Konfliktmanagement – zentrale Aspekte

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Konfliktmanagement – zentrale Aspekte
Konfliktmanagement – zentrale Aspekte
Die meisten Menschen in unserem Kulturkreis verbinden mit dem Begriff „Konflikt“ etwas
Negatives, das Zusammenleben Bedrohendes und damit etwas, das es nicht geben soll, das
vermieden werden muss.
Das ist auf den ersten Blick verständlich, gibt es doch eher wenige Menschen, denen
Konflikte austragen Spaß bereitet.
Andererseits wird es den dauerhaft konfliktfreien Zustand in längerfristigen Beziehungen
wohl nicht geben. Konflikte kommen in vielen verschiedenen Erscheinungsformen vor.
Es folgt ein kurzer Überblick zu diesem umfangreichen Themenbereich. Er umfasst das
Wesen von Konflikten, Möglichkeiten, diese zu diagnostizieren und letztlich auch zu
„managen“.
1. Definition Konflikt
I find great humor in the fact that we ever take ourselves seriously.
We rarely recognize our own idiocies, yet we can clearly identify the
idiocies of others. That‘s the central tension of business:
We expect others to act rationally even though we are irrational.
(Scott Adams: The DILBERT Principle, 1996)
Adams beschreibt mit dieser Äußerung einen wesentlichen Aspekt eines jeden
Konfliktgeschehens: Während die Konfliktparteien vordergründig für sie durchaus
relevante Issues „verhandeln“, ist immer auch eine starke emotionale Betroffenheit der
Beteiligten gegeben. Diese ist meist negativ ausgeprägt und wird über den Verlauf des
Konfliktes zunehmend stärker.
Jiranek und Edmüller1 definieren einen Konflikt anhand folgender Kriterien, die alle
kumulativ gegeben sein müssen:
 Scheinbar unvereinbare Interessen
 Mindestens eine Partei ist dadurch stark emotional belastet
 Der Umgang mit dem Konfliktgegner ist ganzheitlich belastet.
 Der jeweils andere wird alleine für eine mögliche Lösung verantwortlich gemacht
Ein zusätzliches Kriterium soll hier ergänzt werden:

Das Konfliktgeschehen verläuft über mehrere Wochen, oft sogar über Monate oder
gar Jahre.
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1
JIRANEK, Heinz; EDMÜLLER, Andreas. 2003. Konfliktmanagement. Planegg: Rudolf Haufe
© Jegan – Human Resources Development, www.jegan.de
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2. Frühindikatoren für Konflikte
Dem geübten Beobachter werden folgende Symptome in der Alltagskommunikation
zwischen zwei Menschen oder Parteien auffallen, die per se noch keinen Konflikt
darstellen, jedoch das Potenzial für die Entstehung eines solchen in sich bergen:

Das Gesprächsklima wird rauer bzw. kälter.

Man greift zunehmend auf Formalismen (z.B. schriftliche Absicherung) zurück.

Distanzerzeugende Äußerungsformen nehmen überhand.

Es werden kaum noch Fragen aneinander gestellt, sondern fast nur noch
Forderungen erhoben sowie Erklärungen und Rechtfertigungen angeboten.

„Symmetrien“ in der Kommunikation nehmen eklatant zu.

Es werden vorschnelle Lösungen angeboten.2
3. Konfliktprävention
Die Kommunikationspsychologie bietet folgende hochwirksame Tools, um in einem PräKonflikt-Stadium obengenannte Indikatoren angemessen zu berücksichtigen.

Beziehungs-Check

Aktives Zuhören

Meta-Kommunikation
3.1. Beziehungs-Check
Bei ersten Irritationen reicht vermutlich bereits ein fragender Blick um dem anderen
zu signalisieren, dass ich etwas zwischen den Zeilen mitbekommen habe und es
gerne geklärt hätte.
3.2. Aktives Zuhören
Hier greift einer der beiden Gesprächspartner das Gehörte auf (Paraphrasieren) und
fragt aktiv klärend und vertiefend nach.
3.3. Meta-Kommunikation
Diese Intervention ist wesentlich stärker als die beiden vorangegangenen. Ein
Gesprächspartner unterbricht aktiv den inhaltlichen Gesprächsflow und thematisiert
stattdessen die kommunikative Qualität der Situation.
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2
JIRANEK, Heinz; EDMÜLLER, ebenda
© Jegan – Human Resources Development, www.jegan.de
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4. Konfliktdiagnose
Um Konflikte professionell zu diagnostizieren, bieten sich folgende Differenzierungen an3:

Konflikttypen

Konfliktdimensionen

Eskalationsgrad des Konfliktes

Temperatur des Konfliktes
4.1. Konflikttypen
Bei diesem Ansatz geht es um die Reichweite eines bestehenden Konfliktes. Wie
weit wollen die Konfliktparteien voraussichtlich gehen?

Friktionen, „Issue-Konflikte“

Positionskampf

Systemveränderungskonflikt
4.2. Konfliktdimensionen
Folgende fünf Analysefragen eignen sich besonders gut für die erste
Bestandsaufnahme mit den Konfliktparteien:

Welches sind die Themen des Konflikts?

Wer sind die Konfliktparteien?

Welche Beziehungen bestehen zwischen allen am Konflikt Beteiligten?

Wie ist der Konflikt bisher verlaufen?

Welche Einstellungen haben die Konfliktparteien gegenüber dem Konflikt?
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3
vgl. GLASL, Friedrich. 1998. Selbsthilfe in Konflikten. Wien: Freies Geistesleben
© Jegan – Human Resources Development, www.jegan.de
3
4.3. Eskalationsgrad des Konfliktes
Ein Konflikt wird nicht unbemerkt allmählich intensiver. Vielmehr eskaliert er in
deutlich voneinander unterscheidbaren Stufen. Zwischen jeder der Stufen gibt es
eine Schwelle, über die die jeweiligen Konfliktparteien aktiv schreiten müssen, um
zur nächsten Stufe zu gelangen. Diese Schwellen wären andererseits potenzielle
Bremsen, um ein weiteres Eskalieren zu verhindern.
Glasl unterscheidet folgende neun Stufen:

Verhärtung
Die Standpunkte verhärten zuweilen und prallen aufeinander. Die Stimmung hat
sich spürbar verschlechtert.

Debatte
Kampfkommunikation: ein eskalierendes Hin und Her von Argumenten. Das
Interesse, den anderen zu verstehen, nimmt ab.

Taten
Erste Versuche, den Konfliktpartner zu vermeiden (z.B. lieber beim
Betriebsausflug krank sein). Auch Unterlassungen sind Taten (z.B. Zurückhalten
von Informationen: jemanden „zufällig“ auf einem Verteiler vergessen).

Koalitionen
Versuche, den anderen zu belasten, z.B. durch Verweise auf dessen
Unfähigkeiten („XY ist von Projektmanagement wohl doch noch sehr
unbeleckt“). Vergrößerung der Arena: gezielte Suche nach Mitfühlern und
Mitwissern.

Gesichtsverlust
Wurden zuvor noch die Qualifikationen öffentlich angezweifelt, so geht es jetzt
um die ganze Person, oft mit willkürlichen, populärpsychologischen Analysen
(„Er hat eine intrigante Persönlichkeit“).

Drohungen
Zum ersten Mal werden - vor großem oder größerem Publikum – klare
Sanktionen angekündigt. Mit jeder Drohung geht es weiter in die Sackgasse,
denn Drohungen setzen meist denjenigen stärker unter Druck, der sie
ausspricht.

Begrenzte Vernichtungsschläge
Ein „Denkzettel“ soll den anderen tief verletzen. Der Saldo zwischen den
Verlusten wird als Gewinn gebucht.

Zersplitterung
Es geht nicht mehr um einen Denkzettel, sondern um gezielte, strategisch
geplante und möglichst effektive Vernichtung.

Gemeinsam in den Abgrund
Jetzt geht es um die Zerstörung um jeden Preis. Die Illusion, gewinnen zu
können, wird zum ersten Mal aufgegeben.
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4
4.4. Temperatur des Konfliktes
Konflikte beginnen immer warm oder heiß. Meistens bei Eskalationsstufe 3 oder 4
entscheidet sich, ob der Konflikt weiterhin heiß ausgetragen wird, oder ob er
(vorübergehend) eingefroren wird. Vorübergehend deshalb, weil Konflikte jederzeit ihre
„Betriebstemperatur“ auch wieder verändern können.

Heiße Konflikte
Große Euphorie, sein inhaltliches Ziel gegenüber dem anderen erreichen zu können
und damit verbunden gesteigerte Risikobereitschaft sind hier vorherrschend.

Kalte Konflikte
Hier ist die Kommunikation mit der anderen Seite zum Erliegen gekommen, Face-toface Kontakte werden möglichst vermieden, es herrscht hohe Frustration meist auf
beiden Seiten vor.
5. Konfliktinterventionen
Ist ein Konflikt präzise diagnostiziert und analysiert, kommt der Zeitpunkt, an dem
gezielte und sorgfältig geplante Interventionen nötig werden. Diese unterscheiden sich
fundamental von einem „Wir sollten mal miteinander reden“.

Moderationsgespräch
Hier soll ein tiefgreifendes Verständnis bezüglich Konfliktursachen,
Konfliktentwicklung und Folgen aus Sicht der jeweils anderen Partei erreicht werden.
Danach erarbeiten die Konfliktparteien je mindestens zwei mögliche
Lösungsalternativen für den Konflikt und stellen sie sich gegenseitig vor. Die
Konsens- und Dissensbereiche werden abgeklärt, die Dissensbereiche werden
schriftlich festgehalten. Bezüglich der Konsensbereiche werden klare, realistische
und messbare Vereinbarungen getroffen.

Rollenverhandeln (nach R. Harrison)
Ziel ist es, eine Veränderung im Verhalten zu bewirken, ohne auf tiefere Aspekte der
Persönlichkeiten oder Gruppen eingehen zu müssen. Es sollen konkrete,
überprüfbare Vereinbarungen auf der Basis von Gleichheit erzielt werden.

Kleine Kreditangebote
Durch begrenzte Vertrauensangebote der einen Seite wird auch die Gegenpartei zu
Vertrauenskundgebungen eingeladen.
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
Das Harvard-Konzept
Das Konzept nennt 4 Grundvoraussetzungen für erfolgreiche Verhandlungen:
Menschen, Interessen, Möglichkeiten und Kriterien.
Menschen:
Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln. Partner sollten sich Seite
an Seite sehen, wie sie gemeinsam Probleme angehen und nicht aufeinander
losgehen.
Interessen:
Nicht Positionen, sondern Interessen in den Mittelpunkt stellen. Positionen verdecken
oft, was Sie wirklich wollen; Kompromisse berücksichtigen nur selten die
menschlichen Bedürfnisse, die zu dieser Position geführt haben.
Möglichkeiten:
Betrachten Sie die Sache vom Standpunkt verschiedener Experten. Suchen Sie nach
Problemlösungen mit unterschiedlichem Wirkungsgrad (wo einig, wo uneinig, welche
weiteren Möglichkeiten gibt es?). Suchen Sie nach Vorteilen für beide Seiten.
Kriterien:
Das Ergebnis auf objektiven Entscheidungsprinzipien aufbauen. Die Lösung soll von
fairen Maßstäben bestimmt werden; neutrale Beurteilungskriterien sollen nicht auf
Druck aufbauen.
Es würde den Rahmen dieses Überblicks sprengen, jede der obengenannten
Interventionsstrategien an dieser Stelle ausführlich vorzustellen. Nur so viel:
Allen Strategien gemeinsam ist ein starker Strukturierungsgrad sowie die Forderung nach
einem hohen Maß an Disziplin.
Alle genannten Interventionen können grundsätzlich von den Konfliktparteien in
Selbsthilfe angewendet werden, also wenn keine Drittpartei als Konfliktbegleiter oder
Schlichter mit an Bord ist.
Gleichwohl würde es sicher eine erhebliche Entlastung für die Konfliktparteien bewirken,
wenn eine Drittpartei sich um den kommunikativen Prozess kümmerte.
Die Konfliktgegner könnten sich dann ausschließlich auf ihre Inhalte sowie auf die
Anliegen ihres Gegenübers konzentrieren.
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Literatur:
FISHER, Roger, URY, W., PATTON, B. 1993, (11). Das Harvard-Konzept.
Sachgerecht verhandeln - erfolgreich verhandeln. Frankfurt: Campus.
GLASL, Friedrich. 1998. Selbsthilfe in Konflikten. Wien: Freies Geistesleben
JIRANEK, Heinz; EDMÜLLER, Andreas. 2003. Konfliktmanagement. Planegg: Rudolf
Haufe
SCHULZ von THUN, Friedemann. 1981. Miteinander Reden 1: Störungen und
Klärungen. Reinbek: Rowohlt.
THOMANN, Christoph; SCHULZ von THUN, Friedemann. 1988. Klärungshilfe Konflikte im Beruf. Reinbek: Rowohlt.
VON HERTEL, Anita. 2003. Professionelle Konfliktlösung. Frankfurt: Campus
© Jegan – Human Resources Development, www.jegan.de
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