5| Farbe - redmonds
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5| Farbe - redmonds
132 DESIGN AN SICH 5| F a rb e Im Anschluss an die kompositorische Arbeit, die designerisch für das tatsächliche Erscheinen grundlegend ist, leistet die Ebene 3 die Gestehung eines Informationswertes. 5 | 1 Fa r b e n o n l i n e Aufgrund technischer und medialer Grundlagen sind Farben online differenziert zu behandeln. An dieser Stelle werden somit jene unbedingt zu beachtenden Differenzen für einen optimierten Farbeinsatz für OnlineProdukte besprochen und ausgewertet. Farben werden in so genannten Farbräumen organisiert. Die zwei bekanntesten Farbräume sind CMYK und RGB. Der CMYK-Farbraum dient der Publizierung auf Papier. Man spricht dabei von subtraktiver Farbmischung, weil die drei Grundfarben Yellow, Magenta und Cyan Schwarz24 ergeben. Der RGB-Farbraum dient der Publizierung am Monitor. In diesem Zusammenhang wird von additiver Farbmischung gesprochen – die drei Grundfarben Rot, Grün und Blau zusammen ergeben Weiß. Hier handelt es sich um Lichtfarben und jede Farbe auf dem Bildschirm wird durch eine Mischung25 der drei Grundfarben Rot, Grün und Blau erzeugt. Die Farbtiefe26, gemessen in Bit, bestimmt die maximale Anzahl darstellbarer Farben am Monitor. 1 Bit 2 Farben (monochrom) 8 Bit 256 Farben (indiziert) 16 Bit 32.000 Farben (High Color) 24 Bit 64.000 Farben (True Color) 32 Bit 16,7 Mio. Farben (True Color) 24 25 26 Meist wird, um höhere Deckkraft zu erzielen, Schwarz zusätzlich separat beigegeben Sekundär- und Tertiärfarben Farbtiefe wird durch Faktoren wie Monitor, Grafikkarte und Systemeinstellungen beeinflusst. FA R B E Aufgabe für Web-DesignerInnen ist, Farben und Grafiken so zu optimieren, dass sie möglichst auf allen Plattformen gleich aussehen. Hierfür stehen Farbpaletten zur Verfügung27. Je weniger Farben zum Einsatz kommen, desto geringer ist die Dateigröße. Paletten können für jede Grafik individuell aus dem zur Verfügung stehenden Fundus von 16,7 Millionen Farben organisiert werden. Wenn aber zwei solcher Grafiken gleichzeitig dargestellt werden sollen, kommt es bei einer von beiden automatisch zu Falschfarben. Deshalb wurden für das Web Standardpaletten festgelegt. Da Netscape und der Internet Explorer unterschiedliche Farbpaletten bereitstellen, bleibt für die Verwendung im www eine Palette von 216 Farben, die als browsersicher betrachtet werden kann. Die Grundfarben des RGB- und des CMY(K)-Modells heißen Primärfarben. Werden zwei Primärfarben miteinander gemischt, so entstehen Sekundärfarben. Orange z.B. ist eine Sekundärfarbe, weil sie aus Rot und Gelb gemischt ist. Und schließlich, wenn ein Gemisch von Komponenten aller Primärfarben erzeugt wird, erhält man sogenannte Tertiärfarben. Farben, die sich Komplementärfarben auf dem genannt. Farbenkreis Eine gegenüberstehen, Komplementärfarbe werden ergänzt eine andere Farbe zu Weiß (bei Lichtfarben bzw. RGB-Farben) oder zu Schwarz (bei Körperfarben bzw. CMY-Farben). Die Komplementärfarbe von Magenta beispielsweise ist Grün. Wenn eine Farbpaste aus reinem Magenta mit einer Farbpaste aus reinem Grün gemischt wird, ergibt sich Schwarz. Und wenn Licht mit der Farbe Magenta und Licht mit der Farbe Grün überschneidend auf eine Fläche gehalten werden, ergibt sich Weiß. Die Gegenüberstellung von Komplementärfarben erzeugt deren Wirkungsverstärkung. Es bilden sich sogenannte Simultankontraste. Diese prägen sich lange im Auge ein und erzeugen Nachbilder28. Ein weiteres Phänomen sind Schwarz und Weiß: Dass wir Schwarz und Weiß nicht als Farben empfinden, hängt mit dem Aufbau unserer Augen zusammen, wo neben den Zapfen ein zusammenhängendes Netz von Stäbchen für das Schwarz-Weiß-Empfinden zuständig ist. Wenn eine Farbe 27 Paletten können als separate Dateien vorliegen und finden nur bei 8-Bit-Grafiken Anwendung. Sie enthalten maximal 256 Farben, so genannte indizierte Farben. 28 Der Grund für das Phänomen der Kontraststeigerung bei gekoppelten Komplementärfarben ist in erster Linie nicht in der Beschaffenheit der Farben zu suchen, sondern in der Beschaffenheit menschlicher Augen: das Auge hat eine Tendenz zur Kontrastverstärkung. 133 134 DESIGN AN SICH mit Schwarz, Weiß oder beiden gleichzeitig (Grau) gemischt wird, entstehen sogenannte Modulationen. Auf Computerbildschirmen können kräftige Farben wegen der Bildschirmhintergrundbeleuchtung sehr leuchtend wiedergegeben werden. Bei großflächigem Einsatz entsteht dadurch ein unangenehmer Schockeffekt für die Augen. Um den Augen diese Anstrengung zu ersparen, ist es ratsam, auf Websites größere Flächen entweder mit Weiß zu erhellen oder mit Schwarz abzudunkeln oder mit Grau unbunt zu gestalten, wenn Lesbarkeit29 das Kriterium für die Konstruktion einer Web-Site ist. Kleinere Flächen können durchaus kräftigere, buntere und strahlendere Farben haben. Werden große und kleine Farbflächen kombiniert, so erhalten die kleinen Farbflächen die bunten, kräftigen und strahlenden Farben, ansonsten würden diese von den großen Farbflächen überstrahlt. Farben haben ihre eigene Wirkung wie Formen und Layout. Sie dienen im Design der Erfassbarkeit und ermöglichen Stimmungen, Gefühle und Emotionen zu transportieren. Blau zum Beispiel kann eine Illusion von Perspektive schaffen: Eine Farbe wirkt um so weiter entfernt, je kälter und je blasser sie ist, und um so näher, je wärmer und je kräftiger sie ist. Farben sind insofern wichtiger Bestandteil der Informationsübermittlung. Ob eine Site eine schwarze Hintergrundfarbe aufweist oder eine rote, ist nicht beliebig zu werten. Die Farbwahl ist die erste Informationsübermittlung, die über Web-Design angeboten wird. Schrille Farben für ein Bestattungsinstitut zu wählen, ist verfehlt, weil der Tod und die Bestattung für die meisten UserInnen ruhigere Farbtöne erfordern. Um Farben zur Informationsquelle für UserInnen zu machen, müssen sie bewusst ausgewählt werden, es muss also zuvor bestimmt sein, welche Information angeboten wird. Eine Satiresite über Bestattungsinstitute etwa ist mit schrillen Farben gut beraten. Der Witz ergibt sich aus dem Bruch mit Konventionen. Farben leiten UserInnen also bezüglich des Informationswertes einer Site. Sie spüren, von Anfang an, worum es geht. Sie müssen es nicht wissen. 29 Schrift- und Hintergrundfarbe stehen in enger Korrespondenz zueinander: Ist der Kontrast zu stark, beginnen die Buchstaben zu flimmern, ist er zu schwach sind sie kaum noch sichtbar. Für die tägliche Praxis empfiehlt sich, längere Texte in der zuvor ausgestalteten Farbkombination auch tatsächlich und über einen längeren Zeitraum zu lesen! Mehr zum Thema Schrift und Farbe bei Carter (2002). FA R B E Letztendlich ermöglichen die technischen Voraussetzungen, den UserInnen die Farbwahl ihrer eigenen http://steirerkult.niwa.at). freien Diese Gestaltung zu Überantwortung übergeben der (siehe Farbwahl ist hinsichtlich der Informationsübermittlung problematisch. Wenn also die Farbwahl UserInnen freigestellt ist, indem die UserInnen die Möglichkeit erhalten, Farben mittels Bedienungsinstrumenten auszuwählen, so muss darauf geachtet werden, dass die auswählbaren Farben in einem Spektrum liegen, das der Intention der Informationsübermittlung unterliegt. Die freie Farbwahl auf einer Site eines Bestattungsinstitutes ist diesbezüglich mit unbunten Farben geeigneter, für eine Satiresite sind Farbskalen zu wählen, die schrille Farbkombinationen ermöglichen. Wird das freigegebene Farbspektrum nicht ausgewählt hinsichtlich der Informationsintention, so wird die UserIn nicht erkennen können, welchen Informationswert die Site besitzt, sie wird also nicht geleitet, sondern verwirrt. Dass bei der Farbperzeption kulturelle Konnotationen zu Grunde liegen, ist klar: In arktischen Regionen ist Weiß die Farbe des Todes. Und wäre die Höllenidee aus diesen Regionen entsprungen, so wäre vermutlich auch die Hölle eine eisig Kalte (Sloterdijk 1993). Farbpsychologische Erkenntnisse sind aufgrund einer bestimmten Bedingtheit von Kultur und Natur entstanden. Diese ursprünglich naturbezogenen Bedeutungskonnotationen sind postindustriell ausschließlich kulturell determiniert, die Natur stellt kaum noch eine konnotationsgebende Kraft dar. Schwarz und Rot werden in der Kombination im Stadtstaat Singapur sehr ähnlich verstanden werden wie in New York. Bei mongolischen ReiternomadInnen nicht unbedingt. Die Wahl der Farben bis hin zur Gestaltung von Farbwelten ist für jedes Design wichtig, weil Farben assoziativ Wirkungen (Signale, Warnungen, Hinweise, Trends etc.) transportieren. Unterstützend oder kontrastiv können Inhalte durch Farbgebung neutral oder abgeschwächt oder auch verstärkt werden. Wenn in diesem Kontext von Färbung gesprochen wird, so ist damit die Interpretation gemeint, die jede DesignerIn in das Produkt legt. Damit ist einerseits die kulturelle Dimension der DesignerIn angesprochen, aus der sie bestimmte Farbkonnotationen schöpft, andererseits die Graduierung als persönlicher Ausdruck. Somit ist die Verantwortung angesprochen, die DesignerInnen dem Informationswert des Produkts entgegen bringen müssen. Das bedeutet: anders als in der Kunst ist im Design die Wahl der Farben und die Bestimmung von Farbwelten abhängig 135 136 DESIGN AN SICH von äußeren, definierten Informationsintentionen. Die Farbgebung ist Bestandteil der Information, die bereitgestellt wird. Eine DesignerIn hat zur Aufgabe die Farbwerte so zu setzen, dass sie dem Informationswert des gesamten Produktes dienlich sind. Innerhalb dieser Bedingungen ergeben sich verschiedene Bandbreiten der tatsächlichen Farbwahl. 5|2 Der Grundton, der Stimmungsfänger Die tatsächliche Farbwahl ist von der Informationsabsicht einer Site abhängig. Insofern ist bei der Farbwahl zu berücksichtigen, welche Informationsbedingungen vorhanden sind. Überwiegt der Fun-Faktor, der News-Faktor, der Fact-Faktor etc. In Bezug auf die Informationsbasis sind geeignete Farben in Korrelation zum späteren Inhalt zu wählen. Welche Farbe wird die Geeignete sein? Geeignet? Was verstehen wir in diesem Zusammenhang unter geeignet? Erinnern wir uns der Notwendigkeit von Positionierung innerhalb der Designtätigkeit: es war die Rede von einer Positionierung in Bezug auf das Produkt. Es war die Rede davon, wie entscheidend es ist, für das Produkt eine bestimmte und individuell geeignete Emotionalität zu entwickeln. Sich zu fragen, was das Produkt an Assoziation weckt. In einem weiteren Schritt sich zu fragen, welche Farbassoziationen bei Anderen geweckt werden könnten oder müssen. Und basierend auf diesen so initialisierten Fantasien sich irgendwann für eine Farbe zu entschließen, sich für einen Grundton zu entscheiden, der den möglicherweise hinzukommenden Farben Leitfarbe sein wird, zu der alle anderen Farben wie auch immer geartet Bezug nehmen werden. Es handelt sich hierbei um einen schwierigen Prozess, wo in den Farbpaletten der einzelnen Tools mit Sicherheit viele Varianten durchgespielt werden müssen. Erleichternd aber kommt hinzu, dass vorgabenspezifisch (Konzept, Marketing, KundIn etc.), gesellschafts- und kulturkreisabhängig die Wahl der Farben zu bestimmten Themen und/oder Produkten nicht zufällig sein muss. Zum einen kommen vielfach Vorgaben von der KundIn: Die Farbe/n FA R B E des Logos sollen sich zur eindeutigen Identifikation mit der KundIn oder dem Produkt wiederfinden, der Content muss lesbar sein etc. Zum anderen: Wir sind gewachsen in einem Kulturkreis, der Geschichte hat, wir sind fähig, bestimmte Reize an bestimmte Assoziationen zu koppeln, weil wir in der eigenen Vergangenheit Erlebnisse zum Beispiel mit Farben gehabt haben, die Reaktionen und Assoziationen späterhin prägen. Und es gibt Untersuchungen, die belegen, dass zu bestimmten Farben überwiegend ganz bestimmte Assoziationen getätigt werden. Beispielsweise sind auch sprachlich Farbassoziationen verortet, wenn wir rot sehen, blau machen, grün hinter den Ohren und gelb vor Neid sind oder uns schwarzer Humor gefällt. Farbbedeutungen sind gesellschaftsbezogen, kulturkreisabhängig und auch zeitbedingt (Trends) und daher nicht selbstverständlich in jedes soziale Umfeld zu jeder Zeit übertragbar und auch nicht für jede Person zutreffend! Denn beispielsweise haben EuropäerInnen, AfrikanerInnen sowie Eskimas und Eskimos ganz andere Vergangenheits- und Erlebnisbezüge, die, am Beispiel von Sprache, andere Ausdrucksformen erfordern. Weil in Afrika und am Nordpol etwa die Vorkommnisse von grüner Natur nicht gleichermaßen bereitgestellt sind und daher sprachlich dafür nicht ebenso variantenreiches Pouvoir zur Verfügung steht wie hierorts oder umgekehrt. Bezüglich unterschiedlicher Qualitäten von Schnee etwa kennt die europäische Kultur nicht annähernd so viele Unterscheidungen des Weißen wie Inuits. Gleichermaßen verhält es sich mit Assoziationen: Wenn grüne Vegetation eine ganz alltägliche Erfahrung ist, so werden andere Werte damit assoziiert als in Gebieten, wo grüne Vegetation selten zu sehen ist. Wer ein Jahr lang auf einer Bohrinsel verbracht hat, hat einen anderen emotionalen Bezug zu Grün als jemand, der ein Jahr lang in einem unwegsamen Dschungel verbracht hat. Der gewählte Grundton einer Site ist jener Farbton, der grundsätzlich ist für alle anderen, daraus abgeleiteten Farben. Ein Farbton wird als Grundfarbe definiert, alle anderen Farben werden diesem Grundton zugeordnet, müssen zu diesem passen. Informationsabsicht der Dieser Site Grundton hat entgegenzukommen, zur die Aufgabe, Site also der zu bewerten. Für eine UserIn ist der Grundton das wahrscheinlich Erste, das sie an einem Web-Produkt wahrnimmt, weil er sofort augenfällig wird. Alle anderen Elemente sind dem konzentrierten Blick ausgesetzt, welche Ordnung, 137 138 DESIGN AN SICH Anordnung und welche Inhalte etwa, sodass deren Wirkung sich zu einem späteren Zeitpunkt erst entfaltet. Der Grundton gibt somit eine Stimmung an, in die die UserIn eintaucht, die ihr vor Augen geführt wird. Von dieser Stimmung geht die UserIn aus, sieht von dieser Stimmungslage weiter, liest sich voran. Konterkariert der Grundton die Informationsabsicht einer Web-Site, so erschwert dies der UserIn die Informationsentnahme. Die Site versteht sich nicht von selbst. Die Farbaussage und die Informationsabsicht müssen in Einklang gebracht werden, ansonsten ist alle Idee von intuitiver Navigation leeres Gerede. Den richtigen Grundton zu finden, ist schwierig, kann jedoch über die Informationsabsicht erschlossen werden. Die DesignerIn hat dann zur Aufgabe, Position zur Informationsabsicht zu beziehen, und dahingehend eine geeignete Farbwahl als Grundton zu finden30. Ist der Grundton festgelegt, so können Ableitungen und Variationen des Grundtons leicht gefunden werden. 5 | 3 Fa r b s y m b o l i k Sind bestimmte Farben oder bestimmte Farbkombinationen kulturell gefestigt, besteht also ein gemeinsames Bewusstsein um eine Farbaussage, so erhalten Farben mitunter symbolischen Wert. Die Farbe steht in einem solchen Fall nicht mehr nur für eine Farbe, sondern hat zudem eine mehr oder weniger bestimmt festgelegte Bedeutung. Diese Bedeutung geht als Symbol über die Farbe an sich hinaus. In der Romantik etwa war die Mohnblume Symbol für Vergessen. Wo in der Literatur die Mohnblume auftauchte, war die Bedeutung von Vergessen gegeben. Wo in der Malerei das Mohnblumenrot auftauchte, war die Bedeutung von Vergessen gegeben. Im 21. Jahrhundert gibt es in Bezug auf das Mohnblumenrot keine derartig feste Bedeutungsfestlegung. Mohnblumenrot hat im 21. Jahrhundert viele verschiedene Bedeutungen. 30 Das bedeutet nach Konventionen der Funktionalität: Farbe soll verständnisgerecht, materialgerecht und gebrauchsgerecht sein. FA R B E Farbsymbolik bedeutet nun, dass ein bestimmter Farbwert mit einer ganz bestimmten und von den RezipientInnen auch gewussten Bedeutung verbunden ist. Das Fahnenrot ist immer Signalfarbe, es ist dennoch kein Symbol: denn Fahnenrot wird auch außerhalb der Fahne breit eingesetzt. Farbsymbolik geht also über die Farbe an sich hinaus, verweist auf etwas, das außerhalb ihrer selbst liegt, mit der jedoch bestimmte Gesichtspunkte eröffnet werden. Sind Farbsymbole nicht so genau definiert wie das Mohnblumenrot in der Romantik, so werden die RezipientInnen Assoziationen zu einer Farbe haben, die durchaus unterschiedlich ausfallen können. Im Falle von Assoziationen zu Farben steht ein Spektrum von Bedeutungen zur Verfügung, innerhalb dessen die Farbwahl symbolisch betrachtet werden kann. Die Farbsymbole sind dann nicht genau, jede Farbe vermag jedoch innerhalb eines Bedeutungsspektrums symbolisch gesehen werden. Möglichkeiten einer Darstellung von Farbsymbolik sind schwierig, weil sie kulturell determiniert sind und somit einem historischen Wandel unterliegen. Dennoch kann und wird insbesondere von der Disziplin Farbpsychologie ein Potpourri an Farben und ihrer Wirkung immer wieder zusammengetragen. Heller (2002) stellt im Standardwerk zur Wirkung der Farben eine Fülle historischer, psychologischer und symbolischer Aspekte auf. Daraus ergeben sich für die westliche Kultur insbesondere folgende Farbassoziationen für: Blau: Blau ist die bei weitem die beliebteste Farbe, bei Frauen als auch bei Männern. Sie beinhaltet Denotationen wie: Sympathie, Harmonie, Freundlichkeit, Freundschaft. Blau ist die Farbe des Vertrauens und der Verlässlichkeit. Blau ist still und entspannend, zeigt unbegrenzte Dimensionen und ist die Farbe der Ferne, der Weite, der Unendlichkeit, der Treue, die in der Ferne bewiesen wird. Blau zeigt Sehnsucht und die positive Seite der Phantasie. Sie ist gleichzeitig kalt und kühl, Melancholie und Entspannung (engl. Sprachraum), symbolisiert männliche und geistige Tugenden wie Mut, Leistung, Konzentration, Klugheit, Wissenschaft, Genauigkeit und Pünktlichkeit. Indigo (Waid) war billig in der Produktion und daher dem Volke zugänglich, zuvor jedoch galt: je leuchtender das Blau, desto teurer war es und KönigInnen (Königsblau) wie AristrokratInnen vorbehalten. Lapislazuli (ultramarin) wurde aus geriebenen Stein gewonnen und war göttliches Blau (Himmel): Marienblau, edel wie blaues Blut in 139 140 DESIGN AN SICH Spanien. Blau war ursprünglich weiblich wie Wasser, beruhigend, rational, spirituell, signalisierte Harmonie und Zufriedenheit. Blau ist die unbedenklichste globale Farbe (Holzschlag 2002). Rot: Rot gilt als sehr nahe und dynamische Farbe. Sie ist die erste Farbe, die einen Namen erhielt und zwar in allen Sprachen (in manchen Sprachen ist rot gleichbedeutend mit farbig oder gleichbedeutend mit Blut). Rot ist die zweitbeliebteste Farbe mit gleichem Anteil bei Frauen und bei Männern, symbolisiert Blut und Lebenskraft. Blut ist in manchen Kulturen Sitz der Seele, darum: Blutopfer. Energie, Aktivität, Energie und Lebensfreude ist Rot. Sie war ursprünglich männlich belegt und die Farbe aller Leidenschaften wie Aufregung, Impulsivität, Zorn und Wut (roter Kopf), Erotik und Sexualität. Je negativer desto dunkler wird das Rot: Krieg, Kraft und Aggression (Soldatenuniformen). Rot ist wie Feuer (Begierde) und gleichzeitig warm. Dort, wo Hitze lebensbedrohlich wird, wird Rot dämonisch. Rot wirkt nahe. Dunkles Rot symbolisiert Menstruationsblut und damit Fruchtbarkeit und Weiblichkeit (die Macht des Weiblichen mitunter). Rot war das Zeichen sehr hohen Standes: das Recht auf Rot, dann sogar in Rot heiraten (rote Absätze: Ludwig der XIV, 18.Jahrhundert). Rot wurde aus Läusen (Kermes) produziert und war extrem teuer. Als das Geheimnis der Herstellung aufgedeckt wurde, war Rot allgemein zugänglich. Im Kommunismus hat Rot besondere Bedeutung, weil im Russischen Rot zur Wortfamilie schön, gut, wertvoll gehört. Rot als Farbe der Arbeiter (Sozialismus). In vielen Fahnen wird Rot verwendet, weil es sehr lichtbeständig und leicht sichtbar ist. Verbotenes Rot: Rot bei Tag und Nacht. Rot als Farbe der Korrektur und Kontrolle: rote Zahlen. Rot braucht in der Werbung riesige Flächen, weil es sonst das Gegenteil bewirkt, denn heute ist Rot schon zu normal. Tiere sehen kaum rot, daher sind wenige Pflanzen rot und darum hat Rot Signalwirkung: es ist die unnatürlichste Farbe. Rot ist anregend, warnend, aggressiv und zeugt von Aktivität, Dynamik und Leidenschaft. Grün: Grün ist die Farbe, die eher für ruhig und erholsam steht, für Natur (Die Grünen), Leben (Frühling, Jugend), Barmherzigkeit und Weiblichkeit. Sie ist die heilige Farbe des Islam (in der Wüste ist Grün das Paradies, Grün war die Lieblingsfarbe Mohammeds und war nur für Nachfolger der Kalifen reserviert). Grün steht für ewiges Leben, den Frühling und florierende Geschäfte, für das Gedeihen und die beginnende Liebe. Grün ist die Farbe der Venus und der Liebe in der Minnedichtung. Hoffnung (keimt) und FA R B E Frühlingserwachen ist grün. Grün gehört mit Weiß, Rot und Violett zu den liturgischen Farben (1570 Papst Pius V.) und ist unter ihnen die einfachste und elementarste. Grün als Farbe des hl. Geistes wird jeden (gewöhnlichen) Sonntag verwendet. Grün signalisiert Frische, Gesundheit aber auch Unreife wie die beginnenden Früchte, Giftgrün auch (Arsen). Ein grünes Kleid z.B. ist an sich einfach, auf Seide aber extravagant (vgl. Kaiserin Eugène, Gemahlin Napoleons III). Grün ist die Mitte, dasselbe in Grün bezieht sich auf den Unterschied in französischen und deutschen Karten: Pik und Laub oder Grün. Der grüne Tisch ist aus teurer Farbe und gutem Material. Grün als Ampelfarbe zur freien Fahrt ist funktional, weil es die angenehmste Farbe bei langer Betrachtung ist. Grün ist die Farbe der Natur und des Lebens, Frühling, Hoffnung, die beginnende Lieb und beruhigende Mitte. Schwarz: Schwarz steht für Konservatismus, Anarchismus, Trauer, Eleganz und Tod (alles Verfaulte ist schwarz und das Nichts ist schwarz). Doch ist Schwarz Ansichtssache religiöser Ideen, denn wo es ein Leben nach dem Tod gibt, ist der Tod weiß. Schwarz ist die Negation der bunten Farben, ist Schuld (schwarzer Peter), Lüge, Untreue, Schmutz (schwarz unter den Fingernägeln), Gemeinheit und Unglück (schwarze Katze, schwarzer Freitag). Schwarz ist die Farbe der Geistlichkeit (Mönche), weil sie als billige Farbe für arm, enthaltsam und demütig steht. Schwarz sticht gleichermaßen heraus, da sie gefärbt ist. Mitte des 15. Jahrhundert galt: helle Farben für den Adel und als dieser dann verarmte, steigen die Bürger auf und lassen sich die Farbordnung nicht mehr gefallen. Damit verlor die Farbsymbolik ihre Verbindlichkeit (1789) und die arme Schwärze der BürgerInnen wird staatstragend, weil alles, was an Farben gefunden wurde, von Ärmeren raufgenäht wurde. Bürgerlichen blieb Schwarz als einzig verbleibende sich abgrenzende Farbe. Als Spanien an der Macht (Inquisition) war, war Schwarz Mode. In Deutschland zur Zeit der Reformation (1517): der Bildersturm vernichtete alles Farbige und Luther trägt Schwarz bis auf das Gesicht (sein Ausdruck). Daher ist Schwarz ausdruckslos. Schwarz als Abgrenzung, Unnahbarkeit und als Farbe des Existenzialismus rückt die Individualität ins Zentrum. Und dies für alle Gesellschaftsschichten, die jenseits der Masse stehen. Schwarz ist die Eleganz ohne Risiko (Dior). In Afrika ist Schwarz die schönste Farbe und symbolisiert Unabhängigkeit. Schwarz steht auch für Illegalität und Anarchie: Schwarzhandel, Schwarzseher, schwarze Listen bei allen Organisation, wo das Todesurteil möglich ist. Faschismus: schwarz und rot: Brutalität, Stärke, Bedrohung, Lärm. Im Alltag ist Schwarz die meist benutzte Farbe: jede/r ist, zumindest 141 142 DESIGN AN SICH optisch, gleichberechtigt und daher ist es auch die Farbe politischer Gruppierungen und für die, die sich als Herren über das Leben Anderer anschauen lassen, ist Schwarz wichtig als Symbol des Todes. Schwarz wirkt durch den starken Kontrast in Räumen schwer, eng und eckig. Für DesignerInnen bedeutet Schwarz: form follows function, weil diese Farbe den Verzicht auf Schnörkel bedeutet. Im HighTech-Bereich ist Schwarz die Strenge sich genügender Technik. Schwarzweiß signalisiert Verbindlichkeit. Schwarz zeugt von negativen Gefühlen wie Trauer, Einsamkeit (allerdings nur in ganz bestimmten Kulturen, wie z.B. der Europäischen), aber auch von Eleganz. Diese Farbe ist modern, sachlich, eindeutig und funktional. Schwarz polarisiert: Bei vielen Menschen ist es sehr beliebt, bei vielen stößt es auf strikte Ablehnung. Gelb: Gelb ist die zwiespältigste Farbe, weil Gelb ähnlich wie Gold (Reichtum, Angeberei, Luxus) ist, ohne Gold zu sein. Gelb ist auch wie die Sonne und Optimismus, Licht und Erleuchtung, ist wie der Sommer: reife Liebe und höchste Beglückung. Negative Assoziationen mögen bei Gelb überwiegen: Farbe allen Ärgers (Galle ist ein ähnliches Wort), Neid, Eifersucht, Geiz, Egoismus (vergleiche auch Grün z.B. vor Neid). Im Russischen ist das gelbe Haus ein Irrenhaus. Untreue, Unsicherheit, Gefühllosigkeit und Schuld sind Gelb. Schwarze Schrift auf gelben Grund hat optimale Fernwirkung. Jedoch ergibt sich bei längerem Lesen ein starker Kontrast und alle Farbkontraste sind lese-störend, aufdringlich. Gelb ist intensive Warnfarbe (Fußball: gelbe Karte). Gelb aus Safran gewonnen ist licht und waschecht. Im Mittelalter war Gelb die Kennfarbe der Geächteten, weil Gelb nicht versteckt werden kann. Gelb stand für Prostituierte, Ketzer. Es ist heute die Farbe des Staates Vatikan. ChristInnen gaben JüdInnen Gelb als Farbe, weil Safran von den JüdInnen zu teuer gehandelt wurde: Ächtung also. Gelb vergilbt: altern, schlechtern. Gelb wird in Asien positiv mit Weisheit, Ruhm, Harmonie interpretiert. Weiße idealisieren Weiß, Schwarze Schwarz. Gelb steht in Europa für Sonne, Licht, Wärme und ist schwächer als Rot. Gelb symbolisiert nunmehr Optimismus und Vorwärtsstreben. Weiß: Weiß beinhaltet ein Assoziationsspektrum von kaltem Licht der Vollkommenheit bis zum wichtigsten Nahrungsmittel, dem Weizen. Weiß ist eine absolute Farbe, ist göttlich und symbolisiert die Ewigkeit, den Anfang, das Neue, die Überwindung des Unreinen. Weiß ist sauber (Krankenpflege), ist die Unschuld und der Verzicht auf Selbstdarstellung. Weiß ist wie die Wahrheit: eindeutig und unschuldig. Weiß ist Statussymbol (weißer FA R B E Kragen), weil Sauber-Sein Luxus war. Politisch ist Weiß die Farbe des Friedens, der Kapitulation (weiße Fahne) und Monarchie (gottgegeben). Weiß ist die Farbe funktionaler Sachlichkeit und reflektiert Sonnenstrahlen besonders gut. Weiß ist salzig, neutral, künstlich und substanzlos (Tabletten). Weiß signalisiert den Norden, ist ideal, gut, sachlich, klar, unschuldig, ehrlich, rein, festlich. Violett: Die Farbe wurde aus Schnecken gewonnen und war die Farbe der Macht (Priester, KaiserInnen). Es war eine sehr teure Farbe, weil eine Mischung aus Indigo (billig) und Kermes (teuer) nicht möglich war. Violett ist die Farbe der Bischöfe und der Buße, der Demut und Eitelkeit, der Extravaganz, der Magie (Mantel der Zauberer) und Phantasie. Violett ist Dekadenz und Künstlichkeit im Jugendstil, somit unsachlich und zweideutig. Violett steht für Luxus und Völlerei, für Sünden der Sexualität, für Magie und Geheimnis. Violett meint Selbstbezogenheit, Eitelkeit und ist Leitfarbe für Lesben nun. Gold: Die Farbe steht für Reichtum, Verblendung und Überfluss, Stolz, überirdisches Licht der Malerei, Beständigkeit, Glück und Ideale, Pracht, Festlichkeit und Ruhm. Gold ist nicht vergänglich, Gold ist vornehm. Eher warm. Braun: Braun als Farbe ist die heimliche Geliebte (Bauernmädchen, dunkle Mädchen) und steht für Dummheit, unsympathisch, faul, unerotisch, Fäulnis, schlecht. Im Raum wirkt Braun gemütlich, geborgen, erdig. Braun ist die Farbe mit stärkstem Aroma, geht hin bis zu spießig und bieder, arm. Nationalsozialismus: Braun war dominant in der Männermode. Braun hat eine Patina des Vergänglichen, ist altmodisch, steht für körperliche Bedürfnisse, für Sinnlichkeit und Bequemlichkeit. Grau: Diese Farbe changiert von mittelmäßig, langweilig und theoretisch zu trüb, unfreundlich, grausam und grauenhaft (aus Gestalten des Schattenreichs), gefühlsarm, introvertiert, farbenblind, alt und vergangen, arm und bescheiden, minderwertig und gefangen, bei Nacht sind alle Katzen grau (Wolfgang Borchert), graue Eminenzen, Neutralität. Silber: Die Farbe ist rasant doch zweideutig. Sie ist kühl distanziert, schnell, gediegen und edel. Silber ist nicht so verbraucht wie Gold und eher kühl. 143 144 DESIGN AN SICH Orange: Orange gibt billige Modernität, Aufdringlichkeit, Vergnügen, schafft Übergangsräume, ist extravertiert, bereitet Vergnügen. Orange ist die lustige, gesellige, zweite Farbe der Energie. Sie ist Farbe des Buddhismus: Farbe des Wandels, weil Gelb die Vollkommenheit und Rot Glück und Macht bedeuten. Orange ist eine Sicherheitsfarbe für Bauarbeiter, weil es auffällig ist. Rosa: Die Farbe der Kinder, zärtlich, zart, kindlich, süß, kitschig, aber auch die Farbe der alten Tanten: Altrosa. Altbacken und weich. (Heller 2002) Farbassoziationen sind mannigfaltig und sehr verschieden. Für jede Farbe lassen sich verschiedenste und widersprechende Assoziationen nennen, die dennoch in einem Kulturkreis alle geläufig sein können. Farbassoziationen sind einem kulturellen Wandel unterworfen. Die Vereinnahmung einer Farbe durch eine politische Partei zum Beispiel oder durch ein Unternehmen, verändern Farbassoziationen mitunter grundlegend. So sind historisch betrachtet Farben mal positiv mal negativ konnotiert, obwohl sie die selben Farben sind. Ob eine Farbe als arm oder reich gilt, hängt davon ab, ob Reiche diese tragen, also verwenden. Und sie verwenden die Farbe dann gerne, wenn sie sie schwer zugänglich ist: so heben sie sich vom Volke ab. Die Farbe ist dann aufgewertet. In einer demokratischen Gesellschaft mit einem prinzipiellen Zugang zu allen Farben für Alle, lassen sich Farbsymboliken nicht leicht eindeutig festlegen. Farben und ihre Denotationen unterliegen dem freien Spiel der Kräfte um Bedeutungen, ändern sich rascher als in Diktaturen, die sich auf eine Farbe festlegen müssen, damit Einheit und Bezugsgröße dargestellt werden kann. Der Symbolwert von Farben ist in Demokratien geringer, immer wieder tauchen neue Gruppierungen auf, die neue Farben pushen. Und so sie sich durchsetzen können, steht ihre gewählte Farbe dann für ihre Ideen, für ihre Marke. Farben können erfunden werden und insofern auch patentiert. Die Patentierung garantiert eine Überdauerung der Farbsymbolik in bewegten Zeiten: Palmersgrün. Wie aus manchen Schilderungen ersichtlich (vgl. Rot: Rosa: zärtlich bis kitschig, je mehr Schwarz, desto mehr schlägt die Assoziation um in Hass, das gerade Gegenteil) ist für Design neben der Berücksichtigung der eigentlichen Farbe, der Hauptfarbe, auch die Berücksichtigung der Nebenfarbe überaus relevant. Auf den Ton (hier: Tönung) kommt es an, FA R B E also die rechte Mischung. Die Nuancen (der Assoziation) ergeben sich aus einer Mischung mit Schwarz oder Weiß, was nicht bedeutet, dass andere Farben sich daraus ergeben. Weiters ist ersichtlich, dass bei manchen Farben keine Assoziationsaufstellung zu finden ist, wie etwa Lila oder Türkis. Dies hat damit zu tun, dass diese Farben sehr häufig unterschiedlich benannt und damit interpretiert werden. Was für manche Türkis ist, ist für andere noch grün oder blau. In diesen Fällen bedarf es stärker noch als bei den hier beschriebenen Farben einer individuellen Auslegung. 5|4 Instrumentarien zur Erstellung von Harmonie Von da Vinci (1452-1519), über Newton (1642-1727), Goethe (1749-1832) und Munsel (1858-1918), bis hin zu Ostwald (1853-1932) und Itten (18881967) gab es in der Geschichte zahlreiche Versuche, ein naturwissenschaftliches und objektiv begründbares Ordnungssystem für Farben zu schaffen. Sir Isaac Newton war der erste, der Sonnenlicht durch ein Prisma schickte und in seine farbigen Bestandteile zerlegte. Newton war zog als Grundlage für seinen Farbkreis Spektralfarben heran. Er zeichnete einen Kreis, ordnete die Spektralfarben darauf an und schloss die Lücke zwischen Rot und Violett mit Magenta (Purpur). Insofern folgt Roman Liedl großen Vorbildern in dem Bestreben, Farben zu kategorisieren, harmonische Kombinationen zu finden. Er entwickelte eine Systematik der Winkelharmonien. Zur Erstellung und Handhabung von Harmonien hat Liedl einen Farbkreis entwickelt aufgrund dessen durch kognitive Entscheidung möglich ist, zu harmonischen Farbkombinationen zu gelangen. Diese Möglichkeiten werden Winkelharmonien genannt. Bestimmte Winkel am Farbkreis ergeben harmonische Kombinationen, andere Winkel erzeugen in der Farbwirkung Disharmonie. Zu beachten dabei ist: im symmetrischen Farbkreis sind Blau und Gelb einander gegenübergestellt, im Liedl’schen jedoch Violett und Gelb. Im symmetrischen Farbkreis sind Rot und Cyan gegenübergestellt, im Liedlschen jedoch Rot und Türkis! 145 146 DESIGN AN SICH 5|4|1 Die Zweier-Harmonie Als Maß zur Erzeugung von Winkelharmonien dient zunächst der Winkelkontrast, der den Winkel zweier Farben am Farbkreis beschreibt. Viele Kombinationen sind möglich, doch nur manche Konstellationen erzeugen Harmonien. Stehen sich die Farben im Farbkreis gegenüber (beschreiben sie also einen Winkel von 180°) spricht man vom Komplementärkontrast, nach Liedl die Zweier-Harmonie. Dieser Komplementärkontrast ist in der Winkelharmonie entscheidender Ausgangspunkt für alle weiteren Harmonien. Abb. 61, Zweier-Harmonie nach Liedl 5|4|2 Die Dreier-Harmonie In der Dreier-Harmonie wird ein 180°-Winkel in gleichem Winkelkontrast zu den links- und rechtsnebenliegenden Farben hin aufgesplittet. Auch die wieder um ein weiteres mit gleichem Winkel verschobenen Farben rechts und links werden eine Dreier-Harmonie ergeben31, jedoch darf der 31 In diesem Kontext wird auch von Teilkomplementärfarben oder Farbdreiklängen gesprochen (Holzschlag 2002). FA R B E maximale Winkelabstand nur ein wenig mehr als 120° beschreiben. Die Farben sind am Farbkreis so angeordnet, dass durch angegebene Winkel das Harmoniespektrum angegeben werden kann. Abb. 62, Dreier-Harmonie nach Liedl 5|4|3 Die Vierer-Harmonie Eine zusätzliche Möglichkeit zur Erzeugung von Harmonien bietet die ViererHarmonie, bei der der 180°-Winkel jeweils an beiden Enden nach rechts und nach links gesplittet wird. Hierbei ist es notwendig, die gleichen Winkel für die Farbwahl anzunehmen. Wird ein Winkel bestimmt, so ergeben sich entlang der 180°-Achse winkelgleich harmonische Farben: in diesem Fall vier. 147 148 DESIGN AN SICH Abb. 63, Vierer-Harmonie nach Liedl 5|4|4 Die Fünfer-Harmonie Die Fünfer-Harmonie splittet den 180°-Winkel in je zwei links und rechts daneben liegende Farben, nimmt eine auf der 180°-Achse liegenden Achse hinzu. Daraus ergeben sich am Farbkreis miteinander harmonierende Farben. 5|4|5 Die Sechser-Harmonie Manchmal werden 6 Farben benötigt, in diesem Fall kann wie in der FünferHarmonie vorgegangen werden. An einer angenommenen 180°-Achse werden die Spiegelungen links und rechts hinzugezogen plus zwei Farben entlang der 180°-Achse. FA R B E Abb. 64, Fünfer-Harmonie nach Liedl, Sechser-Harmonie nach Liedl Will man mit diesen Harmonien eine gewisse Spannung erzeugen, so ist dies sehr leicht, indem Abweichungen zum Regelmäßigen gesucht werden, also die 120°-Marke überschritten wird. Maß und Ziel (Akzentuierung) werden hierbei eine große Rolle spielen, da am Screen sehr schnell das Gefühl von Grell- oder Buntheit (Reizüberflutung) generiert wird. Auf WebSites wirken Zweier- und Dreier-Harmonien sehr gut, sind es mehr, ist es ratsam, diese in kleinen Elementen (Navigation, Bilder, Logo etc.) einzusetzen und innerhalb dieser kleinen Einheiten Harmonien zu suchen, um eine überladene Farbgebung zu vermeiden. Sparsam eingesetzte Akzente und Eyecatcher, so erforderlich, lassen sich am besten mit Komplementärfarben bewerkstelligen. 5|4|6 Die Auffächerung Ein weiteres stilistisches Mittel der Winkelharmonie ist die sogenannte Auffächerung. Auch hier wird vom Komplementärkontrast ausgegangen und eine oder zwei Farben in mehrere Farbtöne innerhalb der Farbfamilie gefächert. 149 150 DESIGN AN SICH 5|4|7 Die beidseitige Auffächerung Die beidseitige Auffächerung spiegelt die Fächerung nach beiden Seiten. Abb. 65, Auffächerung, Beidseitige Auffächerung nach Liedl 5|4|8 Die Auffächerung als Farbverlauf Auf manchen Web-Sites werden Farbverläufe eingesetzt, was nichts anderes ist, als eine fein aufgegliederte Auffächerung. Es werden jene Farben aus dem Farbkreis gewählt, die dicht beieinander liegen, in der Differenzierung also aufgefächert eingesetzt werden. 5|4|9 Farbreihen Eine weitere Möglichkeit, einen harmonischen Farbeindruck zu erzielen, sind Farbreihen32. Farbreihen ergeben auch dann noch einem harmonischen Eindruck, wenn keine Winkelharmonie vorliegt. Bei Farbreihen handelt es 32 Auch Analoge Farben genannt. Sie stehen in schwachen Kontrast zueinander. FA R B E sich um aneinandergereihte Flächen, deren Farben sich stufenweise und systematisch ändern. Stufenweise heißt hier, in kleineren Schritten als dem 90°-Winkel vorzugehen. Abb. 66, Farbreihen nach Liedl Farbreihen können auch im Einklang mit der Winkelharmonie stehen (rechte Abbildung). Um diesen Einklang zu erzielen, wählt man so viele Farben, dass sie die Hälfte oder mehr des Farbkreises einnehmen. So erfüllen sie zudem die Anforderungen der Winkelharmonie, weil der Komplementärkontrast integrativer Bestandteil der Gesamtkomposition ist. 5|4|10 Wiederholungen Ein weiteres Instrumentarium der Farbharmonie sind Wiederholungen, wie etwa Texturen oder Kachel. Wiederholungen wirken auch dann harmonisch, wenn es sich um zueinander in Disharmonie stehende Farben handelt. Ist dies aus Platzgründen etwa nicht möglich, genügt es oft die Farben und deren Anordnungen zu wiederholen. Möglicherweise wird die harmonische Hinzunahme einer dritten Farbe vonnöten sein. Siehe Bildbeispiel 1 unter Farbe auf http://www.kamaga.com/design 151 152 DESIGN AN SICH 5|5 Instrumentarien des Widerstreits 5|5|1 Der Mengenkontrast Der Mengenkontrast beschreibt das (ungleiche) Verhältnis zweier (oder mehrerer) Farbflächen zueinander, wo einer großen Fläche in beliebiger Farbe eine kleine Fläche einer anderen Farbe gegenüber steht. Wie groß die Flächen jeweils und zueinander sind, ist produktabhängig. Die kleine Fläche sollte 20% der großen Fläche nicht überschreiten und noch klar sichtbar sein. Auf diese Weise lassen sich mit unterschiedlichen Farben harmonische Wirkungen erzielen. 5|5|2 Der Hell-Dunkel-Kontrast Dieser Kontrast beschreibt die Helligkeit einer Farbe und wird auch Tonwert genannt. Sich dieses Mittels zu bedienen bedeutet, Spannung, also einen positiven Widerstreit zu erzeugen. Wird dieser Kontrast nicht eingesetzt, erzeugt dies häufig den Eindruck von Plattheit. Mischungen mit Schwarz oder Weiß können den Tonwert der Grundfarben verändern, ohne dabei die Winkelharmonien zu beeinflussen und die wahrscheinlich probateste Methode, den Hell-Dunkel-Kontrast z.B. einer Web-Site zu bestimmen, ist selbige in Grauwerte (Schwarz-Weiß- Darstellung) umzuwandeln. 5|5|3 Der Bunt-Unbunt-Kontrast Das wesentliche Kriterium dieses Kontrastes ist die Strahlkraft der Farben, die jedoch per se sehr subjektiv interpretiert wird. Kräftige Farben erwecken einen strahlenden Eindruck während gedämpfte Farben eher geringe Strahlkraft besitzen. Man neigt dazu, kräftigen (reinen) Farben eher das Attribut der Buntheit und Farben, die mit Weiß, Schwarz oder Grau gemischt wurden, eher wenig strahlende Wirkung zuzuschreiben. Durch eine gemeinsame Verwendung ergibt sich ein Kontrast. FA R B E 5|5|4 Der Kalt-Warm-Kontrast Dieser Kontrast ergibt sich durch die Gegenüberstellung einer Farbe mit sogenannten kalten und warmen Farben, wie sie sich (individuell unterscheidend) aus Assoziationen ergeben. Modulationen aus dem RotOrange-Bereich werden überwiegend als warm empfunden, Blau-WeißSchwarz-Modulationen eher mit Kältewirkungen assoziiert. Problematisch sind die Übergangsbereiche Gelb-Lind und Violett-Lila, die von vielen Menschen per se unterschiedlich wahrgenommen werden. Siehe Bildbeispiel 2 unter Farbe auf http://www.kamaga.com/design 5|6 Instrumentarien des Mittelwegs Gehen wir davon aus, es sind einige Farben in einem bestimmten Verhältnis zueinander gewählt und konstruieren wir die Frage, ob es nun besser ist, mit der Harmonie oder mit den Kontrasten zu arbeiten: Wir werden keine Antwort finden. Denn obschon in der Methodik Kontrast und Harmonie separat behandelt und beschrieben wurden, ist in der Praxis eine Vermengung der beiden gängig. Liedl löst das Problem, indem er von Harmoniekontrast spricht, also zwei an sich widersprüchliche Begriffe in einem zusammenfasst und damit dem gerecht wird, was linear nicht denkbar ist: kreatives Gestalten. Und wenn alle Kontraste und Winkelharmonien angewendet wurden, so ist dies für Liedl harmonisch und die Methode des maximalen Kontrastes wurde verfolgt. Freilich klingt dies nun leichter als es ist, denn handelt es sich um mehr als zwei Farben, bleibt die Frage der Verteilung dennoch offen. Für dieses Problem wurden folgende Orientierungshilfen formuliert: 1. mindestens zwei der Flächen sollen einen Hell-Dunkel-Kontrast haben, alle drei, vier, fünf etc. Flächen sollen miteinander eine Winkelharmonie bilden 2. mindestens zwei der Flächen sollen einen Bunt-Unbunt-Kontrast bilden 3. mindestens zwei der Flächen sollen einen Mengenkontrast bilden. Siehe Bildbeispiel 3 unter Farbe auf http://www.kamaga.com/design 153 154 DESIGN AN SICH Welcher Zugang einer DesignerIn auch immer entgegen kommen mag, sich eher an Farbassoziationen zu orientieren oder eher an Farbharmonien, was sich durchaus in manchen Fällen widersprechen kann, ist es die Entscheidung der DesignerIn selbst. Auch hier wird die eigene Individualität in der Priorisierung von Vorgangsweisen entscheiden. Primär kann mit einer durchdachten Mengenverteilung eine wirkungsvolle Mischung erzielt werden. Farben und Farbzusammensetzungen, Farbkombinationen bewerten Information. Gradierungen RezipientInnen. von Abstufungen Farben einer ermöglichen Farbe lassen Orientierung für Nachrangigkeit und Trennung von Inhalten gleichermaßen und in Einem perzipieren. Der Informationswert einer Site entsteht nicht zuletzt durch gezielten Einsatz von Farben und deren gezielten Graduierungen. Dies bedeutet für DesignerInnen, dass Farben immer auch bezüglich der Information, die sie bereitstellen, bedacht werden. Worüber informiert welche Farbe, worüber informiert welche Abstufung? Sukzession oder Wechsel? Sind verwendete Farben entsprechend abgestuft und geplant zum Einsatz gebracht, bauen sie Information gezielt auf und erleichtern dadurch die Erfassbarkeit der Details. Zur webgerechten Veranschaulichung des Kapitels Farbe ist aufgrund der CMY-RGB-Differenz das Format Buch ungeeignet. Aus demselben Grund heraus wurde das vorliegende Buch ausschließlich Schwarz-Weiß gehalten. Nähere und webgerechte Beispiele finden sich daher ausschließlich unter: http://www.kamaga.com/design