6 persönliche Berichte mit Informationen zum
Transcription
6 persönliche Berichte mit Informationen zum
Wen es trifft. 6 persönliche Berichte mit Informationen zum Schlaganfall und Hilfen für den Alltag 1 2 Inhalt Teil 1 Teil 2 Teil 3 Erfahrungen mit der Erkrankung – Medizinische 6 Betroffene erzählen Informationen Sozialpsychologische Informationen Seite 6 ”Ich habe noch einmal Glück gehabt.” Seite 10 ”In meinem Alter? – Ich konnte es kaum fassen.” Seite 14 Seite 30 1. Kapitel Ein Schlag – selten aus heiterem Himmel Seite 52 1. Kapitel Rehabilitation – Ein Weg öffnet sich Seite 36 2. Kapitel Risikofaktoren – und wie man ihnen begegnet Seite 60 2. Kapitel Wie es zu Hause weitergeht Seite 66 3. Kapitel Antworten auf Fragen Seite 72 4. Kapitel Wegweiser Tips Adressen ”Die verlorene Sprache wiederfinden.” Seite 44 Seite 18 ”Ich mußte allein neu anfangen.” Seite 22 ”Hätte ich doch...” Seite 26 ”Ein Schicksal, das wir beide meistern müssen.” 3. Kapitel Wenn sich ein Schlaganfall ereignet hat 3 4 Ein Schlaganfall ist weder ein unbeeinflußbarer Schicksalsschlag, noch kommt er für viele wie "ein Blitz aus heiterem Himmel". Das bedeutet: Man kennt heute eine ganze Reihe von Risikofaktoren, die das Auftreten eines Schlaganfalls begünstigen. Wer diese Risikofaktoren kennt, kann sein persönliches Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, möglichst klein halten. Da diese Risikofaktoren nicht nur Schlaganfälle, sondern zumeist auch noch weitere schwere Erkrankungen begünstigen, zahlt sich das Meiden dieser Faktoren gleich mehrfach aus. Eher selten tritt ein Schlaganfall ohne jegliche "Vorwarnung" auf. Leider nehmen viele Betroffene diese meist vorübergehenden Anzeichen eines drohenden Schlaganfalls nicht ernst genug. Wer jedoch solche warnenden Beschwerden und Anzeichen kennt und entsprechend darauf reagiert, hat eine ungleich höhere Chance, einem Schlaganfall zu entgehen. Kommt es zu einem Schlaganfall, so ist es ganz entscheidend, schnell zu handeln. Jeder Schlaganfall sollte – so wie es bei einem Herzinfarkt selbstverständlich ist – wie ein Notfall behandelt werden. Je schneller die Betroffenen kompetente ärztliche Hilfe in einem Krankenhaus erhalten, um so besser läßt sich der entstandene Schaden begrenzen. Dies hat erhebliche Konsequenzen auf das Ausmaß und die Zeitdauer der Behinderungen, die sich als Folgen eines Schlaganfalls einstellen. Einleitung J edes Jahr erleiden in Deutsch- Die Medizin hat in den letzten Jahren sehr viel hinzugelernt, um Schlaganfälle besser zu erkennen und zu behandeln. Glücklicherweise besitzt das menschliche Gehirn die erstaunliche Fähigkeit, beim Ausfall bestimmter Bezirke Nachbarregionen zu aktivieren, welche die verlorengegangenen Funktionen weitgehend übernehmen. Voraussetzung dafür ist eine früh begonnene und kontinuierlich fortgesetzte Rehabilitation. Das Motto für Patienten, die einen Schlaganfall erlitten und sich akut davon erholt haben, heißt 'Üben, üben und nochmals üben' – zunächst unter fachlicher Anleitung in einer Rehabilitationsklinik, später ambulant am Wohnort, aber auch alleine oder mit Hilfe der Angehörigen zu Hause. Am besten ist es jedoch zweifellos, es gar nicht erst zu einem Schlaganfall kommen zu lassen. Denn trotz aller therapeutischen Fortschritte und Maßnahmen zur Rehabilitation bleibt ein Teil der Betroffenen lebenslang pflegebedürftig. Auf der anderen Seite schätzen Experten, daß etwa die Hälfte aller Schlaganfälle vermeidbar wäre, wenn man Risikofaktoren meiden und die Vorboten eines drohenden Schlaganfalls ernst nehmen würde. Fundiertes Wissen um den Schlaganfall, um die Risikofaktoren, die ihn begünstigen, um die Vorboten und um die Bedeutung einer frühen Rehabilitation kann also ganz wesentlich dazu beitragen, einem Schlaganfall vorzubeugen oder – falls er bereits eingetreten ist – seine Folgen zu begrenzen. Diese Broschüre möchte dem Leser das dazu notwendige Wissen vermitteln. 5 land rund 500000 Menschen einen Schlaganfall; bis zu 1,5 Millionen Menschen leben hierzulande, die mit den Folgen eines Schlaganfalls zu kämpfen haben. Vor allem in den neuen Bundesländern nimmt die Häufigkeit von Schlaganfällen deutlich zu. Die Gründe hierfür sind noch nicht klar. Völlig klar ist dagegen, daß ein Schlaganfall– sofern er nicht sogar tödlich verläuft – das weitere Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen ganz erheblich verändern und prägen wird. Das läßt schon der medizinische Fachbegriff für den Schlaganfall– Apoplexus oder Apoplexie – erkennen. Der Begriff ist aus dem Griechischen abgeleitet und hat dort eine ganze Reihe von Bedeutungen: getroffen, betäubt, schlaff, bestürzt und niedergeschlagen. Diese Begriffe beschreiben wesentliche Aspekte des Schlaganfalls und lassen zugleich erkennen, daß diese Erkrankung mit körperlichem wie mit seelischem Leid verbunden ist. Teil 1 ”Ich habe noch einmal Glück gehabt.” 6 ”Ich habe noch einmal Glück gehabt.” Es klingt nach einem Klischee, aber schon als Junge haben mich die Reisen der großen Entdecker fasziniert. Mein Kleinjungentraum, ferne Länder zu bereisen und die entlegensten Winkel der Welt kennenzulernen, ist dank meines Berufes Wirklichkeit geworden. Als Fotograf begleite ich heute immer wieder Expeditionen. Von der vielbeschworenen Entdeckerromantik bleibt auf solchen Reisen kaum etwas übrig. Meine Arbeit ist hart und anstrengend. Tagelange Fußmärsche durch unwegsames Gelände mit 25 Kilogramm an Kameras, Objektiven und Stativ auf dem Buckel sind kein Zuckerschlecken. Dazu sitzt mir oft eine Redaktion im Nacken, die ungeduldig auf die Fotos wartet. Und doch – eine schönere Arbeit kann ich mir auch nach 25 Berufsjahren nicht vorstellen. Sich neuen Aufgaben und den damit verbundenen Strapazen zu stellen, ist für mich eine Herausforderung, die ich immer wieder gerne annehme. Die eigenen Grenzen kennenzulernen – das war es, was ich neben guten Fotos auf den Reportagereisen suchte. Heute kenne ich diese Grenze –␣ allerdings wurde sie mir wohl erst im nachhinein bewußt. Es begann vor etwa zwei Jahren. Ein Auftrag führte mich zusammen mit zwei Forschern einer US-amerikanischen Universität nach Zentralafrika. Ich begleitete sie bei der Besteigung eines Vulkans, den sie näher untersuchen wollten. Die Sache war nicht ganz ungefährlich. Der Vulkan war noch aktiv. Lava, die er von Zeit zu Zeit ausstieß, ließ daran keinen Zweifel aufkommen. Allerdings beruhigten mich die beiden Forscher damit, daß die Lava ziemlich zähflüssig sei und daher nur sehr langsam abfließe. Am Ende des ersten Tages erreichten wir zusammen mit den einheimischen Trägern, die wir engagiert hatten, um die umfangreiche Ausrüstung der Vulkanologen zu transportieren, das Basislager. Das Licht der späten Nachmittagssonne lockte mich trotz des strapaziösen Anmarsches, sofort ein paar Aufnahmen von der Umgebung unseres Camps zu machen. Ich entfernte mich ein Stück weit von den anderen, um die Spitze des Vulkankegels optimal ins Bild zu bekommen. Plötzlich wurde mir schwindelig. Ich setzte mich einen Augenblick auf den Boden: der Klimawechsel, 3000 m Höhe, der lange Anmarsch – damit versuchte ich, mein Schwindelgefühl zu erklären. Gewohnheitsmäßig, wie immer bei einer Rast, griff ich in die Hemdtasche, um eine Zigarette aus der Packung herauszufingern. Doch diesmal hielt ich inne, ließ den Glimmstengel stecken. Statt dessen versuchte ich, meinen Kreislauf durch ein paar Kniebeugen anzukurbeln. Doch es half wenig. Auf dem kurzen Rückweg fühlte ich mich beim Gehen unsicher; der Boden schien unter meinen Füßen zu schwanken. Erst zurück im Basislager war ich wieder in Ordnung. Am nächsten Morgen brachen wir um drei Uhr früh auf. Der Aufstieg war sehr anstrengend; manchmal mußten wir uns auf allen vieren hocharbeiten. Doch als wir den letzten Kamm überwunden hatten, belohnte uns ein phantastischer Sonnenaufgang. Am Kraterrand blickten wir in einen breiten Kegel mit zwei Schloten. Aus einem stieg heißer Dampf auf, im anderen blubberte flüssige Lava. Am späten Vormittag wagte einer der beiden Forscher den Abstieg in den Kra7 Hans-Werner Nolting ist 43 Jahre alt. Er arbeitet als freiberuflicher Fotograf für Zeitungen und Zeitschriften. Seine Spezialität sind Bildreportagen aus Wissenschaft und Natur. Hier berichtet er über ein Reiseerlebnis, das sein Leben verändern sollte. ter. Er wollte dort Gesteinsproben entnehmen. Ein Seil sicherte ihn, und er trug zum Schutz vor den aufsteigenden Vulkangasen eine Atemmaske. Auch ich seilte mich ein Stück weit ab. Auf einer vorspringenden Kruste fand ich endlich genügend Halt, um die atemberaubende Szenerie mit der Kamera einzufangen. Ich hatte, was ich wollte, und kletterte wieder zum Kraterrand hoch. Da überfiel mich ein heftiger Kopfschmerz. Meine Beine versagten, ich stürzte. Doch schon einen Moment später war der Spuk vorbei. Auf meine Begleiter wirkte der Vorfall wohl so, als sei ich über einen Stein gestolpert. Jedenfalls nahm niemand Notiz von meinem kleinen Malheur. Knapp ein halbes Jahr später saß ich nach wochenlangen Reisen endlich einmal wieder zu Hause vor dem Computer, um den liegengebliebenen Schreibkram zu erledigen. Da geschah etwas, was mich ungeheuer erschreckte. Ich hatte nämlich plötzlich das Gefühl, als blickte ich auf einen halbierten Bildschirm. Dann begann sich sogar alles um mich herum zu drehen. Panische Angst, wie ich sie nur selten erlebt hatte, ergriff mich. Ich spürte förmlich: Hier bedroht etwas mein Leben. Gleichzeitig schoß mir durch den Kopf, daß ich wohl nie wieder fotografieren könnte, wenn diese Störung anhalten sollte. Doch nach zehn Minuten war alles vorüber. Zum ersten Mal seit langer Zeit erinnerte ich mich nun wieder an die Ereignisse am Vulkan. Ich rief ein Taxi und fuhr in die Praxis meines Arztes. Da ich unangemeldet kam, mußte ich lange warten. Die Untersuchung ergab nur ein einziges auffälliges Ergebnis: meine Blutdruckwerte waren mit 180 zu 100 deutlich erhöht. Doch dummerweise vergaß ich dem Arzt von den Geschehnissen am Vulkan zu erzählen. Statt dessen fiel mir ein, daß bereits eine frühere Messung in einer Apotheke einen erhöhten Blutdruck angezeigt hatte. Der Arzt führte mein Erlebnis vor dem Bildschirm daher auf einen hohen Blutdruck zurück. Er beruhigte mich und verordnete mir Tabletten, mit denen ich zukünftig meinen Blutdruck medikamentös senken sollte. In der Zeit danach fühlte ich mich wieder pudelwohl. Einen Kontrolltermin beim Arzt versäumte ich, da ich schon wieder auf Achse war, und da ich im Ausland ein Medikament mit der gleichen Wirksubstanz ohne Rezept kaufen konnte, brauchte ich noch nicht einmal wegen einer neuen Pakkung in die Praxis. Außerdem traten die Störungen nicht wieder auf. Nach zwei, drei Monaten hörte ich daher auf, das Medikament zu nehmen. Der Zufall führte mich wenig später in ein neurologisches Forschungsinstitut, um dort zu fotografieren. Während der Mittagspause saß ich in der Kantine mit zwei Wissenschaftlern zusammen, die über ungewöhnliche neurologische Störungen fachsimpelten. Da erzählte ich ihnen von der 8 Sache am Vulkan und vor dem heimischen Computer. Beide sahen mich daraufhin ziemlich betreten an, und ich bereute es schon, das Gespräch auf dieses persönliche Thema gelenkt zu haben. Doch sie ließen nicht locker und stellten mir eine ganze Reihe von Fragen. Am Ende der Unterhaltung waren sich beide Mediziner ziemlich sicher, daß es sich bei diesen Vorfällen jeweils um eine kurzzeitige und vorübergehende Mangeldurchblutung meines Gehirns gehandelt haben mußte. Das, so warnten sie mich, sei als Alarmzeichen für einen Schlaganfall anzusehen. Die Information, daß Stunden, Tage, Wochen oder Monate nach solchen Alarmzeichen ein Schlaganfall folgen kann, versetzte mir einen gehörigen Schrek- ken. Nun wußte ich, daß es naiv und gefährlich wäre, das Erlebte einfach zu vergessen und so zu tun, als wäre nichts geschehen. Ich besorgte mir umgehend einen Termin bei einem Neurologen. Er untersuchte mich sehr gründlich; per Ultraschall versuchte er sich ein Bild von meinen Blutgefäßen im Kopfund Halsbereich zu machen. Seine Diagnose bestätigte den Verdacht der beiden Mediziner. Auch er sagte mir klipp und klar, daß ich nur mit sehr viel Glück an einem Schlaganfall vorbeigeschlittert wäre. Seitdem muß ich Medikamente einnehmen, die mich vor einem Schlaganfall schützen sollen. Sie allein wären für mich noch kein Problem gewesen. Doch der Neurologe riet mir dringend dazu, meine Ernährung umzustellen. Vor allem aber sollte ich das Rauchen aufgeben. Das mit der Ernährung bedeutete zwar für mich eine gewisse Umstellung. Doch auf meinen vielen Reisen hatte ich vielfältigste Kost kennengelernt und wußte, das bei einem guten Essen nicht unbedingt ein Steak auf dem Teller liegen muß. Nach einiger Zeit hatte ich daher meinen Speiseplan gründlich umorganisiert und lernte den hohen Anteil an frischem Gemüse und Obst richtig schätzen. Mit dem Griff zur Zigarette war es eine andere Sache. Seit meiner Jugend rauchte ich. Irgendwie, so redete ich mir immer wieder ein, gehört die Zigarette zu mir. Andererseits war mir nun klar, daß ich mit meinem Leben ein Spiel spiele, das ich gar nicht gewinnen kann. Ich begriff es schließlich als Herausforderung, von den Zigaretten wegzukommen. Es war ein harter Kampf. Doch wie so manch anderes Gefecht habe ich auch dieses – zumindest bis heute – gewonnen. Seit knapp sieben Monaten bin ich weg vom Nikotin. Für jeden weiteren Tag gratuliere ich mir dafür aufs neue. Ich habe meine Grenzen kennengelernt – nicht in Zentralafrika oder sonstwo in der Welt, sondern in mir. Und ich habe noch einmal Glück gehabt. 9 ”In meinem Alter?– Ich konnte es kaum fassen.” 10 ”In meinem Alter?– Ich konnte es kaum fassen.” Den Sonntag, an dem es passierte, habe ich so klar vor Augen, als sei er gestern gewesen. Es begann gleich morgens. Kurz nach dem Aufwachen – ich lag noch im Bett – bekam ich plötzlich heftige Kopfschmerzen. Es fühlte sich an, als würde mir jemand auf der rechten Seite lange Nadeln in den Kopf stechen. Ich massierte mir den Nacken, weil die Schmerzen bis dorthin ausstrahlten. Doch die Schmerzen wollten nicht verschwinden; statt dessen drehte sich alles um mich herum. Mir war so schlecht, daß ich mich übergeben mußte. Als ich etwas später ein Glas Wasser trank, bemerkte ich, daß ich kaum schlukken konnte. Jetzt bekam ich eine höllische Angst. Ich weinte vor Verzweiflung. Mein Freund und ich, wir kamen uns beide so hilflos vor. Als ich dann nur noch mit Schwierigkeiten atmen konnte, alarmierte er über die Feuerwehr den Notarztwagen. Nur zufällig strich ich beim Warten über meine rechte Wange – die Haut war nahezu taub. Jetzt bemerkte ich auch, daß mit der linken Körperhälfte etwas nicht stimmte. Mein Freund tastete den Arm und das Bein ab – auch hier das Gefühl, als wären sie eingeschlafen. Endlich traf der Notarzt ein. Ich wollte aufstehen, um zum Wagen hinunterzugehen. Doch ich konnte mich kaum auf den Beinen halten, so stark schwankte ich. Mein Freund hielt mich fest, und die Sanitäter transportierten mich auf einer Trage zum Wagen. Ich wollte dem Notarzt etwas sagen, doch so sehr ich mich auch anstrengte, ich lallte nur wie eine Betrunkene. Wäre mir dies auf der Straße passiert, hätten alle Passanten bestimmt geglaubt, ich hätte einen über den Durst getrunken. Schrecklich diese Erfahrung, daß man dringend Hilfe braucht, und man kann sich weder durch Sprache noch durch Gesten verständlich machen. Glücklicherweise war ja mein Freund mit dabei. Er hatte alles miterlebt und konnte nun dem Notarzt sehr wichtige Informationen über den Ablauf des Geschehens geben. Der Arzt hatte zum Glück gleich den richtigen Verdacht. Er vermutete einen Schlaganfall und ordnete an, mich in die Neurologische Abteilung der Städtischen Kliniken zu bringen. Auf der Station angekommen, verabreichte man mir sofort Medikamente. Außerdem wurde ich sehr sorgfältig untersucht. Die Ärzte wollten immer wieder wissen, wie weit sich meine Empfindungsstörungen ausdehnten und wie stark das Schlucken und Atmen behindert waren. Außerdem machte man spezielle Röntgenaufnahmen von meinem Gehirn, auf denen man es im Querschnitt sehen konnte. Doch die Bilder, so meinten die Ärzte, ließen noch keinen eindeutigen Befund zu. Deshalb machte man nun Spezialaufnahmen von meinen Blutgefäßen im Gehirn. Am nächsten Tag erklärte mir der Stationsarzt, man sei sich nun über die Ursache meiner Beschwerden im klaren. Er zeigte mir die Röntgenaufnahmen, auf denen die Blutgefäße des Kopfes zu sehen waren. Selbst ich als Laie konnte den Schaden sehen: Eine Ader, die von der Wirbelsäule aus in den Schädel führt, war verschlossen. Bis heute wundere ich mich darüber, daß ein so winziger Pfropfen so schwerwiegende Folgen haben kann. 11 Marion Hentschel ist 30 Jahre alt und arbeitet als Juristin bei einer Versicherung. Vor drei Jahren erlitt sie kurz vor ihrem Examen einen Schlaganfall. Nach drei Wochen hatte sich mein Zustand gebessert. Meine Sprachstörungen waren sogar fast vollständig zurückgegangen. Der Stationsarzt legte mir nahe, sofort nach der Entlassung zu einer Anschluß-Heilbehandlung in eine Rehabilitationsklinik zu gehen. Nach den schlimmen ersten Tagen hatte ich inzwischen etwas von meinem Lebensmut wiedergefunden. Mein Freund besuchte mich jeden Tag. Er konnte sich wirklich gut in meine Lage versetzen, und wir sprachen viel miteinander über die neue Situation und darüber, wie es in Zukunft weitergehen könne. Ich glaube, diese schwere, gemeinsame Erfahrung hat uns einander nähergebracht. Nach der vierten Woche konnte ich die Neurologische Abteilung verlassen; gut eine Woche später fuhr ich in die Reha-Klinik – mit gemischten Gefühlen. Nach dem Aufenthalt in den Städtischen Kliniken wäre ich gerne erst für einige Zeit zu Hause geblieben, zumal ich mit einer Reha-Klinik unangenehme Vorstellungen verknüpfte. Ich stellte mir Krankenhausgeruch, reglementiertes Leben und sterile, unpersönliche Zimmer vor. Ein reines Vorurteil, schließlich hatte ich auch noch nie eine solche Klinik von innen gesehen. Die Reha-Klinik lag etwa 100 Kilometer von unserem Wohnort entfernt. Mein Freund konnte mich also regelmäßig besuchen. Ich bekam ein Einzelzimmer, und weder das Zimmer noch der Rest des Hauses erinnerten an ein Krankenhaus, eher an ein Hotel. Auch die zunächst befürchtete Langeweile stellte sich nicht ein. Im Gegenteil, ich war sehr beschäftigt. Nach der ärztlichen Aufnahmeuntersuchung stellte man mir die Krankengymnastin, den Ergotherapeuten und die Psychologin vor. Ich merkte bald, daß alle eng zusammenarbeiteten. Jeder ging geduldig auf meine Fragen ein. Und Fragen hatte ich eine ganze Menge. Eine, die mich nicht losließ, war: Wie kann das passieren – ein Schlaganfall mit 27 Jahren? Ein Mitpatient wollte mich einmal, als meine Gedanken wieder um diese Frage kreisten, mit dem Hinweis trösten, es könne im Grunde jeden treffen. Mich beunruhigte damals diese Vorstellung noch mehr, wahrscheinlich, weil ich große Angst vor einem weiteren Schlaganfall hatte. Ich begann, Bücher zum Thema Schlaganfall zu lesen. Darin erfuhr ich viel über Risikofaktoren und mußte feststellen, daß einige dieser Faktoren auch auf meine Situation zutrafen: Seit der Schulzeit nahm ich die Pille, außerdem rauchte ich. Rauchen allein ist bereits ein Risikofaktor, aber in der Kombination mit der Einnahme von Antibabypillen wiegt er noch schwerer. Und mein Zigarettenkonsum hatte sich im Laufe der Jahre gesteigert. Etwa ein Jahr vor dem Schlaganfall hatte ich einen Job als Bedienung in einem Studentenlokal angenommen, um mein Studium zu finanzieren. Seitdem kam ich mit einer Schachtel Zigaretten am Tag nicht mehr aus. Doch zu diesen Risikofaktoren kam bei mir noch etwas hinzu. Der Arzt in der Reha-Klinik erklärte mir, was in meinem Körper vorgefallen war: Eine meiner Herzklappen hatte sich krankhaft verändert. Auf ihr, so vermutet man heute, saß wohl ein Blutgerinnsel, das sich ablöste und mit dem Blutstrom zu dem Gefäß am Hinterkopf vordrang. Dort blockierte es dann wie ein Korken den Blutstrom. Heute nehme ich regelmäßig Medikamente ein, die verhindern sollen, daß sich das gleiche noch einmal wiederholt. 12 So sind bei mir wohl drei Risikofaktoren zusammengekommen, die letztlich zum Schlaganfall führten: die Pille, das Rauchen und die veränderte Herzklappe mit dem Blutgerinnsel. Seitdem wir das wissen, verhüten mein Freund und ich eben mit anderen Methoden. Schwerer war es, aufs Rauchen zu verzichten. Doch auch dabei half mir die RehaKlinik: Ich schloß mich einer Raucherentwöhnungsgruppe an. Für mich war es der richtige Weg, um mein Nikotinlaster loszuwerden. Dank der Krankengymnastik in der Reha-Klinik gelang es mir nicht nur, immer sicherer auf den Beinen zu stehen, ich lernte auch wieder zu gehen. Ganz allmählich wurden die Bewegungsabläufe flüssiger. Anfangs fehlten mir zwar noch Kraft und Ausdauer für die Übungen, doch beides erlangte ich langsam wieder. Der Ergotherapeut übte mit mir die alltäglichen Handgriffe ein, dadurch besserte sich vor allem das Empfindungsvermögen der Hand. Wichtig waren aber auch die Gespräche mit der Psychologin. Mit ihr konnte ich offen über meine Angst und mein angeknackstes Selbstwertgefühl sprechen. Sie hat mir dabei geholfen, mich selbst mit meiner Krankheit anzunehmen. Nach dem Aufenthalt in der Reha-Klinik war die Rehabilitation jedoch noch längst nicht zu Ende. Regelmäßig ging ich weiterhin zur Krankengymnastik und übte zu Hause allein. Ich merkte genau, daß mich jeder Tag, an dem ich nicht trainierte, im Heilungsprozeß zurückwarf. Es war wie das ständige Schwimmen gegen den Strom, um nicht unterzugehen. Mich und meinen damaligen Freund – wir sind mittlerweile verheiratet – hat der Heilungsprozeß viel Kraft und Geduld gekostet. Aber es hat sich gelohnt. Nach etwa neun Monaten waren die Beeinträchtigungen so weit zurückgegangen, daß ich das Examen in Angriff nehmen konnte. 13 ”Die verlorene Sprache wiederfinden.” 14 ”Die verlorene Sprache wiederfinden.” Der schreckliche Tag vor sieben Jahren und seine Folgen haben das Leben in unserer bis dahin ganz normalen Familie von Grund auf verändert. Mein Mann war damals 42, ich 38, unsere beiden Söhne 17 und 14 Jahre alt. Er war mit Leib und Seele Schiffer. Als Schiffsführer fuhr er zuletzt durch halb Europa. Nach drei Wochen Fahrt bekam er immer eine Woche frei. Dadurch ließ sich sein Beruf mit dem Familienleben gut vereinbaren. Noch eine Woche vor seinem Schlaganfall war er bei dem von der Firma vorgeschriebenen Gesundheits-Check, den er jährlich machen mußte. Bis auf Probleme mit den Bandscheiben war, wie immer, alles in Ordnung. Er hatte nur ein Laster: Er rauchte zwei bis drei Schachteln Zigaretten am Tag. Niemand konnte ihm das ausreden, weder ich noch die Ärzte. Der Tag, an dem es passierte, lag in seiner Freiwoche. Ich hatte, jetzt, wo die Kinder älter wurden, wieder zu arbeiten begonnen und war deshalb nicht zu Hause. Mein Mann baute im Keller ein Regal auf. Gegen 10 Uhr wurde ihm unwohl. Er nahm das nicht weiter ernst und werkelte weiter. Gegen 11 Uhr rauchte er seine letzte Zigarette. Nach einem Hustenanfall fiel er einfach um. Nur ganz mühsam schleppte er sich vom Keller ins zweite Stockwerk. Er wollte mich an meiner Arbeitsstelle anrufen, konnte jedoch das Telefon nicht mehr bedienen. Glücklicherweise gelang es ihm wenigstens, eine Treppe tiefer die Wohnung meiner Mutter zu erreichen. Als sie ihm öffnete, konnte er nicht mehr sprechen. Dann fiel er erneut um. Sein Gesicht war ganz verschoben und die rechte Körperhälfte gehorchte ihm gar nicht mehr. Meine Mutter rief mich sofort an. Ich ließ alles stehen und liegen und war fünf Minuten später zu Hause. Ich ahnte sofort, daß mein Mann einen Schlaganfall erlitten hatte. Also rief ich den Notarztwagen. Ich forderte, daß man meinen Mann in die Neurologische Klinik der nahe gelegenen Universität und nicht ins näher gelegene Kreiskrankenhaus bringen sollte. Of- fenbar trat ich bestimmt genug auf, denn der Notarzt entsprach meinem Wunsch. Gegen 13 Uhr wurde mein Mann dort ärztlich versorgt. Danach kam er sofort auf die Intensivstation. Auf der zuerst gemachten Computertomographie konnten die Ärzte noch keinen Krankheitsherd im Gehirn entdecken. Doch bei einer Röntgenuntersuchung der Gehirnarterien, bei der man ein Kontrastmittel benutzt, fanden sie schließlich den Verschluß einer großen Hirnarterie, der einen sehr schweren Schlaganfall verursacht hatte. Mit meinem Einverständnis versuchten die Ärzte, das Gerinnsel aufzulösen. Wie ich später erfuhr, gelang dies aber nur teilweise. Danach lag mein Mann über eine Woche auf der Intensivstation. Die Ärzte machten uns keinerlei Hoffnung. Ich hörte sofort auf zu arbeiten und war nun jeden Tag fünf bis sieben Stunden bei meinem Mann. Gut war nur, daß sich meine Mutter und meine Schwester um unsere Söhne kümmerten. Obwohl die Ärzte so pessimistisch waren, hat es mein Mann dann tatsächlich geschafft. Man verlegte ihn nun auf die normale Pflegestation. Erst hier wurde mir so richtig bewußt, wie 15 Herbert Kauertz kann seit seinem Schlaganfall nur noch schlecht verständlich sprechen und nicht schreiben. Deshalb hat seine Frau ihre Erinnerungen hier aufgezeichnet. schlimm die Zerstörung im Gehirn sein mußte. Mein Mann konnte kaum sprechen, und seine ganze rechte Seite war gelähmt. Er lag hilflos da wie ein Säugling. Am meisten beunruhigte mich, daß wir uns nur so mühsam verständigen konnten. Ich hatte zwar das Gefühl, daß er mich verstand, aber er konnte mir dies nicht zeigen. Ich glaube, es ist für einen Außenstehenden kaum möglich, das nachzuempfinden, was in diesen Tagen in meinem Kopf vorging. Dank der Krankengymnastik, mit der man frühzeitig begann, machte mein Mann die ersten Fortschritte. Es ging ein bißchen bergauf, und der ängstliche Ausdruck in seinem Gesicht wurde immer seltener. Na ja, Optimisten waren wir schon immer. Die Krankengymnastin übte mit ihm auf eine ganz spezielle Weise, um die Muskelspannungen zu vermindern, die bei den Bewegungen auftreten. Außerdem bekam er Bewegungsbäder, lernte mit Unterstützung zu stehen und den Rollstuhl zu verlassen. Nach diesen Anfangserfolgen kümmerten sich die Ärzte um einen Platz in der Rehabilitationsklinik. Sie sagten uns, die AnschlußHeilbehandlung sollte möglichst bald nach seiner Entlassung erfolgen. Gut war, daß mir eine Sozialarbeiterin bei den notwendigen Formalitäten half. Außer der Krankengymnastik bekam mein Mann auch eine Behandlung wegen seiner Sprachstörung. Eine Logopädin machte mit ihm eine Sprachtherapie. Sie glaubte auch, daß die Behandlung bei ihm anschlug. Der Professor bemühte sich dann sogar persönlich darum, daß mein Mann nach der Anschluß-Heilbehandlung einen Platz in einer speziellen Sprachabteilung einer anderen Universität bekam. Leider war das sehr weit von zu Hause weg. Zweieinhalb Monate lag mein Mann im Krankenhaus. Vier Wochen war er zu Hause, bevor er in die Reha-Klinik kam. Während dieser Zeit übten wir fleißig zu Hause nach den Anweisungen der Krankengymnastin. Mein Mann konnte jetzt zwar stehen, hatte jedoch noch arge Probleme mit dem Gleichgewicht. Nur mühsam konnte er gehen. Dabei zog er das rechte Bein immer im Halbkreis um sich herum. Den Stuhlgang konnte er nicht sicher kontrollieren; Waschen, Zähneputzen und Rasieren war alleine nicht möglich. Auch Lesen und Schreiben konnte er noch nicht. In dieser Zeit hatte ich den Eindruck, daß die Sprache wieder schlechter bei 16 ihm wurde. Als er dann bei uns in der Gegend in die Reha-Klinik kam, konnte ich die meiste Zeit bei ihm sein. Das war wirklich wichtig, nicht nur, weil wir zusammen waren, sondern weil ich in der Klinik auch lernte, wie ich meinen Mann später zu Hause noch besser unterstützen kann. Jetzt machte er immer deutlichere Fortschritte bei seinen Bewegungen: Die Ergotherapeuten kümmerten sich besonders darum, daß er seinen Arm und die Hand wieder besser einsetzen konnte – sie nannten das Programm "Das Handeln im täglichen Leben" – und zeigten uns auch den Umgang mit verschiedenen Hilfsmitteln. Um die Fortschritte, die mein Mann machte, zu festigen, verlängerte man die Behandlung in der RehaKlinik auf insgesamt zweieinhalb Monate. Leider blieb seine fast völlige Unfähigkeit zu sprechen. Mein Mann empfand diese Sprachlosigkeit wie eine Mauer, die ihn von der Umwelt abtrennt. Ich brauchte damals viel Kraft und Geduld; nur schwer gelang es mir, mich in ihn hineinzudenken und ihn zu verstehen. Mit großen Erwartungen fuhren wir beide dann in die Sprachabteilung der Universitätsklinik. Es gab dort eine sogenannte Aphasiestation, ich finde, das ist eine ganz tolle Sache. Hier wurde mein Mann zusammen mit 15 gleichartigen Patienten sieben Wochen lang behandelt. Doch die Ärzte, Psychologen und Logopäden betreuten nicht nur die Patienten intensiv, auch für uns Angehörige gab es Seminare. Wir konnten über unsere Probleme reden, außerdem gab man uns wichtige Tips, die sich später im Alltag als wirklich hilfreich erwiesen haben. Dank dieser Seminare kann ich mich heute besser auf die Denkweise und die Gemütsbewegungen meines Mannes einstellen. Ich weiß, daß er wie ein Sprachgesunder denkt und fühlt, und ich kenne das wirkliche Ausmaß seines Leidens. Sogar dem Sinn seiner rätselhaften Sätze kam ich langsam näher. Allerdings mußte ich mich ganz schön bremsen, um ihm nicht ins Wort zu fallen oder ihm mit einem Wort auszuhelfen, solange er nach dem richtigen Begriff sucht. So- gar das Schreiben nach Diktat hatte sich bei ihm auf der Station deutlich gebessert. Allerdings haben wir auch festgestellt, daß sich ohne ständiges Üben seine Fähigkeiten fast unweigerlich verschlechtern. Im Herbst 1989 bekam mein Mann eine zweite Behandlung auf dieser Aphasiestation. Während dieses Aufenthaltes erlitt er einen epileptischen Anfall. Die Ärzte sagten uns damals, dies könne einmalig auftreten, der Anfall könne sich aber auch wiederholen. Medikamente gegen die Epilepsie bekam er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Trotz des Anfalls sahen wir inzwischen voller Hoffnung in die Zukunft. Doch es kam ganz anders. Wir saßen am Tag vor Sylvester 1989 gerade vor dem Fernseher, als mein Mann einen zweiten epileptischen Anfall bekam. Sein linker Arm zitterte und zuckte plötzlich. Er konnte das nicht unterdrükken, im Gegenteil, die Bewegungen wurden so stark, daß er sich den linken Oberarm zertrümmerte. In der Klinik stellten die Ärzte einen Oberarmkopfbruch fest. Das Kugelgelenk mußte entfernt und durch einen künstlichen Gelenkkopf ersetzt werden. Seit diesem Anfall muß mein Mann auch Medikamente gegen epileptische Anfälle einnehmen. Um den für ihn so wichtigen Arm wenigstens wieder teilweise gebrauchen zu können, mußte er erneut in die Rehabilitationsklinik. Dort erhielt er auch wieder eine logopädische Behandlung, die ich nun zu Hause, so gut es eben geht, weiterführe. Im Frühjahr 1994 war dann der letzte Reha-Aufenthalt notwendig. Nun galt es, das Erreichte zu festigen. Die Ergotherapeuten sprachen von "Hilfe zur Selbsthilfe". Und dieses Ziel haben wir wohl erreicht. Mein Mann kann sich inzwischen weitgehend alleine waschen, Strümpfe, Unterwäsche und Trainingsanzug zieht er ebenfalls ganz alleine an. Nur bei anderen Kleidungsstücken muß man ihm helfen. Bei den Mahlzeiten schneide ich ihm die festen Speisen in mundgerechte Stücke. Mit dem Stuhlgang klappt es, bis auf wenige Ausnahmen, ganz gut. Für Fremde bleibt seine Sprache ein großes Problem. Über vertraute Themen kann man sich mittlerweile ganz gut mit ihm unterhalten. Zahlen kann er leidlich leserlich schreiben, doch um Worte zu entziffern, die er geschrieben hat, bedarf es schon viel Phantasie. Zurückblickend denke ich, daß mein Mann von Anfang an wirklich gut versorgt wurde. Und wir werden ganz bestimmt nicht aufgeben, um durch intensives Üben eine weitere Besserung zu erzielen. 17 ”Ich mußte allein neu anfangen.” 18 ”Ich mußte allein neu anfangen.” Schon seit ein paar Tagen fühlte ich mich unwohl. Mich plagten starke Kopfschmerzen. So etwas kannte ich bisher nur vom Hörensagen. Dazu kam ein schwer zu beschreibendes Gefühl – eine eigenartige Leere im Kopf. Zudem war ich unkonzentriert, reagierte plötzlich sehr gereizt. Das paßte gar nicht zu mir, denn eigentlich bin ich meistens gut gelaunt, und selbst wenn es im Laden mal hoch hergeht, lasse ich mich durch die Arbeit nicht unterkriegen. "Was ist bloß los mit dir?" fragten schon die Arbeitskollegen und redeten auf mich ein, zum Arzt zu gehen. Ich kam mir bei diesem Gedanken komisch vor. Was sollte ich schon haben? Dennoch machte ich einen Termin aus. Der Arzt fragte nach meinen Beschwerden und hat mir den Blutdruck gemessen. Die letzte Messung lag schon Jahre zurück. Damals hatte ich erhöhten Blutdruck, habe dem aber keine Bedeutung beigemessen. Schließlich hatte ich bis dato keinerlei Beschwerden. Diesmal war das Ergebnis ziemlich besorgniserregend: 195 zu 115 – ein viel zu hoher Wert. Der Arzt fragte, ob ich rauche oder Alkohol trinke. Beides konnte ich guten Gewissens verneinen. Der Arzt meinte, daß meine Beschwerden wahrscheinlich mit dem Blutdruck zusammenhingen, allerdings sei die Ursache dafür unklar. Er verschrieb mir ein blutdrucksenkendes Medikament und bestellte mich für die darauffolgende Woche zu weiteren Untersuchungen. Doch dazu kam es nicht mehr. Drei Tage später – es war um die Mittagszeit – bediente ich einen ziemlich nervigen Kunden. Er brauchte einen großen Karton Kopierpapier und hatte es sehr eilig. Im Laden haben wir nur einzelne 500-Blatt-Packungen. Für einen vollen Karton mußte ich ins Lager. Da meine Kollegen bereits zu Tisch waren, konnte mir auch keiner beim Tragen helfen. Also wuchtete ich im Lager den Karton ganz allein aus dem untersten Regalfach. Der Brocken war so schwer, daß ich ihn nur mit aller Kraft hochheben konnte. Als ich mit dem Karton zurück in den Laden kam, setzte ein stechender Kopfschmerz ein. Ich mußte den Karton sofort hinstellen, mein linker Arm war total kraftlos und ich fühlte ein Kribbeln, so als ob er eingeschlafen wäre. Schließlich wurde mir übel – und dann riß der Faden. Eine Krankenschwester erzählte mir später, daß mich ein Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht hätte. Ich war bewußtlos gewesen, und die Ärzte haben eine Blutung in der rechten Hirnhälfte festgestellt. Noch am selben Tag hat man sich entschlossen, mich am Kopf zu operieren, weil mein Zustand lebensbedrohlich wurde. Später erklärte mir der Arzt, was passiert war: Mein ohnehin ziemlich hoher Blutdruck war durch die Anstrengung beim Heben und Tragen des schweren Kartons noch weiter gestiegen. Dadurch platzte ein kleines Blutgefäß, und das auslaufende Blut ergoß sich ins Gehirn. Da der knöcherne Schädel jedoch nicht nachgibt, drückte die Blutung auf das weiche Hirngewebe. Je größer sie wurde, desto kritischer wurde auch mein Zustand. Deshalb mußte man mich operieren. Der Arzt sagte noch, daß diese Form des Schlaganfalls relativ selten auftrete. Als Trost meinte er, daß sich dank der frühzeitigen Operation die Lähmungen bald zurückbilden sollten. Die Zeit im Krankenhaus werde ich nicht vergessen. Mir machte nicht nur 19 Ilse Berowski ist 51 Jahre alt. Seit ihrer Scheidung vor 6 Jahren lebt sie allein. Bis vor kurzem war sie als Verkäuferin in einem Bürofachgeschäft tätig. Jetzt wagt sie einen Neuanfang. Sie schildert hier ihren Fall, wie er sich in den letzten vier Monaten zugetragen hat. die Lähmung der linken Körperhälfte zu schaffen; der Schlaganfall hatte mich auch innerlich getroffen. Ich war mir selbst fremd geworden. Bisher war ich selbstbewußt und mit mir und meiner Situation zufrieden. Jetzt aber erlebte ich mich hoffnungslos. Ich weinte damals viel, vor allem nachts. Den Arbeitskollegen, die mich in der Klinik besuchten, ist meine Erkrankung wohl sehr nahegegangen. Ich glaube, einige haben ganz schön Angst bekommen, daß sie selbst solch ein Schlaganfall treffen könnte. Eine Kollegin, bei der ich fest damit gerechnet hatte, daß sie mich im Krankenhaus besucht, hat sich jedenfalls in der ganzen Zeit nicht ein einziges Mal blicken lassen. Auch dies war eine schlimme Erfahrung: Die ersten, die man nicht wiedersieht, wenn man krank ist, sind die Bekannten, mit denen man sonst schon mal ein wenig gefeiert hat. Damit habe ich auch irgendwie gerechnet. Viel schlimmer war für mich, daß mit der Zeit auch immer weniger von denjenigen kamen, die ich für gute Freunde hielt. Da ich seit meiner Scheidung allein lebe, geriet ich manchmal regelrecht in Panik. Ich fragte mich, ob wohl am Ende niemand mehr übrigbleibt. Meine linksseitigen Lähmungen gingen noch während des Krankenhausaufenthaltes spürbar zurück. Als ich direkt anschließend in die Reha-Klinik kam, konnte ich bereits mit Unterstützung gehen und meine Hand eingeschränkt bewegen. In der Klinik lernte ich recht bald eine fast zehn Jahre jüngere Frau kennen. Sie war wegen eines Schlaganfalls schon zum zweiten Mal in der Reha, da sie körperlich noch ziemlich behindert war. Wir freundeten uns an. Ihr Schlaganfall passierte vor mehr als zwei Jahren; sie war gewissermaßen eine "erfahrene Patientin", Fachfrau in eigener Sache. Außerdem trat sie sehr resolut auf. Wenn irgend etwas, von dem sie glaubte, ein Anrecht darauf zu haben, abgelehnt wurde, ließ sie nicht locker. Und so manchen kleinen Erfolg konnte sie so für sich verbuchen. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, daß ich meine Sache so energisch wie sie vertreten könnte. Etwa Behörden gegenüber hatte ich immer ziemlich schnell klein beigegeben. Doch meine Freundin riet mir, zu einer Selbsthilfegruppe zu gehen, das hätte auch ihr viel Kraft gegeben. Dank der Therapie in der Reha-Klinik gelang es mir allmählich, mit den alltäglichen Dingen einigermaßen klarzukommen, nur das Anziehen dauerte noch lange und strengte mich an. In der Ergotherapie lernte ich, mit einer Hand zu kochen; essen konnte ich mit den Hilfen ganz gut allein. Im wesentlichen konnte ich mich allein versorgen. Aber es gab auch vieles, das ich aus eigener Kraft einfach nicht schaffte. Zum Beispiel konnte ich mir nicht mehr die Haare fönen und sie 20 gleichzeitig mit der Bürste formen. Also verabschiedete ich mich von meiner Dauerwelle und legte mir eine pflegeleichte Kurzhaarfrisur zu. In der Ergotherapie tat sich für mich auch eine ganz wichtige Perspektive auf. Dazu muß ich erzählen, daß ich mir im letzten Jahr einen Computer gekauft hatte. Es ist ein Ausstellungsstück aus dem Geschäft, in dem ich arbeite, das ich günstig bekam. In der Ergotherapie stand auch ein Computer, und ich nutzte die Gelegenheit, unter Anleitung daran zu üben. Zunächst tippte ich immer mit der gesunden, rechten Hand. Doch der Ergotherapeut wollte meine linke Hand trainieren. Sechs Wochen arbeitete ich daran, dann klappte es schon ganz gut. Auf Initiative des Ergotherapeuten sprach einer der Sozialarbeiter von der Reha-Klinik mit meinem Chef, ob es eine Möglichkeit gäbe, daß ich dort weiterarbeite. Bald darauf besuchte mich sogar der Geschäftsführer. Wir besprachen, daß ich nach dem Aufenthalt in der Reha-Klinik die Rehabilitation ambulant fortsetze und parallel dazu als berufsfördernde Maßnahme einen Computerkurs belege. Er war bereit, mich danach in der Versandabteilung einzusetzen und mir eine Tätigkeit zu geben, bei der ich viel telefoniere und zeitweise am Computer arbeite. Diese Zukunftsperspektive gab mir viel Auftrieb, denn ich hatte schon befürchtet, Frührentnerin zu werden. Zusammen mit dem Sozialarbeiter nahm ich Verbindung mit der Rentenversicherung und dem Arbeitsamt wegen des Computerkurses auf. Schließlich wollte ich alles noch vor der Entlassung aus der Klinik in die Wege leiten. Als ich wieder zu Hause war, mußte ich lernen, gelegentlich andere Menschen um Hilfe zu bitten. Das fiel mir gar nicht so leicht, denn bis dahin war ich ziemlich stolz darauf, unabhängig und selbständig zu sein. Andererseits machte ich die Erfahrung, wie wichtig es ist, dem anderen zu zeigen, daß ich nicht seine ganze Hand nehme, wenn er mir den kleinen Finger reicht. Seit dem ersten Tag zu Hause übe ich nun an meinem Computer. Der Kurs beginnt in drei Wochen. Die Lähmungen am Bein sind zwar nicht so gut wie an der Hand zurückgegangen, doch ich bin mobil genug, um zum Kurs zu fahren. Natürlich bin ich auch schon ganz aufgeregt und frage mich, ob ich im Kurs mitkommen werde und alles schaffe. Schließlich bin ich 51 und kein Computerkid. Aber ich bin fest entschlossen, die Chance für einen Neuanfang zu nutzen. 21 ”Hätte ich doch ...” 22 ”Hätte ich doch ...” Noch vor sechs Jahren hätte ich Bäume ausreißen können. Na ja, in meinem Beruf muß man auch kräftig zupacken können. Der Zeitdruck ist zwar in den letzten Jahren größer geworden, doch unseren Spaß haben wir immer gehabt. Bei jedem Anlaß wurde bei uns gefeiert. So auch im Oktober vor sechs Jahren. Wir hatten in dieser Woche eine Menge Überstunden machen müssen, um eine wichtige Terminarbeit fertigzukriegen. Am Freitagabend hatten wir es tatsächlich geschafft. Danach ging es auf ein schnelles Bierchen in die Eckkneipe. Ich erinnere mich noch genau. Ich zog gerade eine Schachtel Zigaretten aus dem Automaten, da ging es auch schon los: Ich hatte plötzlich wahnsinnige Schmerzen im Brustkorb, fast so, als würde er mit einem Schraubstock zusammengequetscht. Ganz schwarz wurde es mir vor Augen. Wie es dann weiterging, das weiß ich nur von den Kollegen. Ich erinnere mich erst wieder an die Intensivstation. Ich war völlig benommen und stammelte immer nur, ich wolle nach Hause. Die Schwester redete auf mich ein, wie auf einen lahmen Gaul: Ich müsse jetzt ruhig liegenbleiben, weil ich einen Herzinfarkt erlitten hätte. Da wurde mir erst klar, mit dem Nachhausefahren wird das wohl nichts. Ich erholte mich aber – so glaubte ich zumindest – recht schnell. Die Ärzte rieten mir bei der Entlassung dringend, zur Kur zu fahren. Da kannten die mich aber schlecht. Ich war doch kein Typ, der wochenlang mit Kranken herumsitzt und über seine Wehwehchen klagt. Also sagte ich mir: Frische Luft ist das beste. So ging ich nach Hause, der Arzt schrieb mich krank, ermahnte mich, regelmäßig die Medikamente gegen den hohen Blutdruck zu nehmen und meine Ernährung umzustellen. Im Klartext: Er meinte, ich solle abnehmen, damit sich meine Arterienverkalkung nicht weiter verschlimmere. So richtig Ruhe hatte ich natürlich auch zu Hause nicht. Im Garten gab es viel zu tun, hin und wieder half ich dem Nachbarn und werkelte im Keller. Irgendwann kam ich mir mit meiner Krankmeldung wie ein Simulant vor. Schließlich fühlte ich mich wieder richtig fit. Also ging ich nicht weiter zum Arzt und begann wieder zu arbeiten. Die Blutdrucktabletten machten mich schlapp, ich "vergaß" sie daher immer häufiger, obwohl mich meine Frau jeden Morgen daran erinnerte. Aber wozu, dachte ich – ohne die Tabletten war ich schließlich wieder ganz der Alte. Doch meine Frau kochte anders – Gemüse, viel Salate und kaum noch Fleisch. Ich fragte mich, woher sie wußte, was ich laut Doktor essen sollte. Ich hatte es ihr jedenfalls nicht gesagt. Mir fiel es jedenfalls verdammt schwer, mein Gemüse zu mümmeln, während die Kollegen ihr Schnitzel auspackten. "Gemüse-August" nannte mich einer. Da war ich es leid. Ich ging zur nächsten Imbißbude und kaufte mir was Herzhaftes. Du arbeitest schwer, also brauchst du auch was Kräftiges zu essen, redete ich mir ein. Hinterher sind alle schlauer, und heute weiß auch ich, daß ich mich maßlos überschätzt habe. Im Mai letzten Jahres schlug das Schicksal hart zu. Es war frühmorgens. Ich lag noch im Bett und wollte gerade zur Toilette. Wie jeden Tag öffnete ich den Vorhang ein bißchen, um von der Bettkante aus auf die 23 Karl Daubner ist 57 Jahre alt, verheiratet. Er hat zwei mittlerweile erwachsene Söhne. Trotz seiner harten Arbeit als Maschinenschlosser fühlte er sich immer ”kerngesund”. Doch er überschätzte seine Kräfte. Straße zu gucken. Das Schild vor der Bushaltestelle auf der gegenüberliegenden Seite sah jedoch an diesem Morgen merkwürdig aus – irgendwie fehlte der linke Teil. Als ich aufstand, um ins Bad zu gehen, knickte mein linkes Bein ein. Es wollte einfach nicht mehr. Meine Frau knipste das Licht an und starrte mich entsetzt an: "Wie siehst du denn aus? Dein linker Mundwinkel hängt ja runter", sagte sie zu mir. Jetzt bekam ich es mit der Angst zu tun; ich holte einen Spiegel und bekam den nächsten Schreck. Wie ich das Ding auch hielt und drehte, ich konnte meine linke Gesichtshälfte nicht sehen. Meine Frau ahnte gleich, daß ich einen Schlaganfall hatte. Sie wählte die 1-1-2 und rief den Notarzt. Ich ärgerte mich sogar noch, daß sie so einen Rummel um mich macht und herumtelefoniert, doch ich hatte nicht einmal mehr die Kraft zu meckern. Nun lag ich wieder in dem Krankenhaus, in das ich auch schon mit dem Herzinfarkt eingeliefert wurde. Von Kopf bis Fuß haben mich die Ärzte untersucht. Der Stationsarzt erklärte mir die Befunde. Meine Vorgeschichte kannte er natürlich auch, und ich machte mich darauf gefaßt, daß er mir eine Standpauke hält. Doch glücklicherweise machte er mir keine Vorwürfe. Brauchte er auch gar nicht, denn die machte ich mir nun schon selbst zur Genüge. Der Doktor erklärte mir, daß ich einen Verschluß in einer Schlagader hatte. Dadurch wurde meine rechte Gehirnhälfte nicht mehr richtig durchblutet, und das hat all die Beschwerden verursacht. Der Arzt sagte mir auch, daß meine Blutgefäße durch die Arteriosklerose stark verengt seien. Zudem hätte ich durch den Infarkt eine Narbe am Herzmuskel, und außerdem sei mein Herzschlag unregelmäßig. Sofort nahm ich mir vor, alles zu tun, um einen zweiten Schlaganfall zu verhindern. In der Angst sind gute Vorsätze schnell gefaßt, doch sie hinterher auch in die Tat umzusetzen – das ist eine ganz andere Sache. Im Prinzip mußte ich mein ganzes Leben umstellen, aber ich war dazu bereit. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus ging ich diesmal denn auch in eine Reha-Klinik zur Anschluß-Heilbehandlung. Zu meinem größten Erstaunen gefiel es mir dort sogar recht gut. Intensiv mußte ich Gehen üben. Aber es lohnte sich: Die Lähmungen gingen fast völlig zurück. Wahnsinnig störend war, daß ich noch immer nur den rechten Teil des Bildes vor meinen Augen sah. Selbst dafür hatte man in der Klinik Übungen auf Lager – zum Beispiel das Kegelspiel: Als Kegel dienen Dominosteine, die man in einem weiten Halbkreis auf dem Tisch hochkant aufstellt. Als Kugel nimmt man einen kleinen Gummiball. Wenn ich nun vor dem Tisch in der Mitte stehe, kann ich die links von der Mitte aufgestellten Dominosteine nicht sehen. Trotzdem soll ich versuchen, auch diese Steine mit der rollenden Kugel zu treffen. Diese Übung kann ich jetzt auch prima zu Hause machen. 24 In der Reha-Klinik kam bei mir dann Schließlich half mir der Psychologe die "Hätte-ich-doch-Phase". Das Grübeln und die Vorwürfe machten mich fast verrückt. Aber es gab glücklicherweise auch einen Psychologen dort. Kein Patient wurde zu einem Gespräch mit ihm gezwungen. Und auch ich hatte zunächst ganz schöne Hemmungen, mit einem Wildfremden über meine persönlichen Probleme zu reden. Ich ging trotzdem hin. Der Mann ermutigte mich, nicht immer nur zurückzublicken, sondern der jetzigen Situation ins Auge zu schauen. So manche Dinge wurden mir in diesen Gesprächen klar. Es machte mir beispielsweise schwer zu schaffen, daß ich meine Frau mit meiner Krankheit belaste. noch über eine andere Hürde im Kopf hinweg – die quälende "Was-bin-ichjetzt-noch-wert-Frage". Sozusagen Hausaufgaben hat mir der Psychologe auch mitgegeben. Die waren für mich gar nicht so einfach zu erledigen: Ich sollte zu Hause mit meiner Familie über diese Dinge sprechen – so wie ich mit ihm darüber sprach. Das hat ganz schön lange gebraucht, bis ich es schaffte, mit meiner Frau darüber zu reden. Es war fast so schlimm, wie damals beim Heiratsantrag. Aber auch diesmal hatte sie schon lange darauf gewartet. 25 ”Ein Schicksal, das wir beide meistern müssen.” 26 ”Ein Schicksal, das wir beide meistern müssen.” Mein Mann bekam vor zehn Jahren seinen ersten Schlaganfall, und zwar in der linken Gehirnhälfte. Danach war er rechtsseitig gelähmt. Nach dem Krankenhausaufenthalt kam er in eine Rehabilitationsklinik. Dort lernte er wieder zu gehen. Nur sein rechter Arm und die Hand wollten nicht so recht. Grobe Bewegungen konnte er zwar ausführen, doch für die Arbeit reichte das nicht. Für unseren kleinen Handwerksbetrieb war das sehr schlecht, denn mein Mann hat immer selbst mitgearbeitet. In unserer Kleinstadt kannten ihn die Leute natürlich, und so blieben uns die meisten Kunden treu. Immerhin konnte mein Mann sagen, wie eine Arbeit gemacht werden sollte, und hinterher nahm er die fertige Arbeit ab. Sechs Jahre lang ging das relativ gut. Auch der Diabetes, den man erst bei den ganzen Untersuchungen nach seinem Schlaganfall festgestellt hatte, machte keine größeren Schwierigkeiten. Mein Mann mußte sich eben nun jeden Tag Insulin spritzen. Aber es strengte ihn ungeheuer an, den Betrieb am Laufen zu halten. Zu allem Unglück bekam mein Mann dann einen zweiten Schlaganfall, und das, wo er die Folgen des ersten ja noch gar nicht überwunden hatte. Wieder war die rechte Körperhälfte betroffen, und die Lähmungen waren sogar schlimmer als beim ersten Mal. Außerdem konnte er nicht mehr sprechen. Für uns brach eine Welt zusammen. Was sollte jetzt aus dem Betrieb werden? Es war schrecklich zu erleben, wie er mit äußerster Anstrengung versuchte, ein paar Laute hervorzubringen, die ich dann noch nicht einmal verstehen konnte. Manchmal war mein Mann so wütend, daß er regelrecht schrie. Ich habe das nie auf mich bezogen. Ich wußte, daß er sich vor allem darüber aufregt, so hilflos zu sein und sich nicht verständlich machen zu können. Seine Wut kippte dann schnell in Verzweiflung um, und natürlich hat sich seine Stimmung auch auf mich übertragen. Am deutlichsten habe ich seine depressiven Phasen gespürt. Ich versuchte dann, mir möglichst wenig anmerken zu lassen und sprach meinem Mann Mut und Zuversicht zu. Immer wieder habe ich ihm gesagt: "Ich werde schon noch lernen, dich zu verstehen." Und das stimmte auch. Im Grunde ist es wie bei kleinen Kin- dern, die noch nicht richtig sprechen können. Da können die Eltern schließlich auch verstehen, was ihr Kind sagen will. Außerdem verstanden wir uns auch ohne Worte. Manchmal saß ich einfach bei ihm, wir haben uns die Hand gehalten, und jeder spürte, was im anderen vorgeht. Oft haben wir gemeinsam geweint. Auch das hat uns sehr miteinander verbunden. Im Krankenhaus haben die Schwestern und Pfleger, ja sogar die Ärzte, die es eigentlich besser wissen müßten, meinen Mann immer unglaublich laut angesprochen. Dabei kann er doch alles ganz normal verstehen. Aber irgendwie denkt jeder: Wer nicht sprechen kann, der hört auch schlecht. Meinem Mann war das ziemlich unangenehm, doch er konnte es ja niemandem sagen. Also hab ich es ihnen gesagt, daß sie ganz normal sprechen könnten. Nach dem Krankenhausaufenthalt kam mein Mann in die Reha-Klinik in 27 Karl Pettermann ist 63 Jahre alt. Bis zu seinem zweiten Schlaganfall leitete er den eigenen Elektroinstallationsbetrieb, in dem auch seine neun Jahre jüngere Frau mitarbeitete. Hier ihr Bericht. unserer Nähe. Doch es war klar, daß er die Firma nicht weiterführen konnte. Deshalb wollten wir den Betrieb verkaufen, solange noch Kunden und Aufträge da waren. Für mich war es in dieser Zeit sehr schwer, die Nerven zu behalten. Mit meinem Mann verständigte ich mich vor allem durch Fragen, auf die er mit einem einfachen Ja oder Nein antworten konnte. Wo das nicht ging, schrieb er die Antwort mit der linken Hand auf einen Zettel, was ihn allerdings unendlich viel Mühe kostete. Zwar habe ich immer im Betrieb mitgearbeitet, dennoch mußte ich ihn vieles fragen. Manchmal waren es nur Kleinigkeiten. Trotzdem mußte ich jedesmal extra in die Klinik, denn telefonieren ging ja nicht. Immerhin konnten wir den Betrieb schließlich recht gut verkaufen. Inzwischen sind wir beide in Rente, und so haben wir unser finanzielles Auskommen. Ich kümmerte mich wirklich sehr um meinen Mann. Das war auch wichtig, denn die Lähmungen gingen weder durch die intensive Krankengymnastik noch durch die Ergotherapie wesentlich zurück. Erfolgreicher war da schon die Sprachtherapie. Trotzdem sprach er immer noch verwaschen und ziemlich undeutlich. Seine Worte kamen ganz monoton heraus. Bis heute kann man seine Stimmungen und Gefühle an der Sprache nicht erkennen.Verstehen und Lesen ist dagegen für ihn problemlos. In der Reha-Klinik trainierte er, mit der linken Hand zu schreiben. Seitdem übt er fast jeden Tag, am liebsten auf der Schreibmaschine. Mit der Tipperei kann er sich lange beschäftigen. Zum Geburtstag hat er mir sogar ein eigenes Gedicht geschrieben – ich war zu Tränen gerührt. Beim Sprachtraining lassen wir nicht locker. In der RehaKlinik habe auch ich die Übungen mitgemacht. Es geht darum, das Atmen beim Sprechen zu steuern, die Mus- keln der Zunge und der Lippen zu kontrollieren und das Sprechtempo zu bremsen. Zu Hause konnte ich ihn daher beim Üben unterstützen. Ganz unglücklich macht uns die Tatsache, daß sich unsere Freunde und Bekannten bis auf wenige rühmliche Ausnahmen zurückgezogen haben. Im ersten Jahr nach dem letzten Schlaganfall kamen die meisten noch, aber dann wurden die Besuche immer seltener. Ganz schlimm ist die Sache mit unserem Neffen. Als er klein war, hatten wir uns sehr um ihn gekümmert. Obwohl er heute keine zehn Kilometer von uns entfernt wohnt, hat er meinen Mann nur ganz selten besucht. Eines Tages kam er dann. Geld wollte er von uns haben, um sich ein teureres Auto zu kaufen. Er meinte, in unserem Alter bräuchten wir doch nicht mehr so viel Geld. Das hat mir die Sprache verschlagen. Wir haben ihm damals nichts gegeben, und seitdem haben wir ihn nie wieder gesehen. Bitter ist das. Doch ich will nicht nur klagen. Ich sagte ja schon, es gibt auch einige wenige Freunde, die den Kontakt zu uns nicht abreißen lassen. Eines Tages kam ein Freund mit der Adresse einer Selbsthilfegruppe zu uns. Er meinte, daß wir nicht so isoliert leben dürften. Er fuhr uns sogar zum nächsten Treffen dieser Gruppe hin. Allein hätte ich es nie geschafft, meinem Mann vom Rollstuhl ins Auto zu helfen. Ein Pfarrer, der selbst einen Schlaganfall erlitten hatte, hat diese Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen. Zu den wöchentlichen Treffen kommen meist fünf Betroffene, zum Teil gehen auch die Ehepartner mit. Alle verbindet das gleiche Schicksal, und man kann offen miteinander reden. Von Mal 28 zu Mal bekam mein Mann mehr Interesse an der Gruppe. Wir tauschen Erfahrungen über kleine Hilfen im Alltag aus und machen uns gegenseitig Mut nicht aufzugeben. Der Pfarrer verstand meinen Mann von Anfang an erstaunlich gut. Da alle geduldig zuhören, teilte sich mein Mann hier erstmals fremden Menschen mit. Für ihn war das ein echtes Erfolgserlebnis. In der Selbsthilfegruppe lernten wir auch die Collagen-Therapie kennen. Es geht dabei darum, mit Ausrissen aus Zeitschriften ein Bild zusammenzustellen. Hätte mein Mann allein mit so etwas anfangen sollen, hätte er bestimmt Hemmungen gehabt oder es als Quatsch abgetan. Doch wir probierten es zunächst bei einem Gruppentreffen, und allen hat es so viel Spaß gemacht, daß wir nun auch zu Hause solche Collagen machen. In den Bildern kommt vieles zum Ausdruck, was sich mit Worten nicht sagen läßt. Später habe ich in der Sozialstation ein Seminar für pflegende Angehörige mitgemacht. Wir waren ein Kreis von etwa 12 Leuten und trafen uns jeden Montag für eineinhalb Stunden, zehn Wochen lang. Dabei ging es nicht um die Betroffenen, sondern um uns als Angehörige. Mir tat es richtig gut, auch mal über meine eigenen Sorgen zu sprechen. Ich hatte das bis dahin für gar nicht so wichtig empfunden. Außerdem ergab sich eigentlich nie Gelegenheit dazu. Wenn uns mal jemand besuchte, ging es natürlich immer um meinen Mann. Im Seminar hörte ich aber auch, daß umgekehrt die Betroffenen vieles, was ihnen durch den Kopf geht, nicht mitteilen. Sie wollen die Angehörigen nicht noch mehr belasten. Nachdem ich das wußte, sagte ich meinem Mann, er solle doch einfach aufschreiben, was ihm durch den Kopf gehe; ich würde mich wohler fühlen, wenn ich das wüßte. Er hatte offenbar schon früher so manches auf einen Zettel getippt. Aber jetzt erst traute er sich, mir diese Zettel zu zeigen. Auch wenn mich manches von dem, was da draufstand, erschreckt hat, verstehe ich ihn seitdem besser. Vielleicht klingt das alles so, als wären wir all die Jahre hindurch ein Herz und eine Seele gewesen. Keineswegs. Es gab auch Reibereien – so wie früher. Es gab sogar Phasen, da hätte ich am liebsten alles hingeworfen und wäre davongelaufen. Dann gab es eine Zeit, da fühlte ich mich durch die Pflege so angekettet, daß ich auf meinen Mann wütend wurde. Dabei konnte er ja nichts dafür. Im Gegenteil, er forderte mich immer wieder auf, mal einen Bummel zu machen oder sonst nur etwas für mich zu unternehmen. Aber ich dachte immer, ich könnte ihn keinen Augenblick allein lassen. Bis heute ist es für mich sehr schmerzlich, daß mein Mann in seinem Wesen verändert ist, aber damit muß ich irgendwie fertig werden. Ihm körperlich zu helfen, ist zumindest so lange kein Problem, wie ich fit bleibe. Viel schwieriger ist der seelische Beistand. In der Selbsthilfegruppe hörte ich, daß manche Ehen unter der Belastung auseinanderbrechen und der Partner den Betroffenen einfach allein läßt. Ich will nicht darüber urteilen, und ich müßte lügen, wenn ich sagen würde, bei uns hat es keine Krisen gegeben. Doch wir haben sie durchgestanden. Manchmal vielleicht mehr schlecht als recht, aber wir haben immer gewußt, daß wir beide auch in schweren Zeiten zusammengehören. 29 Teil 2 Ein Schlag – selten aus heiterem Himmel 30 1. Kapitel D as Kernproblem beim Schlaganfall ist, daß einzelne Teile des Gehirns nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden. Hirnzellen verbrauchen im Verhältnis zu anderen Körperzellen sehr viel Energie. Die Energie gewinnen sie, indem sie energiereiche Zuckermoleküle zum energiearmen Kohlendioxid abbauen. Dafür benötigen die Zellen Sauerstoff, ähnlich wie Brennstoffe nur unter Sauerstoffzufuhr ein Feuer nähren können. Der hohe Energieumsatz der Nervenzellen im Gehirn bedingt auch, daß dieses Organ äußerst empfindlich auf Sauerstoffmangel reagiert. Fatal ist dabei zweierlei: Wird eine Hirnzelle über einen bestimmten Zeitraum hinweg – er liegt beim Erwachsenen bei wenigen Minuten – nicht mehr mit Sauerstoff versorgt, so kommt es zu einem unumkehrbaren Schaden in dieser Zelle – sie stirbt ab. Dieser Verlust ist um so dramatischer, weil sich Hirnzellen – anders als etwa Hautzellen nach einer Verletzung – nicht mehr teilen. Mit anderen Worten: Eine abgestorbene Hirnzelle wird nicht durch eine neue, gesunde ersetzt. Daher kommt es bei Sauerstoffmangel in dem Bereich, der davon betroffen ist, zur unumkehrbaren Schädigung durch Zelltod. Diejenigen Hirn- funktionen, die im betroffenen Bereich angesiedelt sind, fallen daher zunächst einmal aus. Glücklicherweise sind im Gehirn die verschiedenen Funktionen – etwa die Steuerung der Bewegungen, die Sprache oder das Sehen – nicht unverrückbar an eine bestimmte Hirnregion gekoppelt. Beim Ausfall einer Hirnregion kann es gelingen, die zunächst eingebüßte Funktion gleichsam auf andere Hirnareale zu verlagern, so daß diese Hirnteile die verlorengegangene Funktion mit übernehmen können. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß der Betroffene diese Hirnfunktion kontinuierlich trainiert. Die Flexibilität des Gehirns ist der Grund, weshalb Schlaganfall-Patienten durch eine andauernde Rehabilitation eine Lähmung teilweise oder ganz überwinden oder ihre Sprachfähigkeit wiedererlangen können. Vor diesem Hintergrund wird auch klar, weshalb ein Schlaganfall sich bei zwei Patienten ganz unterschiedlich stark ausprägen kann, und weshalb zwei verschiedene Patienten mit völlig unterschiedlichen Ausfällen zu kämpfen haben. Denn Art und Umfang des Schadens richten sich danach, in welchem Hirnareal der Sauerstoffmangel auftritt und wie groß das davon betroffene Gebiet ist. Um sich dies klarzumachen, ist es sinnvoll, das Blutgefäßsystem, welches das Gehirn mit Blut und daher auch mit Energie und Sauerstoff versorgt, mit dem Stromversorgungsnetz einer Stadt zu vergleichen. Von den großen Überlandleitungen aus – sie wären im Körper mit den Hauptschlagadern vergleichbar – verästeln sich die Leitungen bis hin zu einem einzelnen Stromverbraucher, etwa einer Glühbirne – sie entspräche im Körper der einzelnen Nervenzelle. Tritt nun ein technischer Defekt in der Stromversorgung auf, so ist es für das Schadensausmaß ganz entscheidend, wo sich dieser ereignet. Ist beispielsweise nur ein Leitungsstrang innerhalb eines Hauses betroffen, so bleiben lediglich ein paar Steckdosen unversorgt. Ist die Verteilerleitung eines Straßenzuges betroffen, so werden einige Haushalte nicht mehr versorgt. Ist aber eine Umspannstation oder die Überlandleitung selbst betroffen, so gehen in einzelnen Stadtteilen oder gar der gesamten Stadt die Lichter aus. 31 Das Hauptproblem Übertragen auf das Blutgefäßsystem, das sich ebenso wie ein Stromnetz verästelt, heißt das: Ist der Blutstrom nur an einer der feinsten Verästelungen unterbrochen, so betrifft der Schaden nur ein winziges Areal von Nervenzellen. Verstopft aber etwa ein Blutpfropf eine der Hauptschlagadern, so bleiben ganze Hirnteile unversorgt der entstehende Schaden ist ungleich größer. Ursachen (linke Abb.) Arterie mit starken Kalkablagerungen. für eine Mangeldurchblutung gibt es mehrere: So können sich beispielsweise Kalk und Fettstoffe an der Innenwand eines Gefäßes anlagern und so dessen Querschnitt verengen das Blut muß eine Engstelle passieren. Genau dies passiert bei der Arteriosklerose. Andererseits können sich kleine Blutgerinnsel auf einem Gewebe etwa einer Herzklappe bilden, die sich irgendwann einmal von ihrer Unterlage ablösen und danach im Blutstrom schwimmen. Erreichen sie auf diesem Weg die dünneren Gefäße, so können sie einen Pfropf bilden und das Gefäß vollständig verschließen. Dieses Ereignis bezeichnet der Mediziner als Embolie, den Blutpfropf als Thrombus. Bei Menschen, die an einer Arteriosklerose leiden, passiert so etwas viel häufiger als bei Menschen mit gesunden Blutgefäßen, weil sich der Pfropf an einem zuvor verengten Gefäß leichter festsetzen kann. Ebenso kann ein von außen auf das Gefäß wirkender mechanischer Druck die Blutzufuhr drosseln oder ganz un- (mittlere Abb.) An der Arterienwand hat sich ein Blutpfropf gebildet. (rechte Abb.) Die Arterie wird durch ein Blutgerinnsel verstopft. 32 terbrechen. Dies kommt etwa vor, wenn sich in der Umgebung des Gefäßes Flüssigkeit ansammelt sei es Gewebswasser oder Blut, das aus einem verletzten Gefäß austritt. Kann diese Flüssigkeit nirgendwohin abfließen, wie dies beim Gehirn oft der Fall ist, quetscht sie schließlich das Gefäß ab. Einen solchen Druck auf das Gefäß kann auch ein wachsender Tumor erzeugen. Schlaganfälle, die durch Durchblutungsstörungen oder eine Embolie ausgelöst werden, bezeichnen Ärzte als primär ischämischen Hirninfarkt oder Apoplex. Ischämisch bedeutet dabei soviel wie blutleer. Etwa 80 Prozent aller Schlaganfall-Patienten erleiden einen solchen ischämischen Hirninfarkt. Der zweite Typ, ausgelöst durch eine Blutung infolge eines geplatzten Blutgefäßes, spielt bei den restlichen 20 Prozent der Schlaganfall-Patienten die Hauptrolle. Bei dieser Form sprechen Mediziner vom primär hämorrhagischen Gehirninfarkt, wobei hämorrhagisch soviel wie blutungsbedingt bedeutet. In einer beträchtlichen Zahl der Fälle sie schwankt zwischen 40 und 80 Vorboten Prozent kommt der Schlaganfall nicht wie der buchstäbliche Blitz aus heiterem Himmel. Vielmehr gab es im Vorfeld des eigentlichen Schlaganfalls Ereignisse, die man als Vorboten bezeichnen kann vergleichbar den kleineren Vorbeben, die sehr häufig ein schweres Erdbeben ankündigen. Leider erkennen viele Betroffene in diesen Vorboten jedoch nicht die drohende Gefahr. Das hängt damit zusammen, daß diese Vorboten nicht immer stark ausgeprägt sind, sie werden aus Unwissenheit als belanglose Störung abgetan wie ein Spuk, der schnell wieder verschwindet. Zu den Alarmzeichen rechnen Neurologen folgende Ereignisse - Kribbeln, pelziges Gefühl - Muskelschwäche im Gesicht, in den Armen oder Beinen - Einengungen des Blickfeldes, Doppeltsehen oder völliger Sehverlust - Gangunsicherheit, man eckt selbst in der vertrauten Wohnung an Möbeln oder Türrahmen an, man stürzt plötzlich ohne ersichtlichen Grund - plötzliches Schwindelgefühl, manchmal auch Erbrechen;- bislang nicht gekannter, plötzlich einsetzender Kopfschmerz - Sprachstörungen oder Schwierigkeiten, Wörter zu verstehen - Schluckbeschwerden, obwohl keine Erkältung im Anmarsch ist. Der Grund, weshalb viele Betroffene diese Alarmzeichen auf die leichte Schulter nehmen, liegt häufig auch daran, daß "der Spuk" nach wenigen Minuten vorbei zu sein scheint. Die Betreffenden sind wieder völlig beschwerdefrei. Verniedlichend wird ein solches Ereignis auch mit dem süddeutschen Begriff "Schlägle" abgetan. Neurologen raten jedoch dringend, daß man in einemsolchen Fall einen Arzt, am besten einen Neurologen aufsucht. 33 eines Schlaganfalls Kopfschmerz Halsschmerz Schwindel Sehstörungen Sprachstörungen Lähmung 34 Neben den genannten Symptomen, die als Vorboten eines drohenden Schlaganfalls zu gelten haben, kommt es beim Schlaganfall selbst zu weitaus schwerwiegenderen Symptomen, die aufgrund der unumkehrbaren Schädigung der betroffenen Hirnbereiche auch zunächst bestehen bleiben. Zu den häufigsten Anzeichen gehören: Schwindelgefühl mit erheblichen Gleichgewichtsstörungen Übelkeit und Erbrechen kalter Schweiß auf der Stirn Bewußtlosigkeit, eventuell sogar Herz- und Atemstillstand Bewegungsunfähigkeit, besonders der Hand plötzlicher Kraftverlust in einzelnen Muskeln oder Muskelgruppen plötzlich einsetzende Lähmung des Armes, des Beines oder einer gesamten Körperhälfte Sprech- und Sprachstörungen Vernachlässigung einer Körperhälfte –␣ man hat das Gefühl, sie gehöre nicht mehr zu einem selbst. Die Art und Kombination, in der die Symptome auftreten, geben dem Arzt übrigens bereits ein erstes Indiz für den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist. Ein Schlaganfall im Großhirn äußert sich also anders als ein Schlaganfall, bei dem der Hirnstamm oder das Kleinhirn betroffen ist. Auch die jeweils betroffene Körperhälfte enthält eine wichtige Ortsinformation: Kommt es auf der linken Seite zu Lähmungen, so ist die rechte Hirnhälfte betroffen; bei rechtsseitigen Ausfällen ereignete sich der Schlaganfall in der linken Gehirnhälfte. Dies liegt daran, daß sich die Nervenbahnen an einer bestimmten Stelle im Körper kreuzen. Eine Ausnahme stellen Nerven des␣ Seh-,␣ Hör-,␣ Geruchs-␣ und␣ Geschmackssinnes dar. Hier zeigen sich die Schäden auf der Hälfte, auf der auch der Schaden im Hirn vorliegt. Erscheinungsbild des Schlaganfalls Wer eine Situation miterlebt, in der eine Person über Symptome klagt, wie sie Hilfe bei einem im vorhergehenden Abschnitt beschrieben sind, sollte sofort den Notarzt alarmieren. Ähnlich wie bei einem Herzinfarkt kommt es jetzt unter Umständen auf Minuten an. Erreichbar ist der Notarzt über die Notrufnummern der Polizei – bundesweit 110 –␣ und der Feuerwehr –␣ bundesweit 112. Man kann auch direkt die Rettungsleitstelle anrufen. Die Rufnummer findet sich im örtlichen Telefonbuch; besser noch, man notiert sich wichtige Notfallrufnummern auf einem Zettel, der in Griffweite vom Telefon liegt, dann sind diese Nummern sofort parat. Dem Kranken selbst sollte man bis zum Eintreffen des Notarztes Erste Hilfe leisten, und zwar: –␣ Fenster im Zimmer öffnen, um die Sauerstoffzufuhr zu verbessern; –␣ trägt der Kranke eine Zahnprothese, so sollte man diese entfernen, damit er sie nicht verschluckt; –␣ ist der Betroffene bewußtlos, diesen in die stabile Seitenlage legen; –␣ bei Herz-Kreislaufstillstand Wiederbelebungsmaßnahmen ergreifen. Das richtige Vorgehen ist allerdings –␣ vor allem bei einer eventuell erforderlichen Wiederbelebung –␣ entscheidend. In einem Erste-Hilfe-Kurs läßt sich das korrekte Vorgehen erlernen. Ist der Notarzt eingetroffen, so sollte man diesen präzise und in knappen Worten über den Vorfall informieren, vor allem wenn der Betroffene selbst nicht mehr oder nur noch mit Mühe sprechen kann. 35 Schlaganfall Risikofaktoren – und wie man ihnen begegnet 36 2. Kapitel Das vorhergehende Kapitel beschäftigte sich mit den Prozessen, die sich im Vorfeld und bei einem Schlaganfall abspielen. Ein wichtiger Punkt dabei war: Schlaganfälle treten eher selten so überraschend auf wie ein Blitz aus heiterem Himmel –␣ sie kündigen sich meist durch Vorboten an, die jedoch längst nicht alle Betroffenen ernst genug nehmen. Außerdem handelte das vorige Kapitel von den beiden wichtigsten Auslösemechanismen, die zu einem Schlaganfall führen können: dies sind der Verschluß eines Blutgefäßes und eine Blutung im Kopf. Beide Mechanismen sind jedoch nicht die eigentlichen Ursachen für einen Schlaganfall. Um diese Ursachen zu erkennen, muß man noch einen Schritt weiter zurückgehen und Fragen wie diese stellen: Warum kommt es zu arteriosklerotisch verengten Blutgefäßen und Gefäßverschlüssen? Warum platzt ein Blutgefäß? Den Antworten auf diese Fragen ist man heute ein beträchtliches Stück näher gekommen. Beide Auslösemechanismen für einen Schlaganfall haben häufig eine Vorgeschichte, die zu kennen sich lohnt. So gibt es ne- ben der genetischen und familiären Disposition eine Reihe von Risikofaktoren, deren ursächliche Beteiligung am Entstehen krankhafter Gefäßveränderungen sehr gut dokumentiert ist. Auch in dieser Hinsicht ist der Schlaganfall also kein Blitz aus heiterem Himmel. Den Risikofaktoren für einen Schlaganfall sind die Betroffenen nicht schicksalhaft ausgeliefert. Im Gegenteil: Fast alle dieser Risikofaktoren, welche die Medizin ausgemacht hat, hängen mit der Lebensweise eines Menschen zusammen. Man kann sich daher vor einem Schlaganfall schützen, zumindest aber das Risiko eines Schlaganfalls so weit wie möglich reduzieren. Deshalb beschäftigt sich dieses Kapitel mit der Bedeutung der Risikofaktoren. Es informiert darüber, wie diese Faktoren wirken. Es zeigt aber auch Wege auf, wie sich jeder einzelne schützen kann –␣ nicht nur, indem er weiß, auf welche Risikofaktoren er zu achten hat, sondern auch wie es gelingen kann, sein Leben so zu gestalten, daß man es gesund genießen kann. Bluthochdruck ist der wichtigste Risikofaktor für einen Schlaganfall. Er ist Die stumme Gefahr beispielsweise fast immer beim zweiten Typ des Schlaganfalls –␣ dem durch eine Blutung im Kopf ausgelösten hämorrhagischen Hirninfarkt –␣ mit im Spiel. Mit steigendem Blutdruck erhöht sich nämlich die Gefahr, daß ein Gefäß plötzlich platzt. Doch auch beim viel häufigeren ersten Typ –␣ dem ischämischen Hirninfarkt –␣ spielt der Bluthochdruck eine wichtige Rolle. Ein zu hoher Blutdruck begünstigt nämlich die arteriosklerotischen Veränderungen der Gefäße. Jeder vierte Bundesbürger über 40 Jahre leidet an hohem Blutdruck, doch nur ein Drittel der Betroffenen wissen von ihrer Erkrankung. Der zu hohe Blutdruck –␣ Mediziner nennen dies Hypertonie – ist eine stumme Gefahr. Der Körper signalisiert nicht, daß der Blutdruck im Herz-Kreislaufsystem zu hoch ist – man spürt keinerlei Schmerzen oder sonstige Beeinträchtigungen. Nur durch regelmäßiges Blutdruckmessen läßt sich die Gefahr erkennen. Dabei gehen Mediziner von folgenden Richtwerten aus: Als grenzwertig und kontrollbedürftig gilt der Blutdruck, wenn die sogenannten systolischen Werte bei der Herzmuskelanspannung und die diastolischen Werte bei der Erschlaffung des 37 Herzmuskels häufig oder ständig mehr als 140/90 mm Hg betragen. Ab diesem Blutdruck erhöht sich bereits das Krankheitsrisiko des Betreffenden. Bei Werten von mehr als 160/95 mm Hg spricht der Arzt von einem ausgeprägten Bluthochdruck, der behandelt werden sollte, weil nun das Krankheitsrisiko sehr deutlich ansteigt. Gerade der Zusammenhang zwischen Bluthochdruck und der Entstehung eines Schlaganfalls ist sehr gut dokumentiert. So ergaben Studien an sehr vielen Patienten, daß eine Verminderung des Blutdrucks um 6 mm Hg das Risiko für einen Schlaganfall um 40 Prozent senkt. Für die Behandlung des Bluthochdrucks steht eine Vielzahl wirksamer Medikamente zur Verfügung. Die Crux ist dabei: Der Patient spürt zwar seinen hohen Blutdruck nicht, aber er spürt die mit diesen Arzneimitteln verbundenen Nebenwirkungen. Das führt häufig dazu, daß die Patienten die vom Arzt verordneten Medikamente stillschweigend absetzen␣ –␣ eine zwar verständliche, aber unter Umständen fatale Reaktion. Eine Hilfe ist es in diesen Fällen, wenn der Betreffende regelmäßig seinen Blutdruck selbst kontrolliert. Im Fachhandel gibt es eine Vielzahl zuverlässiger Meßgeräte. Wer zudem die gemessenen Werte in einer Art Tagebuch protokolliert, hat die Entwicklung seines Blutdrucks im Blick und kann daher besser mit dieser stummen Gefahr umgehen. Nicht jeder Bluthochdruck muß unbedingt medikamentös behandelt werden. Bei nur leicht erhöhten Werten erreichen die Betreffenden oft schon eine Normalisierung, wenn sie ihre Ernährung umstellen und sich stärker sportlich betätigen. Auch der Abbau von negativem Streß – sei es zu Hause oder im Beruf –␣ wirkt sich blutdrucksenkend aus. Von diesen Maßnahmen profitieren selbstverständlich auch Patienten, die wegen ihres zu hohen Blutdrucks Arzneimittel einnehmen müssen. Sie begegnen dem Problem dann von mehreren Seiten, was die Erfolgsaussichten der Behandlung nachweislich verbessert. Verträgt ein Patient das verordnete Medikament nicht so gut, sollte er unbedingt mit seinem Arzt darüber sprechen. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Präparate, und meist läßt sich ein anderes, besser verträgliches finden. Die ”guten” und die Der Begriff Cholesterin ist in aller Munde. Blutfette, das wissen heute die ”bösen” Fette meisten Menschen, spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Arterio- sklerose. Bestimmte Blutfette –␣ genaugenommen handelt es sich um Fetteiweißkörper –␣ lagern sich in die Gefäßwände ein und begünstigen dadurch arteriosklerotische Veränderungen an der Gefäßinnenwand. Über diese Wirkung spielen hohe Blutfettwerte daher auch bei der Entstehung des Schlaganfalls eine wichtige Rolle. Doch Blutfett ist nicht gleich Blutfett. Eine genauere Unterscheidung in zwei Cholesterin-Typen –␣ man nennt sie LDL-Cholesterin und HDL-Cholesterin –␣ ist nicht nur für den Fachmann von Bedeutung, denn beide Typen wirken völlig unterschiedlich. Man könnte sagen, HDL- und LDL-Cholesterin sind die molekularen Gegenstücke des "guten" Dr. Jekyll und des "bösen" Mister Hyde. Generell gilt: Cholesterin ist ein wichtiger molekularer Baustein, den der Körper zum Aufbau von Nervenscheiden und Hormonen dringend benötigt. Aus diesem Grund stellt der Körper sogar selbst Cholesterin her –␣ übrigens viel 38 mehr, als man normalerweise mit der Nahrung zu sich nimmt, nämlich 80 Prozent des im Körper vorhandenen Cholesterins. Allerdings gilt auch hier, daß es auf das richtige Maß ankommt. Wer zuviel Fett ißt, also mit der Nahrung zuviel Cholesterin aufnimmt, schädigt seine Gesundheit. Dies gilt vor allem für das LDL-Cholesterin. Dieses Blutfett erhöht nachgewiesenermaßen das Risiko für Arteriosklerose und damit auch für einen Schlaganfall. HDL-Cholesterin hingegen scheint sogar eine positive, also schützende Wirkung auf das Herz-Kreislaufsystem zu haben. Ärzte wissen um dieses Doppelgesicht des Cholesterins. Sie werden daher bei einem Patienten nicht nur den Gesamt-Cholesterinspiegel, sondern auch die jeweiligen Anteile und das Verhältnis von HDL- und LDL-Cholesterin bestimmen. Vor allem Menschen, deren LDL- und Gesamt-Cholesterinwerte zu hoch liegen, können viel dafür tun, diesen Risikofaktor zu minimieren. Im Vordergrund steht dabei natürlich eine kritische Inspektion des eigenen Speisezettels. Entscheidend ist es, die Fettzufuhr insgesamt zu verringern und statt dessen eine kalorienärmere Kost mit mehr Kohlehydraten und Ballaststoffen anzustreben. Auch ein kritischer Blick auf die Fettsorten zahlt sich aus: Fette mit hohem Anteil an den sogenannten mehrfach ungesättigten Fettsäuren sollte man jenen Fetten vorziehen, die überwiegend gesättigte Fettsäuren aufweisen. Die Faustregel dabei: Pflanzliche Fette sind tierischen vorzuziehen. Neben einem "fettbewußten" Speisezettel helfen vor allem verstärkte sportliche Aktivität –␣ hier ganz besonders ein regelmäßig betriebenes Ausdauertraining –␣ und Maßnahmen zum Streßabbau –␣ etwa Entspannungsübungen –,␣ die Konzentration des "bösen" LDL-Cholesterins und des Gesamt-Cholesterins zu senken. Ein sicherlich für viele nicht unerwünschter "Nebeneffekt" des Trainings ist die Gewichtskontrolle. Möglich ist es auch, zu hohe Blutfettwerte medikamentös zu beeinflussen. So gibt es eine Reihe von fettsenkenden Arzneimitteln. Allerdings sind sich die Experten einig, daß es bei zu hohen Blutfettwerten zunächst sinnvoll ist, diese mit entsprechender Ernährung, mehr Bewegung und einem günstigeren Lebensstil "in den Griff" zu bekommen. Es wäre bei einer falschen, weil zu fetthaltigen Ernährung naiv zu glauben, man könnte mit einer "Pille" das Problem beherrschen. Erst, wenn die Umstellung der Ernährung und des Lebensstils keine durchgreifende Besserung bringt, sollte die Einnahme solcher Medikamente erwogen werden. Lohnend ist die Reduktion zu hoher Blutfettwerte in vielfacher Hinsicht. Nicht nur das Risiko eines Herzinfarktes, sondern auch das eines Schlaganfalls läßt sich dadurch spürbar mindern. Man hat herausgefunden, daß das Risiko für einen Schlaganfall durch eine Cholesterinreduktion um 30 Prozent sinkt. 39 Mehr bewegen – Übergewicht und Bewegungsmangel – das ergibt sich aus den beiden vorAbschnitten – erhöhen aus unterschiedlichen Gründen das Risiko weniger essen hergehenden für Herz-Kreislauferkrankungen und eben auch für einen Schlaganfall. Beide Faktoren stehen nicht unabhängig nebeneinander, sondern bedingen sich häufig gegenseitig. Sie sind gewissermaßen zwei – diesmal gleich schlechte – Seiten einer Medaille: Übergewichtige Menschen sind nicht nur deshalb zu schwer, weil sie zu viel essen und kalorienreiche Getränke konsumieren, sondern oft auch, weil sie sich zudem zu wenig bewegen. Oft normalisiert sich das Körpergewicht bereits durch kontinuierlich betriebenes Training. Übergewichtige belasten nicht nur ihren Stützapparat und die Gelenke stärker als normalgewichtige Menschen, sie fordern auch mehr Leistung von ihrem Herz-Kreislaufsystem. Zu dieser Mehrleistung ist der Körper zunächst zwar fähig, doch diese ist nicht zum Nulltarif zu haben. Höherer Verschleiß und ein gestiegenes Krankheitsrisiko sind der Preis. Umgekehrt entlastet ein regelmäßiges Training den Körper: Vor allem ein sinnvolles – also dem körperlichen Leistungsstand und den gesundheitlichen Verhältnissen des Betreffenden angepaßtes – Ausdauertraining wirkt sich günstig aus. Durch das Training steigt die Durchblutung der bewegten Muskulatur. Die beanspruchten Muskelgruppen arbeiten effektiver. Sie vergeuden keine Energie und benötigen weniger Sauerstoff als im untrainierten Zustand. Dadurch wird auch das Herz mit der Zeit entlastet, seine Schlagzahl vermindert sich, die Atmung wird ruhiger, der durchschnittliche Blutdruck sinkt und steigt auch unter Belastung nicht mehr so schnell an. Nicht sportlicher Ehrgeiz, sondern Spaß an der Bewegung und ein Mehr an Lebensfreude sollten beim Sporttreiben im Vordergrund stehen. Wichtig ist das Training nicht, um irgendwann einmal in einem Wettbewerb zu glänzen, sondern für das eigene Lebensgefühl. Der blaue Dunst Die Liste der Erkrankungen, die auf das Konto Rauchen gehen, ist nicht nur beeindruckend lang, nur für wenige andere Risikofaktoren gibt es so klare Beweise, daß sie Krankheiten verursachen. Neben den vielen anderen schädlichen Wirkungen der rund 3000 chemischen Verbindungen, die sich im Zigarettenrauch befinden, soll hier die Bedeutung des Rauchens für das Risiko eines Schlaganfalls im Vordergrund stehen. So sind viele der Inhaltsstoffe – für mehr als 40 von ihnen hat man dies bereits nachgewiesen – nicht nur krebserregend, sondern sie schädigen auch die Gefäße und verschlechtern die Durchblutung. Das im Rauch enthaltene Kohlenmonoxid etwa gelangt über die Lungenbläschen ins Blut. Dort 40 verdrängt es den Sauerstoff aus den roten Blutzellen und erzeugt so einen Sauerstoffmangel in allen Geweben und Organen. Außerdem fördert das Rauchen arteriosklerotische Veränderungen an den Gefäßinnenwänden. Zudem fördert der Zigarettenrauch die Bildung sogenannter Freier Radikale. Dabei handelt es sich um extrem reaktionsfreudige Moleküle, die sowohl bei der Krebsentstehung wie bei der Arteriosklerose eine wichtige Rolle spielen. Diese Schadwirkungen bedingen es, daß Rauchen auch das Risiko für einen Schlaganfall erhöht. Und zwar beträchtlich: Untersuchungen ergaben, daß Frauen (für Männer gelten ganz ähnliche Werte), die bis zu 14 Zigaretten täglich rauchen, zweieinhalb- mal häufiger einen Schlaganfall erleiden als Nichtraucherinnen. Bei starken Raucherinnen mit einem Konsum von mehr als 25 Zigaretten pro Tag steigt das Risiko gar auf das Fünffache an. Fatalerweise sind rauchende Frauen, die mit Hilfe der "Pille" verhüten, noch stärker gefährdet. Hier wirkt sich die Kombination mehrerer Risikofaktoren besonders ungünstig aus␣ –␣ die Gefahr, daß ein Blutpfropf ein Gefäß verschließt (Thrombose), ist bei Raucherinnen, die hormonell verhüten, um ein Mehrfaches erhöht. Doch es gibt auch eine positive Nachricht für Raucher: Das Aufhören lohnt sich. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, daß Raucher, denen es gelungen ist, ihre Gewohnheit endgültig aufzugeben, ihre Lebenserwartung wieder erheblich erhöhen können. So hat man beispielsweise bei Ex-Rauchern festgestellt, daß ihr Risiko, an einer Herzkranzgefäß-Erkrankung zu sterben, nach zehn Jahren fast so niedrig war wie jenes von lebenslangen Nichtrauchern. Voraussetzung dabei war, daß die Ex-Raucher mindestens diese zehn Jahre lang "rauchfrei" blieben. Auch das Krebsrisiko scheint sich nach 15 Jahren Rauchabstinenz wieder dem von Nichtrauchern anzunähern. Das Rauchen aufzugeben ist bekanntermaßen kein einfach zu erreichendes Ziel. Auch gibt es keine Patentrezepte hierfür. Jeder Raucher wird seine eigene Strategie entwickeln müssen, um den festen Vorsatz, das Rauchen aufzugeben, auch in die Tat umzusetzen. Alleine steht er dabei nicht. So gibt es eine umfangreiche Ratgeber– literatur, der man hilfreiche Tips und Tricks entnehmen kann. Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hält kostenlose Broschüren bereit, in denen man mehr über die Auswirkungen des Rauchens erfahren kann, und die praxisnahe Hilfestellung für die Rauchentwöhnung bieten. Regelmäßiger Alkoholkonsum ist wie Wissenschaftliche Studien haben zudem belegt, daß ein relativ hoher täglicher Alkoholkonsum von 60 bis 80 Gramm reinen Alkohols (so viel enthalten etwa 1,0 – 1,5 l Bier oder 0,5 – 0,75 l Wein) das Risiko erhöht, einen Schlaganfall zu erleiden. Verblüffenderweise deuten andere Studien an, daß Menschen, die Alkohol, insbesondere Rotwein, in moderaten Mengen regelmäßig konsumieren, ein geringeres Risiko tragen, Herz-Kreislauferkrankungen oder einen Schlaganfall zu erleiden. Möglicherweise kommt hier eine Schutzwirkung bestimmter Inhaltsstoffe in Frage. Allerdings ist dabei zu bedenken, daß auch bei Mengen bis zu 40 Gramm reinen Alkohols pro Tag für Männer und auch das Rauchen anerkanntermaßen ein Risikofaktor für verschiedene Krebs- und Herz-Kreislauferkrankungen. Dies ist biochemisch auch nicht anders zu erwarten, denn Alkohol ist ein starkes Zellgift, das die unterschiedlichen Gewebe- und Zelltypen, mit denen es in Kontakt kommt, auf vielfältige Weise schädigt: Alkohol schädigt die Mund-, Magen- und Darmschleimhäute, als Lösungsmittel erleichtert er es anderen schädlichen Stoffen in Körperzellen einzudringen, er kann die Chromosomen im Zellkern, also das Erbgut, schädigen. Alkohol begünstigt schließlich eine Mangelernährung und Unterversorgung von schützenden Nahrungsbestandteilen wie Vitaminen und Spurenelementen. 41 Auf ein Gläschen 20 Gramm für Frauen (dies entspricht dem Konsum von 0,8 l Bier oder 0,4 l Wein bei Männern, bei Frauen jeweils die Hälfte) die anderen Krankheitsrisiken, etwa das Krebsrisiko und das Risiko einer Leberschädigung nicht auszuschließen sind. Schon aus diesem Grund ist das oft propagierte "Gläschen Rotwein" pro Tag aus gesundheitlichen Gründen nicht zu empfehlen. Vor allem bei jüngeren Menschen unter 40 Jahren übersteigen die mit dem Alkoholkonsum verbundenen Risiken seine mögliche Schutzwirkung. Erst alte Menschen über 65 Jahren scheinen von einem moderaten Alkoholkonsum zu profitieren. Krank machender I m Alltagsgebrauch hat das Wort Streß Streß fast immer nur negative Bedeu- tung. Streß wird von vielen Menschen gleichbedeutend mit Ärger, Arbeitsüberlastung oder einer starken persönlichen Belastung verwendet. Dies ist allerdings eine einseitige Verwendung des Begriffes. Streß, so haben medizinische und psychologische Untersuchungen ergeben, hat sowohl eine positive als auch eine negative Seite: Als sogenannter Dysstreß kann er in der Tat zu gesundheitlichen Schäden führen. Positiver Streß hingegen, Fachleute sprechen von Eustreß, belebt, spornt an und hilft, die persönliche Leistung zu steigern. Nicht jede Anforderung, der eine Person ausgesetzt ist, führt also automatisch zu einer gesundheitlichen Belastung. Streß wird erst dann negativ, wenn eine Person permanent einer hohen Belastung ausgesetzt ist, die keinerlei Erholungs- oder Ruhephasen mehr zuläßt und denen der Betreffende langfristig gar nicht gewachsen sein kann. Die Streßreaktion ist entwicklungsgeschichtlich betrachtet eine uralte Reaktion: Unter Streß steigt der Blutdruck, erhöht sich die Leistung des Herzens, der Körper mobilisiert seine Zucker- und Fettreserven. In den archaischen Gesellschaften der frühen Menschheitskulturen war eine solche Reaktion, welche die Flucht- und Kampfbereitschaft erhöht, notwendig und sinnvoll. Die Menschen der modernen Gesellschaft haben glücklicherweise gelernt, ihre Konflikte an42 ders zu lösen. Ihr entwicklungsgeschichtliches Erbe – die körperliche Streßreaktion – ist ihnen jedoch geblieben. Dies führt dazu, daß Menschen in der heutigen Zeit die durch die Streßreaktion mobilisierte körperliche Energie nicht mehr abbauen können. Eine ständige Streßreaktion hält den Körper kontinuierlich in einer erhöhten Widerstandsbereitschaft. Er verliert allmählich seine Fähigkeit, zu einem normalen Ruheniveau zurückzukehren. Andauernde Anspannung und Konzentration wiederum überfordern die Leistungsfähigkeit des Körpers – ernsthafte Organschäden können die Folge sein. Aus diesem Grund ist es wichtig, mit stressenden Situationen – sei es im Beruf, in der Familie oder auch in der Freizeit – bewußt umzugehen. Nicht jeder Streßsituation muß man aus dem Weg gehen. Im Gegenteil, das Gefühl eine schwierige, "stressige" Aufgabe bewältigt zu haben, kann einem enorme Befriedigung verschaffen. Streß wirkt in diesem Fall als Eustreß. Erst die andauernde Be- und schließlich Überlastung wirkt sich schädlich aus – der Streß wirkt als Dysstreß. Es kommt also darauf an, eine Balance zu finden, in der Phasen der Anspannung mit Erholungsphasen abwechseln. Strategien zur Streßbewältigung gibt es viele. Auch hierzu halten die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die örtliche Krankenkasse und der Hausarzt Informationsmaterial bereit. Das eigene Verhalten – das macht die Betrachtung der Risikofaktoren deut- Jeder kann sehr viel lich – bestimmt das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, wesentlich mit. Die regelmäßige Gesundheitsuntersuchung für über 35jährige und das Gespräch mit dem Arzt sind eine sehr gute Gelegenheit, mehr über die persönlichen Risiken zu erfahren. Krankhafte Veränderungen – etwa ein zu hoher Blutdruck – lassen sich so erkennen, bevor sie zu dauerhaften Schäden führen. Doch das Wissen um Risikofaktoren und die persönlichen Gesundheitsgefahren reicht nicht aus, um aktiv Krankheiten vorzubeugen. Der alleinige Blick auf bestehende Risikofaktoren birgt die Gefahr, daß man das Problem auf die Frage einengt: "Was macht mich krank?" Sinnvoll ist es jedoch, die eigene Situation aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Die Frage lautet dann: "Was trägt zu meiner Gesundheit bei?" Selbstverständlich wird auch diese Betrachtungsweise an eventuell bestehenden Risikofaktoren – beispielsweise dem Rauchen – nicht vorbeikommen. Doch der Betreffende wird sich nun nicht nur vor Augen halten, daß der Griff zur Zigarette seine Gesundheit gefährdet. Viel wichtiger sind aus dieser Perspektive weitergehende Fragen, etwa: "Weshalb rauche ich, bei welchen Gelegenheiten greife ich zur Zigarette, welche Wirkungen erhoffe ich mir vom Rauchen?". Die Beschäftigung mit solchen Fragen erlaubt es, besser zu verstehen, weshalb und bei welchen Gelegenheiten man ein Verhalten ausübt, von dem man eigentlich selbst weiß, daß es einen schädigt. So wird sich der eine vielleicht darüber klar, daß das Rauchen bei ihm eine Form der Streßbewältigung darstellt. Ein anderer erkennt im Griff zur Zigarette den Wunsch nach Entspannung oder nach einem Genußerlebnis. Ein derartiges Analysieren des eigenen Verhaltens versetzt den Betreffenden auch in die Lage, noch einen Schritt weiterzugehen und danach zu fragen, durch welche anderen, gesundheitsfördernden Strategien er das angestrebte Ziel ebensogut erreichen könnte, etwa indem er Streß durch Entspannungsübungen bewältigt. Wichtig ist bei dieser Betrachtungsweise, sich nicht nur die eigenen Fehler oder Schwächen vorzuhalten, sondern umgekehrt nach den eigenen Stärken und Kompetenzen zu fragen, die es einerseits ermöglichen, Konflikte und Streß ohne ein gesundheitsschädliches Verhalten zu bewältigen, und die auf der anderen Seite Genuß verschaffen, ohne daß man dadurch sein Krankheitsrisiko erhöht. Ziel dieser Strategie ist somit nicht der ersatzlose Verzicht liebgewonnener Gewohnheiten. Ziel ist vielmehr, durch verantwortungsvolles Verhalten gleichermaßen genußvoll wie gesundheitsbewußt zu leben. 43 für sich tun Wenn sich ein Schlaganfall ereignet hat 44 3. Kapitel Gleichgültig, wo ein Schlaganfall auftritt – ob zu Hause, im Betrieb oder bei einem Besuch von Freunden –, entscheidend ist die möglichst schnelle Hilfe: Ein Schlaganfall ist immer ein akuter Notfall, der im Krankenhaus behandelt werden muß. Schließlich liegt bei einem Schlaganfall immer eine Unterversorgung an lebenswichtigem Sauerstoff in einem Hirnbereich vor. Je rascher ärztliche Hilfe einsetzt, desto eher lassen sich das Ausmaß der geschädigten Hirnareale und damit auch deren Folgen wie Lähmungen und Sprach- oder Sprechstörungen begrenzen. Wer aufgrund der vorliegenden Krankheitssymptome den Verdacht hat, daß es sich um einen Schlaganfall handeln könnte, sollte nicht zögern, über die Feuerwehr (Notruf: 112), Polizei (Notruf: 110) oder über die nächste Rettungsleitstelle den Notarzt zu alarmieren. Dies gilt sogar dann, wenn die betreffende Person nur über leichte Beschwerden klagt. Typische Vorboten eines Schlaganfalls und die häufigsten dabei auftretenden Beschwerden sind in dieser Broschüre ab Seite 33 beschrieben. Am Telefon sollte man stichwortartig schildern, was sich ereignet hat. Neurologen beklagen immer wieder, daß viele Patienten zu spät die notwendige akute Hilfe bekommen, die in diesem Notfall unerläßlich ist. Mehrere Gründe gibt es dafür. So ergab eine Untersuchung in einer deutschen Großstadt, daß nur 2 von 10 Patienten innerhalb von zwei Stunden nach Auftreten des Schlaganfalls klinisch versorgt wurden. Innerhalb dieser Zeitspanne sollte jedoch ein Schlaganfall-Patient im Krankenhaus behandelt werden. In 60 Prozent der analysierten Fälle schätzten entweder die Betroffenen selbst oder die Anwesenden den Zu- 45 Wenn sich ein Schlaganfall ereignet hat stand nicht richtig ein. Zum einen zögerte man zu lange, den Arzt oder einen Notarzt zu rufen, oder aber die Betroffenen waren allein und aufgrund des Schlaganfalls zu hilflos, um selbst schnelle Hilfe zu rufen. Bei den verbleibenden 20 Prozent der zu spät eingelieferten Patienten geht die Verzögerung zu Lasten der zuerst behandelnden Ärzte. Sie hatten die Symptome falsch eingeschätzt, den Notfall nicht erkannt und daher eine sofortige Einweisung ins Krankenhaus nicht für nötig erachtet. Stehen beim Transport des Betroffenen mehrere Krankenhäuser zur Auswahl, sollte man sich für eines entscheiden, das neben der eventuell erforderlichen Intensivstation auch über eine neurologische Abteilung verfügt. Man sollte nicht zögern, den Arzt oder die Rettungssanitäter danach zu fragen. Schließlich beruhen die Folgen des Schlaganfalls ausschließlich auf Störungen des Nervensystems – und Verfahren, um einen Schlaganfall festzustellen genau damit beschäftigt sich die Neurologie. Um dem Patienten eine größtmögliche Sicherheit zu gewähren, wird dieser bei einem Schlaganfall vorsichtshalber auf der Intensivstation rund um die Uhr medizinisch überwacht. Die hier verfügbaren Geräte kontrollieren seine Körperfunktionen und geben Alarm, sobald sich etwa die Atmung oder der Herzschlag verändert. Nur die nächsten Angehörigen dürfen einen Patienten auf der Intensivstation besuchen. Oft irritieren den Besucher die vielen Kabel und Schläuche, die rund um das Krankenbett verlaufen. Doch der umfangreiche Einsatz der medizinischen Technik verfolgt lediglich ein Ziel: die Sicherheit des Patienten. Dem dient auch die ständige Anwesenheit der Pflegekräfte auf einer Intensivstation. Sie müssen rund um die Uhr immer in Rufnähe erreichbar sein. Sobald es die Situation des Patienten erlaubt, werden die Ärzte verschiedene Untersuchungen vornehmen, um herauszufinden, ob es sich tatsächlich um einen Schlaganfall handelt, welche Ursachen und Auslöser dafür verantwortlich waren, wo der Schlaganfallherd genau liegt und welche Hirnbereiche betroffen sind. Antworten auf diese Fragen zu finden, ist die Aufgabe der medizinischen Diagnostik. Die zum Teil sehr aufwendigen Untersuchungen sind von entscheidender Bedeutung für die Planung einer erfolgversprechenden Therapie. Nicht in jedem Fall deuten die beobachteten Symptome bei einem Patienten zutreffenderweise auf einen Schlaganfall. So können andere, akut auftretende neurologische Erkrankungen ganz ähnliche Krankheitsanzeichen hervorrufen. Die Ärzte müssen zum Beispiel ausschließen können, daß es sich im vorliegenden Fall um ein Hämatom (Bluterguß) oder einen Tumor handelt. Beide Erkrankungen müßten völlig anders als ein Schlaganfall behandelt werden. Ist sichergestellt, daß es sich um einen Schlaganfall handelt, so müssen die Ärzte herausfinden, ob dieser durch eine Durchblutungsstörung, letztlich also durch einen Gefäßverschluß ausgelöst wurde, oder ob eine Massenblutung im Gehirn vorliegt, die durch eine Gefäßverletzung ausgelöst wurde. Je nachdem, welcher Fall zutrifft, werden sich die Ärzte für eine jeweils andere Therapie entscheiden. Verständlich ist, daß auch die Lage des Schadensherdes und das Ausmaß der Schädigungen entscheidenden Einfluß darauf haben, wie der Patient optimal 46 behandelt werden sollte. Das genaue Wissen um Auslöser, Lage und Umfang der Schädigung ist auch wichtig, damit die Ärzte die richtigen vorbeugenden Maßnahmen ergreifen können, um das mögliche Auftreten eines weiteren Schlaganfalls zu verhindern. Ein heute weitverbreitetes diagnostisches Hilfsmittel ist die Computertomographie (CT). Im Prinzip handelt es sich dabei um ein verfeinertes Röntgenverfahren, das gegenüber herkömmlichen Röntgenbildern solche mit höherem Kontrast liefert. Bei der Computertomographie erhält man kein Einzelbild von der aufgenommenen Körperpartie – etwa des Kopfes bei Schlaganfall-Patienten. Vielmehr wird die Körperpartie Schicht für Schicht mit einem Röntgenstrahl abgetastet. Ein Computer setzt die den Körper durchdringenden Strahlen in ein sichtbares Bild um, das auf einem Bildschirm erscheint und sich als Foto dokumentieren läßt. Der Arzt erkennt auf diesen Bildern die Lage und die Ausdehnung des betroffenen Gehirnabschnittes. Der Schlaganfall-Patient liegt für die CT-Aufnahme auf einer Liege; mit dem Kopf wird er in die meist röhrenförmige Öffnung des Computertomographen geschoben, wo der Röntgenstrahl seinen Kopf Schicht für Schicht abtastet. Für den Patienten ist diese Untersuchung schmerzlos, doch viele Menschen empfinden das Liegen in der engen Röhre des Gerätes als unangenehm und einengend. Ein noch moderneres Aufnahmeverfahren ist die Kernspintomographie. Hier dient ein sogenannter Magnetresonanztomograph (MRT) als Aufnahmegerät. Rein äußerlich unterscheidet sich ein MRT-Gerät für den Laien nur wenig von einem Computertomographen, und auch die Aufnahmeprozedur ist ganz ähnlich. Allerdings arbeitet das MRT-Gerät nicht mit Röntgenstrahlen, sondern mit elektromagnetischer Hochfrequenzstrahlung. Der Vorteil liegt darin, daß dieses Verfahren derzeit die Gehirnstrukturen am besten darstellt. Allerdings sind MRT-Untersuchungen sehr teuer, längst nicht alle Kliniken verfügen über ein solches Gerät, und vor allem 47 Patienten, die zu Platzangst neigen, empfinden die langen Aufnahmezeiten – eine Untersuchung kann bis zu 30 Minuten dauern – in der Enge der Röhre als unangenehm. Um Veränderungen im Blutfluß der Hirngefäße festzustellen, eignet sich ein Ultraschallgerät. Es sendet Schallwellen oberhalb des menschlichen Hörbereiches aus, den sogenannten Ultraschall. Gemessen wird dabei das von dem beschallten Bereich zurückgeworfene Echo. Eine Auswerteelektronik setzt diese Signale in ein sichtbares Bild um. Auf diesem kann der Experte zum Beispiel krankhafte Veränderungen an den Gefäßwänden der Schlagadern erkennen. Mit Hilfe weiterer Ultraschallverfahren wie etwa der sogenannten transkraniellen Doppler-Sonographie ist es sogar möglich, Arterien im Gehirn sichtbar zu machen. Eine Ultraschalluntersuchung ist schmerz- und gefahrlos. Ein weiteres Verfahren, um Blutgefäße darzustellen, ist die Angiographie. Die Gefäße werden dabei mit einem Röntgengerät aufgenommen, nachdem man dem Patienten zuvor ein Kontrastmittel injiziert hat, damit sich die Gefäße besser vom umliegenden Gewebe abheben. Dieses Verfahren ist für den Patienten etwas belastender als die Ultraschalluntersuchung, doch viele Ärzte schätzen es aufgrund seiner zuverlässigen Ergebnisse. Allerdings ist der Einsatz der Angiographie rückläufig, vor allem, weil kernspintomographische Techniken vergleichbar gute Ergebnisse liefern, ohne den Patienten so stark wie bei der Angiographie zu belasten. Daneben werden auch noch weitere röntgenologische Verfahren eingesetzt, und selbstverständlich wird man es nicht versäumen, bei einem SchlaganfallPatienten alle routinemäßigen Laboruntersuchungen sowie ein Elektrokardiogramm (EKG) vorzunehmen. Unterschiedliche Mit der Behandlung des Patienten Behandlungsverfahren beginnt bereits der Notarzt oder der Krankenhausarzt sofort nach der Einlieferung. Dabei stehen aber meist die lebensrettenden Sofortmaßnahmen im Vordergrund, also etwa die Stabilisierung von Atmung und Kreislauf und die Normalisierung des Stoffwechsels. Außerdem wird man versuchen, das Gewebe in der Umgebung des Schlaganfallherdes mit Medikamenten zu schützen. Erst wenn nach der Diagnose ein klares Bild vorliegt, werden die Ärzte mit einer zielgerichteten Therapie beginnen. Bei Patienten, bei denen ein Blutgerinnsel eine kleine Schlagader verschlossen hat, besteht im Prinzip die Möglichkeit, das Gerinnsel medikamentös aufzulösen und so den Blutfluß wiederherzustellen. Mediziner nennen diese Behandlungsform 48 Thrombolyse, oder kurz Lyse. Allerdings ist diese Therapieform mit besonderen Risiken behaftet, so daß sie erst nach sorgfältiger Diagnose und nur von erfahrenen Spezialisten vorgenommen werden kann. Besteht etwa der Verdacht, daß sich an anderer Stelle im Körper – beispielsweise auf den Herzklappen – weitere Blutgerinnsel befinden, so könnten sich diese durch eine LyseBehandlung lösen und lebensbedrohliche Komplikationen heraufbeschwören. In solchen Fällen werden die Ärzte Medikamente wählen, welche die Blutgerinnung hemmen oder das Blut dünnflüssiger machen. Dazu gehören Substanzen wie Cumarin, Heparin oder auch Acetylsalicylsäure (Aspirin). Mediziner nennen diese Verfahren Antikoagulation, Aggregationshemmung und Hämodilution. Je nach Lage des Schlaganfallherdes besteht auch die Möglichkeit, operativ einzugreifen. Bei einem Gefäßverschluß kann der Neurochirurg beispielsweise versuchen, das verstopfte Gefäß direkt oder mit speziellen Instrumenten – etwa einem Ballonkatheter – wieder zu öffnen. Unter Umständen ist es auch sinnvoll, chirurgisch den Schädel zu öffnen – Mediziner sprechen von Trepanation –, um einem gefährlichen Anstieg des Hirndrucks zu begegnen, der medikamentös nicht gesenkt werden kann. Dieses Verfahren wurde bereits im alten Ägypten eingesetzt. Medikamente und chirurgische Eingriffe stellen indes nur einen Teil der Behandlung dar. Schon 48 Stunden nach dem Auftreten eines Schlaganfalls kann der Patient mit der erforderlichen Bewegungstherapie beginnen. Täglich wird er hierfür unter Anleitung einer Krankengymnastin aktive und passive Bewegungsübungen machen. Auch das aufrechte, ausgeglichene Sitzen muß der Patient wieder trainieren. Krankengymnasten und Pflegepersonal müssen dabei eng zusammenarbeiten. Ziel ist es, daß der Patient möglichst schnell wieder unabhängig wird. Das gilt auch für alltägliche Verrichtungen wie die Körperpflege, das An- und Auskleiden, Essen und Trinken, sowie das selbständige Benutzen der Toilette. 49 Der Druck auf der Neben den körperlichen BeschwerSeele den und Einschränkungen leidet der Betroffene meist sehr stark unter seiner seelischen Situation. Angst ergreift ihn und seine Angehörigen spätestens auf dem Weg zum Krankenhaus. Für manche Patienten werden Angst, Hoffnungslosigkeit, Unsicherheit und Traurigkeit zu einem größeren Problem als die Bewegungseinschränkungen. Besonders eine Sprachstörung und die damit verbundene Unfähigkeit, sich zu äußern, führt bei den Betroffenen zu einer traurigen Verstimmung. Nicht selten reagieren sie aber auch aggressiv und ablehnend gegenüber anderen. Sie erleben ihre Hilflosigkeit und die Abhängigkeit von anderen als Kränkung des Selbstwertgefühls. Dies kann zu Störungen der Identität führen und läßt die quälende Frage aufkommen: "Wenn ich nicht mehr so bin wie früher, was bin ich dann noch wert?" Diese negative Einstellung gegenüber sich selbst und alle anderen seelischen Veränderungen empfinden auch die Angehörigen als belastend. Ein Gespräch mit einem professionellen Helfer␣ –␣ etwa einem Psychologen, Psychotherapeuten oder Pfarrer – erleichtert allen Beteiligten häufig das Verständnis füreinander. Die ersten Besuche Für den Partner und die Angehörigen sind die ersten Krankenbesuche aufgrund dieser schwierigen seelischen Situation des Patienten verständlicherweise Begegnungen, denen sie selbst mit Unsicherheit und Angst entgegensehen. Die Erfahrung zeigt, daß es für die Besucher – und letztlich auch für den Patienten – von Vorteil ist, wenn sie sich innerlich so gut wie möglich auf diese schwierige Begegnung vorbereiten. Wichtig ist es, dem Patienten möglichst ruhig und liebevoll gegenüberzutreten. Dies mag zwar schwerfallen, denn die Besucher müssen schließlich ihre eigene Unsicherheit und Ängstlichkeit verbergen, aber solche Gefühle können die Empfindsamkeit oder auch die Aggressivität des Betroffenen noch verstärken. Hilfreich ist auch der Einsatz der Körpersprache. So kann man etwa dem Kranken durch sanftes Festhalten der Hand, durch Streicheln oder auch einen festeren Druck sein Mitgefühl signalisieren. Er spürt eine gewisse Sicherheit 50 und Zuversicht und weiß, daß sein Partner, seine Familie für ihn da sein werden und zu ihm halten. Falsch ist es jedoch, dem Kranken Dinge zu versprechen, die man später nicht wird halten können. Unangemessen ist auch eine bagatellisierende Reaktion, etwa ein Schulterklopfen verbunden mit dem aufmunternd gemeinten Spruch: "Mach’ dir keine Sorgen, das wird schnell wieder gut sein." Sollte der Kranke noch nicht oder nur mit Schwierigkeiten sprechen können, so sollte man Fragen so formulieren, daß er mit Ja und Nein oder mit einem Kopfnicken und Kopfschütteln antworten kann. Besuchen mehrere Personen den Kranken, so sollten sie bei Zwiegesprächen untereinander in Gegenwart des Kranken mit ihren Äußerungen sehr vorsichtig sein. Selbst Patienten, deren Bewußtsein gestört zu sein scheint oder die abwesend im Bett liegen, verstehen eventuell Bruchstücke einer solchen Unterhaltung. Generell sind Gespräche mit dem Kranken wichtig, man sollte sie sobald wie möglich führen, ohne allerdings den Kranken zu stark zu belasten. Wichtig ist, daß die Angehörigen nicht auf belanglose Themen über das Essen oder das Wetter ausweichen. Der Kranke braucht Gespräche, in denen er die Zuwendung und den Trost seiner Angehörigen spürt. Auch bestehende oder zukünftige Probleme sollte man dabei nicht ausklammern. Der Patient darf seine Krankheit nicht verdrängen, vielmehr muß er lernen sie anzunehmen. Dazu muß er sich intensiv mit der neuen Situation auseinandersetzen. In dieser Phase müssen die Angehörigen versuchen, mit Geduld und viel Einfühlungsvermögen Verständnis und Vertrauen aufzubauen. Beides gibt dem Betroffenen den Mut und die Kraft, um seine Resignation zu überwinden. Vielleicht wird im Krankenhaus bereits das Thema Rehabilitation angeschnitten. Falls dies nicht geschieht, sollten die Angehörigen mit dem behandelnden Arzt darüber sprechen. Welche enorme Bedeutung eine möglichst frühe und umfangreiche Rehabilitation für den Grad der langfristigen Genesung des Schlaganfall-Patienten hat, behandelt Teil 3 dieser Broschüre ab Seite 53. Churchill, Roosevelt und Stalin auf der Konferenz von Jalta 1944. Churchill hatte zu diesem Zeitpunkt schon mehrere transitorische ischämische Attacken hinter sich. Roosevelt war zu diesem Zeitpunkt bereits halbseitengelähmt, er erlag mehrere Monate später einem Schlaganfall. Stalin litt bereits an einer Hypertonie, er starb ebenfalls an einem Schlaganfall. 51 Teil 3 Rehabilitation – Ein Weg öffnet sich 52 1. Kapitel "Rehabilitation" bezeichnet im Gesundheitswesen einen Prozeß, der dem Patienten die "Wiedereingliederung" ermöglicht. Es geht darum, die körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen eines Patienten durch gezielte Behandlungen zu bessern und ihn wieder in seine frühere Umgebung einzugliedern. Dabei lassen sich drei Arten von Rehabilitation unterscheiden, die sich gegenseitig ergänzen, weil sie unterschiedliche Aspekte der Krankheit und ihrer Folgen im Blick haben. Im einzelnen sind dies die medizinische, die berufliche und die soziale Rehabilitation. Die Abläufe und Ziele dieser drei Zweige der Rehabilitation behandelt dieses Kapitel. Die medizinische Rehabilitation versucht, dem Schlaganfall-Patienten mög- Medizinische lichst viel von der Selbständigkeit und Unabhängigkeit zurückzugeben, die ihm seine Krankheit genommen hat. Selbst bei sehr schwer behinderten oder älteren Menschen ist die Rehabilitation sinnvoll und wichtig. Die Praxis hat gezeigt, daß ein Teil der älteren, stark pflegebedürftigen Schlaganfall-Patienten durch eine Rehabilitation so viel Eigenständigkeit wiedergewinnt, daß diese Menschen nicht in einem Pflegeheim untergebracht werden müssen, sondern zu Hause gepflegt werden können. Rehabilitation Die medizinische Rehabilitation ist Je früher, desto besser ein sehr langwieriger Prozeß, der möglichst bald einsetzen und von nun an kontinuierlich fortgeführt werden sollte. Selbst ein bereits erzielter Fortschritt geht verloren, wenn die Patienten nicht unablässig üben, um ihre Fähigkeiten beizubehalten. Sobald feststeht, daß der Patient aufgrund seiner Funktionsstörungen eine medizinische Rehabilitation benötigt, sollte diese am besten schon im Krankenhaus im Anschluß an die akute Behandlung beginnen. Leider können in der Regel nur Krankenhäuser mit Fachabteilungen für Krankengymna- stik, Ergotherapie und Logopädie einem Schlaganfall-Patienten eine derartige Frührehabilitation anbieten. Unmittelbar nach dem Krankenhausaufenthalt sollte der Patient die begonnene Rehabilitation während einer Anschluß-Heilbehandlung (AHB) fortführen. Den Antrag auf eine AHB muß der Patient über den Krankenhausarzt stellen. Beim Ausfüllen der Unterlagen ist der Sozialarbeiter des Krankenhauses behilflich. Er hat in diesen Dingen viel Erfahrung. 53 Eine Reha-Klinik ist Voraussetzung für eine Anschlußist, daß der Patient kein Krankenhaus Heilbehandlung aktiv bei der Rehabilitation mitwirken kann. Er wird dann in eine Rehabilitationsklinik überwiesen. Diese Einrichtungen unterscheiden sich in vieler Hinsicht von einem normalen Krankenhaus: Die Zimmer sind wohnlicher gestaltet, die Patienten nehmen ihre Mahlzeiten normalerweise in einem Speisesaal ein, ihnen stehen Fernsehräume und Lesezimmer zur Verfügung. Besuch ist willkommen, die Besuchszeiten sind großzügig geregelt. Eine weitere Besonderheit betrifft die Art der Betreuung durch ein Team. Koordinator dieses Teams ist ein Arzt. Ihm zur Seite stehen Schwestern und Pfleger, Krankengymnasten, Ergotherapeuten, Logopäden, Psychologen,Sozialarbeiter,Ernährungsberater sowie eventuell Kunst- und Musiktherapeuten. Der Arzt stellt nach Rücksprache mit diesem Team einen individuellen Behandlungsplan auf, er legt die Therapieschritte für den Patienten fest und verordnet Medikamente, soweit sie unbedingt erforderlich sind. Bei Patienten mit eventuell bereits bestehenden Vorerkrankungen wird er versuchen, diese günstig zu beeinflussen, sei es durch eine Ernährungsumstellung, Bewegungstherapie, physikalische Therapie oder ein autogenes Training. Für die Patienten ist diese Teambetreuung von großem Vorteil. Der Pa- tient ist in ein Betreuungsnetz eingebunden, das ihm das Gefühl von Geborgenheit gibt. Außerdem bietet ihm das Team die besten Chancen, seine verlorenen Fähigkeiten so umfassend wie möglich wiederzuerlangen. Dabei ist es wichtig, daß er die Möglichkeit nutzt, nicht nur mit dem Arzt, sondern mit allen Mitgliedern des Teams über seine Sorgen und Probleme zu sprechen und auch über erzielte Fortschritte zu berichten. Nur dann können die Therapeuten die Behandlung immer wieder den jeweiligen Erfordernissen anpassen. Von Anfang an versucht man, dem Patienten "Hilfe zur Selbsthilfe" zu geben. Aus diesem Grund ist die aktive Mitarbeit des Patienten für die Rehabilitation unerläßlich. Am Beginn stehen vielleicht winzig erscheinende Schritte. So kann es etwa darum gehen, einem Patienten zu zeigen, wie er sich selbständig im Bett umdrehen, aufsetzen und aufstehen kann. Ohne die entsprechende Anleitung würden dem Patienten hierbei unter Umständen falsche Bewegungen unterlaufen, die seine Muskulatur verkrampfen. Die Schwester oder der Pfleger wird dem Patienten daher den richtigen Bewegungsablauf zeigen und ihn dazu anhalten, diesen Ablauf fortan regelmäßig alleine zu üben. Wichtig ist es auch, immer wieder daran zu erinnern, den kranken Arm auf die Bettdecke oder den Tisch zu legen, damit er diesen im Auge behält. Die kranke Mit der krankengymnastischen Behandlung verfolgt man unterschiedliche Körperhälfte Ziele. Unter anderem geht es darum, daß der Patient sein Körpergefühl neu den Gleichgewichtssinn verbessert, die richtige Körperhaltung wieder trainieren erfährt, einnehmen kann, krankhafte Muskelverspannungen löst und seine Bewegungsabläufe wieder normalisiert. Der beste Helfer für einen gelähmten Arm ist zwar der gesunde Arm, doch darf er nicht die Arbeit des gelähmten Armes übernehmen, sondern er sollte ihn lediglich unterstützen. Die Krankengymnastin wird daher den Patienten ermuntern, seine kranke Körperhälfte nicht zu vernachlässigen, sondern sie – 54 im Gegenteil – verstärkt gegenüber der gesunden Seite einzusetzen. Aus diesem Grund wird sie auch immer an der betroffenen Körperhälfte des Patienten stehen. Auch die Angehörigen sollten sich dies angewöhnen, wenn sie dem Patienten helfen wollen. Außerdem sollten sie sich von der Krankengymnastin die wichtigsten Hilfsgriffe zeigen lassen, um den Patienten später bei den Übungen zu Hause optimal unterstützen zu können. Bei ihrer Arbeit geht die Krankengymnastin Schritt für Schritt voran. Diese Vorgehensweise sollte sich auch der Patient zu eigen machen. Hastigkeit und Ungeduld erhöhen das Risiko, daß sich später beim selbständigen Üben falsche Bewegungen einschleichen, die zu Muskelverspannungen führen. In der Ergotherapie, die auch als Bewegungstherapie bezeichnet wird, geht es darum, die Funktion der betroffenen Gliedmaßen zu verbessern. Der Patient soll lernen, seine Hand, seinen Arm oder sein Bein möglichst so zu trainieren, daß die frühere Geschicklichkeit – sei es im Beruf oder zu Hause – wiederhergestellt ist. Die Ergotherapie ergänzt also die Krankengymnastik. Der Ergotherapeut wird mit dem Patienten die ganz alltäglichen Handgriffe und Bewegungen trainieren; der Patient soll wieder tasten und fühlen lernen, und er soll seinen gelähmten Arm oder das gelähmte Bein wahrnehmen können. Der Ergotherapeut wird dem Patienten auch Hilfen anbieten, damit dieser mit einer eventuell vor- handenen Sehstörung umzugehen lernt. Vielleicht wird dem Patienten nicht immer auf Anhieb der Sinn einer Übung deutlich. In solchen Fällen sollte er nicht zögern, den Therapeuten danach zu fragen. Nur wenn er versteht, welchen Zweck eine Übung verfolgt, wird er motiviert genug sein, um diese auch zu Hause fortzuführen. Ein weiterer "Programmpunkt" der Ergotherapie ist der Umgang mit den erforderlichen Hilfsmitteln, die dem Patienten das Essen, Ankleiden oder Arbeiten im Haushalt erleichtern. Dies wird der Therapeut nicht nur mit dem Patienten selbst üben, sondern er wird auch den Angehörigen die richtige Handhabung zeigen. Die alltäglichen Handgriffe beherrschen Ein weiteres Therapeangebot hält die Logopädie, die Sprachheilbehandlung, Den Kerker bereit. Bei etwa einem Viertel aller Schlaganfall-Patienten tritt eine Sprachstörung – eine sogenannte Aphasie – auf. Dabei können die gesamte Sprachfunktion, also das Sprechen, das Sprachverständnis, das Lesen und das Schreiben oder nur Einzelbereiche davon gestört sein. Auch kann es passieren, daß das Zusammenspiel der sprachlichen Teilfunktionen gestört ist. In diesem Fall kann ein Patient zum Beispiel einen Text lesen und diesen auch verstehen; er ist jedoch nicht in der Lage, den Text laut vorzulesen. Der Grund, weshalb Sprachstörungen individuell so unterschiedlich ausgeprägt sind, liegt darin, daß es je nach Ort und Ausmaß der Hirnschädigung zu jeweils anderen Ausfällen der Sprachfunktion kommt. Wie schwierig die Verständigung mit einem sprachgestörten Patienten sein kann, illustriert folgendes Beispiel. Auf die Frage des Pflegers: "Konnten Sie gestern die Sonne genießen?", antwortet der Patient: "Ja... Garten... Son... schie... schie... doch... ah... Sohn... und... Schieber... Torte... faul... mein... faumen... fülken... Korb... faumen... Garten..." 55 der Sprachlosigkeit überwinden Neben Sprachstörungen gibt es auch Sprechstörungen, bei denen ausschließlich die Funktion der Sprechmuskeln beeinträchtigt ist. In diesem Fall kann der Patient wie ein gesunder Mensch mit Sprache umgehen – allerdings nur in Gedanken. Er weiß genau, was er sagen will, kann dies aber nicht ausdrücken. Für Patienten ist es eine qualvolle und deprimierende Erfahrung, nicht mehr über Sprache zu verfügen. Die Unsicherheit bei einer Sprachstörung, ob es gelingt, das passende Wort zu finden, oder die verzweifelte Suche nach der Bedeutung gelesener Wörter, aber auch die Unfähigkeit bei einer Sprechstörung, einen gedanklich vorformulierten Satz auszusprechen, führen leicht zu Wut und ohnmächtiger Verzweiflung. Hierfür hat man zutreffend den Begriff vom "Kerker der Sprachlosigkeit" geprägt. Schließlich ist die Sprache das wichtigste Kommunikationsmittel des Menschen. Es ist seine wichtigste Verbindung zu anderen Menschen; Sprache schützt ihn vor Isolation. Vor diesem Hintergrund wird der Stellenwert einer logopädischen Behandlung sehr schnell deutlich. Logopäden versuchen mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen, einen im wahrsten Sinne des Wortes sprachlosen Patienten aus seinem Gefängnis zu befreien. Wie bei allen anderen Behandlungen der Rehabilitation auch, hängt der Erfolg entscheidend von der aktiven Mitarbeit des Patienten und seiner Bereitschaft ab, selbständig weiterzuüben. Hilfe bei Wichtige Hilfestellungen ganz praktischer Art leisten die Sozialarbeiter einer ganz praktischen Reha-Klinik. Sie haben ein offenes Ohr für organisatorische Probleme, und sie in vielen schwierigen Situationen behilflich, wenn es darum geht, praktiProblemen sind kable Lösungen zu finden. Vor allem beim Übergang von der Rehabilitation in der Klinik zur ambulanten Rehabilitation am Wohnort leisten sie für den Patienten und seine Angehörigen wertvolle Hilfe. Sie sind also nicht nur der richtige Ansprechpartner bei wirtschaftlichen Problemen. Sozialarbeiter stellen zum Beispiel die notwendigen Kontakte zu einer Sozialstation her, wenn der Patient nach der Entlassung zu Hause für begrenzte Zeit noch ambulante Hilfe benötigt. Durch Vermittlung von Hilfsangeboten können sie vielleicht sogar dazu beitragen, daß sich eine zunächst unumgänglich erscheinende Aufnahme in ein Pflegeheim – sie sollte wirklich der letzte Ausweg sein – doch noch umgehen läßt. Auch in Fragen der beruflichen Zukunft, falls der Patient beabsichtigt, einen Rentenantrag zu stellen, helfen Sozialarbeiter weiter. Doch davon mehr auf Seite 59. 56 So mancher Patient schimpft in einer Reha-Klinik, wenn man ihm das Gesprächsangebot eines Psychologen macht: "Ich bin doch nicht verrückt." Vor allem Männer – so zeigt die Erfahrung – neigen zu dieser Reaktion. Allerdings zeigen sich die meisten hinterher angenehm überrascht darüber, wieviel Nutzen sie aus der psychosozialen Betreuung durch einen Psychologen gezogen haben. Der Grund für diese anfänglich ablehnende Haltung mag in der Sorge begründet sein, der Psychologe könnte mit bohrenden Fragen in der frühesten Kindheit herumstöbern. Doch diese Vorstellung ist völlig falsch. Psychologen einer Reha-Klinik verfügen über Spezialkenntnisse, wie sich bei Schlaganfall-Patienten Hirnleistungen wie das Wahrnehmen, die Aufmerksamkeit und die Konzentrationsfähigkeit sowie die Wachsamkeit messen und trainieren lassen. Konzentrationsstörungen und rasche Ermüdung sind häufige Begleiterscheinungen nach einem Schlaganfall. Das Wissen um die mentale Belastbarkeit des Patienten ist jedoch wichtig, damit das Therapeutenteam den individuellen Behandlungsplan so ausrichten kann, daß der Patient nicht überfordert wird. In den notwendigen Untersuchungen hierfür werden die Merkfähigkeit, die Fähigkeit zur Bewegungskoordination, die Reaktionsgeschwindigkeit, die intellektuellen Leistungen und die Urteilsfähigkeit des Patienten geprüft. Der letzte Punkt ist deshalb wichtig, weil nur ein ausreichend urteilsfähiger Patient die Notwendigkeit der Untersuchungen und Behandlungen einsieht. Von dieser Einsicht hängt wiederum ganz entscheidend der Erfolg der gesamten medizinischen Rehabilitation ab. Der Psychologe achtet darüber hinaus auch auf Veränderungen im Empfinden, Denken und Verhalten des Patienten und hilft bei möglichen Störungen. Natürlich bietet der Psychologe auch Gespräche über die seelische Situation des Patienten an. Verständlicherweise plagen die Patienten Angst, sie leiden unter ihrem verlorenen Selbstwertgefühl, und sie sind oft depressiv verstimmt. Manche empfinden Hoffnungslosigkeit, andere leiden unter Partnerproblemen. In solchen Fällen ist Offenheit eine wichtige Voraussetzung dafür, daß der Patient eine professionelle Hilfe erfährt, um seine Krankheit zu verarbeiten. Der Nutzen einer psychosozialen Betreuung Immer wieder werden die Patienten in der Reha-Klinik feststellen, wie an- Keine Angst vor strengend der Rehabilitationsprozeß ist – anstrengend nicht nur im körperlichen, sondern auch im geistigen Sinne. Egal, ob es darum geht, mit der Ergotherapeutin einen Bewegungsablauf einzuüben oder mit dem Logopäden die Sprache zu trainieren, immer befindet sich der Patient in einem Lernprozeß. Dabei gilt es nicht nur, verlorengegangene Fähigkeiten wiederzuerlangen, sondern auch viele neue Dinge zu lernen – etwa mehr über die eigene Krankheit oder darüber, wie man mit ihr am besten zurechtkommt. Auch ältere Menschen sollten eine eventuell vorhandene Angst vor dem Lernen ablegen. Viele Patienten erleben zwar hin und wieder Situationen, in denen ihnen die Anforderungen über den Kopf zu wachsen scheinen. Einerseits zeigt die Erfahrung, daß die Fähigkeit zu lernen mit den Anforderungen steigt, die an einen gestellt werden. Andererseits sollte sich ein Patient auch nicht scheuen, es dem Therapeutenteam oder den Angehörigen zu sagen, wenn er sich überfordert fühlt. Offenheit ist auch hierbei das bewährteste Rezept. 57 den Anforderungen Die Art und Weise, wie ein Patient seine Krankheit verarbeitet, ist ein langwieriger Lernprozeß. Für Betroffene wie für deren Angehörige ist es dabei nützlich zu wissen, daß dieser Prozeß meist in ganz bestimmten Phasen abläuft, wobei ein Patient nicht unbedingt diese Phasen in einer festgelegten Reihenfolge durchläuft. Manche Betroffene fallen für bestimmte Zeit in eine frühere Phase zurück, andere überspringen scheinbar eine Phase, holen sie dann aber später nach. Die fünf Phasen der Nach der Entlassung aus dem KranKrankheit kenhaus steht für die meisten Patien- ten die Zukunftsangst im Mittelpunkt. Die Ungewißheit, wie das Leben wohl weitergehen wird, erzeugt eine Abwehrhaltung. Der Betroffene möchte nicht wahrhaben, daß er behindert ist – er verdrängt seine Krankheit. In dieser Phase der Ungewißheit fällt es dem Betroffenen besonders schwer, Hilfe anzunehmen. Er sieht einfach nicht ein, daß er diese Hilfe braucht. Darauf folgt die Phase der Gewißheit. Der Betroffene wird sich der Krankheit voll bewußt und fragt sich: "Warum gerade ich?" Ohne äußeren Anlaß entlädt sich sein Zorn über die jetzige Situation auf Außenstehende. 58 Dies ist gerade für die Angehörigen wichtig zu wissen. Sie sollten sich bewußtmachen, daß die Wut des Kranken nicht ihnen persönlich gilt, sondern daß sie lediglich als "Blitzableiter" fungieren. Als drittes kommt es meist zur Phase der Verhandlung: "Was kann ich tun, damit sich das Unabwendbare doch noch ändert?" fragt der Kranke. In dieser Phase sind einige Patienten besonders anfällig für Angebote von "Wunderheilern". In der Phase der Depression trauern die Betroffenen über die verlorenen Fähigkeiten, Chancen und Lebensmöglichkeiten. Gleichzeitig ist dies der Zeitpunkt, an dem sie neue, diesmal realistischere Hoffnung schöpfen. Für alle Beteiligten ist dieser Abschnitt der schwerste und bedrückendste. Gerade jetzt sollte sich niemand scheuen, Rat und Hilfe anzunehmen, sei es in Gesprächen mit einem Psychotherapeuten, mit Angehörigen oder den Mitgliedern einer Selbsthilfegruppe, die dieses Stadium aus eigenem Erleben gut kennen. In der letzten Phase schließlich nimmt der Betroffene seine Krankheit an. Das heißt jedoch nicht, daß er sich passiv seinem Schicksal ergibt und alles erduldet. Im Gegenteil: Er steht nun zu seiner Erkrankung, und dies eröffnet ihm die Chance, aus der gegebenen Situation das Beste zu machen. Erst vor diesem Hintergrund entwickeln sich Eigenaktivität, Solidarität mit anderen und das Bewußtsein der eigenen Verantwortung für das weitere Leben. In der beruflichen Rehabilitation geht es darum, Fähigkeiten zu erlernen, die für die Wiederaufnahme des früheren Berufes oder für einen besser geeigneten, neuen Beruf erforderlich sind. Eine Rückkehr ins Berufsleben ist jedoch nicht für jeden Betroffenen möglich. Dort, wo eine Wiedereingliederung ins Berufsleben möglich erscheint, sollte sich der Betroffene schon während des Aufenthaltes in der Reha-Klinik durch Fachkräfte beraten lassen und sich mit dem Arbeitsamt in Verbindung setzen. Danach müssen die nächsten geeigneten Schritte festgelegt werden. In Frage kommen etwa eine medizinische Berufsberatung, eine psychologische Eignungsuntersuchung, vielleicht geht es zunächst auch darum, einen geeigneten, neuen Beruf zu finden. Oder aber der Betroffene erprobt eine ins Auge gefaßte Tätigkeit oder absolviert ein vorberufliches Training. Viele Fragen gilt es zu beantworten, etwa: Kann man die frühere Tätigkeit wiederaufnehmen, ist innerhalb des Betriebes der Wechsel an einen besser geeigneten Arbeitsplatz möglich, macht der Grad der Behinderung eine Umschulung erforderlich? Die Sozialarbeiter einer Reha-Klinik können in besonderen Fällen bei der Wiedereingliederung in den Beruf mitwirken, und den Betroffenen bei der stufen- weisen Integration in den Arbeitsprozeß begleiten. Sie können den Patienten aber auch fachkundig beraten, welche Hilfen ihm zustehen. Dazu gehört gegebenenfalls auch die Anerkennung als Schwerbehinderter, die eine Reihe von Vergünstigungen bietet. So unterliegt der bisherige Arbeitgeber in diesem Fall besonderen Pflichten, der Schwerbehinderte genießt einen erweiterten Kündigungsschutz und ihm stehen pro Jahr fünf zusätzliche Urlaubstage zu. Bei Schwerbehinderten gilt die herabgesetzte Altersgrenze für das flexible Altersruhegeld der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese liegt beim vollendeten 60. Lebensjahr. Schwerbehinderten stehen aber auch Hilfen zur Beschaffung, Ausstattung und dem Erhalt einer behindertengerechten Wohnung zu. Im Falle einer Gehbehinderung besteht die Möglichkeit, sich von der Kraftfahrzeugsteuer befreien zu lassen; außerdem stehen einem Schwerbehinderten erweiterte Leistungen bei der psychosozialen Betreuung zu. Ist jedoch die Wiederaufnahme der alten oder einer neuen Tätigkeit nicht möglich, so wird der Betroffene einen Rentenantrag stellen wollen. Auch dabei kann ein Sozialarbeiter helfen. Einen solchen gravierenden Schritt sollte man jedoch erst in Erwägung ziehen, wenn keine Chance auf Wiederaufnahme einer Arbeit besteht. Die berufliche Rehabilitation Ziel der sozialen Rehabilitation ist es, den Betroffenen in die Lage zu verset- Die soziale zen, wieder am gemeinschaftlichen Leben teilzunehmen. Insofern dienen letztlich alle Maßnahmen der Rehabilitation direkt oder indirekt diesem Ziel. Kernpunkt der sozialen Rehabilitation ist zum einen der Anpassungsprozeß des Behinderten, zum anderen müssen aber auch die Nichtbehinderten einen Beitrag leisten. Sie sollten ihre Einstellungen gegenüber dem Behinderten überdenken und gegebenenfalls ihr Verhalten korrigieren. Soziale Rehabilitation ist deshalb ein gegenseitiger Prozeß. Er kann erst gelingen, wenn sich auch die Gesellschaft den Behinderten anpaßt. 59 Rehabilitation Wie es zu Hause weitergeht 60 2. Kapitel Üblicherweise setzt der Patient seine Rehabilitation ambulant fort, wenn er aus der Reha-Klinik nach Hause entlassen wird. Zu regelmäßigen Terminen – ihre Häufigkeit richtet sich nach den Erfordernissen – sucht der Patient einen Krankengymnasten, Ergotherapeuten oder Logopäden in dessen Praxis auf. Wer auf dem Land wohnt, muß dafür unter Umständen weite Wege in Kauf nehmen. Patienten und ihre Angehörigen kann dies viel Zeit und Mühe kosten, doch der Aufwand wird sich in jedem Fall lohnen. Manche Krankengymnasten machen auch Hausbesuche. In Zukunft werden wahrschein- lich immer mehr ambulante Rehabilitationszentren vorhanden sein, die ihren Patienten, ähnlich wie in einer Reha-Klinik, das ganze Spektrum von Therapiemaßnahmen unter einem Dach anbieten. Der Patient sollte unbedingt darauf achten, daß der Hausarzt oder der Neurologe auch alle Maßnahmen verordnet, welche die Reha-Klinik in ihrem Entlassungsbericht vorgeschlagen hat. Umgekehrt sollte der Patient diese Dienstleistungen dann auch tatsächlich nutzen. Es ist falsch zu glauben, Rehabilitation sei auf das Einnehmen von Medikamenten beschränkt. Ambulante medizinische Rehabilitation Nach dem Aufenthalt im Krankenhaus und in der Rehabilitationsklinik freut Wieder zu Hause sich natürlich jeder, wieder nach Hause zurückkehren zu können. Verständlicherweise wird vieles anders sein als vorher. Die Patienten und ihre Angehörigen müssen sich auf eine neue Situation einrichten. Dies führt manchmal zu Verunsicherungen und Spannungen. Jedes Paar, beziehungsweise jede Familie muß hier einen eigenen Weg finden. Am besten geschieht dies, wenn alle Beteiligten die neue Lage und die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, offen miteinander besprechen. So lassen sich Enttäuschungen und Ärger vermeiden, die unweigerlich entstehen, wenn die Patienten oder ihre Angehörigen aus vermeintlicher Rücksichtnahme eine vorhandene Unzufriedenheit in sich hineinfressen. Zu Hause, ohne die Hilfestellung des Rehabilitationsteams, zeigt es sich, ob der Patient das Gelernte im Alltag umsetzen kann und ob seine Rehabilitation tatsächlich eine Hilfe zur Selbsthilfe war. Die meisten Patienten brauchen für die eine oder andere alltägliche Verrichtung noch die Unterstützung anderer. Wichtig ist es jedoch, daß sich der Patient nicht zu sehr "verwöhnen" läßt. Überfürsorglichkeit macht schnell unselbständig und abhängig. Gerade in der ersten Zeit zu Hause ist es wichtig, sich immer wieder zu vergegenwärtigen, daß Fortschritte viel eigene Aktivität verlangen. Neben der ambulanten Rehabilitation und dem eigenständigen Üben muß der Patient eine dritte Aufgabe bewältigen, nämlich einem weiteren Schlaganfall vorzubeugen. Auf welche Punkte er dabei achten muß, hat er spätestens in der RehaKlinik erfahren. Generell gelten für Schlaganfall-Patienten dieselben Empfehlungen wie für gesunde Menschen. Sie sind im Teil 2, Kapitel 2 ab Seite 36 aufgeführt. 61 Der Umgang Die veränderte Situation stellt die Favor neue Herausforderungen. So miteinander milie müssen die Partner der Betroffenen oft deren Aufgaben übernehmen. War das behinderte Familienmitglied vorher sehr selbständig, wird es ihm schwerfallen, nun mehr oder weniger stark auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Bequemere Charaktere sind dagegen in Gefahr, sich nun aufgrund ihrer Behinderung übergebührlich "bedienen" zu lassen. Und wer sich schon immer ein wenig wehleidig gab, wird vielleicht versucht sein, nun noch mehr zu jammern. Dies ist eine schwierige Situation, in der alle Beteiligten darauf achten sollten, daß das frühere Gleichgewicht in der Familie oder zwischen zwei Partnern nicht kippt. Abhängigkeit ist dabei ein zentrales Thema für alle Beteiligten: Der Betroffene ist abhängig vom helfenden Partner; dieser wiederum verspürt aber auch eine verstärkte Abhängigkeit vom Kranken. Möglicherweise gibt der pflegende Partner teilweise oder sogar ganz seine Berufstätigkeit auf, um den Anforderungen zu Hause nachzukommen. Ein solcher Schritt bedeutet für den Pflegenden auch, daß er einen Teil seines sozialen Umfeldes einbüßt. Wer sich bei der Pflege eines anderen Menschen völlig aufopfert, verliert möglicherweise seine eigenen Bedürfnisse aus dem Blick, isoliert sich schlimmstenfalls immer stärker von seinem Bekanntenkreis. Dies führt 62 verständlicherweise zu Unzufriedenheit beim pflegenden Partner. Diese schlägt vielleicht in eine Wut auf den behinderten Partner um, dem die "Schuld" für diese Situation gegeben wird. Beim Behinderten wiederum können Schuldgefühle aufkommen; er wird sich vielleicht Vorwürfe machen, weil der Partner seinetwegen auf vieles verzichten muß. Für diese Situation gibt es kein Patentrezept. Wichtig ist, daß jedes Paar beziehungsweise jede Familie selbst die Balance zwischen Abhängigkeit vom anderen und eigener Unabhängigkeit findet. Es kommt darauf an, daß alle Beteiligten sich über die notwendigen Anforderungen, aber auch über die jeweiligen Bedürfnisse im klaren sind, so daß die wechselseitige Beziehung zwischen Helfen und Hilfe annehmen keine Enge erzeugt, die das Leben des Betroffenen oder seiner Angehörigen unnötig einschränkt. Bei der Organisation des Alltags kann der Kranke dem gesunden Partner helfen, beispielsweise bei der Hausarbeit. Vielleicht wird er für eine bestimmte Aufgabe mehr Zeit benötigen, aber dies sollte kein Grund sein, sie ihm "aus der Hand" zu nehmen. Vielmehr ist es für beide Seiten von großem Vorteil, wenn der Behinderte so viele Aufgaben wie möglich übernimmt. Nur so können letztlich auch Erfolgserlebnisse entstehen, die alle Beteiligten in dieser belastenden Situation dringend benötigen. Gerade weil einem die eigene Wohnung bestens vertraut ist, kommen viele Notwendige Paare und Familien gar nicht auf die Idee, die Dinge im häuslichen Umfeld so zu verändern, daß sie dem Behinderten das Leben in den eigenen vier Wänden erleichtern. Dafür bedarf es oft nur Kleinigkeiten. So war beispielsweise das Bett in der Rehabilitationsklinik aus gutem Grund etwa so hoch wie die Sitzfläche eines Stuhls. Das heimische Bett ist demgegenüber meist niedriger. Doch von der erhöhten Bettkante aus kann der Behinderte viel leichter aufstehen. Bei Stühlen sollte man auf stabile, hohe Rükkenlehnen achten, die das Aufstehen und Hinsetzen erleichtern. Die Sitzfläche sollte dabei so hoch sein, daß die Füße mit der flachen Sohle bequem auf dem Boden ruhen. "Fußfallen" wie lose verlegte Kabel, hochstehende Teppichkanten oder Türschwellen bergen schon für gesunde Menschen eine unnötige Unfallgefahr und natürlich erst recht für Gehbehinderte. Die Literaturliste ab Seite 76 beinhaltet eine Reihe von Ratgebern, die umfassend über Tips zur Ausgestaltung der Wohnung informieren. 63 Veränderungen in der Wohnung Welche Hilfsmittel sind die richtigen? Heute steht eine Vielzahl unterschiedlicher Alltagshilfen für behinderte Menschen zur Verfügung, sei es zum Essen, Waschen, Ankleiden, Schreiben, Telefonieren oder zur Fortbewegung. Die richtige Auswahl aus diesem Angebot zu treffen, ist also gar nicht so leicht. In der Rehabilitationsklinik übt der Ergotherapeut mit dem Patienten den Gebrauch aller Hilfsmittel, die er auch zu Hause benötigt. Seine Empfehlungen sollten ausschlaggebend dafür sein, welche technischen Hilfen wirklich sinnvoll sind. Die Kernfrage vor dem Anschaffen einer Hilfe sollte lauten: Erhöht das Hilfsmittel die Selbständigkeit des Behinderten? Läßt sich diese Frage nicht mit einem Ja beantworten, spricht dies gegen diese Hilfe. Der Zweck eines Hilfsmittels ist es, daß der Behinderte einen alltäglichen Handgriff selbständig ausführen kann, für den er sonst fremde Hilfe benötigt. Vielleicht kann er nur dann selbständig essen, wenn sein Besteck in einen Spezialgriff geklemmt wird. Ziel ist es jedoch, später die Dinge nach Möglichkeit wieder ohne Hilfsmittel zu handhaben. Deshalb darf die Hilfe den Behinderten nicht davon abhalten, weiter zu üben, also in diesem Fall an der Beweglichkeit seiner Hand zu arbeiten. Nur dann wird es ihm vielleicht gelingen, einmal wieder mit gewöhnlichem Besteck zu speisen. Aus demselben Grund sind auch Geräte ungeeignet, die den Benutzer dazu verleiten, nur den gesunden Arm für einen Handgriff einzusetzen. Es lohnt sich also, vor dem Kauf genau zu prüfen, ob ein Hilfsmittel tatsächlich den Aktivitätsspielraum erweitert, oder ob es lediglich der "Bequemlichkeit" dient. Sinnvoll ist es in jedem Fall, einen Ergotherapeuten nach seiner Einschätzung zu fragen. Zudem sollte man sich rechtzeitig beim zuständigen Leistungsträger erkundigen, ob dieser die Kosten für das Hilfsmittel übernimmt. Nur so ist man vor unangenehmen Überraschungen gefeit. Selbstverständlich stellt auch ein Rollstuhl ein Hilfsmittel dar. Allerdings sollte sein Einsatz besonders gut überlegt sein. Aus ergotherapeutischer Sicht sollte ein Rollstuhl möglichst nur 64 eine Übergangslösung darstellen. Schließlich verbessert er nicht die Bewegungsfunktion, sondern verleitet eher zur Bequemlichkeit. Die Gefahr besteht, daß der Betroffene seine Eigeninitiative verliert und das notwendige Gehtraining vernachlässigt oder gar einstellt. Nur wenn nach Einschätzung des Neurologen der Behinderte voraussichtlich nicht wieder selbständig wird gehen können, kommt ein Rollstuhl als Dauerlösung in Frage. Sinnvoll ist hingegen der Gebrauch eines Rollstuhles, um ein entferntes Geschäft zu erreichen oder um an längeren Spaziergängen zusammen mit anderen teilnehmen zu können. Viele Behinderte und Angehörige sind immer wieder davon überrascht, welche Bewegungsmöglichkeiten auch in einem schwer gehbehinderten Menschen schlummern: So mancher, der im Rollstuhl sitzt, könnte auf einem für seine Behinderung zugeschnittenen, dreirädrigen Fahrrad fahren. Mit ein wenig Mut, Initiative und Phantasie lassen sich oft Mittel und Wege finden, welche die Beweglichkeit und damit die Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Patienten vergrößern. Anregungen dazu liefern zum Beispiel Ratgeberbücher (s. ab Seite 76). Die juristische Definition der Pflegebedürftigkeit umfaßt einen wahren Lindwurm von Satz. Er lautet: Pflegebedürftig sind Personen, die wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Hierzu zählen Verrichtungen im Bereich der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Abhängig vom Umfang der täglich benötigten Hilfe, unterscheidet man drei Pflegestufen: Pflegestufe I: erheblich pflegebedürftig; Pflegestufe II: schwer pflegebedürftig; Pflegestufe III: schwerstpflegebedürftig. Wer die Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen möchte, sollte sich über die gesetzlichen Bestimmungen der Pflegeversicherung gut informieren. Möglich sind danach sogenannte Sachleistungen. Das sind zum Beispiel Pflegeeinsätze von professionellen Pflegekräften. Möglich sind aber auch Geldleistungen, etwa wenn Angehörige, Freunde oder Nachbarn die nötige Grundpflege übernehmen und den Pflegebedürftigen hauswirtschaftlich versorgen. Muß die Hilfe von Angehörigen oder Freunden durch eine professionelle Hilfe ergänzt werden, so ist auch eine Kombination von Pflegegeld und Sachleistungen möglich. Sind ein Behinderter oder seine Angehörigen der Meinung, Anspruch auf eine Leistung aus der Pflegeversicherung zu haben, so müssen die betreffenden Personen einen Antrag bei der Pflegekasse stellen. Ansprechpartner ist dabei die Krankenkasse des Betroffenen. Im Zuge der Antragstellung wird ein Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse nach Hause kommen, um die Pflegebedürftigkeit zu prüfen und die Pflegestufe festzulegen. Weitere Leistungen der Pflegeversicherung sind zum Beispiel: Ersatzpflegekräfte im Fall einer Erkrankung der Pflegeperson (einmal pro Jahr bis zu vier Wochen); Kurzzeitpflege (einmal pro Jahr bis zu vier Wochen); stationäre Pflege; Pflegehilfsmittel und technische Hilfen sowie Pflegekurse für Angehörige oder ehrenamtliche Pflegepersonen. Bei der häuslichen Pflege helfen Sozialstationen, mobile Dienste und die privaten Pflegedienste. Weitergehende Informationen zur Pflegeversicherung erhält man bei den Krankenkassen. 65 Pflegebedürftigkeit Antworten auf Fragen 66 3. Kapitel Ein Auto macht mobil und unabhängig, vor allem in Gegenden, in denen öffentliche Verkehrsmittel nur beschränkt verfügbar sind. Sehr viele Patienten, die einen Schlaganfall erlitten haben, wünschen verständlicherweise, sich wieder ans Steuer setzen zu können. Ob und ab wann ein Patient nach seiner Rehabilitation wieder fahrtauglich ist, läßt sich oft nicht einfach und ganz sicher nicht generell beantworten. Verwaltungsgerichte und Behörden gehen von folgenden Einschätzungen aus: In der Akutphase bis etwa ein Jahr nach dem Schlaganfall gilt eine Person als fahruntauglich. Sind die Behinderunen schon während des Aufenthaltes in der Rehabilitationsklinik deutlich zu- rückgegangen, kann sich dieser Zeitraum verkürzen; doch besteht dann meist zunächst nur eine bedingte Fahrtauglichkeit. "Bedingt" heißt: Der Arzt in der Rehabilitationsklinik verbindet in seinem Entlassungsbericht die Fahrtauglichkeit mit bestimmten Auflagen oder Beschränkungen. Eine solche Auflage kann zum Beispiel sein, daß sich der Patient nach einem angemessenen Zeitraum einer Nachuntersuchung unterzieht. Es kann sich aber auch um technische Veränderungen am Wagen handeln, die gefordert werden – etwa eine Lenkhilfe, ein Handgashebel oder ähnliches. Für den Führerschein Klasse 2 und die Fahrgastbeförderung ist der Betroffene auf Dauer nicht geeignet. Verständlicherweise kann es hinsichtlich der Einschätzung der Fahrtauglichkeit zwischen Patient und Arzt oder Behörden zu Konflikten kommen. So traut es sich etwa die Person zu, ein Fahrzeug sicher lenken zu können, die Untersuchungsbefunde sprechen demgegenüber für eine deutlich eingeschränkte Fahreignung. In einer solchen Situation sollte der Betreffende bedenken, daß es nicht nur um seine eigene Sicherheit, sondern auch um die der anderen Verkehrsteilnehmer geht. Der heutige Verkehr stellt an jeden Autofahrer hohe Anforderungen an Konzentration und Reaktionsvermögen. Nicht nur in Routinesituationen, sondern gerade in gefährlichen Augenblicken muß ein Autofahrer sein Fahrzeug vollständig unter Kontrolle haben können. Aus diesem Grund ist es ratsam, die Einschätzung des Arztes zu akzeptieren. Allerdings darf der Arzt nur mit Einwilligung des Patienten seine Feststellungen zur Fahrtauglichkeit an Dritte weitergeben. Die Verantwortung für das Handeln liegt also beim Patienten selbst. Wird allerdings eine als fahruntauglich eingestufte Person schuldhaft in einen Unfall verwickelt, kommt die Versicherung im Regelfall nicht für den verursachten Schaden auf. Wer sein Fahrzeug umrüstet, um es seiner Behinderung entsprechend anzupassen, muß darauf achten, daß sämtliche Veränderungen von den technischen Untersuchungsstellen – etwa TÜV oder DEKRA – abgenommen werden. Üblicherweise ist diese Abnahme mit einer praktischen Fahrprobe verbunden. 67 Auto fahren nach einem Schlaganfall? Auf was ist bei Auch auf diese Frage kann letztlich nur der Arzt eine auf den Einzelfall zugeAntwort geben. Generell ist es jedoch wichtig, einen Urlaubsort zu Urlaubsreisen zu schnittene wählen, an dem man die ambulante Rehabilitation fortsetzen kann, damit dieachten? se nicht unterbrochen wird. Im Hinblick auf die fachkundige Betreuung kann es sinnvoll sein, den Urlaub in der Nähe einer neurologischen Reha-Klinik zu verbringen, da dem Patienten dort – nach vorheriger Absprache – alle Rehabilitationsangebote zur Verfügung stehen. Der Betreffende sollte sich allerdings vorher bei seiner Krankenkasse erkundigen, ob sie die Kosten für die medizinische Behandlung am Urlaubsort übernimmt. Ganz wichtig ist die Wahl des Verkehrsmittels. Diesen Punkt sollte man unbedingt mit dem Arzt besprechen. Selbst für Patienten, die nach Einschätzung des Arztes der Rehabilitationsklinik fahrtauglich sind, ist es empfehlenswert, bei der ersten Urlaubsreise nach dem Schlaganfall und bei längeren Fahrten auf das Auto zu verzichten. Der Verkehr in den Städten und die hohe Verkehrsdichte auf den Autobahnen stellen einen Streßfaktor dar. Lange Fahrten sind anstrengend, besonders im Hochsommer oder bei schlechtem Wetter. Mit der Bahn oder dem Reisebus reist man deutlich entspannter. Will man auf das Auto am Urlaubsort nicht verzichten, so kann man entweder einen Autoreisezug benutzen oder am Urlaubsort ein Fahrzeug mieten. Beim Fahren sollte man darauf achten, daß der kranke Arm, besonders solange er noch eine erhöhte Muskelspannung aufweist, auf einem Kissen oder einer Ablage ruht, und zwar im Blickfeld des Betreffenden. Bei längeren Reisen – egal mit welchem 68 Verkehrsmittel – sollte man regelmäßig für Bewegung sorgen. So kann man etwa im Bus oder Zug stündlich für jeweils fünf Minuten auf dem Gang entlanggehen oder bei Autoreisen die Fahrt unterbrechen, um sich zu bewegen. Wer bereits vor seiner Erkrankung Probleme mit Flugreisen hatte, sollte das Flugzeug meiden. Während des Fluges herrscht in der Kabine ein künstlich aufrechterhaltener Druck, wie er in 2000 bis 2500 m Höhe herrscht. Dies empfinden die meisten Menschen als angenehm und vertragen es gut. Riskant wird es für einen Schlaganfall-Patienten bei einem plötzlichen Druckabfall. Dieser erhöht die Gefahr eines erneuten Schlaganfalls. Die Höhenlage des Urlaubsortes ist ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt. Als problemlos gelten das Flachland und Mittelgebirgslagen bis etwa 600 m Höhe. Menschen, die schon durch ihren Wohnort an größere Höhen gewöhnt sind, können selbstverständlich auch im Urlaub etwas "höher hinauf". Kann man seinen Sport weiterhin treiben? Gymnastische Übungen sind immer möglich. Ob Sport im engeren Sinn in Frage kommt, hängt von der Bewegungsfähigkeit des Betreffenden ab. Spannt sich etwa die Muskulatur beim Sport krampfartig an, so ist dies ein eindeutiges Warnsignal. Bei Übungen ist folgendes zu beachten: Man sollte vermeiden, den Kopf ruckartig zu drehen, stark nach vorne zu beugen oder nach hinten zu strekken. Solche Bewegungen belasten die zum Gehirn führenden Blutgefäße mechanisch sehr stark. In der prallen Sonne oder bei großer Hitze sollte man auf Sport verzichten. Wettkämpfe sind eine ungeeignete Belastung, weil die Gefahr besteht, daß man sich im Wettkampfeifer überlastet. Beim Sport sollte man ständig darauf achten, wie man sich fühlt. Es ist überhaupt nicht wichtig, ein selbst gestecktes Ziel zu erreichen, vor allem dann nicht, wenn man bemerkt, daß es die eigenen Kräfte zu überfordern droht. Auf Übungen mit hoher Kraftanstrengung oder stärkerer Bauchpressung sollte man gänzlich verzichten. Wer seinen Sport in der Gruppe ausübt, sollte ebenfalls keinen falschen Ehrgeiz an den Tag legen und sich auch nicht von anderen zu einer unvernünftigen Kraftanstrengung verleiten lassen. Nur wer sich beim Sport wohl fühlt, leistet einen Beitrag zu seiner Rehabilitation und Vorbeugung. Der Arzt in der Reha-Klinik und später der behandelnde Arzt zu Hause können ein Funktionstraining verordnen; das sind Bewegungsübungen in der Gruppe, die unter Anleitung einer Krankengymnastin und in Anwesenheit eines Arztes stattfinden. Auch hier sollte sich der Betreffende erkundigen, ob die Renten- oder Krankenversicherung die Kosten übernimmt. 69 Wie steht es mit In schweren Zeiten sind Verständnis, Zuneigung und Zärtlichkeit der sexuellen Liebe, eine Quelle der Kraft. Es besteht für Aktivität? Schlaganfall-Patienten überhaupt kein Grund, ihre Sexualität auszuklammern. Die Angst, daß beim Geschlechtsverkehr ein weiterer Schlaganfall auftreten könnte, ist bei Betroffenen und deren Partnern weit verbreitet. Doch sie ist, anders als es aufgebauschte Artikel über Einzelfälle in der Regenbogenpresse glauben machen wollen, unbegründet. So haben medizinische Untersuchungen ergeben, daß die Pulsfrequenz beim Geschlechtsverkehr nicht stärker steigt als etwa während einer Schrecksituation beim Autofahren. Der Blutdruck steigt zwar ebenfalls an, doch kaum mehr als beim Treppensteigen. Die Sexualität gehörte vor dem Schlaganfall zum Leben, und daran sollte sich auch danach nichts ändern. Wichtig ist, daß die Partner miteinander über das Thema Sexualität sprechen. Gemeinsam werden sie dann einen Weg finden, um auch mit der 70 Behinderung eine befriedigende Sexualität zu erleben. Trotz sexueller Erregung kann es bei Männern passieren, daß die Erektion ausbleibt. Dies liegt entweder an einer verschlechterten Durchblutung im Beckenbereich oder an bestimmten Medikamenten, die der Patient zur Zeit einnimmt. Auch die hohe psychische Belastung, der seelische Druck oder eine traurige Verstimmung können sich negativ auf das sexuelle Verlangen auswirken. In all diesen Fällen sollten sich die Betreffenden vertrauensvoll an ihren Arzt wenden. Menschen, die fürchten, aufgrund ihrer Behinderung ihre Attraktivität verloren zu haben, sollten bedenken, daß Anziehungskraft und Sympathie wesentlich von der inneren Haltung bestimmt werden. Sie ist in einer Partnerschaft bedeutsamer als etwa eine Behinderung an Arm oder Bein. Wer sich selbst – mit all seinen Schwächen und Stärken – so akzeptiert wie er ist, wird feststellen, daß andere Menschen sehr viel leichter auf ihn zugehen werden. Der Besuch einer Selbsthilfegruppe ist eine gute Gelegenheit, um andere Menschen kennenzulernen, die ein ähnliches Schicksal erlebt haben. Zu den regelmäßigen Treffen kommen oftmals auch Referenten, die Vorträge zu allen Themen rund um das Leben mit einem Schlaganfall halten. Wichtige Informationen bietet bestimmt auch der Erfahrungsaustausch mit anderen Menschen, die schließlich ganz ähnliche Probleme haben wie man selbst. Mit anderen Worten: Eine Selbsthilfegruppe ist ein guter Ort, um zu erleben, wie es andere Menschen gelernt haben, mit ihrer Behinderung umzugehen. Für Patienten mit einer Sprachstörung kommt vielleicht eine Selbsthilfegruppe speziell für Sprachgestörte in Frage. Wer sich an die im nächsten Kapitel genannten Organisationen (Seite 78) wendet, kann leicht die Anschrift einer Selbsthilfegruppe in seiner Nähe in Erfahrung bringen. Sollte es am Ort noch keine Selbsthilfegruppe geben, ist zu überlegen, ob man nicht selbst eine Gruppe gründen möchte. Auch hierbei helfen die bereits angesprochenen Organisationen gerne weiter. Bei jedem Schlaganfall-Patienten gibt es eine Phase, in der er seine Behinderung noch nicht annehmen kann und mit dem Schicksal hadert. In einer solchen Situation hoffen Menschen verständlicherweise auf ein Wunder, und so manche "Heiler" sind bereit, mit ihren außergewöhnlichen Methoden solche Wunder auch zu versprechen. Eines sollte man dabei bedenken: Wer Wunder verspricht, will nur an den Geldbeutel seiner verzweifelten Kunden. Verantwortungsvolle Ärzte werden einem Patienten nie einen hundertprozentigen Heilungserfolg garantieren, einfach, weil dies unseriös ist. Kein Mittel der Welt nimmt es dem Patienten ab, sich mit seiner Krankheit auseinanderzusetzen und seine Genesung während der Rehabilitation durch aktives Üben zu unterstützen. Jeder, der eine Methode ausprobieren möchte, die am Rande oder außerhalb der Schulmedizin liegt, sollte diese sehr kritisch prüfen. Keinesfalls sollte man die vom Arzt verordneten Maßnahmen zur Rehabilitation einschränken oder gar abbrechen. Außerdem sollte man mit dem Arzt über die zusätzliche Behandlung sprechen. Zum einen ist es wichtig, daß er darüber informiert ist, zum andern kann er durch sein Wissen und seine Erfahrung die eigene Entscheidungsfindung erleichtern, wenn man sich noch im unklaren über Sinn und Nutzen eines zusätzlichen Behandlungsangebotes ist. Wer in einer Selbsthilfegruppe ist, kann zudem im dortigen Kreis nachfragen, ob vielleicht schon jemand über eigene Erfahrungen mit der ins Auge gefaßten Therapie hat. 71 Was bringt eine Selbsthilfegruppe? Nützt eine Außenseitertherapie? Wegweiser Tips Adressen 72 4. Kapitel Die gesetzlichen Regelungen sind für Betroffene und Angehörige oft schwer durchschaubar, da meist mehrere Träger in unterschiedlichem Umfang und je nach individueller Sachlage zuständig sind. Dieser Wegweiser erlaubt eine erste Orientierung. Darüber hinaus enthält er eine Liste mit empfehlenswerten Büchern und Broschüren, sowie einige Anschriften von Organisationen, die weiterhelfen können. Auch wer sich gesund fühlt, sollte regelmäßig zum Arzt gehen, um sich einer Gesundheitsuntersuchung ("Check-up") zu unterziehen. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für eine solche Untersuchung alle 2 Jahre, wenn der Versicherte das 35. Lebensjahr erreicht hat. Der untersuchende Arzt wird die Ergebnisse mit seinem Patienten besprechen. Ziel ist es, zum Beispiel einen Bluthochdruck, eine Zuckerkrankheit oder erhöhte Blutfettwerte zu erkennen und frühzeitig zu behandeln. Eine Person spürt – wenn auch nur vorübergehend – Symptome, die als Vorboten eines Schlaganfalls gedeutet werden könnten. Über die unterschiedlichen Anzeichen, die einem drohenden Schlaganfall vorausgehen können, unterrichtet der Teil 2, Kapitel 2 ab Seite 30. Wer solche Symptome verspürt, sollte unbedingt seinen Hausarzt oder einen Neurologen aufsuchen. Dieser wird den Patienten gründlich untersuchen und ihn nach Die zuständigen Leistungsträger Vorsorge möglichen Risikofaktoren befragen, wie sie in Teil 2, Kapitel 2 ab Seite 36 angesprochen werden. Er wird den Patienten auch darüber informieren, wie dieser einem Schlaganfall vorbeugen kann und welche Behandlung gegebenenfalls erforderlich ist. Für die Kosten von Untersuchung, Behandlung und Vorbeugungsmaßnahmen (Prävention) kommt die Krankenversicherung des Patienten auf. Vorboten eines Schlaganfalls Erleidet ein Patient einen Schlaganfall, so kommt ebenfalls die gesetzliche oder private Krankenkasse des Patienten für den Krankenhausaufenthalt und die damit verbundenen Leistungen auf. In der Regel wird sich daran eine stationäre medizinische Rehabilitation anschließen. Akute Behandlung im Krankenhaus 73 Rehabilitation Ist der Schlaganfall-Patient erwerbs- tätig und Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung, so ist diese für die Rehabilitation zuständig. Bei allen Personen, bei denen diese beiden Bedingungen nicht erfüllt sind, tritt deren gesetzliche Krankenkasse für die Kosten der Rehabilitation ein. Patienten mit einer privaten Krankenversicherung müssen dort anfragen, ob ihr Krankenversicherer die Kosten übernimmt. Weil es sinnvoll ist, daß eine intensive medizinische Rehabilitation möglichst schnell einsetzt, haben die beiden gesetzlichen Träger– Krankenund Rentenversicherung – ein besonderes Verfahren entwickelt: die Anschluß-Heilbehandlung (AHB). Sie erfolgt in einer Rehabilitationsklinik, möglichst sofort nachdem der Patient das Krankenhaus verlassen konnte. Eine Anschluß-Heilbehandlung muß der Patient beantragen; in der Regel hilft dabei ein Sozialarbeiter des Krankenhauses. An diesen kann man sich auch in allen anderen Fragen wenden, die mit den Folgen der Krankheit zusammenhängen. In dem seltenen Fall, daß der Betroffene weder Mitglied einer gesetzlichen Kranken- oder Rentenversicherung ist, noch irgendein anderer Sozialleistungsträger oder eine Privatversicherung die Kosten der medizinischen Rehabilitation übernimmt, kann der Patient, seine Angehörigen oder der Sozialarbeiter mit dem zuständigen Sozialamt Kontakt aufnehmen. Sozialämter sind die örtlichen Träger der Sozialhilfe, und sie übernehmen in der gerade beschriebenen Situation die Rehabilitationskosten, sofern der Betroffene bedürftig ist und auch die nächsten Angehörigen nicht die erforderliche finanzielle Hilfe aufbringen können. Vor Beginn einer medizinischen Rehabilitation in einer Reha-Klinik muß ein Arzt prüfen, ob bei dem Patienten eine sogenannte Rehabilitationsbedürftigkeit und die Rehabilitationsfähigkeit bestehen. Die erste Bedingung ist beim Schlaganfall fast immer erfüllt. Ob ein Patient zur Rehabilitation fähig ist, daran knüpfen die verschiedenen Leistungsträger unterschiedliche Voraussetzungen. Aus der Sicht der Rentenversicherung gilt beispielsweise folgende Regelung: Der Betroffene muß handlungsfähig, lernfähig und motivierbar sein, um die notwendige Kooperation herzustellen. Außerdem darf er nicht mehr der Pflege in einem Krankenhaus bedürfen. Erfüllt ein Patient diese Voraussetzungen noch nicht, so muß versucht werden, ihn durch eine entsprechend längere Krankenhausbehandlung so zu fördern, daß er schließlich doch zur Rehabilitation befähigt wird. Diese Regelung gilt sowohl für die Anschluß-Heilbehandlung wie auch für eine mögliche Wiederholung der stationären Rehabilitation, etwa im darauffolgenden Jahr. 74 Möglicherweise ergeben die Untersuchungen in der Reha-Klinik, daß der Patient zur erfolgreichen Rehabilitation zeitweise oder auf Dauer Hilfsmittel benötigt. In der Reha-Klinik sind alle erforderlichen Hilfsmittel vorhanden und für den Patienten verfügbar. Benötigt er später Hilfsmittel, die er zu Hause benutzen kann, so sind die gesetzlichen Krankenkassen oder die Rentenversicherungen die zuständigen Leistungsträger. Hat ein Arzt der Reha-Klinik einem Patienten ein Hilfsmittel verordnet, so wird der Sozialarbeiter der Klinik den zuständigen Träger nennen und dem Patienten beim Stellen des Antrags helfen. Zu den Hilfsmitteln von Schlaganfall-Patienten kann zum Beispiel ein Hirtenstock, ein Rollator oder ein Rollstuhl gehören. Möglicherweise schlägt der Ergotherapeut der Reha-Klinik dem Betroffenen auch Veränderungen in dessen Wohnung vor, etwa Türschwellen zu beseitigen, Haltestangen oder einen Kippspiegel anzubringen, den Toilettensitz zu erhöhen, ein Sitzbrett auf der Badewanne anzubringen oder einen Lift zum Transport in die Wanne zu installieren. Auch in diesem Fall hilft der Sozialarbeiter dem Patienten, den notwendigen Kontakt zum jeweils zuständigen Leistungsträger herzustellen. Bei einem Schlaganfall ist es meist sinnvoll, sich um die Anerkennung als Schwerbehinderter nach dem Schwerbehindertengesetz zu bemühen. Dies muß man beim zuständigen Versorgungsamt beantragen. In der Regel liegt der Grad der Behinderung bei Schlaganfall-Patienten zwischen Hilfsmittel 50 und 80 Prozent. Das Versorgungsamt ist auch zuständig, wenn der Schlaganfall-Patient Opfer einer Gewalttat wurde, also zum Beispiel seine Erkrankung durch eine Gehirnblutung eingetreten ist, die Folge einer Gewalttat war. Schwerbehinderung Sollte der Patient seinen Schlaganfall durch einen Arbeitsunfall erlitten haben – ein Beispiel hierfür wäre eine Schädelverletzung mit Gehirnblutung –, so ist diejenige Berufsgenossenschaft zuständig, bei der der Betreffende gemeldet ist. Die Berufsgenossenschaften sind die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Unfall Nach der Entlassung aus der Reha-Klinik muß die ambulante Rehabilitation das Erreichte bewahren oder weiter verbessern. In dieser Zeit treten viele Fragen auf. Informationen gibt die nächstgelegene Auskunfts- und Beratungsstelle der Rentenversicherung oder ein Reha-Berater der Krankenkasse des Patienten, und zwar dem Betroffenen sowie dessen Angehörigen. Von diesen Stellen erfährt man auch, wo sich die nächste Einrichtung für eine ambulante Rehabilitation befindet. 75 Auskunft und Beratung Berufsfördernde Möglicherweise wird man dem Pain der Reha-Klinik eine berufsMaßnahmen tienten fördernde Maßnahme vorschlagen. Die Kosten hierfür übernimmt die Rentenversicherung oder die Bundesanstalt für Arbeit über die örtlichen Arbeitsämter. Wer von beiden zuständig ist, läßt sich meist schon in der RehaKlinik klären. Wer sich im Zweifel ist, sollte sich an das Arbeitsamt im Heimatort wenden. Als berufsfördernde Maßnahmen kommen etwa in Frage: Änderungen am alten Arbeitsplatz oder die Versetzung innerhalb des Betriebes. Seltener und meist nur bei jüngeren Betroffenen kommt eine Umschulung in Betracht. Pflegebedürftigkeit Leider ist es nicht auszuschließen, daß ein Betroffener pflegebedürftig wird. In diesem Fall sollte man sich an die zuständige Krankenversicherung wenden. Unter ihrem Dach ist nämlich auch die Pflegeversicherung angesiedelt. Zunächst muß ein Antrag auf Pflegebedürftigkeit gestellt werden. Hierzu wird ein Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes der gesetzlichen Krankenkassen den Patienten zu Hause besuchen und in eine der drei Pflegestufen einstufen. Diese Einstufung bestimmt den Umfang der Leistungen, den die Pflegeversicherung dem Patienten gewährt. Die Betroffenen und deren Angehörige müssen danach entscheiden, ob die Angehörigen selbst die häusliche Pflege übernehmen, oder ob Mitarbeiter einer Sozialstation oder eines privaten Pflegedienstes diese Aufgabe übernehmen sollen. Eine stationäre Pflege in einem Pflegeheim sollte nur als letzte Möglichkeit erwogen werden, sie ist aber in manchen Situationen unumgänglich. Wer einen Angehörigen pflegt, sollte selbstverständlich Gelegenheit haben, im Urlaub wieder Kraft zu schöpfen. Die Pflegekasse übernimmt deshalb jedes Jahr für bis zu vier Wochen die Kosten einer Ersatzpflegekraft. 76 Arbeitshilfe für die Rehabilitation von Schlaganfallpatienten Schriftenreihe der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) Walter-Kolb-Straße 9-11, 60594 Frankfurt am Main Die Broschüre zeigt auf, welche Maßnahmen und Leistungen für die Rehabilitation von Schlaganfallpatienten in Betracht kommen und beschreibt den Ablauf des Rehabilitationsverfahrens. Reha-Klinik die wiedererworbenen Fähigkeiten in den Alltag übertragen und langfristig alle Möglichkeiten der Rehabilitation ausschöpfen kann. Holubetz, Christa Schlaganfall als Lebenserfahrung Holubetz Verlag, 1993 Die Autorin, selbst Schlaganfall-Betroffene, schildert in diesem Büchlein ihr eigenes Schicksal. Sie macht Betroffenen Mut und vermittelt Angehörigen, wie sie mit der Krankheit besser umgehen können. Davies, Pat M. Hemiplegie Reihe Rehabilitation und Prävention, Band 18, Springer Verlag Davies, Pat. M. Wieder Aufstehen Springer Verlag, 1995 Diener, Hans-Christoph Wie beuge ich dem Schlaganfall vor? Piper Verlag, 1994 Geisseler, Trudy Halbseitenlähmung – Hilfe zur Selbsthilfe Springer Verlag, 1993 Das Buch wendet sich an Halbseitengelähmte und deren Betreuer. Es zeigt auf, wie der Patient nach Verlassen der 100 Fragen + Antworten zur Pflegeversicherung Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung Durchblutungsstörungen des Gehirns, Risikofaktoren, Warnsignale sowie über Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten. Jay, Peggy E. Hilf Dir selbst Ratschläge für Hemiplegiker und ihre Angehörigen Hans Huber Verlag, 1981 Das Buch beschreibt zahlreiche Methoden und Hilfsmittel, die sich in der Praxis bewährt haben. Die Anregungen verhelfen zu mehr Selbständigkeit im Alltag, zu Hause, bei der Arbeit und in der Freizeit. 77 Empfehlenswerte Literatur Kollmorgen, Charlotte Collagentherapie Hans Huber Verlag, 1989 Die Autorin beschreibt ihre Erfahrungen als Therapeutin, die sie mit kreativen Bildcollagen bei Herzinfarktpatienten in einer Rehabilitationsklinik gewonnen hat. Das Buch richtet sich in erster Linie an Therapeuten, ist aber auch für Laien geeignet. Krämer, Günter Dem Schlaganfall vorbeugen Trias Verlag, 1993 Das für Laien geschriebene Buch informiert ausführlich und fundiert über Durchblutungsstörungen des Gehirns, Risikofaktoren, Warnsignale sowie über Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten. Lutz, Luise Das Schweigen verstehen Springer Verlag, 1992 Der Band wendet sich an alle, die mit Aphasikern und deren Problemen zu tun haben, also an Therapeuten der unterschiedlichen Fachrichtungen, Ärzte, Pflegekräfte, Angehörige und an Betroffene selbst. Mäurer, Horst-Christian und Mäurer, René Der Schlaganfall Trias Verlag, 1991 Ein sachkundiger und kompetenter Ratgeber, der Betroffene und Angehö78 rige in knapper, leicht verständlicher Form über alle wichtigen Aspekte des Themas informiert. Moritz, Kurt Seelsorge an Schlaganfallkranken Berliner Hefte für evangelische Krankenseelsorge, zu beziehen über: Konsistorium der Evangelischen Kirche Bachstraße 1-2, 10555 Berlin Die Broschüre entstand, um Seelsorger für ihre Begegnung mit Schlaganfall-Patienten besser vorzubereiten. Wissenswertes enthält sie besonders zur seelischen Situation der Betroffenen. Pflegen zu Hause Ratgeber für die häusliche Pflege Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung Referat Öffentlichkeitsarbeit, Postfach 140280, 53107 Bonn Schlaganfall Praktischer Ratgeber Bundesministerium für Gesundheit Referat Öffentlichkeitsarbeit 53108 Bonn Die Broschüre informiert Angehörige über das praktische Vorgehen bei der häuslichen Pflege und gibt den Betroffenen viele Anregungen, wie sie durch Einsatz von Hilfsmitteln mehr Selbständigkeit erlangen. Zahlreiche Abbildungen illustrieren die Erläuterungen. Schumann, Gesine Pflegeversicherung Rat und Hilfe für Antragsteller und Angehörige Midena Verlag, 1995 Verband Deutscher Rentenversicherungsträger Eysseneckstraße 55, 60322 Frankfurt am Main, Tel.: 069/15220 Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften Alte Heerstraße 111, 53757 Sankt Augustin, Tel.: 02241/23101 Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe Postfach 104, 33311 Gütersloh, Tel.: 05241/97700 (Die Stiftung unterhält auch ein Regionalbeauftragten-System; Mitglieder können über eine Notfallnummer Informationen über aktuelle Entwicklungen bei der Therapie und Rehabilitation von Schlaganfällen erfragen.) Tropp Erblad, Ingrid Katze fängt mit "S" an. Aphasie oder der Verlust der Wörter. Fischer Taschenbuch Verlag, 1994 Klar und unsentimental schildert die Autorin, für die der Umgang mit Sprache persönlich und beruflich wichtig ist, wie sie mit der Erkrankung fertig wurde. Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Hauptfürsorgestellen Ernst-Frey-Straße 9, 76135 Karlsruhe, Tel.: 0721/81071 Anschriften, die weiterhelfen Träger der Rehabilitation Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe Ernst-Frey-Straße 9, 76135 Karlsruhe, Tel.: 0721/8107-279 Bundesverband für die Rehabilitation der Aphasiker Bundesgeschäftsstelle Georgstraße 9, 50389 Wesseling, Tel.: 02236/46698 79 Selbsthilfeeinrichtungen und Behindertenverbände Impressum Herausgeber: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln, im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit Alle Rechte vorbehalten. Konzept und Inhalt: BZgA, Köln Wissenschaftliche Begutachtung: Prof. Dr. G. Sitzer, Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe Gestaltung: Lang.Konzeption. Köln Fotografie: Frank Peinemann, Köln (Seiten 9, 10, 13, 14, 17, 18, 21, 22, 25, 26, 29, 30, 33, 38, 50, 52, 56, 58, 59, 60, 66), Klaus Arras, Köln (Seiten 39, 40, 49, 72) Martin Kreutter, Marburg (Seiten 63, 70) Alex Majewski, Düsseldorf (Seite 6) Piper-Verlag, München (Seite 32) Ullstein Verlag, Berlin (Seite 51) Frau Prof. Hannelore Pilss-Samek, Wien (Seite 69) Lang.Konzeption. (Seiten 35, 36, 41, 42, 43, 44, 45, 47, 49, 53, 57, 61, 65, 67, 68, 74, 76) Illustrationen: Günther Kohl, Köln (Seiten 1, 30, 34, 62) Druck: Bachem GmbH Köln Erscheinungsdatum: November 1996 Auflage: 1.200.11.96 Diese Broschüre ist kostenlos erhältlich bei der BZgA, 51101 Köln. Bestellnummer: 42 03 0000 Gedruckt auf Recyclingpapier. Antworten auf Fragen 82 80