Hinter jedem fünften Fall kann sich eine Tuberöse Sklerose verbergen
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Hinter jedem fünften Fall kann sich eine Tuberöse Sklerose verbergen
Pharma Report Renale Angiomyolipome Hinter jedem fünften Fall kann sich eine Tuberöse Sklerose verbergen © Springer PhotoDiscVerlag GmbH Die Tuberöse Sklerose (TSC) ist eine seltene Systemerkrankung, die zu Fehlbildungen und überwiegend gutartigen Tumoren in nahezu allen Organen, darunter auch den Nieren, führen kann. Als prominen teste Nierenmanifestation entwickeln sich bei den meisten erwachsenen Patienten mit TSC renale Angiomyolipome, die lebensbedrohliche Komplikationen hervorrufen können. Mit dem mTOR (mam malian Target Of Rapamycin)-Inhibitor Everolimus steht für die Behandlung von renalen Angiomyoli pomen, die mit einer TSC assoziiert sind, eine medikamentöse, kausale Therapieoption zur Verfügung. Impressum Tuberöse Sklerose (TSC) – Eine komplexe Erkrankung mit renaler Beteiligung Meet-the-Expert im Rahmen der 5. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie, Berlin, 7. Oktober 2013 Berichterstattung: Dr. Silke Wedekind, Frankfurt am Main Corporate Publishing (verantwortlich): Ulrike Hafner, Dr. Michael Brysch, Dr. Katharina Finis, Dr. Friederike Holthausen, Sabine Jost, Ann Köbler, Dr. Claudia Krekeler, Inge Kunzenbacher, Dr. Christine Leist, Dr. Sabine Lohrengel, Dr. Ulrike Maronde, Dr. Annemarie Musch, Dr. Monika Prinoth, Yvonne Schönfelder, Dr. Petra Stawinski, François Werner, Teresa Windelen Report in „Der Urologe“ Band 52, Heft 12, Dezember 2013 Mit freundlicher Unterstützung der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg Die Herausgeber der Zeitschrift übernehmen keine Verantwortung für diese Rubrik. Springer Medizin Springer-Verlag GmbH Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science + Business Media © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in dieser Zeitschrift berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Die TSC ist eine komplexe und facet tenreiche genetisch bedingte Sys temerkrankung, die mit Fehlbildun gen und benignen Tumoren (Ha martomen) in unterschiedlichen Or ganen sowie verschiedenen Symp tomen einhergeht. Mit einer Inzi denz von 1 : 6.000 Lebendgeburten und einer Prävalenz von 1:10.000 ist die TSC eine der häufigeren selte nen Erkrankungen [1], wie Dr. Mat thias Sauter, München, informierte. Altersabhängigkeit der Manifestationen In Abhängigkeit vom Patientenal ter können unterschiedliche Mani festationen der TSC vorkommen. In der Anfangsphase der Erkrankung dominieren häufig neurologische Symptome wie die Epilepsie, die bei ca. 80–90 % der Patienten meist schon im Säuglingsalter auftritt [2, 3]. Eine unbehandelte oder the rapierefraktäre Epilepsie kann zu schweren kognitiven Beeinträchti gungen, geistiger Behinderung so wie Autismus führen. Subependy male Knötchen im Gehirn zeigen sich bei 80 % der TSC-Patienten. Sie entwickeln sich bei bis zu einem Fünftel der Betroffenen zu sub ependymalen Riesenzellastrozyto men (SEGA) [2, 4]. Ebenfalls charak teristisch für die Erkrankung sind dermatologische Symptome wie hypomelanotische Flecken und/ oder faziale Angiofibrome, die im Laufe der Pubertät besonders stark hervortreten [5]. Eine typische TSC-assoziierte Komplikation im Jugendlichenund Erwachsenenalter ist die Ent wicklung renaler Angiomyolipome [6]. „Mit zunehmendem Lebens alter treten sie bei etwa 80 % der Patienten mit TSC auf, und oft fin den sich dann mehrere Tumoren in beiden Nieren“, berichtete Sauter. Insgesamt stünden zwischen 10 % und 20 % aller renalen Angiomyoli pome im Zusammenhang mit TSC [7, 8]: „Anders ausgedrückt, kann sich hinter jedem fünften Fall eine TSC verbergen“, ergänzte PD Dr. Mi chael Staehler, München. Ob eine Assoziation mit TSC besteht, solle deshalb stets differenzialdiagnos tisch abgeklärt werden, riet Staeh ler. Eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen solchen Zusammenhang bestehe beispielsweise bei Patien ten im Alter von 20–40 Jahren mit multiplen und/oder bilateralen Lä sionen, so der Urologe (Tab. 1) [7, 9–11]. Interdisziplinäre Herausforderung Renale Angiomyolipome setzen sich histologisch aus Blutgefäßen, Muskelzellen und Fettgewebe zu sammen. Die überwiegend beni gnen Tumoren können vor allem durch ihre z. T. erhebliche Größen ausdehnung symptomatisch wer den. Komplikationen ergeben sich primär vor allem durch retroperito neale Blutungen und Aneurysmen. Zudem kann das AngiomyolipomWachstum zu einer renalen Insuffi zienz führen, so Staehler. „Dement sprechend zählen akute renale Blu tungen und die terminale Nieren insuffizienz zu den häufigsten To desursachen bei TSC-Patienten“, er gänzte Sauter [12]. Beide Experten betonten, dass die Diagnostik und Therapie der TSC aufgrund des heterogenen Krank heitsbilds mit Beteiligung verschie dener Organsysteme eine interdiszi plinäre Herausforderung sei. Patien ten mit Verdacht auf TSC sollten an ein auf die Erkrankung spezialisier tes Zentrum überwiesen werden, da sich das Morbiditäts- und Mor talitätsrisiko der Patienten erhöht, wenn die Krankheit nicht frühzei tig erkannt und optimal behandelt wird, betonten Sauter und Staehler. Schlüsselenzym mTOR Die Ursache der Tumorbildung bei der TSC ist weitgehend aufgeklärt: Sie wird durch eine genetisch be Tab. 1 Merkmale des mit einer Tuberösen Sklerose (TSC) assoziierten bzw. sporadischen renalen Angiomyolipoms Charakteristika TSC-assoziiert sporadisch bilaterale Läsionen häufig selten multiple Läsionen häufig selten mittleres Erkrankungsalter 30 ± 12 Jahre 53 ± 12 Jahre mittlere Tumorgröße 8 ± 4 cm 4 ± 3 cm Beteiligung von Lymphknoten gelegentlich selten deutliche Wachstumstendenz häufig selten schwerwiegende Komplikationen (z. B. akute Blutung) häufig selten modifiziert nach [7, 9–11] Pharma Report dingte Überaktivität der Serin/ Threonin-Kinase mTOR hervorge rufen. „Daher erschien der Einsatz des oralen mTOR-Inhibitors Eve rolimus bei Patienten mit TSC-asso ziierten Angiomyolipomen als eine vielversprechende therapeutische Strategie“, sagte Sauter. Everolimus (Votubia®) hemmt die Überaktivi tät von mTOR und auf diese Weise das unkontrollierte Zellwachstum [13, 14]. Geprüft wurde dieses Therapie prinzip in der Phase-III-Studie EXIST (Examining Everolimus in a Study of TSC)-2 [15]. Einschlusskriterium für die Studienteilnahme war das Vor liegen mindestens eines renalen Angiomyolipoms mit einem Durch messer ≥3 cm. Die 118 Patienten er hielten randomisiert im Verhältnis 2 : 1 entweder 10 mg/Tag Everoli mus oder Placebo. Ursachenorientierte Therapie Während im Verum-Arm 42 % der Patienten den primären Wirksam keitsendpunkt – eine ≥50%ige Re duktion aller Tumorvolumina im Vergleich zum Ausgangswert nach drei Monaten – erreichten, waren es im Placebo-Arm 0 % (p<0,0001). Nach sechs Beobachtungsmona ten betrugen die Werte 55 % und 0 % (p<0,0001). Von der Behand lung mit dem mTOR-Inhibitor pro fitierte beinahe jeder Patient: Das Tumorvolumen verringerte sich im Therapieverlauf bei 95 % der Pa tienten aus der Verum-Gruppe. Zudem erzielten 26 % der Patien ten mit initialen Hautläsionen im Everolimus-Arm eine Verbesserung um ≥50 %, während es im PlaceboArm 0 % waren (p=0,0002). Das Si cherheitsprofil von Everolimus ent sprach dem in den bisher in der In dikation TSC durchgeführten Stu dien, der mTOR-Inhibitor wurde all gemein gut vertragen. Die meisten Nebenwirkungen waren leicht bis mäßig schwer ausgeprägt, wobei Stomatitiden die häufigste Neben wirkung waren [15]. Auf Basis dieser Daten wurde Eve rolimus für die Behandlung von er wachsenen Patienten mit TSC-as soziierten renalen Angiomyolipo men zugelassen, die nicht unmit telbar operiert werden müssen, bei denen aber aufgrund von Faktoren wie der Tumorgröße, einem be stehenden Aneurysma oder mul tiplen bzw. beidseitigen Tumoren ein Risiko für Komplikationen vor liegt. Mit Everolimus steht für die Betroffenen seit Oktober 2012 erst mals eine zielgerichtete medika mentöse Therapie zur Verfügung, die direkt an der Ursache der Er krankung angreift, wie Sauter re sümierte. Algorithmus erleichtert die Therapieentscheidung Eine Entscheidungshilfe, wann eine Behandlung mit Everolimus an gezeigt ist und wann nicht, gibt ein Therapiealgorithmus, der von deutschen Experten erarbeitet wurde [16, 17]. Literatur 1. Krueger DA, Franz DN, Paediatr Drugs 2008, 10:299–313 2. Adriaensen ME et al., Eur J Neurol 2009, 16:691–696 3. Joinson C et al., Psychol Med 2003, 33:335–344 4. Crino PB et al., N Engl J Med 2006, 355:1345–1356 5. Lagos JC, Gomez MR, Mayo Clin Proc 1967, 42:26–49 6. Moss J et al., Am J Respir Crit Care Med 2001, 164:669–671 7. Koo KC et al., Yonsei Med J 2010, 51:728–734 8. Steiner MS et al., J Urol 1993, 150:1782–1786 9. Nelson CP et al., J Urol 2002, 168 (4 Pt 1):1315–1325 10. Harabayashi T et al., J Urol 2004, 171:102–105 11. Henske EP, Pediatr Nephrol 2005, 20:854– 857 12. Shepherd CW et al., Mayo Clin Proc 1991, 66:792–796 13. Shaw RJ, Cantley LC, Nature 2006, 441:424–430 14. Wullschleger S et al., Cell 2006, 124:471– 484 15. Bissler JJ et al., Lancet 2013, 381:817–824 16. Sauter M et al., Thieme Praxis Report 2013, 5:1–16 17. www.leben-mit-tsc.de Wichtige Aspekte zur Diagnose und Therapie im Behandlungsalltag Interview mit Dr. Matthias Sauter, Medizinische Klinik und Poliklinik IV, und PD Dr. Michael Staehler, Urologische Klinik und Poliklinik, Klinikum der Universität München Herr Dr. Sauter, Sie haben die Tuberöse Sklerose (TSC) als „Erkrankung mit vielen Gesichtern“ bezeichnet. Gibt es unter den Symptomen der TSC solche, die eine Blickdiagnose der Erkrankung zulassen? Sauter: Die TSC ist eine Systemerkrankung, die sich re gelmäßig an der Haut manifestiert. Somit ist in der Tat für das geübte Auge – und vor allem für denjenigen, der mit der Erkrankung vertraut ist – oftmals eine Blick diagnose möglich. Zu denken ist hier insbesondere an die fazialen Angio fibrome, die oft als Adenoma sebaceum bezeichnet werden, obwohl mit den Talgdrüsen kein Zusammenhang besteht, fibröse Stirnplaque, an peri unguale Fibrome sowie an Pflastersteinnävi, die meist im Bereich des Rü ckens zu finden sind. Welche Vorteile ergeben sich aus Sicht des Nephrologen für Patienten mit TSCassoziierten renalen Angiomyolipomen durch eine Therapie mit Everolimus? Sauter: Die bisherigen Therapieverfahren für TSC-assoziierte renale Angio myolipome – die chirurgische Resektion und die selektive arterielle Em bolisation – gehen zwangsweise mit einem Verlust von intaktem Nieren gewebe einher. Dies ist in Anbetracht einer meist multifokalen und bila teralen Beteiligung sowie der Möglichkeit einer Angiomyolipom-Entste hung in jedem Lebensalter im Hinblick auf die Nierenfunktion hoch prob lematisch. Mit Everolimus erweitert sich unser therapeutisches Arsenal um eine medikamentöse Option, die zugleich die intakten renalen Strukturen schont, multiple renale Angiomyolipome behandelt und darüber hinaus extrarenale Therapieeffekte auf die Systemerkrankung TSC erzielt. Herr Dr. Staehler, welche Komplikationen können durch renale Angiomyolipome aus Sicht des operativ tätigen Urologen e ntstehen? Staehler: Komplikationen ergeben sich insbesondere dann, wenn es zu Blutungen durch rupturierte Aneurys men kommt. Da bis zu 20 % der Patienten an den Folgen einer solch akuten Blutung versterben, ist eine recht zeitige Diagnose und Überwachung von großen und wachsenden Angiomyolipomen sehr wichtig. Komplikationen resultieren auch, wenn die Größenzunahme der Angiomyolipome einen Masseneffekt mit Verdrängung von Nierengewebe, Kompression von Gefäßen und Harn leitern oder ein invasives Wachstum zur Folge hat. Bei welchen Patienten mit TSC-assoziierten Angiomyolipomen halten Sie eine medikamentöse Therapie mit Everolimus für sinnvoll. Wann ist eine invasive Maßnahme erforderlich? Staehler: Eine Nephrektomie wird vor allem in anderweitig nicht beherrsch baren Notfallsituationen wie bei einer akuten Blutung mit hämorrhagischem Schock erforderlich. Da eine Nephrektomie zum Verlust funktionstüchtiger Nephrone und zu zahlreichen weiteren Nebenwirkungen führt, sollte sie aus schließlich besonderen Gefährdungssituationen vorbehalten bleiben. Mit Everolimus steht ein Medikament für die ursachenorientierte Behandlung zur Verfügung. Es sollte bei Patienten ohne akute Blutungen eingesetzt wer den, die entweder ein Risiko für Komplikationen wie Aneurysmen und mul tiple bzw. bilaterale Läsionen haben, oder bei denen andere für die TSC typi sche Symptome oder ein Wachstum der Läsionen auftreten.