Der Gaiser, der die Pferde versteht
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Der Gaiser, der die Pferde versteht
28 Appenzellerland Dienstag, 26. Juli 2016 Bilder: Stephanie Sonderegger Urs Heer kümmert sich um den sechsjährigen Wallach Aragon, der erst seit kurzem bei ihm ist. Mit der Kutsche am Laj Nair in Silvaplana unterwegs: Der Gaiser kennt die schönsten Flecken des Engadins. Der Gaiser, der die Pferde versteht Cowboy auf einer Farm in Amerika – so sah der Traum von Urs Heer im Kindesalter aus. Heute ist der Gaiser 53 Jahre alt und lebt seit knapp 30 Jahren in Champfèr im Engadin. Dort trainiert er Mensch und Pferd mit seiner ganz bestimmten Vision. STEPHANIE SONDEREGGER CHAMPFÈR/GAIS. «Heute gebt ihr aber Gas, Meitle», sagt Urs Heer. Er sitzt auf dem Bock seines Zweispännerwagens und fährt zum Laj Nair in Silvaplana. Seit 29 Jahren lebt der Gaiser im Engadin. Urs und Liz Heer leiten zusammen die «Hets – die Schule für Natural Horsemanship», eine Schule für Pferdebegeisterte mit dem Ziel, mit den Tieren zu kommunizieren. Als Kind hatte er es aber auf ein anderes Gebiet abgesehen: Amerika – das Land der wilden Pferde und der Cowboys. Durch Tierarzt zu Pferden Urs Heer wuchs in Gais auf und entdeckte mit zwölf Jahren seine Begeisterung für Pferde. «Ich durfte die Haflinger des Dorftierarztes reiten», erzählt Heer. Heer lernte Zimmermann, arbeitete in Bühler und ver- brachte seine gesamte Militärzeit als Train Korporal bei den Pferden. 1990 wurde sein Kindheitstraum war: Er arbeitete drei Monate auf einer Ranch in Kalifornien. 1991 dann das einschneidendste Erlebnis seiner «Eine klare Kommunikation halte ich für wichtig.» Karriere: Urs Heer traf erstmals auf den amerikanischen Pferdepsychologen Pat Parelli, der in der Schweiz halt machte. «Ich konnte es nicht fassen, was er da mit den Pferden macht», sagt er. Fasziniert von dem Gesehenen organisierte Urs Heer 1994 einen weiteren Auftritt Parellis in der Schweiz, zwei Jahre später reiste er mit seiner vierköpfigen Familie nach Kalifornien. «Dort habe ich Pat Parelli auf seiner Ranch besucht.» Innert Kürze wurde Urs Heer zum Pat-ParelliInstruktor ausgebildet, er lernte die Methoden des «Horseman» kennen und die sensiblen Herdentiere zu verstehen. Zehn Jahre Parelli-Agentur Urs Heer holt den sechsjährigen Wallach Aragon aus dem Offenstall. Er bereitet ihn für eine weitere Ausfahrt vor – die Zweite an diesem Morgen. Heers Handgriffe sind routiniert und schnell ausgeführt. «Ich erledige meine Aufgaben immer mit möglichst grosser Effizienz», sagt er. Der Gaiser ist ein dominanter Mann – aber einer mit Feingefühl. Im Umgang mit Mensch und Pferd ist er konsequent und klar in seinen Aussagen. «Eine klare Kommunikation halte ich für wichtig – sowohl zwischenmenschlich als auch zwischen Pferd und Reiter.» Dass Urs Heer ein guter Kommunikator ist, gefiel Pat Parelli. Er motivierte den Pferdetrainer mit Zweitjob als Skilehrer zum Aufbau einer Parelli-Agentur für den deutschsprachigen Raum. Zehn Jahre lang kümmerten sich die Heers um die hiesigen Parelli-Instruktoren, organisierte Shows, liess Lehrmittel übersetzen und vertrieb dieses. «Bei der Umstrukturierung 2007 entschied ich mich, auszusteigen», so der Wahlengadiner. Die neu ausgehändigten Verträge seien für ihn nicht vertretbar gewesen. Urs und Liz Heer gründeten darauf die «Hets – die Schule für Natural Horsemanship». Pat Parelli blieben sie aber trotzdem treu. «Ich bin stolz darauf, bei ihm gelernt zu haben. Seine Arbeit ist weiterhin die Basis unseres Programms», sagt Urs Heer. Verschiedene Kurse im Angebot Die Palette angebotener Kurse ist gross: Von der Einführung in die Welt der Pferdepsychologie «Wir trainieren nicht Pferde. Wir trainieren Menschen.» reicht das Schulprogramm bis hin zum Experten oder künftigen Pferdetrainer. Ausserdem bietet das Ehepaar Schnupperkurse und Jugendcamps an. Liz Heer hat sich zudem verstärkt auf den Menschen fokussiert: Sie bietet Weiterbildungstage mit Pferden für Führungskräfte, Lehrer und Eltern an. Was oftmals als Pferdetraining bezeichnet werde, sei eigentlich Menschentraining, begründet Urs Heer. Problempferd – Problemmensch Heer ist zufrieden mit Aaragons Leistung. Er streift das Brustblatt des Geschirrs über den Hals des Warmbluts. «Wir bekommen öfters Tiere, weil die Besitzer nicht mit ihnen zurecht gekommen sind.» Das Problem seien meist nicht die Pferde, sondern die Menschen. «Manchmal will man gar nicht wissen, wie da draussen mit den Tieren umgegangen wird», so Heer. «Ich hoffe, ich kann mit meinem Einsatz nachhaltig etwas verändern.» Auf die Frage, ob er plane, weiterhin im Engadin zu bleiben, sagt er: «In die USA will ich nicht mehr. Hier habe ich alles, was ich brauche – auch wenn ich das Appenzellerland gelegentlich vermisse.» Hets-Schule Von Pat Parelli zum eigenen Ausbildungsprogramm Liz Heer trainiert den respektvollen Umgang mit Stute Chocolate. Von Juni bis September sind die Pferde im Engadin untergebracht. Im Dezember 2008 gründeten Urs und Liz Heer «Hets – die Schule für Natural Horsemanship» mit dem Ziel, einen sensiblen und respektvollen Umgang zwischen Mensch und Pferd zu schaffen. «Hets» ist eine englische Abkürzung von «Horseman – Education – Tools – Support» und steht für: Pferdeleute, Ausbildung, Werkzeug und Unterstützung. Die Trainingsmethoden basieren auf dem Konzept von Pat Parelli, der in den 90er-Jahren nach Europa kam und bis heute zahlreiche Reiterinnen und Reiter begeistert. Die respektvolle Kommunikation steht dabei im Vordergrund. So entwickelte Parelli unter anderem sieben Spiele, in denen der Mensch die Sprache des Pferdes zu lesen und anschliessend zu kommunizieren lernt. In den einzelnen Spielphasen geht es darum, das Tier zu berühren, es mit der eigenen Körpersprache zu be- wegen und es positiv zu beeinflussen. Hilfsmittel sind dabei einzig der «Carrot Stick», ein langer, stabiler Stock, ein Knotenhalfter und ein Führstrick. Sind die Spiele gespielt und der respektvolle Umgang zwischen Mensch und Tier erreicht, geht es auf dem Pferd weiter. Klare Signale und ein respektvoller Umgang sind dort besonders gefordert. Reiterinnen und Reiter lernen erst mittels dünnem Polster einen natürlichen Sitz zu bekommen und den eigenen inneren Fokus zu stärken. Später gehört die Bodenarbeit am Seil und ohne Hilfsmittel in Freiheit sowie das Freistilreiten und das Reiten mit Finessen zum Ausbildungskonzept der Hets-Schule. Liz und Urs Heer sind je nach Jahreszeit mit ihren Pferden in Landquart oder in Surlej stationiert. (sso) www.horsemanship-schule.ch Im Sommer verbringen die Pferde viel Zeit auf einer Weide in Surlej. Urs Heer bildet seine Pferde neben dem Reiten auch am Wagen aus.