Woran man den Nazi erkennt

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Woran man den Nazi erkennt
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Akt. 31.10.08; 16:49 Pub. 01.10.08; 13:35
Woran man den Nazi erkennt
von Daniel Huber
In Hamburg musste ein «Nazi-Laden» schliessen, weil er Kleider der Marke Thor
Steinar vertrieb. Nur Insider wissen: Statt Hakenkreuz und Springerstiefel trägt
der Nazi von heute Norwegerflagge und Thor-Steinar-Jacke. Der Nazi-Dresscode
wird immer unauffälliger.
Kürzlich musste in der Hamburger
Kontext-Box
Innenstadt ein Laden nach nur einem Monat
«Nazi-Laden» muss dichtmachen
wieder dichtmachen, der Kleider der Marke
Thor Steinar vertreibt. Weder in der Auslage
«Nazi-Laden» eröffnet in der
noch in der Beschriftung des Geschäfts
Einkaufsmeile
waren irgendwelche klassischen NaziSymbole sichtbar — dennoch musste ein Grossaufgebot der Polizei den Laden immer
wieder vor wütenden Demonstranten schützen.
Diese nämlich wissen: Der modebewusste Rechtsextreme von heute trägt Kleider der
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31.10.2008
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Marke Thor Steinar: «patriotische Kleidung» mit «nordischer Attitüde». Neonazis brauchen
längst keine Nazi-Symbole wie die in Deutschland verbotenen Hakenkreuze mehr, um sich
gegenseitig zu erkennen.
Der neue Nazi-Dresscode
Früher war alles viel einfacher: Wer freiwillig Glatze trug und dies mit Bomberjacke und
schweren Stiefeln kombinierte, war ein Rechtsextremer.
Zwar war dieses Erscheinungsbild nicht von Beginn weg rechtsradikal besetzt — es gab in
der Szene, die in der britischen Arbeiterschicht wurzelte, ebenso unpolitische und linke
Skinheads. Doch im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit setzte sich die Gleichung Glatze
= Nazi durch.
Seit einiger Zeit stimmt dies nicht mehr: In der rechten Szene hat eine Art Imagewandel
stattgefunden.
Zum einen haben manche Rechtsradikale den Dress-Code der autonomen Linken —
schwarze Kapuzenpullis, schwarze Baseballcaps und dunkle Sonnenbrillen — vereinnahmt,
so dass die Polizei bei Ausschreitungen zuweilen links und rechts nicht mehr
unterscheiden kann. Auch Mode-Elemente aus der eher unpolitischen Hip-Hop-Szene wie
weite Hosen und Basecaps haben im rechten Milieu Eingang gefunden; sogar modische
Kinnbärtchen sind mittlerweile nicht mehr tabu.
Zum andern legen sich viele Rechtsextreme diskretere und modischere Kleidungsstile zu
und versuchen so, völkische Symbolik und rechten Lifestyle salonfähig zu machen. Davon
profitiert beispielsweise das Label Thor Steinar der Firma Protex aus Königswusterhausen
(Brandenburg), das es den Rechtsradikalen ermöglicht, sich stilvoll und qualitativ
hochwertig zu kleiden, ohne Verrat an der eigenen Gesinnung zu üben.
Die rechtsextreme Symbolik ist dabei aber so codiert, dass nur Insider sie entschlüsseln
können. Sie richtet sich nicht provokativ gegen aussen, sondern dient diskret der
Festigung des Gruppengefühls im Innern. In Deutschland weicht der so gekleidete
Rechtsradikale ausserdem zugleich dem «Verfolgungsdruck» der Justizorgane aus: Trägt
der Nazi keine sichtbaren verfassungsfeindlichen Kennzeichen, hat die Polizei wenig
Handhabe.
Runen-Verwirrspiel und Flaggenklau
Das ursprüngliche Logo von «Thor Steinar» bestand aus zwei germanischen Runen: der
Tiwaz-Rune (oder Tyr- bzw. Pfeil-Rune), die im Dritten Reich unter anderem von der
Hitlerjugend und der SA verwendet wurde, und der Gibor-Rune oder Wolfsangel. Letztere
wurde von militärischen Einheiten im Zweiten Weltkrieg und der Werwolf-Organisation
benutzt.
Nachdem deutsche Gerichte dieses Logo als verfassungsfeindlich einstuften, entwarf Thor
Steinar 2005 ein neues, unverfänglicheres Logo, das ebenfalls eine Rune (die Gebo-Rune)
zeigt.
Zugleich intensivierte das Label seine Verwendung der norwegischen Flagge. Sie prangt
an der Aussenfläche der Geschäfte und auf den Kleidern selbst — sehr zum Missfallen des
skandinavischen Staates, der die Protex wegen «widerrechtlicher Verwendung staatlicher
Hoheitszeichen» bereits verklagt hat.
Thor Steinar ist nicht das einzige Modelabel, das im rechten Spektrum nach Kunden fischt.
Seit letztem Jahr ist die Kleidermarke Erik & Sons in diversen rechten Versanden
anzutreffen. Erik & Sons verwendet ebenfalls eine Rune (die Naudiz-Rune) als Logo. Und
wie bei Thor Steinar handelt es sich bei Erik & Sons um ein Label, das von
Rechtsextremen für Rechtsextreme betrieben wird.
Vereinnahmte Labels
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Das ist auch bei der Marke Consdaple der Fall, die von dem rechtsextremen PatriaVersand aus Landshut vertrieben wird. Consdaple lehnt sich mit seinem Schriftzug an das
englische Label Lonsdale an, das sich unter Neonazis ebenfalls grosser Beliebtheit erfreut.
Der einzige Grund dafür dürfte die Tatsache sein, dass bei Lonsdale-Shirts, die unter
geöffneter Jacke getragen werden, die Buchstabengruppe NSDA oft der einzig erkennbare
Namensbestandteil ist. Consdaple ermöglicht so sogar die gesamte Kombination NSDAP.
Lonsdale, eine alte britische Boxer-Marke, hat sich allerdings — wie Fred Perry, das
ebenfalls unfreiwillig zur Nazi-Kultmarke wurde — von seinem neonazistischen
Kundenkreis distanziert und unterstützt heute antirassistische Kampagnen. Gleichwohl hat
das Schriftdesign mit den sich zur Mitte hin verkleinernden Buchstaben des Labels im
rechtsextremen Umfeld stilbildend gewirkt: Neben Consdaple folgt auch das Nazi-Label
Masterrace Europe diesem Vorbild.
Einen Überblick über den Nazi-Dresscode finden Sie in unserer
Bildstrecke.
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