Auf dass das Ei springt
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Auf dass das Ei springt
26 B ER ATU NG 10/10 TORO 10/10 8 bis 12 Stunden, nachdem die Brunstsymptome abklingen, die Kuh sich wieder beruhigt, erfolgt der Eisprung. Auf dass das Ei springt Was geschieht in der Kuh, wenn sie stierig wird? Wie und wann kommt es zum Eisprung? Hat die Energieversorgung der Kuh Auswirkungen auf Eizelle und Eisprung? Fragen, die zum Fruchtbarkeits-Know-how jedes Betriebleiters dazugehören. jbg. Der Energiemangel kristal lisiert sich immer stärker zur weitreichenden Ursache von Un fruchtbarkeit und erfolglosen Be samungen heraus. Die Wissen schaft hat in den letzten Jahren interessante Zusammenhänge von Stoffwechselstörungen und Frucht barkeitsstörungen gefunden. Nun gibt sie Erklärungen, wie die «von aussen» weder zu erkennenden noch zu unterscheidenden Störun gen in der Reifung, Freisetzung und Befruchtung der Eizelle mit einer mangelhaften Energieversor gung der Kuh zusammenhängen. 0910_Auf_dass_das_Ei_springt_d.indd 1 Wichtig: Auch bereits länger zu rückliegende Energielöcher wir ken noch lange negativ nach. Eine Eiblase wächst Die Entwicklung der Eizellen be ginnt schon während des Fetalle bens, wenn die zukünftige Kuh noch nicht geboren ist, sondern als Fötus im Bauch ihrer Mutter ist. In ihrer Ausreifung unterbrochen, werden sie auf den Eierstöcken «schlafend» gespeichert. Wäh rend jedes Brunstzyklus werden mehrere Eizellen in mehreren Sti mulationswellen aus diesem Ru hezustand geweckt: Sie beginnen zu wachsen. Auch die sie umge benden kleinen Versorgungszel len vergrössern und vermehren sich. Sie bilden schliesslich die Wand einer kleinen Blase um die Eizelle herum, in der die Eizelle geschützt liegt. Eines dieser Bläs chen arbeitet sich zur sogenannten Brunstblase hervor und hemmt über einen komplizierten hormo nellen Regulationsmechanismus das weitere Wachstum aller ande ren kleineren Eibläschen. Bei Brunstbeginn misst eine solche Brunstblase ca. 12 mm im Durch messer. Innerhalb 24 Stunden wächst sie auf ca. 18 mm, bis sie als dünnwandiges, prallgefülltes Bläschen an der Oberfläche des Eierstocks liegt. Stoffwechsellage spiegelt sich wider Je grösser die Blase wird, desto mehr Flüssigkeit wird in ihrem In nenraum gebildet. Über diese Flüssigkeit wird die Eizelle er 01.12.10 16:40 27 B ER ATU NG 10/10 nährt. Sie hat für die Versorgung und Reifung der Eizelle eine Schlüsselrolle. Aktuelle Untersuchungen brachten wichtige Erkenntnisse, wie sich diese «Brunstblasenflüssigkeit» in Abhängigkeit von der Stoffwechsellage der Kuh in ihrer Zusammensetzung ändert. Die Konzentration von Blutzucker, Harnstoff, aber auch von Azetonstoffen bei Stoffwechselschieflage ist in der Blasenflüssigkeit ungefähr gleich wie im Blutspiegel: Wenn die Kuh gut mit Energie versorgt wird, wird auch ihre Eizelle in der Brunstblase gut ernährt. Wird der Stoffwechsel der Kuh wegen hoher Harnstoffwerte oder Azetonstoffen belastet, muss auch die Eizelle mit diesen Giften kämpfen. Stoffwechselstörungen der Kuh ändern also die Zusammensetzung der Brunstblasenflüssigkeit und schädigen die Eizelle. Eine Trächtigkeit kommt mit solchen Eizellen nur schwer zustande. Da die Eizellenentwicklung und -reifung mehrere Wochen dauert, wirken sich Energiemangelzustände in der ganz frühen Laktation häufig auch noch dann negativ aus, wenn die Kuh wieder besamt werden soll. Bei nur kurzer Rastzeit sind diese Effekte natürlich am stärksten. Interessant: Die Flüssigkeit in der Brunstblase ist in einer induzierten Brunst nach einer tierärztlichen Prostaglandingabe (3-Tages-Spritze) anders zusammengesetzt als in einer natürlichen Brunst – die Eizelle wird anders versorgt. Ist daher auch die Trächtigkeitsrate verändert? Eisprung nach Brunstende Die Brunstblase bildet ein Brunsthormon (Östrogen), welches wiederum über einen komplizierten Mechanismus dem Sexualzentrum im Gehirn signalisiert, dass die Brunstblase nun reif genug für den Eisprung ist. Die Hirnanhangdrüse schüttet darauf das Eisprunghormon (LH) aus. Die Eizelle wird von den Blasenwandzellen entkoppelt, die Blasenoberfläche an einer Stelle aufgelöst. Während des Eisprungs reisst hier die Blasenwand ein. Die Brunstblasenflüssigkeit spült die Eizelle in den Eileitertrichter, der sich über die Eisprungstelle des Eierstocks angelegt hat. Der sogenannte «Eisprung» ist in Wirklichkeit also eine «Ei-Ausspülung». Beim Rind findet dieser Vorgang nach dem Abklingen der äusseren 0910_Auf_dass_das_Ei_springt_d.indd 2 TORO 10/10 Eizelle mit Versorgungszellen Brunstblasenwand Mikroskopisches Bild eines Eisprungs. Die Brunstblasenoberfläche ist eingerissen, die Blasenflüssigkeit spült nun die grosse Eizelle, die von kleinen, schwarz gefärbten Versorgungszellen umgeben ist, hinaus. Brunstsymptome statt: Normalerweise rund 24 bis 36 Stunden nach Beginn der Hauptbrunst bzw. 8 bis 12 Stunden nach deren Ende. Der optimale Besamungs zeitraum Die Samenzellen müssen nach der Besamung noch ca. 6 Stunden im weiblichen Genitaltrakt ausreifen, bis sie überhaupt befruchtungsfähig sind. Sie werden an der Eileiterwand gebunden und «frisch gehalten» bis nach dem Eisprung. Die Ankunft einer gesunden Eizelle im Eileiter setzt die gereiften Samenzellen schlagartig wieder frei, die Befruchtung kann stattfinden. Damit die zeitlichen Abläufe zueinander passen, sollte zwischen 12 und 24 Stunden nach Beginn der Hauptbrunst/des Duldungsreflexes besamt werden. Verzögerter Eisprung wegen Energiemangels Viele Betriebsleiter beklagen sich, dass dieser vorgeschlagene opti- male Besamungszeitraum für manche ihrer Kühe nicht geeignet ist. Eine lang anhaltende Brunst oder eine Eiblase, die viele Stunden nach der eigentlich richtig terminierten Besamung immer noch nicht gesprungen ist, sind dann als Ursache für eine schlechte Trächtigkeitsrate in der Diskussion. Woher kommen diese zeitlichen Entgleisungen im Brunstablauf? In Untersuchungen aus den 70erund 80er-Jahren schwanken die Angaben, wie oft ein Eisprung später als 24 Stunden nach dem Abklingen der äusseren Brunstsymptome vorkommt, zwischen 19 und 31%. In einer neueren Studie (SARMENTO und BRAUN, 2006), die Kühe auf Betrieben in Baden-Württemberg untersucht, entdeckte man bei 46% der Tiere eine nichtgesprungene Eiblase 12 Stunden nach dem Brunstende. Das Phänomen ist also bei modernen Kühen wirklich häufig. Arbeiten der Uni Giessen zeigen, dass ein grosser Zusammenhang zwischen einer hohen Milchleistung der Kuh bzw. einer schlechten Energieversorgung in der Brunst Neue Forschungsergebnisse Eine schlechte Energieversorgung der Kuh schädigt deren Eizellen für längere Zeit und stört auch über diese Schiene die Fruchtbarkeit. Ein Energiemangel bringt zudem die zeitlichen Abläufe während des Eisprungs durcheinander und schiebt diesen hinaus. Besamung und Eisprung passen nicht mehr zusammen. Auch Eisprungspritze oder Doppelbesamungen sind nicht die Schlüssel zum Erfolg, wenn die Energieversorgung nicht passt. und einem verspäteten Eisprung besteht (WEHREND und BOSTEDT, 2005). Insbesondere ein niedriger Blutzuckerspiegel ist für eine Verzögerung des Eisprungsprozesses verantwortlich. Die Wissenschaftler vermuten daher, dass eine gezielte Propylenglykolgabe kurz vor oder während der Brunst bei Problemkühen, die immer wieder umrindern, einen positiven Effekt auf die Entwicklungsfähigkeit der Eizelle und den Ablauf des Eisprungs haben könnte. Zur Abschätzung der Trächtigkeitschancen kann vor dem Einsatz von besonders wertvollem (z.B. gesextem) Samen zudem ein Ketosetest (z.B. Ketolac®) helfen. Die Auswirkungen des Energiemangels auf die Abläufe vor und während des Eisprungs allein durch den Einsatz von Hormonen (z.B. Eisprungspritze) wieder gerade zu bügeln, wird dagegen nur in Ausnahmefällen zum Erfolg führen. Dazu sind die Störungen während der Eizellreifung und ihrer Freisetzung in den meisten Fällen viel zu komplex, als dass sie durch eine einzige Spritze kompensiert werden könnten. Langfristig wird nur die intensive Ursachenforschung und -behebung helfen. Bringts eine Doppel besamung? Ein anderer logischer Ansatz zur Problemlösung wäre, Kühe mit verzögertem Eisprung/verlängerter Brunst einfach doppelt (z.B. im Abstand von 24 Stunden) zu besamen, um die zeitlichen Abläufe von Besamung und Eisprung trotz Verspätung optimal zusammenzubringen. Leider haben wissenschaftliche Untersuchungen keine deutliche Verbesserung im Befruchtungsergebnis durch Doppelbesamungen bei verzögertem Eisprung ergeben. Man geht davon aus, dass die Eizelle in diesen Fällen überaltert und dadurch nicht mehr befruchtbar ist oder dass das Gebärmuttermilieu durch die lang anhaltende Brunsthormonwirkung und z.B. Azetonstoffe für einen Embryo ungünstige Bedingungen bietet. In der Praxis ist zudem die Diagnosestellung, ob es sich um einen verzögerten Eisprung handelt oder nicht, schwierig, sollten doch die Eierstöcke zur Besamung nicht berührt werden. 01.12.10 16:40