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ABSCHIED
GLÜCKLICH
Carlo Rola mit
Dennenesch Zoudé
auf einer BerlinaleParty im Szenerestaurant „Borchardt“
am 13. Februar
CARLO ROLA Das Leben
war für ihn ein Fest, an dem er
alle teilhaben ließ: Jetzt starb
der Top-Regisseur – seine Frau
konnte ihm nicht mehr helfen
Plötz
D
HOCHZEIT
Carlo Rola und
Dennenesch
Zoudé heirateten 2009 in
New York
Jahre später heirateten die beiden in New
York, ihrem Sehnsuchtsort, an dem sie sich
ein Jahr zuvor auch verlobt hatten. Die
Harlem Gospel Singers sangen, die Malerin Elvira Bach, 64, gehörte zu den insgesamt 22 Gästen. Einen Tag später reiste
das Brautpaar nach Utah, um gemeinsam
einen Film zu drehen. Der Titel: „Vergiss
nie, dass ich dich liebe“.
Wer die beiden erlebte, etwa auf der
Berlinale im Februar, zweifelte nicht an
ihrer Liebe. Sie waren zu Gast bei der Festival Night von BUNTE und auf anderen
Events. Und immer, wenn es ging, packte Carlo eine Havanna-Zigarre aus, die er
sich gern auch am Set anzündete. Als er
2014 in Havanna auf Kuba drehte, malte
er sich aus, wie es wäre, dort zu bleiben.
Warum denn nicht? Ein paar Jahre lang 6
licher HERZTOD mit 57
BUNTE 13 | 2016 27
FOTOS: GISELA SCHOBER/GETTY IMAGES, STEPHANIE KULBACH
er Tod war kein Fremder für
Carlo und Dennenesch, das war ein
ihn. Carlo Rola hat ihn im- Paar, in dessen Gesellschaft man das
mer wieder gezeigt in sei- Gefühl bekam, zur richtigen Zeit am
nen fast 100 Filmen, viele richtigen Ort zu sein. Sie, die bildschödavon Krimis. Als Regis- ne Schauspielerin mit dem bemerkensseur hat er den Tod stu- werten Lebenslauf. Geboren in Äthiodiert und inszeniert – stets tragisch, oft als pien, mit zwei Jahren nach Berlin gegroßes Drama. Als der Tod nun zu ihm kam, zogen, einst Deutschlands erste farbige
wurde er im Schlaf überrascht. Ohne Vor- TV-Kommissarin. Und er, der Erfolgswarnung und ohne Vorspiel. „Plötzlicher regisseur, der für Top-Quoten sorgte. Der
Herztod“ nennen Mediziner das Phänomen gelernt hatte bei den Theaterregisseu(siehe Kasten S. 28), das jeden treffen kann. ren Hans Neuenfels, 74, und Peter Stein,
Mit Dennenesch Zoudé, 49, seiner gro- 78, der alles und jeden kannte, mit den
ßen Liebe, war Rola am Abend des 14. März Besten arbeitete, aber nie verlernte,
im Restaurant „Adnan“ in der
über sich und seine Branche
Schlüterstraße in Berlin, wo sie
auch herzlich zu lachen. Er
SIE TRAFEN
oft einkehrten. Es gab Pasta,
beherrschte das Handwerk
SICH AM SET
Salat und Wein. Die Stimmung
und wollte immer noch eine
VON „DIE
war ausgelassen, alles war gut.
Idee mehr. Er war unerbittSCHÖNE
Wieder zu Hause in der gepfleglich, wenn es um die noch
BRAUT IN
ten Altbauwohnung in Charbessere Einstellung, um die
SCHWARZ“
lottenburg geschah dann das
noch raffiniertere Story ging.
Unglaubliche. Carlo Rola liegt
Lieber unkonventionell als
schon im Bett, als er dramatische Herz- so wie die anderen!
probleme bekommt. Dennenesch Zoudé
Viele schätzten diese Qualitäten, Iris
ruft den Notarzt, doch der kommt zu spät. Berben, 65, erkannte sie früh. Nach dem
Wiederbelebungsversuche bleiben erfolg- ersten gemeinsamen Film 1992 wurlos. Rola stirbt mit 57 Jahren, zwei Wochen, de Rola ihr „Komplize“, wie sie ihn nannbevor er nach New York aufbrechen woll- te. Denn Berben, damals die „Sketchup“te, um einen neuen Film der Reihe zu dre- Ulknudel, erfand sich mit Rola neu. Mit
hen, in der Jan Josef Liefers, 51, den Anwalt ihm schuf sie die Kommissarin „Rosa Roth“,
Joachim Vernau spielt.
die 16 Jahre lang ermittelte. Auch Mehrtei„Carlo war glücklich und er ist gegangen, ler stemmten die beiden, meist mit Oliver
wie er gelebt hat – mit einem lauten Knall“, Berben, 44, dem Sohn der Schauspieleerklärt Dennenesch Zoudé auf Anfrage von rin, als Produzenten. 2002 drehten sie an
BUNTE. An ein langes Gespräch ist nicht zu traumhaften Schauplätzen wie Nizza, Pordenken, sie ist zu mitgenommen. Trauerte tofino und Rom den Zweiteiler „Die schöne
sie doch gerade erst um ihren Exfreund Braut in Schwarz“. Erstmals auf Rolas
Roger Willemsen, der Anfang Februar mit Besetzungsliste: Dennenesch Zoudé.
60 gestorben war. „Dennenesch ist umgeben
„Er war frech wie Oskar, ich mochte seivon wunderbaren Menschen, die versuchen, ne direkte, offene Art sofort“, erinnert sich
ihr in dieser schwierigen Zeit Halt zu geben“, Zoudé später in BUNTE. „Ich dachte: Wow!
sagt eine Freundin. Eineinhalb Tage nach Das ist mal ein echter Kerl. Carlo ist ein
dessen Tod behielt Zoudé ihren Mann noch Gentleman und ein Macho, aber das kenbei sich in der Wohnung, Freunde kamen, ne ich gut, weil mein Vater auch so einer ist
um sich zu verabschieden.
und ich gut damit umgehen kann.“ Sieben
ABSCHIED
DER TOD, DER SICH NICHT ANMELDET
LEBENSFROH
Carlo Rola mit
HavannaZigarre und
seiner Frau
Dennenesch
Zoudé
Es passiert in der
unverkalkte, weiche
U-Bahn, im SuperPlaques an“, so Femarkt, auf dem Sofa.
renczy. Reißen dieCa. 120 000 Mense Ablagerungen, tri!
schen sterben jähreine akute Blutverlich in Deutschland an
sorgungsstörung des
plötzlichem Herztod.
Herzens auf, die o"
Auslöser ist meist
zu Kammerflimmern
Kammerflimmern,
führt. Auch schweeine wirre elektrische
re
Herzschwäche,
RETTER „Defi“-Geräte bringen das
Erregung der Herzeine HerzmuskelentHerz wieder zum Schlagen
muskelzellen. „Der
zündung oder angeelektrische
Sturm
borene Herzmuskellässt den Kreislauf zusammenbrechen“, erkrankungen erhöhen das Risiko. Nur acht
weiß der Kardiologe Dr. Peter Ferenczy Prozent der Patienten überleben ein akutes
vom Institut Diagnostik München. Die Be- Herzversagen. Es könnten mehr sein, wenn
troffenen sind in Sekunden bewusstlos, we- Zeugen eine Herzdruckmassage machen
nig später setzt die Atmung aus, das Herz (Video: herzsti"ung.de) oder zum Defibrilbleibt stehen. Typisch für diesen Tod: Er lator greifen würden. Ferenczy: „Diese Elekschlägt unvermutet zu, aber nicht wahl- troschockgeber hängen an vielen öffentlilos. „O" lagern sich in Herzkranzarterien chen Plätzen und sind leicht zu bedienen.“
Zuschauer daheim,
Preise im Ausland
6 hatte Carlo Rola ja auch schon in Monte
Georg Seitz/Mitarbeit: Daniel Funke
28 BUNTE 13 | 2016
„ROSA ROTH“
Iris Berben,
Hartmut Becker
„KRUPP“
Iris Berben mit
Sohn Oliver (r.) und
Benjamin Sadler
„GÖTZ VON
BERLICHINGEN“
Dennenesch Zoudé mit
Henning Baum,
Andreas Guenther (r.)
SEINE FILME WAREN TV-EREIGNISSE
Iris Berben als Schauspielgröße, wie wir sie
heute kennen, hä!e es ohne den Regisseur
Carlo Rola kaum gegeben. Umgekehrt gilt
das genauso. Carlo Rola kam erst über die
Berben groß ins TV-Geschä". Mit ihm erfand
sie sich für ihre zweite Karriere neu. Gemeinsam heckten sie für das ZDF die Kommissarin „Rosa Roth“ aus, die dem Sender über
30 Folgen hinweg viel Mut zu Ungewohntem
und mitunter Verstörendem abverlangte. Gemeinsam fesselten sie mit Mehrteilern wie
„Krupp – Eine deutsche Familie“, „Die Patriarchin“ oder „Afrika, mon amour“ Millionen vor
den Bildschirmen. Produziert wurden die Filme von Berbens Sohn Oliver.
Rola, geboren in Spalt in Mi!elfranken,
war ein Quereinsteiger. Er studierte Jura
in Frankfurt und arbeitete als Regieassistent und Regisseur an Theatern in Frankfurt, Hamburg und Berlin, bevor er zum Fern-
sehen kam. Mit Oliver Berben gründete er
1996 die Produktionsfirma Moovie, aus der
er nach einer Schleichwerbungsaffäre 2011
ausschied. Seiner Karriere tat das keinen Abbruch, die Sender wussten, dass sie bei Rola
mit herausragenden Filmen rechnen dur"en.
Ohne Berben verantwortete Rola Großproduktionen wie den Zweiteiler „Die Himmelsleiter“ für die ARD und den Event-Film „Götz
von Berlichingen“ für RTL. Fürs ZDF drehte
er die Krimi-Reihe mit Jan Josef Liefers als
Rechtsanwalt Joachim Vernau (zuletzt: „Die
7. Stunde“). Ende März sollten in New York
die Dreharbeiten für die nächste Folge beginnen. Später im Jahr wollte Rola wahrmachen, was er längst plante: anschließen
an „Im Himmel hört Dich niemand weinen“
(1993), „Peanuts – Die Bank zahlt alles“
(1996) und „Sass“ (2001) – seine drei Kinofilme – und wieder für die Leinwand arbeiten.
FOTOS: MICHAEL TINNENFELD/API, DPA/PICTURE ALLIANCE (2), BABIRAD PICTURE, DDP IMAGES
Carlo gewohnt, obwohl er in Deutschland
arbeitete.
Das Leben war für Carlo Rola ein Fest,
an dem er gern alle teilhaben ließ. Seine
„Familie“ wuchs und er war loyal zu allen.
Nur einen Bruch gab es, der nicht zu kitten war. Vor fünf Jahren kamen zwei seiner
Filme wegen Schleichwerbung ins Gerede.
Oliver Berben hatte sie für das ZDF produziert. Nachdem sich die Aufregung gelegt
hatte, hielt der Sender an beiden fest, aber
nun waren sie getrennt. Zwischen den Berbens und Rola kehrte Funkstille ein. Und
noch etwas war da, das Rola weniger witzig
fand. Für seine Filme bekam er im Ausland
mehr Preise als zu Hause. Deshalb wurde er
den Eindruck nicht los, seine Arbeit werde
in der Heimat nicht adäquat geschätzt. Vielleicht war einfach nur Neid im Spiel? Denn
wer hat das schon: vier Filme im Jahr, eine
tolle Frau und Lebensfreude im Übermaß?
Und dann reißt dieser Film. Alles aus
von einer Minute auf die andere, plötzlich und unerwartet. Carlo Rola hätte dem
Drehbuchautor dieses Ende niemals durchgehen lassen.