ob er vielleicht Recht damit hatte? Taugte ich wirklich nicht für das laute, stressige Stadtleben? War
ich wirklich so eine Versagerin?! Kriegte ich wirklich nichts auf die Reihe?!!
Plötzlich bemerkte ich, dass die Wohnung nicht komplett leer war. In meinen Augenwinkeln konnte
ich die Umrisse eines Holzsessels erkennen.
Und tatsächlich. Als ich mich langsam wieder aufrichtete, war da wirklich ein Sessel in der linken
Ecke zu sehen. Warum hatte ich ihn vorher noch nicht bemerkt? Er war eigentlich kaum zu
übersehen.
Erst jetzt konnte ich den kleinen, weißen Zettel der darauf lag erkennen. Ich konnte einen Namen
darauf lesen. Meinen.
Etwas irritiert ging ich zu dem Sessel um den Brief vorsichtig zu öffnen. Er war nicht mit
sonderlich viel Aufwand gemacht. Es war eine fürchterliche Schrift! Als ob ein Kleinkind ihn
verfasst hätte. Doch er stammte von keinem Kleinkind. Er stammte von Ted.
Der Brief riss mir fast das Herz aus der Brust. Ted war weg. Für immer. Er würde nie mehr
zurückkommen. Er war es, der unsere Wohnung leer geräumt hat. Es war von Anfang an sein Plan
gewesen! Mich zu täuschen und auszunutzen. Dieser dreckige Verräter! Wie ich nur jemals auf
seine Spielchen hineinfallen konnte! Ich kleines naives Bauernmädchen! Er hatte ein leichtes Spiel
mit mir! Diesen ganzen Ärger hatte ich mir selbst zuzuschreiben! Ich hätte es doch schon ahnen
sollen, als er mir immer Kleingeld für angebliche „Spenden“ aus der Tasche gezogen hatte!
Doch so einfach würde ich mich nicht geschlagen geben! Ich werde den Dreckskerl finden und
wenn es das letzte ist, was ich tue! Und spätestens dann ist er mir und der Polizei eine Erklärung
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schuldig! Das war bestimmt nicht sein erstes krummes Ding! Nein, mit Sicherheit nicht…
Doch was würde ich solang machen? Ich konnte doch nicht in einer leeren Wohnung leben! Ich
konnte jetzt, wo ich meinen Job los war, ja nicht einmal mehr die Heizkosten bezahlen!! Ich war
echt bemitleidenswert…
Aber im Ernst, was hätte ich tun sollen? Draußen in Müllhalden hausen? Oder in einem
Obdachlosenheim unterkommen? Nein. Für ein Mädchen wie mich kam zu diesem Augenblick nur
eines in Frage. Meine einzige Chance auf ein warmes Plätzchen und eine anständige Mahlzeit. Auch
wenn es nicht das war, was ich wollte, es führte kein Weg daran vorbei. Schließlich war mein
einziger Ausweg, mein Elternhaus…
Dort stand ich nun. Am kleinem Gartentor. Mit dem einzigen, was mir noch geblieben war. Das
Geld von Pierre und Teds Abschiedsbrief. War es wirklich die richtige Entscheidung hierher zu
kommen? Ich könnte immer noch umdrehen! Doch nein. Wo sollte ich denn hin? Nein. Lieber hier,
als bei wildfremden Menschen auf dem Sofa wie es heutzutage der Brauch war.
Und da hörte ich sie auch schon. Meine Mutter. Mit ihrer hellen grellen Stimme kam sie durch die
Eingangstür auf mich zugestürmt.
„Ella Liebes“, flüsterte sie mir ins Ohr, als sie mich umarmte. Erst jetzt wurde mir klar, wie sehr ich
sie vermisst hatte! Ihr mütterlicher Duft strömte mir in die Nase. Sie war etwas rundlicher und
kleiner geworden in den letzten Wochen. „Kind, du bist ja ganz kalt, komm schnell rein und wärm
dich auf!“, sagte sie erschrocken zu mir, als sie mich losließ.
In Haus war es warm. Meine zwei kleinen Brüder, der eine sieben und der andere zehn, spielten am
Fußboden mit kleinen Spielzeugautos. „Jungs, seht mal, wer zu Besuch vorbeigekommen ist!“ Sie
horchten beide sofort auf. Als sie mich, sahen kamen sie sofort auf mich zugestürzt und ich
plumpste auf den alten Schaukelstuhl. Ich war froh, dass sie mich nicht vergessen hatten.
„Was ist denn hier drinnen für ein Aufruhr?“, hörte ich eine sanfte Stimme aus der Küche fragen. Es
war meine Tante Maggi. Sie und ihr Ehemann, Brian, wohnten ebenfalls mit ihrer Tochter Olivia,
sie war siebzehn, bei uns. Ich musste ihr sofort hallo sagen! Schnell stand ich auf und rannte in die
Küche. Was ich sah, war Tante Maggi. Aber anders. Sie stand an der Theke und schnitt Gemüse. Ihr
Gesicht war bleich, ihre Augen glasig. Ihre Nase war rot, als hätte sie gerade eben noch geweint. Ihr
Gesicht war gezeichnet und trostloser als sonst. Sie sah mich an. Es dauerte etwas, bis ihr ein
Lächeln gelang. Dann ließ sie das Messer sinken und kam mit offenen Armen auf mich zu. Kurz
darauf kam meine Mutter ebenfalls in die Küche. „Was machst du denn hier?“, fragte Maggi mich
neugierig. „Ella wird eine Zeit lang bei uns unterkommen. Sie wurde in New York aufs Übelste
betrogen und hat kein Dach mehr über den Kopf. Ist das in Ordnung für dich?“, erklärte meine
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Mutter.
„Natürlich.“, antwortete Maggi. Ich war verwirrt. Was ging hier vor? Und warum sollte es für Tante
Maggi nicht in Ordnung sein, wenn ich hier wohnen würde? Ich war immer ihr kleiner Liebling.
Oder etwa nicht? Die beiden sahen mir meine Verwirrung wohl an.
„Ella, ich glaube, wir sollten dir etwas erzählen.“
Ich saß im Wohnzimmer. Meine Füße tauten langsam auf und ich wartete auf meine Mutter, die mir
anscheinend eine dramatische Geschichte erzählen musste. Sie reichte mir eine Tasse Tee und setzte
sich zu mir. Maggi hatte sich wieder ihrem Gemüse gewidmet.
„Was ist los, Mam?“, fragte ich neugierig. Sie seufzte. „Es ist noch immer etwas schwierig für mich
darüber zu sprechen ohne zu…weinen“, schluchzte sie. Ich nahm sie in den Arm. Ich war
erschüttert. „Es war vor ein paar Wochen, als ich deine Cousine Olivia von der Schule abholen
wollte. Ich wartete am Schulhof auf sie. Doch sie kam nicht. Ich fragte eine Lehrerin ob sie wisse,
wo Olivia gewesen sein könnte. Doch diese versicherte mir dass sie nach Schulschluss sofort nach
Hause gegangen sei. Sie erzählte mir, dass ein schwarzes Auto sie abgeholt habe. Es gingen ja
schon lange Gerüchte von Entführern herum, doch dass unsere Olivia…“
Meine Mutter war am Ende ihrer Kräfte und heulte los. Tante Maggi kam herein. Ich wusste in dem
Moment nicht, was ich sagen hätte sollen. Es war zu unglaublich. Doch es war wahr…
Ich lag in meinem Bett. Warm war es und gemütlich. Es gab so viel nachzudenken. Womit hätte ich
bloß anfangen sollen? Olivia, wo war Olivia? Und Ted? Mein ganzes Leben stand in dem Moment
Kopf! Wär ich doch bloß niemals von zu Hause weggegangen! Ich hätte niemals diesen Verräter,
Ted, kennengelernt! Und ich hätte Olivia beschützen können! Doch nein, ich musste mich ja auf
große Abenteuerreise begeben, und alles, was ich je hatte, hinter mir lassen! Am Ende kommt man
eben doch dorthin zurück, wo man hingehört…
Und ich gehörte jetzt wieder zu meiner Familie! Sie brauchten mich jetzt mehr als je zuvor! Nach
New York kann ich immer noch…
Plötzlich kullerten mir ein paar Tränen über die Wange. Mir wurde bewusst, dass sie vielleicht
schon tot sein könnte. Jeder Moment könnte zu spät sein. Jeder einzelne Moment. Was war bloß
passiert? Wo könnte sie nur sein? Und wer war dieses Schwein das sie entführt hatte? Tausende
Fragen schwirrten mir durch den Kopf. Doch wo waren die Antworten? Es gab keine…
Ich hatte die ganze Nacht kein Auge zu getan. Ich war zur Polizei gegangen. Sie hatten mir alles
erzählt, es gab keine Hinweise, keine Verdächtigen, gar nichts. Sie hatten ihr Handy und ihren
Computer durchsucht. Doch nichts. Den Rest des Tages verbrachte ich damit, meine Familie zu
trösten und den Wald zu durchsuchen. Wie erwartet ohne Erfolg.
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Das ging einige Wochen so. Wir hatten die Hoffnung, Olivia jemals lebendig wiederzusehen, schon
fast aufgegeben. Doch das änderte sich schlagartig. Ich war auf dem Weg zum Bäcker, um frisches
Brot zu holen, als mir dieser Junge ins Auge stach. Er hatte pechschwarzes Haar und ein
kreidebleiches Gesicht. Er kam mir bekannt vor. Er zog mich förmlich an. Ich musste auf ihn zu
gehen. „Hallo“, sagte ich etwas verlegen. Er sah mich erst etwas verwirrt an, fing aber dann an zu
lächeln. „Sind Sie nicht Ella?“ Jetzt musste auch ich lächeln. Woher kannte ich ihn bloß? „Ja, Ja das
bin ich. Sag mal, kennen wir uns?“, fragte ich etwas verwirrt. Er lachte und reichte mir die Hand.
„Pete Hendriks. Ich bin…war ein Freund von Olivia. Wir haben früher mit Ihnen blinde Kuh
gespielt. Erinnern sie sich?“ Jetzt fiel es mir wieder ein! Natürlich! Pete! Wie konnte ich nur Pete
vergessen? „Wie läuft es? Weiß man schon etwas neues?“, fragte er mich neugierig. Ich schüttelte
den Kopf. Er biss sich auf die Lippen. „Die Polizei kommt mit so einem Fall einfach nicht klar.
Wann passiert auch schon mal etwas in unserem kleinen Dorf?“, beschwerte er sich. Ich musste ihm
recht geben. Unsere Polizei war wirklich nicht gerade die engagierteste. „Am Liebsten würde ich
die Sache mit Olivia selbst in die Hand nehmen..“, erklärte er mir, „ ich weiß alles über sie…“
Seine Idee war nicht die schlechteste. Ich meine, sie war besser als tatenlos zuzusehen. Ich lud ihn
auf eine Tasse Tee beim Bäcker ein und wir berieten uns. „Hast du irgendeine kleine Ahnung, wo
sie stecken, oder wer sie entführt haben könnte?“
„Olivia war nie ein Mädchen, das viel SMS geschrieben, oder telefoniert hatte. Sie schrieb Briefe.
Soweit ich weiß sind sie in einer Box in ihrem Zimmer aufbewahrt.“
„Warum hast du der Polizei nichts von der Kiste erzählt?“
Er lächelte. „Denken Sie wirklich die Polizei würde einem kleinen unwissenden Jungen wie mir
glauben? Noch dazu bin ich nicht sehr beliebt bei denen.“
Ich zog eine Augenbraue hoch. „Weswegen das?“
„Eine lange Geschichte. Die will ich Ihnen ersparen.“ Ich stimmte ihm zu. Er war mir sympathisch.
Ich konnte mir nicht helfen.
„Also, was schlägst du vor?“, fragte ich ihn.
„Lassen Sie mich in Olivias Zimmer. Ich bin mir sicher, ich werde etwas finden.“ Ich nickte.
Das Zimmer war verstaubt. Hier war anscheinend Wochen niemand mehr gewesen. Pete schaute
sich um. Er ging auf den alten Wandschrank zu und öffnete ihn. Er kramte etwas darin herum.
„Hier.“ Er hob eine verstaubte kleine Schachtel daraus hervor. Wir setzten uns auf das Bett. Ich
strich über die Schachtel um den Staub zu entfernen. Ich konnte darauf ihren Namen in einer kleiner
geschnörkelten Schrift lesen. Ich sah Pete kurz an. Dann öffnete ich die Schachtel.
Locker fünfzig Briefe waren in dem kleinen Schächtelchen zu finden. Alle handgeschrieben. Eine
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saubere Schrift. Ich nahm einen davon und las ihn mir laut durch.
„Liebe Olivia,
Ich denke jeden Tag an dich. Ich wünschte, ich könnte dich jetzt sehen. Doch das kann ich nicht.
New York ist soweit weg. Soweit weg von dir. Wenn du doch bloß schon achtzehn wärst, du
könntest auf der Stelle zu mir kommen. Doch keine Angst, das musst du nicht. Denn ich werde bald
bei dir sein. Ich muss hier nur noch ein paar kleine private Probleme lösen, dann bin ich da bei dir.
Ich verspreche es.“
„Ich wusste es…“, murmelte Pete. Ich sah ihn entgeistert an.
„Sie hatte einen Verehre…ich fasse es nicht. Und anscheinend war er auch noch um einiges älter als
sie! Das glaub ich einfach nicht!“
„Da steht kein Absender.“ Anscheinend hörte er mir gar nicht zu. Das Gefühl, dass ich in diesem
Moment hatte, war das gleiche, als ich Teds Abschiedsbrief las… es war furchtbar.
Wir liefen sofort zur Polizei.
„Du schon wieder!“, knurrte der Officer als er Pete sah und wollte ihn schon fast wieder
hinausschmeißen. Doch ich hielt ihn zurück.
„Warten Sie, der Junge kann uns helfen!“ Der Mann ließ uns herein und wir zeigten ihm die Briefe.
„Das ist eine äußerst interessante Geschichte, die du uns da vorweist, Pete.“, sagte er zu Pete, als
wir ausgeredet hatten.
„Nur leider ist es vielleicht bald zu spät, wenn wir nichts unternehmen!“, rief Pete nervös. Der
Polizeibeamte stand auf und reichte die Schachtel mit den Briefen an einen Kollegen weiter.
„Es wurden uns schon von einigen besorgten Eltern Briefe von unbekannten Liebhabern ihrer
Töchter gegeben. Wir werden die Schachtel einschicken und sehen, ob sie mit einer der bereits
bekannten Handschriften übereinstimmen. Wir melden uns dann natürlich sofort bei ihnen“, erklärte
der Officer. Unsere Arbeit war hiermit getan.
Und tatsächlich! Nur wenige Tage später stand die Polizei vor unserer Tür und erzählte uns, dass sie
durch die Handschrift und die Herkunft der Tinte eine Adresse herausfinden konnten! Ich schnappte
mir Pete, meine Mutter, Tante Maggi und ihren Mann und fuhr mit ihnen zum angeblichen
Aufenthaltsort. Die Stimmung wurde immer angespannter, je tiefer wir in den dunklen Mischwald,
einige Kilometer von unserem Dorf entfernt, fuhren.
Dan waren wir da. Ein kleines verlassenes Haus vor uns. Dunkle Fenster. Ziemlich alt. Die Polizei
riet uns zurückzubleiben. Dann gingen sie rein. Plötzlich hörte man einen Schrei. Dann einen
Schuss. Und noch einen Schrei. Die restlichen Polizisten liefen ebenfalls ins Haus. Es war ein
enormes Getümmel. Dann sah ich sie.
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Braunes langes Haar. Wunderschön wie immer. Zwei Polizisten stützten sie. Sie war es. Zwei
riesige Platzwunden im Gesicht. Doch sie war es. Und sie lebte. Tante Maggi. Meine Mutter. Pete.
Alle liefen sie auf sie zu und nahmen sie in den Arm.
Nur ich nicht. Ich konnte nicht. Etwas war in meinem Blickfeld, das es mir nicht ermöglichte, mich
zu bewegen. Und plötzlich schoss es mir durch den Kopf. Es war so offensichtlich. Die Briefe.
Hätte ich doch etwas nachgedacht. Ich griff in meine Jackentasche. Sah den Abschiedsbrief an. Sah
ihn an. Zerknüllte ihn und warf ihn zu Boden. Vergrub ihn unter Laub und Gestein mit meinem Fuß,
bis nichts mehr davon zu sehen war.
Er lachte. Er fand es komisch. Die Polizisten prügelten ihn förmlich ins Polizeiauto. Es war
plötzlich alles so klar. Und nun wusste ich, dass es vorbei war. Für immer. Und ich würde ihn nie
wieder sehen, diesen Verräter. Er war hinter Gitter. Für immer. Auf nimmer Wiedersehen, Ted.
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Der fast perfekte Mord
(Sarah Mayer)
Blut. Überall Blut und mittendrin liegt er. In seinem eigenen Blutbad. Eine zerbrochene Glasflasche
neben ihm. Im Nebenzimmer flimmert der Fernseher. Das Fensterscharnier quietscht durch den
starken Windstoß. Das fahle Licht der Straßenlaterne scheint ins Zimmer. Nichts bewegt sich. Nicht
einmal eine Fliege brummt. Das Kalenderblatt zeigt Dienstag den 17. an. Die Uhr im Flur tickt. Ein
Handy läutet. Immer und immer kommt der selbe Klingelton: „Ich muss nur noch kurz die Welt
retten,….!“ Aber es war zu spät. Man konnte niemanden mehr retten!
Das ist Josef Müller klar. Er steht im stickigen Zimmer einfach nur da. Ganz still und leise. Er
zittert. Hält eine Kaffeetasse in seiner Hand.- Er wollte doch nur Zucker holen! Einfachen Zucker,
ohne Leiche! Doch wer konnte das schon wissen? Sein Gesicht wird allmählich blasser und blasser.
Ein Schauer breitet sich in seinem Rücken aus. Ihm wird übel. Er dreht sich um. Bückt sich und ihm
kommt das ganze Essen hoch. Jetzt riecht es noch strenger. Er lässt die Tasse fallen. Er läuft und
läuft so schnell er kann.
Endlich ist er in seinem Haus. Er geht zum Telefon. Wählt 133. Es macht: „ Piep,…. piep.“ Endlich!
Eine herzliche Stimme kommt aus dem Hörer.
„Grüß Gott! Wie kann ich Ihnen helfen?“
Josef antwortet nichts.
„Hallo? Ist da jemand?“
„Ähmm…. ja, hallo. Hier ist Josef Müller. Ich wohne in Bad Aussee im Ortsteil Obertressen. Ich
ging gerade zu meinem Nachbar hinüber und, und er lag da. In Blut ein gewälzt und, und….!“
„O.K. Wir kommen gleich. Es könnte ein bisschen dauern, bis die Kriminalpolizei eintrifft. Aber
machen Sie sich keine Sorgen! – Wir sind da!“
Sie legt auf. Josef hört nur mehr ein „Piep,… piep.“ Er lässt den Hörer fallen. Josef Müller setzt
sich in seinen Sessel. Seine Gedanken kreisen um ihn. Still und leise ist es in seinem Haus. Man
hört seine Katze Wasser schlürfen.
Endlich. Eine Sirene ertönt. Josef Müller steht auf, macht die Tür auf und geht hinaus. In die
Eiseskälte.
„Guten Tag. Sind Sie Herr Müller?“
„Ja, das bin ich.“
„Ich bin Hauptinspektor Scheucher. Ich ermittle in diesem Fall. Das ist mein „Helferlein“ Inspektor
Bouba.“
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„Hallo. Wo ist denn die Leiche?“
„Im Haus nebenan.“
„Danke.“
Beide Inspektoren machen sich auf den Weg. Herr Müller ist immer hinter ihnen.
Sie treten in das Haus von Udo Schmidt ein. Hauptinspektor Scheucher schaut sich um. Er geht die
Stiege hinauf. Sie knarrt. Der muffige Geruch wird immer stärker. Inspektor Bouba schaut auf das
Erbrochene in der Ecke.
„ Das war ich“, sagt Josef.
Herr Bouba nickt. Der Hauptinspektor sieht sich für ein paar Sekunden um und sagt. „ Was führte
Sie zum Herrn Schmidt?“
„Ich wollte nur Zucker holen. Meine Tante hat morgen Geburtstag. Deshalb brauchte ich den
Zucker …. für die Torte. Ich klopfte mehrmals an, doch niemand machte die Tür auf. Ich sah, dass
im Wohnzimmer, also hier, Licht brannte. Also öffnete ich die Tür. Zu meinem Staunen war sie
offen. Ich ging die Stiege hoch. Da kam mir dieser Geruch in die Nase. Mir wurde allmählich übel.
Ich ging in dieses Zimmer. Öffnete die Tür. Sah ihn. Drehte mich um und ich übergab mich in der
Ecke.“
„Sie fassten auch nichts an?“
„Nein, warum?“
„Weil es so aussieht, als wäre ihr Nachbar mit einem Messer attackiert worden und neben ihm liegt
eine Glasflasche.“
Josef antwortet nicht. Er schluckt. Inspektor Scheucher sieht noch mal in die Runde. Jetzt irritiert
ihn etwas. Er geht zum Schreibtisch und starrt auf einen Zettel.
„Alles in Ordnung?“, fragt Bouba.
„Ja, ja. Könntest du mir das alles fotografieren und nimm diesen Zettel, die Glasflasche, den
Terminkalender und sein Handy mit. Und Herr Fleck, untersuchen Sie mir bitte die Leiche. Mir
kommt das alles hier nicht geheuer vor!“
Am Revier starrt der Hauptinspektor nur auf diesen Zettel, wie als ob jemand ins „Narren- Kasterl“
schaut. Er sitzt nur da. Ohne Emotionen zu zeigen, ohne Gefühle. Er steht auf und geht auf die
Fotostaffelei zu. Er bleibt stehen. Herr Scheuer sieht nur das eine Bild an, auf dem das Opfer zu
sehen ist. Nach langem Überlegen sagt er zu Bouba: „ Ich brauche bitte den Herrn Marco Schmidt
und die Frau Schmidt.“
Zwei Stunden später treffen die beiden ein. Zuerst verhört er Marco Schmidt.
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„ Herr Schmidt?“
„ Ja?“, antwortete er.
„ Sie sind ja der Bruder vom Herrn Udo Schmidt. Stimmt das?“
„ Ja, das ist richtig.“
„ Haben Sie eine Frau oder Kinder?“
„ Ja. Ich wohne mit meiner Frau in einer Wohnung.“
„ Sie waren ja der Letzte, mit dem sich Herr Schmidt traf, oder?“
„ Ich weiß nicht, was Sie damit meinen.“
„ Ich meine damit, dass Sie die letzte Person war, die ihn noch lebend sah.“
„ Ich glaube schon.“
„ Um drei Uhr haben Sie sich mit ihm zum Kaffee trinken im Kaffeehaus Cafébohne getroffen.“
„ Ja genau.“
„ Danke, das reicht mir fürs Erste. Jetzt brauche ich die Frau Schmidt!“
Herr Schmidt tritt aus und man hört schon im Flur Stöckelschuhe klacken.
„Wer will mich sprechen?“, fragt sie hochnäsig.
„ Ich. Guten Tag. Mein Name ist Franz Scheucher. Hauptinspektor, in diesem Fall.“
„ Aha. Nett zu wissen. Also, was wollen Sie von mir?“
„ Sie wissen doch, dass Ihr Mann gestorben ist.“
„ Ach, wirklich? Erzählen Sie mir was Neues.“
„ Wir müssten Ihnen nur ganz kurz ein paar Fragen stellen.“
„ Tja, dass weiß ich auch schon.“
„ Nun gut, wo waren Sie gestern zwischen sechs und sieben Uhr?“
„ Bei einer Weinverkostung in der Südsteiermark.“
„ Seit wann sind Sie mit Herrn Schmidt verheiratet?“
„ Seit zwei Jahren. Wir haben uns auf Mallorca kennengelernt und dann hat es gefunkt.“
„ Wussten Sie da schon, dass er ein Millionär war?“
„ Ja, wir sahen uns nämlich zum ersten Mal auf einer High- Society- Party.“
„ Wie war die Weinverkostung?“
„ Wie bitte?“
„ Die Weinverkostung. Gestern. In der Südsteiermark?“
„ Sehr schön.“
Inspektor Scheucher merkt, dass ihr die Frage unangenehm war. Frau Schmidt steht auf ohne noch
etwas zu sagen. Sie dreht sich mit einem leichten Dreher um und macht einen perfekten Abgang.
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Wie man es sonst nur bei Paris Hilton gewohnt war. Im Flur hört man wieder diese „klack- klack“
Geräusche von ihren Leoparden- High- Heels.
„ Und, wie war es? Und vor allem mit Frau Schmidt?“, fragt Bouba mit einem Lächeln.
„ Sehr schön. Sehr schön. Kannst du bitte nachschauen, ob gestern in der Südsteiermark eine
Weinverkostung war?“
„ Hast du leicht wieder eine verpasst?“
„ Sehr witzig Bouba. Du weißt doch, ich kann dich arbeitslos machen!“, sagt Herr Scheucher mit
einem wundervollen Lächeln.
Man merkt Bouba an, dass es ihm unangenehm war. Inspektor Scheucher sieht sich nochmal die
Fotos von Udo Schmidt an.
„ Gestern war keine Weinverkostung in der Südsteiermark. Du hast nichts verpasst!“
Inspektor Scheucher sieht Bouba wieder an und sagt: „ War gestern wirklich keine
Weinverkostung?“
„ Nein. Aber ich kann nachschauen, ob morgen eine ist. Soll ich dich gleich anmelden?“
„ Witzig, aber Frau Schmidt war wahrscheinlich gestern bei einer.“
„ Was?“
„ Sie hat gesagt, dass sie gestern auf einer Weinverkostung in der Südsteiermark war.“
„ Uhh, das gibt Ärger. Sie sieht zwar hammermäßig aus, aber im Köpfchen hat sie nichts.“
„ Sei nicht so fies.“
„ Und wie war es mit dem Bruder von ihm?“
„ Der hat auch gelogen.“
„ Warum?“
„ Er hat gesagt, er hätte gestern mit Udo einen Kaffee getrunken. Aber unser Opfer war um drei bei
einer Anklage.“
„ War unser Opfer leicht ein Verbrecher?“
„ Nein, aber ein Anwalt.“
„ Also was heißt das jetzt?“
„ Das heißt, dass es drei Verdächtige gibt, von dem unser Opfer ermordet worden sein könnte.“
„ Seine Frau, sein Bruder“, zählt Bouba an zwei Fingern ab. „ Wer noch?“
„ Die dritte Verdächtige ist Michaela Skaska.“
„ Wer ist das?“
„ Das war eine Klientin vom Herrn Schmidt.“
„ Ja und? Das hieße, dass auch jede andere Klientin verdächtig wäre.“
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„ Nein, das heißt es nicht. Frau Skaska war eine Klientin, mit welcher er eine Affäre hatte.“
„ Uhh, die arme Frau Schmidt.“
„ Du bist in sie verliebt.“
„ Vielleicht…, aber sollen wir nicht einen Fall lösen?“
„ Nein, du musst einen Fall lösen!“
„ Warum ich?“
„ Weil es heute schon spät ist und ich morgen bei einer Weinverkostung in der Südsteiermark bin.“
„ Du lässt mich hier alleine?“
„ Nein. Übermorgen bin ich wieder da. Viel Spaß!“
Der Hauptinspektor geht aus dem Raum und nimmt elegant seinen Mantel von dem Hutständer.
Man merkt Bouba an, dass er ein bisschen nervös ist. Er alleine soll den Fall für einen Tag
überwachen.
„ Und wie war der eine Tag ohne mich?“, fragt Inspektor Scheucher.
„ Ja, er war in Ordnung.“
„ Sehr schön.“
„ Wie war die Weinverkostung?“
„ Sehr, sehr schön. Hast du schon etwas Neues erfahren?“
„ Ja, etwas sehr Interessantes.“
„ Also ich finde es nicht so interessant zu wissen, dass Frau Skaska ein Kind mit Udo hat. Und dass
Frau Schmidt eine Affäre mit ihrem Schwager, also Marco Schmidt hatte. Welcher zufälliger Weise
mit Frau Skaska verheiratet ist.“
„ Woher weißt du das?“
„ Ich war zwar auf einer Weinverkostung, aber ich bin Multitasking fähig und kann auch mit dem
Internet umgehen. Ja, jetzt bist du baff!“
„ Ja, allerdings! Das mit dem Multitasking und dem Internet hätte ich ihnen niemals zu getraut.“
„ Hahaha, sehr witzig Bouba. Aber wie gesagt, ich kann dich entlassen.“
Boubas Lächeln verschwindet sofort.
„Aber, “ sagt Bouba, „warum heißt dann Michaela Skaska Michaela Skaska und nicht Michaela
Schmidt, wie ihr Mann, Marco Schmidt?“
„ Sehr interessante Frage, aber ich glaube, dass wir darauf später kommen. Jetzt tut das nichts zur
Sache. Wir müssen uns jetzt auf die Dinge konzentrieren, die wir noch nicht wissen.“
„ Du weißt, warum Michaela nicht Schmidt heißt, stimmt`s?“
„ Ist das so offensichtlich?“
101
„ Ja. Seit wann weißt du das schon?“
„ Seitdem ich mit dem Internet umgehen kann.“
Bouba lacht laut. Er findet es so witzig, dass er sich sogar am Boden wälzt. Es sieht so aus, als
könne er nicht mehr aufhören.
„ Hahaha, wirklich witzig. Zum Totlachen“, sagt der Hauptinspektor.
„ Ich finde, “ fährt er fort, „ wir sollten nochmal die eitle Witwe, Frau Eva Schmidt interviewen.“
„ Warum?“
„ Bouba, das ist doch offensichtlich. Und zwar wollte ich sie fragen, warum sie nicht bei dieser
großartigen Weinverkostung war! Nein, Spaß beiseite. Es gibt da noch einiges zu klären!“
„ Was wollen Sie?“, fragt Eva Schmidt.
„ Sie wissen doch, dass Ihr Mann tot ist, oder?“
„ Ja, erzählen Sie mir jetzt bitte etwas Neues, Herr Hauptinspektor!“
„ Wie Sie meinen. Der Herr Alexander Fleck, unser „Leichen- Doktor“, wie man so schön sagt, hat
Ihren Gatten obduziert und uns das Ergebnis geschickt.“
Evas Gesicht wird immer blasser und blasser. Sie ist so blass im Gesicht, dass man meinen könnte,
sie hätte einen Geist gesehen.
„ Alles in Ordnung?“
„ Ja, warum denn nicht?“
„ Naja, weil es nach allem Anschein so aussehe, als würde Ihr Mann zwischen sechs und sieben Uhr
am Dienstag ermordet worden sein.“
„ Ja und?“
„ Ja und? Sie haben gesagt, dass Sie auf einer Weinverkostung in der Südsteiermark waren. An
einem 17. März. Und jeder weiß, dass an einem 17. März keine Weinverkostung war!“
Eva Schmidt schweigt. Man hört die Uhr ticken. Tick…, tick… .
„ Dürfte ich jetzt gehen?“
„ Ja, aber zuerst noch eine letzte Frage .“
„ …“
„ Wussten Sie von der Affäre zwischen Ihren Mann und Frau Skaska?“
„ Ja, aber ich liebte meinen Mann, deshalb verzieh ich ihm.“
„Danke, Sie dürfen jetzt gehen.“
Frau Schmidt steht auf und man hört wieder ihre Stöckelschuhe klackern.
„ Also, warum heißt jetzt Frau Skaska nicht Schmidt?“
Die zwei sehen Frau Schmidt wegfahren. Man hört die Autos von der Autobahn.
102
„ Das ist einfach.“
„ Ja wirklich?“
„ Ja. Und zwar wollte die Frau Skaska nicht Schmidt heißen.“
„ Hahaha. Sehr witzig.“
„ Nein, jetzt im Ernst.“
„ Woher weißt du das?“
„ Ich habe sie bei der Weinverkostung getroffen. Und dann sind wir ins Reden gekommen.“
„ Woher wusstest du von Frau Skaska?“
„ Ich las mir Udos Akte durch und dort stand, dass er ein Kind hat. Und so bin ich halt auf Frau
Skaska gekommen.“
„ Nett.“
„ Ja, sie ist wirklich nett. Ach ja, was ist denn beim Verhör vom Marco Schmidt rausgekommen?“
„ Tja, dass er mit Skaska verheiratet ist und dass er mit unserer hübschen Eva ein Verhältnis hatte.“
„ Aber, warum genau die drei?“, murmelt Scheucher vor sich her.
„ Wie bitte?“
„ Ach, ich dachte nur nach.“
„ Nein, ich will es wissen!“
„ Na gut. In Udo Schmidts Handy sind nur sechs Nummern eingespeichert. Drei von seiner Kanzlei
und die anderen drei Nummern sind die Nummern, von unseren Verdächtigen.“
„ Das ist echt komisch.“
„Wir müssen noch einmal Herrn Müller, den Nachbarn vom Udo Schmidt befragen.“
„ Und warum?“
„ Tja, vielleicht hat er etwas gehört, was uns sehr hilfreich wäre.“
„ Ach, du machst mich wieder neugierig.“
„ Warum denn?“
„ Weil ich weiß, dass du etwas weißt.“
„ Ich finde es schön, wenn du etwas weißt.“
„ Was weißt du?“
„ Sehr viel.“
„ Ich weiß jetzt, was du weißt.“
„ Was weißt du?“
„ Naja, ich weiß, dass du weißt, wer ihn ermordet hat.“
„ Woher weißt du das?“
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„ Internet.“
Die beiden können sich kaum noch halten und lachen, als hätten sie noch nie in ihrem Leben
gelacht.
„ Guten Morgen.“
„ Guten Morgen Herr Müller. Wir würden gerne ein paar Fragen an Sie stellen.“
„ Bitte kommt herein.“
Die zwei Inspektoren treten in sein Haus ein. Es riecht nach Lebkuchen. Nach frischem Lebkuchen.
„ Wollen Sie einen Pfefferkuchen?“
„Wie bitte?“
„ Entschuldigen Sie bitte, ich meinte Lebkuchen.“
„ Nein danke. Aber was ich Sie fragen wollte ist, ob der Kuchen für Ihre Tante gut geworden ist.“
„ Ja, sehr gut sogar.“
„ Herr Müller, haben sie irgendetwas Verdächtiges am 17.3. gehört? Oder noch besser, gesehen?“
„ Also, ich hörte Ö3, aber um 18:03 Uhr kam ein Auto hergefahren. Zwei Leute stiegen aus und
gingen in das Haus von Udo.“
„ Können Sie sich erinnern welches Auto es war?“
„ Ja, ein violetter Renault Kangoo.“
„ Danke, vielen Dank! Sie haben uns sehr geholfen.“
Die zwei treten aus und steigen in das Polizeiauto ein.
„ Also, ich weiß nicht, warum er uns damit geholfen hat.“
„ Ach Bouba, das ist doch nichts Neues!“
„ Hat es uns wenigstens weitergebracht?“
„ Ja. Meine Theorie stimmt jetzt.“
„ Das ist nichts Neues!“
Die drei Verdächtigen sitzen ganz gespannt im Verhörzimmer der Kanzlei. Niemand spricht. Es ist
so still im Raum, dass man sogar die Uhr ticken hört. Plötzlich hört man Schritte im Flur.- Es sind
die Inspektoren. Sie treten in den Raum ein. Man merkt die Anspannung von allen dreien.
„ Ja, schön euch wieder zu sehen!“, sagt Herr Scheucher.
„ Tja, da wir zwei wissen, wer Udo Schmidt umgebracht hat, könnten wir eigentlich schon in den
Gerichtssaal mit dem oder die Mörder gehen. Aber weil wir die Auflösung eines Falles gerne vor
den Verdächtigen zelebrieren, stehen wir heute wieder hier“, sagt Bouba.
„ Hahaha, sehr witzig!“, meint Frau Eva Schmidt.
104
„ Gut, dann fangen wir mal mit dem Marco Schmidt an“, sagt Bouba.
„ Marco“, fährt Scheucher fort, „ Sie sind, wie bekannt, der Mann von Frau Skaska und der Bruder
von Udo. Wir haben schon oft Fälle gehabt, in denen der Bruder seinen Bruder umgebracht hat.
Jetzt könnten wir wieder so einen Fall haben. Im ersten Verhör haben Sie uns nicht die Wahrheit
erzählt. Ihr Motiv für den Mord könnte sein, dass Sie Ihren Bruder hassten, denn er hatte eine
Affäre mit Ihrer Frau. Nach dem Meeting könnten Sie ihn einfach umgebracht haben und apropos,
Sie waren nicht mit Ihrem Bruder Kaffee trinken, denn Ihr Bruder musste arbeiten. Ihr Motiv stünde
fest.“
„ Aha, jetzt könnten wir zwei ja eigentlich gehen“, meint Eva.
„ Nein, dürft ihr nicht!“, sagt Bouba, „ Denn Frau Skaska war auch nicht immer ehrlich! Frau
Skaska, ihr Motiv wäre, dass Sie Udo liebten, aber er erwiderte die Gefühle nicht, weil er mit seiner
großen Liebe verheiratet war. Aber, eine Frage stellten wir uns trotzdem, wenn Sie die Mörderin
wären, warum brachten Sie dann nicht die Frau Schmidt um?“
„ Genau, Bouba, aber dann hatten wir ja eine zweite Verdächtige: Eva Schmidt. Sie log uns auch an,
denn Sie war nicht auf der Weinverkostung. Also, hätte Sie kein Alibi. Ihr Mordmotiv wäre
Eifersucht. Aber bei Ihnen stellten wir uns auch eine Frage: Warum brachten Sie dann ihren Mann
um und nicht Frau Skaska, denn Sie hatte doch ein Verhältnis mit Ihrem Mann, oder?“, sagt Herr
Scheucher.
„ Doch unser lieber Hauptinspektor kann ja mit dem Internet umgehen und da sind wir auf eine
andere Theorie gekommen. Und diese Theorie ist die richtige, sie führte und nämlich zu unseren
Tätern! Ja, Sie haben richtig gehört: Unseren Tätern!“, erzählt Bouba.
„ Wie gesagt, weil ich mit dem Internet umgehen kann, kam ich auf unsere Mörder. Im Internet
erfuhr ich auch, dass Frau Skaska mit Frau Schmidt verwandt ist. Und dann fiel mir wieder die
Aussage von Frau Schmidt ein. Sie erzählte mir, dass Sie ihren Mann auf einer High- Society-Party
kennen lernte. Und durch diese Aussage wurde das Motiv von euch dreien ganz anders dargestellt!
Ihr zwei seid die berüchtigte „ Clock- death“- Gruppe. Ihr seid gesuchte Mörder. Seit zwanzig
Jahren sucht die Polizei schon die zwei Cousinen. Seit zwanzig Jahren sind schon fünf getötete
Ehemänner gefunden worden. Und jeder Mord lief so ab: Eine von euch zwei, in diesem Fall: Eva,
verführt einen reichen Mann auf einer High- Society- Party. Nach ein paar Monaten heiraten die
beiden. Währenddessen kommt Michaela Skaska ins Spiel. Sie heiratet einen Verwandten von dem
Ehemann von Eva. Plötzlich hat Sie dann mit ihrem Schwager eine Affäre. Als seine Frau davon
erfährt, reist Sie irgendwo hin, also auf eine Weinverkostung. Währenddessen alle glauben, dass Sie
auf eine Weinverkostung sei, bringt sie mit ihrer Cousine ihren Ehemann um. Und jeder glaubt, dass
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der Bruder einen Eifersuchtsmord durchführte. Er kommt ins Gefängnis und die Witwe bekommt
das ganze Geld von ihrem Mann. Aber beim Mord hatten unsere zwei Damen vergessen, dass
vielleicht ein Nachbar zu sehen könnte. Und dank Josef Müller haben wir nicht einen Fall, sondern
fünf alte Fälle gelöst!“, sagt Hauptinspektor Scheucher.
„ Polizei!“, fuhr Bouba fort, „ führen sie die zwei Frauen ab. Und Herr Scheucher, ich freue mich
schon auf die nächste Zusammenarbeit mit ihnen!“
„ Ich mich auch Bouba, ich mich auch!“
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dreizehn
(Lena Mittermair)
Normalerweise war Viola nicht abergläubisch, aber an diesem Novemberabend sollte sich das
ändern. Dunkelheit gepaart mit dickem Nebel lag schwer über der Stadt. Obwohl es Minusgrade
hatte, schlenderte Viola nur leicht bekleidet in hohen Stöckelschuhen ziellos durch die Stadt. Das
gleichmäßige Stakkato ihrer Schuhe hallte in der einsamen Straße wie laute Gewehrsalven. Gerade
als Viola sich die Frage stellte, warum sie auf keine Menschenseele traf, ging das Licht der
Straßenlaternen aus. Sie blieb stehen, horchte in die Dunkelheit. War da ein Geräusch? Die nackte
Angst kroch ihr über den Rücken, schnürte ihr schließlich die Kehle zu. Sie wandte sich um,
versuchte etwas zu erkennen, starrte jedoch nur in ein großes schwarzes Loch. Dann plötzlich, ein
gellender Schrei. Viola erstarrte. Sie hatte noch nie so etwas Grässliches gehört. Es war wie … ihr
fehlten die Worte. Fenster der Wohnhäuser öffneten sich. Sie war also nicht alleine, auch andere
hörten das dämonische Gebrüll. Plötzlich schoss eine Gestalt auf sie zu, griff nach ihr und zog sie
mit sich.
Am nächsten Tag meldete die Mutter von Viola sie bei der Polizei als vermisst. Doch die vermisste
Person muss 48 Stunden verschwunden sein, bevor die Exekutive mit der Suche beginnen konnte.
Aus diesem Grund nahm Violas Mutter die Suche selbst in die Hand. Der erste Weg führte sie zur
besten Freundin ihrer Tochter, Sarah. Mit ihr war Viola am Vorabend in der Disco gewesen.
Sarah schüttelte behäbig den Kopf. „Nein“, stieß sie stockend hervor. „Das kann … das darf nicht
sein. Nicht Viola.“ Sie griff sich mit einer Hand ans Herz, während die andere nach einer
Sitzmöglichkeit, auf der sie sich niederlassen konnte, tastet. Sie sank auf die Couch. Die Nachricht,
dass Viola verschwunden war, riss ihr buchstäblich den Boden unter den Füßen weg. „Wir hatten
gestern doch so einen tollen Abend!“, presste sie unter Tränen hervor.
„ Ist dir irgendetwas Seltsames an ihr aufgefallen?“ fragte Monika, sie versuchte einen ruhigen Ton
anzuschlagen.
„Jetzt wo Sie es sagen, sie wirkte gestern schon etwas unruhig. Ich bin mit ihr zum Ausgang, dort
haben wir uns verabschiedet. Ich bin dann gleich wieder zurück in die Disco.“
Sarah schlug die Hände vors Gesicht, schluchzte. „Mein Gott, ich konnte doch nicht ahnen …“
Violas Mutter atmete tief ein. „Dich trifft keine Schuld.“ Sie nahm Sarahs Kinn zwischen die
Finger, zwang sie ihr in die Augen zu sehen. „Sarah! Ich bin mir sicher, sie zu finden. Doch ich
brauche deine Hilfe. Konzentrier dich! Hast du jemanden gesehen? Ist dir etwas komisch
vorgekommen, etwas, dass du vielleicht nur im Unterbewusstsein wahrgenommen hast, jetzt aber,
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wenn du darüber nachdenkst, dir eigenartig erscheint.“
Die beiden sahen sich einige Sekunden an, dann schüttelte Sarah leicht den Kopf. „Nein. Nichts.“
Als Monika sich verabschiedete, fühlte sie sich leer und kraftlos. Wie nur sollte sie ihre Tochter
finden?
In der Hoffnung Hinweise von anderen Leuten zu bekommen postete sie es auf Facebook. Doch das
war keine gute Idee, wie sich herausstellte. Nachdem sich die Nachricht wie ein Lauffeuer
ausbreitete, tauchte bei Monika der halbe Ort auf, um sie zu trösten und ihr mysteriöse Geschichten
über den Verbleib ihrer Tochter zu erzählen.
Doch das half ihr nicht weiter, denn Monika war gar nicht traurig. Sie war viel zu viel damit
beschäftigt ihre Tochter zu suchen. Sie beschloss zu ihrer Mutter zu fahren, um dort in Ruhe
nachzudenken. Als sie gerade ins Auto steigen wollte, stand plötzlich ein Junge vor ihr. Sie schätzte
ihn auf 16 Jahre.
„Sind Sie die Mutter von Vivi, ich meine Viola?“
„Ja, das bin ich und wer bist du, wenn ich fragen darf?“
„Ich bin Lukas, ich kenne Vivi seit der ersten Klasse. Sie ist so ein liebevoller und freundlicher
Mensch, ich möchte Ihnen bei der Suche nach ihr helfen. Ich weiß vielleicht einige Sachen über sie,
die sehr hilfreich sein könnten.“
„ Und wie lautet noch einmal dein Name?“
„Lukas, Lukas Freilinger.“
Monika wusste nicht, ob sie dem Jungen trauen sollte. Zu viele hatten ihr in den letzten Tagen
Dinge erzählt, die sich später als Lügen herausstellten. Zudem sah dieser Lukas nicht gerade
vertrauenserweckend aus. Lange zerzauste Haare, seine Hose hing ihm bis zu den Knien und seine
Jacke hatte viele Löcher. Aber irgendetwas an ihm überzeugte. Sie deutete ihm einzusteigen. Für
ihre Mutter würde sie schon eine Erklärung finden.
Dort angekommen wurde sie gleich herzlichst von ihrer Mutter begrüßt
„Ich habe gehört, was passiert ist. Wieso sagst du mir denn so etwas nicht gleich? Ich sitze heute
beim Frisör und da muss ich erfahren, dass meine Enkelin verschwunden ist. Kannst du dir
vorstellen, was für ein Schock das für mich war! Du bist sicherlich sehr erschöpft. Und wer ist der
junge Mann in deinem Auto?“, überfiel ihre Mutter sie mit Fragen.
„Ich suche ein Plätzchen, wo ich in Ruhe durchatmen kann und der Junge in meinem Auto ist ein
guter Freund von Viola, er will mir helfen, sie zu suchen. Dürfen wir hereinkommen?“
„Ja meinetwegen, darf der Junge auch mit, wie heißt er denn überhaupt? Er soll endlich austeigen.“
Lukas reichte Violas Großmutter die Hand und stellte sich vor, wie man sie sich das von einem
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höflichen jungen Mann erwartete. Margarete schüttelte aber nur wortlos die Hand des Jungen und
deutete mit dem Kopf in eine bestimmte Richtung. Monika kannte ihre Mutter gut genug, um zu
wissen, dass es ihr gar nicht recht war, dass sie einen Freund Violas mitgenommen hatte.
„Hier könnt ihr in Ruhe überlegen“, sagte sie und verschwand hinter dem Vorhang
„Ich weiß, sie kann manchmal ganz schön nervig sein.“
„ Ach, das gehört bei Müttern dazu. Oh! Entschuldigung, das habe ich nicht so gemeint.“
„Wollen wir anfangen? Ich würde sagen, dass wir als erstes den Wald nach ihr absuchen. Vielleicht
ist sie gestürzt oder mit ihren hohen Stöckelschuhen umgeknöchelt.“
„Ehrlich gesagt halte ich das für unwahrscheinlich, warum sollte sie nach der Disco in den Wald
gehen? Ich habe von Sarah gehört, dass sie gestern nicht so in Party-Stimmung war. Sie wirkte
leicht nervös.“
Plötzlich klingelte das Monikas Telefon. Die Angst schoss ihr über den Rücken, vielleicht ist es der
Kidnapper von Viola. Sie warf einen kurzen Blick zu Lukas, der nickte leicht, dann hob sie ab.
„Hallo, mit wem sprech ich?“ sagte sie mit zittriger Stimme.
„Hallo, hier spricht Waltraud. Ich musste mit Schrecken erfahren, dass ihre Tochter vermisst ist!
„Ja, gestern Abend ist sie nicht mehr nach Hause gekommen. Haben Sie etwas gesehen?“
„Deshalb habe ich Sie auch angerufen, ich denke ich habe Viola gestern in der Stadt vor dem
Supermarkt gesehen.“
„Sie denken?“
„Sie ist ziemlich flott gegangen und dann gingen auch noch die Straßenlaternen aus. Mich
verwunderte, dass sie nur sehr leicht gekleidet war, obwohl es eisig kalt war. Ihre Schminke war
verschmiert, als hätte sie geweint!“
„Geweint?“
„Ja, sie ging Richtung Altstadt.“
„ Richtung Altstadt? Danke für Ihre Mühe Sie haben uns sehr weiter geholfen!“
Dann legte sie auf und sah verwundert zu Lukas.
„ Wieso ist sie wohl in Richtung Altstadt gegangen? Sie müsste doch in die andere Richtung, wenn
sie nach Hause wollte?“
„ Lisa wohnt in der Nähe der Altstadt. Vielleicht ist sie zu ihr gegangen!“
„Lisa? Sie mir noch nie etwas von ihr erzählt?“
„Sie ist im zweiten Semester zu uns gekommen, sie kommt aus Kroatien spricht aber schon sehr gut
deutsch. Sie hat sich sofort mit allen gut verstanden, vor allem mit Viola. Seltsam das sie, sie noch
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nie erwähnt hat?“
„Ja, aber das ist jetzt egal. Fahren wir doch einmal hin und sehen nach ob sie dort ist.“
Die zwei packten sich zusammen, verabschiedeten sich bei Monikas Mutter und stiegen ins Auto.
Als sie bei Sarahs Haus angekommen waren, stand die Polizei vor dem Haus. Sie gingen zur Türe
und klopften an, eine Frau mit verronnener Schminke öffnete ihnen die Tür.
„Grüß Gott. Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen, aber ich wollte nachfragen, ob meine Tochter
Viola heute Nacht bei Ihnen geschlafen hat. Sie ist eine Schulkollegin von Sarah, sie ist heute Nacht
nicht mehr nach Hause gekommen.“
„Nein, leider nicht, denn unsere Tochter ist heute Nacht genauso verschwunden. Aber kommen Sie
doch erst mal herein.“
Nach einem langen Gang kamen sie in ein offenes großes Wohnzimmer. Dort saß ihr Mann mit
zwei Beamten an einem runden Tisch. Auf dem Regal daneben standen eine weiße Kerze und ein
Foto von Dana.
„Grüß Gott“, der Beamte ging auf Monika zu und legte seine Hand auf ihre Schulter.
„Also Ihre Tochter ist gestern Nacht auch verschwunden?“
„Ja, nachdem sie in der Disco war, ist sie nicht mehr nach Hause gekommen. Ich bin hier, um zu
fragen, ob sie hier übernachtet hat, da sich Dana und Viola sehr gut kennen. Aber das wäre jetzt ja
geklärt.“
„Ich hab sie gestern Abend nur noch schnell um Brot und Milch zum Supermarkt geschickt, danach
kam sie nicht mehr nach Hause. Es ist alles meine Schuld, ich hätte selbst einkaufen gehen müssen.
Warum lass ich sie um diese Zeit überhaupt noch aus dem Haus? Wie konnte das nur passieren?“
Ihr Mann stand auf und brachte sie ins Schlafzimmer, er redete ihr gut zu und kam nach kurzer Zeit
alleine wieder zurück.
„Wollen Sie einen Kaffee oder Tee?“ fragte der Mann.
„Nein danke. Wir müssen schnell weiter, wir haben noch einiges zu erledigen.“
„Auf Wiedersehen, wir melden uns sobald wir Näheres erfahren haben.“ Sagte einer der Beamten
und dann verließen sie die Wohnung.
„Ist dir schon aufgefallen, dass beide als letztes beim Supermarkt gesehen wurden? Vielleicht
sollten wir uns dort einmal genauer umschauen!“
„ Du wirst noch zum Detektiv Lukas. Komm steig ins Auto.“
Als sie dort ankamen, war alles ganz normal. Nur eine Sache störte sie. Überall waren Pfeile an die
Wand geschmiert. Es ist zwar normal, dass die Wände des Supermarktes von Jugendlichen
vollgeschmiert werden, doch diese Pfeile bedeuteten etwas. Sie führten alle in eine Richtung, die
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zwei folgten den Pfeilen, bis sie zu einer Straßenlaterne zwei Blöcke vom Supermarkt ankamen.
„ Keine Pfeile mehr? Ich denke, das war doch nur ein alberner Streich eines Jugendlichen. Komm,
gehen wir wieder zurück zum Auto.“
„Warte“, schrie Lukas zu ihr rüber: „Komm schnell, das musst du dir ansehen.“
Monika rannte zu ihm und blieb dann prompt stehen. „ 13?“ sagte sie mit fragwürdiger Stimme:“
Was soll das bedeuten, 13? Wieso ritzt jemand eine Zahl in eine Straßenlaterne? Also, das wird mir
jetzt echt zu bunt. Das ist doch verrückt? Wer entführt zwei Mädchen und macht dann ein Rätsel
daraus wo sie sind?“
„Das ist es, ein Rätsel!“ sagte Lukas: „Lass uns alle Straßen und alle Häuser, die etwas mit 13 zu
tun haben, absuchen nach weiteren Hinweisen.
„ Aber wir sind doch nicht in einem Detektivfilm oder so. Lass es sein Lukas, so etwas gibt es nur
in Filmen! Gehen wir zurück zum Supermarkt und fragen dort ein paar Leute, ob sie etwas gesehen
haben.“
Lukas drehte sich zu ihr um, legte seine Hände auf ihre Schulter und sagte mit strenger Stimme:
„Sie bedeute mir etwas, sie ist das netteste, freundlichste und hübschestes Mädchen, das ich kenne
und ich möchte sie nicht verlieren. Also, wenn sie dir auch etwas bedeutet, dann reiß dich jetzt
zusammen und such mit mir alle Straßen in der Umgebung ab!“
Danach drehte er sich um und ging wortlos die Straße entlang. … stand noch kurze Zeit leicht
schockiert am Straßenrand, dann folgte sie aber Lukas die Straße entlang. Sie gingen in ein
Tourismus-Büro um sich eine genau Karte der Stadt zu holen. Um die Stille zu durchbrechen fing
Monika an über Viola zu reden.
„Eigentlich wollte sie nicht in die Disco gehen, ich habe sie überredet. Sie wirkte in letzten Wochen
immer sehr abwesend und etwas traurig, ich wollte doch nur das wieder lachen kann und jetzt? Jetzt
liegt sie vielleicht irgendwo gefesselt in einer baufälligen Hütte.“ Das war das erste Mal, wo ihr
einige Tränen über die Wangen liefen. Lukas versuchte sie zu trösten, doch dann fiel ihm etwas auf.
„Die leer stehende Siedlung am Stadtrand, sie hat die Hausnummer 13.“
Sie starrten noch eine kurze Zeit ins Leere, dann rannten sie los. Die Siedlung war nicht weit von
hier, sie ist schon sehr alt und darum soll sie auch abgerissen werden. Doch plötzlich, kurz vor der
Siedlung, blieb Monika stehen. Lukas drehte sich zu ihr und rief ihr zu:“ Komm, wir haben es bald
geschafft.“
„Aber was, wenn sie sich wirklich in dem Haus befinden und die Kidnapper vielleicht bewaffnet
sind?“
„Wir schauen doch nur und wenn wir etwas hören, dann können wir ja die Polizei rufen. Die wird
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das dann übernehmen, jetzt komm!“
Monika zögerte nicht lange und lief weiter in Richtung Siedlung. Dort versteckten sie sich hinter
einem Baucontainer direkt vor dem Haus. Sie hörten eine Stimme in dem Haus und dann, ein
Schuss. Er kam von einen der oberen Stöcke.
„So jetzt reichts!“ sagte Monika: „ Ich rufe die Polizei!“
Sie nahm ihr Handy aus ihrer Jackentasche und wählte.
„133 lautet die Nummer der Polizei, oder?“, wollte sie Lukas fragen Doch dann bemerkte sie erst,
dass Lukas schon längst zum Haus gelaufen ist!
„Nein Lukas! Komm sofort wieder zurück, das ist viel zu gefährlich für dich“, rief sie ihm nach,
doch das störte ihn nicht weiter. Er kletterte die Absperrung hindurch und verschwand dann im
Haus.
„Ich kann ihn doch nicht einfach alleine lassen, er braucht mich. Aber das ist doch viel zu
gefährlich, was mach ich denn nur? Ich muss zu ihm, es bleibt mir keine andere Wahl!“ dachte sie
sich und lief dann ebenso in das Haus. Kurz danach ertönte der zweite Schuss.
In dem Haus waren alle Wände mit Graffiti vollgeschmiert. Die Wände fühlten sich nass an und am
Boden waren immer wieder kleine Wasserpfützen. Sie ging vor bis zur Treppe, dort rief sie mit
leiser zittriger Stimme Lukas Namen, dann hörte man den dritten Schuss. Sie versuchte die Treppe
hochzusteigen, doch bei jedem Schritt wehrte sich ihr Körper dagegen. Im zweiten Stockwerk
angekommen, rief sie erneut Lukas Namen, doch niemand meldete sich. Von weiter oben hörte sie
wieder eine Stimme.
„Bitte Lukas, gib ein Lebenszeichen von dir“ ,dachte sie sich. Dann hörte sie ein paar Schritte einen
Stock weiter oben. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und ging noch einen Stock weiter nach
oben. Am Ende des Flures sah sie ein schwaches Licht, es dürfte von einer Kerze kommen. Dann
blieb sie ruckartig stehen. Ein Schuss. Ein Schrei. Und dann war es still. Plötzlich kamen zwei
Mädchen auf sie zugelaufen, es waren Viola und Dana.
„Mama?“ rief Viola schon von weitem.
„Viola? Ist alles in Ordnung? Seid ihr verletzt? Kommt schnell raus hier!“
Als sie aus dem Haus stürmten, waren fünf Waffen auf sie gerichtet. Ihnen blieb das Herz stehen. „
Falscher Alarm Jungs!“ schrie plötzlich einer der Beamten und die drei atmeten wieder beruhigt
auf. Die Polizei wurde von Nachbarn gerufen. Sie wurden sofort zu einem Polizeiauto in Sicherheit
gebracht.
„Keine Sorge, ihr seid jetzt in Sicherheit!“ ,sagte einer der Beamten.
„Aber was ist mit Lukas, er ist noch im Gebäude?“ fragte Monika.
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„Wir werden in heraus holen und dann bringen wir in auch zum Revier!“
„War das der Junge mit der zerrissenen Jacke?“, fragte Viola ihre Mutter.
„Ja, Lukas Freilinger. Kennst du ihn nicht? Er hat gesagt er geht mit euch in die Klasse!“
„Hast du Lukas Freilinger gesagt? Das kann nicht sein. Er ist mit mir in die Volksschule gegangen.
Lukas war ein sehr guter Freund von mir, er hat mich immer bei allem unterstützt. Doch dann hatten
er und seine Eltern einen schweren Autounfall. Er hat es leider nicht überlebt. Du musst dich geirrt
haben Mama.“
Monika wurde plötzlich ganz still und sehr blass im Gesicht, dann fuhr das Auto los.
Am Polizeirevier angekommen, stellte sich heraus, dass der Kidnapper vor genau dreizehn Jahren
seine dreizehn Jährige Tochter bei einem Flugzeugunglück verlor. Er konnte es einfach nicht
ertragen, andere Eltern glücklich zu sehen und daher wollte er sich rächen und ein paar Kinder aus
der Stadt entführen. Viola hatte geweint, da sie der Mann schon seit ein paar Wochen verfolgt hatte
und sie panische Angst hatte. Monika fragte einen Beamten nach Lukas. Ob sie ihn gefunden hatten.
Doch er sagte, dass sie das ganze Haus abgesucht hätten und es war sonst niemand im Haus.
Nach einigen Wochen hat Viola den Schock schon längst wieder vergessen, doch ihre Mutter ließ es
einfach keine Ruhe. Sie hatte schon seit Wochen nicht mehr richtig geschlafen, immer wieder stellt
sie sich diese Frage: Wer war dieser Junge? Sie musste noch einmal zu dem Haus um der Sache
endlich ein Ende zu machen.
Am nächsten Tag machte sie sich auf den Weg, sie ging den gleichen Weg noch einmal, den sie
damals mit Lukas gegangen war. Das Haus war bereits abgerissen, doch die baulichen Überreste
lagen noch dort. Sie kletterte durch die Absperrung hindurch und ging bis zu dem Container, wo sie
sich damals versteckt hatten. Hier hat sie Lukas zu letzten Mal gesehen. Dann sah sie jemanden. Ja,
es war Lukas. Er saß auf einem großen Stein ein paar Meter von ihr entfernt und lächelte ihr zu. Sie
wollte auf ihn zugehen. Doch je weiter sie sich ihm näherte, umso mehr verschwand er. Er wurde
regelrecht durchsichtig. Monika bekam es mit der Angst zu tun und fing an zu laufen. Als sie
ankam, saß dort niemand. Doch sie spürte ihn, sie spürte etwas Vertrauliches. Das Gefühl, das sie
immer bei Lukas hatte wenn er bei ihr war.
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Geschwisterliebe
(Christina Moser)
Sie schreit auf. Wieder einmal hat Adriana eine Eins bekommen. Mit einem Lächeln nimmt sie ihr
Heft entgegen.
Nach der Stunde ruft sie sofort ihre Mutter an und
erzählt ihr von der guten Note.
Ihre Mutter lobt sie sehr.
Adriana geht nach der letzten Stunde zu ihren Eltern Marion und Peter Schmidt nach
Hause. Dort ist auch ihre unbeliebte Schwester Lisa, die nie gute Noten schreibt. Sie
öffnete die Tür mit dem Gedanken gleich Geld zu bekommen. Ihre Mutter drückte sie
sofort und ihr Vater drückt ihr 50€ in die Hand. Lisa schaut nur und traurig zu. Sie
kommt am selben Tag mit einer Vier nach Hause und wird nur fertig gemacht. Adriana trieft
sich mit ihrer besten Freundin Aliana zum Shoppen, denn sie hat in dieser
Woche schon 100€ von ihrem Vater bekommen. Danach gehen die beiden noch in die
Disco. Adriana ist sehr hübsch und macht gleich Bekanntschaft mit einem süßen
Jungen. Sie bringt ihn mit zu sich nach Hause. Lisa sieht eifersüchtig zu, wie sie zur Tür
herein kommen. Ihren Eltern ist das aber egal sie war ja schon 17.
Es passiere sowieso öfter dass Adriana Jungs mit zu sich nach Hause nahm. Lisa ist ganz schön
eifersüchtig auf sie da Jungs gar nicht an ihr interessiert sind. Am nächsten Morgen sitzt
die ganze Familie mit Adrianas neuem Freund am
Frühstückstisch. Wie immer muss
Adriana eine bösartige Bemerkung über Lisas Aussehen machen.
" Lisa heute siehst du ja sehrgeil aus."
Lisa wird ihr Sarkasmus zu blöd, darum geht sie in ihr Zimmer. Aber sie ist die dummen
Bemerkungen von ihrer großen Schwester ja schon gewöhnt. Es klingelt an der
Haustür. Noch bevor Adriana ihrer Schwester schreien kann, macht sie schon die Tür auf.
Aliana steht vor ihr. Aliana ist Adrianas schöne reiche Freundin. Ihre Reaktion ist gleich
wie immer. Wenn sie Lisa sieht, muss sie immer lachen, da sie sie so hässlich findet.
Lisa rennt aus dem Haus. Einfach nur weg von allem. Adriana ist das aber egal, es ist ja nur
ihre nervige Schwester.
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Früher verstanden sich die beiden eigentlich sehr gut. Als Adriana noch jünger war spielte sie
immer gerne mit ihrer kleinen Schwester Lisa.
Doch als Adriana zum Teenager heranwuchs und sich für Jungs interessierte, wurde das Verhältnis
zu Lisa schlechter. Am Abend kommt Peter erschöpft von der Arbeit nach Hause.
Am Abend ist er immer sehr leicht reizbar. Marion hat schon gekocht und sitzt mit Adriana am
Tisch.
Sie warten, bis Peter seine Jacke aufhängt und sich zu ihnen an den Tisch setzt.
" Wo ist Lisa? fragt Peter. Adriana schweigt. Lisa ist noch immer nicht nach Hause gekommen. Jetzt
muss Adriana aber mit der Sprache raus. Spöttisch erzählt sie ihren Eltern was heute Morgen
passiert ist. Peter wird sehr wütend und schickt Adriana sofort auf die Suche nach ihrer kleinen
Schwester. Besorgt steigt Marion in ihr Auto und fährt los, auf die Suche. Adriana hat nicht vor ihre
kleine Schwester zu suchen und geht zu ihrer besten Freundin.
Nach 30 Minuten ruft ihre Mutter.
Sie soll sofort nach Hause kommen.
Adriana hat Angst vor der Reaktion ihrer Eltern. Aber als sie zur Tür hereinkommt, ist Lisa wieder
da.
Ihre Eltern sitzen mit Lisa in ihrem Zimmer. Ihre Schwester weint.
Einmal hat Lisa die ganze Aufmerksamkeit der Eltern.
Das ist Adriana nicht gewöhnt, darum geht sie in ihr Zimmer. Adriana spürt zum ersten Mal, wie
sich das Gefühl von Eifersucht anfühlt.
Sie ist wütend. Wütend auf ihre blöde Schwester, ihre Eltern, auf die ganze Welt.
Aber Adriana hat noch etwas gegen Lisa in der Hand. Lisa hat ihre Mathematik Schularbeit schon
zurückbekommen, was sie ihren Eltern aber nicht erzählt hat.
Lisa hat, wie üblich eine Fünf geschrieben.
Schadenfroh geht sie in Lisas kleines Zimmer, wo noch immer ihre Eltern sitzen.
Mit einem Grinsen auf dem Gesicht gibt sie ihnen Lisas Mathematikheft.
Lisa hatte es im Bad versteckt. Als Peter die Note vorne stehen sieh,t dreht er durch.
Schlechte Noten sind für ihn inakzeptabel. Er schreit Lisa an, die geschockt in ihrem Bett sitzt.
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Er nimmt Lisas Handy mit und geht mit den anderen aus ihrem Zimmer. *Lisa kann nicht mehr. Sie
versteht nicht, wie ihre einst so nette Schwester ihr so etwas antun kann. Jetzt kommt ihr ein
schlimmer Gedanke.
Lisa hat im Fernsehen eine Serie gesehen, in der sich Leute geritzt haben.
Sie will einfach nicht mehr. Sie geht zu ihrem Schreibtisch, auf dem ein Taschenmesser liegt.
Mit tränenüberströmtem Gesicht macht sie einen Schnitt. Darauf folgen vier weitere Schnitte.
Sie betrachtet ihre Pulsadern. Soll sie es tun? Sie sieht, wie sich das Blut stoßweise den Weg aus der
Schnittwunde über ihren Arm sucht.
Plötzlich wird ihr schwindelig. Direkt schwarz vor Augen und sie fliegt um. Bewusstlos liegt sie auf
dem Boden, aber das viele Blut fließt noch immer aus ihrer Hand. Nach einigen Minuten wacht sie
langsam wieder auf.
Sie muss sich kurz fangen. Jetzt sieht das Blut auf dem Boden. Es ist überall.
Sie will schnell aufspringen um ein Pflaster und einen Fetzen aus dem Bad zu holen.
Das stellte sich als keine gute Entscheidung heraus. Beim Aufspringen wird ihr wieder schwindlig
und sie fällt um. Langsam probiert sie wieder aufzustehen. Sie schafft es und geht ins Bad.
Schnell klebt sie ein Pflaster auf ihre Wunde. Noch mehr Blut darf sie nicht mehr verlieren.
Sie ist einfach nur am Boden zerstört. Sie versucht es wegzuwischen das viele Blut.
Aber es gelingt ihr nicht. Auf einmal geht Lisas Türe auf, Adriana steht davor. Sie beginnt schallend
zu lachen. „ Ohhh kleine Schwester, wirst du jetzt zum Emo und musst dich ritzen um
Aufmerksamkeit zu bekommen?"
„Wo sind unsere Eltern?“, fragt Lisa schwach. „Arbeiten. Sie können dir jetzt nicht helfen du
Versagerin.“ Lisa dreht total durch. Sie nimmt das Messer und geht auf Adriana los. Die nimmt das
aber nicht ernst und lacht sie weiter aus.
Bei Lisa brennen nun alle Sicherungen durch und sie sticht zu. Sie ermordet ihre eigene einst so
geliebte
Schwester. Sie sticht zu. Ein Mal, zwei Mal, drei Mal. Immer wieder, bis sie schließlich wieder zur
Besinnung kommt. Oh mein Gott habe ich das gerade wirklich getan sich Lisa.
Sie machte ihre Augen auf und sieht ihre Schwester blutüberströmt leblos auf dem Boden.
Geschockt starrt sie ihre Schwester an.
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Es darf niemand erfahren. Nach einigen Minuten kann sie wieder klar denken.
Sie hätte nie gedacht, dass sie jemals zu so etwas fähig sein würde. Sie holt einen großen Müllsack,
packt Adrianas leblosen Körper darin ein, schleift ihn aus dem Haus und mit letzter Kraft in den
Wald hinter ihrem Haus. Durch diesen Wald fließt ein breiter tiefer Fluss.
Das ist perfekt. Sie rollt Adriana mitsamt den Sack in dem Fluss. Die Strömung reißt Adriana sofort
mit. Komisches Gefühl, sie freut sich sogar als sie ihre Schwester im Müllsack davon treiben sieht.
Sie rennt nach Hause.
Zuhause wischt sie ihr Zimmer gründlich auf, wirft die Putzlappen in den Mistkübel der Nachbarn.
Erst danach begreift Lisa allmählich was sie gerade getan hat.
Sie hat ihre eigene Schwester ermordet!
Sie hört Stimmen in ihrem Kopf, die sie Mörderin nennen.
Sie hält die Stimmen nicht mehr aus und nimmt eine Schlaftablette und legt sich in ihr Bett.
Wie konntest du das machen? Du … meine eigene Schwester ?
Das wirst du noch so bereuen! Sie werden alles erfahren und dann wird dich keiner mehr
ertragen können. Sie wacht auf, sieht ihre Mutter, die sie an ihren Schultern festhält und schüttelt.
„Wach auf!
Du hast einen Albtraum.“ Lisa was hast du es ist nur ein Albtraum, wach auf!
Sie wacht auf Tränen im Gesicht.
Es war nur ein Traum beruhigt sie sich selbst. „Lisa, weißt du wo deine Schwester ist? Sie ist
gestern nicht nach Hause gekommen?“, fragte Marion.
„Ich glaube, sie wollte zu ihrer Freundin antwortete Lisa panisch. Als Marion sagt, dass sie Adriana
anrufen werde, fängt Lisa an zu schwitzen.
Es läutet an der Tür. „Wer kann das sein, um diese Uhrzeit?“, fragt Marion.
„Weiß nicht.“
Beide gehen nach unten um die Türe auf zu machen. Vor ihnen stehen zwei Polizisten in Uniform.
Oh mein Gott sie haben mich, sie wissen was ich gestern getan habe! , denkt sich Lisa.
„Es tut uns sehr Leid Marionaber jemand hat einen Müllsack im Fluss gesehen und...“, beginnt der
ältere Polizist.
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„Was und?“, fragte Marion hektisch, da Adriana ja nicht da ist. „ Können wir reinkommen?“
Marion führt die beiden Polizisten ihn das Wohnzimmer. Lisa folgt ihnen.
„Setz dich Marion!“
Marion greift sich ans Herz, als ahne sie, was nun kommen würde. „In dem Sack liegt…“ Der
Uniformierte macht eine kurze Pause. „…Adriana.“
„Wie.. in einem Sack?“, ist alles was Marion herausbringt.
Jemand muss sie mit einem Messer erstocken und dann in den Fluss geworfen haben.
„WAAAASSSS ? das kann nicht sein, nicht Adriana!“, brüllt Marion schließlich.
Lisa steht einfach nur starr daneben, wortlos wie leblos. Marion bricht in Tränen
aus und schickt die Polizisten weg. Schreiend rennt Lisa in ihr Zimmer.
Sie hat keine Ahnung was sie jetzt machen soll. Die Polizei wird sowieso draufkommen.
Diese Schuldgefühle zerreißen sie innerlich.
Sie hört ihre Mutter laut weinen. Lisa glaubt die Gedanken ihrer Mutter erraten zu können: Ihre
Lieblingstochter wurde ermordet wieso nur Adriana?
Sie ist sich sicher, dass es ihrer Mutter lieber ist, wenn sie ermordet worden wäre, nicht ihre große
Schwester. Sie hält diesen druck nicht mehr stand.
Lisa geht zur Polizeistation die nur zwei Straßen weiter liegt.
Sie will ein Geständnis ablegen. Sie rechnet sich schon ihre Strafe aus. Diese wird nicht ganz so
hoch ausfallen, da sie noch nicht volljährig ist.
Die Polizisten die zuvor schon bei ihnen zu Hause waren, sind geschockt. Sie können nicht glauben,
dass ein 13 jähriges Mädchen ihre eigene Schwester ermordet haben soll. Jetzt begleiten sie Lisa zu
Ihren Eltern nach Hause. Da sitzen sie und weinen, ihre Eltern, die immer ihre ältere Schwester
mehr geliebt und bevorzugt haben. Lisa ist schuld!
Die Polizisten erzählen ihnen von Lisas Geständnis. Marion ist geschockt und Peter schreit wie
verrückt herum.Lisa muss in ein paar Wochen vor Gericht, berichten die beiden Polizisten den
Eltern und gehen wieder.Lisa nehmen sie aber mit, um sie vor ihrem wütenden Vater zu schützen.
Lisa bekommt Jugendarrest für fünf Jahre. Nach diesen fünf Jahren sehen ihre Eltern auch ihre
Schuld ein. Aber Adriana kann ihnen keiner mehr zurückgeben.
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Tödlicher Umzug
(Adrian Neuhuber)
Inhalt:
Ein Krampus bricht in ein Haus ein und erschießt einen Mann. Die Polizei verhört zuerst die
Familie des Opfers, dabei stellt sich heraus, dass das Opfer ein paar Tage zuvor mit zwei anderen
Männern gestritten hat und dann will er die beiden anderen mit dem Auto anfahren, aber sie können
gerade noch in den Schnee springen. Der Inspektor aus Graz kommt in den kleinen Ort und kann
sich gar nicht vorstellen, warum er ermordet worden ist, weil das Opfer sehr beliebt war. Die
Ermittlungen gestalten sich zuerst sehr einfach, aber dann kommt der Kommissar in eine Sackgasse
.
1.Kapitel
Da liegt er neben der zerbrochenen Balkontür mit einem tiefen Loch im Bauch. Im Hintergrund hört
man das wilde Krampustreiben der Mitterndorfer Krampusse. Am nächsten Morgen steht die
Polizei im Haus neben dem Toten.
< Der Tote wurde in seinem Bekanntenkreis ,,Sepadl‘‘ genannt. Aber er wurde als Josef getauft. Er
hatte am Vortag Streit mit zwei Freunden.>sagte die Ermittlerin Lisa aus Bad Mitterndorf zu
Martin, dem Inspektor aus Graz, der nur zufällig in Bad Mitterndorf war.
<Dann nichts wie ab zu dem Freund des Toten.> sagte der Inspektor. Als sie später beim Freund des
Toten angekommen waren, stand das Auto von Anneliese, der Freundin des Toten, vor der Tür.
Martin vermutete, dass Anneliese eine Affäre mit Walter, dem Freund des Toten, hatte. Aber weil sie
Josef nicht verlassen wollte, tötete Walter den Josef aus Eifersucht. Nach dem interessanten Verhör
des Freundes stellte sich heraus, dass Josef die beiden gestern niederfahren wollte, aber die beiden
hatten es gerade noch geschafft, in den Schnee zu springen. Vorher hatten sie in der Kohlröserlhütte
eine Krampusssitzung, bei der Josef bekanntgab, dass er dieses Jahr nicht mitlaufen werde, obwohl
er heuer den Luzifer verkörpern durfte. Der Luzifer ist eine der prestigeträchtigsten Figuren im
Ausseerland und diese Rolle wird nur an Mitglieder, die schon mindestens zehn Jahre dabei sind,
vergeben. Aber er wollte dieses Jahr eine Auszeit und die hat er jetzt für immer. Das Telefon des
Inspektors läutete, es ist das Labor und sie hatten die Patrone gefunden, es war eine neun Millimeter
Pistole und sie war nicht angemeldet.
<Ok, die Pistole hilft uns nicht weiter.> dachte sich der Inspektor. <Wo ist hier das nächste
Waffengeschäft? Vielleicht hilft uns das weiter.>
<Das nächste ist in Bad Aussee, aber das wird um drei Uhr zusperren.> antwortete Lisa.
<Na dann lasst uns jetzt nach Aussee rasen.> entgegnete der Inspektor. Sie rasten mit Blaulicht von
122
Mitterndorf nach Bad Aussee, wo sie es gerade noch schafften, das Geschäft rechtzeitig zu
erreichen. Es lohnte sich aber nicht, denn der Besitzer des Geschäftes verkauft nur Waffen an Leute
mit Waffenschein. <Vielleicht hat er einen Waffenschein gefälscht.> vermutete der Inspektor. Aber
das stimmte nicht, denn er hat einen Apparat, mit dem man das überprüfen konnte.
<Heute wäre der Krampusumzug in Bad Aussee. Würden Sie mich begleiten Herr Inspektor?>
<Mit Freude würde ich Sie begleiten. Was muss ich anziehen?>
<Am besten wäre eine Skihose, aber zwei Jeans reichen auch.> Am Abend standen die beiden
Polizisten in der ersten Reihe, aber Martin war sofort weg, wenn ein Krampus zwei Meter in der
Nähe war. Die Shows waren sehr spektakulär und auch sehr schmerzhaft für Martin. Er ging am
nächsten Tag sehr langsam am Tatort herum und brauchte etwa eine Viertelstunde zum Einsteigen
ins Auto. Ausgerechnet in der Mittagspause kam ein Anruf für den Inspektor, er sollte schnell zum
Tatort kommen, denn die Spurensicherung hatte ein Stück Fell in einem Busch gefunden. Der
Inspektor kam erst nach einer halben Stunde zum Tatort, denn er benötigte erneut eine Viertelstunde
zum Einsteigen. Das Fell ist das Fell des Täters, wir müssen alle Krampusse zusammentrommeln
um einen Vergleich zu machen.
<Wenn ich dürfte, würde ich mal Mittagessen gehen!> Er war
rechtzeitig zum Vergleich zurückgekommen. Die Auswahl war sehr schnell gegangen, denn es
waren nur drei schwarze Krampusse in dieser Pass. Martin nahm von jedem Fell eine Probe für das
Labor.
2. Kapitel
Die Ergebnisse vom Labor hatten ergeben, dass keiner der Krampusse der Mörder sein konnte, denn
die Felle stimmten nicht mit dem Fell vom Tatort überein.
<Na toll und ich hätte schon gedacht, dass wir den Fall abschließen können.> schimpfte der
Inspektor lautstark. <Lasst uns das ganze Dorf durchsuchen. Vielleicht ist irgendwo ein herrenloses
Fell versteckt.> Nach geschätzten fünf Stunden hielten alle den Inspektor für verrückt. Die ersten
Polizisten hatten schon aufgegeben und auch Lisa hatte sich auf die Seite gesetzt. Als der Inspektor
ein
Fell
aus
einer
Mülltonne
zog,
schauten
alle
sehr
blöd
aus
der
Wäsche.
<Wie haben Sie das wissen können, dass irgendwo im Dorf ein Krampusfell versteckt worden ist?>
fragte die Ermittlerin verblüfft den Inspektor. Der Inspektor lächelte kurz und verschwand sofort in
seinem Auto. Die Ermittlerin runzelte die Stirn und fuhr mit ihrem Auto dem Inspektor nach. Die
Laborergebnisse haben nicht sehr viel gebracht. Es wurde ein Haar gefunden, aber es musste erst
nach Graz geschickt werden und das kann eine bis zwei Wochen dauern. Die Polizisten, welche die
Mülltonne noch einmal durchsucht hatten, hatten noch ein paar brauchbare Beweise gefunden. In
123
einem Glas hatte man Lippenstift gefunden, das könnte der Lippenstift von Anneliese sein. <Aber
der Täter wird nicht so dumm sein und wird mit dem Krampusfell ein Glas mit einem Lippenstift
von sich selbst entsorgen!> dachte der Inspektor. Aber wahrscheinlich ist es so, die DNA des
Lippenstiftes stimmt mit dem des Haares überein. Als Lisa mit Martin beim Haus des Toten ankam,
hörten sie einen Schuss. Die beiden liefen ganz schnell ins Haus. Annelise lag leblos am Boden. Sie
wurde erschossen. Aber der Täter war schon weg. Er war über den Balkon geflüchtet, aber er war
nicht sehr aufmerksam, denn er war durch den Schnee gelaufen, wo man seine Schuhspuren sehen
konnte. Aber bevor die Spurensicherung ankam, hat der Wind alle Spuren verweht. Der Inspektor
hatte noch alle Anrainer befragt, ob ihnen etwas auffälliges Aufgefallen war und es war einer alten
Dame ein Mann aufgefallen, der ganz in schwarz bekleidet war und er hatte sich sehr komisch
verhalten. Doch die Beschreibung war sehr ungenau. Der Inspektor ließ trotzdem eine Fahndung
hinausgehen. Am nächsten Tag meldete sich ein Mann der den Mann mit dem Taxi zum Haus
gebracht hatte. Er wusste sogar wie er hieß. Er hieß Walter, er war in der Metzgerei Diechtl ein
Stammgast.
<Er war auch einer der beiden Freunde, die mit dem Josef Streit hatten.> fiel Martin ein. Er machte
eine schnelle Handbewegung zur Ermittlerin und dann sind die beiden aus dem Posten
hinausgerannt und in ein Auto gesprungen und davongerast. Als sie einige Minuten vor dem Haus
von Walter standen und bei den Fenstern hineinschauten, sahen sie, dass niemand mehr im Haus
war.
<Er hat gewusst, dass wir kommen werden und ist jetzt abgehauen und wird wahrscheinlich über
alle Berge sein.> schrie der Inspektor laut gegen das alte morsche Fenster. Doch dann zur
Überraschung des Inspektors stand Walter vor den beiden Polizisten. Er fragte, warum da so laut
geschrien wird und warum die beiden hier sind. Der Inspektor sagte zu ihm, dass er unter
Mordverdacht stünde und mit auf den Posten kommen sollte. Er zog sich kurz um und dann kam er
mit den beiden Polizisten auf den Posten. Dort wurde er in den Verhörsaal gebracht und der
Inspektor fragte ihn, wo er am Mittwoch zwischen 13 und 15 Uhr gewesen war. Walter sagte, dass
er in seiner Wohnung gewesen war und dass das sein Freund Norbert beweisen kann, denn mit dem
hat er zu Mittag gegessen und dann haben sie sich im Fernsehen noch Biathlon angesehen und ein
paar halbe Bier getrunken. Dann ist Norbert nach Hause gegangen und Walter war dann bis am
nächsten Tag allein im Haus und hatte es auch nie verlassen. Der Inspektor fragt Lisa ob sie diesen
Norbert kennt und wo er wohnt. Sie sagte nur, dass sie weiß, wo er wohnt und dass er Förster ist.
<Dann nichts wie auf zum Försterhaus!> sagte der Inspektor und ging voraus. Die Ermittlerin ging
ihm nicht nach. Sie sagte, dass man einen Allradantrieb braucht um zum Försterhaus zu gelangen.
124
Er sagte, dass sich das schon ausgehen würde und dass es heute nicht so schwer zu fahren ist, weil
alles trocken ist und auch nicht eisig. Sie machte eine abfällige Augenbewegung und ging mit dem
Inspektor zum Dienstwagen. Während der Autofahrt fragte die Ermittlerin den Inspektor, warum er
nie mit dem Auto fährt, aber er sagte nichts und tat so, als hätte er sie nicht gehört und dann sagte er
wie aus dem nichts kommend, dass er nicht Autofahren kann und auch nicht will, weil seine Frau
bei einem Autounfall ums Leben gekommen war und dass er nur um ein Haar überlebt hat. Er hat
eine jahrelange Therapie gemacht um wieder ganz geheilt zu werden. Als die beiden Polizisten
beim Försterhaus ankamen, stand ein großer Jeep in der Garage und hinter dem Jeep hing ein totes
Reh an der Decke zum Ausbluten.
<Norbert ist wahrscheinlich gerade von der Jagd zurückgekommen und ist gerade beim Zerlegen
des Tieres.> mutmaßte Lisa. Als der Jäger die beiden Polizisten sah, fragte er zuerst, was die beiden
hier zu suchen haben. Die beiden zeigten kalt ihre Dienstmarken her und dann fragten ihn die
beiden dasselbe wie Walter. Er sagte auch dasselbe wie er. Nur eines passte nicht zusammen:
Norbert sagte, dass er nur zum Biathlonschauen zu Walter gekommen war und Walter sagte, dass er
zum Mittagessen zu ihm gekommen war.
<Was ist, wenn die beiden unter einer Decke stecken und die beiden bei Anneliese waren und sie
umgebracht haben und einer der beiden hatte sich im Haus versteckt während der eine aus dem
Haus rannte und uns aus dem Haus lockte, sodass der eine inzwischen die Beweise vernichten
konnte? > sagte der Inspektor hinter dem Rücken von Norbert zur Ermittlerin und sie sagte <Das ist
eine gute Theorie. Aber ohne Beweise können wir sie nicht festhalten und wir müssen sie laufen
lassen.> Der Inspektor dachte kurz nach und dann ging er zum Auto ohne etwas zu sagen und stieg
ein. Die Ermittlerin sagte zu Norbert noch schnell auf Wiedersehen und stieg dann auch ins Auto
ein und fragte den Inspektor, ob er nicht mehr von Sinnen sei. Er sagte einfach, fahren sie, schnell.
Sie fuhr weg und fragte ihn, was das jetzt gerade sollte. Er sagte: <Das hat nicht viel Sinn mit dem
zu reden, denn er und Walter sind unschuldig. Es war jemand, den wir vertraut haben und den wir
nicht vermuten. Aber ich weiß nur nicht, wer es ist.> Als sie wieder am Posten waren, fragte die
Ermittlerin, warum er sich so sicher sei, dass es nicht die beiden Freunde waren. Er antwortete
nicht, er zuckte nur mit den Schultern und sagte, er weiß es einfach und wenn er es weiß, dann ist es
auch so, dass hatte sie inzwischen schon von ihm erfahren. Am Abend sind die beiden miteinander
Essen gegangen und da haben die beiden viel geredet. Lisa hat viele Geheimnisse von Martin
erfahren und Martin auch viele von Lisa, die beiden hatten sehr viel Spaß und es wurde auch sehr
spät. Am nächsten Morgen sind beide zu spät auf den Posten gekommen, weil sie bis um 3 Uhr in
125
einer Bar waren. Obwohl keiner der beiden Alkohol getrunken hatte, hatten beide sehr starke
Kopfschmerzen und konnten sich an nichts mehr erinnern. Lisa fragte Martin, ob er sich noch an
etwas erinnern konnte. Er wusste nicht einmal wo sie gestern gewesen waren und auch nicht, ob er
was getrunken hatte. Am nächsten Tag will Martin noch einmal den Taxifahrer befragen, ob er noch
jemanden im Taxi zum Haus gefahren hatte oder jemanden gesehen hatte, mit dem sich Walter
getroffen hatte. Doch zu dieser Befragung wird es nicht kommen, denn als sie bei dem Taxifahrer
angekommen waren und bei der Glocke läuteten, kam niemand heraus. Der Inspektor trat dann mit
einer Selbstverständlichkeit die Tür ein und da sah er, dass ein Fenster offen war und dass der
Taxifahrer vor ihnen geflüchtet war und sich wahrscheinlich irgendwo versteckte bis die beiden
Polizisten wieder weggefahren waren. Aber so dumm waren sie nicht. Sie warteten, bis er sich von
selbst zu kennen gab. Er kam am späten Nachmittag nach Hause und fragte die beiden, was sie hier
suchen. Sie sagten, dass sie noch ein paar Fragen hätten und dass er auf den Posten mitkommen
sollte. Er kam freiwillig mit den zwei Polizisten mit und am Posten war er sehr kooperativ. Er gab
den Polizisten sehr gute Hinweise und auch eine genaue Personenbeschreibung. Die Polizisten
ließen ihn erneut laufen, sie suchten überall nach dieser Person, aber wie sich dann herausstellte gab
es diese Person gar nicht und die beiden waren so dumm und glaubten ihm. Er nutzte die Zeit, dass
er sich ein gutes Versteck suchen konnte, aber er hat vergessen sein Handy auszuschalten und
dadurch hatten sie ihn mit der Handyortung geortet und dann verhaftet. Er hat nach einem sehr
langen Verhör dann endlich den Mord an Josef und Anneliese gestanden. Lisa hat nach neun
Monaten ein Kind von Martin bekommen und Martin hat sich nach Bad Mitterndorf versetzen
lassen und wohnt jetzt mit Lisa in einem Haus auf einem kleinen Hügel, von dort aus können die
beiden über ganz Mitterndorf sehen.
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127
Atemlos
(Sophie Rastl)
Ich bin wie gelähmt, sehe nichts und fühle mich innerlich leer. Wo bin ich? Was ist passiert? Ich
nehme meine letzte Kraft, hole Luft und schreie: „HILFE!?“
„Du kannst so laut schreien wie du willst. Es wird dich keiner hören!“, höre ich eine Stimme
flüstern. Ich zucke zusammen. Mit zitterndem Körper versuche ich mich zu bewegen, aber es geht
nicht. Ich versuche mich zu erinnern, wie ich in diese schreckliche Situation kam. Ich war mit Luke
verabredet. Im Café George. Wir verbrachten einen schönen Abend zusammen, dann
verabschiedeten wir uns und ich machte mich auf den Heimweg. Plötzlich hielt ein Auto am
Straßenrand. Jemand kurbelte das Fenster herunter. Das Gesicht war mir bekannt. Mein Vater hatte
in der letzten Zeit öfters Kontakt zu ihm. „Guten Abend, Abigail. Wie geht es deinem Vater?“
„ Bestens. Danke der Nachfrage.“
Er fragte mich, ob er mich nach Hause fahren soll. Er wäre gerade in der Gegend unterwegs. Es war
dunkel und kalt. Einen Moment lang wartete ich, dann griff ich vorsichtig nach dem Griff. „Na
mach schon, Abigail!“. Ich gab mir einen Ruck und öffnete die Hintertür des Autos. Danach kann
ich mich an nichts mehr erinnern …
Ich greife um mich. Plötzlich spüre ich etwas Lederartiges in meiner Hand. Meine Tasche, schießt
es mir im ersten Moment durch den Kopf. Wieder versuche ich langsam aufzustehen. An der Wand
entlang tastend, bewege ich mich durch den Raum. Hier muss doch irgendwo eine Taschenlampe
oder ein Lichtschalter sein.
Mein Handy! Es muss in meiner Tasche sein. Ich gehe langsam in die Knie, bewege mich auf allen
Vieren durch den Raum. Als ich meine Tasche wieder in meiner Hand halte, öffne ich den
Reißverschluss und fange an, verzweifelt herum zu wühlen. Ich verstreue meine ganzen Sachen auf
dem Boden. Dann endlich: Mein Handy. Ich drücke alle Knöpfe und tatsächlich- das Display
leuchtet auf. „Das ist meine Rettung!“
Vorsichtig leuchte ich durch den ganzen Raum. Was ich entdecke, raubt mir den Atem.
Kapitel 2
Ich kenne diesen Raum. - Aber woher? Diese Raumaufteilung, die Einrichtung…. Noch einmal
drücke ich auf die rote Taste meines Handys. Durch das schwache Licht am Display sehe ich
Umrisse, die mich schlussendlich zu einem erschütternden Ergebnis bringen.
„Oh mein Gott!“. Ich weiß es. Meine Augen werden feucht. Eine Träne fließt mir übers Gesicht.
Das ist einer der Lagerräume von „Smith& CO“- der Firma meines Vaters.
128
Ich bekomme keine Luft mehr. Ich werde schwach und sinke zusammen. Was bedeutet das alles?
Noch einmal drücke ich die Taste auf meinem Handy, um zu sehen, wie spät es ist. 22:45 Uhr. Um
diese Zeit ist sicher niemand mehr in der Firma. Wer hat mir nach meinem Hilfeschrei geantwortet?
„Ist hier jemand?“
Keine Antwort.
Ich habe Angst. Mir ist kalt und ich will weg von hier. Nach Hause. Zu meinen Eltern, meiner
Schwester und … zu Luke. Was soll ich jetzt tun? Bin ich entführt worden? Ist das hier ein Scherz?
Sind hier überall Kameras? Bin ich bei „Verstehen Sie Spaß?“
Ich greife nach meinem Mantel und decke mich zu. Plötzlich höre ich Geräusche. Jemand knallt
eine Tür zu. Ich springe auf, taste mich zur Tür vor und klopfe laut dagegen. „Hilfe! Hört mich
jemand?“ „Hilfe! Bitte! Helft mir doch!“
Ich weiß nicht, wie lange ich mir die Seele aus dem Leib schreie. Irgendwann kommt nur noch ein
Krächzen aus meiner Kehle.
Niemand hört mich, oder niemand will mich hören. Verzweifelt sinke ich auf die Knie.
Ich bin müde und möchte einfach nur schlafen. Jedoch hält mich die Angst wach. Angst, dass etwas
Schlimmes passieren könnte, mich mein Entführer tötet. Ich lege mich mit dem Kopf auf meine
Tasche und decke mich mit meinem Mantel zu. Ich liege hier und starre an die Decke des Raumes.
Mir fällt eines meiner Lieblingslieder von Avril Lavigne ein. Leise beginne ich zu singen:
Damn, Damn, Damn,
What I'd do to have you
Here, Here, Here
I wish you were here…
Kapitel 3
Vor lauter Erschöpfung bin ich dann doch eingeschlafen. Ich schrecke auf, hoffe aus einem
Albtraum zu erwachen. Ein kurzer Blick genügt und ich weiß, die Entführung ist kein Traum es ist
die Realität. Nur wirkt der Raum nun viel größer und heller als zuvor. Ich lege meinen Mantel zur
Seite und stehe vorsichtig auf. Überall, auf jeder Verpackung steht der Name „SMITH& CO“.
Ich spüre Tränen über meine Wangen laufen.
Ich sehe, dass dieser Raum mit einer dicken Eisentür versiegelt ist. Keine Chance zu fliehen. Ich
bemerke einen Plastiksack. Er ist mir nicht aufgefallen. Soll ich es riskieren und einen Blick
hineinwerfen? Vorsichtig gehe ich 2 Schritte nach vorne und öffne den Sack. Darin ist eine Flasche
mit Wasser und ein Stück Brot. Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Es war jemand hier.
In der Nacht. Während ich geschlafen habe.
Es könnte sein, dass das meine einzige Nahrung für heute ist. Also muss ich es mir gut einteilen. Es
fällt mir aber sichtlich schwer, denn ich habe Hunger, aber vor allem habe ich fürchterlichen Durst.
129
Ich nehme die Flasche und trinke. Ich merke wie mein trockener Mund langsam feucht wird.
Aber warum bin ich hier? Es muss doch etwas mit diesem Mann, Mr. Murphey, so heißt er, zu tun
haben. Er hat mich dazu überredet, in sein Auto zu steigen. Er hat mich hierher gebracht. Aber wie
er es geschafft hat, in die Firma meines Vaters zu kommen, ist mir ein Rätsel!
Instinktiv fällt mein Blick auf den Platz wo ich mein Handy versteckt habe. In einem Spalt
zwischen zwei Regalen.
Es ist weg! Mir wird ganz schlecht. Ich fühle mich hilflos und meine Chance befreit zu werden ist
gleich Null, da bin ich mir sicher. Anderseits habe ich sowieso keinen Empfang, versuche ich mich
zu beruhigen. Aber als Licht für die Nacht, wäre es sehr nützlich gewesen, meldet sich eine zweite
Stimme in meinem Kopf. Ich habe Kopfschmerzen und mein ganzer Körper schmerzt, ich fühle
mich schwach. Du musst etwas essen, ermahne ich mich stumm. Zu verhungern ist auch keine
Lösung. Ich setze mich zu Boden und nehme mir ein Stück Brot.
Auf einmal glaube ich ein Summen zu hören. Zuerst leise, dann lauter. Eindeutig. Die Maschinen
werden nach und nach in Betrieb genommen. Die Arbeiter sind in der Fabrik.
In mir keimt ein Hoffnungsschimmer auf.
Irgendwann wird jemand diesen Raum betreten. Da bin ich mir ganz sicher. Mein Blick heftet sich
am Türgriff fest.
Ich schlage den Mantel auf die Seite, stehe auf und bewege mich in Richtung Tür. Ich versprühe auf
einmal solche Energie. Mein ganzer Körper füllt sich mit Wärme. Ich flüstere leise: „ Ich schaffe es.
Ich komme hier lebendig raus!“ Mit der gesammelten Energie schlage ich kräftig gegen die Tür.
„HILFE! Hört mich jemand? Ich bin hier. GEFANGEN!“
Ich frage mich, ob die Mitarbeiter wissen, dass ich hier eingeschlossen bin. Dass sie mich
absichtlich nicht hören wollen…
Kapitel 4
Ich habe überhaupt kein Zeitgefühl. Aber es muss nach Feierabend sein. Denn ich höre keine
Maschinen, keine Arbeiter mehr.
In dem Plastiksack krame ich nach Essen. Ich finde noch ein Stück Brot und einen Schluck Wasser.
Ich trinke die ganze Flasche auf einmal aus. Nicht gerade schlau, aber ich habe solchen Durst.
Ich lege mich auf den kalten Betonboden. Unter mir nur ein dünner Schal. Ich decke mich wie jede
hier grauenhaft verbrachte Nacht mit meinem Mantel zu und schließe die Augen.
Plötzlich höre ich leise Schritte, draußen in der Fabrikshalle. Ich schlage meinen Mantel auf die
Seite und taste mich zur Tür. Ich lausche und ich höre, wie sie näher kommen. Ich bekomme ein
flaues Gefühl in meinem Magen. Fast wie Übelkeit. Ist das mein Entführer? Wird er mir etwas
130
antun wollen? Ich kann mich an einen Feuerlöscher erinnern, der neben der Tür hängt. Ich schleiche
mich nach rechts und reiße ihn herunter. Leise bewege ich mich zurück hinter die Tür.
Jemand schließt die Tür auf. Durch den bereits geöffneten Spalt sehe ich eine Taschenlampe
leuchten. Der Spalt wird immer größer. Ich höre jemanden atmen und ich sehe einen immer größer
werdenden Schatten. „Dein Vater ist an allem Schuld!“, höre ich eine Männerstimme flüstern. Ich
springe aus meinem Versteck hervor. Hole Schwung und schlage mit dem Feuerlöscher in Richtung
Schatten. Ich hoffe, ich habe ihn getroffen. Ein lauter Schrei ertönt. Er fällt zu Boden. Ich schnappe
mir die Taschenlampe und leuchte auf den Boden, sehe einen Mann am Boden liegen. Er bewegt
sich nicht mehr.
„Was ist, wenn ich ihn umgebracht habe?!“
Ich leuchte das Gesicht an. „Obwohl ich angenommen habe, dass es sich um diesen Mann handelt,
erschrecke ich, als ich den blutüberströmten Körper von Mr. Murphey sehe. Eine Waffe liegt in
seiner schlaffen Hand.
„Oh mein Gott. Er wollte mir wirklich etwas antun!“ Ich bekomme feuchte Augen. Eigentlich
sollte ich sofort weglaufen, doch ich knie mich zu Boden, berühre die Halsschläfe und schaue, ob
sein Puls noch schlägt.
„Er lebt.“
Ich überlege, was ich tun soll.
„Ich muss hier weg. SOFORT!“
Mit der Taschenlampe in der Hand, laufe ich aus dem Raum. Durch alle Lagerräume, bis ich zu
einem Notausgang gelange. Ich reiße die Tür auf und ein lauter Alarm ertönt.
„Es ist mir egal. Ich bin in Freiheit“.
Ich hole Luft und lache. Ich lache vor Glück. Ich renne weiter. Durch den Schranken, der das
Fabriksgelände abtrennt. Es ist dunkel und ich stehe mitten auf einer selten befahrenen Straße.
Was soll ich bloß tun? Ein- zweimal erleuchtet die einsame Straße und ein Auto fährt an mir vorbei.
Ich stehe wie angewurzelt da. Tausende von Gedanken schießen mir durch den Kopf.
Die Entführung, dieser Mann, Luke, meine Familie, die beängstigende Dunkelheit…
Ich habe solche Angst. Ein paar Mal drehe ich mich um die eigene Achse, denn ich meine,
jemanden hinter mir gehört zu haben. Aber es ist niemand hier. Niemand. Ich bin ganz allein. Ich
spüre wie mir Schweiß über meine abgekühlte Haut fließt und mir Tränen in den Augen aufsteigen.
Immer wieder sage ich zu mir selbst:
„Was soll ich bloß tun. Ich schaffe es nicht.“ Ich lasse mich am Straßenrand zu Boden fallen. Der
furchtbare Gestank der Autos steigt mir in die Nase hoch und ich bekomme furchtbare
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Kopfschmerzen. Ich spüre nur noch den starken Wind der durch die Löcher meiner zerrissenen
Jeans und meiner Weste kriecht und mich frieren lässt. Ich schließe meine Augen…
Kapitel 5
Ich versuche meine Fingerspitzen zu bewegen, aber es gelingt mir nicht, denn ich werde von
jemandem festgehalten. Langsam öffne ich meine Augen. Es fällt mir sichtlich schwer und mein
Kopf schmerzt wie die Hölle. Ganz verschwommen sehe ich ein Gesicht, das sich über mich beugt.
„Luke!“, sage ich schwach und versuche ihm ein kleines Lächeln zu schenken.
„Wo bin ich?“
„Du bist im Krankenhaus. Die Polizei hat dich mitten in der Nacht auf der Landstraße gefunden!“
„Luke? Du bleibst doch bei mir, oder? Lass mich nicht alleine, ich habe solche Angst!“
„Was ist los, Abi? Warum zitterst du so? Ich bleibe bei dir. Ich lass dich nicht mehr fort!“
Er drückt meine Hand noch fester und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.
„Ich werde kurz deinen Eltern Bescheid geben, dass du wach bist.“
Er geht zu seiner Jacke, holt sein Handy aus der Tasche und wählt die Nummer.
„Hallo, ich bin es, Luke. Ich bin bei Abigail. Sie ist aufgewacht. Beruhigen Sie sich doch, Frau
Smith. Sie ist ansprechbar und ich bin mir sicher, dass sie sich sehr freuen wird, Sie zu sehen. Ok,
dann bis gleich!“
Er schmeißt sein Handy auf den Tisch und setzt sich zu mir auf die Bettkante.
„Möchtest du etwas trinken?“
Er versucht, ganz normal zu sein, so als wäre nichts passiert. Aber ich spüre, dass es ihm nicht gut
geht, dass er besorgt ist. Er würde so gerne erfahren, was passiert ist.
„Nein danke.“
Die Tür geht auf und eine Krankenschwester blickt herein.
Sie sagt: „Fräulein Smith. Sie sind ja munter. Herr Johnson? Warum haben sie uns nicht
informiert?“
„Es tut mir leid. Ich war so überwältigt, dass ich nicht daran dachte!“, sagt Luke etwas zögernd.
„Ist ja nicht so schlimm. Abigail, wie geht es Ihnen?“, sagt die Krankenschwester in einem
freundlichen Ton.
„Ich habe fürchterliche Kopfschmerzen und mir ist verdammt kalt!“
In diesem Moment geht die Tür auf und meine Eltern kommen herein. Meine kleine Schwester läuft
zu meinem Bett und drückt sich an meine Brust.
„Sue, wie schön dich zu sehen!“, sage ich leise und ich streiche ihr übers Haar.
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Meine Eltern kommen an mein Bett. Meine Mama kann sich nicht zurückhalten und fängt an zu
weinen. Sie fällt in die Arme meines Vaters. Ich denke mir: „ Ich muss jetzt stark wirken. So als
wäre alles nicht so schlimm.“ Ich nehme ihre Hand. Atme kurz ein und sage: „Mama. Warum
weinst du? Ich bin hier. Es ist alles in Ordnung. Wir schaffen das schon!“ Sie sieht mir in die
Augen, lächelt und drückt mir einen Kuss auf die Wange.
Bevor die Krankenschwester das Zimmer verlässt, sagt sie in kurzen Worten, warum ich im
Krankenhaus bin.
„ Sie lagen fast eine ganze Nacht bewusstlos im Freien. Als die Polizei sie fand, waren sie stark
unterkühlt und auch jetzt haben Sie ihre Normaltemperatur noch nicht erreicht! Sie müssen sich
wirklich schonen Abigail.“
Mein Papa bleibt den ganzen Besuch lang still. Er wirkt bedrückt. Aber vor den anderen wollte ich
ihn nicht auf die Entführung, auf das, das ich ihn seiner Firma gefangen gehalten wurde,
ansprechen.
Als meine Familie das Krankenzimmer verlässt, kommt Luke noch einmal auf mich zu.
Er fragt:„ Soll ich bleiben?“
„Ja!“
Mit aller Kraft rücke ich ein Stück zur Seite und deute auf den leeren Platz. Er legt sich zu mir und
ich gebe ihm ein Stück von meiner Decke.
Ich greife nach seiner Hand.
„Abigail. Möchtest du reden?“, fragt er mit einer ruhigen Stimme.
Ich erzähle ihm die ganze Geschichte. Von Anfang bis zum Ende. Es fällt mir sehr schwer, aber ich
weiß, dass ich ihm vertrauen kann.
Kapitel 6
Ich liege wach in meinem Krankenbett. In meinem linken Ohr höre ich den ruhigen Atem von Luke.
Er schläft. Langsam versuche ich mich aufzurichten. Ich schlage die Bettdecke auf die Seite und
ertaste mit meinen Füßen den kalten Fliesenboden. Ich suche den Lichtschalter des Badezimmers
und verschwinde für einige Minuten darin. Als ich die Badezimmertüre aufmache, höre ich draußen
am Flur jemanden reden. Ich muss mich am Türgriff festhalten und mir wird plötzlich furchtbar
schlecht und schwindelig. „Luke! Luke. Hilfe!“, flüstere ich leise aber trotzdem energisch.
Er hört mich nicht.
So schnell wie es mein Zustand erlaubt, renne ich zurück zum Bett und schüttle Luke kräftig.
„Luke! Wach auf. Luke schnell.“
„Was ist denn los Abi?“, fragt Luke mit müder Stimme.
133
„Draußen, draußen am Flur, da, da ist!“
„Abi. Ganz ruhig. Was ist passiert?“
Ich drücke seine Hand fest und sage zitternd: „Draußen am Flur. Da ist dieser Mann!“ „Welcher
Mann, Abi?“, fragt Luke neugierig.
„Er hat mich entführt. Warum ist er hier?“, frage ich, während ich weinend in seinen Armen
zusammenbreche.
Luke redet mir Stunden über Stunden gut zu und irgendwann fühle ich mich auch zu schwach um
meine Augen wach zu halten…
Leise Stimmen lassen mich erwachen. Ich bleibe ruhig und leise liegen und werfe einen kurzen
Blick auf meinen Wecker. Es ist bereits nach Mittag. Ich höre mir das Gespräch zwischen meiner
Mutter und einer Stationsschwester an. Ich verstehe nur einzelne Sätze. Denn sie stehen am Flur
und meine Türe ist nur einen Spalt offen.
„Wie konnte es nur passieren?“
-„Warum ist er hier?“
-„Wissen Sie nicht, was er meiner Tochter angetan hat?“
Meine Mutter redet auf die Krankenschwester ein, die gar nicht zu Wort kommt.
Aber ich weiß genau, um was es geht. Es geht um meinen Entführer. Luke hat meiner Mutter
erzählt, was in der Nacht passiert ist.
Ich begebe mich zur Tür und sage: „Mama komm herein. Die Krankenschwester kann nichts dafür.
Wie konnte sie denn wissen, dass er es war.“
Sie kommt ins Zimmer und nimmt mich in den Arm. Es tut wirklich gut. Solche Berührungen
waren bei meiner Mutter nicht drinnen. Sie ist genauso, wie mein Vater ein Berufsmensch. Doch
seit meine kleine Schwester auf der Welt ist, hat es sich ein wenig gebessert.
„Luke ist zu uns nach Hause gefahren um dir noch ein paar Sachen zu bringen!“, sagt sie mit einer
aufgelösten Stimme.
„Ok. Aber wo ist Papa?“, frage ich.
„Er hat soviel zu erledigen. Gerade hat er ein wichtiges Meeting mit einen privaten Kunden!“
Ich weiß genau, dass das nicht stimmt. Aber ich sage nichts und nicke stattdessen mit einem
Lächeln.
„Oh nein. Ich habe die Zeit übersehen. Ich muss Sue von der Schule abholen. Ist es in Ordnung,
wenn ich….“
134
„Geh schon, Mama und gib Sue einen Kuss von mir!“, unterbreche ich sie.
Sie drückt mir einen Kuss auf die Stirn und verlässt das Zimmer.
Kapitel 7
Ich liege im Bett und schaue mir eine Talkshow an. Doch meine Gedanken sind bei meinem Vater.
Ich würde zu gern wissen, was das Ganze mit ihm zu tun hat. Ich ergreife die Initiative. Jetzt wo ich
alleine bin, könnte ich in Ruhe mit ihm reden. Ich nehme das Telefon und wähle seine Nummer.
„Hallo Papa. Wie geht es dir?“
„Ach Abi. Danke, gut.“
„Papa. Ich brauche dich jetzt. Hast du Zeit, um ins Krankenhaus zu kommen?“
Sekunden der Stille.
„Bitte!“, füge ich hinzu, weil er nicht reagiert.
„Ich bin gleich bei dir!“, sagt er leise.
„Ok. Danke!“.
Kapitel 8
Es klopft an der Türe. Mein Vater, wie immer im Anzug gekleidet, blickt herein.
„Komm herein, Papa!“, sage ich mit einem Lächeln und stehe auf. Ich gehe ihm entgegen und
schließe ihn in die Arme.
Wir gehen in das Café unten in der Halle.
„Warum wolltest du mich sprechen, Abi?“
„Papa. Bitte sag mir alles, was du weißt!“
„Ich weiß nicht, was du meinst!“, antwortet er wie selbstverständlich.
„Doch du weißt es genau! Was hast du mit der Entführung zu tun!“, ich weiß, dass dieser Satz hart
ist, aber anders werde ich wohl nichts erreichen.
Ich merke wie er im ganzen Gesicht blass wird.
„Warum war ich in deiner Firma eingesperrt?“
„Abi. Das ist nicht der richtige Zeitpunk!“
„Doch Papa. Das ist genau der richtige Zeitpunkt. Jeden Tag habe ich mich gefragt, warum ich in
deiner Firma bin. Ich will Klarheit!“ Ich nehme seine Hand, denn ich sehe die Verzweiflung in
seinen Augen.
„Glaubst du nicht, dass es auch dir besser gehen würde, wenn du mit jemanden reden kannst. Schon
seit dem ersten Mal, als ihr mich im Krankenhaus besucht habt, habe ich gemerkt, dass dich etwas
bedrückt. Ich werde dir nicht böse sein, denn ich weiß genau, dass du das alles nicht wolltest.“
„Ich bin es dir wohl schuldig“, sagt mein Vater seufzend.
135
„Du weißt doch noch wer Mr. Murphey ist?“
Als ich diesen Namen höre, spüre ich einen furchtbaren Stich in meiner Bauchhöhle.
„Ja“, sage ich kühl.
„Meine Firma ist vor etwa zwei Monaten pleite gegangen. Aber ich war zu stolz und zu feig um es
euch zu sagen. Stattdessen habe ich mir von diesem Murphey Geld ausgeliehen. Als Gegenleistung
habe ich ihm die Hälfte der Firmenanteile übertragen. Ich habe eine Frist von zwei Monaten
bekommen um die Schulden zu begleichen. Doch ich habe es nicht geschafft, soviel Geld
aufzutreiben. Ich habe Drohungen von ihm erhalten. Auch, dass er meiner Familie etwas antun
würde. Doch ich habe es nicht geglaubt und euch vorgespielt, dass alles in Ordnung wäre. Doch
nichts war in Ordnung. Als du dann an diesem einen Abend nicht mehr nach Hause gekommen bist,
ist meine Welt zusammengebrochen. Mir war sofort klar, dass es Murphey war.“
Mein Vater lässt mir keine Zeit zu antworten. Er will es hinter sich bringen. Das sehe ich ihm an.
„Ich habe lange überlegt, was ich tun soll. Ich habe einen Brief von Murphey erhalten, wo drinnen
stand, dass ich ihm die restlichen Firmenanteile übertragen soll. Dann würdest du frei kommen. Ich
habe es natürlich sofort getan und ich habe auch deiner Mutter alles erzählt!“
„Wie hat sie reagiert?“, frage ich.
„Sie war geschockt. Doch sie hat mich verstanden. Deine Mutter ist eine wundervolle und treue
Frau. Sie hat mir versprochen, dass alles gut wird. Dann haben wir den Anruf von Luke bekommen,
dass man dich gefunden hat und du im Krankenhaus liegst. Ich hatte solche Angst vor diesem
Gespräch, das wir gerade führen, Abigail. Das kannst du dir nicht vorstellen.“
„Ich bin stolz, so einen Vater wie dich zu haben!“, sage ich mit einem Lächeln.
„ Was? Was hast du gesagt?“, fragt er, als hätte er sich verhört.
„Papa. Ich bin nicht böse. Ich bin stolz auf dich. Du willst immer das Beste für deine Familie. Du
willst uns alles ermöglichen und immer allen alles recht machen. Aber es ist nicht schlimm einmal
zu versagen, etwas nicht zu schaffen. Du bist doch auch nur ein Mensch!“, sage ich mit Tränen in
den Augen.
Ich stehe von meinem Sessel auf und nehme ihn in den Arm. In diesem Moment höre ich die
Stimme, die mir immer ein Lächeln auf die Lippen zaubert. „Hallo Schönheit!!“, ruft Luke und
winkt mir zu. „Eine Schönheit kann man mich im Moment nun wirklich nicht nennen!“, sage ich
mit einem Lächeln. Er lächelt und zwinkert mir zu. „Wie geht es dir?“, fragt er mit einem besorgten
Unterton. „Es geht. Es ist schwer zu wissen, dass dein Entführer in der gleichen Etage wie man
selbst liegt.“ „Alles wird gut!“, sagt er und drückt mir einen Kuss auf die Lippen.
Papas läutendes Handy unterbricht diese, nach Tagen etwas bessere Stimmung. Er antwortet mit
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kurzen Sätzen und beendet nach kurzer Zeit das Telefonat mit den Sätzen: „Ich richte es ihr aus und
frage sie ob sie bereit ist. Ich melde mich später noch einmal.“
„Abigail. Das war die Kriminalabteilung der Polizei. Sie fragen, ob du bereit wärst eine Aussage zu
machen“, spricht er und streicht mir über die Schulter.
Im ersten Moment fällt mir alles hinunter. Noch einmal diese schrecklichen Tage zu wiederholen.
Alles erzählen. Auf der anderen Seite wird es für uns alle wieder leichter werden. Da bin ich mir
sicher.
„Ja. Ich mach es. Wann werden sie kommen?“
„Morgen am Vormittag. So gegen neun Uhr. Ist das in Ordnung?“
„Ja.“
„Abi. Es tut mir leid, aber ich muss schön langsam nach Hause. Sue wartet auf mich. Sie hat doch
heute ihre Ballettaufführung.“
„Ach ja. Schade, dass ich nicht dabei sein kann. Ich werde sie morgen anrufen und sie fragen, wie
es gelaufen ist!“
Mein Vater nimmt mich in den Arm und drückt mich kurz aber kräftig.
„Gute Nacht.“, sagt er sanft.
„Gute Nacht, Papa!“
Luke bringt mich nach Oben. Er bleibt während meines Abendessens noch bei mir.
„Wie ich mich auf unsere Mc’Donalds Abende mit unseren Freunden freue. Wissen sie eigentlich,
was passiert ist?“
„Sie wissen, dass du im Krankenhaus bist. Ich habe auch gesagt, dass du viel Ruhe brauchst und das
du dich bei ihnen melden wirst, wenn es dir wieder besser geht. Ich wollte dir die Entscheidung
überlassen, wem und was du erzählen möchtest.“
„Danke!“
Ich begleite ihn noch bis zur Krankenhaushalle. Dort verabschieden wir uns und ich lasse mir Zeit
beim Zurückgehen. Ich versuche diese schrecklichen Bilder meiner Entführung zu verdrängen, aber
es gelingt mir nicht. Auch nicht als ich mir im Bett den Fernseher einschalte.
Ich lasse den Fernseher laufen und drehe mich zur Seite. Ich mache meine Augen zu, doch es dauert
eine ganze Weile bis ich einschlafe.
Kapitel 9
Eine Stationsschwester, die an den ganzen Maschinen herumtippt, weckt mich. Schnell greife ich
nach meinem Handy. Kurz nach acht Uhr. Ich stehe auf und bereite mich für das Gespräch vor. Mir
wird flau, als die Tür aufgeht und zwei unbekannte Personen herein blicken.
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„Hallo. Bist du Abigail?“
„Ja.“ Ich reiche den beiden Frauen die Hände.
„Wir sind von der Kriminalabteilung in Brooklyn. Wie geht es ihnen, Abigail.“
Ich sehe genau, wie ihre Kollegin die REC-Taste auf dem Aufnahmegerät drückt.
„Es geht.“
„Abigail. Können Sie mir von der Entführung erzählen? Sind Sie bereit dafür?“
Ich nicke und beginne zögernd zu erzählen. Vor mir immer diese Bilder. Wie in einem Horrorfilm,
aber es war alles wahr. Ich erzähle auch von meinem Vater. Ich habe mich am Vortag spät abends
noch einmal bei ihm gemeldet und ihn gefragt, ob es ok ist, wenn ich von der Sache mit Murphey
erzähle. Er willigte ein.
Über eine Stunde sitzen wir bei dem Tisch, der in meinem Zimmer steht und reden.
„Ich glaube, dass ist genug, Abi. Du bist ein wirklich tapferes Mädchen. Wie lange musst du im
Krankenhaus bleiben?“
„Bis morgen!“, sage ich und versuche zu lächeln.
„Was passiert jetzt mit diesem Murphey?“, platzt es aus mir heraus.
„Er ist bereits aus dem Krankenhaus entlassen und gleich darauf festgenommen worden. Im
Moment sitzt er in U-Haft. Wir haben vorher mit deinem Vater geredet, der uns bereits von ihm
erzählt hat. Erfreulich ist, dass er die Tat bereits gestanden hat“, erzählt mir die Inspektorin.
„Wirklich? Warum haben sie mich dann überhaupt noch verhört?“, frage ich.
„Wir wollten sicher gehen, dass wirklich alles so geschehen ist. Das haben Sie uns jetzt bestätigt
und ich glaube, dass es Ihnen jetzt auch besser gehen wird! Danke Abigail, dass Sie sich so viel Zeit
für uns genommen haben!“
„Ich danke Ihnen!“ Das erste Mal breitet sich ein Gefühl der Erleichterung in mir aus. Nachdem die
beiden Frauen das Zimmer verlassen haben, gehe ich zum Kasten und packe die Sachen zusammen,
die ich bis morgen nicht mehr brauche. Doch ich werde vom Läuten meines Handys unterbrochen.
Es ist meine beste Freundin. Sie fragt mich, wie es mir geht und was ich für Sachen mache. Ich soll
ihr alles erzählen. Doch das kann ich nicht. Ich sage, dass ich es ihr ein anderes Mal erzähle. Ich
kann nicht wieder diese Wunden aufreißen. Bevor ich auflege, sage ich, dass ich morgen das
Krankenhaus verlassen darf.
Kapitel 10
Ich sitze gerade bei meinem Abendessen als der Arzt hereinkommt um mich ein letztes Mal zu
kontrollieren. Er tastet mich ab und fragt mich nach meinem Wohlbefinden. Er bittet mich nach
zwei Wochen noch einmal zu einer Kontrolle zu kommen. Danach wünscht er mir eine Gute Nacht
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und viel Erfolg in meinem weiteren Leben.
Als ich in meinem Bett liege, denke ich an ein Leben als Arzt. Ärzte müssen immer loyal bleiben.
Sie dürfen nicht zu emotional, aber auch nicht zu gelassen sein. Sie müssen so viel Leid ertragen
und leben ständig unter Druck. Meinem Arzt wäre es nicht eingefallen, etwas über die Entführung
zu sagen, stattdessen wünscht er mir viel Erfolg in meinem Leben. Meine Tagträumerei wurde von
der Nachtschwester unterbrochen, die mir eine letzte Infusion gibt. Danach wünscht auch sie mir
eine gute Nacht. Ich bin wirklich schon nervös, vor meiner morgigen Entlassung. Wie wird mein
Leben nach diesem Schicksalsschlag werden?
„Ich muss aufhören, mir über meine Zukunft so viele Gedanken zu machen!“, rede ich mir selber
ein.
Ich schalte den Fernseher, der bereits sein Stunden läuft, aus und drehe das letzte Mal das
Nachtlicht meines Krankenbettes aus.
Kapitel 11
„Abi. Wach auf! Du darfst nach Hause!“, die helle Stimme meiner kleinen Schwester lässt mich
aufwachen.
„Hallo Sue. “ Ich richte mich auf und werfe die Bettdecke auf die Seite.
„Hallo mein Schatz. Ich hab dir ein paar Sachen zum Anziehen heraus gelegt und den Rest bereits
eingepackt!“ „Danke Mama!“
Ich mache mich fertig und sage mit einem Lächeln: „Können wir los?“
„Natürlich!“
Ich räume noch meinen Nachttisch ab und werfe alles in die Tasche. Ich schließe die Zimmertür
hinter mir und laufe Hand in Hand mit meiner Schwester zum Ausgang. So wie ein kleines Kind
und es fühlt sich so gut an. Die Schiebetür geht auf und ich atme die frische Luft ein. Der Wind
weht durch meine Haare und mir schießen Tränen in die Augen. Seit langem sind es Tränen der
Freude.
Epilog
Heute ist mein achtzehnter Geburtstag. Ich sitze mit meiner Familie auf der Terrasse. Die Sonne
lässt den wenigen Schnee glitzern. Es fühlt sich wie in einem Märchen an. Wir können wieder
lachen.
Murphey wurde nach mehreren Prozessen für schuldig erklärt und bekam eine Bewährungs- und
Geldstrafe. Mein Vater hat die Firma verkauft. Er arbeitet nun als Geschäftsleiter einer großen
Möbelkette und meine Mutter hat die Arbeit fürs Erste stillgelegt. Sie kümmert sich um uns und ist
100% Mama. Das tut uns allen und vor allem ihr gut.
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Ich bin noch nicht ganz über die Entführung hinweg. Ich brauche noch Hilfe. Und gehe deshalb
wöchentlich zu einer Therapeutin, aber es fühlt sich gut an, zu wissen, dass Murphey seine gerechte
Strafe bekommen hat. Nach meinem Schulabschluss wollen Luke und ich wegziehen. Er will mir
helfen, einen Neustart zu wagen. Das alte hinter mir zu lassen und nach vorne zu schauen.
Die Entführung war das Schlimmste, was mir je passiert ist, aber ich habe die Kraft, nach vorne zu
schauen.
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Der Pfeilgift Mord
(Jakob Schweitzer)
Kapitel 1 – Feierabend
Hannah schlich durch die Gasse. Nur das dumpfe Klopfen der Schuhe auf Asphaltboden konnte
man leise wahrnehmen. Ab und zu war auch ein leiser Flügelschlag eines Vogels zu hören. Sie war
auf dem Nachhauseweg von ihrer Arbeit in der Näherei. Ein kalter, feuchter Windhauch blies ihr ins
Gesicht. Ein modriger Geruch drang aus dem Kanal. Das dämmrige Licht der Straßenlaternen, um
die die Insekten schwirrten, erhellte die dunklen Gassen. Sie musste sich das eine oder andere Mal
die Mücken aus dem Gesicht wischen.
Um diese Zeit brannten kaum Lichter hinter den Fenstern der Häuser. Nur ab und an erkannte sie
durch vorgezogene Vorhänge das flackernde Licht eines Fernsehers.
Hannah kannte jeden Winkel in der Gasse. Schon als kleines Kind ging sie diesen Weg nach Hause.
Hannah wohnt in einem kleinen Haus, ganz in der Nähe. Schon ihre Urgroßeltern hatten darin
gewohnt und es stand schief. Das Fundament litt unter Altersschwächen, sodass das Haus etwas
schief stand. Außerdem wohnten noch ihre zwei Kinder bei ihr. Jonas und Suse. Jonas ist zehn und
Suse ist sechs Jahre alt. Ihr Vater hatte sie verlassen als Suse noch ein Baby war. Er lebte irgendwo
in der Umgebung, aber Hannah hatte schon lange keinen Kontakt mehr zu ihm.
Plötzlich spürte Hannah eine kalte, feuchte Hand auf ihrer Schulter. Sie merkte, wie ihr Herz
schneller zu schlagen begann. Sie wagte nicht, sich umzudrehen, blieb stehen und schloss die
Augen.
„Hallo Hannah!“, hörte sie eine vertraute Stimme.
Sie beruhigte sich. Es war Paul, ein alter Studienkollege und Hannahs bester Freund. Er wohnte in
ihrer Nähe, im Haus Nr. 57. Jetzt stand er dicht hinter ihr.
„Hallo Hannah. Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken!“
„Macht nichts Paul.“
“Ich wollte dich fragen, ob du morgen um fünf zu meiner Party kommst.“
Paul gab eine Party, weil seine Firma gute Umsätze gemacht hatte. Natürlich auch, um
Geschäftskontakte zu knüpfen. Er hatte schon oft versucht Hannah zu überreden, in seine Firma zu
wechseln. Aber Hannah lehnte immer wieder dankend ab.
„Ja, Paul. Natürlich komme ich.“
„Danke. Du bist eine sehr gute Freundin. Dann komm gut nach Hause. Tschüss.“
„Danke. Tschüss.“
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Er wandte sich um und verschwand. Hannah wollte sich beeilen, denn ihr war kalt und sie war sehr
müde vom langen Arbeitstag.
Wenige Minuten später stand sie vor ihrem Haus. Der Eingang lag in völliger Dunkelheit. Sie
versuchte den Schlüssel in das Schloss zu stecken. Doch sie verfehlte. Beim zweiten Versuch
klappte es und sie konnte die Tür aufsperren. Sie betrat den schmalen Gang. Kälte schlug ihr
entgegen. Das Haus zu heizen, konnte sie sich nicht leisten und auch die Elektrik funktionierte nicht
mehr. Es mangelte am Geld, um die Stromrechnung zu bezahlen. Sie horchte. Stille. Die Kinder
schienen bereits zu schlafen. Ein Glück, denn Hannah war viel zu müde, um sich noch mit ihnen zu
beschäftigen. Sie zog ihre Jacke aus, ließ sich auf die Couch fallen, zog die Decke, die dort bereit
lag, über ihre Schulten und schlief ein.
Kapitel 2 – Der große Schreck
Hannah wachte sehr früh auf. Noch machte sie sich keine Gedanken über die Party. Jetzt musste sie
sich erst einmal für die Arbeit herrichten. Sie musste auch die Schulbrote für die Kinder streichen.
Es war 7 Uhr. Sie ging die Treppe hinauf. Vor der Kinderzimmertür blieb sie stehen und klopfte an.
„Morgen! Aufstehen“, rief sie, als sie das Zimmer betrat.
„Hallo Mama! Wir kommen gleich“, sagten die beiden noch ein bisschen schläfrig im Chor.
Nachdem die Kinder das Frühstück gegessen hatten, stürmten sie zur Tür hinaus. Es hatte geschneit.
„Tschüss Mama!“, konnte Hannah gerade noch hören, als sie die Türe wieder schloss.
Nun musste sie sich beeilen. Es war halb acht.
Um Punkt 8 Uhr war sie in der Arbeit. Sie musste als erstes den Computer für die Nähsteuerung
einschalten. Vor ein paar Jahren wurden die Befehle und Nähmuster noch mit Lochstreifen
eingegeben. Heute macht das Ganze ein komplex wirkendes Programm. Der neue Rechner war in
den letzten Jahren etwas langsam geworden, aber er war immer noch schneller, als der alte
Lochstreifen-PC. Außer Hannah war zu diesem Zeitpunkt nur ihre Chefin da. Die Kollegen und
Kolleginnen mussten bald kommen.
Plötzlich fiel ihr ein, dass sie noch nicht wusste, wo sie die Kinder lassen konnte, während sie auf
der Party war. Sie musste also noch schnell ihre Mutter anrufen. Gott sei Dank sagte sie zu, dass die
Kinder bei ihr bleiben konnten. Nun trafen nach und nach ihre Kollegen und Kolleginnen ein und
sie mussten an die Arbeit gehen. Heute hatte Hannah nur bis ein Uhr Dienst. Den Rest des Tages hat
sie von ihrer Chefin wegen Pauls Party frei bekommen.
Hannah war jetzt wieder auf dem Heimweg. Es war fünf nach eins. Sie war noch nie so früh von der
Arbeit weg, außer wenn sie zur Schule gerufen wurde. Sie wusste schon genau, was sie anziehen
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würde. Ihre Wahl war auf das kleine Schwarze gefallen, das man zweiseitig tragen konnte.
Hannah wollte etwas früher auf der Party sein. Sie musste nur noch die Kinder bei ihrer Mutter
abliefern. Sie waren zu Fuß unterwegs. Sie mussten aufpassen, dass sie nicht auf dem glatten,
eisigen Weg ausrutschten. Hannahs Mutter wohnte in der Gartengasse 5, ganz in der Nähe von
ihnen.
Nun war sie vor Pauls Haus, wo die Party stattfand. Es war halb fünf. Sie war genau zu der Zeit
eingetroffen, zu der sie da sein wollte. Da konnte eigentlich nichts mehr schief gehen. Sie trat an die
Tür und klingelte.
„Hallo Hannah! Warum bist du denn schon so früh da?“
„Ich wollte einfach ein bisschen früher kommen. Oder ist es dir nicht recht?“
„Doch, doch. Komm rein Hannah. Die ersten Gäste müssen bald eintreffen.“
Hannah trat ein. Und wirklich, die ersten Gäste kamen bald darauf, obwohl die Party offiziell noch
gar nicht angefangen hatte. Sie hatten offensichtlich die gleiche Idee wie Hannah, sie wollten ein
bisschen früher da sein.
Nach einer Stunde waren alle Gäste da und das Haus war voll. Die Party war langweilig und nicht
gerade der große Erfolg. Ein Besucher versuchte Schwung in die Sache zu bringen, was ihm auch
gelang. Nach und nach fingen alle an zu tanzen und die Tanzfläche war voll.
Plötzlich brach Geschrei aus. Ein Mann war mitten auf der Tanzfläche tot zusammengebrochen.
Alle standen entsetzt und ratlos im Kreis um den toten Mann herum, da fiel die Haustüre krachend
ins Schloss. Paul bewahrte kühlen Kopf und verständigte Polizei und Rettung.
Kapitel 3 – Die Ermittlungen beginnen
Als diese endlich nach etwas längerer Zeit eintraf, durfte keiner das Haus verlassen. Es waren zwei
Polizisten, die sich mit diesem Fall beschäftigen sollten: Officer „Ham“ und Officer „Burger“. Die
Leute wunderten sich ein wenig über die ungewöhnlichen Namen der beiden. Doch die Polizisten
kannten das schon. Ham und Burger gingen sogleich an die Arbeit. Nach kurzer Untersuchung der
Brieftasche des Toten konnten sie ihn identifizieren. Es war Sebastian Schmidt, ein
Softwareentwickler in Pauls Firma, der nicht zu knapp verdiente.
Hannah stand wie erstarrt in einer Ecke des Raumes. Sie kannte den Mann, der jetzt tot auf dem
Boden lag, nur flüchtig aus Pauls Firma. Es war schrecklich anzusehen. Sie dachte an ihre Kinder
und wollte nur noch nach Hause. Aber die Polizisten ließen niemanden gehen. Erst sollte jeder
befragt werden. Für Hannah war das schrecklich, aber sie verstand, dass das Verbrechen aufgeklärt
werden musste und sie setzte sich auf einen Stuhl, der in ihrer Nähe stand.
Officer Ham wollte gerade mit der Befragung der Gäste beginnen, als ihn Burger noch einmal zu
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sich rief. Er schien etwas entdeckt zu haben und wies mit seinem Zeigefinger auf einen kleinen
Pfeil, der im Hals des Toten steckte. Ham kramte schnell ein paar Handschuhe aus seinem Koffer
heraus und zog den Pfeil vorsichtig heraus. Dann nahm er einen kleinen Koffer, auf dem „KofferLabor“ stand und begann den Pfeil zu untersuchen. Nach kurzer Zeit sagte er mit ruhiger Stimme:
“Ein Giftpfeil. Das Gift stimmt mit den Proben von den Pfeilgiftfröschen überein. Sieh es dir an.“
Er drehte den Laptopbildschirm zu Burger, damit sich dieser die ausgewerteten Messdaten ansehen
konnte. Dieser Pfeil war also die Tatwaffe. Aber woher hatte sie der Mörder? Er konnte sie ja nicht
einfach in der Apotheke oder sonst irgendwo gekauft haben. Diese Frage zu beantworten war
sicherlich keine leichte Aufgabe für die Polizisten.
Doch bevor Ham an diese Arbeit herangehen konnte, musste er mehr über die Gäste erfahren. Er
richtete sich in einem kleinen Nebenzimmer einen Verhörraum ein und bat die einzelnen Gäste zu
sich.
Zuerst wollte er mit Frau Schepper sprechen. Sie erzählte ihm, dass sie bereits seit dreißig Jahren in
Pauls Firma arbeitete. Sie hatte dort schon gearbeitet, als Pauls Vater noch die Firma leitete und
kannte Paul schon, als er noch ein Baby war. Frau Schepper arbeitete jetzt als Pauls Sekretärin. Ein
Fulltimejob, der sehr anstrengend und für eine Frau ihres Alters nicht mehr so leicht zu bewältigen
war. Ham notierte jedes Detail.
Währenddessen machte sich Burger daran, die Herkunft des Pfeilgiftes zu klären. Er fuhr ins
Polizeirevier, um sich mit einem Kollegen zu treffen, der bereits von ähnlichen Pfeilen berichtet
hatte.
Hannah saß noch immer auf ihrem Stuhl. Sie wurde als Letzte befragt. Officer Ham wollte wissen,
was sie zur Tatzeit gemacht hatte und warum sie auf Pauls Party war, obwohl sie nicht in seiner
Firma arbeitete. Hannah erzählte Officer Ham über ihre langjährige Freundschaft zu Paul, konnte
ihm aber sonst nicht viel weiterhelfen, da sie zur Tatzeit gerade in der Küche war und erst ins
Zimmer kam, als die den Schrei hörte.
Nachdem Officer Ham mit der Befragung aller Anwesenden fertig war und die Gästeliste noch
einmal kontrolliert hatte, bemerkte er, dass er einen Gast noch nicht befragt hatte. Ham erkundigte
sich bei Paul, ob er wusste, wo dieser Gast zu finden sei. Paul meinte, er habe ihn seit dem Unglück
nicht mehr gesehen. Vermutlich hatte er die Party nach dem Mord verlassen, worauf auch die
zuschlagende Tür hinweisen würde.
Officer Ham war der Ansicht, dass er mit seinen Ermittlungen vor Ort nicht weiterkommen würde.
Er bedankte sich bei den Anwesenden für ihre Mithilfe und fuhr zu Officer Burger ins Polizeirevier.
Die Gäste verließen nach und nach Pauls Haus und auch Hannah wollte sich auf den Heimweg
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machen. Paul, der bemerkt hatte, dass Hannah ganz verstört war, wollte sie aber keinesfalls allein
durch die dunklen Gassen nach Hause gehen lassen und begleitete sie bis zu ihrer Haustür. Hannah
schloss die Tür hinter sich zu und stand allein im dunklen Hausflur. Es war sehr still im Haus. Die
Kinder waren noch bei ihrer Mutter. Nach all diesen Ereignissen fühlte sich Hannah nicht wohl
allein im Haus. Müde fiel sie aber schließlich in einen unruhigen Schlaf.
Kapitel 4 – Der Mörder?
Als Hannah am nächsten Morgen aus ihrer unruhigen Nacht erwachte, wollte sie sogleich ihre
Kinder abholen. Sie ging los. Auf ihrem Weg kam sie bei Pauls Haus vorbei. Dort war schon wieder
die Spurensicherung im Einsatz. Hannah kam der Gedanke kurz hineinzuschauen, doch sie hatte
beim besten Willen keine Nerven mehr. Also ging sie weiter, bis sie nach einer Viertelstunde bei
ihrer Mutter war. Da die Kinder, die sonst immer zur Tür liefen sobald sie Hannah erblickten, noch
im Bett waren, öffnete ihre Mutter die Haustür. Die Strapazen des gestrigen Tages waren Hannah
anscheinend ins Gesicht geschrieben, da ihre Mutter besorgt fragte:
„Was ist denn los? Geht es dir nicht gut?“
„Ach Mama. Der gestrige Abend war schrecklich. Ein Mann aus Pauls Firma wurde ermordet
…“
„Das ist ja furchtbar!“
Hannah hatte gerade ihren Mantel und den Schal abgelegt, da kamen Jonas und Suse bereits ins
Zimmer gestürmt. Hannah und ihre Mutter bereiteten gemeinsam das Frühstück zu. Mit den
Kindern in der Nähe wollte Hannah nicht mehr über den Vorfall von gestern sprechen.
Als Jonas und Suse nach dem Essen draußen im Schnee herumtollen wollten, konnte sich Hannah
endlich aussprechen. Das Gespräch mit ihrer Mutter tat gut, sie bekam wieder einen klaren Kopf.
Doch ein bisschen mulmig war ihr trotzdem noch.
Hannah beschloss, zu Paul zu gehen, um ihm Beistand zu leisten. Ihre Mutter versprach, die Kinder
so gegen zwölf Uhr nach Hause zu bringen. Hannah verabschiedete sich und verließ das Haus.
Als sie bei Pauls Haus ankam, war die Polizei bereits weg. Hannah klingelte, doch niemand machte
auf. Die Tür war nur angelehnt und Hannah betrat die Wohnung.
„Paul, bist du da?“
Niemand antwortete. Hannah wollte die Frage wiederholen. In diesem Augenblick aber verspürte
sie ein komisches Gefühl. Sie fühlte sich beobachtet und verfolgt. Plötzlich vernahm sie das dumpfe
Knarren einer Holztreppe.
„Paul, bist du´s?“
Wieder antwortete niemand. Hannah konnte nicht sagen, woher das Geräusch kam. Verwirrt und
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etwas ängstlich stand sie im Flur und schaute in alle Richtungen. Nach längerem Suchen entdeckte
sie jemanden, der auf der Treppe zum zweiten Stock stand. Sie konnte nicht erkennen, wer es war,
da sie nur einen Fuß sah. War es etwa der Mörder? Sollte sie die Nächste sein? Sie wollte
weglaufen, konnte aber nicht! Sie dachte jetzt nur noch an ihre Kinder. Was sollte aus ihnen werden
ohne ihre Mutter? Hannah war nicht bereit zu sterben. Jetzt war in ihrem Kopf gähnende Leere. Sie
zitterte vor Angst. Plötzlich sprang die Gestalt von der Treppe!
Kapitel 5 – Die freche Katze
Nachdem die Person wieder festen Boden unter den Füßen hatte, schlug sie zu. Die Hand landete
mit einem lauten Knall an der Wand. Es war nicht der Mörder, es war Paul, der eine lästige Mücke
gejagt hatte. Er hatte sich so auf das Insekt konzentriert, dass er Hannah gar nicht bemerkt hatte. Als
er sich umdrehte, sah er Hannah, die vor Angst kreidebleich und zitternd an der Treppe stand.
„Hallo Hannah! Was ist denn?!“
Hannah blieb stumm. Ihr war der Schreck so sehr in die Glieder gefahren, dass sie nicht einmal
sprechen konnte.
„Nun sag doch, was los ist!“
Hannah nahm sich zusammen und versuchte klaren Kopf zu behalten und einen vernünftigen Satz
herauszubringen. Ganz klappte das jedoch nicht, denn sie brachte immer noch nicht mehr als
„Ähm“ und „Äh“ heraus.
Paul wurde ungeduldig und fuhr Hannah an, denn er konnte nicht verstehen, warum sie nicht mit
ihm reden wollte.
„Nun sag endlich was los ist, Hannah!“
Hannah wollte Paul nicht verärgern. Sie wusste, dass er sehr ungehalten werden konnte, wenn man
nicht mit ihm redete. Also unternahm sie einen neuen Versuch, der schließlich einigermaßen
klappte.
„Ich … ich habe … geglaubt du wärst der Mörder ... und willst mich umbringen!“
Hannahs Sprache kam langsam wieder zurück. Nun verschwand auch Pauls Ungeduld und in
seinem Gesicht war ein kleines Lächeln zu sehen.
„Aber Hannah. Glaubst du wirklich, dass hier bei verschlossener Tür jemand herein kann, den
ich nicht persönlich rein lasse?“
„Das ist es ja Paul! Deine Tür war nur angelehnt. Da hätte ja jeder rein und raus spazieren
können.“
„Das kann aber nicht sein! Ich habe die Tür zugemacht.“
Plötzlich ertönte im ersten Stock ein Geräusch. Beide sahen zur Treppe hinauf und warfen sich dann
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fragende Blicke zu. War doch jemand im Haus? Das konnte doch nicht sein, oder? Paul deutete
Hannah ihm zu folgen und schlich vorsichtig die Treppe hinauf. Im zweiten Stock konnte er
niemanden entdecken. Doch als wiederholt ein Geräusch zu hören war, glaubte Paul ein leises
„Miauen“ zu hören und dann sah er auch schon etwas an der Schlafzimmertür vorbeihuschen. Da
wusste Paul, wer die ganze Aufregung verursacht hatte. Es war Minka, die Nachbarskatze, die sich
immer, wenn Paul die Haustüre nicht versperrte, Zutritt verschaffte.
„Ist alles in Ordnung! Es ist nur die Nachbarskatze, die mich immer besuchen kommt.“
Da war Hannah froh. Sie nahm die Katze auf den Arm. folgte Paul, der ihr einen Tee angeboten
hatte, ins Wohnzimmer, setzte sich auf die Couch. Minka machte es sich auf ihrem Schoß gemütlich
und genoss Hannahs Streicheleinheiten.
„Also, Paul. Was hat die Polizei Neues herausgefunden?“
„Nur, dass der Täter ein Mann ist, was aufgrund von DNA-Spuren, die am Giftpfeil sicher
gestellt werden konnten, ermittelt wurde. Es wird vermutet, dass die Person in der Umgebung
lebt und einige Zeit im Ausland gewohnt hat oder sehr an exotischen Tierarten interessiert sein
muss, da sie sich mit Pfeilgift auskennt.“
„Weißt du denn, ob von deinen Gästen jemand im Ausland gelebt hat?“, erkundige sich Hannah.
„Das kann ich wirklich nicht sagen“, meinte Paul, „bei so vielen Gästen kann man unmöglich
wissen, wer wann und wo gelebt hat. Aber ich habe der Polizei eine Kopie meiner Gästeliste
gegeben.“
Nun sprang die Katze von Hannahs Schoß. Sie hatte anscheinend genug vom Streicheln und ging
zur Haustür. Da diese aber geschlossen war, versuchte die Katze zuerst Hannah und dann Paul
durch lautes Miauen zu überreden ihr zu helfen. Hannah konnte das Gejammer der Katze nicht
mehr ertragen und öffnete die Tür. Als sie die Kinder draußen sah fiel ihr ein, dass ihre Mutter Jonas
und Suse um zwölf Uhr nach Hause bringen wollte. Da es schon beinahe Mittag war, beschloss
Hannah sich zu verabschieden und machte sich auf den Heimweg.
Kapitel 6 – Das Reptilienhaus
Hannah hatte den ganzen Nachmittag über ihr Gespräch mit Paul nachgedacht. Die Sache mit dem
Pfeilgift ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Wie sollte jemand aus der Umgebung an derartige
Sachen kommen?
Es war schon spät. Jonas und Suse schliefen bereits in ihren Zimmern. Auch Hannah hatte sich zu
Bett gelegt. Durch die geschlossenen Vorhänge leuchtete das Licht des Vollmondes. Es dauerte
lange, bis Hannah endlich einschlafen konnte. Zu sehr hatten sie die vergangenen Ereignisse
mitgenommen.
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Am nächsten Morgen fuhren Officer Ham und Officer Burger erneut zu Paul. Bei der Befragung der
Gäste war mehrfach erwähnt worden, dass es Probleme in Pauls Firma gegeben hatte. Paul
bestätigte, dass die Wirtschaftskrise auch an seiner Firma nicht spurlos vorbeigegangen war. Vor
einem Jahr war ein deutlicher Einbruch der Geschäfte zu verkraften und Paul blieb keine andere
Möglichkeit als einige Mitarbeiter zu entlassen. Mittlerweile hatte sich die Lage aber wieder
verbessert und die Firma machte gute Umsätze. Aus diesem Grund hatte Paul auch die Party
gegeben. Außerdem wollte er die Gelegenheit nutzen, um so neue Kunden zu gewinnen.
Officer Ham erkundigte sich, ob Paul auch seine damals entlassenen Angestellten zur Party
eingeladen hatte. Paul verneinte, war aber gerne bereit mit den beiden Polizisten noch einmal die
Gästeliste durchzusehen. Dabei fiel Paul der Name des Mannes auf, der bei der Party verschwunden
war. Kai Frankhuber war Angestellter in Pauls Firma und wäre damals beinahe auch von einer
Entlassung betroffen gewesen. Da es mit der Firma nun aber wieder bergauf ging, war Paul der
Meinung, dass Kai diese Sache vergessen hatte. Außerdem verstand er nicht, was das mit dem Mord
zu tun haben könnte. Warum sollte Kai deshalb seinen Kollegen töten?
„War der Mann schon einmal im Ausland?“, erkundigte sich Officer Ham.
„Kai reist oft ins Ausland, vor allem in die Tropen. Er liebt es außerdem, Giftschlangen,
Frösche und andere exotische Tiere zu halten.“
Jetzt wurde Ham so einiges klar und er verabschiedete sich von Paul. Als er draußen vor der Tür
stand, rief er den Polizeichef wegen eines Durchsuchungsbefehls an. Er hatte den dringenden
Verdacht, dass Kai etwas mit der Sache zu tun hatte. Gemeinsam mit Burger fuhr er zu Kais Haus.
Burger verstand nicht so recht, wieso Ham Kai in Verdacht hatte. Auf seine Nachfrage erhielt er
aber keine Antwort.
Ham hielt vor Kais Haus und läutete. Als niemand öffnete, verschaffte er sich Zutritt und war
überrascht darüber, was er zu sehen bekam. Bereits im Flur standen Terrarien mit exotischen
Kleintieren. Das ganze Haus war voll mit Schlangen, Fröschen und anderem Getier. Mit einer
derartigen Menge an Reptilien hatte Ham nicht gerechnet. Kai war nirgendwo zu finden. Dieses
Mal dachte Burger endlich einmal mit.
„Wahrscheinlich will er flüchten!“
Ham war klar, dass Burger recht hatte und ließ sofort die Flughäfen, Bahnhöfe und alle Straßen, die
aus der Stadt führten, überwachen.
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Kapitel 7 – Der Mörder wird gefasst
Inzwischen war es Mittag und Hannah beschloss, in der Mittagspause mit Paul zu reden. Die Kinder
wollten heute bei ihrer Mutter zu Mittag essen und Hannah nutzte die Zeit, um sich mit Paul in
einem Kaffeehaus zu treffen.
„Ich musste die ganze Zeit über dieses Pfeilgift nachdenken. Ich kann mir nicht erklären, wie
jemand, der hier wohnt, an dieses Gift kommen soll?“
„Die Polizei war heute Morgen noch einmal bei mir“, berichtete Paul, „Sie verdächtigen einen
meiner Angestellten.“
„Ach Paul, das ist alles so schrecklich. Sag mir doch bitte, sobald du etwas Neues weißt.“
Die Zeit verging sehr schnell und Hannah musste wieder zur Arbeit. Auch Paul wollte in seine
Firma, um nach dem Rechten zu sehen.
Officer Ham und Officer Burger waren in der Zwischenzeit von ihren Kollegen informiert worden,
dass Kai auf dem Weg zum Flughafen war. Ham und Burger fuhren sogleich los. Als sie dort
angelangt waren, war das Flugzeug bereits auf der Rollbahn. Ham zeigte der Dame am
Informationsstand seine Dienstmarke und bat sie, die Maschine zu stoppen. Ham und Burger
beeilten sich, zum Flugzeug zu kommen.
Als Kai die Polizisten sah, wollte er flüchten. Das verriet ihn, und Ham brauchte nicht lange zu
suchen. Kai wurde festgenommen und gestand, dass er eigentlich Paul treffen wollte. Er gab Paul
die Schuld am Tod seines besten Freundes. Dieser war damals entlassen worden und war auf dem
Heimweg tödlich verunglückt. Die Kündigung musste ihm so stark zugesetzt haben, dass er den
entgegenkommenden LKW übersehen hatte. Den Pfeilgiftfrosch, von dem das Gift stammte, hatte
Kai bei seiner letzten Reise in seinem Koffer ins Land geschmuggelt.
Ham beschloss, Paul über den Ausgang der Ermittlungen zu informieren und machte sich auf dem
Weg zu seinem Haus. Auch Hannah war gerade bei Paul angekommen, da Paul ihr erzählt hatte,
dass Officer Ham noch vorbeikommen wollte. Ham berichtete, dass Kai noch geschnappt wurde,
bevor er nach Brasilien flüchten konnte. Paul war sehr bestürzt über Kais Motiv und seine
eigentlichen Absichten. Hannah bemühte sich sehr, ihrem Freund beizustehen. Sie war froh, dass
der Täter gefasst werden konnte, machte sich aber auch Sorgen um Paul, der ja gerade einem
Anschlag entkommen war.
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