Zum Bestimmungsartikel - voegel-am
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Deutschland 5,95 € · CH 11,90 SFr · A 6,70 € B 7,00 € · NL 7,70 € · L 7,00 € · I 7,95 € ISSN 1862-8397 02/08 Heft 02/08 FRÜHJAHR www.voegel-magazin.de Magazin für Vogelbeobachtung FRÜHLINGSFOTOS Ringelganstage im Wattenmeer VÖGELFOTOWETTBEWERB Die Gewinnerfotos DRAUSSEN Fressneid unter Freunden – Die Drei von der Buhne WALDRAPPE Kommen Sie wieder? Neue Rhythmen Wie Europas Vögel auf den Klimawandel reagieren REISEN Zypern: Endemiten und Raritäten Deutschland: Wedeler Marsch und Federsee OPTIK-TEST GARTEN Sicherer Stand: Stative im Einsatz Aktion „Neue Heimat“ – Nistkästen aufhängen! Hinweise zur Bestimmung von Sumpf- und Weidenmeise Die grauen Un mit den schwa VON MARTIN KRAFT Man schrieb das Jahr 1963, als mir das erste Mal bewusst wurde, dass es an meiner winterlichen Futterstelle kleine graue Meisen gab, die besonders durch ihre Rastlosigkeit auffielen. Sie wirkten wie winzige, offenbar nicht müde werdende Unruhegeister, die mich mit ihren schwarzen Kappen an die gleichzeitig anwesenden Gimpelweibchen erinnerten. Dass es zwei fast gleich aussehende Arten dieser „Schwarzkappenmeisen“ gibt, erfuhr ich später beim Blick in mein erstes Bestimmungsbuch. Dort unterschied man die Geschwisterarten Sumpfmeise Parus palustris und Weidenmeise Parus montanus. Bei der Suche nach den Unterscheidungsmerkmalen der beiden Arten wurde ich jedoch leider nicht fündig und betrachtete daher immer wieder die Zeichnungen auf dem kleinen Bildchen, welches ich mit vielen anderen in ein Sammelbuch der Kreissparkasse eingeklebt hatte. Selbst in den heutigen Bestimmungsbüchern fehlen oft wichtige Hinweise zur Erkennung der beiden Arten, und zudem sind manche Abbildungen fehlerhaft, indem wir eine vermeintliche Sumpfmeise beschrieben sehen, es sich aber tatsächlich um eine Weidenmeise handelt. Den umgekehrten Fehler finden wir allerdings auch oft. Dies und mangelnde Kenntnis führen dazu, dass auch im Freiland viele Fehler beim Bestimmen von Sumpf- und Weidenmeise gemacht werden. Da bei beiden Arten ziemlich regelmäßig auch die Weibchen singen, ist leicht auszumalen, welche Fehler sich in lokale und überregionale Avifaunen schleichen, wenn es um Leider präsentieren die Sumpfmeisen nicht immer ihre Kappe so glänzend und ihren Kehlfleck so deutlich, dass man sie sicher bestimmen kann. Foto: CHRISTINE JUNG 16 | 02 /0 8 DR AUSSEN ruhegeister rzen Kappen die Bestandsentwicklung der beiden Arten geht. Würden sich Seltenheitenkommissionen diesem – und auch anderen Bestimmungsproblemen bei häufigen Arten – widmen, hätten sie wahrscheinlich jahrelang zu tun, um die Fehler auszumerzen. Es ist vielfach einfacher, einen Spitzschwanzstrandläufer von einem Graubruststrandläufer zu unterscheiden, als Sumpf- und Weidenmeise korrekt anzusprechen. Was können wir im Freiland tun, um Sumpf- und Weidenmeise richtig zu bestimmen? Kaum ein Platz ist besser geeignet als eine Futterstelle im Winter, wenn wir bei der richtigen Futtermischung neben den bekannten Kohl- und Blaumeisen auch Sumpfund Weidenmeisen anlocken. Beobachtungsplatz Futterhaus Dabei ist auffällig, dass erstens Sumpfmeisen häufiger an Futterplätzen erscheinen und zweitens viel häufiger Sämereien (vor allem Sonnenblumenkerne) verzehren als dies Weidenmeisen tun. Weidenmeisen hängen sich viel mehr an Meisenknödel, Rindertalg oder aufgehäng- te Fettfuttermischungen. Allerdings ist diese Tatsache kein hundertprozentiges Unterscheidungsmerkmal, sondern es gibt selbstverständlich auch Abweichungen davon, sodass wir nicht sicher sagen können, dass eine graue Meise mit schwarzer Kappe eine Weidenmeise ist, nur weil sie am Fettring hängt. Aber es wäre ein erstes Indiz. Wir haben also ein Futterhäuschen aufgestellt und wollen alle Vögel, die es besuchen, richtig bestimmen. Wichtig ist grundsätzlich, eine große Portion Geduld mitzubringen. Zudem brauchen wir eine gute Dieser Vogel lässt sich anhand der genannten Merkmale als Weidenmeise bestimmen. Warum? Unscharfer Kehlfleck, matte Kappe … Foto: FOTONATUR.DE B E S TI M M U N G SUMPF- UND WEIDEMEISEN | 17 DR AUSSEN Beobachtungsgabe. Auf einem kleinen Zettel notieren wir Aussehen, Verhalten und Lautäußerungen. Letztgenannte sind artspezifisch und damit in den meisten Fällen eine gute Möglichkeit, die Arten richtig anzusprechen. Doch dazu später. Kleine Skizzen zum Aussehen der kleinen Meisen sind oft hilfreich für eine korrekte Bestimmung. Schauen wir zunächst auf die Kopfzeichnung. Adulte Sumpfmeisen besitzen eine glänzend schwarze Kappe, die in der Regel bis über das Auge und in den Nacken reicht. In Ausnahmefällen – vor allem bei manchen Weibchen – können sie auch eine nur wenig glänzende Kappe haben. Das schwarze Kehllätzchen ist kurz und meist rechteckig auslaufend. Die Kehle ist weißlich, ebenso sind die Kopfseiten und die Ohrdecken gefärbt. Im hinteren Kopfseitenbereich finden wir oft eine fahl bräunliche Farbe. Junge Sumpfmeisen besitzen nach der ersten Jugendmauser im Spätsommer in der Regel noch keine glänzend schwarze Kappe und können daher leicht mit Weidenmeisen verwechselt werden, zumal die Kopfseiten oft reiner weiß sind als bei alten Sumpfmeisen. Auch dieses Merkmal ist eher typisch für die Weidenmeise. Alte Weidenmeisen besitzen überwiegend matt-schwarze Kappen, die in der Regel weit in den Nacken reichen, was den Weidenmeisen ein etwas „stiernackiges“ Aussehen verleiht. Adulte männliche Weidenmeisen zeigen nicht selten etwas glänzend schwarze Kappen und können daher leicht mit jungen Sumpfmeisen oder einigen alten Sumpfmeisenweibchen verwechselt werden. Die Kopfseiten sind meistens rein weiß bis zum Nacken hin, aber nicht selten auch bräunlich verwaschen, sodass sie damit wieder mehr den Sumpfmeisen ähneln. Ein gutes Kennzeichen ist der schwarze Kehllatz, der am Schnabelgrund schmal ist, dann aber dreieckig wird und oft tropfen- oder strichelförmig ausläuft. Unterhalb des Kehllätzchens finden sich oft blass bräunliche Federn. Insgesamt ist damit das schwarze Kehllätzchen bei Weidenmeisen ausgedehnter und auffälliger als bei Sumpfmeisen. Juvenile Wei- denmeisen haben eine den Altvögeln sehr ähnliche Kopfzeichnung. Die Schirmfedern der Sumpfmeise haben keine auffallenden hellen Säume, wohl aber die Armschwingen im frisch vermauserten Zustand (Spätsommer, Herbst, manchmal noch bis ins Frühjahr). Flügel-, Körperund Steuerfedern Das Brust-, Bauch- und Flankengefieder ist bei der Sumpfmeise weißlich, seltener aber auch mit blass braungrauen Flanken. Weidenmeisen haben aber fast immer ein auffallend helles Armschwingenfeld, welches bei der nordeuropäischen Unterart Parus montanus borealis besonders deutlich zu sehen ist. Diese Unterart ist außerdem etwas größer und insgesamt heller; sie erscheint jedoch nur selten bei uns im Winter. Die Flanken unserer mitteleuropäischen Weidenmeisen sind oft bräunlich bis rostbraun, ein Merkmal, was sich aus der Nähe gut sehen lässt und welches sich meist deutlich von der Sumpfmeise unterscheidet. Die Schirmfederränder sind bei Weidenmeisen fast immer hell gesäumt. Auf ADULTE SUMPFMEISE Glänzende Kappe Kein helles Feld Foto: Dieter Woerrlein Kleiner Kehlfleck „abgeschnitten“ 18 | 02 /0 8 ein Merkmal, welches sich nur selten in Bestimmungsbüchern findet, wird an dieser Stelle besonders hingewiesen, weil es sich bei guten Sichtbedingungen um ein wichtiges Kennzeichen handelt, welches die Weidenmeise klar von der Sumpfmeise abgrenzt: Die äußeren Steuer- (Schwanz)federn sind bei Weidenmeisen deutlich kürzer als die mittleren, wodurch der Schwanz abgerundet wirkt. Zudem sind die Außenfahnen der äußeren Steuerfedern sehr hell. Bei der Sumpfmeise hingegen sind die äußeren Schwanzfedern nur etwas kürzer als die mittleren, so dass der zusammengelegte Schwanz ziemlich gerade erscheint. Die Außenfahnen der äußeren Steuerfedern sind bei der Sumpfmeise weniger hell als bei der Weidenmeise. Hat man nun beide Arten nah vor sich, so sollte man auf dieses Kennzeichnen achten, wodurch eine korrekte Artbestimmung deutlich erleichtert wird! An ihren Stimmen sollt Ihr sie erkennen Die unruhigen Bewegungen der Sumpf- und Weidenmeisen lassen jedoch nicht immer alle wichtigen Kennzeichen erkennen, sodass die eingangs erwähnte Geduld immer wichtig ist, um beide Arten richtig zu bestimmen. Neben den Gefiederpartien und dem Gesamtbild liefert die Stimme wertvolle Hinweise zur Erkennung: Die Kontaktrufe der Sumpfmeise klingen wie „pistje-de-de-de“, während das typische „si-däh-däh-däh“ der Weidenmeise davon deutlich verschieden ist. Im Frühjahr liefern auch die Gesänge wichtige Hinweise zur Erkennung unserer „Unruhegeister“. Der Gesang der Sumpfmeise ist sehr variabel mit schnellen „Klapperstrophen“ und langsamerem „zi-wüd-zi-wüd“ oder „tiju-lüh, tiju-lüh“. Der Gesang der Sumpfmeise klingt hin und wieder wie der einer Tannenmeise und wird daher nicht selten verwechselt. Der noch langsamere und „klagende“ wie „zjü-zjü-zjü“ klingende Gesang der Weidenmeise unterscheidet sich sehr deutlich von dem der Sumpfmeise. Ein fast immer nur für die Weidenmeise angegebener „Schnalzgesang“ kommt in ähnlicher Form auch bei der Sumpfmeise vor. Weidenmeisen singen viel häufiger auch noch im Spätsommer und Herbst, meistens in der Nähe von Gewässern, Sumpfmeisen meist nur im Frühling, oft in lichten Mischwäldern. Beide Arten können aber auch in Ortschaften brüten, sodass man immer damit rechnen muss, nicht nur am Futterhäuschen, sondern auch im eigenen Garten oder in Parkanlagen, Sumpf- und Weidenmeisen an der Bruthöhle zu sehen. Mit ausreichender Geduld, genauem Hinsehen und Wahrnehmen der unterschiedlichen Gesänge sollte es gelingen, beide Arten exakt von einander zu trennen. Bei Kartierungen sollten wir immer längere Zeit im Untersuchungsgebiet verweilen und alles genau beobachten und protokollieren. Sumpfmeisen brüten häufiger in Nistkästen als Weidenmeisen. Letztgenannte ist sogar in der Lage, ihre Bruthöhlen selber in weiche Hölzer zu zimmern. Bei Schneelage fällt außerdem auf, dass Sumpfmeisen oft Sonnenblumenkerne sammeln und verstecken, manchmal dienen dazu sogar mit Schnee bedeckte Äste, wenn der Schnee als Nahrungsdepot fungiert. Damit wird einmal mehr deutlich, dass man viel über Vögel lernen kann, wenn man sie füttert. WEIDENMEISE Matte Kappe Aufhellung im Armflügel Großer Kehlfleck FOTO: VOLKER M. PILZ Helle Schwanzaußenkanten Äußere Steuerfedern kürzer B E S TI M M U N G SUMPF- UND WEIDEMEISEN | 19 DIE GRAUEN AUS DER ZWEITEN LIGA Sumpf- und Weidenmeisen VON FRANK ALLMER Manche fallen gerne auf, andere halten sich lieber etwas bedeckt. Das gibt es auch bei Meisen. Kohl- und Blaumeisen sind die farbenfrohen Prinzen, Sumpf- und Weidenmeisen die grauen Aschenputtel. Selbst im Internet spielen die „Graumeisen“ nur in der zweiten Liga: In der Suchmaschine Google fand ich 91 400 Einträge für Blaumeise und 81 100 für Kohlmeise. Weit abgeschlagen dahinter die Sumpfmeise mit 25 600 und die Weidenmeise mit nur 16 000 Einträgen. eine Weidenmeise, denn die hätte weich und nasal „Dääh, Dääh, Dääh“ rufen müssen. Der laute Lockruf „Pi-Tschä“ ist charakteristisch für Sumpfmeisen. Ich hätte mein Vogelbuch besser lesen sollen. Es ist schon richtig, dass sich Sumpfmeisen in aller Regel keine eigenen Behausungen zimmern, aber sie bearbeiten immer vorhandene Höhlen. Sie behacken sogar bezugsfertige Nistkästen ausgiebig, bevor sie Nistmaterial eintragen. Wenn es um die eigenen vier Wände geht, verstehen Weiden- und Sumpfmeisen keinen Spaß. Angriffs- Die Lebensweise der kleinen Grauen bringt es mit sich, dass man sie selten trifft. Sie leben vor allem draußen in Wäldern. Im Winter kommen sie nur selten an die Futterhäuser in Dörfern und Städten. Zur Brutzeit beziehen Sumpfmeisen zwar manchmal Nistkästen, aber ebenfalls kaum in der Nähe von Häusern. Weidenmeisen dagegen sind überhaupt nicht an solchen Fertigwohnungen interessiert. Sie bauen sich fast immer selbst ihr Eigenheim. So war ich mir auch ganz sicher, eine Weidenmeise vor mir zu haben, als ich einmal eine graue Meise bei der Arbeit an einer Höhle in einem morschen Birkenstamm beobachtete. Meine Meise hämmerte fleißig Holz los und flog mit vollem Schnabel knapp zehn Meter weit in einen Weidenbusch. „My home is my castle“ das ganze Jahr über Dort schüttelte sie heftig mit dem Kopf, um die Späne los zu werden. Anschließend wischte sie sich den Schnabel an einem Zweig ab. Dann rief sie aber laut und kräftig „PiTschä“ und noch mal „Pi-Tschä“. Das gehörte sich nun überhaupt nicht für 20 | Nicht besonders typisch, denn eigentlich kommen eher Sumpfmeisen an die Fütterung. Bei dieser Weidenmeise kann man sogar die etwas kürzere äußere Steuerfeder sehen! Foto: FOTONATUR.DE 02 /0 8 DR AUSSEN lustig wie keine andere Meisenart stürzen sie sich auf jeden Artgenossen, der sich ihrem Domizil nähert, sogar im Herbst und Winter. Sobald Sumpfmeisen flügge sind, das heißt bereits im Juni ihres Geburtsjahres, suchen sich die jungen Männchen ein Revier, an dem sie ihr Leben lang festhalten. Ein eigenes Grundstück ist ihr höchstes Lebensziel. Sogar hoch im Norden in Norwegen und Russland bleiben sie das ganze Jahr über in ihrem Revier, selbst im strengsten Winter. Andere Meisenarten suchen bereits ab September in gemischten Trupps gemeinsam nach Nahrung. Dabei lernt einer vom anderen, wo es Gutes zu fressen gibt. Um sich solchen Schwärmen anzuschließen, müssten Weiden- und Sumpfmeisen allerdings ihre über alles geliebten Reviere verlassen. Das bringen sie erst übers Herz, wenn es bitter kalt wird. Bei Frost ist es besonders wichtig, genug energiereiche Nahrung zu finden. Da werden selbst die kämpferischsten Meisen friedlich und schließen sich den Kollegen an, die wissen, wo es gute Futterquellen gibt. Mehr als 800 Meter entfernen sie sich aber auch dann kaum von ihrem Heim. Wenn ich die grauen Meisen mit der schwarzen Kopfplatte am Futterhaus sehe, tun sie mir immer irgendwie leid. Hektisch sammeln sie zwei, drei Körner, fliegen schnell weg. Aber nach ein paar Sekunden sind sie wieder da und eilen abermals rasch fort. Die Zeit, ihre Mahlzeit in Ruhe zu genießen, nehmen sie sich überhaupt nicht. Die Hektik hat ihren Grund: Sumpf- und Weidenmeisen sehen nicht nur grau aus wie Aschenputtel, sie werden von den anderen Vögeln auch wie Aschenputtel behandelt. Beim Streit am Futterhaus ziehen sie fast immer den Kürzeren. Meistens fliegen sie schon von selbst weg, wenn sich andere Meisen dem Futterhaus auch nur nähern. Ich habe dem Treiben mal einige Zeit zugesehen. Als einzige Meisen sind Sumpf- und Weidenmeisen in der Lage, mehr als ein Samenkorn auf einmal im Schnabel fort zu tragen. Und das tun sie dementsprechend eifrig, so bald mal keine anderen Vögel am Futterhaus sind. Die gesammelten Körner fressen sie nicht etwa sofort auf. Sie verstecken sie schnell in Rindenspalten, M EISEN G E S CHI CHTEN Von ganz Nahem betrachet, sieht die Sumpfmeise gar nicht mehr so niedlich aus. Man sieht aber gut den relativ sauber abgeschnittenen schwarzen Kehllatz. Foto: ULI EIDAM Moospolstern oder unterm Laub. Dann holen sie sich gleich die nächste Portion. Sie wählen nicht immer die gleichen Verstecke und Flugrouten, sondern verteilen die Körner weit gestreut im Gelände. Selbst als ich dachte, ich hätte endlich das Muster erkannt, nach dem die Meisen ihre Verstecke anlegen – am nächsten Vormittag war wieder alles ganz anders. Dann waren auch die meisten Verstecke von gestern bereits wieder leer. Ich hatte mir einige der Vorratskammern genau gemerkt und kontrolliert, aber nichts gefunden. Vorratshaltung an mehreren Plätzen Sumpf- und Weidenmeisen legen nur einen kleinen Teil der Vorräte für längere Zeit an. Sie suchen ihre Futterverstecke meistens innerhalb der nächsten 24 Stunden wieder auf. Dann können sie dort in aller Ruhe fressen, ungestört von den streitsüchtigen Neidern am Futterhaus. Es hat seinen guten Grund, wenn die Vorräte weit im Revier verteilt werden und es dafür kein festes Muster gibt; so finden Plünderer, wie zum Beispiel Mäuse, das Futter nicht so schnell. Mehrere hundert Verstecke müssen sich die Vögel merken. Wie sie das meistern, haben Biologen bei Schwarzkopfmeisen in Nordamerika herausgefunden, nahen Verwandten der Weidenmeisen. Bei ihnen wächst im Herbst der für das Ortsgedächtnis zuständige Teil ihres Gehirns, der Hippocampus, um bis zu 30 Prozent. Im Frühjahr, wenn die Informationen nicht mehr benötigt werden, schrumpft dieses Gehirnareal wieder. Ich kann mir gut vorstellen, dass dies ebenfalls für die grauen Meisen in Europa zutrifft. Trotz des wohl größeren Gehirns im Winter finden Sumpf- und Weidenmeisen nicht alle versteckten Samen wieder. Dann blühen im Sommer manchmal Sonnenblumen am Waldrand, wo sie kein Mensch gesät hat. | 21