Die Balico-Story

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Die Balico-Story
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10 Die Balico-Story
Isenburger
Isenburger
Von Peter Holle
Die Lokalität findet sich in Neu-Isenburg in der
Bahnhofstraße 110. Aus dem ehemaligen
Geschäft für Anglerbedarf und Frischfisch
wird das Balico. Es öffnet vor 20 Jahren, anno
1993. „Die Kombination ist von Anfang an
supergut angenommen worden“, bilanziert
Mini im Jubiläumsjahr. Die Waren, die das Duo
offeriert, verkaufen sich prima. Sie stammen
von der Südseeinsel Bali, werden von den beiden Jungunternehmerinnen direkt vor Ort bei
den Herstellern und Kunsthandwerkern eingekauft: Holzgeschnitztes, Masken, Mobiles,
Tier- und Götterfiguren, Batikbilder, Kerzenhalter.
Im legendären wilden Jahr 1968 beendet die
18-jährige Hermine Hölzl, die alle nur Mini
nennen, bei Pittler in Langen ihre Lehre als
„Industriekaufmann“(!) – wie das damals
noch hieß. Sie besteht die Prüfung und erhält
den Kaufmannsgehilfenbrief. Als junge Mutter steigt sie ein ins Berufsleben, arbeitet dann
25 lange Jahre in der Buchhaltung diverser Firmen: Teppichhandel, Textilgroßhandel, Baumaschinen, Metallwaren, IT-Branche. Die in
Sarajewo geborene Banatdeutsche, die mit
ihren Eltern 1951 in die BRD kam, im Langener Birkenwäldchen aufwuchs und zur Ludwig-Erk-Schule ging, kommt als Angestellte
nicht weit rum in der Welt. Ehe, Familie und
Job binden sie an die Westgemeinden des
Landkreises Offenbach.
Nicht lange nach ihrem 40. Geburtstag bricht
für Mini, wie sie sagt, „der Boden unter den
Füßen weg“. Ihre Ehe geht in die Binsen. Sohn
Oliver ist aus dem Haus. Die italienische Computerfirma, bei der sie mit ihrer Freundin Marlene Tonino ihre Brötchen verdient, schließt
ihre Langener Filiale und verlässt Deutschland.
„Da hatte ich dann endgültig genug vom
Büro. Ich wollte was Eigenes machen. Marlene ging's genauso.“
Mini und Marlene packen's an. Ihre Geschäftsidee zielt „auf etwas Neues, was es in
dieser Kombination in unserer Gegend noch
nicht gegeben hat: Ein kleiner Laden und ein
Café –beides unter einem Dach. Marlene
hatte gastronomische Erfahrungen von ihren
italienischen Schwiegereltern her, und ich
wollte schon immer gerne Kunsthandwerk
verkaufen.“
Acht Shoppingtouren unternimmt Mini auf
das indonesische Eiland, die letzten Male alleine. Denn Marlene steigt 1998 aus dem
Geschäft aus, bleibt aber dem Balico bis heute
freundschaftlich erhalten, hilft aus, macht
Vertretungen. „Bei all meinen Reisen nach Bali
– auch als ich dort ohne Marlene unterwegs
war – haben mir die Menschen dort immer
gutgetan“, sagt Mini und resümiert: „Ich
habe immer sehr schöne Zeiten gehabt, mich
behütet und aufgehoben gefühlt.“
Wie auf Bali so im Balico
Was der Wirtin auf Bali gut tut, widerfährt auch
den Balico-Gästen. Das Frühstückscafé mit den
zivilen Preisen brummt, die Gäste fühlen sich
wohl und aufgehoben, haben eine schöne Zeit
mit den Müslis, belegten Broten und Brötchen,
Joghurten und „kleinen Gerichten“ à la BalicoToast, überbackenen Baguettes, Strammer
Max, dem Pärchen Frankfurter oder einer
Rindsworscht. Der Balico-Klassiker und -Renner
von altersher ist und bleibt indes das „Frühstück nach Wahl“, bei dem mann/frau sich die
Zutaten aus einer kleinen Spezialkarte zusammenstellen können.
Zuspruch findet das laut Mini bei Isenburgern
zwischen 15 und 75. „Zu uns kann halt nun
einmal jeder kommen und kommt auch:
Frauen mit Kindern und Kinderwagen, Alte,
Junge, Schichtarbeiter, Rentner, Leute die im
Urlaub zu Hause geblieben sind; Gäste mit
Hund, Gruppen von Abiturienten oder
Damen aus’m Sportstudio. Der älteste Gast,
den wir bislang hatten, war der Opa Karl mit
seinen 93 Jahren, der aber leider vor einigen
Jahren verstorben ist.“
Den anhaltenden Publikumserfolg erklärt sich
die Inhaberin mit Mund-zu-Mund-Propaganda und auch der Tatsache der „Generationenfolge“. Die Kids, die von ihren Muttis in
den 1990er-Jahren mit ins Balico geschleppt
worden waren, sind Stammgäste geworden,
haben auch schon mal jetzt selber Nachwuchs, den sie in „ihr“ Café mitnehmen.
Sie alle kennen auch den Stefan, den die Mini
„die Seele vom Balico“ nennt. Der jetzt 60jährige Bruder der Mitbegründerin Marlene
kellnert seit 17 Jahren in Bahnhofstraße 110,
gilt als Hardcore-Pedalist, der bei jedem Wind
und Wetter, Eis und Schnee von seiner Wohnstatt in Sachsenhausen nach Isenburg zur
Arbeit radelt. Jeden Dienstagabend legt der
erklärte Countrymusic-Fan, der viele Jahre in
den Staaten gelebt hat, Platten von Johnny
Cash und anderen auf. Mehr auf Blues steht
die aus den USA stammende zweite, im Städtchen recht populäre Balico-Stamm-Bedienung. Sie heißt Karen und ist von Profession
und Passion her eine Künstlerin und Malerin
mit Atelier in der Rheinstraße. Einige ihrer Bilder hängen im Balico. Und: Karen hat auch die
Saloon-Schwingtür zur Küche hin knallbunt
koloriert.
Trotz der beiden Helfer bleibt für Mini Hölzl,
die ihren 60.Geburtstag schon hinter sich hat,
noch immer eine satte 60-Stunden-Woche.
Vielleicht wird sie nach dem jetzt begonnenen
Balico-Jubiläumsjahr etwas kürzer treten – vor
allem, um etwas mehr Zeit für die neunjährige Enkelin Emelie zu haben. Doch derzeit
denkt sie mitnichten an Ruhestand. „Es
kommt ja soviel positive Resonanz zurück von
den Gästen: dass es im Balico so gemütlich ist;
dass es so familiär zugeht; dass es einfach
schön ist.“
Öffnungszeiten des Balico, Bahnhofstraße 110,
Telefon 06102 27308:
montags 8.30 bis 18 Uhr; dienstags, mittwochs und donnerstags 8.30 bis 22 Uhr, freitags 8.30 bis 18 Uhr, samstags und sonntags
10 bis 14 Uhr. Im Frühjahr und Sommer kann
man dort – zur Taunusstraße hin – auch draußen sitzen.
Fotos: Leo F. Postl