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Berichte aus der Pharmazie
Kai Kreutzmann
Radioligand binding studies
on muscarinic receptor subtypes:
Structure-affinity-relationships of new muscarinic antagonists
related to McN-A-343, glycopyrronium bromide, trihexyphenidyl
and cycrimine as well as diphenhydramine with regard to
stereochemical aspects and receptor-ligand-kinetics
Shaker Verlag
Aachen 2006
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Zugl.: Frankfurt am Main, Univ., Diss., 2006
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Printed in Germany.
ISBN-10: 3-8322-5189-8
ISBN-13: 978-3-8322-5189-5
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Zusammenfassung
Radioligand binding studies on muscarinic receptor subtypes: Structure-affinityrelationships of new muscarinic antagonists related to McN-A-343, glycopyrronium bromide,
trihexyphenidyl and cycrimine as well as diphenhydramine with regard to stereochemical aspects and receptor-ligand-kinetics
(Kai Kreutzmann)
Muskarinrezeptoren gehören zur Familie der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren und vermitteln – neben den
ionotropen Nikotinrezeptoren – einen Teil der Acetylcholinwirkung im zentralen und peripheren Nervensystem..
In immunologischen und molekularbiologischen Studien konnten fünf verschiedene Gene, die für Muskarinrezeptoren kodieren, und auch deren Genprodukte (M1-M5) nachgewiesen werden. Nach wie vor besteht ein großer
Bedarf an hochaffinen, subtypselektiven Muskarinrezeptor-Liganden (Agonisten und Antagonisten). Diese werden wertvolle Werkzeuge für die pharmakologische Forschung darstellen und würden darüber hinaus eine nebenwirkungsärmere Arzneimitteltherapie ermöglichen und eine Basis für neue diagnostische und therapeutische
Möglichkeiten bieten. Ein neuerer Ansatz in diesem Zusammenhang ist, neben der Affinität der Liganden auch
deren Verweildauer am Rezeptor zu berücksichtigen. Da der Zerfall des Rezeptor-Ligand-Komplexes bei den
verschiedenen Subtypen unterschiedlich lange dauern kann, bietet sich hier die Möglichkeit, selektive Wirkungen zu erzielen, ohne dass eine größere affinitätsbasierte Selektivität vorhanden ist.
Eine erfolgversprechende Strategie zur Entwicklung selektiver Liganden liegt in der systematischen strukturellen
Veränderung bekannter Leitverbindungen und deren Interpretation. Ziel dieser Arbeit war es, Substanzen aus
strukturell verschiedenen Gruppen zu untersuchen, um Struktur-Wirkungs-Beziehungen abzuleiten, die zur Entwicklung neuer subtypselektiver bzw. kinetisch selektiver Liganden führen könnten. Die Affinitäten und (zum
Teil) die kinetischen Eigenschaften der Substanzen wurden in Radioligandbindungsstudien an Membranpräparationen von fünf CHO-K1-Zellinien ermittelt, die das jeweilige humane Muskarinrezeptor-Protein (M1-M5) stabil
exprimierten. Als Radioligand diente [3H]N-Methylscopolamin ([3H]NMS).
McN-A-343-Analoga. McN-A-343 ist ein funktionell M1-selektiver muskarinischer Agonist, der seit langem als
Leitstruktur für die Synthese ZNS-gängiger selektiver Muskarinrezeptor-Liganden dient. Durch 4-FluorSubstitution, Phenylsubstitution am C-1 der Butinylkette und Einbindung des Stickstoffs in einen PyrrolidinoRing erhielt man mit (S)-4-F-PhePyMcN den ersten mit McN-A-343 verwandten, hoch affinen, jedoch nicht
selektiven, Muskarinrezeptor-Antagonisten.
In der vorliegenden Arbeit wurde eine Reihe verwandter Substanzen mit C-1-substituierter Butinylkette, Veränderungen am endständigen Phenylrest sowie Variationen im Aminorest untersucht. Angelehnt an die Methylimidazolverbindungen 46-50 wurde auch in dieser Substanzgruppe ein Methylimidazolderivat, das als Analogon
von 4-Cl-McN aufgefasst werden kann, synthetisiert und getestet, mit dem Ziel, M3-Selektivität zu generieren.
Während durch die p-F-Substitution in EtPyMcN (→ 1) und EtPyMcN+ (→ 2) eine bis zu 33-fache Steigerung
der Affinität an allen fünf Muskarinrezeptor-Subtypen erreicht werden konnte, führten die übrigen Strukturvariationen zu Affinitätsverlusten im Vergleich zu den entsprechenden Leitstrukturen. Selektivität wurde durch
diese Variationen nicht erreicht.
Glycopyrronium-Stereoisomere und Derivate. Glycopyrroniumbromid ist ein quartärer, unselektiver, hochaffiner Muskarinrezeptor-Antagonist, der nur langsam von M3- und M1-Rezeptoren dissoziiert. Da es zwei Chiralitätszentren besitzt, existieren vier Stereoisomere, die sich hinsichtlich ihrer Affinitäten und Dissoziationskinetiken an den Muskarinrezeptor-Subtypen unterscheiden. Ziel dieser Arbeit war es, zunächst die Affinitäten der
vier Stereoisomere und ihrer tertiären Analoga (17-24) zu bestimmen und die Vermutung zu prüfen, dass besonders die Eutomere der beiden Enantiomerenpaare langsam vom M3-Rezeptor dissoziieren („kinetische M3Selektivität). Außerdem wurde eine Reihe von Derivaten mit systematisch veränderten Säure- und Alkoholkomponenten des Esters synthetisiert, deren Affinitäten und kinetischen Eigenschaften (an M2- und M3-Subtypen)
untersucht wurden.
Für die eutomeren Glycopyrronium-Stereoisomere (17, 19) wurden subnanomolare Affinitäten an allen fünf
Muskarinrezeptor-Subtypen gemessen. Die Stereoselektivitätsquotienten reichten bis 105 (RR/SS) bzw. 74
(SR/RS). Das (3R,2’R)-konfigurierte Stereoisomer (17) zeigte die längste Halbwertszeit an M3-Rezeptoren
(131,3 min) und die höchste kinetische M3/M2-Selektivität (Faktor 7,5).
Hinsichtlich der langsameren Dissoziationskinetik am M3-Rezeptor war insbesondere die Einführung des NMethylchinuclidinyl-Restes als Aminokomponente erfolgreich (33, 34, 35), da hiermit Dissoziationshalbwertszeiten zwischen 166,0 und 364,0 min erreicht werden konnten. Die höchste kinetische Selektivität wurde bei den
Derivaten 33 und 35 gefunden. Alle Derivate zeigen hohe Affinitäten an den fünf Muskarinrezeptor-Subtypen
und sind bezüglich der Affinität weitgehend unselektiv. Neben den o.a. Verbesserungen der Eigenschaften von
Glycopyrroniumbromid sind die Derivate mit 2’,2’-Dithienyl-Substitution interessant, da diese dem Tiotropium-
bromid strukturell sehr nahe stehen (28, 32, 36). Der Verlust an Affinität und die Abnahme der Dissoziationshalbwertszeit ist auffallend.
Strukturverwandte von THP und HHD. Einige THP und HHD strukturell ähnliche Verbindungen wurden auf
ihre antimuskarinische Aktivität untersucht. Folgende Aspekte sollten dabei besonders beachtet werden: Einflüsse der Fluorsubstitution in den Phenylresten, der Variation der basischen Gruppe, des C/Si/Ge-Austauschs, der
N-Methylierung, des OH/CH2OH-Austauschs und des Phenyl/Cyclopentyl- bzw. Cyclohexyl-Austauschs sowie
Stereo-Struktur-Wirkungs-Beziehungen.
Hydroxymethyl-Derivate mit Verwandtschaft zu THP: Die Eutomere der chiralen Verbindungen und die
achiralen Substanzen ((R)-37, (R)-37+, 38, 38+, 39, 39+) zeigten ähnliche Selektivitätsprofile mit den höchsten
Affinitäten zu M1- und den niedrigsten zu M2-Rezeptoren. Im Vergleich zum homologen p-F-THP und dessen
quartärem Analogon kam es bei den eutomeren (R)-Stereoisomeren zu einem signifikanten Affinitätsverlust,
während die Affinitäten der Distomere weitgehend unverändert blieben. Ein ähnlicher Effekt war durch Einführung von p-F-Substituenten zu beobachten. Die Reihenfolge der Affinitäten in diesem Satz von Verbindungen ist
nicht mit dem Vier-Bindungsstellen-Modell zu vereinbaren und bildet insoweit eine Ausnahme im Vergleich mit
anderen verwandten Strukturtypen.
Hydroxymethyl-Derivate mit Verwandtschaft zu Cycrimin: Während die Selektivitätsprofile dieser Substanzgruppe (40 – 42) denen der vorhergehenden Verbindungen ähneln, bilden sie hinsichtlich der Stereoselektivität und ihrer Stellung im „Vier-Bindungsstellen-Modell“ eine Ausnahme, die sich in diesem Fall jedoch mit
dem Modell beschreiben lässt. Erstens stellen die (R)-Enantiomere nicht an allen Rezeptor-Subtypen die Eutomere dar, zweitens findet man die höchsten Affinitäten bei den achiralen, Dicyclopentyl-substituierten Verbindungen und nicht bei den (R)-Enantiomeren. Offensichtlich werden die Bindungseigenschaften des aromatischen
Restes an der „Phenyl-Bindungsstelle“ durch die p-Fluor-Substitution so negativ beeinflusst, dass der Cyclopentyl-Ring hier besser bindet als der p-Fluophenyl-Rest. So lassen sich die außergewöhnlichen Bindungseigenschaften dieser Gruppe von Verbindungen doch mit Hilfe des Vier-Bindungsstellen-Modells beschreiben.
Der Austausch des zentralen Kohlenstoffatoms durch Silizium beeinflusste die Affinitäten zu den Muskarinrezeptor-Subtypen in ähnlich geringem Ausmaß. Die beiden Verbindungen mit Germanium anstelle des zentralen
Kohlenstoffs (42Ge, 42Ge+) unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Affinitäten praktisch nicht von den analogen
Silicium-Verbindungen (42Si, 42Si+). Dies unterstreicht das bekannte hohe Ausmaß der Si/Ge-Bioisosterie. Die
N-Methylierung hatte im Allgemeinen eine Erhöhung der Affinität zur Folge, ohne dass sich die Selektivitätsquotienten wesentlich änderten.
Fenpipramid und Derivate: Fenpipramid (43) und Fenpiverinium (44) sind als funktionell hochpotente muskarinische Antagonisten bekannt, wobei Fenpipramid unselektiv ist, während für Fenpiverinium eine funktionelle
M1-Selektivität beschrieben wurde. In den vorliegenden Radioligand-Bindungsstudien präsentierten sich beide
Substanzen unselektiv mit Affinitäten im nanomolaren Bereich. Die hier untersuchten Derivate mit alicyclischen
Substituenten anstelle der Phenylringe zeigten stark verminderte Affinitäten.
Methylimidazol-Verbindungen: Das in der Literatur beschriebene KRP-197 (46) kann als MethylimidazolDerivat von Fenpipramid aufgefasst werden, das eine erhöhte M3/M2-Präferenz aufweist. Die aus der Literatur
bekannten funktionellen Daten wurden in der vorliegenden Studie bestätigt. In einem analogen Ansatz wurden
die Piperidino-Reste von HHD, HHSiD, p-F-HHD und p-F-HHSiD durch Methylimidazol-Reste ersetzt, mit dem
Ziel, auch hier eine erhöhte M3-Selektivität zu generieren. Dieses Ziel wurde in Form des MethylimidazolDerivates von HHSiD (48Si) erreicht, das mit KRP-197 vergleichbar hohe Affinitäten, gleichzeitig aber eine
verbesserte M3/M2-Präferenz besitzt (Faktor 18.2 vs. 11.5).
Von Diphenhydramin abgeleitete Verbindungen. Ether vom Diphenhydramin-Typ werden seit langem als H1Antihistaminika eingesetzt. Sie besitzen meist auch eine ausgeprägte antagonistische Wirkung an Muskarinrezeptoren, so dass sie als Leitstrukturen bei der Suche nach selektiven, hochaffinen Antimuskarinika dienen können. Einige der hier untersuchten Verbindungen sind lange bekannt (z.B. Benztropin (57), Nefopam (56)), dennoch war es interessant, sie im Zusammenhang mit den vorliegenden Strukturvarianten zu betrachten. Ausgehend von Diphenhydramin (51) wurden folgende Abwandlungsprodukte untersucht: o-substituierte Verbindungen, Derivate mit zyklischer Aminoalkyl-Seitenkette sowie Tropanol-Ether.
Bei den o-substituierten Verbindungen wurden funktionelle Daten bestätigt, die nahe legen, dass die oSubstitution zwar die Spezifität gegenüber H1-Rezeptoren verbessert, die Selektivität an Muskarinrezeptoren
jedoch nicht wesentlich beeinflusst. Ähnlich verhalten sich die Verbindungen, bei denen die AminoalkylSeitenkette in einen Piperidinyl-Rest eingebunden ist. Durch Einführung des Tropanolrestes entstehen Verbindungen mit Affinitäten im nanomolaren Bereich. Die Affinitäten des trizyklischen Deptropins (60) sind bis zu
1175-fach höher als die entsprechenden Werte für Diphenhydramin. Allerdings stieg auch hier nur die Affinität,
nicht aber die Selektivität an fünf Muskarinrezeptor-Subtypen.