6 Balkan Miniatures Künstlerische Masterarbeit Universität für Musik

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6 Balkan Miniatures Künstlerische Masterarbeit Universität für Musik
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6 Balkan Miniatures
Dušan Bogdanović (*1955) – Komponist und Gitarrist
Künstlerische Masterarbeit
Zoran Radišković
Matrikelnummer: 0673240
Universität für Musik und darstellende Kunst Graz
Institut 3 Saiteninstrumente
Studienrichtung Gitarre
SS 2016
Eingereicht bei:
Renate Bozic
Institut für Musikästhetik
Graz, 2016
2
Kurzfassung
Der Inhalt dieser Arbeit ist die ästhetische Betrachtung eines der am häufigsten
aufgeführten Werke des Komponisten – 6 Balkan Miniatures. Unter anderem
sollte diese Arbeit die Verbindung zwischen der Balkan Folkloretradition und
dem Werk Bogdanović‘ darstellen. Durch das Verständnis dieser Parallelen soll
die Interpretation wesentlich verbessert und für den Interpreten leichter werden.
Durch wichtige Aspekte seines Lebens möchte ich dem Leser einen Einblick in
die breite Palette von praktischen und theoretischen Werken dieses vielseitigen
Künstlers geben.
Abstract
The content of this work is the aesthetic observation of one of the works most
frequently performed of the composer - 6 Balkan Miniatures. Among other
things, this work should make the connection between the Balkan folklore
tradition and the work of Bogdanović. By understanding these parallels, the
interpretation will be easier and significantly improved for the artist. Through
important aspects of his life, I would like to give the reader an insight into the
wide range of practical and theoretical works of this versatile artist .
3
…for World Peace
4
Inhaltsangabe
Vorwort…………………………………………………………….……..5
1. Einleitung……………………………………………….…………6
2. Biographischer Hintergrund……….…………………..………..7
3. Instrumente aus der Folklore………..…………………...……..9
4. Melodie und Text in den Volksliedern………..……….….……10
5. 6 Balkan Miniatures……………………………………….........12
5.1. Jutarnje Kolo (Morning Dance)………………………13
5.2. Žalopojka (Lament)……………………………………14
5.3. Vranjanka……………………………………………….15
5.4. Makedonsko kolo (Macedonian Dance)…………….16
5.5. Široko (Wide Song)…………………………………...17
5.6. Sitni vez (Tiny – knit Dance)………………………….18
Zusammenfassung…………………………………………….……21
Literaturverzeichnis…………………………………….…….….….22
5
Vorwort
Gründe, eine Arbeit über Dušan Bogdanović zu schreiben, gibt es viele. Was
mich bewegte über ihn zu schreiben, ist der tiefgreifende Eindruck bei der
ersten Begegnung mit seinen Kompositionen. Die Tatsache, dass mir alle der 6
Miniaturen bereits bekannt klangen und dass jede der vorkommenden Melodien
bereits tief in meinem Unterbewusstsein eingeschnitten war, ist nicht wirklich
verwunderlich, weil ich selbst aus der gleichen Gegend wie Bogdanovic
stamme. Schon in dem Titel des Werkes ist klar zu erkennen, dass Bogdanović
die Rhythmen und Melodien aus der serbischen Folklore und anderen
geographisch und musikalisch sehr verwandten Völker verwendet.
Mein Wunsch war es Details zu erforschen, was in seiner Musik so anders ist,
als wir es gewöhnt sind. Später beim Durchlesen seiner Biographie entdeckte
ich, dass Bogdanović sehr von der Musiktradition Serbiens, aber auch von
anderen Völkern anderer Kontinente und deren unterschiedlichen Kulturen und
Musiktraditionen, sehr inspiriert wurde. Er reiste durch Amerika, Europa, Afrika
und Asien und lernte auch deren Kultur kennen. Diese Erfahrungen sind auch
deutlich in seinen Werken reflektiert. In dieser Arbeit werde ich mich auf die
Werke für die Gitarre beschränken und genauer werde ich das Stück 6 Balkan
Miniatures behandeln, mit dem Ziel den Hintergrund dieser Komposition zu
erläutern. Für mich war es sehr interessant herauszufinden, welche Lieder von
welchen Völkern und aus welchen Regionen stammen, aus welchem Grund sie
überhaupt gesungen, mit welchen Instrumenten sie gespielt werden und
natürlich zu entdecken, welche Elemente für die Interpretation von großer
Bedeutung sind.
6
1. Einleitung
Nationalität als ein wichtiges Thema, ist in der Musik Westeuropas seit dem 19.
Jahrhundert sehr verbreitet. Die Musik ist ein ideales, universell verständliches
Medium, das zu einem Werkzeug zum Ausdruck der nationalen Eigenschaften
wird.1 Viele berühmte Komponisten schöpfen die Inspiration aus der eigenen
nationalen Tradition. In Serbien ist dies generell verstärkt der Fall. Die Folklore
und die Zuwendung zu der nationalen Tradition sind ein wesentlicher
Bestandteil der Kompositionspraxis und sogar in sehr populärem Gebrauch.
Werke von Dušan Bogdanović tragen auch sehr viel zur Erhaltung der
folkloristischen Tradition des Balkans bei, sowie auch zu deren künstlerischen
Transformationen. Durch die Verbindung von Traditionellem und Neuem,
Bestehendem und Zufälligem, können wir die Balkan Miniaturen als einen sehr
bedeutenden Bestandteil des serbischen musikalischen Nachlasses betrachten.
In den Werken von Dušan Bogdanović spürt man die Synthese aus mehreren
Musikstilen und sein Werk können wir als ein ganz neues Genre des
musikalischen Schaffens weltweit definieren. Über dieses Thema gibt es nicht
sehr viele Quellen und der Großteil der Arbeit basiert auf meinen eigenen
Eindrücken, meiner Interpretation und den erlernten Kenntnissen über das
Werk 6 Balkan Miniatures. Ich finde, diese Arbeit könnte ein guter erster
Anhaltspunkt beim weiteren Erforschen von Bogdanović‘s Person und Werk
sein.
1
Stana Djurić-Klajn, A Survey of Serbian Music trought the Ages, Belgrade 1972, Seite 97-99
7
2. Biographischer Hintergrund
Um besser die Musik von Dušan Bogdanović verstehen zu können, ist es von
sehr großer Bedeutung etwas über sein Leben zu sagen. Dušan Bogdanović
wurde 1955 in Belgrad geboren. Nach dem abgeschlossenen Musikgymnasium
in Belgrad setzte er seine Ausbildung im Fach Komposition in der
Ausbildungsklasse von Pierre Wissmer und Alberto Ginastera und auf der
klassischen Gitarre bei Maria Livia Sao Marcos fort. Schon sehr früh in seiner
Karriere gewann er mehrere Preise bei internationalen Wettbewerben. Als ein
wichtiger Durchbruch in seiner Karriere gelten die Erhaltung des ersten Preises
auf dem internationalen Wettbewerb in Genf im Jahr 1975 und ein sehr
bedeutendes, vor allem sehr gut aufgenommenes Konzert in der Carnegie Hall
im Jahr 1977 in New York.
Bogdanović verbrachte den Großteil seines Lebens außerhalb seiner Heimat,
wodurch er sehr viele verschiedene Musiksprachen kennenlernen konnte. Als
Solist und in der Zusammenarbeit mit anderen Künstlern machte er oft Reisen
durch Europa, Asien und die Vereinigten Staaten von Amerika. Er spielte sehr
viele Konzerte gemeinsam mit anderen Musikern, sodass sein Repertoire aus
sehr verschiedenen Stilen, von der Barockmusik bis zum Jazz, Ethnomusik und
zeitgenössischer Musik des 20. Jahrhunderts besteht. Wenn wir aber ihn als
Komponisten betrachten, sind sein Einfluss und Beitrag durch die Anwendung
der innovativen melodischen und harmonischen Ideen in der Musik enorm.
Bogdanović‘s Musik ist eine einzigartige Kombination aus klassischer Musik,
Jazz und internationaler Folklore, und daher kann er im Sinne eines
Komponisten der klassischen Musik betrachtet werden. Obwohl sein gesamtes
Werk noch lange nicht beendet ist, bietet er bereits eine sehr große Vielfalt an
verschiedenen Stücken. Bislang veröffentlichte er über fünfzig Stücke für die
klassische Gitarre, Klavier und verschiedene Ensembles. Es existieren auch
8
über zwanzig Aufnahmen mit einem vielseitigen Programm, darunter Trio
Sonaten von J.S. Bach bis zu der Musik der Gegenwart. In seine Performance
und
Aufnahmeaktivitäten
gehören
die
Zusammenarbeit
mit
Kammermusikgruppen aus verschiedenen Stilrichtungen, darunter The Falla
Guitar Trio und mit den Jazzmusikern James Newton, Milcho Leviev, Charlie
Haden, Miroslav Tadic, Mark Nauseef, Anthony Cox und anderen.
Obwohl er erst in seinen 20ern war, wurde er bereits an der bekannten
Universität in Genf für eine Professur nominiert. Später unterrichtete er auf der
Musikuniversität in Belgrad, University of Southern California, San Francisco
Conservatory. Derzeit arbeitet er an der Haute ecole de musique de Geneve
(Genf). Bogdanović ist auch heute sehr intensiv als Professor, Komponist und
Konzertgitarrist beschäftigt.2
Im Mittelpunkt seiner Beschäftigung steht definitiv die Gitarre und dies gehört zu
einem der weiteren Gründe, warum ich diese Arbeit schreibe. Ein anderer
Grund ist noch die serbische und balkanische Volksmusik, die er in seine
Werke stark integriert und der ganzen Welt vorstellt. Selten gibt es einen
Komponisten, der verständlicher und auf originellere Weise die Ethnomusik
einer ganzen Region in seine Kompositionen einfügt und es vor allem sehr
interessant und zugänglich für alle macht. Bogdanović verwendet perkussive
Elemente mit pentatonischen Tonleitern aus der afrikanischen und indischen
Musik, und auf der Gitarre imitiert er eine Vielfalt an Instrumenten, die in der
Volksmusik weltweit im Gebrauch sind. Seine Musik hinterlässt einen sehr
starken Eindruck auf seine Zuhörer, sodass sie seine Musik sogar „Balkan
Blues“ benennen.3 Außer den neuen, interessanten Melodien und Harmonien,
die er einfügte, schreibt er auch polymetrische Etüden für Gitarre. In sein
reiches Schaffungsopus gehört auch das Buch „Ex Ovo“, das eine Einleitung für
die zeitgenössischen Komponisten sein sollte. In diesem Buch bearbeitet er
Jazz und Barockimprovisation, Kontrapunkt, aber es beinhaltet auch Kapitel
2
3
http://www.dusanbogdanovic.com/bio.html (02.02.2016)
http://www.dusanbogdanovic.com/reviews.html (02.02.2016)
9
über die Musik der afrikanischen Völkerstämme und Analysen
zeitgenössischen Komponisten wie
György
der
Ligeti, Terry Riley, Conlon
Nancarrow und andere. Das zweite Buch ist eine polymetrische und
polyrhythmische Studie, Counterpoint for Guitar - with Improvisation in the
Renaissance Style and Study in Motivic Metamorphosis. 4
3. Instrumente aus der Folklore
Volksmusinstrumente der Balkanvölker sind in der Art des Spielens, dem Bau
und der Form sehr verschieden. Vor allem sind es sehr viele Arten, die
vorkommen. Die geographische Aufteilung ist vor allem wesentlich, weil die
Instrumente unterschiedlich in den Berg – und Tal -, Nord – und Südregionen
populär sind. Einigen der Instrumente, die immer sehr beliebt waren und die
von den Liebhabern der Volksmusik noch heute gespielt und gebaut werden,
möchte ich mehr Aufmerksamkeit schenken. In der Blütezeit der Volksmusik
Ende des 19. und 20. Jahrhunderts waren sie meist populäre Instrumente: frula
(Blockflöte), gajde (Sackpfeife), zurle, gusle, tambura, goč (zweifellige
Rahmentrommel), kaval, darabuka, daire, duduk, dvojnice, citra (Zither),
njenjare und andere. Die Instrumente wurden händisch von den Bauern,
Spielern und Dorfhandwerkern gebaut, aber manche davon sind auch geerbt
oder von anderen Völkern und Kulturen übernommen worden. Sie wurden auf
den eigenen Geschmack und die Bedürfnisse oft angepasst. Dies verhalf der
Entstehung der Vielfalt der Klangfarben, des Rhythmus und der Melodien in der
musikalischen Tradition des Balkans.5
4
5
http://www.dusanbogdanovic.com/writings.html (03.02.2016)
http://www.riznicasrpska.net/muzika/index.php?topic=356.0 (03.02.2016)
10
4. Melodie und Text in den Volksliedern
Jedes Volkslied repräsentiert eine Einheit der Melodie und des Textes. Neben
der melodischen und der literarischen, erscheint in dem Lied auch eine
klanglich harmonische Komponente. Selbst wenn sie erscheint, hat sie die Rolle
einer Klangfarbe und wird nicht zu einem wichtigen Faktor des Liedes. Melodie
und Text machen eine untrennbare Einheit aus.6 Der Text und seine Bedeutung
sind ohne Zweifel sehr wichtig, weil das Segment des Textes, das uns
interessiert, in seiner versteckten Verbindung mit dem Rhythmus liegt. Weil die
Melodie und der Text in den Volksliedern immer miteinander koexistieren, hält
der Text für den Interpreten außer seiner Bedeutung, auch spezifische
rhythmische Forderungen bereit. Die metrorhythmische Struktur des Textes
formt die eigentliche Melodie.7 Ethnologen stellten nach dem Einsammeln und
Erforschen der Volksmelodien einige Ähnlichkeiten bei den Melodien aus
verschiedenen Regionen fest. Sie kamen zur Einsicht, dass einige Töne sehr
wesentlich waren und sich oft wiederholten, und dadurch entstanden neue
Arten der Tonleiter. Einige der meist vorkommenden sind:
Molltonleiter mit der großen dorischen Sext (I – VI) Stufe und der harmonisch
erhöhten IV. Stufe.
Auf dieser Tonleiter basieren viele Melodien der Folklore und es ist nicht
verwunderlich, dass Bogdanović den dorischen Modus als die Basis für den
Aufbau der Melodien in den Balkan Miniaturen verwendet. Volksmelodien aus
6
7
http://www.riznicasrpska.net/muzika/index.php?topic=632.0;wap2 (03.02.2016)
Dimitrije O. Golemović, Etnomuzikološki ogledi, Beograd 1997, Seite 7,15,16,137
11
Istrien (Kroatien) basieren auf sehr spezifischen Tonleitern. Eine davon nach
dem kroatischen Ethnologen I. Matecic ist:
Am meisten interessant ist vielleicht diese Tonleiter:
In diesem Beispiel ist die Anordnung der Halb – und Ganztonschritte fast
identisch wie am Anfang der vierten Miniatur.8
Als ein guter Kenner der Folklore der verschiedenen Völker, extrahiert er wie
jeder andere erfolgreiche Komponist aus der Volkstradition nur das Essentielle
und Universelle und fügt es in etwas ganz Neue und Unwiederholbare ein. Der
beste Beweis seiner Reputation als Komponist, der Qualität und Popularität
seiner Werke ist die Einbeziehung der Balkan Miniaturen in regelmäßige
Musikschulprogramme in Serbien, sowie auch in den anderen Länder im
ehemaligen Jugoslawien. Das Stück wurde auch bereits für andere Instrumente
arrangiert. Sehr bedeutende Künstler wie Stefan Milenković (Serbien) und Edin
Karamazov (Bosnien und Herzegowina) spielten und stellten dieses Stück im
Rahmen ihrer Welttournee in der Version für Geige und Gitarre vor.
8
Marko Tajčević, Osnovna teorija muzike, Beograd 1997, Seite 100-102
12
5. 6 Balkan Miniatures
Das Stück wurde im Jahr 1991 komponiert und bereits am Anfang des Stückes
zeigt Bogdanović einige Anleitungen zur Musik. Als erstes kritisiert er scharf
das politische Chaos und den beginnenden Krieg im ehemaligen Jugoslawien
und sagt, dass dieser Krieg gleichzeitig tragisch und ironisch wäre. Der Grund
dafür ist, dass alle Völker im ehemaligen Jugoslawien den gleichen kulturellen
Hintergrund haben. Durch dieses Werk sendet er eine Botschaft an die ganze
Welt hinaus. Wir sollten der Kunst mehr Zuwendung schenken und ihr erlauben
uns zu belehren, wie man die verschiedenen Elemente die in ihrem Kern die
gleiche Quelle haben, harmonisiert und synthetisiert. Meiner Meinung nach ist
sein Werk sehr symbolisch. Der Titel des Werkes (6 Balkan Miniatures) zeigt
bereits die Idee, die dahinter steckt. Das ehemalige Jugoslawien besteht aus 6
kleineren Staaten (Miniaturen), und alle gemeinsam bilden eine große Einheit.
Miniatur ist eine Stückform, die in der Zeit der Romantik entstanden ist, und
stellt eine Instrumentalkomposition kleineren Umfangs dar, ist einfach in ihrem
Virtuositätsanspruch, aber sehr geeignet, um die Stimmung auszudrücken.
Die Unterschiede zwischen den Miniaturen basieren auf Kontrasten im
Charakter und Tempo, und die Ähnlichkeiten befinden sich in melodischen und
rhythmischen
Elementen. In allen Sätzen verwendet Bogdanović die
Modaltonalitäten, am häufigsten Lydisch und Dorisch. Um die Melodielinien zu
konstruieren, verwendet er oft das Intervall der übermäßigen Sekund,
sogar als ein charakteristisches
die
Spannungsmotiv (Dissonanz) deutlich
erkennbar ist und deutlich zur Qualität der Melodien beiträgt. Die Verwendung
der übermäßigen Sekund
hat den Ursprung in den Liedmelodien
der
Volksmusik aus der gesamten Balkanregion.
Im nächsten Kapitel werde ich meine eigene Sicht des Werkes vorstellen und
einige Parallelen zu der traditionellen Balkanmusik ziehen. Um das Werk
besser zu verstehen, finde ich, dass diese Kenntnisse sehr viel zur besseren
Interpretation beitragen könnten.
13
5.1. Jutarnje Kolo (Morning dance)
Kolo (kreisförmiger Tanz), als die Form eines Volkstanzes, ist
in allen
Regionen der Welt weit verbreitet. Die Grundbedeutung des Terminus Kolo ist
der Zirkel, das Rad oder der Kreis. Horo oder Oro leitet sich vielleicht vom
griechischen Wort Horos und bedeutet eine Ansammlung von Menschen oder
ein Spiel. Es wird ausgesprochen viel verwendet und ist sehr charakteristisch in
der Volksmusik der südslawischen Völker. Es gibt sehr viele Arten und Typen
vom Kolo, in der Form geschlossen, offen, mit und ohne begleitende Musik,
Hochzeitskolo usw. Als eine der bekanntesten Arten des Kolo gilt die Art dieses
Tanzes, begleitet von Musik oder Gesang, die im Vordergrund einen Leiter hat,
der sozusagen einen Dirigenten darstellt. Er gibt den Interpreten das Signal,
wann sie die Richtung, den Charakter oder das Tempo ändern sollen. 9 Der
Grund weshalb verwendet Bogdanović das Tempo sostenuto am Anfang dieser
Miniatur, ist eben einen Beginn anzudeuten. Das Akzent und die Dehnung den
ersten Ton können wir auch als einen Aufruf zum Tanz verstehen, nachdem
man schnell wieder ins Tempo kommen sollte. Die Taktart 11/16 und die
Rhythmusaufteilung (2 2 3 2 2) finden wir meistens in bulgarischen, aber auch
in mazedonischen Tänzen (Beispiele: Kopanica, Gankino – Bulgarien;
Sedenka, Pletenica und Skopsko – Mazedonien). Interessant ist es zu
erwähnen, dass der Tanz Kopanica mit dem gleichen Namen auch in
Mazedonien zu finden ist, allerdings wird er im 2/4 Taktart getanzt. 10 Der zweite
Teil beginnt mit dem transponierten Anfangsmotiv und einer Änderung der
Klangfarbe in den ersten zwei Takten (sul ponticello). Dieser Moment in dem
Stück ist sehr wichtig und es sollte hervorgehoben werden, weil der Komponist
den Effekt, Frage – Antwort, der typisch für die Volksmusik ist, vom Interpreten
haben möchte.
9
http://www.riznicasrpska.net/muzika/index.php?topic=918.5;wap2 (02.02.2016)
Vukašin Mišković, Dusan Bogdanovic- Leben und Werk, Künstlerische Masterarbeit, Graz,
Juni 2008, Seite 43
10
14
5.2. Žalopojka (Lament)
Žalopojka stellt ein sehr trauriges Lied und eine Art inneren Kampfes des
Sängers dar. Als solches beinhaltet es viele Unterbrechungen (Seufzer oder
Atempausen) und kurze Einheiten, zusammengestellt aus wiederholten
Motiven, die in ihrem Kern den gleichen Gedanken oder Vorahnung tragen. Um
dies auch bei der Interpretation deutlich machen zu können, sollte der Musiker
kleinere Phrasen aufbauen, bei denen das Anfangstempo das angegebene
Tempo sein sollte, aber bis zum Ende der Phrase sind die Akkorde allmählich
zu verlängern oder
„breiter“ zu spielen. Žalopojka ist der einzige Satz im
geraden Takt (4/4 oder 2/4), aber durch das poco rubato und das langsame
Tempo geht das Gefühl für das Metrum verloren, und stattdessen schafft man
für den Zuhörer eine sehr ruhige Atmosphäre. Am Ende des Satzes gibt es
einen sehr untypischen Schluss, eine III. Stufe – II. Stufe – Tonika Kadenz zu
hören. Die Dur – Tonika als eine Überraschung sollte man nicht allzu leise
spielen, um nicht den Eindruck, es wäre ein Fehler, zu erzeugen. Dieser Satz
kann in Form einer Skordatur gelesen werden, wobei die 6. Saite auf den Ton D
umgestimmt wird. Viele Gitarristen spielen den ersten Auftritt des Themas auf
der 2. Saite, um ein schöneres Vibrato und einen weicheren Ton erreichen zu
können.
15
5.3. Vranjanka
Vranjanka ist der einzige Satz, das wird von dem Komponisten auch erwähnt,
der auf einem bereits existierenden traditionellen Tanz basiert. Als erster hat
Stevan Hristić11 diese Melodie aufgeschrieben, bearbeitet und als orchestrales
Werk unter dem Titel Vranjanska svita (1948) veröffentlicht. Dieses Lied hat
zwei Teile, die sich wie bei der Version vom Hristić mehrmals abwechseln. Im
ersten Teil befindet sich die sehr bekannte Melodie im 7/8 und 5/8 Takt. Der
Komponist verstärkt die bereits angegebenen Akzente mit einem zusätzlichen
Sfz in den ersten zwei Takten, um das Hauptmotiv und den Rhythmus
hervorzuheben. Weiterhin in der Phrase verbreitet sich auch dieses Motiv und
wird durch Verzierungen noch mehr verschönert. Der zweite Teil ist eine
Kombination aus der Melodie aus dem ersten Teil und ´´improvisiertem´´ Spiel.
Triolen und Quintolen, die hier vorkommen, sind rhythmische Figuren, die im
ungeraden 7/8 Takt metrisch präzise fast unmöglich
zu gestalten sind.
Fermaten die unter der Anweisung des Komponisten man als einen Teil des
gesamten rhythmischen Flusses betrachten sollte, aber die sich oft nur
zwischen zwei einzelnen Töne befinden, machen die Interpretation nicht
einfacher. Stattdessen sollte man beide Teile im rubato spielen und dabei die
einzelnen Töne in kleinere melodische Einheiten gruppieren. Die Verwendung
von zwei verschiedenen Perkussionseffekten, deutet höchstwahrscheinlich auf
das schon erwähnte, sehr populäre Instrument „Goč“ (Trommel, Tapan) hin.
Mit der Verwendung von verschiedenen Schlägel erzielt man zwei in der
Tonhöhe unterschiedliche Töne, wobei mit dem stärkeren Schlägel meistens
die betonten Zählzeiten gespielt werden, und mit dem dünnen Schlägel wird die
Virtuosität und die Kreativität des Spielers angedeutet.
11
Stevan Hristić (19.Juni 1885 - 21. August 1958) war ein serbischer Komponist und Dirigent
16
5.4. Makedonsko kolo (Macedonian Dance)
In diesem Satz überwiegt der ungerade 5/8 Takt. Das Tempo ist sehr schnell
(Viertel = 200). Dies deutet auf ein sehr bewegliches Spiel hin. Der bekannteste
mazedonische Tanz heißt „oro“ und wird meistens mit der Begleitung von
tapan12 und zurla13 getanzt. Es ist schwierig herauszufinden, welchen Modus
der Komponist tatsächlich in dem Aufbau der Melodie verwendet hat. Es könnte
sich um Dorisch mit dem Anfangston A handeln, mit einer eingefügten
übermäßigen Sekund zwischen sechstem und siebtem Ton (es – fis), wobei die
letzten drei Töne (g – a – b) an Lydisch erinnern. Der melodische Fluss wird
durch kleinere Pausen unterbrochen, nach denen ein betonter Akkord folgt und
sehr die Dramatik und den Kontrast beeinflusst.
12
Zweifellige Rahmentrommel wird auch Davul und Dahol genannt. Das Instrument ist im
gesamten orientalischen Raum sowie in Osteuropa verbreitet, In der Volksmusik
der Balkanvölker wird es sehr oft verwendet. (https://de.wikipedia.org/wiki/Davul; 05.02.2016)
13
türkisch-zurna, kurdisch-zirne, bezeichnet in der Türkei und in einigen Nachbarländern, die
unter dem Einfluss der osmanischen Musikkultur standen, eine Gruppe
von Doppelrohrblattinstrumenten mit trichterförmigem Schallbecher.
(https://de.wikipedia.org/wiki/Zurna; 05.02.2016)
17
5.5.
Široko (Wide Song)
In der vokalen mehrstimmigen Praxis kommt es oft zu dem ästhetischen
Verlangen des Sängers die Lieder melodisch und harmonisch zu bereichern
und zu verzieren. So ist ein sehr häufiger Brauch in Užicko, Region in Serbien,
dass die leitende Stimme „einschneidet“ (diese Stimme kreuzt sich mit der
begleitenden Stimme), wobei die zweite Stimme weiterhin gerade singt. Dieses
Einschneiden ist oft eine Bewegung der kleinen Sekund nach oben oder unten
von der begleitenden Stimme, wobei die Reibung im Gesamtklang entsteht.
Diese Art der Verzierung benutzt Bogdanović sehr bewusst um den
Vokalgesang getreu zu imitieren. Weil die Gitarre keine langen Töne mit
anhaltender Intensität erzeugen kann, verwendet der Komponist kürzere
Notenwerte und dabei erzeugt er eine Atmosphäre der Mehrstimmigkeit. Die
Melodie besteht aus dem gleichen melodischen Material wie auch bei den
anderen Miniaturen. Es wird meistens auf der vierten Saite gespielt, wodurch
dies auch auf den Männergesang hindeutet. Die Fermaten sollte man als
Unterbrechungen im Gesang verstehen. Es sind eigentlich Atempausen und die
Anfänge neuer Verse.
18
5.6. Sitni vez (Tiny – knit Dance)
Obwohl der Komponist meint, es würden sich in dieser Miniatur zwei
Instrumente abwechseln, am Anfang frula (Blockflöte) und später Akkordeon,
möchte ich doch hier ein anderes traditionelles Instrument erwähnen. Ab dem
27. Takt benutzt Bogdanović eine andere Spieltechnik mit dem Zeigefinger der
rechten Hand (ähnlich wie Rasguado14), nachdem ein langes accelerando mit
integrierter dynamischer Verstärkung folgt. Alles gemeinsam führt zum Presto
und einem sehr lauten Schlussakkord. Diese Art des Spielens ab dem Takt 27
und bis zum Schluss des Stückes erinnert mich an ein anderes Instrument, das
bei seiner Spieltechnik alle Elemente die in dieser Miniatur vorkommen,
beinhaltet. Šargija wird ähnlich wie die Gitarre gespielt, aber mit der
Verwendung des Plektrums (terzijan). Es hat meistens nur vier Saiten, wobei
die erste doppelchörig ist, und wird auf die Töne g – f – c gestimmt. Die
Melodie wird auf der höchsten Saite gespielt, wobei die Begleitung den anderen
Saiten überlassen ist. Die ersten Saiten sind unisono auf g gestimmt. Die
anderen Saiten machen im Verhältnis zur ersten eine reine Quart aus. Bei der
Spieltechnik wird auch der Daumen verwendet, wobei durch die Kürzung der
begleitender Saiten mit dem Daumen auch möglich wird eine Quint oder Sext
14
Rasgueado ist die Bezeichnung für verschiedene Anschlagstechniken der spanischen
Flamenco-Gitarre. Die Schwierigkeit dieser Technik liegt in dem oft langanhaltenden, perlendrollenden Rhythmus, der durch koordinierte und zeitlich versetzte Abwärtsbewegung mehrerer
Finger erzeugt wird. Bei anderen Rasgueadotechniken werden zusätzlich die Finger
entgegengesetzt bewegt und der Daumen eingesetzt. (https://de.wikipedia.org/wiki/Rasgueado;
05.02.2016)
19
zu erzeugen. In der Dynamik ist das Spiel auf Šargija sehr eintönig und
meistens forte.
Das Volkslied Ja se najmi u dajidže mit šargija Begleitung.
20
Das Spiel auf Saz ist grundsätzlich gleich wie bei der Šargija – homophon. Der
Unterschied liegt nur bei der Möglichkeit auf Saz dynamisch vom piano bis zum
forte zu nuancieren, und dies zeigt sich meist in den schnellen crescendo und
decrescendo Passagen sowie bei den starken Akzenten (Sfz).
Spezifisch für Saz ist ein ungleichmäßiges Tempo, das sogar durch häufige
Verwendung von Fermaten bei manchen langen Tönen noch verlangsamt wird
und bei den Pausen stehen geblieben wird. Die Melodien auf Saz sind auch
verziert mit Triller, Pralltriller oder einem Vorschlag.15
Das Lied Uzdvije auf saz gespielt.
Das Metrum in diesem Satz ist hauptsächlich ungerade und variiert zwischen
11/16 (2+2+3+2+2), 13/16 (2+2+2+3+2+2), 10/16 (2+2+3+3) bis zum 2/4 Takt.
Vielleicht versuchte der Komponist auf diese Weise das mazedonische und
bulgarische Lied zu verbinden.
15
Dimitrije O. Golemović, Etnomuzikološki ogledi, Beograd 1997, Seite 186-189,195,196
21
Zusammenfassung
In meiner Beschäftigung mit Dušan Bogdanović fand ich heraus, dass er eine
außerordentliche Persönlichkeit ist und unbestritten einer der wichtigsten
Komponisten für klassische Gitarre des zwanzigsten und einundzwanzigsten
Jahrhundert. Sein musikalischer Stil ist einzigartig und bietet neue stilistische
und spieltechnische Möglichkeiten. Sein vielfältiges breites Wirken richtet die
Aufmerksamkeit auf das rege kulturelle Leben der Balkanvölker.
22
Literaturverzeichnis
Katarina Tomaševic, Na raskrsću istoka i zapada, Beograd - Novi Sad, 2009
Marko Tajčević, Osnovna teorija muzike, Beograd 1997
Stana Djuric-Klajn, A survey of Serbian music trough the ages, Belgrade 1972
Dimitrije O. Golemović, Etnomuzikološki ogledi, Beograd 1997
Fakultet Muzicke Umetnosti (Hrg.) Folkor i njegova umetnicka transpozicija,
radovi sa naucnog skupa održanog od 24. – 26. oktobra 1989 godine, Beograd
1989
Vukašin Mišković, Dusan Bogdanovic- Leben und Werk, Künstlerische
Masterarbeit, Graz, Juni 2008
http://www.riznicasrpska.net (02.02.2016)
http://www.dusanbogdanovic.com (02.02.2016)
Noten- und Bildnachweis
Dimitrije O. Golemović, Etnomuzikološki ogledi, Beograd 1997
http://www.riznicasrpska.net/muzika/index.php?topic=54.0 (07.02.2016)
Marko Tajčević, Osnovna teorija muzike, Beograd 1997
Six Balkan Miniatures (1991), Guitar Solo Publications