Fürst Karl Christian von Nassau-Weilburg (1753
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Fürst Karl Christian von Nassau-Weilburg (1753
Fürst Karl Christian von Nassau-Weilburg (1753–1788) Zu seinem Leben und Wirken von Rudolf Müller ---Fürst Karl Christian von Nassau-Weilburg (1753–1788) Zu seinem Leben und Wirken „Rudis Homepage zur Stadt Weilburg an der Lahn“ http://www.weilburg-lahn.info © Rudolf Müller, 2010 ---- www.weilburg-lahn.info Seite 2 von 30 © R. Müller, 2010 Fürst Karl Christian von Nassau-Weilburg (1753–1788) Zu seinem Leben und Wirken Inhalt Erziehung Seite 4 Herrschaftsübernahme und Heirat ’’ 5 Ämter nach der Heirat, Verlegung des Hofes nach Nassau-Weilburg ’’ 7 Nassauischer Erbverein, Arrondierungsverträge und „Bolander Vertrag“ ’’ 8 Witwen- und Waisenkassen ’’ 11 Armenfürsorge ’’ 14 Förderung von Landwirtschaft und Gewerbe ’’ 17 Bildungspolitik ’’ 17 Bautätigkeit in Weilburg ’’ 21 Fürst Karl Christians Gemahlin ’’ 21 Fürst Karl Christians Wiederverheiratung ’’ 22 Fürst Karl Christians Tod ’’ 24 Schlussbemerkung ’’ 25 Literatur- und Quellenverzeichnis ’’ 26 Abbildungsnachweis ’’ 30 www.weilburg-lahn.info Seite 3 von 30 © R. Müller, 2010 Erziehung Karl (Carl) Christian wurde am 16. Januar 1735 in Weilburg geboren. Er war der einzige Sohn von Fürst Karl (Carl) August (1719-1753, Fürst seit 1737) und dessen Gemahlin Auguste Friederike Wilhelmine von Nassau-Idstein. Von den sechs zuvor geborenen Töchtern verstarben vier schon im frühen Kindesalter. Sein Vater, Fürst Karl August, war der Auffassung, dass die Erziehung eines Erbprinzen am väterlichen Hof nicht optimal verlaufen würde, da „sein Sohn durch die zärtliche Liebe seiner Anverwandten und die unausbleiblichen schädlichen Schmeicheleien der Bedienten und anderer Leute verzogen oder verdorben werden könnte“. Er suchte deshalb einen Erzieher seines Sohnes und fand diesen in dem, aus der französischen Schweiz stammenden, dänischen Oberst Karl de La Pottrie, in dessen Händen bereits die Erziehung des Erbgrafen von Lippe– Detmold gelegen hatte. Fürst Karl August übergab seinen Sohn im Alter von neun Jahren 1744 in die Obhut von de La Pottrie und unterstellte ihn dessen alleiniger Aufsicht. La Pottrie, der protestantisch-reformierten Bekenntnisses war, ging mit seinem Zögling nach Lausanne. Wohl sehr zufrieden mit der Entwicklung seines Sohnes unter de La Pottries Aufsicht übertrug Karl August bereits 1750 sein Oberrheinisches Regiment an Karl Christian. Für den Fall seines Todes, während der Minderjährigkeit des Erbprinzen, bestimmte er de La Pottrie zu dessen Vormund, neben der des Fürsten Karl von Nassau-Usingen, außerdem wurde er zum Regierungspräsidenten und Statthalter ernannt. Des weiteren sollte de La Pottrie bei der, in Karl Christians zwanzigstem Lebensjahr vorgesehenen, Rückkehr nach Weilburg eine Geldsumme ausgehändigt bekommen und als Geheimer Rat besoldet werden, dazu freie Kost und ein eigenes Haus erhalten. Abb. 1: Silbermedaille auf die Vermählung von Fürst Karl Christian mit Prinzessin Karoline von Nassau-Oranien Die vorausschauend getroffene Regelung der Vormundschaft und Statthalterschaft kam bereits 1753 zum Tragen, als Karl August am 9. November dieses Jahres verstarb. De La www.weilburg-lahn.info Seite 4 von 30 © R. Müller, 2010 Pottrie übernahm das Amt des Statthalters und Vormunds für den noch nicht achtzehnjährigen Karl Christian. Als vom Reichskammergericht Fürst Karl von Nassau-Usingen nicht nur als Ehrenvormund, sondern zum tatsächlichen Vormund bestimmt wurde, bemühte de La Pottrie sich bei Franz I. in Wien um die Erteilung der venia aetatis (Großjährigkeits-Erklärung) an Karl Christian. Der Kaiser entsprach im August 1754 diesem Begehren. Herrschaftsübernahme und Heirat So war Karl Christian noch nicht 20 Jahre alt, als er 1754 im Fürstentum Nassau-Weilburg die Herrschaft erlangte. Im militärischen Dienst des Oberrheinischen Kreises war er bereits 1748 zum Oberst und 1754 zum General-Feldwachtmeister ernannt worden. Im Dienst des pfälzischen Kurfürsten Karl Theodor erhielt er 1755 die Ernennung zum Oberst eines Infanterieregiments und wurde 1757 General-Feldwachtmeister. Was die Regierungsgeschäfte im Fürstentum betraf, so übertrug Fürst Karl Christian diese vollständig an de La Pottrie. Er selbst reiste 1755 nach Holland, um dort eine evtl. Brautwerbung einzuleiten. Regentin am Hof in Haag war Anna von Großbritannien, Irland und Hannover, Tochter König Georgs II. von England und Witwe des 1751 verstorbenen Fürsten von Nassau-Oranien und ersten Erbstatthalters der Niederlande, Wilhelm IV. Die Regentschaft hatte sie aus der Vormundschaft für den Sohn Wilhelm V. und die Tochter Karoline (Carolina) inne. Karoline war am 28. Februar 1743 in Leeuwarden geboren worden und die einzige Tochter. Sie war jung, reich und musikalisch sehr begabt, „in allem Betracht eine ansehnliche Partie für einen Deutschen Fürsten“. Es war wohl aber auch eine bei Karoline wie Karl Christian vorhandene gegenseitige Zuneigung, die ihn bewog, um ihre Hand anzuhalten. Der Zustimmung von Karolines Mutter durfte er wohl gewiss gewesen sein, als er 1756 eine Reise nach England unternahm, um auch von Prinzessin Karolines Großvater, König Georg II., das Einverständnis zur Heirat zu erhalten. Nach seiner Rückkehr aus England verblieb Fürst Karl Christian am niederländischen Hof, denn im gleichen Jahr begann der Siebenjährige Krieg und wahrscheinlich waren die Gründe für sein Bleiben sowohl privater Natur, wie auch politisch motiviert. Neben der Zustimmung von König Georg II. und dem Einverständnis von Prinzessin Karolines Mutter war für das Zustandekommen der Ehe vor allem auch deren aktive Unterstützung von Bedeutung. Nach einem Gesetz von 1747 ging bei fehlendem männlichen Nachkommen die Erbstatthalterschaft auf weibliche Nachkommen über und das Einverständnis der Generalstaaten der niederländischen Republik musste deshalb bei der Verheiratung einer Tochter aus dem Haus Nassau eingeholt werden. Nur in langwierigen Verhandlungen konnte Anna von Hannover sich durchsetzen, bis auch die Provinzen Holland und Utrecht ihre nach den Verfassungsbestimmungen notwendigen Einverständnisse erklärten. Eine Bedingung für die Zustimmung war u. a. auch, dass die aus der Ehe hervorgehenden Kinder im protestantisch-reformierten Glauben erzogen werden mussten. Karl Christian gehörte der lutherischen Konfession an, stimmte aber dieser Bedingung zu. Die Toleranz gegenüber Protestanten reformierten Glaubens machte ihm diese Zustimmung vermutlich leichter, war doch sein Erzieher La Pottrie Anhänger der reformierten Kirche und hatte bereits www.weilburg-lahn.info Seite 5 von 30 © R. Müller, 2010 Abb. 2: Kupferstich auf die Vermählung von Fürst Karl Christian von Nassau-Weilburg mit Prinzessin Caroline von Nassau Oranien am 05. März 1760 in der Kathedrale von Den Haag. Zeichner: T. P. C. Haag; Kupferstecher: S. Fokke; Verleger: P. C. van Balen. www.weilburg-lahn.info Seite 6 von 30 © R. Müller, 2010 sein Vater Fürst Karl August französische Reformierte nach Weilburg geholt und ihnen freie Religionsausübung gewährt. Nachdem die politischen Probleme beseitigt waren, erfolgte die Verlobung noch am Totenbett von Karolines Mutter am 11. Januar 1759. Sie starb am darauffolgenden Tag, am 12. Januar 1759. Eine Feier zu Ehren der Verlobten wurde in Weilburg zum Geburtstag von Fürst Karl Christian im Januar 1760 veranstaltet. Bilder des Fürsten und seiner künftigen Gemahlin wurden am Rathaus angebracht, dazu ein Transparent mit zwei ineinander verschlungenen „C“ unter einem Fürstenhut; die Fenster des Rathauses wurden mit Lämpchen illuminiert. Die glanzvolle Hochzeit in der „Groote Kerk in’s Gravenhage (Kathedrale in Den Haag), der Tauf- und Vermählungskirche des niederländischen Hofs, fand am 5. März 1760 statt. Ein zeitgenössischer Kupferstich dokumentiert die Prunkhochzeit im Chor der Kathedrale mit den anwesenden Vertretern der Herrscherhäuser, den Abgeordneten der niederländischen Generalstände, des Staatsrats, der Edeldamen und Edelmänner, der Militärs usw. Ein Festmahl für 2000 der vornehmsten Bürger im Haag gaben Fürst Karl Christian und seine Gemahlin am 16. Mai 1760 in ihrem Palais. Auch in Weilburg wurde die Hochzeit gefeiert, wenn auch nur in bescheidenem Rahmen, wegen des andauernden Krieges und der in Weilburg einquartierten französischen Truppen. Zeitgleich zur Trauungszeremonie in den Niederlanden hielt der Weilburger Stadtpfarrer Weinrich eine Vermählungspredigt in der Schlosskirche und der Kanzleidirektor Weinrich lud später zu einem Festessen, bei dem 60 Personen geladen waren. Nochmals erinnert wurde an die Vermählungsfeierlichkeiten durch Rektor Cramer am 1. April, der am Gymnasium die Prüfungen unter den Leitgedanken einer Ehrung der Vermählten stellte, die durch entsprechende Darbietungen erbracht wurde. Ämter nach der Heirat, Verlegung des Hofes nach Nassau-Weilburg Vor der Heirat war Fürst Karl Christian aus seinen Militärdiensten für den pfälzischen Kurfürsten und den Oberrheinischen Kreis ausgeschieden. In Holland wurde ihm das Amt des Gouverneurs der Festung Bergen-op-Zoom übertragen, er wurde zum General der Infanterie ernannt und erhielt das Regiment Oberyssel. In seiner Eigenschaft als holländischer General stand Fürst Karl Christian während des Siebenjährigen Kriegs (1756-1763) auf der Seite Preußens, während Truppen aus Nassau-Weilburg in der Reichsarmee gegen den Preußenkönig ins Feld zogen. Im Jahr 1765 wurde er auch Gouverneur der Festung Sluys und Befehlshaber der Garde zu Pferd, 1772 erhielt Karl Christian das Gouvernement von Maastrich. Sein Fürstentum Nassau Weilburg besuchte Fürst Karl Christian nach jahrelanger Abwesenheit erstmals 1763 zusammen mit seiner Gemahlin. Schon lange vorher hatte man in Weilburg begonnen, die Stadt dafür herzurichten. Eine Ehrenpforte am Brückentor war aufgebaut worden, Stadtgericht, Stadtkompanie und Ehrenjungfrauen empfingen das Fürstenpaar und der Bürgermeister überreichte als Ehrengabe ein Kaffee- und Teeservice, das durch den Silberhändler Rauner aus Augsburg geliefert worden war. Ein Transparent mit ineinander www.weilburg-lahn.info Seite 7 von 30 © R. Müller, 2010 verschlungenen „C“ unter zwei Fürstenhüten prangte dieses Mal an der Ehrenpforte und in den Fenstern der Häuser am Marktplatz leuchteten wieder die Illuminationslämpchen. Erst 1769 kam Fürst Karl Christian zu einem weiteren — und wieder nur kurzen — Besuch in seine Stammlande. Im Jahr darauf weilte er dort erneut, da de La Pottrie verstorben war (wahrscheinlich in Kirchheim, 1770, nach dem 16.04.) und der Fürst die Staatsgeschäfte in die Hände von Friedrich Ludwig Freiherr von Botzheim legte. Doch die Aufenthalte in seinen Heimatlanden erfolgten nun häufiger und nach und nach wurde das gesamte Hoflager in Nassau-Weilburg eingerichtet. Die oberrheinischen Kreisstände beriefen Karl Christian am 30. April 1772 auf die offene Stelle eines General-Feldmarschall-Leutnants und am 12. November 1782 wurde er einstimmig zum Feldmarschall des Oberrheinischen Kreises gewählt. Mit fortschreitenden Jahren wurden die militärischen Aufgaben in Deutschland und die vom Regierungspräsidenten (seit 1779) von Botzheim gewünschte Residenz im Fürstentum mit der mehrmonatigen Residenzpflicht in den Niederlanden aus dem Gouvernement in Maastricht immer weniger vereinbar. Dazu kamen politische Gründe, als Kaiser Joseph aufgrund früherer Abmachungen von den Niederlanden die Abtretung Maastrichs forderte. Fürst Karl Christian legte deshalb 1784 alle Ämter nieder die er dort innehatte und verzichtete auch auf alle Leistungen aus diesen Stellungen. Nassauischer Erbverein, Arrondierungsverträge und „Bolander Vertrag“ In politischer Hinsicht konnte Fürst Karl Christian bedeutungsvolle Abkommen für das Haus Nassau treffen und aus Grenzverläufen und gemeinsamen Herrschaftsgebieten herrührende Probleme lösen. Die Geburt seines ersten Sohnes (Georg Wilhelm, 1760-1762) veranlasste ihn die, von seinem Vater 1736 geschlossene, Erbfolgeregelung durch eine förmliche Primogeniturkonstitution unter kaiserlicher Bestätigung zu erneuern. Sein Ziel einer weit umfassenderen vertraglichen Regelung zur Sicherung des gesamten Hauses Nassau konnte er mit dem Vertrag zum Nassauischen Erbverein erreichen, der im Juni 1783 unterzeichnet wurde. Zur Pflicht erhoben wurden darin u. a. Beratungen bei wichtigen Angelegenheiten und gegenseitige Unterstützung, verboten wurde die Veräußerung von im Erbverein befindlichen Gütern und Ländern. Vor allem aber wurde in diesem Erbvertrag für alle Linien des Hauses Nassau das Primogeniturrecht anerkannt, Erbregelungen beim Erlöschen einer Linie vereinbart und für den Fall, dass keine männlichen Nachkommen vorhanden sind. Diese Vertragsvereinbarungen hatten auch Geltung nach dem Wiener Kongress von 1815 und waren die Rechtsgrundlage dafür, dass der, nach dem Deutschen Krieg 1866 von Preußen, entthronte Herzog Adolf von Nassau-Weilburg im Jahr 1890 den Thron des Großherzogtums Luxemburg erlangte. Doch nicht nur dem bloßen Erhalt von Ländereien und Gütern des Hauses Nassau galten seine Bestrebungen. So wie die einzelnen Herrscherlinien bereits in der Vergangenheit bemüht waren, die durch Erbschaften, Teilungen und Heiraten zersplitterten oder in gemeinsamer Verwaltung befindlichen Besitztümer neu zu ordnen, war die Arrondierung des Herrschaftsbereichs ein Ziel auch von Fürst Karl Christian. www.weilburg-lahn.info Seite 8 von 30 © R. Müller, 2010 Im Vertrag vom 17. Dezember 1255 hatten Walram II. und Otto I. ihr anfangs gemeinschaftlich regiertes Land so aufgeteilt, dass im wesentlichen die Besitzungen südlich der Lahn Walram II. zufielen und die nördlich der Lahn gelegenen Lande an Otto I., darunter auch das Amt Löhnberg. Ein Viertel des Amtes Löhnberg war bereits 1536 durch Tausch an Weilburg gekommen und aus der daraus erfolgenden gemeinsamen Verwaltung dieses Amtes rührten seit Jahren bestehende Streitigkeiten mit Nassau-Oranien her, bei denen es auch zu blutigen Auseinandersetzungen gekommen sein soll. In langwierigen Verhandlungen wurde vereinbart, dass der bisher beim Amt Löhnberg verbliebene Teil zusammen mit Odersbach und Waldhausen Nassau-Weilburg zugeschlagen wurde und Nassau-Oranien im Austausch dafür Neunkirchen, Hüblingen, Rückershausen und den Forstwald bei Neunkirchen erhielt. Begonnen hatten die Verhandlungen über den Gebietsausgleich bereits vor der Vermählung von Fürst Karl Christian mit Prinzessin Karoline. Der Abschluss erfolgte jedoch erst im Vertrag vom 14. März 1773 und wurde als so bedeutend angesehen, dass man eine silberne Gedenkmedaille prägte. Da diese mit der Jahreszahl 1772 versehen wurde, vermutete man lange Zeit, dass die Einweihung der Steinernen Brücke (1769) Anlass für die Medaille gewesen sein. Abb. 3: Silbermedaille aus dem Jahr 1772, geprägt unter Fürst Karl Christian, vermutlich auf den Vertrag vom 14. März 1773 Ein weiteres Konfliktgebiet bestand mit dem „Vierherrischen“ auf dem Einrich. Dieser Nordwestteil des Taunus, eingegrenzt von Rhein, Lahn und Aar, im Süden bis etwa St. Goarshausen–Aarbergen reichend, war im gemeinsamen Besitz von Hessen-Kassel und Rheinfels, Nassau-Oranien, Nassau-Usingen und Nassau-Weilburg. Das Gebiet wurde 1775 (lt. Spielmann 1774) den drei nassauischen Häusern zugeeignet und danach vereinigt mit dem „Dreiherrischen“ Land (Nassau, Laurenburg, Dausenau). Fürst Karl Christian übertrug die Rechte an diesen Gebieten 1778 an Nassau-Usingen im Tausch gegen das „Zweiherrische“ (Amt Miehlen und Vogtei Schönau, südwestlich Nastätten). www.weilburg-lahn.info Seite 9 von 30 © R. Müller, 2010 Zugunsten seiner linksrheinischen Herrschaft Kirchheim nahm Fürst Karl Christian 1755 eine weitere Arrondierung vor. Er tauschte das gemeinsam mit Pfalz-Zweibrücken verwaltete Amt Homburg im Westrich (Südpfalz) gegen das Amt Alsenz. Jahrzehnte andauernde Auseinandersetzungen über Besitzverhältnisse an Waldungen zwischen Kirchheim und angrenzenden kurpfälzischen Ortschaften entwickelten sich zeitweise zu einem Kleinkrieg, den auch die Anrufung des Reichskammergerichts und Verbote des Oberamts Alzey nicht beenden konnten. Um eine friedliche Lösung zu ermöglichen, schloss Fürst Karl Christian 1771 zu Alzey einen Vertrag, in dem Hessen-Nassau auf einen Großteil des strittigen Waldbesitzes zugunsten der Kurpfalz verzichtete. Auch mit Frankreich konnte Fürst Karl Christian 1776 einen Vergleich schließen, der die Grafschaft Saarwerden betraf. Nassau-Weilburg verzichtete auf hoheitliche Ansprüche bei Altsaarwerden und Bockenheim, während Frankreich seine Ansprüche an Neusaarwerden fallen ließ. Gleichzeitig wurden in dem Abkommen Grenzregulierungen u. Ä. vorgenommen, die vom Kaiser 1785 bestätigt wurden. Für mehr als 1.350.000 Gulden soll Fürst Karl Christian Domänen in seinen Stammlanden angekauft haben und mehr als 200 Güter, Höfe und Ortschaften wurden von ihm veräußert, getauscht, eingelöst usw. Er schritt damit auf dem Weg fort, den auch schon sein Vater und die übrigen nassauischen Häuser zur Arrondierung ihres Herrschaftsgebiets gegangenen waren. Zwar erreichte er nicht die Errichtung eines zusammenhängenden Territoriums, doch es gelang ihm weitgehend, die Herrschaftsgebiete Nassau-Weilburgs zu geschlossenen Herrschaftsräumen auszugestalten. Im Zusammenhang mit der Ausgestaltung bzw. Erweiterung des nassauischen Herrschaftsgebietes ist auch die von Fürst Karl Christian angestrebte Verheiratung seines Sohnes Friedrich Wilhelm, geb. am 25. Oktober 1768 in Den Haag, zu sehen. Der Fürst betrieb mit seiner „unermüdeten väterlichen Vorsorge“ die Heirat des Erbprinzen mit Prinzessin Luise Isabella von Sayn-Hachenburg, Burggräfin von Kirchberg, Tochter von Wilhelm Georg zu Kirchberg. Am 31. Juli 1788, wenige Monate vor seinem Tod, konnte Fürst Karl Christian noch erleben, dass Friedrich Wilhelm in Hachenburg mit Luise Isabella die Ehe einging. Mit dem Tod von Luise Isabellas Großonkel, dem letzten Burggrafen zu Kirchberg, Johann August am 11. April 1799, erbte sie die Grafschaft Sayn-Hachenburg, womit diese an Nassau-Weilburg gelangte. Ein nicht unwesentlicher Aspekt der vielfältigen Grenzregulierungen durch Vertauschungen usw. war, dass damit Streitigkeiten mit Ländernachbarn ausgeräumt wurden. Manche Auseinandersetzungen der jeweiligen Untertanen wegen einzelner Grenzverläufe und daraus resultierender Rechte hatten schon zu Verletzten und auch Toten geführt. Solche örtlich begrenzten Konflikte bargen immer die Gefahr einer Eskalation in sich, die Fürst Karl Christian unter allen Umständen zu vermeiden trachtete. Konfliktpotenzial barg auch eine jahrelange Streitsache finanzieller Art zwischen NassauWeilburg einerseits, der kurpfälzischen Hofkammer, der geistlichen Administration und der Universität Heidelberg andererseits. Ausgangspunkt war der „Bolander Vertrag“ aus dem Jahr 1706, mit dem Graf Johann Ernst von Nassau-Weilburg das Gebiet seiner Herrschaft www.weilburg-lahn.info Seite 10 von 30 © R. Müller, 2010 Kirchheim arrondierte und zusagte, die dadurch wegfallenden Einkünfte der kurpfälzischen Hofkammer, der geistlichen Administration und der Universität Heidelberg auszugleichen. Fürst Karl Christian wollte zu einem Ausgleich über die Ansprüche kommen, da von kurpfälzischer Seite immer höhere Anforderungen gestellt wurden und ihn ein freundliches Verhältnis mit Kurfürst Karl Theodor verband. Ein Nachvertrag zum „Bolander Vertrag“ wurde im November 1769 geschlossen und 1770 wurden die Forderungen der Universität Heidelberg befriedigt, die der kurpfälzischen Hofkammer 1771. Langwieriger gestalteten sich die Verhandlungen mit der kirchlichen Administration. Am 1. März 1781 kam es endlich auch mit dieser Institution zu einem Abschluss, sodass Fürst Karl Christian nach fast acht Jahrzehnten auch diese Auseinandersetzung beenden konnte. Witwen- und Waisenkassen So aktiv wie Fürst Karl Christian die Arrondierung seines Landes und die Verständigung mit seinen Landesnachbarn betrieb, so aktiv widmete er sich auch innenpolitischen Aufgaben. Bereits sein Vater Fürst Karl August hatte in den letzten Jahren seiner Regentschaft Ansätze erkennen lassen, die eine Verständigung mit seinen Untertanen ermöglichen sollten. Diese hatten vielfältige Beschwerden gegen die von der Regierung geforderten Dienstleistungen, gegen Zahlungen und über Beschneidungen überkommener Rechte vorgebracht und vor Gericht angefochten. Mit Zugeständnissen durch den fürstlichen Statthalter de La Pottrie in dessen ersten Regierungsjahren ging Fürst Karl Christian den von seinem Vater begangenen Weg weiter, sodass sich durch die gewährten Zugeständnisse die Beziehungen von Regierung und Untertanen weitgehend wieder normalisierten. Dass de La Pottrie die dazu notwendigen Entscheidungen treffen konnte, ist nicht zuletzt Fürst Karl Christian zu verdanken, der – im Gegensatz zu seinem Vater – als aufgeklärtere Person beschrieben wird. Dass diese Einschätzung zutreffend ist, lässt sich wohl auch aus Entscheidungen Fürst Karl Christians auf dem Gebiet der Sozialfürsorge ableiten. Es sind in diesem Bereich hervorzuheben die Begründungen dreier Kassen für Hinterbliebene, die durchaus als Vorläufer von Versorgungseinrichtungen der Sozialgesetzgebung im 19. Jahrhundert eingestuft werden können. Bei den unter Fürst Karl Christian eingerichteten Witwen- und Waisenkassen handelte es sich vornehmlich um Selbsthilfeeinrichtungen der jeweiligen Berufsgruppen. Die Angehörigen dieser Berufe waren es auch, von denen der Anstoß zur Gründung der Kassen für die Versorgung ihrer Hinterbliebenen ausging. So ist die Gründung dieser Kassen weniger auf die Initiative des Fürsten oder seiner Regierung zurückzuführen, als auf die der jeweiligen Berufsgruppe. Aus der finanziellen Unterstützung dieser Kassen durch Fürst Karl Christian und der rechtlichen Ausgestaltung durch die Regierung geht aber deutlich hervor, dass die Kassengründungen den sozialpolitischen Absichten und den Interessen des Fürsten entsprachen. Das Interesse des Fürsten an einer Förderung der Witwen- und Waisenkassen hatte zwei hauptsächliche Gründe. Zum Einen wurden dadurch die in seinen Diensten stehenden Beamten enger an die fürstliche Regierung gebunden. Zum Andern waren nach dem Tod des Ernährers die Hinterbliebenen durch die gesicherte Versorgung vor Armut geschützt und www.weilburg-lahn.info Seite 11 von 30 © R. Müller, 2010 die staatliche Armenfürsorge wurde somit für diesen Personenkreis nicht oder nur in geringeren Maßen erforderlich. Die Einrichtung von Institutionen zur Versorgung von Hinterbliebenen boomte zur Zeit des aufgeklärten Absolutismus in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in allen deutschen Landen. Erste Versorgungsgesellschaften für Witwen und Waisen hatte es aber bereits im frühen 17. Jahrhundert gegeben und auch im Amt Weilburg hatten evangelische Geistliche bereits 1630 eine erste Selbsthilfeeinrichtung gegründet. Diese gab jährlich drei Simmern Korn (ca. 1 hl) an Witwen und die Kinder verstorbener Geistlicher aus. Und am 9. Oktober 1693 gründeten neun Pfarrer aus den Ämtern Weilburg und Weilmünster einen „Witwenkasten“ zur Versorgung ihrer Hinterbliebenen. Dieser Fonds wurde gespeist aus jährlichen Kornlieferungen der Mitglieder bzw. aus den Verkaufserlösen und Zinsen. Im Jahr 1756 baten in Weilburg Regierungsbedienstete den Fürsten um die Erlaubnis zur Gründung einer Witwen- und Waisenkasse für seine Dienerschaft. Dazu hatte man Kassenordnungen aus nassauischen Ländern, aus Lippe-Detmold, Zweibrücken und auch aus Dänemark, Schweden, England und den Niederlanden ausgewertet, um die bestmögliche Kassenordnung für Nassau-Weilburg zu schaffen. Auf der Grundlage dieser Informationen und besonders auch eines Erfahrungsberichts des Geheimen Sekretärs Cramer vom 5. Dezember 1756, über die 1751 in Nassau-Usingen gegründete Witwen- und Waisenkasse, wurden Entwürfe für eine Kassenordnung erarbeitet. Am 1. Oktober 1757 hatten sich bereits dreißig an einem Zusammenschluss interessierte Bedienstete zusammengefunden. Endgültige Festlegungen wurden jedoch durch die Wirren des Siebenjährigen Kriegs verhindert. Ein neuer Anlauf erfolgte 1761. Grundlage war dieses Mal die Kassenordnung einer badendurlachischen Witwenkasse, die besonders erfolgreich schien. Das Muster dieser Kassenordnung legte man im Januar 1762 Fürst Karl Christian vor, der am 20. April 1762 die Errichtung einer Kasse nach diesem Muster gestattete. Nachdem eine entsprechende Kassenordnung ausgearbeitet war, genehmigte diese Fürst Karl Christian und verfügte die sofortige Drucklegung. Damit erfolgte die Gründung der ersten „Wittwen= und WayßenCasse vor die weltliche Dienerschafft“ (Beamten) am 23. August 1762. Den Grundstock der Kasse bildete eine Einlage von Fürst Karl Christian in Höhe von 5.000 Gulden, er verbat sich in diesem Zusammenhang aber auch evtl. „Anlauff und Suppliciren“ von Hinterbliebenen in der Zukunft. In seinem Testament vermachte er der Kasse nochmals 4.000 Gulden. Der Beitritt zur Kasse war entsprechend der „Verordnung, die Wittwen= und Wayßen-Casse vor die weltliche Dienerschafft in denen Fürstlich-Nassau=Weilburgischen Landen betreffend“ nur möglich innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung bzw. innerhalb von drei Monaten nach einer Heirat oder nach der Einstellung. Der Beitrag betrug 1,5 % der Besoldung (bei Eintritt nach Heirat 3 % für drei Jahre) und wurde vom Gehalt einbehalten und der „Wittwen- und Waysen-Casse“ zugeführt. Der Eintritt in diese Kasse wurde 1777 auch den nichtgeistlichen Gymnasiallehrern ermöglicht. Die Mitgliedschaft in der „Wittwenund Waysen-Casse“ war zunächst freiwillig; sie wurde verpflichtend am 10. Mai 1788. Die Pflichtmitgliedschaft wurde dabei auch auf unverheiratete Gehaltsempfänger ausgedehnt. www.weilburg-lahn.info Seite 12 von 30 © R. Müller, 2010 Bereits 1693 war ein „Geistlicher Wittwen-Kasten“ von „nachfolgenden Herrn pastoribus ehrw. Herrn Pfarrer Weinrich in Weilburg, Herrn Pfarrer Geiler zu Cubach, Herrn Pfarrer Chun zu Langenbach, Herrn Schloßer Mitprediger und Rector zu Weilburg, Herrn Pfarrer Rempel zu Weinbach Herrn Pfarrer Crusemann zu Weilmünster, Herrn Pfarrer Kruel zu Selters und Herrn Pfarrer Rittern zu Löhnberg“ gegründet worden. Die Pfarrer sahen sich zu dieser Gründung veranlasst, „nachdem wir leider mit betrübten Augen ansehen müßen, was maßen einige Pfarrers Wittwen nach Absterben ihrer Ehemänner in ihrem ohnedem kummervollen Wittwenstand in großem Armuth und Elend sitzen, daß sie mit ihren Kindern manchmahl das liebe Brod nicht haben“. Es sollten deshalb die Erträge aus dem „Wittwen-Kasten“ zu „einiger nothdürftiger provision und sustentation (Fürsorge und Unterhalt) beitragen. Aus diesem 1693 von Pfarrern gegründeten „Witwenkasten“ hervorgegangen ist die „Geistliche Wittwen= und Wayßen=Casse in denen Fürstlich-Nassau=Weilburgischen Landen“. Die Mitglieder des „Witwenkastens“ hatten im November 1762 Fürst Karl Christian um die Erteilung der „privilegia pii corporis“ (fromme Körperschaft) für ihre Gesellschaft gebeten, was ihnen auch am 17. Mai 1763 zugestanden wurde. Da die Versorgungseinrichtung ganz im Sinne des Fürsten und seiner Regierung war, ermunterte man die Gesellschaftsmitglieder den Beitritt zur Hinterbliebenenversorgung durch Gründung einer geistlichen Witwenkasse zu erweitern. Dazu wurde eine neue Kassenordnung erarbeitet, die im gesamten Fürstentum galt und deren Bestimmungen zum überwiegenden Teil denen für die „weltliche Dienerschafft“ entsprachen. Eine Mitgliedschaft in der „Geistliche(n) Wittwen= und Wayßen=Casse“ konnten Gymnasiallehrer, sowie die lutherischen und reformierten Geistlichen des Fürstentums Nassau-Weilburg erwerben. Die vorgelegte Kassenordnung genehmigte Fürst Karl Christian am 31. August 1765. Den Grundstock des Fonds bildeten das aus dem „Witwenkasten“ eingebrachte Kapital und eine Spende des Fürsten und seiner Gemahlin von 4.000 Gulden. In seiner testamentarischen Verfügung ließ Fürst Karl Christian der Kasse nochmals 1.500 Gulden zukommen. Beim Eintritt hatte das Mitglied 50 Gulden zu zahlen, den Jahresbeitrag in Höhe von 4 Gulden behielt das für die Besoldung zuständige Stift bei der Gehaltszahlung ein und führte ihn an die „Wittwen- und Waysen-Casse“ ab. Für bestimmte Funktionsträger galt die Hälfte des Beitritts- und Mitgliedsbeitrags, es wurde in diesen Fällen aber auch nur die Hälfte der Pensionen gezahlt. Durch eine mögliche freiwillige Zahlung der vollen Beträge wurde aber der Pensionsanspruch in voller Höhe erworben. Die auch für diese Kasse zu Beginn freiwillige Mitgliedschaft wurde 1780 in eine Pflichtmitgliedschaft umgewandelt. Die erfolgreichen Einführungen der „Wittwen- und Waysen-Casse(n)“ für die weltliche Dienerschaft und die Geistlichen veranlasste auch die Schulbediensteten zu entsprechenden Bestrebungen. Der Wunsch zur Einrichtung einer solchen Kasse ging von Schulmeistern des Amtes Kirchheim an den Superintendenten Hahn, der diesen an die Regierung weiterleitete. Nach der Versicherung des Regierungspräsidenten von Botzheim, dass Fürst Karl Christian den Aufbau einer Kasse für die Schulbediensteten unterstützen würde, übermittelte Hahn am 25. Oktober 1776 einen Entwurf. Als diesem am 8. November 1776 zugestimmt worden war, reichte Hahn umgehend eine endgültige Fassung ein, die Fürst Karl Christian bereits am 13. November 1776 genehmigte. Die Genehmigung war mit der Anweisung verbunden, www.weilburg-lahn.info Seite 13 von 30 © R. Müller, 2010 versuchsweise die neue Kasse der Schulbediensteten mit der Kasse für die Geistlichen zu verbinden und über die Erfahrungen zu berichten. Nachdem unter Mitwirkung des Superintendenten Hahn eine Kassenordnung ausgearbeitet worden war, konnte am 18. Februar 1777, wegen der beiden zuvor „mit gutem Erfolg bereits“ eingeführten Kassen, die „Wittwen- und Waysen-Casse“ für „sämtlich-protestantischen Schulbediente“ eingerichtet werden. In diese Kasse spendete Fürst Karl Christian als erste Einlage 1000 Gulden, seine Gattin weitere 500 Gulden. Die gleichen Beträge vermachten beide der Stiftung nochmals in ihrem Testament. (Borst, Wilhelm (1952) nennt nur Fürst Karl Christians Testament und gibt 500 Gulden an.) Für die Mitglieder bestand eine Wahlmöglichkeit unter zwei Klassen. Abhängig von der gewählten Klasse erfolgte eine Pensionszahlung in voller oder halber Höhe. In der ersten Klasse waren beim Kasseneintritt 10 Gulden einzuzahlen und als jährlicher Beitrag 1½ Gulden. Für die Mitgliedschaft in der zweiten Klasse wurde jeweils die Hälfte der Beträge fällig. Für die Kasse der Schulbediensteten galt von Beginn an die Pflichtmitgliedschaft. Die in der Regierungszeit von Fürst Karl Christian geschaffenen Einrichtungen zur Hinterbliebenenversorgung wiesen schon Bestimmungen auf, wie sie ähnlich auch in neuzeitlichen Versorgungssystemen bestanden und teilweise noch bestehen. Beispielhaft seien hier genannt der Einbehalt durch die das Gehalt zahlende Stelle, die Zahlung des Sterbequartals beim Tod eines Kassenmitglieds, der Witwenanspruch erlosch bei einer Wiederverheiratung, an hinterbliebene Söhne und Töchter erfolgte die Hinterbliebenenzahlung bis zum 22. bzw. 20. Lebensjahr; für sieche oder gebrechliche Kinder erfolgten die Zahlungen auch darüber hinaus. Bei Verheiratung der Töchter oder ausreichender Versorgung durch einen Beruf wurden die Zahlungen eingestellt, Zahlungen an Hinterbliebene durften nicht höher sein als das ehemalige Gehalt des Verstorbenen, ausschlaggebend für die Höhe des Zahlbetrags war die Summe, die der Verstorbene in seinem letzten Lebensjahr eingezahlt hatte. Die in Nassau-Weilburg installierten Versorgungseinrichtungen für Hinterbliebene entwickelten sich durchweg positiv und waren überwiegend in der Lage, die Hinterbliebenen der verstorbenen Kassenmitglieder vor Bettelei zu bewahren. Es gab allerdings auch Zeiten, in denen die Zahlbeträge nicht alle Kosten des Lebensunterhalts decken konnten. Auch dann aber bewährten sich die Versorgungseinrichtungen, wurde doch wenigsten ein Teil des Unterhalts durch die Kassen abgedeckt und die Hinterbliebenen waren nicht gänzlich von Zuwendungen der Armenkassen abhängig. Armenfürsorge Mit der zu Beginn des 18. Jahrhunderts allgemein einsetzenden Verarmung stieß das bisher von den Kirchengemeinden getragene Armenwesen an seine Grenzen. Da die Armenversorgung zunehmend als staatliche Aufgabe angesehen wurde, kam es zu einem Wechsel der Trägerschaft. Die allgemein in ganz Deutschland anwachsende Not konnte aber auch durch die Gemeinden als Träger der Armenversorgung nicht beseitigt werden und die Versuche, mit Armen- und Bettelordnungen die Versorgungssituation zu bessern und das Bettelwesen einzuschränken, scheiterten. www.weilburg-lahn.info Seite 14 von 30 © R. Müller, 2010 Abb. 4: Fürst Karl Christian von Nassau-Weilburg. Kupferstich von Carl Matthias Ernst (1780). Abb. 5: Fürstin Karoline von Nassau-Weilburg Kupferstich von Carl Matthias Ernst (1780). Der in den ersten Regierungsjahren von Fürst Karl Christian herrschende Siebenjährige Krieg (1756-1763) verschärfte die Versorgungssituation in Nassau-Weilburg noch mehr. Über Jahre hinweg mussten Razzien gegen Bettlerbanden durchgeführt und sogar gemeinsam mit Wied-Runkel und Kur-Trier gegen Banden vorgegangen werden. Dazu kamen die Lasten durch Truppeneinlagerungen und deren Verproviantierung. In der Absicht die Not zu lindern, wurde in Jahren 1758 und 1759 eine Ausfuhrsperre für Getreide erlassen. Wegen einer schlechten Getreideernte 1761 und dem Getreideverbrauch durch fremde Truppen kam es zu einem Mangel an Saatgut und Teuerung. Erneut wurde eine Ausfuhrsperre erlassen und den Getreideanbauern im Vorschuss Saatgetreide zur Verfügung gestellt. An Bedürftige wurde zum Brotbacken mit herrschaftlicher Genehmigung Menggetreide (⅔ Korn, ⅓ Gerste) ausgegeben. Während des Krieges waren die wöchentlichen Almosenverteilungen durch den Kastenmeister und Armenpfleger zum Erliegen gekommen, sind 1765 aber wieder nachweisbar. Der Almosenkasten wurde gespeist mit den Geldern aus dem Kirchenalmosenkasten, mit Zinsen aus Legaten, den Erträgen aus den wöchentlich durchgeführten Haussammlungen, Almosen von Hochzeiten und Kindtaufen und von wöchentlich durch die Hofkammer angewiesene Gelder (4 Gulden). Zu diesen Almoseneinnahmen kamen nicht unbeträchtliche Beträge, die als „Milde Gaben“ aus der „Schatulle“ gegeben wurden und „Erlasse“ sowie besondere Zuwendungen an die Armen aus Anlass von Familienfestlichkeiten des Fürstenhauses. www.weilburg-lahn.info Seite 15 von 30 © R. Müller, 2010 „Milde Gaben“ wurden aufgrund von Bittgesuchen gewährt, wobei es sich meist um Zuschüsse für Baukosten, Viehanschaffungen, Heilkosten nach Unfällen oder schweren Krankheiten oder Beihilfen nach Unwetter- oder Brandschäden handelte. Mit den in der Notzeit immer häufiger gewährten „Erlassen“ verzichtete der Fürst bzw. seine Regierung hauptsächlich auf rückständige Gelder, Strafzahlungen, Fruchtlieferungen und ähnliche Leistungen. Extreme Witterungsbedingungen in den Jahren 1771 und 1772 hatten Missernten zur Folge und daran sich anschließende Hungersnöte. Der Bevölkerung wurde, wie bereits zehn Jahre zuvor, Saatgut zur Verfügung gestellt, wobei auf das Aufmaß bei der Rückerstattung nach der neuen Ernte dieses Mal verzichtet wurde, und wer völlig verarmt war, erhielt das Saatgetreide als Almosen. Im Juni 1772 wurde der Verkaufspreis für Getreide aus den herrschaftlichen Speichern auf 75 % des Marktpreises von Wetzlar und Runkel festgesetzt. Eine vollständige Neuregelung der Armenversorgung wurde 1773 in Angriff genommen, nachdem Fürst Karl Christian ein Gutachten für eine „auf den nothdürftigen Unterhalt Unserer verarmten Unterthanen zielenden Einrichtung“ angefordert hatte. Regierungspräsident von Botzheim legte am 22. Oktober 1773 einen Entwurf zu einer reformierten Armenversorgung vor. Vorgesehen waren als Grundlagen der neuen Armenversorgungseinrichtung Gelder aus konfiszierten Gütern, die bestehenden Verteilungen an Arme – auch die aus privaten Stiftungen – und jährliche Beiträge von jeder Gemeinde, entsprechend deren Möglichkeiten. Dazu kamen eine Spende der Fürstin von 150 Gulden und ein Kapital von 1.500 Gulden, von dem die jährlichen Zinsen ausgeteilt werden sollten. Noch im Dezember 1773 wurden die Stiftsverwalter angewiesen, die Almosengelder und Stiftungen an die neue Armenkasse abzuführen und am 18. Februar 1774 erfolgte die Verordnung zur Errichtung einer Armenkasse. Zu Beginn wurden die Gelder aus Konfiskationen noch innerhalb der einzelnen Ämter zusammengefasst und dort verteilt. Ab 1775 erfolgte eine Zusammenfassung der Gelder und der Verwaltungen in der „Generalarmenkasse“ durch den Regierungspräsidenten von Botzheim. Zunehmend wurden auch verhängte Geldstrafen an die „Generalarmenkasse“ abgeführt, dazu kamen weitere Beiträge von Fürst Karl Christian (640 Gulden im Februar 1777, 500 Gulden im Februar 1778). Zusätzlich zur „Generalarmenkasse“ wurden in den Ämtern „Spezialarmenkassen“ eingerichtet. In diese flossen Gelder u. a. aus freiwilligen Beiträgen von privater Seite, Klingelbeutelsammlungen und durch die Armenbüchsen in den Gemeinden gesammelte Gelder. Trotz vielfältiger Quellen blieben die Einnahmen der Kassen hinter den für die Armenversorgung benötigten Beträgen zurück. Nur zusätzliche Beiträge von Fürst Karl Christian aus der „Schatulle“ ermöglichten es den Kassen, die unbedingt notwendigen Leistungen zu erbringen. Mit außerplanmäßigen Geldzuweisungen unterstützte er auch die „Generalarmenkasse“, so am 10 Juli 1777 mit 1.000 Gulden und am 27. Februar 1778 mit 2.000 Gulden. Die Spenden des Fürsten erstreckten sich auch auf den Ersatz der gesamten Ausgaben, die 1781/82 für die Behandlung der roten Ruhr erforderlich wurden, die in den linksrheinischen Landesteilen auftrat und an der mehr als 500 Personen erkrankt waren. Ebenso übernahm er diese Kosten 1784 im Amt Atzbach und 1786 im Amt Neu-Saarwerder. Die Kosten der Arzneien für verarmte Untertanen im Amt Weilburg wurden ebenfalls aus der fürstlichen „Schatulle“ ersetzt. www.weilburg-lahn.info Seite 16 von 30 © R. Müller, 2010 Förderung von Landwirtschaft und Gewerbe Zur Verbesserung der Ernährungssituation wurden Förderungsmaßnahmen für die Landwirtschaft beschlossen und zur Schaffung weiterer Verdienstmöglichkeiten bemühte man sich um die Ansiedlung von Industrie und Gewerbe. In der Landwirtschaft war man vor allem bestrebt, den Bauern Verfahren zur Bodenverbesserung nahezubringen. Dazu setzte man auf eine Verbesserung der Viehzucht, die man durch künstliche Bearbeitung der Wiesen und den Anbau bestimmter Kleesorten zu fördern trachtete. Geldpreise wurden für diejenigen ausgesetzt, die den besten Klee anbauten, den meisten Klee zogen oder das meiste Vieh in der Stallfütterung hielten. Außerdem gab es Prämien für Flachs- und Hanfzucht und für den ergiebigsten Weizenanbau. Weiterhin wurde der Landzerstückelung als Folge von Erbteilungen Einhalt geboten und die Vernachlässigung des Viehs oder dessen Misshandlung wurde mit Strafe belegt. Im industriellen Bereich bemühte man sich um eine Ausweitung des Bergbaus und unterstützte die Tuch- und Leinenmanufakturen. Wie für bestimmte landwirtschaftliche Erfolge setzte man auch Preise aus für Hausweberei, Garnspinnerei und Leinenabsatz. Naturgemäß konnten die Fördermaßnahmen in Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe nicht unverzüglich Verbesserungen erwirken, ebenso wie die Armenkassen in den ersten Jahren nicht über alle notwendigen Mittel verfügten, um ihrem Auftrag gerecht zu werden. So ist die Strophe aus einem Gedicht, das Pfarrer Philipp Jakob Dolle zum 37. Geburtstag des Fürsten Karl Christian verfasste, wohl etwas zu euphorisch hinsichtlich des angeblichen Wohlergehens der Bevölkerung, heißt es doch darin: „Die weitsten Fluren sind entzückt, / Wann sie auf unsern Fürsten sehen, / Mit ihnen werden wir entrückt, / Weil unsrer Wohlfart Säulen stehen. / Wie manche Gegend ringt nach Brod, / Da Hunger plaget ihre Gränzen, / So trift uns keine bange Noth, / So sehn wir keinen Unstern glänzen.“ Ebenso ist die Aussage in einem Bericht des Regierungspräsidenten von Botzheim im Jahr 1785 wohl etwas zu optimistisch, wenn er anführt, dass „alles Betteln im Weilburgischen gänzlich aufgehoben wurde“. Allerdings ist der über Jahrzehnte hinweg geführte Kampf gegen Bettlerscharen und Bettlerbanden 1785 nicht mehr feststellbar und es kann wohl davon ausgegangen werden, dass in den letzten Regierungsjahren von Fürst Karl Christian entscheidende Verbesserungen in der Versorgung der Bevölkerung wirksam geworden sind. Bildungspolitik Das Zeitalter der Aufklärung brachte auch im Bildungsbereich neue Einsichten, denen sich Fürst Karl Christian nicht verschloss. Hatte bereits sein Vater Verbesserungen im Schulwesen zu erreichen gesucht, z. B. mit den 1737 und 1740 erlassenen Schulordnungen, so schritt auch sein Sohn auf diesem Weg fort. Schon bald nach seiner Regierungsübernahme forderte Fürst Karl Christian von Joh. F. Cramer, dem damaligen Rektor der Weilburger Gelehrtenschule, Vorschläge für eine Weiterentwicklung dieser Schule einzureichen. In einer Schrift schlug Cramer u. a. die Anstellung eines Konrektors mit der Unterrichtsbefähigung für Griechisch und Latein vor. Dieser Forderung entsprach die Landesregierung auch, andere Forderungen wurden (vorerst) nicht erfüllt. 1764 – mittlerweile war Ostertag der neue Schulrektor – wurde die Schule zum www.weilburg-lahn.info Seite 17 von 30 © R. Müller, 2010 Gymnasium erhoben. Ein Jahr später unterstellte man das Gymnasium der Landesregierung, womit die geistliche Schulaufsicht endete. Mit einem Dekret vom 9. September 1765 wurden die Schüler des Gymnasiums von der Pflicht zum Gesang bei Begräbnissen befreit und die Pädagogen wurden ihrer bisherigen geistlichen Verpflichtungen, u. a. als Mitprediger, enthoben, wenn auch in der Praxis diese Tätigkeiten noch für Jahrzehnte ausgeübt wurden. Außerdem wurde von der Landesregierung das äußerst kärgliche Lehrergehalt erhöht und für die Schüler die zusätzlich zum Unterricht gehaltenen „paranäischen“ (der Mahnung und Erbauung dienende) Stunden gestrichen. Die Anzahl der Lehrer wurde aufgestockt und das Bildungsangebot wesentlich verbreitert. Dazu wurde u. a. ein Lehrer für Französisch, ein Rechenlehrer, ein Tanzlehrer, ein Reitlehrer und ein Schönschreiblehrer eingestellt. All diese Maßnahmen ließen die Schülerzahl anwachsen, was ein größeres Schulgebäude erforderlich machte. Der Bau des neuen Gymnasiums begann unter Fürst Karl Christian 1777, im Jahr 1780 wurde der Bau seiner Bestimmung übergeben. Der Volksschulbesuch war bereits 1737 durch Fürst Karl August zur Pflicht gemacht worden. Dieser Pflicht wurde aber wohl auch dreißig Jahre später nur mangelhaft nachgekommen, da 1769 Fürst Karl Christian auf die Beachtung des entsprechenden Artikels dieser Schulordnung besonders hinweisen ließ. Im gleichen Jahr wurde eine eingehende Befragung aller Lehrer des Amtes Kirchheim durchgeführt, um eine auf den Befragungsergebnissen aufbauende Schulordnung zu verfassen. Als Ergebnis der Befragung erging eine Aufforderung an die Schulmeister sich ein Unterrichtswissen anzueignen, das sie zum Unterricht auch befähige. Bei entsprechendem Können und Einsatz wurde auch eine Gehaltsaufbesserung in Aussicht gestellt. Ebenso wurden die Gemeinden aufgefordert, die Schulgebäude instand zu halten und das Brennholz für die Schule zu stellen, wenn die Gemeinde über Waldbesitz verfügte. In den Volksschulen wurde das bisher fast vollständig vernachlässigte Rechnen Pflichtfach und niemand sollte aus der Schule entlassen werden, der nicht die vier Grundrechenarten, dazu die „Regel de Trivie“ (Dreisatz) und das Rechnen mit Brüchen beherrschte. In den Schulen Kirchheimbolandens wurden Prüfungen zu Ostern und Michaelis (29. September) eingeführt. Trotz mancher tatsächlich erfolgten Verbesserungen, entgegen mancherlei Verordnungen und Erlassen, kam eine Verbesserung des Schulwesens nur schwer in Gang. Wesentliche Gründe dafür waren die weiterhin ungenügende Lehrerbesoldung und die fehlende Lehrerausbildung. Erste Ansätze zur Lehrerbildung gab es im Februar 1783, als die Regierung den Kantor Küstner in Kirchheim beauftragte, mehrjährige Lehrkurse in Klaviermusik, Schreiben und Rechnen für angehende Lehrer abzuhalten. Viel Erfolg war diesem Vorhaben aber nicht beschieden. Nach einem ersten Bericht 1790 hatten vier bis fünf junge Leute ein Jahr lang an den Kursen teilgenommen, gingen dann aber außer Landes, um dort in den Schuldienst einzutreten, sodass die Kurse wieder eingestellt wurden. Ein unrühmliches Ende fand auch die Einrichtung einer „Gemeinschaftlichen ErziehungsAnstalt“, die von der Regierung am 12. September 1776 für das gesamte nassau-weilburgische Gebiet und die Ämter Kirchheim und Alsenz angeordnet wurde. Zuvor waren die lutherischen Pfarrer Liebrich und Hahn und der reformierte Prediger Des Côtes aufgefordert worden, Vorschläge für ein besseres Schulwesen zu erarbeiten und diese hatten dazu einen Arbeitsplan erstellt, der die Zustimmung des Fürsten gefunden hatte. Liebrich, Hahn und Des Côtes wollten sich in wöchentlichen Treffen über Methoden, Kenntnisse und Erfahrungen www.weilburg-lahn.info Seite 18 von 30 © R. Müller, 2010 austauschen und Verbesserungen besprechen. Die Lehrer sollten in monatlichen Treffen zusammenkommen, über die Verbesserungsvorschläge informiert werden und eigene Vorschläge einbringen. Man war in der Kommission bemüht, neue pädagogische Erkenntnisse für den Unterricht zu nutzen, methodische Anweisungen für die Durchführung des Unterrichts zu geben und einen nach Sachgebieten getrennten, sinnvolleren Unterricht zu gestalten. Buchstabieren und Lesen wurden üblicherweise an religiösen Texten gelehrt, vorzugsweise an den Zehn Geboten, dem Vaterunser und dem Glaubensbekenntnis oder anhand des „Reformierten Katechismus“ (Heidelberger Katechismus) oder dem „Lutherischen Katechismus“. Es war ganz im Sinne von Fürst Karl Christian, dass die Kommission für den Anfangsunterricht ein kirchlich-neutrales Lesebuch entwickelte, dem alle religiösen Texte fehlten, die bisher zum Lernen genutzt wurden. So konnte das Buch als Lernmittel sowohl für Kinder reformierten wie lutherischen und ggf. auch katholischen Glaubens benutzt werden. Fürst Karl Christian genehmigte das „A B C Buchstabir– und Lesebuch“, das 1776 in Worms gedruckt wurde und ließ Anfang 1777 jedem Kind ein Exemplar aushändigen. Sowohl der Landesherr wie die Regierung hatten allerdings die religiösen Befindlichkeiten der Bevölkerung völlig falsch eingeschätzt. Während im Amt Weilburg die Einführung der Fibel ohne Widerstände hingenommen wurde, kam es in den Kirchheimer Landen zu Bittschriften und Pamphleten bis hin zur Anrufung des Reichskammergerichts, gegen die Einführung des Schulbuchs. Dramatischer jedoch als der über Jahre hinweg geführte Rechtsstreit, der im Übrigen und zu guter Letzt im Sande verlief und dessen eigentlicher Anlass im Laufe der Zeit von anderen rechtspolitischen Erwägungen überlagert wurde, waren Verhaftungen, Gefangenenbefreiung und ein sich entwickelnder Aufruhr in der Bevölkerung. Der Aufruhr nahm so bedrohliche Ausmaße an, dass sich Fürst Karl Christian mit Abb. 6: Titelblatt des „Buchstabir- und seiner Familie nach Oppenheim in SicherLesebuchs“ heit brachte. Und da man die eigenen Truppen für zu schwach einschätzte, um mit der evtl. notwendigen Gewalt die Ruhe wiederherzustellen, wurde Kurfürst Karl Theodor in Mannheim um die Entsendung von Truppen gebeten. Dort entsprach man diesem Ersuchen und in einem Eilmarsch wurden 800 kurpfälzische Soldaten nach dem Amt Kirchheim www.weilburg-lahn.info Seite 19 von 30 © R. Müller, 2010 in Marsch gesetzt, wo sie am 20. Februar 1777 eintrafen. Bei dieser Übermacht gab die Bevölkerung ihren Widerstand sofort auf und die Truppen zogen bereits am 3. und 4. Tag nach dem Einmarsch wieder ab. Als dann Untersuchungskommissionen eingesetzt und einige Aufwiegler in Haft genommen wurden, bekundeten Vertreter der aufständischen Gemeinden ihre Reue, baten um Gnade und erklärten, das „A B C Buchstabir– und Lesebuch“ annehmen zu wollen. Ein für die damalige Zeit fortschrittliches und kirchlicher Beeinflussung entzogenes Unterrichtsbuch fand so letztlich zwar Eingang in den Unterricht, doch die in der Schulpolitik verfolgten Ziele Fürst Karl Christians und der von ihm initiierten „Gemeinschaftlichen Erziehungsanstalt“ erlitten einen Rückschlag, da aufgrund der Auseinandersetzungen die Arbeit dieser Kommission faktisch endete. Die Lutheraner und Reformierten in den Kirchheimer Landen hatten mit dem „A B C – Buch – Krieg“ einen Aufruhr angefacht, der gerade in der besonderen Toleranz des Landesherrn gegenüber unterschiedlichen religiösen Gruppen seine teilweise Ursache barg. Bereits Fürst Karl August hatte in seinem streng lutherisch geprägten Land die Ansiedlung evangelischreformierter Christen unterstützt und diesen das Recht zur unbehinderten Religionsausübung zugestanden. Noch deutlicher bestand diese tolerante und aufgeklärte Haltung in Religionsangelegenheiten bei dem ihm nachfolgenden Sohn Fürst Karl Christian. Dessen Toleranz hinsichtlich der Religionsausübung gründete sich zum einen auf die Erziehung durch de La Pottrie, zum andern auf die Ehe mit Karoline Wilhelmine von Nassau-Oranien und die mit der evangelisch-reformierten Lehre aufwachsenden Kinder aus dieser Ehe. Entsprechend hatte Fürst Karl Christian während seiner Herrschaftszeit Rechtsvorschriften geändert, wenn der reformierte Bevölkerungsteil und deren Pfarrer gegenüber den Lutheranern benachteiligt waren. Es erging z. B. am 1. November 1764 eine Anordnung, nach der evangelisch-lutherische Lehrer, für die Unterrichtung von Kindern des evangelisch-reformierten Glaubens, den Heidelberger Katechismus verwenden mussten. Eine entsprechende Vorschrift wurde erlassen für Gemeinden mit reformierter Mehrheit, in denen reformierte Lehrer unterrichteten. Eine zwei Monate später erlassene Verordnung verbot reformierte Kinder im lutherischen Katechismus abzuhören und forderte für den Leseunterricht anhand des Katechismus von den Lehrern der jeweils anderen Glaubensrichtung, dass dieser ohne eigene Erklärung und Auslegung der religiösen Texte erfolgen müsse. Am 5. Januar 1765 wurde ein Gesetz geändert, welches bis dahin bestimmt hatte, dass in Mischehen die von den Eheleuten getroffenen Vereinbarungen zur religiösen Kindererziehung gültig waren. Dieses Recht der Eltern wurde nun zugunsten einer Regelung abgeschafft, nach der für die religiöse Unterweisung der Weg galt, „den die Natur gewiesen“; für Jungen sollte also die Religion des Vaters, für Mädchen die der Mutter maßgebend sein. Vielfach gab es auch Auseinandersetzungen und Streitereien der Geistlichen über die Amtsbefugnisse von Pfarrern der jeweils anderen Glaubensrichtung. Während die Reformierten gleiche Rechte forderten, wie sie den Lutheranern zugestanden waren, widersetzten sich die um ihren Einfluss bangenden Lutheraner. Und auch die evangelisch–lutherische Bevölkerung betrachtete misstrauisch jedes tatsächliche oder vermeintliche Zugeständnis an die Reformierten. www.weilburg-lahn.info Seite 20 von 30 © R. Müller, 2010 Vor diesem Hintergrund ist es sicher nicht verwunderlich, dass die Auseinandersetzungen und das gegenseitige Misstrauen schließlich zu dem schon erwähnten „A B C–Buch–Krieg“ eskalierten. Im Gegensatz zu Kirchheim scheint es in dem streng lutherisch gesinnten Weilburg weniger Vorbehalte gegen Reformierte gegeben zu haben. So wie man in Weilburg widerspruchslos das „A B C Buchstabir– und Lesebuch“ akzeptiert hatte, wurde den Reformierten die Benutzung der Schlosskirche von der lutherischen Gemeinde gestattet. Fürst Karl Christian erkannte dafür 1786 in einer Resolution die Kirchengemeinde als alleinige Eigentümerin des Kirchenbaus an, dessen Unterhaltspflicht jedoch weiter beim Fürstenhaus verblieb. Zu dieser Zeit hatte die Politik der religiösen Toleranz von Fürst Karl Christian in allen Landesteilen endlich zu einem friedlichen Miteinander der Konfessionen geführt. So konnte er noch erleben, dass ein lutherisches Gesangbuch in den Kirchen und Schulen der reformierten Gemeinden 1786 ohne Widerspruch angenommen wurde. Bautätigkeit in Weilburg Bei oberflächlicher Betrachtung scheint es, als seien in der Regierungszeit von Fürst Karl Christian kaum nennenswerte Bauten errichtet worden. Dieser Eindruck ist auch zumindest hinsichtlich Schloss, Kirchenbau und Regierungsgebäuden nicht ganz falsch, aber die Vorfahren Fürst Karl August und Graf Johann Ernst hatten zu ihrer Zeit entsprechende Bauvorhaben bereits in erheblichem Umfang ausführen lassen. Zieht man noch in Betracht, dass Weilburg bereits unter Fürst Karl August seinen Residenzstatus in den 1730er Jahren an Kirchheim verlor und Fürst Karl Christian erst nach 1770 seinen ständigen Aufenthaltsort von Den Haag in die nassauischen Stammlande verlegte, erscheint die in seine Regierungszeit fallende Bautätigkeit in Weilburg schon beachtenswerter. Beispielhaft für die in seinem Auftrag errichteten Bauten sind anzuführen: das Landtor (1758/68), das Zucht- und Arbeitshaus (1758), die Steinerne Brücke (1765-1769), das Amtshaus, heute Amtsgericht (1775/78), das Gymnasium (1776/80), die Kettenbrücke (heute Ernst-Dienstbach-Steg) zur Sicherung der Wasserversorgung (1784), das Posthaus (1786/87), der die alten Brückenhäuser umgebende Flutgraben (1787), die neuen Brückenhäuser (1788) und die Husarenkaser-ne in der Bogengasse (1783/86). Fürst Karl Christians Gemahlin Fürstin Karoline hatte von Haus aus eine sorgfältige musikalische Ausbildung erhalten, auf die ihre Mutter als Meisterschülerin Händels Wert gelegt hatte. Sie galt als „fertige Sängerin und glänzende Clavierspielerin“. Den Gesang gab die Fürstin später aus physischen Grün den auf, widmete sich aber noch ausgiebig dem Klavierspiel und veranstaltete an allen Werktagen Kammerkonzerte im Schloss. Mit der Hofhaltung in Nassau-Weilburg etablierte Fürstin Karoline ein Hoforchester, das auch Anerkennung über die Grenzen des kleinen Fürstentums hinaus fand. Mozart besuchte 1765 das Fürstenpaar in Den Haag, wo er vorspielte und Fürstin Karoline seine Klavier-Violinsonaten KV 26 bis 31 widmete. Ein Jahr später weilte er erneut am dortigen Hof und 1778 hielt Mozart sich fast eine Woche am Hof in Kirchheim auf. www.weilburg-lahn.info Seite 21 von 30 © R. Müller, 2010 Mozarts Mutter Anna Maria schrieb in einem Brief „sie ist eine ungemeine liebhaberin der Music, spilt Clavier und singt“ und W. A. Mozart selbst nennt sie eine „ausserordentliche liebhaberin von singen“ und gibt an, sie „habe ein ganz niedliches orchester“. Anlässlich eines Besuchs des Fürstenpaares in Maastricht (1774), verfasste Laur. Mar. Danner ein mehrstrophiges Jubelgedicht auf die Fürstin, aus dem hier eine Strophe zitiert sei: „Wo Ihr sitzet, wo Ihr gehet, / Müssen Rosen mit Euch gehn, / Wo Ihr lieget, wo Ihr stehet, / Müssen schöne Tulpen stehn, / Blumen müssen Euch bestreiten, / Und an jeden Ort begleiten.“ Fürst Karl Christians Gemahlin starb am 6. Mai 1787 in Kirchheimbolanden. Siebenundzwanzig Jahre war Fürstin Karoline, geb. Prinzessin von Nassau– Diez und Oranien, mit Fürst Karl Christian verheiratet gewesen. Ihre Beisetzung erfolgte „ohne alles Gepränge“ in der Gruft der Kirche St. Peter in Kirchheim. Fürstin Caroline hatte wahrscheinlich 16 Kinder geboren, von denen jedoch manche schon kurz nach der Geburt oder noch im Kindesalter starben, vielleicht auch schon tot geboren wurden, was die unterschiedlichen Angaben in der Literatur zur Kinderzahl erklären würde. Nur fünf Töchter und zwei Söhne erreichten das Erwachsenenalter, darunter Friedrich Wilhelm, 25. Oktober 1768 in Den Haag, † 9. Januar 1816 in Weilburg, der seinem Vater in der Herrschaft folgte. Abb. 7: Fürstin Karoline von Nassau-Weilburg Fürst Karl Christians Wiederverheiratung Nach dem Tod von Fürstin Karoline vertraute „der dem Grabe nahe Fürst“ dem Regierungspräsidenten Freiherr Friedrich Ludwig von Botzheim an, „daß seit dem ihn sehr niederbeugenden Absterben seiner Gemahlin er eine ihn beunruhigende Einsamkeit fühle“. Von Botzheim riet deshalb Fürst Karl Christian eine zweite standesgemäße Ehe einzugehen, was dieser jedoch ablehnte. Er war im Jahr nach dem Tod seiner Gemahlin die nähere Bekanntschaft mit Barbara Giesen (Giessen, Gießen) eingegangen, der katholischen Tochter eines Bürgers aus Kirchheim. Ihr hatte er als „geheime Gesellschafterin“ in einem Jagdhaus eine Wohnung einrichten lassen und so kam es, trotz deutlicher Dementis, zu Gerüchten über eine vollzogene Verheiratung des Fürsten mit Barbara Giesen. Dazu schreibt von Botzheim, dass der Fürst eine „Entschließung (faßte), die unter gewissen Einschränkungen nicht immer zu tadeln ist, wodurch jedoch der falsche Ruf einer vollzogenen Mißheyrath veranlasset www.weilburg-lahn.info Seite 22 von 30 © R. Müller, 2010 wurde. Den Ungrund dieses Gerüchts öffentlich hiermit zu betheuren, glaube ich der Asche dieses unvergeßlichen Fürsten schuldig zu seyn.“ Nach von Botzheims Angaben ist es demnach nicht zu der von Fürst Karl Christian gewünschten Ehe mit einer Bürgerlichen gekommen. Tatsächlich sind auch im „Neuen Genealogischen Reichs- und Staatshandbuch auf das Jahr 1795“ wie auch im „Genealogischen Staatshandbuch auf das Jahr 1802“ keine Angaben zu einer zweiten Ehe von Fürst Karl Christian enthalten. Im Widerspruch dazu stehen aber spätere Angaben, nach denen Fürst Karl Christian sich im Oktober 1788 mit der „Tochter eines Bürgers zu Kirchheim=Boland, morganatisch“ vermählte. Diese Angaben zu einer zweiten Ehe von Fürst Karl Christian finden sich erstmals im 66. Jahrgang des „Genealogischen Staatshandbuchs“, das im Jahr 1835 im Verlag Varrentrapp erschien und von Johann Ludwig Klüber bearbeitet worden war. Klüber gibt unter der Eintragung über Herzog Georg Wilhelm zu dessen Großvater Karl Christian an: „2te Gem. NN., Tochter eines Bürgers zu Kirchheim=Boland, morganatisch vm. im Oct. 788.“. Über diese Angaben informierte der Idsteiner Archivrat Schiffner das Herzogliche Staatsministerium in einem Schreiben vom 30 Juli 1836, damit dieses „in den Stand gesetzt werde, die Verfügung zu treffen, daß die von dem Publizisten Klüber in dem genealogischen Staatshandbuch aufgenommenen unwahren Angaben in dem künftigjährigen Staatshandbuch weggelassen werden“. Dieses Schreiben veranlasste die Herzoglich-Nassauische Landesregierung 1836 zu einer Untersuchung des Sachverhalts. Im Verlauf der Untersuchung durch die Regierung wurde aktenkundig, dass Fürst Karl Christian mit „Barbara Gießen in einem vertrauten Umgang lebte“ und Friedrich Wilhelm von Nassau Barbara Gießen wegen „ihres mit dem Fürsten Karl bestandenen Verhältnißes aus besonderer Gnade ein Capital von 12.000 Gulden“ schenkte um ihr daraus „eine lebenslängliche Pension von 1.000 Gulden jährlich gnädigst zu verwilligen“. Dokumentiert wurde im Verlauf der Untersuchung auch, dass „Barbara Gießen von Kirchheim nachher durch den Herrn Kurfürsten von der Pfalz in den Adelsstand“ erhoben wurde, den Adelszusatz „Edle von Kirschhausen“ führte und als verheiratete „Frau Leutnant von Polczinsky in Glaz“ lebte. Was die zweite Ehe des Fürsten Karl Christian betraf, kam man jedoch zu dem Ergebnis, dass Klübers Angaben im Staatshandbuch von 1835 nicht zutreffend seien und der Verfasser wurde aufgefordert, die gemachten Angaben zu widerrufen. Johann Ludwig Klüber war jedoch zwischenzeitlich verstorben (am 16. Februar 1837) und sein Sohn hatte die Arbeit am Folgeband des Staatshandbuchs fortgesetzt. Dieser erhielt die Aufforderung zur Berichtigung erst 1840 und zu diesem Zeitpunkt war der 67. Jahrgang des „Genealogischen Staats-Handbuchs“ bereits veröffentlicht worden (1839). Die von seinem Vater im 66. Jahrgang gemachten Angaben zu Fürst Karl Christian und dessen Wiederverheiratung hatte Friedrich Adolph Klüber beibehalten. Der Regierungsaufforderung zum Widerruf der unrichtigen Angaben konnte Friedrich Adolph Klüber daher nur entgegnen, dass der unter seiner Mitwirkung erfolgte Druck des „Genealogischen Staats-Handbuchs“ bereits 1839 abgeschlossen worden sei und er selbst bei künftigen Auflagen nicht mehr an der Herausgabe mitarbeiten würde. www.weilburg-lahn.info Seite 23 von 30 © R. Müller, 2010 So erging am 11. August 1840 ein Schreiben mit der Aufforderung zur Berichtigung im „Genealogischen Staats-Handbuch“ an den Herausgeber, die „Varrentrappische Buchhandlung in Frankfurt“. Darin wurde ausgeführt, dass „die fragliche Bürgerstochter niemals eine Gemahlin des verstorbenen Herrn Fürsten von Nassau-Weilburg war, auch nie mit Höchstdemselben morganatisch vermählt gewesen“ und man forderte deshalb, „daß die fragliche Unrichtigkeit in den künftigen Ausgaben des genealogischen Handbuchs berichtigt werde.“ In der „Allgemeine(n) Encyklopädie der Wissenschaften und Künste“ (1883) informierte Schwartz über das Untersuchungsergebnis der Herzoglich-Nassauische Landesregierung und die an Klüber ergangene Aufforderung zum Widerruf. Den durch Klübers Tod unterbliebenen Widerruf machte Schwartz verantwortlich für die in anderen genealogischen Werken veröffentlichten Angaben zur morganatischen Ehe von Fürst Karl Christian und schrieb dazu: „Es wäre zu wünschen, daß die entschieden unrichtige Angabe über eine morganatische Ehe des Fürsten Karl Christian […] berichtigt und überhaupt fernerhin nicht wiederholt würde.“ Schwartz‘ Hoffnung ging nicht in Erfüllung. Auch in neueren Stammtafeln wird Barbara Giesen aus Kirchheim als zweite Ehefrau, morganatisch 1788, von Fürst Karl Christian genannt. Noch weitergehendere Angaben veröffentlichte Koerber 1928 im 1. Band des „Kurpfälzischen Geschlechterbuchs“. Darin gibt er an: „Maria Barbara Thekla (Giesen, gen. von Münster) 18. 4.1755, † Glatz in Schlesien 1.3.1797, erhielt 14.9.1790 den Reichsadel im kurpfälz.=bayer. Reichsvikariat als ‚Edle v. Kirchhausen‘ mit dem Wappen B; 2 mal ∞ a) 2.10.1788 (morganatisch) mit d. Wwer. Karl Christian Fürst von Nassau-Weilburg.“ Zu Barbara Giesen schreibt Koerber in einer Fußnote, sie war „eine bekannte Schönheit. Ihr erhaltenes Bild zeigt eine sehr schöne, vornehme Erscheinung.“ Einen Beleg oder die Quelle für das angegebene Datum der morganatischen Eheschließung gibt Koerber nicht an. Der urkundliche Nachweis für die morganitische Eheschließung ist bisher nicht erbracht worden. Man darf deshalb wohl davon ausgehen, dass das schon von Botzheim erwähnte Gerücht nicht den Tatsachen entspricht, wenngleich der „Ungrund dieses Gerüchts“ nicht beweisbar sein wird. Eine belegbare und eindeutige Aussage kann aber derzeit nicht getroffen werden. Fürst Karl Christians Tod In Steinach (Donau) erlitt Fürst Karl Christian am 25. November 1788 einen Unfall und erlag am 28. des gleichen Monats auf seiner Besitzung Münsterhof (Dreisen) einem „Schlagfluss“ (Schlaganfall). Er wurde in Kirchheimbolanden in der Gruft der dortigen Paulskirche beigesetzt. Als Zeichen der Trauer verfügte die Regierung, dass „das gewöhnliche Trauergeläut sechs Wochen lang alltäglich von 11 bis 12 Uhr Mittags gehalten und alle öffentlichen Lustbarkeiten ein ganzes Jahr über eingestellt“ werden sollten. Außerdem wurde verfügt, dass „bei Amtsausfertigungen sich der Siegelring mit schwarzem Siegelwachs und Oblaten bediehnt, der Gebrauch des Papiers mit schwarzem Rand aber unterbleiben – endlich auch auf den II ten Januar künftigen Jahres eine Leichen- und Gedächtniß Predigt über den Text Hiob, Kap. 29. Vers 12, 13 und 14“ von allen Kanzeln zu halten sei und die „Civil-Dienerschaft“ hatte ein Jahr lang Trauer anzulegen. Der Zeitraum für das Verbot der „Lustbarkeiten“ und der www.weilburg-lahn.info Seite 24 von 30 © R. Müller, 2010 Trauerbekundung durch die „Civil-Dienerschaft“ wurde allerdings schon zwei Wochen später auf ein halbes Jahr verkürzt. Anlässlich einer Gruftöffnung am 17. September 1879 erschien eine Zeitungsnotiz, die angibt, dass Fürst Karl Christian ohne Glockengeläut beigesetzt worden sei. Dieser Sachverhalt und der plötzliche Tod des Fürsten sind dem Schreiber Anlass zu der Spekulation, dass der Tod des Fürsten durch einen Giftanschlag herbeigeführt worden sei, veranlasst durch eine beabsichtigte Heirat, die vom Fürstenhaus abgelehnt wurde. Schlussbemerkung An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass zwar ohne die Zustimmung und die finanzielle und ideelle Unterstützung des Landessouveräns Fürst Karl Christian die Arrondierungsabkommen, die Ausgestaltung der Hinterbliebenen- und der Armenversorgung, die kirchenund schulpolitischen Entscheidungen u. v. m. nicht hätten verwirklicht werden können, wesentliche Anteile bei allen Vorhaben jedoch des Fürsten Regierungspräsidenten Karl de La Pottrie und Friedrich Ludwig von Botzheim zuzurechnen sind. Ein unbekannter Verfasser schrieb 1763 eine „Cantate, welche bey der Höchstbeglückten Ankunfft …“ des Fürstenpaares in „Höchst=Dero Fürstlichen Residenz Weilburg mit Music aufgeführt werden soll.“ Als „Arie“ waren u. a. die folgenden Zeilen vorgesehen: „Den Seinen minder Herr, als Freund, / Der Unschuld Schutz, des Lasters Feind, / Carl, mehr ein Vatter als Gebieter / sey stets der Vorwurf meiner Lieder.“ Eine ähnliche Aussage zur Charakterisierung seines Fürsten tat Regierungspräsident Friedrich Ludwig von Botzheim. Er bediente sich dazu der Worte eines „beliebten Schriftstellers“ und diese sollen auch am Schluss dieses Aufsatzes zum Leben und Wirken von Fürst Karl Christian stehen: Er gehörte zu der kleinen Anzahl (von) Fürsten, in welchen man, so bald sie wollen, den Prinzen zwar ehrt, aber noch mehr den Menschen liebt.* * Das von Botzheim verwendete Zitat stammt aus: Meissner, August Gottlieb (1785): Bianka Capello, Leipzig, Dyckische Buchhandlung, S. 213. www.weilburg-lahn.info Seite 25 von 30 © R. Müller, 2010 Literatur- und Quellenverzeichnis Amend, Erwin (1984): Musik und Theater am Hofe zu Nassau-Weilburg. Herausgegeben von Bürgerinitiative „Alt-Weilburg“ e. V. Weilburg. Amend, Erwin (2006): Mozart wollte im Jahre 1777 "schnurgerade" nach Weilburg. Nassauer Begegnungen mit dem musikalischen Wunderkind. In: Weilburger Tageblatt, Heimat an Lahn und Dill, Jg. 167, 12.02.2006, S. 21. 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