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05.15 24. Jahrgang Oktober 2015 ISSN 0942-3818 20565 www.ALTLASTENdigital.de s p e k t ru m Herausgegeben vom Ingenieurtechnischen Verband für Altlastenmanagement und Flächenrecycling e. V. (I TVA) Inhalt Organ des ITVA V VA Lizenziert für Frau Dr. Kathrin R. Schmidt. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. B. Hendricks Alte Lasten angehen – Neue nicht vererben H.-P. Lühr So fing alles an! Ein Rückblick anlässlich des 25. Jahrestages des ITVA S. Gaza, K. R. Schmidt, M. Friedrich, H. Hansel, A. Tiehm Ein neuer aerober biologischer Abbauweg für Trichlorethen: TCE als Wachstumssubstrat © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2015 - (http://www.altlastendigital.de) 16.10.2015 - 09:21 587013053879 U. Dau, U. Borchert Realitätsnahe Abschätzung der Mobilität leichtflüchtiger Stoffe in Böden – Neues Untersuchungsverfahren kann die etablierten Verfahren sinnvoll ergänzen Kampfmittel – das unterschätzte Risiko Positionen des ITVA zur Kampfmittelerkundung und -räumung im Rahmen des Flächenrecyclings und der Altlastenbearbeitung C. Helling Grundwasser-Experten konferieren in Dresden über die Zustandsverbesserung von Gewässern Lizenziert für Frau Dr. Kathrin R. Schmidt. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Ein neuer aerober biologischer Abbauweg für Trichlorethen: TCE als Wachstumssubstrat. Ein neuer aerober biologischer Abbauweg für Trichlorethen: TCE als Wachstumssubstrat Sarah Gaza, Kathrin R. Schmidt, Markus Friedrich, Holger Hansel, Andreas Tiehm © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2015 - (http://www.altlastendigital.de) 16.10.2015 - 09:21 587013053879 Einleitung Unsachgemäßer Umgang und Entsorgung von industriellem Abfall in der Vergangenheit verursachten erhebliche Verunreinigungen von Boden und Grundwasser. Zu den weltweit am weitesten verbreiteten Umweltschadstoffen zählen die leichtflüchtigen chlorierten Kohlenwasserstoffe (LCKW), zu denen auch die Chlorethene gehören [23]. Die zur Sanierung von LCKW-Schäden vielfach eingesetzte Pump and TreatTechnologie mit technischer Aufbereitung (Strippen, Aktivkohle u. a.) ist kostenintensiv und durch häufig eintretende tailing-Effekte außerdem zeitintensiv [14, 21]. Biologische Verfahren können hier Abhilfe schaffen [8]. Als biologisches LCKW-Sanierungsverfahren wird derzeit in der Altlastenbearbeitung häufig die anaerobreduktive Dechlorierung angewandt, die mit einem hohen Bedarf an Auxiliarsubstraten (z. B. Melasse) einhergeht [7, 23]. Zudem kann es zur Akkumulation toxischer Metabolite sowie zu Begleitreaktionen wie der Bildung von Methan und Schwefelwasserstoff kommen [12, 23]. Die Entwicklung neuer Verfahren zur kostengünstigen und umweltverträglichen vollständi- gen Eliminierung von LCKW aus der Umwelt ist daher von großem Interesse für die Sanierungspraxis. Der aerob-produktive Abbau der niedrig-chlorierten Chlorethene cis-Dichlorethen (cDCE) und Vinylchlorid (VC) erlangte in den letzten Jahren immer mehr Bekanntheit und bietet sich vor allem für die anaerob-aerob-sequenzielle Sanierung der höher-chlorierten Ausgangssubstanzen Perchlorethen (PCE) und Trichlorethen (TCE) an [11, 19, 23]. Zu den Vorteilen der aerob-produktiven Umsetzung gehört, dass i) kein Auxiliarsubstrat benötigt wird, ii) der gesamte vorhandene Sauerstoff für die Chlorethen-Umsetzung zur Verfügung steht, sowie iii) keine stabilen toxischen Metabolite gebildet werden. 1. Mikrobieller Abbau von Chlorethenen Ein kompakter Überblick zum derzeitigen Stand des Wissens zum bakteriellen Abbau von Chlorethenen ist in Abbildung 1 gegeben [4, 24]. Auf der linken Seite ist die anaerob-reduktive Dechlorierung dargestellt. Bei der reduktiven Dechlorierung via Halorespiration dienen Wasserstoff oder Acetat als Elektronen-Dono- Abbildung 1: Anaerober (links) und aerober (rechts) mikrobieller Abbau von Chlorethenen. 174 altlasten spektrum 5/2015 Lizenziert für Frau Dr. Kathrin R. Schmidt. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. .Ein Ein neuer aerober biologischer Abbauweg für Trichlorethen: TCE als Wachstumssubstrat © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2015 - (http://www.altlastendigital.de) 16.10.2015 - 09:21 587013053879 Abbildung 2: Aerob co-metabolischer (links) und anaerob-produktiver (rechts) mikrobieller Abbau von Chlorethenen. ren, die in der Regel aus der Fermentation komplexerer organischer Auxiliarsubstrate stammen. Der reduktive Abbau geht von PCE und/ oder TCE über die Zwischenprodukte cDCE und VC im Idealfall bis zum dehalogenierten Endprodukt Ethen. Häufig kommt es allerdings zur Akkumulation der giftigen bzw. krebserregenden Metabolite cDCE und VC [11]. Abbildung 1 zeigt des Weiteren rechts den aerob-oxidativen Abbau, bei dem die Chlorethene vollständig mineralisiert werden, d. h. es werden keine stabilen Metabolite gebildet und als Endprodukte entstehen Kohlenstoffdioxid, Chlorid und Wasser. Der aerob-oxidative Abbau kann co-metabolisch ablaufen, wobei ein Auxiliarsubstrat benötigt wird ((Abbildung 2, links): Das Auxiliarsubstrat induziert Enzyme (Biokatalysatoren), welche die Chlorethene unspezifisch mit oxidieren. Dabei wird deutlich mehr Auxiliarsubstrat als Schadstoff umgesetzt, woraus ein hoher Sauerstoffbedarf resultiert (siehe auch Abbildung 8). Der aerob-oxidative Abbau kann auch produktiv (= metabolisch) erfolgen ((Abbildung 2, rechts): Dabei dient das Chlorethen als Wachstumssubstrat und Elektronen-Donor sowie Sauerstoff als Elektronen-Akzeptor. Bereits in den 1980er-Jahren gab es erste Berichte zum aerob-produktiven Abbau von VC [10, 16]. Über Kulturen, die in der Lage sind, cDCE als alleinige Kohlenstoff- und Energiequelle zu nutzen, wurde in den letzten Jahren vermehrt berichtet [6, 16, 17]. Zur produktiven Umsetzung von höher chlorierten Ethenen fanden sich allerdings lange Zeit keine stichhaltigen Hinweise in der Literatur. Am TZW wurde dann 2014 erstmals der produktive Abbau von TCE als alleinige Kohlenstoff- und Energiequelle in Langzeitversuchen beschrieben [18]. Dieser Abbauprozess ist als mögliches biologisches Sanierungsverfahren besonders für TCE-kontaminierte altlasten spektrum 5/2015 Standorte mit geringer Konzentration an biologisch verfügbarem Kohlenstoff und damit einhergehendem geringen Potenzial für anaerob-reduktive oder aerobe co-metabolische Prozesse von hohem praktischem Interesse. 2. Standortbeschreibung Das Grundwasser, das in der hier vorgestellten Studie untersucht wurde, stammte vom Standort B 109 Sindelfingen im Landkreis Böblingen [9, 18]. Der Beispielstandort befindet sich im Bereich von großflächigen Industrieanlagen und wird von einer Bahnlinie sowie einer Straße durchzogen (Abbildung 3). Der Geländeuntergrund setzt sich aus Schluff- und Mergelgesteinen des Gipskeupers zusammen. Es sind mehrere grundwasserführende Horizonte ausgebildet, die durch verschiedene Grundwassermessstellen und Sanierungsbrunnen erschlossen werden. Der Grundwasserdruckspiegel liegt zwischen 4 und 7 m unter Flur. Der Grundwasserschaden wurde 1980 im Zuge von Baugrundbohrungen aufgefunden. Anschließend wurde das Gebiet gemäß der in Baden-Württemberg üblichen Vorgehensweise in mehreren Stufen sukzessive weiter erkundet. Dabei wurden bereichsweise Schadstoffkonzentrationen von mehr als 100 mg/L festgestellt. Hauptkontaminant ist meist TCE, wobei auch das aus der anaerob-reduktiven Dechlorierung resultierende cDCE in relativ hohen Konzentrationen auftritt. VC wird in niedrigen Konzentrationen gemessen. Die Kontamination ist auf die gesättigte Bodenzone beschränkt. Die eigentliche Schadensursache konnte trotz umfangreicher Erkundungsmaßnahmen wie z. B. mehrere eingehende historische Recherchen sowie der Nutzung innovativer Erkundungstechniken (Mem175 Lizenziert für Frau Dr. Kathrin R. Schmidt. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Ein neuer aerober biologischer Abbauweg für Trichlorethen: TCE als Wachstumssubstrat. © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2015 - (http://www.altlastendigital.de) 16.10.2015 - 09:21 587013053879 Abbildung 3: Chlorethen-Summenkonzentrationen (2014) am Standort B 109 Sindelfingen. brane Interphase Probe (MIP)-Sondierungen, forensische Methoden, Isotopengehaltsbestimmungen) bislang nicht ausfindig gemacht werden. Zur Gefahrenabwehr wird seit 1990 eine Grundwasserreinigungsanlage (Pump and Treat) zunächst am namensgebenden Pegel B 109 betrieben. Nach und nach mussten aufgrund der Erkundungsergebnisse weitere Grundwassermessstellen im Umfeld an die Sanierung angeschlossen werden, wobei auch tiefere grundwasserführende Horizonte einbezogen wurden. Teilweise wurden 4 Sanierungsbrunnen betrieben, aus denen stündlich bis zu 4,5 m3 Grundwasser entnommen werden können. Seit Beginn der Sanierungsaktivitäten wurden dadurch ca. 3 t Lösemittel aus dem Untergrund entfernt. Derzeit erfolgt die Behandlung des Grundwassers durch Strippen mit Luft, die über einen Luft-Aktivkohlefilter gereinigt wird. Im Anschluss daran wird das Grundwasser über einen Wasser-Aktivkohlefilter gereinigt. Aufgrund der hohen Kosten und der zu er176 wartenden Tailing-Effekte der Pump and Treat-Maßnahme wird am Beispielstandort nach Möglichkeiten zur Optimierung der Sanierungsstrategie gesucht. Dabei kann der biologische Abbau eine nachhaltige und kostengünstige Option darstellen [8]. 3. Untersuchungsmethoden 3.1 Abbauversuche in Grundwasser-Mikrokosmen Mikrokosmen sind in sich geschlossene Systeme, in denen die Versuchsbedingungen den am Standort vorherrschenden Rahmenbedingungen standortgetreu nachempfunden, oder auch gezielt eingestellt werden können. Durch diese Untersuchung der Abbauprozesse mit Standortmaterialien in kleinem Maßstab kann auf die Verhältnisse am Standort rückgeschlossen werden (Abbildung 4) [3, 20]. Während eines Abbauversuchs werden die ablaufenden biologischen sowie hydrochemischen Prozesse gezielt analysiert. altlasten spektrum 5/2015 Lizenziert für Frau Dr. Kathrin R. Schmidt. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. .Ein Ein neuer aerober biologischer Abbauweg für Trichlorethen: TCE als Wachstumssubstrat Die Auswertung erfolgt anhand von Messungen der Leuchtintensität vor Probenkontakt und nach 30 Minuten Kontaktzeit. Toxische Substanzen führen zu einer Abnahme der Leuchtintensität. Der Test wurde nach EN ISO 1134-3 (1998) durchgeführt. Abbildung 4: Befüllung von Mikrokosmen bei der GrundwasserProbennahme. Bildquelle: [9]. © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2015 - (http://www.altlastendigital.de) 16.10.2015 - 09:21 587013053879 Die Abbauversuche wurden in 2 L-Schottflaschen durchgeführt, die für die Grundwasser-Probenahme mit einem Waschflaschenaufsatz versehen und im Autoklaven sterilisiert wurden. Die Flaschen wurden nach dem Befüllen luftdicht verschlossen; im Labor erfolgten der Austausch des Deckels und das Einstellen der aeroben Versuchsbedingungen. Hierzu gehörten das Zuführen von Luftsauerstoff und gegebenenfalls die gezielte Dosierung von anorganischen Nährstoffen (Phosphat, Nitrat und Spurenelemente), ein Aufdotieren mit TCE sofern die Feldkonzentrationen < 0,3 mg/L lagen sowie das Vergiften der Sterilkontrollen [9, 18]. Eine kleine zusätzliche Öffnung mit Schraubdeckel und Septum (Abbildung 4) erlaubte die Beprobung der Mikrokosmen mit einer sterilen Edelstahlkanüle und Glasspritzen. Nach der Beprobung wurde der Deckel mit Septum gegen einen neuen sterilen Deckel getauscht. Auf diese Weise ließ sich eine Verflüchtigung der Chlorethene weitestgehend vermeiden. Zur Analyse der Abbauvorgänge wurden folgende Parameter gemessen: Chlorethene (Gaschromatographie mit Flammenionisationsdetektor und Elektroneneinfangdetektor), Chlorid (Ionenchromatographie), pH-Wert und Sauerstoff. 3.2 Abbauversuche in Mineralmedium Um den Abbau unter definierten Bedingungen zu untersuchen, wurden die abbauaktiven Organismen aus dem Grundwasser in einem Mineralmedium angereichert [9, 18]. Dieses Medium wurde mit Reinstwasser ohne Zusatz von EDTA, Vitaminen und Ammonium hergestellt, um mögliche Auxiliarsubstrate für einen co-metabolischen TCE-Abbau auszuschließen. Des Weiteren handelte es sich um ein Chlorid-freies Medium, um die Bilanzierung des beim Abbau freigesetzten Chlorids zu ermöglichen. Beprobung und Analysen erfolgten analog zu den Grundwasser-Mikrokosmen. 3.3 Leuchtbakterienhemmtest Neben der chemischen Analytik wurden Leuchtbakterienhemmtests durchgeführt, um anhand eines biologischen Wirktests feststellen zu können, ob beim Abbau von TCE toxische Metabolite entstehen. Bei dem Test wird das Modellbakterium Vibrio fischeri mit der zu untersuchenden Probe in Kontakt gebracht. altlasten spektrum 5/2015 4. Ergebnisse 4.1 Orientierende Grundwasser-Untersuchungen Das anaerobe Abbaupotenzial wurde mit PCR-Untersuchungen (polymerase chain reaction) ermittelt [20]. An einzelnen Messstellen wurden Bakterien der Gattung Dehalococcoides und somit ein Potenzial für vollständige anaerob-reduktive Dechlorierung bis zum Ethen nachgewiesen (Daten nicht gezeigt). Zur Bestimmung des aeroben Abbaupotenzials wurden orientierende Abbauversuche in Grundwasser- Abbildung 5: TCE-Abbau in aeroben Grundwasser-Mikrokosmen von 2007 mit der Zugabe von cDCE (zwei Parallelansätze cDCE und cDCE 2), cDCE + Ethen bzw. cDCE + Methan. Daten teilweise aus [18]. Mikrokosmen von der Messstelle B 819 durchgeführt. Ausgehend vom zu Versuchsbeginn aktuellen Stand des Wissens (siehe Abbildung 1) bezüglich des aeroben Abbaus von Chlorethenen wurde dabei primär auf das Abbaupotenzial für cDCE abgezielt und cDCE in die Mikrokosmen aufdotiert. Des Weiteren wurden die potenziellen Auxiliarsubstrate Methan und Ethen dosiert, um einen gegebenenfalls relevanten co-metabolischen Abbau zu stimulieren. Aufgrund des erhöhten TCE-Gehaltes des verwendeten Grundwassers ( Tabelle 1) wurden im Versuchsverlauf auch die TCE-Konzentrationen gemessen. In allen Ansätzen (mit Ausnahme der Sterilkontrolle) wurde ein Rückgang sowohl von cDCE und VC [18] als auch von TCE (Abbildung 5) beobachtet. Dabei war auffallend, dass in Ansätzen mit den potenziellen Auxiliarsubstraten Ethen und Methan der Rückgang von TCE deutlich verlangsamt war (Abbildung 5). Mit diesen Versuchen wurde gezeigt, dass die am Standort natürlicherweise vorkommende Mikroflora 177 Lizenziert für Frau Dr. Kathrin R. Schmidt. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Ein neuer aerober biologischer Abbauweg für Trichlorethen: TCE als Wachstumssubstrat. Messstelle – Jahr Parameter vor Ort Sauerstoff (mg/L) B 819 – 2007 Ammonium (mg/L) < 0,01 0,14 0,6 2,5 DOC (mg/L) 2,8 B 805 – 2010 < 0,5 < 0,5 0,07 < 0,01 < 0,1 Ethan (mg/L) < 0,005 < 0,1 < 0,1 Ethen (mg/L) < 0,005 < 0,1 < 0,1 PCE (mg/L) < 0,005 < 0,005 < 0,005 TCE (mg/L) 1,4 0,18 7,8 cDCE (mg/L) 0,15 0,18 1,1 < 0,005 4.2 Grundwasser-Screening Nachdem im Jahr 2007 aerober TCE-Abbau in Grundwasser-Mikrokosmen von der Messstelle B 819 des Beispielstandortes beobachtet wurde, wurde in 2010 im Rahmen eines Grundwasser-Screenings untersucht, ob dieser Abbau im Grundwasser des Standortes flächendeckend auftritt [9]. Hierzu wurden acht Grundwassermessstellen in unterschiedlicher Lage sowie mit verschiedenen Chlorethenkonzentrationen und -zusammensetzungen beprobt (siehe Tabelle 1 für ausgewählte Ergebnisse). Je Grundwasser wurden mindestens die folgenden drei Versuchsansätze durchgeführt: 1) Grundwasser aufdotiert mit TCE falls Gehalte < 0,3 mg/L; 2) Grundwasser mit anorganischen Nährstoffen und aufdotiert mit TCE falls Gehalte < 0,3 mg/L [18]; 3) Sterilkontrolle. Dabei wurde ein aerober TCE-Abbau mit Grundwasser aus sieben der acht untersuchten Messstellen festgestellt. Die Analyse der Chloridbildung belegte eine stöchiometrische Chloridfreisetzung und somit eine vollständige Mineralisierung von TCE [9, 18]. Bei drei Messstellen war die Dosierung von anorganischen Nährstoffen für den TCE-Abbau essentiell. 178 0,13 < 0,25 über die Fähigkeit zum aeroben Abbau von Chlorethenen verfügt. Allerdings war damit noch nicht geklärt, ob der beobachtete Abbau co-metabolisch oder produktiv abläuft. Es war vor allem für TCE interessant zu wissen, ob der bereits bekannte co-metabolische oder ein bis dato nicht beschriebener Abbauprozess vorliegt. Ein produktiver Abbau wurde vermutet, da am Standort kein bekanntes Auxiliarsubstrat des cometabolischen Abbaus nachgewiesen wurde, sowie der DOC-Wert (dissolved organic carbon) als Maß für unspezifische organische Substrate sehr gering war ( Tabelle 1). Hinzu kam, dass die potenziellen Auxiliarsubstrate Ethen und Methan den TCE-Abbau im Labor inhibierten anstatt ihn zu stimulieren (Abbildung 5). Ein aerob-produktiver Abbau von TCE könnte am Beispielstandort, an dem PCE nur eine untergeordnete Rolle spielt, eine direkte Stimulierung des aeroben Chlorethen-Abbaus im Feld in Rahmen einer ENAMaßnahme (enhanced natural attenuation) ermöglichen. Tabelle 1: Grundwasser-Analytik ausgewählter Messstellen (DOC = dissolved organic carbon). 1,5 Methan (mg/L) VC (mg/L) © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2015 - (http://www.altlastendigital.de) 16.10.2015 - 09:21 587013053879 B 809A – 2010 < 0,25 Mit Grundwasser der Messstelle B 809A ((Abbildung 6, unten) war im Ansatz ohne Dosierung anorganischer Nährstoffe kein Rückgang der TCE-Konzentration zu erkennen. Im Mikrokosmos mit Dosierung anorganischer Nährstoffe wurde hingegen ein wiederholter Rückgang der TCE-Konzentration gemessen. Mit Grundwasser aus Messstelle B 805 ((Abbildung 6, oben) wurde nach einer anfänglichen Adaptionsphase TCE sowohl im Ansatz ohne, als auch im Ansatz mit Dosierung anorganischer Nährstoffe wiederholt abgebaut. In den zwei hier exemplarisch gezeigten Grundwässern (Abbildung 6) wurde ein langzeitstabiler und reproduzierter TCE-Abbau von bis zu acht TCE-Dosie- Abbildung 6: TCE-Abbau in aeroben Grundwasser-Mikrokosmen von 2010. altlasten spektrum 5/2015 Lizenziert für Frau Dr. Kathrin R. Schmidt. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. .Ein Ein neuer aerober biologischer Abbauweg für Trichlorethen: TCE als Wachstumssubstrat weise war ein Teil des TCEs durch die Sorption an der Aktivkohle nicht mehr bioverfügbar. Nach der Nachdosierung von ca. 76 µM TCE an Versuchstag 288 wurden weitere ca. 230 µM Chlorid gebildet. Die nach der Nachdosierung gemessene Chloridbildung war demnach stöchiometrisch und zeigte die vollständige Mineralisierung der TCE-Nachdosierung, d. h. einen Abbau ohne Metabolitenbildung. Der Abbau von TCE mit Proben aus der Wasser-Aktivkohle belegte, dass biologische Abbauprozesse auf der Aktivkohle aktiv sind und zur Regeneration der Kohle und somit zu verlängerten Standzeiten beitragen können [1, 13, 22]. © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2015 - (http://www.altlastendigital.de) 16.10.2015 - 09:21 587013053879 Abbildung 7: Chloridfreisetzung beim TCE-Abbau mit Wasser-Aktivkohleproben in Mineralmedium. rungen beobachtet. Auch nach ca. 1 Monat ohne TCEZugabe stellte sich ein erneuter Abbau ohne messbare Wartezeit ein. Die Langzeitstabilität des Abbaus ohne zusätzliches Substrat deutet wieder auf einen produktiven Umsatz des TCE hin. Beim co-metabolischen Abbau kommt es hingegen im Versuchsverlauf häufig zu einer Verringerung der Abbauraten bis hin zu einer Stagnation [2, 5]. Des Weiteren können sowohl der DOC als auch Ammonium ( Tabelle 1) in den vorliegenden Konzentrationen und über den erfassten Untersuchungszeitraum als Auxiliarsubstrate ausgeschlossen werden. Das Potenzial zum aerob-produktiven Abbau von TCE ist demnach am Beispielstandort weit verbreitet. Dass diese aeroben Abbauprozesse sich am Standort nicht stärker durch niedrige Chlorethen-Konzentrationen mitteilen, kann an den in situ eher anaeroben Milieubedingungen liegen ( Tabelle 1). Für eine ENA-Maßnahme ist somit eine Einbringung von Sauerstoff und gegebenenfalls von anorganischen Nährstoffen notwendig. Verschiedene Milieufaktoren – z. B. Temperatur, pH-Wert, Begleitkontaminanten etc. –, können den TCE-Abbau beeinflussen. Die Effekte dieser möglichen Einflussfaktoren sind Gegenstand weiterer Untersuchungen. 4.3 TCE-Abbau auf Aktivkohle aus der Sanierungsanlage Um beurteilen zu können, ob sich TCE-abbauende Mikroorganismen auf der Aktivkohle der Pump and TreatAnlage angesiedelt haben, wurden Aktivkohleproben aus verschiedenen Bereichen der Anlage entnommen und in Mineralmedium mit TCE überführt [9, 18]. Aufgrund der Sorption des TCEs an die Aktivkohle wurde hier der Abbau anhand der Chloridfreisetzung bewertet (Abbildung 7). Die TCE-Startkonzentration vor Zugabe der Aktivkohle lag bei ca. 24 mg/L (185 µM). Bis Versuchstag 286 wurden ca. 280 µM Chlorid gebildet, was nicht der insgesamt möglichen Chlorid-Menge beim Abbau von 185 µM TCE entspricht. Möglicher- altlasten spektrum 5/2015 4.4 TCE-Abbau in Mineralmedium Auch die Abbau-Untersuchungen in Mineralmedium und somit unter Ausschluss sämtlicher organischer Substrate zeigten über mehr als fünf Jahre stabilen aeroben TCE-Abbau [9, 18]. Die Auswertung von Chromatogrammen der gaschromatographischen Bestimmungen mittels Flammenionisationsdetektor und Elektroneneinfangdetektor ergab keine Hinweise auf die Bildung stabiler Metabolite beim TCE-Abbau. Bei der exemplarischen Untersuchung mit dem Leuchtbakterienhemmtest wurden außerdem keine toxischen Effekte detektiert. Daher Lizenziert für Frau Dr. Kathrin R. Schmidt. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Ein neuer aerober biologischer Abbauweg für Trichlorethen: TCE als Wachstumssubstrat. © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2015 - (http://www.altlastendigital.de) 16.10.2015 - 09:21 587013053879 Abbildung 8: Sauerstoff-Verbrauch beim co-metabolischen und produktiven Abbau von TCE. ist davon auszugehen, dass während des hier beschriebenen Abbauprozesses keine stabilen, toxischen Metabolite auftreten. Eine Bildung von Epoxiden und deren Zerfall entsprechend dem produktiven Abbau von VC bzw. cDCE stellt einen möglichen aeroben Abbauweg für TCE dar [16]. Der aerobe TCE-Abbau im Mineralmedium verlief ab einer in der Wasserphase gemessenen Sauerstoff-Konzentration von ca. 0,5 mg/L und wiederholt bis unter die Bestimmungsgrenze (5 µg/L) mit stöchiometrischer Chloridbildung. Biomasse-Wachstum, als Beweis für den produktiven Charakter des TCE-Abbaus, wurde anhand steigender DNA- und Protein-Gehalte nachgewiesen. Dank der signifikanten Kohlenstoff-Isotopenfraktionierung (ε = −11,4 ±0,4‰) steht außerdem eine geeignete Monitoring-Methode für Feldstandorte zur Verfügung [9, 15, 18]. 5. Ausblick auf derzeit laufende Untersuchungen In einem aktuell laufenden Forschungs- und Entwicklungsprojekt, das zusammen mit der Sensatec GmbH durchgeführt wird, wird die Stimulierung des aerobproduktiven TCE-Abbaus im Rahmen eines Pilotversuchs am Beispielstandort erprobt. Zur Ermittlung der optimalen Wachstumsbedingungen sowie zur Abgrenzung der für den aerob-produktiven Abbau geeigneten Milieubedingungen wird außerdem die TCE-Abbauleistung weiter charakterisiert. Durch diese Untersuchungen sollen vertiefte Erkenntnisse über den aeroben TCE-Abbau gewonnen werden, um die Entwicklung von effizienten Verfahren (ENA / MNA (monitored natural attenuation)) zur Sanierung von Boden- und Grundwasserschäden sowie zum begleitenden Monitoring (z. B. PCR) zu ermöglichen. 180 6. Anwendungspotenzial für die Praxis Durch die hier dargestellten Forschungsergebnisse wird der aerob-produktive Abbau nicht nur für VC und cDCE sondern auch für TCE bei der Altlastensanierung nutzbar. Dieser für TCE neu entdeckte aerobproduktive Abbauweg – wurde in Grundwasser von einem Beispielstandort wiederholt nachgewiesen – ist langzeitstabil und reproduzierbar – läuft ohne Bildung persistenter Metabolite ab (vollständige Mineralisierung, stöchiometrische Chlorid-Bildung) – benötigt keine Auxiliarsubstrate (im Gegensatz zum co-metabolischen Abbau) – verbraucht deutlich weniger Sauerstoff als der cometabolische Abbau (Abbildung 8) – ermöglicht bakterielles Wachstum (z. B. DNA als Biomasseparameter) – zeigt eine signifikante Kohlenstoff-Isotopenfraktionierung, so dass eine geeignete Monitoring-Methode für Feldstandorte zur Verfügung steht. Der aerob-produktive Abbau von TCE als alleiniger Kohlenstoff- und Energiequelle eröffnet somit vollkommen neue Möglichkeiten für die biologische Standortsanierung. Auf anaerobe Abbauschritte kann komplett verzichtet werden und der gesamte zur Verfügung stehende bzw. dosierte Sauerstoff wird für die mikrobielle Elimination von TCE genutzt. 7. Danksagung Gefördert durch: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Die Autoren danken dem BMWi und der AiF für die finanzielle Förderung (Fördernummer 16224 N). Wir danken außerdem den Proaltlasten spektrum 5/2015 Lizenziert für Frau Dr. Kathrin R. Schmidt. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. .Ein Ein neuer aerober biologischer Abbauweg für Trichlorethen: TCE als Wachstumssubstrat jektpartnern T. Schwartz und T. Teutenberg (Karlsruher Institut für Technologie, KIT) sowie den weiteren Projektbeteiligten M. Deusch (Büro für Geologie und Umweltfragen) und M. Heidinger, A. Voropaev, S. Ertl (Hydroisotop GmbH) für die gute Zusammenarbeit. Des Weiteren danken wir allen Teilnehmenden am Projektbegleitenden Ausschuss für die angeregte Diskussion der Projektergebnisse. 8. Literatur [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] © Copyright Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. 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