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Dummys.QXD 18.05.2005 12:35Uhr Seite 1
fälschen innen 18.05.2005 12:35Uhr Seite 2
Inhalt
Das Spiel der Banknoten-Fälscher
Fühlen, sehen, kippen, prüfen – Sicherheitsmerkmale bei Euro-Banknoten
Der EC-Betrug: Wie sicher sind Scheckkarten?
Geklaute Marken: Produktpiraten machen Kasse
Kopiert, frisiert, erfunden – die größten Fälschungen
Echt oder falsch? Dokumente unter der Lupe
Meisterhaft gefälscht: Schwindel in der Kunst
Digitale Wasserzeichen
Gefälschte Medikamente: Schwindel kostet Menschenleben
Lesetipps
Linktipps
Impressum
Vorsicht Fälschung
Text:
Katrin Buchwalsky,
Timo Kellmann,
Martin Rosenberg,
Mike Schaefer,
Nicola Wettmarshausen,
Tilman Wolff
Redaktion und Koordination: Claudia Heiss
Copyright: WDR Februar 2005
Weitere Informationen erhalten sie unter: www.quarks.de
Gestaltung: Designbureau Kremer & Mahler, Köln
Diese Broschüre wurde auf 100 % chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt.
Bildnachweise:
Alle Abbildungen wdr
ausser:
S. 16 Fresko: Rechte: akg
S. 16 Töplitzsee: Rechte: dpa
S. 17 Heidemann: Rechte: Tagesschau
S. 19 Schnabel: Rechte: dpa
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Das Spiel der Banknoten-Fälscher
Die größte Währungsumstellung aller Zeiten
Geldfälscher rüsten auf
Anfang 2002 ist es endlich soweit – nach Jahren der
Vorbereitung kommt die größte Währungsumstellung aller
Zeiten. 12 Zentralbanken in Europa stellen um auf den
Euro. Die Macher des neuen Geldes haben viel versprochen: die Euro-Banknoten sollen absolut fälschungssicher sein. Dafür wurden die neuen Geldscheine mit vielen Sicherheitsmerkmalen ausgestattet. Jedes für sich soll
Fälscher vom Nachmachen der Währung abhalten.
Ein quantitativer und qualitativer Sprung gelang den Fälschern im ersten Halbjahr 2003. Damals nahm die Menge
der sichergestellten Falschgeldscheine sprunghaft um 30
Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Die Werkstätten der
Betrüger hatten Fahndungsbehörden und Zentralbanken
bereits zuvor im Osten Europas ausgemacht. In Bulgarien
etwa, wo im vergangenen Jahr eine hervorragend eingerichtete Fälscherwerkstatt hochgenommen werden konnte. Dort wurden falsche 50-, 100- und 200- Euroscheine
hergestellt, bei denen selbst Experten zweimal hinsehen
mussten, um die Fälschung zu erkennen – so gut war den
Fälschern das Druckbild und das Papier gelungen.
Dreiste Fälschungen von Anfang an
Eine „echte“ Blüte: Einen 300 EuroSchein hat die Europäische Zentralbank
nie herausgegeben
So sieht der echte
Hologrammstreifen auf der
20 Euro-Banknote aus
Der falsche Hologrammstreifen
stammt hier von der Wertmarke
Zu Anfang sind es eher plumpe Fälschungen die in Umlauf
gebracht werden, nachgemachte Euroscheine oder Centmünzen, die nicht auffallen, weil das neue Geld noch
ungewohnt ist. Aber auch Scheine mit frei erfundenen
Werten, Größen und Aussehen tauchen auf, von Fachleuten als „Blüten“ bezeichnet. Darunter sind viel zu kleine 20-Euro-Banknoten ebenso wie der von einem Erotikunternehmen als Werbegag gedruckte falsche 300-EuroSchein – ein Wert, den es nicht gibt.
Solche und andere Kuriositäten werden in der Falschgeldstelle der Deutschen Bundesbank in Mainz gesammelt. Hier landet alles Falschgeld, das in Deutschland auffällt – also auch falsche Dollars, Rubel oder Pfund-Noten.
Dabei macht die optische Qualität gefälschter EuroScheine den Geldwächtern immer mehr zu schaffen, denn
Tintenstrahldrucker und Farbkopiergeräte haben den
Fälschern die Arbeit erleichtert.
Beispiel Hologramm auf der Sicherheitsfolie: Hier tricksen
die Fälscher, indem sie einfach ein Hologramm von einem
anderen Produkt ablösen und auf ihr Falschgeld kleben.
So wurden bereits falsche Zwanziger aufgegriffen, auf
deren Hologrammstreifen das Logo einer Mineralölgesellschaft prangte. Bei oberflächlichem Hinsehen – so hoffen
die Betrüger – fällt das keinem auf.
Noch – so sagen die Experten der Falschgeldstelle in
Mainz – ist es nicht gelungen, wirklich alle Sicherheitszeichen des Euros gleich gut nachzumachen. Ein Fall
aus Brandenburg lässt die Fachleute derzeit aber stumm
werden: Neben einer Cannabis-Plantage fand die Polizei
im Herbst 2004 eher zufällig Utensilien zum Druck von
Falschgeld und einige Probedrucke. Noch hatten die
Fälscher nur eine Seite der falschen Banknoten hergestellt, doch die Imitate übertreffen selbst nach Meinung
der Experten von der Deutschen Bundesbank alle bisherigen Fälschungen deutlich.
Warnung vor falschen Fünfzigern
Besonders beliebt bei Fälschern ist der 50-Euro-Schein. Es
lohnt sich, bei diesen Scheinen besonders aufzupassen.
Bei Werten von 100 oder mehr schauen Besitzer und
Empfänger schon eher zweimal hin, doch der Fünfziger
wird weniger oft betrachtet. Deshalb führt der Fünziger in
der Statistik der Europäischen Zentralbanken: fast die
Hälfte aller in Umlauf gebrachten falschen Scheine trägt
diesen Wert.
einer Mineralölgesellschaft
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Fälscherwerkstatt in Bulgarien
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Oben falsch, unten echt: Besonders
schwierig nachzumachen sind die
erhobenen und tastbaren Buchstaben auf den Euro-Banknoten
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Sicherheitsmerkmale bei
Euro-Banknoten
Wasserzeichen
Experten raten: Scheine genau prüfen
Sehen:
Um sich vor Falschgeld zu schützen, sollte man möglichst
viele Sicherheitsmerkmale kennen. Denn wer nur ein Kennzeichen beachtet, wie es meist in Supermärkten oder an
der Kasse der Kaufhäuser geschieht, hat bald verloren. In
der Regel wird hierzulande nur geprüft, ob der Schein fluoresziert, doch gerade dieses Merkmal können die Fälscher
inzwischen relativ gut nachmachen. Die neuen Fälschungen leuchten unter dem Lesegerät/UV-Licht fast wie die
echten Scheine und sehen beim schnellen Zahlungsverkehr an der Kasse täuschend echt aus.
Sieht man sich eine Euro-Banknote im Gegenlicht an,
erscheinen verschiedene Wasserzeichen. Betrachtet man
die Vorderseite, zeigt sich zum Beispiel links im weißen
Streifen das Architekturmotiv und der Wert. Beim 10-Euroschein sind das der romanische Torbogen und die 10. Der
Wert scheint hell durch und ist deutlich zu erkennen.
i
Der Tipp von Experten lautet: Fühlen, Sehen, Kippen, Prüfen.
Damit sollen – so sagen sie – fast alle Fälschungen zu
erkennen sein. Einen Leitfaden, wie das geht, haben die
Zentralbanken wie beispielsweise die Deutsche Bundesbank auf ihren Internetseiten veröffentlicht (siehe Linktipps).
Auch beim Erkennen des sogenannten Durchsichtsregisters spielt Gegenlicht die Hauptrolle. Unregelmäßige
Zeichen, die auf die Vorder- und die Rückseite der EuroBanknoten gedruckt sind, ergänzen sich im Gegenlicht
passgenau zur vollständigen Zahl des Wertes.
Durchsichtsregister
Beispiel: die 10 auf dem 10-Euro-Schein. Sie steht auf der
Vorderseite oben links neben der blauen Europa-Flagge.
Bei Fälschungen fällt die Vervollständigung oft ungenau
aus. Die beiden Teile passen nicht zueinander, die 10 ist
nicht passgenau aufgedruckt.
Original oder Fälschung? Die wichtigsten Erkennungsmerkmale
Ertastbares Relief
Fühlen:
Die Abbildungen der Fenster und Tore, die Wertzahlen und
die Abkürzungen der Europäischen Zentralbank auf der
Vorderseite der Banknoten sind etwas erhoben. Sie können mit den Fingerspitzen als Relief ertastet werden.
Diese Reliefstruktur entsteht durch ein besonderes
Druckverfahren, den Stichtiefdruck. Darüber hinaus werden die Euro-Banknoten auf Spezialpapier gedruckt, das
eine griffige Oberflächenstruktur aufweist.
Doch Vorsicht, bei echten Scheinen, die schon länger im
Gebrauch sind, kann sich das Relief abnutzen. Deshalb
kann man mit Tasten allein nicht sicher herausfinden, ob
der Schein echt ist – es kann sich ebenso gut um eine
schlechte Fälschung wie um einen alten Schein halten.
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Durch die Euro-Banknoten läuft senkrecht in der Mitte der
Sicherheitsfaden. Er ist in das Papier eingebettet, und
wenn man den Euroschein im Gegenlicht betrachtet sieht
man die dunkle Linie, die über die gesamte Breite der
Banknote verläuft. Schaut man dann noch genauer hin,
erscheinen das Wort „EURO“ und die Zahl des Wertes, und
zwar auch spiegelverkehrt, so dass sie auch von der Rückseite aus zu lesen sind.
Sicherheitsfaden
Kippen:
Hologramm
Bei den Banknoten mit niedrigem Nennwert (5 Euro, 10
Euro und 20 Euro) ist ein silbern glänzender Hologrammstreifen auf der Vorderseite rechts angebracht. Kippt man
die Banknote, werden, je nach Betrachtungswinkel, das
Euro-Symbol oder die Wertzahl in wechselnden Farben als
Hologramm sichtbar.
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fälschen innen 18.05.2005 12:36Uhr Seite 8
Der EC-Betrug: Wie sicher sind
Scheckkarten?
Betrug am Bankautomat?
Bei Scheinen mit hohem Nennwert (50 Euro, 100 Euro, 200
Euro und 500 Euro) befindet sich auf der Vorderseite
rechts kein Streifen, sondern ein einzelnes Hologrammelement auf glänzender Spezialfolie. Kippt man die
Banknote, so erscheinen, je nach Betrachtungswinkel, die
Zahl des Wertes oder das Architekturmotiv in wechselnden
Farben als Hologramm.
Iriodinstreifen
Bei den Banknoten mit niedrigem Nennwert (5 Euro, 10 Euro
und 20 Euro) ist auf der Rückseite ein dezenter Glanzstreifen aufgebracht, der so genannte Iriodinstreifen. Er
liegt etwas links von der Mitte neben dem Sicherheitsstreifen und ist 8 Millimeter breit. Beim Kippen schimmert
er leicht gelb bis goldfarben. Dabei erkennt man die
Wertzahl und das Euro-Symbol.
Bargeld holen am EC-Automat gehört für den modernen
Menschen schon zum Alltag. Das geht schnell, funktioniert (meistens), und dank aufwändiger Computertechnik
bei den Banken stimmen auch die Kontoauszüge. Doch
Ende 2004 trauten viele Bankkunden ihren Augen nicht:
auf ihren Kontoauszügen entdeckten sie plötzlich
Abbuchungen an EC-Automaten im Ausland, die sie gar
nicht vorgenommen hatten – bis zu mehreren Tausend
Euro. Und das, obwohl die Kunden ihre EC-Karten nie aus
der Hand gegeben hatten. Jemand musste ihre EC-Karten
kopiert haben – nur wie? Die Antwort: Es gibt tatsächlich
Sicherheitslücken, obwohl die deutschen EC-Automaten
die sichersten in ganz Europa sind. Und Verbrecherbanden
aus Osteuropa nutzen diese Lücken aus.
Bargeld am EC-Automaten
abheben – nicht immer eine
sichere Sache
Wie die Fälscher arbeiteten
Optisch variable Farbe
UV-Eigenschaft und
fluoreszierende Farbe
Banknoten mit hohem Nennwert (50 Euro, 100 Euro, 200
Euro und 500 Euro) besitzen ein optisch variables Farbelement: Die Wertzahl auf der Rückseite wechselt beim
Kippen deutlich die Farbe von Purpurrot zu Olivgrün oder
Braun. Bei Fälschungen wird häufig gewöhnliche Farbe
benutzt, die sich beim Kippen nicht verändert.
Prüfen:
Unter UV Licht leuchten bei echten Banknoten verschiedene
Merkmale. Im Papier sind willkürlich Fasern verstreut, die
bei UV-Bestrahlung blau, rot und grün leuchten. Die blaue
Europaflagge und Unterschrift des Präsidenten der EZB
leuchten grün. Die Sterne in der Europaflagge sind unter UVLicht orange. Die im Halbkreis angeordneten Sterne leuchten
in unterschiedlichen Farben, die Brückenmotive und die
Europakarte (auf der Rückseite) in Grün. Das Banknotenpapier als Ganzes bleibt dunkel. Wurde die Banknote versehentlich mitgewaschen, dann strahlt das gesamte Papier
unter UV-Licht. Die Banknote muss dann nicht falsch sein.
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Die Betrüger gingen äußerst dreist vor und fügten den
deutschen Banken Schaden in Millionenhöhe zu: Sie hatten Vorschaltgeräte für die Eingabeschlitze konstruiert, in
die die Karten geschoben werden. So spionierten sie beim
ganz normalen Geldabheben die Magnetstreifen der ECKarten aus. Mit doppelseitigem Klebeband befestigten die
Täter diese Vorschaltgeräte ganz simpel an den Eingabestellen. Außerdem montierten sie Minikameras über den
Tastenfeldern der Automaten, um die Eingabe der PINNummern abzufilmen. Das Perfide: Die Geräte wurden so
gestaltet, dass sie perfekt zum Design der Automaten
passten. Die Kunden konnten die falschen Geräte also
nicht erkennen. Und: Die Daten wurden per Funk an die
Täter weitergegeben.
Daten kopieren und Konten plündern
Per Internet mussten die Täter nun nur noch die Daten an
Komplizen ins Ausland schicken. Die kopierten die Daten
auf Kartenrohlinge und konnten dann in aller Ruhe die
Konten der ahnungslosen Opfer plündern. Der Umweg
über das Ausland war deshalb notwendig, da deutsche ECAutomaten dank eines besonderen Sicherungssystems
Kartenrohlinge nicht akzeptieren.
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Mit solchen Kartenrohlingen
plünderten die Fälscher die
Konten ahnungsloser Kunden
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... und Gegenwehr: der neue EC-Karten-Chip
Die dreisten Fälscher wurden übrigens von den Überwachungskameras der Banken sogar gefilmt, während sie
ihre illegalen Lesegeräte anbrachten. Doch von wenigen
Ausnahmen abgesehen (die tatsächlich zu Verhaftungen
führten), waren die Gesichter der ausländischen Täter der
Polizei unbekannt. Sie operieren offenbar in großen
Gruppen und tauschen ständig ihre Akteure aus.
Erste Gegenmaßnahmen...
Neue Tricks der Fälscher:
ein Karten-Lesegerät und
ein illegales Tastenfeld
Natürlich reagierten die Banken umgehend, nachdem sie
das Verfahren entdeckt hatten. Die Stadtsparkassen etwa
brachten nun selbst Vorschaltgeräte an, seitdem können
dort keine illegalen Lesegeräte mehr Platz finden. Außerdem entschädigten die Banken die Kunden für die illegal
abgebuchten Beträge, der Schaden also blieb bei den Geldinstituten hängen. Darüber hinaus informierten sie die Kunden und gaben einen Tipp: beim Eingeben der Pin-Nummer
mit der anderen Hand das Tastenfeld abdecken. Dann kann
die PIN-Nummer nicht mehr abgefilmt werden. Und ohne
die PIN-Nummer können die Täter nicht operieren.
Die „Erste-Hilfe-Tipps“ der Banken für die Kunden klingen
nun nicht mehr so überzeugend: So soll man nun darauf
achten, ob das Tastenfeld vielleicht einige Millimeter über
die Konsole ragt, auch sei das Eingeben der PIN-Nummern
bei den illegalen Tastenfeldern „spürbar“ schwerer.
Überzeugender ist das Konzept der neuen EC-Karte, die
seit 2003 von immer mehr Banken ausgegeben wird.
Diese EC-Karten enthalten einen neuen Sicherheitschip,
einen Minicomputer, der dafür sorgt, dass beim Geldabheben Automat und Karte gewissermaßen kommunizieren. Bei jeder Transaktion vereinbaren der Chip und der
Automat einen neuen Sicherheitscode, unabhängig von
den Daten auf dem Magnetstreifen. Das Kopieren des
Magnetstreifens wird den Tätern also nichts mehr nützen.
Und selbst wenn es den Tätern gelingen sollte, die Kommunikation zwischen Chip und Automaten auszuspionieren:
Diese Informationen reichen nicht aus, um den Chip mit
seinen weiteren Sicherheitsmerkmalen zu kopieren. Dann
werden es die Fälscherbanden schwer haben.
... neue Tricks ...
Von Betrügern angebrachte
Vorschaltgeräte sind für Laien
kaum zu erkennen...
... ebensowenig, wie die nur wenige
Doch auch die Täter blieben erfinderisch! Sie konstruierten ein nur wenige Millimeter hohes Tastenfeld zum
Eingeben der PIN-Nummern, das sie einfach auf das Originaltastenfeld aufklebten. Es speichert die eingegebene
Zahlenfolge, leitet aber auch die Tastenimpulse des
Kunden an den Automaten weiter, so dass der Kunde wie
gehabt sein Geld abheben kann. Er bleibt also wieder
ahnungslos, und auch das Abdecken des Tastenfeldes per
Hand kann nun das Ausspionieren der PIN-Nummer nicht
mehr verhindern. Auch die Vorschaltgeräte zum Ausspionieren der Magnetstreifen auf den EC-Karten sind inzwischen raffinierter: sie sind nun auch nur noch wenige Millimeter dick. So etwas können nur noch illegal operierende
Hightech-Spezialisten konstruieren.
Millimeter dicken Tastenfelder
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Geklaute Marken: Produktpiraten
machen Kasse
Defekte Rauchmelder – kein Alarm, wenn’s brennt
Rauchmelder sollen vor Feuer warnen - doch wenn das
gute Stück nicht funktioniert, sind die Folgen unabsehbar.
Daher war Ende 2004 die Aufregung groß, als einige
Baumärkte in einer spektakulären Rückrufaktion ihre
Kunden aufforderten, Rauchmelder zurückzubringen. Bis
dahin waren die Geräte meist als Schnäppchenangebot
über den Ladentisch gegangen. Doch bei einer Routineprüfung des Geräte-Sicherheits-Testlabors VdS in Köln
stellte sich heraus, dass einige der Melder nur verspätet
und andere gar keinen Alarm schlugen.
Jahr 2003 insgesamt 100 Millionen gefälschter Produkte
im Gesamtwert von schätzungsweise einer Milliarde Euro.
Hauptproduktionsort der Plagiate ist Asien, insbesondere
China. Die Internationale Handelskammer schätzt, dass
die gefälschten Produkte einen Anteil von 5 – 8 Prozent
am gesamten Welthandel haben. Das entspricht einer
Summe von mindestens 250-300 Milliarden Euro. Fälschen ist damit zu einem riesigen, profitablen Industriezweig geworden.
Das Fatale dabei: Die Fälschungen erkennt der Verbraucher kaum, es sei denn, er ist technisch versiert und öffnet
das Gehäuse. Die Original-Rauchmelder werden in China
hergestellt, über Importeure und verschiedene Zwischenhändler gelangen sie nach Deutschland. Normalerweise
werden die Geräte stichprobenhaft auf ihre Funktion
geprüft, bevor sie in Deutschland verkauft werden dürfen.
Daher gehen die Einzelhändler davon aus, dass die fehlerhaften Melder Fälschungen sind, die an einem Punkt der
Lieferkette mit echten Exemplaren gemischt wurden.
Schließlich erstattete der Hersteller selbst Anzeige, die
Staatsanwaltschaft ermittelt.
Software-Piraten
Super-Schnäppchen;
Ladenpreis: mehrere tausend Euro
Straßenpreis: 45 Euro –
Funktioniert er oder nicht?
Der Laie kann das nicht beurteilen
Immer mehr gefälschte Alltags-Produkte
Fälschungen gerade von Alltagsprodukten sind kein
Einzelfall, und sie kommen immer öfter vor. Wurden noch
vor wenigen Jahren vor allem teure Luxusartikel wie RolexUhren und Designer-Handtaschen kopiert, sind es heute
Massenprodukte wie Kleidung, Handys oder Software.
Auch die Zahl gefälschter Medikamente und Nahrungsmittel steigt stetig, im Zeitraum 2002 bis 2003 hat sie um
mehr als 70 % zugenommen. Gerade in diesem Bereich
könnten sich Fälschungen lebensgefährlich auswirken
Der Markenklau macht enormen Umsatz: Wie die EUKommission mitteilte, beschlagnahmten EU-Zöllner im
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eine gefälschte Markenuhr
Besonders betroffen ist die Software-Industrie, weil
Computer-Programme einfach zu kopieren sind. Verpackungen und Inhalt von nachgemachten Computerprogrammen können sogar Experten kaum von echten
unterscheiden. Und selbst die Sicherheitszeichen sind
perfekt imitiert. Mehr als ein Drittel der 2003 weltweit verkauften Software ist gefälscht. In Europa bedeutet dies
einen wirtschaftlichen Verlust von acht Milliarden Euro,
für Deutschland immerhin 1,5 Milliarden Euro. Außerdem
machen nicht nur die Hersteller Verlust, der Betrug kostet
auch Arbeitsplätze: 70.000 Stellen gehen allein in
Deutschland nach Angaben des deutschen Markenverbandes jährlich verloren.
Doch gerade den Käufer juckt das oft wenig. Die Geiz-istGeil-Kunden berappen nicht gerne mehrere hundert Euro
für die legale Version, wenn sie die Raubkopie für einen
Bruchteil bekommen. Den Schaden haben die seriös
arbeitenden Unternehmen: Im Kaufpreis der Software
steckt das Honorar für die Forschungsarbeit, für das
technische Know-How oder für Lizenzen an Patentrechten.
Der Hersteller hat viele Jahre mühevoller Arbeit und enorme finanzielle Mittel aufgewendet, um seine Produkte zu
entwickeln. Außerdem investieren die Firmen Unsummen
an Werbekosten, um sich überhaupt auf dem Markt zu etablieren und eine Marke zu kreieren.
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Schnäppchen aus dem Urlaub – kein Kavaliersdelikt
Ökosandalen –
Wer hat nicht schon einmal ein Super-Schnäppchen aus
dem Urlaub mitgebracht, zum Beispiel ein Polo-Hemd, das
eigentlich viel teurer hätte sein müssen? Oder eine RolexUhr, die normalerweise Tausende von Euro kostet und die
der Dealer auf der Straße für 45 Euro anbietet? Den normalen Ladenpreis können oder wollen viele für diese
Luxusartikel einfach nicht zahlen. Die Dealer-Ware im
Ausland scheint da eine preiswerte Alternative zu sein,
und gerade im Urlaub ist die Verlockung groß. Doch die
Jagd nach billigen „Markenprodukten“ birgt Risiken, denn
rein rechtlich gesehen begeht der Käufer damit eine
Straftat. Laut EG-Markengesetz ist der Zoll berechtigt,
Gefälschtes bei der Einfuhr zu beschlagnahmen und sogar
ein Strafverfahren in Gang zu setzen. Es drohen Geldbußen oder im schlimmsten Fall Gefängnis – da werden die
billigen Fälschungen zum teuren Spaß.
made in Germany?
Markenjeans oder Imitat?
Nicht einmal die teure Auslandsreise ist nötig, wenn man
auf gefälschte Markenkleidung aus ist: man kann sie auch
bequem im Internet ersteigern. Hier agieren Profiseller,
die sich durch die Anonymität des Internethandels sicher
fühlen. Doch das kann auch schief gehen: Im Juli 2004
fasste die Polizei Duisburg einen Händler und beschlagnahmte über 400 gefälschte Hosen. 4.000 weitere war der
Mann bereits über diesen Weg losgeworden.
Die getürkten Hosen kommen nicht nur aus China oder
Hongkong. Seit den 1990er Jahren wird die heiße Ware
auch in Europa hergestellt, offenere Grenzen innerhalb
der EU begünstigen den Schwarzmarkthandel. Zum
Beispiel in Serbien: hier kaufen Zwischenhändler im
großen Stil ein und bringen die Hosen nach Griechenland,
wo sie als „EU-Ware“ über Italien nach Deutschland
gelangen. Für die Drahtzieher ein lukratives Geschäft, mit
Gewinnmargen wie im Drogenhandel.
Was tun gegen die Fälschungsflut?
In Produkte eingebaute elektronische Daten-Chips könnten die Lösung der Zukunft sein. Sie wirken wie ein elektronischer Fingerabdruck. Die millimetergroßen Computerchips senden ihre Daten per Funk an Handscanner,
Terminals oder Registrierkassen. Fachleute nennen sie
RFIDs (RFID steht für Radio Frequency Identification).
Diese Chips könnten in Zukunft in den Produkten versteckt
werden. Sie sind schwer zu fälschen und gelten als gutes
Sicherheitsmerkmal. Doch noch sind die Miniplättchen für
den Verkäufer sehr teuer, denn man braucht dazu auch die
passenden Lesegeräte. Für manche Produkte wie Kleidung
oder Lebensmittel sind sie zu teuer und daher noch unrentabel. In den USA sind jedoch Arzneimittelpackungen zum
Schutz vor Fälschern bereits mit RFIDs ausgestattet.
Echt oder gefälscht:
Die Jeans-Knöpfe können
ein Indiz sein
Ist die günstig ersteigerte Levis nun echt oder falsch?
Sicher kann man erst sein, wenn man die Hose in der Hand
hält. Ein Blick auf die Knöpfe kann schon einiges verraten:
der Aufdruck ist oft völlig falsch, und auch das Material ist
nicht dasselbe. Die Fälscher verarbeiten billiges Kupfer
und Messing, was zu Allergien führen kann. Oft haben
nachgemachte Knöpfe auch scharfe Kanten, die den Träger
verletzen können. Es gibt noch weitere Anzeichen für die
Plagiate. Weil gerade ihre Kult-Hosen so oft gefälscht werden, hat die Firma Levis ein Buch herausgegeben, mit dessen Hilfe Kunden, aber auch Polizei und Zoll die Jeans prüfen können.
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RFID-Chip, wie er schon heute in
Pilotprojekten verwendet wird
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Kopiert, frisiert, erfunden –
die größten Fälschungen
Die Konstantinische Schenkung (Constitutum Constantini)
Kaiser Konstantin überreicht die
legendäre Urkunde an Papst
Silvester I – das Fresko zeigt,
was nie geschehen ist
Jahrhunderte lang sicherte eine
Urkunde die Macht der Päpste:
Der römische Kaiser Konstantin
der Große (280 – 337) soll als
Dank für seine Heilung von der
Lepra die Herrschaft über Rom und
das gesamte Weströmische Reich
an Papst Silvester I. übertragen
haben. Außerdem stand in dem
Dokument, der Kaiser habe seinen
Regierungssitz im Jahr 330 von
Rom nach Konstantinopel verlegt,
weil er dem Papst keine Konkurrenz machen wollte. Die römischchristliche Kirche stieg durch
diese angebliche Schenkung zu einer Weltmacht auf: Aus
einer kleinen verfolgten Sekte wird eine Staatskirche,
deren Macht größer ist als die der Kaiser. Erst im 15. Jahrhundert konnte nachgewiesen werden, dass diese Urkunde gefälscht war: Die lateinische Sprache, in der sie
geschrieben ist, wurde zur Zeit Konstantins, im 4. Jahrhundert, gar nicht verwendet. Vermutlich ist die Urkunde
erst im 8. Jahrhundert entstanden.
„Unternehmen Bernhard“ – Der Nazischatz im Toplitzsee
Jede Menge gefälschte Pfundnoten fanden Taucher im
österreichischen Toplitzsee auf der Suche nach dem berüchtigten Goldschatz der Nazis. Gold fanden sie keines –
aber Blüten im Wert von über 200 Millionen Mark. Die
Nazis wollten damit die britische Wirtschaft schädigen und
gleichzeitig die eigene Kriegskasse füllen.
Taucher bergen die gefälschten
Pfundnoten aus dem Toplitzsee
Die Blüten stammten aus dem Konzentrationslager
Sachsenhausen bei Berlin. Hier sind Häftlinge gezwungen
worden mit ihrer Fachkenntnis die englischen Blüten herzustellen. Unter dem Codenamen „Unternehmen Bernhard“ waren die Nazis an der größten Geldfälschung der
Geschichte beteiligt. Bei Kriegsende wurde das Falschgeld
in aller Eile versenkt: 72,8 Millionen Pfund verschwanden
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im Toplitzsee im Salzburger Land. Die Fälschungen waren
so perfekt, dass die Bank of England nach dem Krieg alle
50-Pfund-Noten zurückrufen und eine neue Serie auflegen
musste. Schatzsucher sind bis heute auf der Suche nach
weiteren Hinterlassenschaften der Nazis im Toplitzsee.
Die Hitlertagebücher
1983 die Sensation beim Stern: Angeblich hatte der
Reporter Gerd Heidemann Hitlers Tagbücher gefunden –
geheime Aufzeichnungen, von denen bis dahin niemand
etwas wusste. Heidemann hatte sie einem gewissen
Konrad Kujau abgekauft, der mit Nazi-Fundstücken handelte. Der wollte die Tagebücher aus einem Flugzeug
zusammengesammelt haben, das bei Kriegsende private
Unterlagen aus dem Führerbunker in Sicherheit bringen
sollte und dabei abgestürzt war.
Gerd Heidemann präsentiert
die gefälschten Hitlertagebücher
Zehn Tage nach Erscheinen des „Stern“ mit der spektakulären Meldung entlarvte das Bundesamt für Materialprüfung die Fälschung: Das Papier der Kladden war erst
nach dem Krieg hergestellt worden. Und falsche
Buchstaben zierten den Einband: „FH“ statt „AH“ als Abkürzung für Adolf Hitler. Redakteur Gerd Heidemann
wurde zu vier Jahren und acht Monaten Haft verurteilt,
Konrad Kujau, der die Bücher eigenhändig gefälscht hatte,
bekam viereinhalb Jahre Haft.
Fälschung in der Wissenschaft: Friedhelm Hermann und
Marion Brach
Die beiden Medizin-Professoren Friedhelm Hermann und
Marion Brach galten Anfang der 90er Jahre als die führenden Krebsforscher in Deutschland. Bis ein junger Mitarbeiter, der Molekularbiologe Dr. Eberhard Hildt, 1997 in
ihren Veröffentlichungen Manipulationen entdeckte: Mit
der Bildbearbeitungs-Software „Photoshop“ waren Teile
von Abbildungen kopiert und an anderer Stelle eingesetzt
worden – obwohl sie dort ganz andere Substanzen nachweisen sollten.
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Geschädigt wurden durch die Fälschereien vor allem die
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Deutsche Krebshilfe (Dr. Mildred-Scheel-Stiftung), die mehrere
hunderttausend Mark an Forschungsgeldern in die manipulierten Projekte gesteckt hatten. Sie gründeten deshalb
eine Untersuchungskommission, die „Task Force F.H.“, die
feststellte, dass Herrmann und Brach mindestens von
1988 bis 1996 Ergebnisse und Aussagen in ihren wissenschaftlichen Arbeiten „in erheblichem Umfang gefälscht“
hatten: Von insgesamt 347 untersuchten Veröffentlichungen blieben nur 132 unbeanstandet. Bei insgesamt
94 Artikeln ergaben sich „konkrete Hinweise auf Datenmanipulationen“.
Friedhelm Herrmann – wusste er
wirklich nichts von Manipulationen
in seinen Veröffentlichungen?
Weitere Untersuchungen ergaben ein gigantisches
Ausmaß der Fälscher-Affäre: Art und Zahl der aufgedeckten Manipulationen nahmen von Tag zu Tag zu. Mehr
als 100 Koautoren waren in die Affäre verstrickt. Ihre
Entschuldigung lautete meist: Sie seien bloß als „Ehrenautoren“ auf der Publikation angeführt worden, ohne die
Untersuchung zu kennen. Auch Herrmann selbst wies den
Vorwurf der Fälschung immer zurück. Er behauptete, seine
Koautoren hätten ihm die gefälschten Daten untergeschoben. Zwei Strafverfahren gegen Herrmann wurden
eingestellt – zuletzt 2004 gegen die Zahlung einer
„Auflage“ von 8000 Euro. Er praktiziert heute als Arzt in
München.
Auch der Freiburger Klinikdirektor Roland Mertelsmann,
Mitautor von 170 Veröffentlichungen der Arbeitsgruppe
um Herrmann, der rund ein Drittel seines wissenschaftlichen Gesamtwerks gemeinsam mit Friedhelm Hermann
verfasst hatte, geriet ins Zwielicht. In einem zweiten
Untersuchungsbericht wurden ihm gravierende Mängel
bei Erhebung, Dokumentation und Publikation von Daten
vorgeworfen. Er habe seine Aufsichtspflicht vernachlässigt
und sei seiner Verantwortung als Wissenschaftler in leitender Position nicht gerecht geworden. Mertelsmann
wurde deshalb für drei Jahre von einer Tätigkeit als
Gutachter und in Gremien der DFG sowie von der Antragstellung bei der DFG ausgeschlossen. Doch er blieb ärzt-
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licher Direktor der Universitätsklinik Freiburg. Nur Marion
Brach hat Fälschungen zugegeben und ist jetzt in New
York untergetaucht, wo sie angeblich weiter in der
Krebsforschung tätig ist.
Bilanzfälschung bei Comroad
Comroad war eines der Unternehmen am Neuen Markt, die
im Zuge des Aktienbooms Ende der neunziger Jahre aufgestiegen waren. Im November 1999 wurden die Aktien
der Comroad AG erstmals am Neuen Markt gehandelt.
Wahrscheinlich wusste kaum ein Anleger, womit das
Unternehmen genau handelte. Es war von „Verkehrstelematik-Netzwerken“ die Rede, und vor allem von einer
Firma in Hongkong, mit der der größte Teil der Umsätze
getätigt wurde. Die Anleger wussten aber eines: die
Geschäftsentwicklung war phänomenal, wie bei so vielen
dieser junge Startup-Unternehmen am Neuen Markt. Beim
Börsengang 1999 blickte Comroad auf eine Umsatzsteigerung von sagenhaften 756 Prozent gegenüber dem
Vorjahr zurück.
Die Journalistin Renate Daum von der Zeitschrift „Börse
Online“ glaubte nicht so recht an diese Erfolgsgeschichte.
Sie flog nach Hongkong und fand heraus: Die Partnerfirma
von Comroad existierte gar nicht. Auch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft fand keine Hinweise darauf, dass es
das Unternehmen gab, noch dass es je existiert hätte. Die
Bilanz war schlicht gefälscht – statt der Mitte Januar 2002
gemeldeten 93,6 Millionen Euro Umsatz waren lediglich
ein paar hunderttausend Mark umgesetzt worden, einen
Großteil der in den Bilanzen für 1998 und 1999 genannten
Umsätze hatte es nicht gegeben.
Firmengründer Bodo Schnabel hatte die Bilanzen frei
erfunden und sich persönlich an den Aktien bereichert.
Mit dem Untergang von Comroad erschütterte eine der
ersten großen Pleiten den Neuen Markt – es war der
Anfang vom Ende des Aktienbooms. Den Neuen Markt gibt
es inzwischen nicht mehr.
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Bodo Schnabel: 7 Jahre Haft
für gefälschte Bilanzen
fälschen innen 18.05.2005 12:36Uhr Seite 20
Echt oder falsch? Dokumente
unter der Lupe
Testamente, Schecks, Universitätsdiplome, wissenschaftliche Manuskripte und persönliche Briefe – alles wird
gefälscht. Vom Papier über die Tinte bis zur Unterschrift
müssen Fälscher vieles beachten, und wer sie entlarven
will, auch. Deshalb haben Kriminologen und Gutachter ein
ganzes Arsenal an Methoden, um Dokumente zu überprüfen.
Immerhin war Uwe Barschels Unterschrift recht komplex,
was sie gut identifizierbar machte. Schwerer ist das bei
sehr knappen Unterschriften, etwa solchen, die nur aus
einem Häkchen bestehen. Hier ist eine Echtheitsbestimmung nicht möglich. Die Unterschrift mag im Alltag praktisch sein, aber sie kann leicht gefälscht werden. Je ausführlicher und individueller die eigene Unterschrift daher
ist, desto sicherer ist sie.
Handschriften sind einzigartig
Ein echtes oder gefälschtes Dokument?
Besonders charakteristisch ist die persönliche Handschrift. Sie ist immer ein Unikat – jeder Mensch bildet
beim Schreiben sein eigenes Bewegungsmuster aus. Der
Körper entwickelt dabei möglichst energiesparende
Handbewegungen, die sich mit der Zeit automatisieren. So
hat zum Beispiel ein „g“ immer einen ähnlichen Schwung,
und man setzt den Stift immer an der gleichen Stelle ab.
Diese wiederkehrenden Buchstaben-Formen und Bewegungsmuster machen die Handschrift individuell und identifizierbar.
Zwei Unterschriften sind nie genau gleich
Unterschrift unter der Lupe
Trotzdem variiert die Handschrift innerhalb einer gewissen
Bandbreite – eine Unterschrift ist zum Beispiel nie identisch mit einer anderen, selbst wenn der Schreiber die
zweite nur Sekunden später aufs Papier gebracht hat.
Daher stellt sich für einen Gutachter immer die Frage, wie
verschieden Schriften sein können, um trotzdem noch von
derselben Person zu stammen. Er muss innerhalb der
Breite von typischen Merkmalen und natürlichen Abweichungen entscheiden, wann eine Unterschrift noch zuzuordnen ist.
Im Fall eines Briefes, der angeblich vom schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel stammte, galt
die Unterschrift so lange als echt, bis Gutachter zeigten:
Sie war einer Vergleichsunterschrift nicht nur täuschend
ähnlich, sondern mit ihr sogar deckungsgleich! Und das
gibt es im realen Leben nie – also war die Unterschrift
kopiert und damit gefälscht. Der Brief war eine Montage
im Auftrag der Stasi.
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Wenn Kriminaltechniker sich daran machen, ein Dokument
auf Echtheit zu überprüfen, analysieren sie zunächst die
individuellen Merkmale der Handschrift. Diese lassen sich
auf sieben grafische Grundkomponenten reduzieren.
Diese sind:
1 Strichbeschaffenheit
(Strichspannung und Strichsicherheit)
2 Druckstärke und Druckrhythmus der Schrift
3 Bewegungsfluss und Verbundenheit innerhalb
und zwischen den Buchstaben
4 Buchstabenform, graphische Vereinfachungen
oder Verschnörkelungen
5 Bewegungsrichtung der Schrift und
ihr Neigungswinkel
6 vertikale oder horizontale Ausdehnung und
Größenproportionen der Buchstaben,
Buchstabenbreite, Wort- und Zeilenabstände
7 sonstige Merkmale wie beispielsweise Besonderheiten der Orthographie
Vergleich von zwei Schriften
Nach ihrer Analyse vergleichen die Gutachter das fragliche
Dokument mit anderen Schriftproben des Urhebers aus
Briefen oder Bankdokumenten. Danach werden Tinte und
Papier physikalisch untersucht. Vieles können die Gutachter dabei mit bloßem Auge oder mit der Lupe beurteilen, in 80 Prozent der Fälle gelangen sie so schon zu
einem eindeutigen Ergebnis. Wenn die Lupe nicht weiterhilft, kommen die Dokumente unter das Mikroskop: Mit
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Stereo- oder Raumbildmikroskopen sehen die Experten,
ob eine Unterschrift vorgezeichnet wurde, oder ob Zahlen
wegradiert oder mit dem Messer weggeschabt wurden.
Sogar das Rasterelektronenmikroskop kann zum Einsatz
kommen, etwa wenn sich zwei Striche kreuzen, weil auf
der Papiervorlage ein Strich war und die Unterschrift darauf gesetzt wurde. Dann stellt sich die Frage, welche Linie
zuerst da war – der Strich der Unterschrift, oder der der
gedruckten Vorlage. Liegt die Unterschrift unter dem
Formularvordruck, könnte es sich um eine Fälschung handeln.
Schrifterkennung per Computer
Auch mit dem Computer rücken Spezialisten falschen
Schriften zu Leibe: „FISH“ (Forensisches Informationssystem Handschriften) ist ein elektronisches Schriftbilderkennungsprogramm, das vom Schriftgutachter Dr. Manfred
Hecker zusammen mit dem Bundeskriminalamt entwickelt
wurde. Das Programm erfasst und analysiert die Merkmale
von Handschriften. Dazu wird die Schrift eingescannt und
durch FISH auf die messfähigen Größen untersucht. Ein
Vergleich mit gespeicherten Fällen aus der Datenbank
kann den Fälscher innerhalb von Sekunden überführen,
wenn seine Schrift schon gespeichert war.
Das einzigartige Farbgemisch in jeder Kulimine ist auch
entscheidend, wenn es darum geht, ob zwei Schriftstücke
mit demselben Stift geschrieben wurden. Im Labor trennen Fachleute die Schreibflüssigkeiten in ihre einzelnen
Bestandteile auf und vergleichen dann, ob sie zweimal
dieselbe Mischung vor sich haben. Ihre Analysemethode
heißt Dünnschicht-Chromatographie, ein gängiges Verfahren aus der Chemie, mit dem Stoffgemische untersucht
werden.
Aus der Trickkiste der Kriminologen
In einer Wohnung beschlagnahmt die Polizei Papiere und
Schreibblöcke. Der Hausherr soll einen Erpresserbrief
geschrieben haben – möglicherweise auf einem Stapel
von Papier oder auf einem Schreibblock. Der Gutachter
soll jetzt herausfinden, ob sich irgendwo die Schrift durchgedrückt hat. Mit dem bloßen Auge sind keine Spuren zu
erkennen, auch unter schrägem Licht nicht. In einem solchem Fall kann ein System helfen, das ESDA genannt wird.
ESDA steht für „Electrostatic Detection Apparatus“, auf
Deutsch etwa: Apparat zur elektrostatischen Ermittlung.
Das Gerät kann durchgedrückte Schreibspuren auf einem
Papier sichtbar machen. Dazu wird das Papier befeuchtet,
mit einer Folie versehen, elektrostatisch aufgeladen und
mit Toner bestreut. Der Toner lagert sich in den Furchen ab
und zeigt, was sich beim Schreiben durchgedrückt hat.
Verräterisches Licht
Wie alt ist das Papier?
Scheckbetrug lässt sich mit
Infrarotlicht sichtbar machen
Es klingt verführerisch: aus einem Verrechnungsscheck ein
kleines Sümmchen mehr herauszuholen, indem man die
Stiftfarbe des Ausstellers imitiert und einfach vor die 1000
Euro noch eine Eins schreibt. Doch was im normalen Licht
wie blauer Kugelschreiber aussieht, kann unter Infrarotlicht sehr unterschiedlich wirken: Jede Kulimine hat eine
eigene Farbstoffzusammensetzung, und die leuchtet unter
Infrarotlicht anders. Unter diesem Licht kann der Gutachter feststellen, ob auf dem Scheck Zahlen oder Worte
hinzugefügt wurden.
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Weißes Papier leuchtet unter UV-Licht, weil es mit optischen Aufhellern versetzt wird. Das kann entscheidend
sein, wenn das Alter von Papier eine Rolle spielt, etwa um
festzustellen, ob ein Testament gefälscht ist. Im Fall der
Hitlertagebücher leistete die Papieranalyse wertvolle
Dienste: auch die Seiten der angeblichen Tagebücher
leuchteten bei der Untersuchung im UV-Licht. Doch im
Krieg, als Hitler die Bücher geschrieben haben soll, waren
Papieraufheller noch unbekannt. Sie werden erst seit den
1950er Jahren eingesetzt, und das war der Hauptbeweis:
die Tagebücher waren gefälscht.
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Weißes Papier leuchtet unter
UV-Licht
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Meisterhaft gefälscht:
Schwindel in der Kunst
Geniale Fälscher am Werk
Ein Fall für Experten: ist dieses
„antike“ Gemälde eine Kopie?
Manchmal müssen selbst Experten zugeben: geniale
Fälschungen verlangen ihnen – zumindest in handwerklicher Hinsicht – Respekt ab, so gut sind sie gemacht. Doch
Kunstfälschung ist kein Kavaliersdelikt, schließlich geht
es gerade im Kunstbereich um viel Geld. Und dabei haben
es Fälscher auf betuchte Touristen, Kunstliebhaber oder
Antiquitätenkäufer abgesehen. Wer also in Kunst oder
Antiquitäten Geld investieren will, sollte sich vor Augen
halten: Die Nachfrage nach echter Ware ist enorm, aber
der Bestand an Originalen ist begrenzt und nicht beliebig
vermehrbar. Und da echte Kunst meist teuer ist, wirken
Schnäppchen sehr verführerisch. Genau in dieser Marktlücke werden die Fälscher aktiv.
Ein spannendes Bündnis: Kunstexperten und Wissenschaftler
Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde meist nur
Kunstexperten die Frage gestellt: Original oder Fälschung?
Doch mit dem Fortschritt in der Wissenschaft werden
immer mehr naturwissenschaftliche Methoden zum
Entlarven von Fälschungen eingesetzt. Die Arbeitsteilung
ist heute vergleichbar mit der bei Kriminalfällen: Der
Kunstexperte – der Ermittler – hat nach seiner Expertise
einen Verdacht. Der Wissenschaftler – etwa vergleichbar
mit der Spurensicherung – sucht nach Methoden, um den
Verdacht zu erhärten.
sich Infrarot-Reflektografie: Das Gemälde wird mit infrarotem Licht bestrahlt, dieses langwellige Licht durchdringt
die oberen Farbschichten des Gemäldes. Infrarotkameras
können dann für das menschliche Auge sichtbar machen,
was darunter liegt – in diesem Fall das mit einem Bleistift
gezeichnete Raster.
Kann man dem bloßen Auge nicht mehr trauen?
...und im Sucher der Infrarot-Kamera
wird das Bleistiftraster sichtbar!
Auch das Urteil mit dem bloßen Auge kann für eine erste
Einschätzung noch ausreichen. Aber dafür sollte man
Kunstexperte sein. Die kennen sich aus: was zeichnet den
Malstil der Originalkünstler aus, was sind typische
Nachlässigkeiten von Fälschern? Denn auch in deren
Metier ist Zeit Geld, daher pfuscht man gerne bei Details,
die Laien nicht so schnell auffallen. Andere Beobachtungen verlangen keine Stil-, sondern Materialkenntnisse:
Bei einem alten Ölgemälde zum Beispiel trocknet das
Bindemittel Öl über die Jahre immer stärker ein. Die Folge:
die eingetrockneten Farbschichten platzen und zeigen
immer stärkere Altersrisse. An diesen typischen Altersrissen kann man erkennen, ob es sich um ein antikes
Gemälde handelt oder um eine neuzeitliche Fälschung.
Diesen Unterschied kann selbst ein Laie erkennen.
Allerdings: die Fälscher haben Methoden erfunden, die
Risse künstlich herzustellen. Sie unterscheiden sich zwar
im Detail von echten – aber das zu erkennen, ist wiederum
eine Sache für Experten.
Detail eines echten antiken
Gemäldes mit den typischen
Altersrissen.
Der gleichgroße Bildausschnitt einer
Infrarotlicht geht der Fälschung auf den Grund
neuzeitlichen Kopie, die Alterrisse
Viele Methoden – aber streng geheim!
Das Gemälde wird mit infrarotem
Licht bestrahlt…
Ein Beispiel: Kunstexperten wissen, dass Fälscher oft mit
einem Zeichenstift ein quadratisches Raster auf dem
Maluntergrund anlegen, um die Proportionen eines
Originals möglichst detailgetreu zu übertragen. Das
Raster wird schließlich übermalt, ist also für einen potentiellen Kunden mit dem bloßen Auge nicht sichtbar. Kann
man es mit wissenschaftlichen Methoden nachträglich
trotzdem sichtbar machen? Es geht! Das Verfahren nennt
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fehlen.
Das Wissen der Kunstexperten und vor allem die
Fortschritte in der wissenschaftlichen Analytik machen es
also den Kunstfälschern immer schwerer. Wenn denn ein
verdächtiges Kunstwerk ins Labor gelangt! Grundsätzlich
gilt: Viele moderne Analyseverfahren sind inzwischen
geeignet, eine Fälschung zu entlarven, wenn der Kunstexperte seinen Verdacht für das Verfahren konkretisieren
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Digitale Wasserzeichen
Fälschen im Pixel-Zeitalter
kann. Besteht etwa eine künstlerisch nicht zu beanstandende, angeblich antike Münze vielleicht aus einer modernen Kupferlegierung, die es vor vierhundert Jahren gar
nicht geben konnte?
In der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung
kann man das herausfinden. Dort werden die Münzen mit
ultraschnellen Lichtteilchen durchschossen, mit denen
man die Bestandteile des Metallgemischs genau aufspüren kann. Allerdings braucht man dazu riesige Geräte,
nämlich Teilchenbeschleuniger, und die Kosten einer solchen Untersuchung sind enorm hoch. Daher kommt sie nur
in Frage, wenn es um Kunst- oder Kulturschätze von sehr
hohem Wert geht, etwa um Funde, die in ein Museum kommen sollen. Fast alles kann inzwischen untersucht werden:
bei Gemälden etwa nicht nur der Maluntergrund (Holz,
Leinwand, Papier), sondern auch die Farbpigmente oder
die Farbbindemittel. Interessant ist hierbei: Die Experten
wollten selbst Quarks & Co nicht ihre geheimsten Tricks
verraten. Denn den Vorteil, den Fälschern eine Nasenlänge
voraus zu sein, wollen sie nicht verspielen.
Bei digitalen Bildern fällt das Fälschen besonders leicht.
Es gibt viele Grafikprogramme mit denen man Teile eines
Bildes punktgenau austauschen kann, so dass Manipulationen kaum zu erkennen sind. Inzwischen werden
sogar Kino-Filme wie „Toy-Story“ oder „Final Fantasy“ rein
auf dem Computer erstellt – bei vielen Spezialeffekten ist
das bereits seit den 80er Jahren der Fall.
Um zu garantieren, dass digitale Bilder (Fotos oder bewegte Bilder) nicht verfälscht werden können, haben Forscher
am Fraunhofer-Institut in Darmstadt ein Computer-Programm entwickelt. Mit Hilfe dieses Programms lassen sich
digitalisierte Bilder kennzeichnen. Dazu baut der Computer ein unsichtbares Wasserzeichen in das Bild ein. Wird
ein so geschütztes Bild nachträglich manipuliert, können
die Änderungen sichtbar gemacht werden.
Jedes digitale Bild ist aus Pixeln
zusammengesetzt
Schritt für Schritt verschlüsselt – so kommt das Wasserzeichen ins Bild
Jedes digitale Bild ist „gerastert“: Es besteht aus vielen
kleinen Punkten, so genannten Pixeln, mit unterschiedlichen Farben. Diesen Farben kann man eine Zahl zuordnen.
Vielleicht haben Sie als Kind einmal nach Zahlen gemalt? Es
ist genau dasselbe Prinzip. So bekommt zum Beispiel:
· Schwarz die Zahl 0
· Braun die Zahl 1
· Blau die Zahl 3
· Grau die Zahl 5 usw.
Das digitale Wasserzeichen wird nun nach folgendem vereinfachten Prinzip eingebaut: Über das Bild wird eine Art
digitale Lochschablone gelegt, das heißt mit Hilfe des Computerprogramms werden einzelne Farbpixel bzw. Farbwerte in bestimmten Gruppen zusammen gefasst (in unserem Beispiel ist eine Gruppe durch rote Quadrate dargestellt). Innerhalb jeder Gruppe werden nun die einzelnen
Farbwerte, also die zugeordneten Zahlen, zusammen addiert,
in unserem Beispiel ergibt das die Summe 16. Solche
Gruppen werden über das gesamte Bild verteilt gebildet. Die
zusammen addierten Zahlen der Farbwerte dienen als Code:
Das gesamte Original-Bild ist damit verschlüsselt.
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Unsere digitale Vorlage
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Wie beim Malen nach Zahlen werden den einzelnen Farben Zahlenwerte zugeordnet
Das Computerprogramm addiert die
Zahlenwerte einer Gruppe und
berechnet die Kontrollzahl
Unsere digitale Fälschung
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Gefälschte Medikamente:
Schwindel kostet Menschenleben
Ist das Bild wie hier manipuliert
worden, stimmt die Summe der
Farbwerte einer Gruppe nicht
mehr mit dem voreingestellten
Was passiert bei Manipulation des Bildes?
Tödliches Geschäft
Wird das Originalbild manipuliert (und, wie bei diesem Bild,
das Gesicht verändert), kann ein entsprechendes Computerprogramm die Abweichung der Farbwerte erkennen.
Der Zugang zu einem Labor, ein bisschen chemischer
Grundverstand und jede Menge kriminelle Energie – das
sind die Zutaten für ein tödliches Geschäft: die Fälschung
von Medikamenten. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Arzneimittelfälschung gang und
gäbe. Rund zehn Prozent aller Medikamente weltweit sind
Mogelpackungen: bestenfalls Imitate, schlimmstenfalls
wirkungslose Attrappen oder sogar Gift. Am häufigsten
betroffen sind die Entwicklungsländer, hier wird rund ein
Viertel der Medikamente illegal produziert. In manchen
Ländern – wie in Nigeria – ist sogar jedes zweite Mittel falsche Ware.
Denn das Programm vergleicht die Summen der Farbwerte
der einzelnen Gruppen und stellt fest, dass diese nicht
mehr mit der Original-Summe übereinstimmen. In unserem Beispiel ergibt sich, durch die Veränderung des Bildes
folgendes: die Summe der Gruppe ist nicht mehr 16, sondern 11.
Wert überein
Das Programm erkennt auf diese Weise die Abweichung
und markiert die gesamte Gruppe. Über das Bild verteilt
werden so Abweichungen verschiedener Gruppen festgestellt und markiert. Da die Veränderung der Gruppe entscheidend ist, werden auf diese Art auch einzelne Pixel
markiert, die gar nicht verändert wurden.
Da die Prüfsumme nicht mehr mit
der Originalsumme übereinstimmt,
werden alle Pixel dieser Gruppe
markiert
Die markierten Pixel verteilen sich nahezu zufällig über
das gesamte Bild. Aber im tatsächlich geänderten Bereich
häufen sich die hier rot markierten Pixel und es lässt sich
mit bloßem Auge schon erkennen, an welcher Stelle des
Bildes gefälscht wurde.
Das Programm kann noch mehr: Es erkennt, wo sich die
Änderungen häufen und kann daher die zufällig verteilten
und nicht manipulierten Pixel einer Gruppe korrigieren.
allem in Entwicklungsländern
Hunderte von Todesopfern
Die Opfer der Medikamentenfälscher zählt niemand.
Häufig ist nicht einmal klar, ob Menschen an ihrer
Krankheit oder an den gefälschten Medikamenten sterben. Nur spektakuläre Fälle werden international bekannt:
In Nigeria starben im Jahr 1990 hundert Kinder an einem
gefälschten Hustensaft. In Haiti bekamen Kinder einen mit
Frostschutzmittel gestreckten Fiebersirup, für 59 von ihnen
mit tödlichen Folgen. In Kambodscha starben im Jahr 2000
dreißig Menschen an Malaria. Der Grund auch hier:
gefälschte und damit wirkungslose Medikamente.
„Backpulver“ gegen Malaria?
Diese „Therapie“ kostet im
Jahr 2000 in Kambodscha
Eine Häufung der markierten Pixel
tritt in dem gefälschten Bereich auf
Gefälscht wird im großen Stil, vor
30 Menschen das Leben
Ein geschickter Fälscher würde vielleicht versuchen, das
Wasserzeichen nach seiner Fälschung wiederherzustellen.
Das wird ihm jedoch durch die Bildung der über das
gesamte Bild verteilten Gruppen schwer gemacht. Die sind
nämlich selbst mit einem Passwort geschützt. Wer das
Passwort nicht kennt, kann die Muster nicht erkennen.
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Großes Geschäft – kleines Risiko
Gefälscht wird alles, was der Markt hergibt. Und das sind
in den Entwicklungsländern hauptsächlich Medikamente
gegen Infektionskrankheiten wie Malaria, Tuberkulose
und AIDS. Die Produktionsweise der Fälscher ist dabei so
vielfältig wie ihre Produktpalette. In mancher Hinterhofküche werden Kapseln mit Stärke abgefüllt. Doch auch
in tagsüber seriösen Fabriken pressen die Fälscher nachts
ihre Pillen und verpacken sie in perfekt kopierte Kartons.
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fälschen innen 18.05.2005 12:36Uhr Seite 30
Seriöse Fabrik? Auch hier
könnten gefälschte Pillen
gepresst werden
Von den Originalen sind solche Nachbildungen mit bloßem
Auge kaum noch zu unterscheiden. Dabei geht es den meisten Fälschern nur um das perfekte Äußere, sie machen
sich nicht die Mühe, auch die Inhaltsstoffe nachzubilden.
Nach einer Studie der WHO enthalten gerade einmal 7 Prozent der Fälschungen tatsächlich den richtigen Wirkstoff in
der korrekten Dosierung. 17 Prozent enthalten zwar den
richtigen Wirkstoff, allerdings viel zu wenig, um wirklich
heilen zu können. 16 Prozent enthalten den falschen
Wirkstoff oder sind sogar mit giftigen Substanzen verunreinigt. Und mehr als die Hälfte, nämlich 60 Prozent der
gefälschten Medikamente sind komplett wirkungslos.
Das tödliche Geschäft ist für die Fälscher lukrativ und ihr
Risiko ist gering, denn in den meisten Entwicklungsländern gibt es keine Kontrollsysteme für Arzneimittelsicherheit. Fälschungen werden nur selten erkannt, und
der Weg zu den Machern verläuft häufig im Sande.
Mit dem Mini-Lab auf Fälscher-Jagd
Untersuchungen mit
Die Ärzte in Entwicklungsländern stehen vor einem
Dilemma, denn sie wissen nie, ob das Medikament, das sie
gerade verabreichen, wirklich echt ist. Meistens bleibt
nichts übrig, als es einfach auszuprobieren – und das häufig mit schlimmen Folgen. Denn die Pillen-Mafia schmuggelt ihre Ware über korrupte Großhändler auch in
Krankenhäuser und Apotheken. Am Ende der Kette stehen
Arzt und Patient – und die Ungewissheit, ob und wie das
Mittel wirkt.
weit im Einsatz. Leider viel zu wenige, um überall die
gefälschten Medikamente zu entlarven.
In Deutschland greift die Kontrolle
In Deutschland muss man sich übrigens kaum Sorgen vor
Arzneimittelfälschungen machen. In den Jahren 1996 bis
2002 sind gerade mal 26 Fälle gefälschter Medikamente
bekannt geworden, wobei in den meisten Fällen nur der
Beipackzettel gefälscht war. Bei rund 1,6 Milliarden verkauften Arzneimitteln pro Jahr in Deutschland ist das nicht
viel. Den Verbraucher haben die gefälschten Medikamente
jedoch gar nicht erst erreicht, dafür sorgte das dichte
Kontrollsystem: Jeder Apotheker ist gesetzlich dazu verpflichtet, regelmäßig in Stichproben Arzneimittel zu überprüfen.
Jeden Tag werden so in deutschen Apotheken 120.000
Arzneimittelpackungen kontrolliert, insgesamt sind das
mehr als 5 Millionen Überprüfungen im Jahr. Medikamente, an denen Fehler festgestellt werden, werden sofort
durch die Kontrollbehörden – wie etwa das Bundesamt für
Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) – vom Markt
genommen.
Wer hingegen Anabolika über dunkle Kanäle aus dem
Fitnessstudio bezieht, oder auf unseriöse E-MailAngebote wie „Viagra rezeptfrei für 10 Cent die Kapsel“
hereinfällt, muss auch hierzulande damit rechnen, eine
wirkungslose Pille zu bekommen – oder Schlimmeres.
dem MiniLab – Schutz vor
Arzneimittelfälschungen
Einzige Möglichkeit für die Ärzte vor Ort: selbst testen.
Seit 1996 gibt es das so genannte MiniLab des German
Pharma Health Fund (GPHF). In zwei Koffern ist ein kleines
Labor zum Testen von Arzneimitteln untergebracht. So
können Ärzte und Apotheker auch in Entwicklungsländern
nachweisen, ob eine Tablette den richtigen Wirkstoff in der
richtigen Dosierung enthält. 150 solcher Koffer sind welt-
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Lesetipps
Broschüre der Bundesbank über die Sicherheitsmerkmale des Euro
Kann angefordert werden bei:
Deutsche Bundesbank | Hauptverwaltung Düsseldorf | Postfach 10 11 48
40002 Düsseldorf
Oder als PDF-Datei unter: http://www.bundesbank.de/download/bargeld/pdf/
euro_leaflet_sicherheitsmerkmale.pdf
Jahrbuch Markentechnik
Autor:
Klaus Brandmeyer und Alexander Deichsel (Hrsg.)
Verlagsangaben: Deutscher Fachverlag., Frankfurt/M,
erscheint jedes Jahr neu
ISBN-Nummer:
3-87150-653-2
Das Buch informiert über Fallbeispiele, theoretische Hintergründe und
Management-Techniken, mit Beiträgen von über 20 internationalen Fachautoren.
Was ist falsch am falschen Rembrandt? Und wie hart ist Damaszener Stahl?
Wie man mit Technik Kunst erforscht, prüft und erhält.
Autor:
Prof. Dr. Dr. h. c. Horst Czichos, seit 1992 Präsident der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin.
Verlagsangaben: Nicolaische Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin
191 S., mehr als 140 meist farbige Abb.
EAN-Nummer:
9783875842050
ISBN-Nummer:
3-87584-205-7
Sonstiges:
Preis EUR 19,90
Die BAM (Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung) ist, was
wissenschaftliche Materialanalytik angeht, die führende Institution in
Deutschland. Mit ihrem umfangreichen Instrumentarium und ihren zahlreichen
Experten hat die BAM auch immer wieder spektakuläre Fälschungen untersucht.
Einige der spannendsten Fälle zwischen Kulturgeschichte, Naturwissenschaften
und Technik, die die BAM in den letzten vier Jahrzehnten bearbeitet hat, werden
in dem Buch beschrieben.
Deutsche Standards
Autor:
Verlagsangaben:
ISBN-Nummer:
Jörg Krichbaum
Köln 1995, Arcum-Verlag
3-930912-04-X
Marken von Aspirin bis Zeiss werden vorgestellt und historisch betrachtet.
Das Buch gibt einen Einblick in Deutschlands Waren- und Markenwelt.
Persil bleibt Persil. Aus dem langen Leben einer großen Marke
Autor:
Leopold Springinsfeld
Verlagsangaben: Wien 1996, Verlag Ueberreuter
ISBN-Nummer:
3-7064-0275-0
Autor Prof. Leopold Springinsfeld, der als Praktiker unter anderem fast 30 Jahre
lang für die Waschmittelmarke gearbeitet hat, erläutert, wie die Marke sich ständig wandelnden Umweltbedingungen angepasst hat.
Forensische Handschriftenuntersuchung
Autor:
Manfred Hecker
Verlagsangaben: Kriminalistik-Verlag Heidelberg, 1993
ISBN-Nummer:
3-7832-0792-4
Ein Buch für Fachleute mit vielen Schriftbeispielen.
Außer Kontrolle. Wie Comroad & Co. durch das Finanzsystem
in Deutschland schlüpfen
Autor:
Renate Daum
Verlagsangaben: FinanzBuch Verlag 2003
ISBN-Nummer:
3898790312
Die Journalistin Renate Daum beschreibt in diesem Buch, wie sie den Skandal um
die gefälschten Bilanzen von Comroad aufdeckte.
Der Fund. Die Skandale des STERN. Gerd Heidemann und die Hitler-Tagebücher.
Autor:
Peter-Ferdinand Koch
Verlagsangaben: Facta Oblita GmbH, erschienen 1990
ISBN-Nummer:
3926827246
Die Geschichte um die gefälschten Hitler-Tagebücher und den Prozess gegen
Gerd Heidemann und Konrad Kujau.
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fälschen innen 18.05.2005 12:36Uhr Seite 34
Linktipps
Auf der Seite der Bundesbank gibt es unter dem Stichwort „Bargeld“ alles, was
man zu Falschgeld und Sicherheitsmerkmalen wissen muss. Dazu viele Informationen, zum Beispiel darüber, wann die Bundesbank für Falschgeld Ersatz
leistet, oder über das Geldmuseum in Frankfurt am Main.
http://www.bundesbank.de/bargeld/bargeld.php
Private Userseite auf dem Server der Freien Universität mit vielen Infos rund um
die EU und den Euro und internationalen Links. Dort erfährt man auch Einzelheiten über die Gestaltung, die historischen Architekturmotive und den Designer
der Euroscheine.
http://userpage.fu-berlin.de/~tmuehle/europa/euro/euroindex.htm
Broschüre der Bundesbank über die Sicherheitsmerkmale des Euro als PDF-Datei
http://www.bundesbank.de/download/bargeld/pdf/
euro_leaflet_sicherheitsmerkmale.pdf
Kann auch in Printversion angefordert werden bei:
Deutsche Bundesbank
Hauptverwaltung Düsseldorf
Postfach 10 11 48
40002 Düsseldorf
Preisträger für die dreisteste Fälschung:
http://www.plagiarius.com/d_index.html
Institutionen, die Kunstgegenstände wissenschaftlich analysieren:
http://www.doerneristitut.de
http://www. bam.de/index4.htm
http://www. smb.spk-berlin.de/fw/rf/
http://www.bfafh.de/inst4/42/index.htm
http://www. museodelcollezionista.com/
Normalbürger, die Kunstgegenstände begutachten lassen wollen, sollten sich
zunächst an ihr örtliches Museum wenden. Das hat entweder selber
Sprechstunden, zu denen Museumsmitarbeiter Kunstwerke von Mitbürgern in
Augenschein nehmen, oder es kann verlässliche/seriöse Gutachter in der Region
empfehlen
Mehr zuSchriftuntersuchungen und Sachverständigen:
http://www.gfs2000.de
http://www.isu-mannheim.de
Mehr zum Bundeskriminalamt, den Landeskriminalämtern und zur
Kriminalstatistik:
http://www.bka.de
Informationsseite der Banken und Sparkassen zu EC-Kartensicherheit:
www.kartensicherheit.de/ww/de/pub/index.php
Mehr zur American Academy of Forensic Sciences (englisch):
http://www.aafs.org
Mehr zur Bekämpfung von Markenpiraten:
http://www.markenpiraterie-apm.de/apmframe.htm
Der lateinische Originaltext der Konstantinischen Schenkung im Netz:
http://12koerbe.de/hanumans/const.htm
Zahlen zur Markenpiraterie:
http://europa.eu.int/comm/taxation_customs/customs/customs_controls/coun
terfeit_piracy/combating/index_en.htm
Informationen zum Mini-Lab des GPHF
www.gphf.org
Mehr zur RFIDs und Sicherheit in der Informationstechnik:
http://www.bsi.bund.de/bsi/index.htm
Mehr zur Technologiebewertung:
http://www.izt.de
Kritische Stimme zu IT-Technologien/RFID:
http://www.heise.de
Studie zu Risiken und Chancen von RFID-Systemen:
http://www.bsi.bund.de/fachthem/rfid/RIKCHA.pdf
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Positionspapier des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (VFA) zum
Thema Arzneimittelfälschungen mit Zahlen und Fakten
www.vfa.de/de/politik/positionen/arzneimittelfaelschungen.html
Informationen des Bernhard-Nocht-Instituts in Hamburg mit Tipps zum Schutz vor
Arzneimittelfälschungen im Ausland
www.gesundes-reisen.de/redaktion/reiseabc/Arztneimittelfaelschungen.htm
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ist für die Zulassung,
Registrierung und Kontrolle von Arzneimitteln in Deutschland zuständig.
www.bfarm.de
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