Krankheitsbild Alkoholismus
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Krankheitsbild Alkoholismus
KRANKHEITSBILD ALKOHOLISMUS Zusammengestellt von Hermann HOFSTETTER KRANKHEITSBILD ALKOHOLISMUS Heute ist das Krankheitsbild des Alkoholismus gut untersucht und gilt als die folgenschwerste Suchtkrankheit. In Deutschland werden pro Jahr etwa 40 000 Alkoholtote gezählt, laut Statistik sind 2,5 Millionen Menschen alkoholabhängig und 600 000 bis 1 Million gelten als Alkoholiker. Damit ist der Alkoholkonsum die drittgrößte vermeidbare Todesursache - nach dem Rauchen und den Folgen von falscher Ernährung und Bewegungsmangel. Neben den Süchtigen fordert der Alkohol auch indirekte Opfer: Verkehrstote wegen Alkohol am Steuer und Kinder mit alkoholbedingten Missbildungen, vor allem weil die Mutter Trinkerin war. Die schlimmsten Wirkungen eines lang anhaltenden Alkoholmissbrauchs sind neben körperlicher Erkrankungen Abhängigkeit und Sucht. Der Griff zur Flasche dient vor allem denjenigen Menschen als Kompensationsmöglichkeit von Konflikten und Stresssituationen, die glauben, sie nicht anders bewältigen zu können. Hans Fallada hat in seinem Roman "Der Trinker" alle Stadien einer Alkoholikerkarriere genau festgehalten. Eine Bezeichnung der verschiedenen Formen der Sucht folgt der Einteilung nach Jellinek (Tabelle1). Der erste Schritt auf dem Weg in die Abhängigkeit ist die Gewöhnung des Körpers an die regelmäßige Alkoholzufuhr (Toleranz). Dabei müssen immer größere Alkoholmengen aufgenommen werden, um die gleiche Rauschwirkung zu erzielen. Durch Induktion des MEOS kann in kürzerer Zeit mehr Alkohol abgebaut werden (Tabelle 2), so dass für den Gelegenheitstrinker sogar ansonsten tödliche Alkoholmengen toleriert werden. Diese metabolische Toleranz wird noch durch einen anderen Mechanismus ergänzt: Der Versuch des Nervensystems, durch Anpassung an die veränderten Bedingungen seine Funktionsfähigkeit zu erhalten, wird als neuronale Toleranz bezeichnet. In den komplizierten Verschaltungen der Nervenzellen im Gehirn verstärkt Alkohol die hemmenden Impulse. Auf diese Weise ist seine beruhigende Wirkung zu erklären. Eine lang anhaltend hohe Alkoholkonzentration im Gehirn führt jedoch dazu, dass das Nervensystem versucht, die verstärkte Hemmung durch eine Vermehrung der anregenden Impulse auszugleichen, um weiterhin arbeiten zu können. Der Zustand unter Alkoholeinfluss wird dann als Normalzustand akzeptiert. Der Übergang von psychischer zu physischer, also körperlicher Abhängigkeit, ist fließend. Fällt die regelmäßige Alkoholzufuhr plötzlich aus, überwiegen die vom Nervensystem verstärkten anregenden Impulse, und es kommt zu den typischen Entzugssymptomen wie Unruhe, Tremor, Übelkeit und Erbrechen. In schlimmen Fällen kann es auch zu schweren Krampfanfällen und schließlich zum Delirium tremens kommen, das sich neben Tremor und Übelkeit in Halluzinationen, Muskelzuckungen und Krämpfen bis hin zum Koma äußert. Als Therapie bietet sich an, die hemmenden Effekte von Alkohol an den Nervenzellen zu simulieren und dann den Körper langsam wieder an den normalen Zustand zu gewöhnen. Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine greifen an denselben Stellen im Gehirn an wie die Alkoholmoleküle, sind also für den körperlichen Entzug geeignet. Nach der Entzugstherapie muss der entwöhnte Alkoholkranke aber weiterhin psychisch betreut werden, damit er nicht rückfällig wird. In der Tat ist dies bei einem hohen Anteil dieser Patienten eine große Gefahr. Nur die lebenslange absolute Abstinenz führt bei Alkoholkranken dauerhaft zum Erfolg. Einteilung der Stadien der Alkoholabhängigkeit nach Jellinek AlphaTrinker: Konflikt-/Erleichterungstrinker, Alkoholkonsum ohne Kontrollverluste. BetaTrinker: Gelegenheitstrinker, Alkoholkonsum aus Anpassung oder Gewohnheit. GammaTrinker: Süchtiger Trinker mit psychischer und physischer Abhängigkeit, Alkoholkonsum mit Kontrollverlust. DeltaTrinker: Spiegeltrinker, Gewohnheitstrinker mit starker psychischer und physischer Abhängigkeit, der für sein Wohlbefinden immer einen bestimmten Alkoholspiegel benötigt, nicht mehr abstinenzfähig. Gilt als Alkoholkranker. EpsilonTrinker: Episodischer Trinker mit Trinkexzessen in regelmäßigen Abständen (Quartalssäufer). Eventuell wochen- und monatelanger Alkoholkonsum mit Kontrollverlusten. Symptome nach Alkoholaufnahme Blutalkoholkonzentration in Promille (‰) Symptome bei Gelegenheitstrinkern (α/β-Trinker) Symptome bei Alkoholikern (δ/γ/ε-Trinker) 0,5 - 1 Euphorie, Enthemmung, Unkoordiniertheit keine wesentlichen Effekte 1-2 Ataxie, Übelkeit, Schläfrigkeit Unkoordiniertheit, Euphorie 2-3 Erbrechen, Betäubung, Sprachausfälle Emotionalisierung, Ausfälle der Motorik 3-4 Koma Schläfrigkeit >5 Tod Koma, Betäubung Um zu verstehen, warum der Alkohol auf der einen Seite beruhigend, erheiternd und schmerzstillend wirkt, auf der anderen Seite aber den Menschen auch in Abhängigkeit, Sucht bis hin zu körperlichem und geistigem Verfall treiben kann, ist es notwendig, die Wirkungen des Alkohols im Körper zu verstehen. Wie wirkt der Alkohol im Körper? Alkohol verteilt sich im gesamten Körperwasser. Er bewirkt ein verstärkte Magen-DarmDurchblutung und eine vermehrte Sekretion von Salzsäure und Verdauungsenzymen. Diese Tatsache nutzt man beispielsweise mit einem Magenbitter nach einem fettreichem Essen. Bei Herz- und Kreislauf wird die periphere Durchblutung angeregt, dadurch ist die Haut gerötet und warm. Es wird als angenehme Wirkung des Alkohols empfunden, wenn man friert. Allerdings wird durch die vermehrte Hautdurchblutung auch Wärme abgegeben. So besteht zum Beispiel für obdachlose Alkoholiker im Winter die Gefahr des Erfrierens. Die chronische Gefäßerweiterung kann an Nase, Fingern und Zehen zu einer dauerhaften Aussackung der Gefäße führen und so zu der sogenannten "Schnapsnase". In den Atemwegen kommt es zu einer Verstärkung der Atmung. Dies zeigt sich im vermehrten Japsen der Betrunkenen und zu lautem Schnarchen im betrunkenen Schlaf. Im präfinalen ("Vorendstadium") Stadium der Alkoholvergiftung setzt zentrale Atemlähmung ein. In der Niere fördert der Alkohol zum einen den Grundumsatz der Nierentubuli und zum anderen selektiv die Nierendurchblutung, dies führt zu einer verstärkten Diurese (Harnbildung), was den verstärkten Harndrang erklärt. Trotz dieser nierenanregenden Wirkung ist die Bierempfehlung beim Nierensteinpatienten unter dem Aspekt des Alkoholismus nicht unumstritten. Beim Mann kommt es durch den Alkohol zu einer Steigerung der Libido (sexuelles Verlangen), aber zu einer verminderten Erektionsfähigkeit. In der Leber kommt es durch die Entgiftungsfunktion zum Teil zur Überlastung des Leberstoffwechsels und durch die hohe Alkoholkonzentration auch zur toxischen Zellschädigung. Dies führt anfangs zur Leberzellverfettung, später dann zur FettleberHepatitis und in der Folge durch Zerstörung der Läppchenstruktur der Leber zur Leberzirrhose. Die Folgen der Leberzirrhose bestehen dann im Ausfall der Leber als wichtigste Körperdrüse, und zwar sowohl für die Blutbildung (Transportproteine, Gerinnungsfaktoren, Energiestoffwechsel) und für die Verdauung (Gallensäuren) und Ausscheidung von Giftstoffen. Aufgrund dieses Ausfalles kommt es zur Ascites (Bauchwassersucht) und zur langsamen Vergiftung des Körpers mit Stoffwechselschrott bis hin zum Leberkoma. Am Magen-Darm-Trakt kommt es durch die dauerhafte Alkoholwirkung zu chronischen Entzündungen (Gastritis und Enteritis), was wiederum die normale Nahrungsverwertung einschränkt. Der wichtigste Angriffspunkt ist das zentrale Nervensystem (ZNS). Im ZNS kommt es je nach Alkoholdosis zu verschiedenen Wirkungen. In geringen Dosen werden eher hemmende Zentren des ZNS gehemmt, dadurch kommt es zur psychischen Auflockerung, zur Fröhlichkeit, Redseligkeit und auch zur Selbstüberschätzung. Diese Wirkungen, die schon bei geringen Alkoholdosen auftreten, sind ja manchmal ganz nett, aber unter dem Aspekt einer psychischen Krankheit oder des Straßenverkehrs schon gefährlich. Körperlich sichtbare Folgen dieser "Enthemmung" sind auch schon erste Gangstörungen bei 0,3 Promille oder einer Einschränkung des Gesichtsfeldes bei 0,4 Promille. In höheren Alkoholdosen kommt es zur Hemmung von erregenden Zentren des ZNS, wodurch es zu Koordinationsstörungen, Sprachstörungen, zur Verlängerung der Reaktionszeit, zu Störungen in der optischen und akustischen Wahrnehmung kommt. In diesem Rauschzustand sinkt die Muskelleistung und man findet eine fatale Diskrepanz zwischen der eigenen Einschätzung der Leistungsfähigkeit und der Realität. Bei 1,4 Promille liegt ein kräftiger Rauschzustand vor, bei 2,0 Promille ist das Bewusstsein stark eingetrübt und hier fehlt dann auch meist das Erinnerungsvermögen, was für den Betroffenen zum Teil peinlich sein kann. Bei 4,0 bis 5,0 Promille liegt die tödliche Grenzkonzentration, die beim "normalen Menschen" über die Atemdepression und das Koma zum Tode führt. Der "trainierte" Alkoholiker kann durch die Gewöhnung des ZNS sehr viel höhere Promillewerte vertragen, wobei das Gehirn den hohen Alkoholwert scheinbar nicht wahrnimmt, aber die anderen Organe wie Leber, Nieren und Gefäße natürlich erheblich vergiftet werden. Das Gehirn gewöhnt sich an die dauerhafte Blockade der erregenden Zentren, so dass der Alkoholkranke im nüchternen Zustand häufig über Koordinationsstörungen (Zittern), Übelkeit, Erbrechen, Unwohlsein, Konzentrationsstörungen oder Schlaflosigkeit leidet. Alkohol ist ein Zellgift, das heißt, nach jedem Alkoholgenuss muss der Körper den aufgenommenen Alkohol abbauen, um den Schaden zu begrenzen. Ein halber Liter Bier (4%) enthält etwa 20 g reinen Alkohol (Ethanol). Schon in Mund und Speiseröhre werden geringe Mengen davon aufgenommen, im Magen noch einmal ca. 2 g, und der Rest gelangt über den Dünndarm ins Blut. Wie gut Alkohol aufgenommen wird, hängt hauptsächlich von der Nahrungszusammensetzung und -menge sowie vom Geschlecht ab. Beim "sozialen Trinken", also einem Glas Wein zum Essen, erreicht der Alkohol beispielsweise erst gar nicht den Dünndarm, sondern wird bereits im Magen durch die Alkoholdehydrogenase abgebaut. Werden aber größere Mengen Alkohol auf nüchternen Magen getrunken, gelangen diese recht schnell in den Dünndarm, dessen große Resorptionsfläche dann für eine vollständige Aufnahme sorgt. Über das Blut wird der Alkohol dann zur Leber transportiert, dessen Alkoholdehydrogenase mit einer Verzögerung von 1 bis 2 h nach der Alkoholaufnahme mit konstanter Geschwindigkeit mit dem Abbau beginnt. Da Alkohol einen recht hohen Brennwert hat, decken Trinker mit ihm einen beachtlichen Anteil ihrer täglichen Kalorienzufuhr. Sein Brennwert liegt mit 7 kcal./g zwischen dem von Fetten (9,1 kcal./g) und denjenigen von Kohlenhydraten bzw. Proteinen (4,1 kcal./g). Alkohol verdrängt Fette und Kohlenhydrate aus der Energiebedarfsdeckung und führt darüber hinaus zu Vitaminmangel, besonders der Vitamine des B-Komplexes. Gleiche Alkoholmengen wirken bei Frauen oft schneller als bei Männern. Dies hat zwei Ursachen. Aufgrund ihres höheren Anteils an Fettgewebe verfügen Frauen über ein größeres Verteilungsvolumen, ein Depot also, von dem aus der Alkohol über einen längeren Zeitraum ins Blut übertreten kann. Darüber hinaus ist die Aktivität der magenständigen Alkoholdehydrogenase bei Frauen geringer, d.h. es gelangt nahezu die gesamte getrunkene Alkoholmenge auch ins Blut. Die Wirkungen des Alkohol auf den Organismus sind vielfältig: Alkohol hemmt in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) die Ausschüttung des antidiuretischen Hormons Vasopressin, dessen Aufgabe es ist, den Flüssigkeitsverlust über die Nieren zu begrenzen. Zusammen mit einer erheblichen Wasserüberladung, besonders bei Bierkonsum, führt diese Hemmung zu einem gesteigerten Harndrang. Alkohol fördert die Bildung von Harnsäure, einem Abbauprodukt der Purine, die mit fleischhaltiger Nahrung und koffeinhaltigen Getränken aufgenommen werden. Eine Anlagerung von Harnsäurekristallen in den Gelenken kann häufig Folge einer durchzechten Nacht sein. Da die Leberzellen nach Alkoholgenuss mit dem Abbau des aufgenommenen Alkohols "beschäftigt" sind, geraten andere Stoffwechselprozesse aus dem (Redox-) Gleichgewicht. Davon betroffen ist auch die Bereitstellung von Glukose für die übrigen Organe des Körpers, besonders für das Gehirn. Alkohol verursacht auf diese Weise einen Abfall des Blutglukosespiegels (Hypoglykämie), deren Folgen Kopfschmerzen und Gereiztheit, im Extremfall auch Bewusstlosigkeit und Koma sein können. Die Verschiebung des Redoxgleichgewichtes in den Leberzellen, aber auch die Wirkung des giftigen Zwischenprodukts Acetaldehyd aus dem Alkoholabbau bewirken eine vermehrte Bildung von Fetten, die die Leberzellen nicht mehr ausschleusen können. Eine Verfettung der Leber ist die Folge, die nach fortgesetzter Schädigung durch das Gift Alkohol ihre geschädigten Zellen durch Bindegewebe ersetzt. Diese Leberzirrhose mit folgendem totalen Ausfall der Leberfunktionen sowie Leberkrebs bezeichnen das Endstadium eines chronischen Alkoholmissbrauchs. Alkoholabbau Das Mikrosomale Ethanoloxidierende System (MEOS) ist neben der Alkoholdehydrogenase ein weiterer Weg, über den die Leberzellen den Alkohol entgiften können. Anders als die Alkoholdehydrogenase läßt sich dieses System durch regelmäßigen Alkoholkonsum aktivieren. Da MEOS aber auch viele andere Stoffe abbaut, kommt es zu Verwicklungen. Alkohol verdrängt beispielsweise Beruhigungsmittel von diesem System, so dass ihr Wirkspiegel im Blut länger aufrechterhalten wird. Im nüchternen Zustand nach chronischem Alkoholkonsum ist zuviel abbauendes Enzym vorhanden, so dass Medikamente schneller abgebaut werden, wie z.B. Blut-Gerinnungshemmer. Gleichgültig, wie viel Alkohol aufgenommen wird, die Alkoholdehydrogenase läßt sich davon nicht beeinflussen und baut mit gleichbleibender Geschwindigkeit den anfallenden Alkohol ab. Nach Genuss eines halben Liters Bier, was der Aufnahme von ca.20 g Alkohol entspricht, werden 10%, also ca. 2 g bereits im Magen abgebaut. Die übrigen 18 g werden über den Darm ins Blut aufgenommen. Eine Stunde nach dem Trinken hat sich ein Verteilungsgleichgewicht zwischen Blut und Gewebe eingestellt, ein Vorgang, der vom Körpergewicht und dem Anteil des Fettgewebes abhängt. Die Alkoholdehydrogenase baut pro Stunde etwa 0,1 -0,2 g Alkohol pro kg Körpergewicht ab, d.h. bei unserem 70 kg wiegenden Durchschnittstrinker werden pro Stunde 7 g Alkohol von der aufgenommenen Menge von 40 g abgebaut. Diese 7 g sind 0,175 von 40 g. Da 40 g Alkohol zu 0,8 ‰ Blutalkohol führten, wird pro Stunde 0,8 ‰ > 0,175= 0,14 ‰ des Blutalkohols abgebaut. Das bedeutet, dass unsere Beispielperson 5,7 Stunden nach Beginn des Alkoholabbaus wieder vollkommen nüchtern ist. Da erst etwa 2 Stunden nach der Alkoholaufnahme mit dem Abbau begonnen wird, vergehen nach der Alkoholaufnahme insgesamt 7,7, also rund 8 Stunden, bis zur völligen Nüchternheit. Aufgrund der konstanten Abbauleistung der Alkoholdehydrogenase können die Rechtsmediziner die Blutalkoholkonzentration zu einer gesuchten Tatzeit berechnen. Weder die Abbauleistung noch die absolute Menge der Alkoholdehydrogenase lassen sich durch regelmäßiges Trinken oder bestimmte Medikamente von außen beeinflussen. Die Abbauleistung liegt, wie erwähnt zwischen 0,1 und 0,2 Promille pro Stunde, unabhängig vom Geschlecht. Die Rechtsmediziner rechnen dabei jeweils mit dem für den Angeklagten günstigsten Wert, also einen Abbau von 0,1 Promille pro Stunde beim Rückrechnen auf den Alkohol am Steuer und 0,2 Promille pro Stunde bei Straftätern mit möglicherweise verminderter Schuldfähigkeit. Wie wirkt der Alkohol im Gehirn? Alkohol verändert in erster Linie die Stimmung. Dabei wirkt er in kleineren Dosen anregend, bei größeren Dosen eher hemmend. Der Trinkende fällt zunächst in einen euphorischen Zustand welcher bei weiterer Alkoholzufuhr in Ermüdung endet. Es gibt verschiedene Theorien, wie der Rausch zustande kommt, jedoch gilt bislang noch keine als erwiesen. Trägheit: GABA (GammaAminoButterAcid) ist der wichtigste hemmende Überträgerstoff von Nerv zu Nerv (Synapsen). Seine Wirkung wird durch Alkohol verstärkt. Der Körper versucht gegenzusteuern, indem er die Rezeptoren vermindert. Krämpfe: Glutamat ist ein aktivierender Botenstoff. Unter dem Einfluss von Alkohol lässt seine Wirkung nach. Gegenregulation - es werden mehr Rezeptoren gebildet. Glutamat wird für Krampfanfälle im Entzugsdelirium verantwortlich gemacht. Halluzination: Dopamin ist unter anderem ein wichtiger Überträgerstoff des Limbischen Systems, das für unser Gefühlsleben eine starke Bedeutung hat. Es verliert seine Wirksamkeit unter dauerndem Alkoholeinfluss. Bleibt der Alkohol aus (Entzug), scheint sich seine Wirkung aber zu überschlagen - es kommt zu Halluzinationen. Vergesslichkeit: Acetylcholin, ein wichtiger Überträgerstoff im gesamten Körper. Seine Rezeptoren im Gehirn nehmen unter ständigem Alkoholeinfluss ab. Das soll für "kognitive Defizite" verantwortlich sein - es kommt zu Fehleinschätzungen und Gedächtnisschwäche. Unruhe: Der Sympathikusnerv, im autonomen Nervensystem, welches nicht willkürlich beeinflussbar ist, für alle Alarmreaktionen (Stress) zuständig, reagiert überempfindlich, weil Rezeptoren, die ihn normalerweise bremsen, untergehen. Das Gehirn besteht aus rund 100 Milliarden Nervenzellen, die untereinander Signale weiterleiten. Dabei werden Neurotransmitter (Botenstoff-Moleküle) ausgeschüttet. Psychoaktive Substanzen greifen ins Neurotransmitter-Gleichgewicht ein. Wenn dieses Gleichgewicht gestört wird, dann verändern sich dadurch auch Gefühle und Wahrnehmungen. Alkohol zum Beispiel wirkt auf Gebiete im Gehirn, die Denkprozesse und Bewegung kontrollieren. LSD wirkt unter anderem im visuellen Zentrum. Ecstasy greift in das Gefühlszentrum ein. Bei lang andauernder oder zu hoch dosierter Anwendung psychoaktiver Substanzen kann das Gehirn und damit auch die Psyche dauerhaft aus dem Gleichgewicht geraten. Eine Gehirnzelle (Neuron) besteht aus einem Zellkörper, aus Dendriten, die chemische Signale von anderen Zellen erhalten und aus einem Axon, das elektrische Signale vom Zellkörper zu den Axonendigungen leitet. Kleine Bläschen (Vesikel) in den Axonendigungen setzen Neurotransmitter in die Synapse frei. Alkoholentzug Eine weitere gefürchtete Folge der Sucht entsteht beim Alkoholentzug. Dabei zeigt sich, dass Alkohol nicht nur psychisch abhängig macht, sondern auch körperliche Abhängigkeit bewirkt. Trinken Alkoholkranke stunden- oder tagelang keinen Alkohol, stellen sich bei ihnen körperliche Entzugserscheinungen ein. Das reicht - je nach Krankheitsstadium - von starker Unruhe, Schlafstörungen, Zittern, starkem Schwitzen und Kreislaufstörungen bis hin zu Halluzinationen, epileptischen Anfällen und Bewusststeinsstörungen. eine der schlimmsten Folgen, das Delirium tremens, kann unbehandelt durch einen Kreislaufzusammenbruch sogar zum Tode führen. Weil auch die Gier nach Alkohol (der "Saufdruck", "craving") beim Entzug unkontrolliert Ausmaße annimmt, ist es für alkoholkranke Menschen fast unmöglich, den Entzug allein durchzustehen. Die meisten Krankenhäuser bieten deshalb Entzugswilligen die Möglichkeit, diese Phase von etwa fünf bis zehn Tagen in einem geschützten Rahmen durchzustehen. Warum es so schwer ist : Jeder Alkoholkranke macht die Erfahrung, dass der Weg, der aus der Abhängigkeit herausführt, ein holpriger Weg ist. Oft geht es einen Schritt vor und zwei zurück. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einige dieser Gründe möchte ich hier an den Anfang stellen. 1. Wenn jemand seine Alkoholabhängigkeit überwinden will, heißt dies, dass er seit mehreren Jahren viel Alkohol trinkt. Zehn bis zwanzig Jahre schwersten Alkoholmissbrach sind keine Seltenheit. Können wir, allein von dieser Zeitspanne her betrachtet, erwarten, dass es eine leichte Umstellung sein wird? Der Alkohol ist für diese Menschen allmählich zu einer ganz wichtigen Sache geworden. Er beherrscht Gedanken und Fantasien, wirkt bis hinein in die Träume. Viele Gewohnheiten gruppieren sich um ihn. Jetzt soll der Alkohol plötzlich wegfallen? 2. Wir sprechen davon, dass die Alkoholkrankheit den ganzen Menschen erfasst. Ihre Ursache und Folgen können im körperlichen, im psychischen wie auch im zwischenmenschlichen Bereich liegen. Der Alkoholkranke ist körperlich oft schwer geschädigt, in psychischer Hinsicht verunsichert und auch in seinen sozialen Beziehungen erheblich beeinträchtigt. Sein Wundermittel, mit dem er jahrelang gegen alle Widerstände kämpfte, ist der Alkohol. auf den soll er jetzt verzichten? Auf einmal soll er alle Probleme mit fester Hand anpacken können? 3. Nicht selten haben durch den Alkoholmissbrauch Denk- und Urteilsfähigkeit gelitten, was auf eine mehr oder weniger ausgeprägte Schädigung des Gehirns zurückzuführen ist. Vielen Alkoholkranken ist es zunächst nicht mehr möglich, einen klaren Gedanken zu fassen, ihre Situation kritisch zu beurteilen, einen Vorsatz zu bilden, bei diesem Vorsatz zu bleiben und Schritt für Schritt eine Änderung herbeizuführen. Sie leben wie im Nebel, durch den die Realität nur gelegentlich hindurchschimmert. Irgendwann dämmert die Erkenntnis: Eigentlich müsste ich was tun! Morgens zum Beispiel, wenn die euphorisierende Wirkung des Alkohols nachgelassen hat und die Jammerseite überwiegt: Brechreiz, zitternde Hände, Angstzustände... Oder die direkte Frage eines Kindes: "Papa, warum trinkst du so viel?", trifft in einem klaren Augenblick. Meistens kommt dabei zunächst nicht viel mehr heraus als Schuldgefühle, Selbstmitleid und erneutes Trinken. 4. Aus der Abhängigkeit ist auch deshalb nicht leicht herauszukommen, weil sie fest in den Grundeinstellungen des betreffenden Menschen verankert ist. Gemeint sind Einstellungen wie zum Beispiel: o "Ich bin als Mann oder Frau völlig wertlos" o "Ich bin ein Versager" o "Es lohnt sich gar nicht, dass ich mich anstrenge" o "Ich bin nicht in der Lage, mein Leben selbst zu steuern" o "Ich fühl mich nur wohl, wenn ich mich selbst verwöhnen kann" o "Ich brauch immer etwas, was mir Kraft gibt" o "Ich bin zu schwach, um die Wirklichkeit auszuhalten" Soll das Trinken aufgegeben werden, müssen auch diese Einstellungen, die sich oft bereits in der frühen Kindheit gebildet haben, korrigiert werden. 5. Immer stellt sich die Frage nach der Funktion des Suchtverhaltens oder nach dessen Sinn. Alkoholabhängigkeit lässt sich als eine verzweifelte Glückssuche auffassen oder als ein fröhlicher Selbstmord, ganz wie man will. Das Trinken aufgeben? o Wozu das alles? o Gibt es irgendetwas, für das zu leben sich lohnen könnte? o Die ganze Schinderei: wem zuliebe? Nicht selten geht derjenige, der aus seiner Sucht herauskommen möchte, durch eine tiefe Verzweiflung hindurch, bis er den Mut findet, sich nüchtern zu sehen und neu anzufangen. 6. An jeder Ecke wird Alkohol angepriesen. Dem völlig auszuweichen ist unmöglich. Deshalb muss der Alkoholkranke damit rechnen, immer in Versuchung zu kommen. 7. Hart wird es vor allen Dingen für ihn, weil er nicht mehr mäßig trinken kann und darum keinen Tropfen Alkohol mehr trinken darf. Dies einzusehen, fällt ihm selber und auch seiner Umgebung schwer: Natürlich darfst du nicht mehr so viel trinken wie früher! Aber ein Gläschen in Ehren? 8. Zu rechnen ist mit den Fallstricken der Erinnerung. Unangenehmes wird schnell vergessen. War es nicht doch schön? 9. Jeder Alkoholabhängige wehrt sich zunächst gegen das Eingeständnis seiner Krankheit. Er fühlt sich abgestempelt und in eine Außenseiterposition abgeschoben. Er, der eben noch ein ganzer Kerl war, soll nun als Abhängiger gelten? Muss er nicht zunächst annehmen, dass es nun von seiner Umgebung als schwächlicher Versager eingestuft wird? Das macht Angst, und er Schämt sich. Da er um keinen Preis auffallen will, überlegt er, wie er sein Problem tarnen kann. So wie er zunächst sein Trinken verheimlicht hatte, versucht er später, nachdem er sich zur Abstinenz entschlossen hat, sein Nichttrinken zu verbergen. Möglichst die ganze Sache geheim halten, nicht auffallen! Zum Beispiel Apfelsaft in einem Weinglas trinken, so dass die anderen meinen, er trinkt Weißwein; oder Cola-Mix im Bierkrug... Die negative Reaktion der Umwelt und die Scheu des Betroffenen, sein Gesicht zu verlieren, sind schwere Hindernisse. Ein Alkoholkranker kommt nicht selten in eine Zwickmühle: Trinket er wieder, ist er der Säufer - und man hat ja gewusst, dass er es nicht schafft, Labil wie er ist! Trinkt er nicht mehr, gilt er als langweiliger Abstinenzler, als Spielverderber. An dieser Stelle ist zu fragen, ob die Mitmenschen wirklich überwiegend so unvernünftig reagieren. Viele werden den Fortschritt zu schätzen wissen. Aber in den Köpfen der Betroffenen sind diese Befürchtungen sehr mächtig. Dies kommt sicher daher, dass sie sich selbst noch nach den Maßstäben beurteilen, die sie in ihrer Trinkerzeit mit ihren Kameraden geteilt haben: Sie sehen sich selbst mit den spöttischen Augen ihrer Zechbrüder. Wenn ein Alkoholkranker aufhört, Alkohol zu trinken, verzichtet er nicht nur auf eine lieb gewordene Gewohnheit: Er definiert sich selbst neu in Beziehung zu seinen Mitmenschen. Seine Rolle ändert sich. Auch verändert sich die Bezugsgruppe: Menschen, die vorher für ihn wichtig waren (z.B. seine Kameraden), werden jetzt ihren Einfluss verlieren. Andere Menschen treten in den Vordergrund. Dieser Wechsel der Gruppenzugehörigkeit und der Rolle kann Befürchtungen erwecken: o o o o o Wie werde ich gesehen, wenn ich keinen Alkohol mehr trinke? Werde ich ausgelacht? Bin ich noch eine richtiger Mann? Oder bin ich ein kleiner Schulbub, der seine Limonade bestellt? Ich, ein Kerl aus Granit, soll ein braver Junge werden? Der Frau das Händchen halten und erbaulichen Sprüchen lauschen? o 10. Wenn der Alkohol insbesondere ein Mittel ist, um sich Negatives sanft vom Leibe zu halten und Positives erträumen zu können, ein Mittel jedenfalls, das die Realität vernebelt und erträglicher macht, dann ist der Weg aus der Abhängigkeit einer Landung auf steinigem Boden zu vergleichen. Es kann hart sein, Schmerz, Ärger, Widrigkeiten zu ertragen, die Nichterfüllung von träumen und Sehnsüchten auszuhalten. Die Aufzählung dieser Hindernisse sollte auf keinen Fall mutlos machen; sie sollten im Gegenteil Verständnis auch für die Rückschläge wecken. Wenn wir wissen, wie schwierig es ist und worin die Hindernisse bestehen, verfallen wir auch nicht so schnell der Resignation. Es ist zu schaffen. Der Weg erfordert aber Mut und Ausdauer! Zum Erreichen des Abstinenzziels kann es hilfreich sein, sich folgende Sätze immer wieder in Erinnerung zu rufen: o "Ich will keinen Alkohol mehr trinken." Da der Alkohol bisher ganz bestimmte Funktionen erfüllt hat (Hemmungen überwinden, Schwierigkeiten wegschieben, Kontakt herstellen und aufrechterhalten, abschalten können etc.), geht es jetzt dem Alkoholkranken darum, sein Verhalten so zu ändern, dass das Suchtmittel nicht mehr benötigt wird: o o "Ich will lernen, ohne Alkohol zu leben." "Ich will lernen, meine Schwierigkeiten ohne Alkohol zu bewältigen." Je länger die Abstinenz dauert, je mehr der Abhängige in die Wirklichkeit zurückkommt und je besser er es lernt, seine Fähigkeiten einzusetzen und mit sich und seiner Umwelt zurechtzukommen, umso mehr tritt der Alkohol in den Hintergrund: o "Ich brauche keinen Alkohol." Rückfall Bei dem Versuch, die Alkoholabhängigkeit zu überwinden, ist ein Rückfall eher die Regel als die Ausnahme. Dies wird leicht verständlich, wenn Sie sich einmal vor Augen führen, wie schwer es ist, sich bestimmte Gewohnheiten oder Verhaltensweisen "abzugewöhnen". Es ist schwer, ein über viele Jahre praktiziertes Verhalten innerhalb kurzer Zeit und beim "ersten Anlauf" einfach abzustellen. Sie haben bei entsprechenden Versuchen vielleicht die Erfahrung gemacht, das Sie für das Verhalten, welches Sie aufgeben wollen, etwas neues suchen und finden müssen. Wenn Sie z.B. den Fernsehkonsum reduzieren wollen, so ist es sicherlich hilfreich, sich stattdessen eine andere Beschäftigung zu suchen, die Ihnen Freude macht, etwas, das Sie gerne tun und bei dem Sie etwas "gewinnen". Wenn wir uns Ziele setzen, ist es also wichtig, das es sich um positive Ziele handelt; Ziele, für die es sich subjektiv lohnt, Energien zu investieren. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Rückfall bei Alkoholabhängigen: Es reicht nicht zu beschließen "Ich trinke keinen Alkohol mehr!", denn dann erleben Sie zunächst nur den Verlust eines Begleiters, der Ihnen vielleicht über lange Zeit ein "Freund" und "Seelentröster" gewesen ist. Ein/e Alkoholabhängige/r, die/der wider besseres Wissen und trotz guter Vorsätze erneut Alkohol trinkt, versucht damit (meistens nicht bewusst) , sich in einen erträglichen, angenehmeren Gefühlszustand zu versetzen. So gesehen kann ein Rückfall letztlich als Versuch angesehen werden, Unangenehmes zu Vermeiden und Angenehmes herbeizuführen. Diese Beschreibung ist nur der kleinste gemeinsame Nenner, auf den Rückfall zu bringen sind. Die Auslöser, Gründe und Hintergründe sind sehr unterschiedlich. Der Eine will vielleicht schwer erträgliche Gefühle wie Ärger und Verzweiflung betäuben; eine Andere wünscht sich durch den erneuten Alkoholkonsum die ersehnte Entspannung und Entlastung, der Dritte will vielleicht Angst und Traurigkeit überspielen. All diese Beweggründe haben eine Gemeinsamkeit: Es gibt eine Unzufriedenheit mit dem bestehenden, ein Unbehagen an der Wirklichkeit und Lebensrealität mit ihren Einschränkungen und Konflikten. Der Rückfall kann Sie also darauf aufmerksam machen, was in Ihrem Leben eine Belastung darstellt und was Sie davon bislang nicht zufrieden stellend gelöst oder akzeptiert haben. Unter diesem Aspekt kann ein Rückfall eine Chance für Betroffene darstellen. In jedem Fall ist er ein Signal, sich mit seinem/ihrem Leben aufrichtig auseinanderzusetzen und nicht vor sich selbst zu fliehen. Diese Sichtweise soll nun keine Einladung zum Rückfälligwerden darstellen, sondern sie soll deutlich machen, das ein Rückfall kein Grund ist, alles bisher erreichte "über Bord zu werfen" nach dem Motto: "Das hat ja sowieso alles keinen Sinn, ich schaffe es doch nicht!". Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen können helfen, das Leben meister zu lernen, ohne den Alkohol als "Freund und Begleiter" einzusetzen. Denn auch der Rückfall ist letztlich keine Dauerlösung. Das erneute Trinken ist nur eine scheinbare Hilfe, denn nach Abklingen der Alkoholwirkung sind die gleichen Probleme, unangenehmen Gefühlszustand und unerfüllte Wünsche wieder da. Es bleibt festzustellen: Ob Rückfall nur als Ausdruck des Scheiterns anzusehen sind oder auch als Krise im positiven Sinne, hängt ganz wesentlich davon ab, wie wir den Rückfall erklären. Wer einen Rückfall nur als Ausdruck von Willensschwäche, Uneinsichtigkeit oder Krankhaftigkeit begreift, übersieht, das sich aus einem Rückfall viel lernen lässt. Wichtig ist noch: Der Anschluss an eine Selbsthilfegruppe stellt immer auch eine Maßnahme der Rückfallvorbeugung dar! Die häufigsten Anlässe für Rückfälle sind nicht Überredung, Streit oder schwere Schicksalsschläge an sich sonder Einsamkeit, Niedergeschlagenheit, Angst, Gereiztheit, Gekränktsein, unerklärliche Stimmungsschwankungen, Gefühle der Sinnlosigkeit und Leere, Anspannung und Nervosität. Rückfälle geschehen meistens nicht auf Festen oder in Lokalen, sondern zu Hause. Dies bedeutet nicht, das die Angehörigen für ein ausgewogenes Gefühlsleben des Betroffenen sorgen müssen! Dies ist ganz allein die Verantwortung und Aufgabe des Abhängigen. Die Angehörigen tun gut daran, wenn sie ebenfalls gut für ihre Gefühlslage und Bedürfnisse sorgen lernen. Für Angehörige ist es ebenfalls wichtig, sich mit dem Rückfall auseinanderzusetzen wie für den Betroffenen selbst, weil der Rückfall bei der Genesung von Alkoholabhängigkeit eher die Regel als die Ausnahme ist. Für Sie ist es also wichtig zu lernen, wie Sie sich einem Rückfall verhalten können, damit Sie den Betroffenen nicht (unbewusst) in seinem Rückfallverhalten stützen. Es ist eine Illusion zu glauben, durch Liebe, Fürsorge, In-Watte-packen und Fernhalten von Problemen verhindern zu können, das der Alkoholabhängige rückfällig wird. Die Angehörigen haben nicht die Verantwortung für das Verhalten des Betroffenen. Ihr alkoholabhängiges Familienmitglied muss seine Erfahrung selbst machen können - auch schmerzliche. Erst wenn es/sie lernen, wie er/sie mit Enttäuschungen, Angst und andere schwierige Gefühlen umgehen kann, ohne zur Flasche zu greifen. Sie als Angehörige/r müssen lernen, Ihrem Partner nichts von seinen Aufgaben abzunehmen - auch dann, wenn er sie nicht so perfekt bewältigt, wie Sie es selbst vielleicht machen würden. Machen Sie sich mit dem Gedanken vertraut, das Sie den Alkoholkonsum Ihres Familienmitgliedes nicht verursacht haben und das es nicht in Ihrer Macht steht, einen Rückfall zu verhindern. Suchtkranke sind Meister darin, die Verantwortung für ihren Alkoholkonsum anderen zuzuschreiben. Versuchen Sie, nicht in diese Falle zu treten! Haben Sie den Mut, sich zu fragen, was Ihnen fehlen wird, wenn das abhängige Familienmitglied nicht mehr abhängig ist. Dieser Vorschlag mag Sie zunächst verwirren oder sogar verärgern. Allerdings ist es ganz natürlich, das auch Ihnen vielleicht etwas fehlt, an das Sie sich gewöhnt haben. Sollte das abhängige Familienmitglied jetzt wieder selbst Dinge in die Hand nehmen, die Sie jahrelang übernommen haben, so bedeutet das nicht, das Sie sich gleich damit wohl fühlen werden. So kann ein Rückfall durchaus altbekannte und vertraute Situation wieder herstellen. Suchen sie sich Hilfeangebote für Angehörige von Alkoholikern in Ihrer Umgebung. Glauben Sie nicht, das Sie alles allein bewältigen müssen. An Ihrem Wohnort oder in der näheren Umgebung gibt es vielleicht eine Beratungsstelle oder Selbsthilfegruppe, die sie aufsuchen können. Gestehen Sie sich selbst eine Veränderung in kleinen Schritten zu und vermeiden Sie es, sich zu überfordern oder Ihre eigenen Rückfälle in bekanntes Verhalten zu verurteilen. Machen Sie sich klar, was Sie tun werden, wenn die abhängige Person weiterhin trinken wird. Teilen Sie ihr Ihre Entscheidungen mit, wenn sie nüchtern ist. Der Weg aus der Sucht braucht seine Zeit. Geduld, Gelassenheit und Toleranz für den Lebensweg anderer Menschen sind angebracht.