April 1999 - Martin-Luther-Universität Halle

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April 1999 - Martin-Luther-Universität Halle
Uni
s c i e n t i a h a l e n s i s
U N I V E R S I T Ä T S
ZEITUNG
Martin-Luther-Universität Halle–Wittenberg
Halle, April 1999
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Mehr Leistung durch
flexibles Gehalt?
Zur Diskussion um ein neues Besoldungsrecht
für Hochschullehrer
Die Bundesregierung
Für die neue Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn gehören mehr
Flexibilität, leistungsbezogene Bezahlung und Teilzeitprofessuren zu den
Meilensteinen, die sie noch in dieser
Legislaturperiode erreichen will. Bereits Ende ’99 soll ein neues Wissenschaftsdienstrecht in Kraft treten. Professoren sollen demzufolge künftig
durch ein Grundgehalt plus Leistungszulage für Forschung und Lehre bezahlt werden. „Die Angst, daß man
Forschung nicht messen kann, halte
ich für unsinnig“, gibt sie sich recht
reformfreudig. Wie Forschung künftig
so gemessen werden soll, daß sich
vergütungsrelevante Kriterien daraus
ergeben, darum müssen sich dann
die Länder und die Hochschulen Gedanken machen. Es wird den Ländern
überlassen bleiben, ob sie die Hochschullehrer weiterhin verbeamten. Die
Hochschulen, so ihre Vorstellung, erhalten über Globalhaushalte mehr
Freiräume und Finanzverantwortung dazu gehört dann auch Art und Höhe
der Bezahlung der Wissenschaftler.
Flexibilität und Qualitätssteigerung
auch im Beamtenrecht erreicht werden kann.“
Die Hochschulrektorenkonferenz
Der Deutsche Hochschulverband
Die HRK möchte ihre Mitglieder seit
Jahren schon zu mehr Wettbewerb ermutigen. Die „besonderen Erfordernisse eines wettbewerbsorientierten
Hochschulsystems machen entsprechende Modifizierungen des Besoldungs- und Tarifrechts erforderlich“,
heißt es bereits in einer Entschließung
des HRK-Plenums vom Juli 1996. Damit sind die Grundzüge der aktuellen
HRK-Position schon vorweggenommen. Staatliche Entscheidungsbefugnisse müßten auf die Hochschulen
übertragen werden, damit die „Personalentwicklung als Instrument für Profilbildung und Qualitätssteigerung“
eingesetzt werden könne. Freilich setze
dies alles auch „geänderte Leitungsund Organisationsstrukturen“ innerhalb der Hochschulen voraus. Wenn
die Hochschulen erst einmal die
Dienstherreneigenschaft und die Tarifhoheit übertragen bekämen, dann seien sie auch in der Lage, Gehaltsstruktur und Leistungsvergütung autonom
zu regeln.
Der Leistungsanreiz, der darin liegt,
das Gehalt bei Berufungsverhandlungen zu steigern, genügt der HRK indes
noch nicht. „Einen Ansatz zu einer
noch stärker leistungsorientierten Besoldung sieht die HRK darin, den Anteil der variablen und zum Teil zeitlich
befristet gewährten Gehaltsbestandteile zu steigern und die bisherigen rein
altersabhängigen Anteile zu reduzieren.“ Das ist die Kernaussage des neuen HRK-Papiers zum neuen Dienstund Besoldungsrecht. Die variablen
Bestandteile können Zulagen für besondere Leistungen in Forschung und
Lehre oder Belastungszulagen für besonders umfangreiche Betreuungsleistungen sein. Schließlich sehen die
Vorschläge noch Funktionszulagen vor,
etwa für Sprecher von Sonderforschungsbereichen oder Graduiertenkollegs. Die Übernahme von Ämtern
im Rahmen der Selbstverwaltung wird
ebenfalls zusätzlich vergütet. Funktionszulagen werden für die Dauer des
Amtes gewährt, Leistungszulagen sollen ungefähr alle fünf bis sechs Jahre
überprüft werden. Die HRK will am Beamtenstatus der Hochschullehrer festhalten, „da ein Teil der angestrebten
Im Auftrag des Hochschulverbands
hat Ulrich Battis, Professor für Öffentliches Recht an der HumboldtUniversität, ein Rechtsgutachten zu
„Möglichkeit und Grenzen leistungsdifferenzierter Besoldung von Universitätsprofessoren“ vorgelegt. Battis
kommt zu dem Ergebnis, daß das System der Berufungszuschüsse schon
immer leistungsbezogenen Elemente
enthalte und genügend Spielraum
für eine wettbewerbsorientierte Besoldung biete. Darüber hinaus stellten die Vorschläge zur besoldungsmäßigen Leistungsbewertung einen
schwerwiegenden Eingriff in die
grundrechtlich garantierte Wissenschaftsfreiheit dar. Grundsätzlich befürchtet er, daß durch die geplanten
Änderungen des Besoldungsrechts
die Möglichkeit staatlicher Eingriffe
drastisch erhöht würde. Methoden,
Kriterien und Maßstäbe der Leistungsbewertung dürften daher keinesfalls vom Staat festgelegt werden.
In einem Positionspapier sieht allerdings auch der Hochschulverband,
daß die Besoldungsstruktur wettbewerbsfeindlich ist. Er fordert, daß die
bestehenden Grenzen für die Gewährung von Zuschüssen für besondere Leistungen aufgehoben werden,
denn nur so könnten sich Universitäten erfolgreich gegen Konkurrenzangebote von außen zur Wehr setzen
und den Professoren eine attraktive
Bezahlung bieten.
Am 19. Mai lädt das Rektorat alle
interessierten Universitätsmitglieder
zu einer öffentlichen Diskussion über
die Vorschläge zur Änderung des Tarif- und Besoldungsrechts für Professoren ein. Diskussionsgrundlage ist
die HRK-Broschüre „Zum Dienst- und
Tarif-, Besoldungs-, und Vergütungsrecht sowie zur Personalstruktur in
den Hochschulen“ die im Rektorat
erhältlich ist.
Weitere Informationen zum Thema
und den vollständigen Wortlaut des
HRK-Papiers und des Positionspapiers des Deutschen Hochschulverbandes finden sie im Internet unter:
http://www.verwaltung.uni-halle.de/
SENAT/rektorat.htm
Die Professoren sind ins Visier der Reformplaner geraten. Ihr Gehalt soll nach den Vorstellungen der
Bundesregierung und der Hochschulrektorenkonferenz künftig auch nach Leistung bemessen werden.
Foto: Dietrich
Aus dem Inhalt:
Die Magdalenenkapelle
Seite 5
Aktuelle
Veranstaltungen ...
Goethe-Ausstellung
Seiten 6/7
... finden Sie im
Veranstaltungskalender der
Universität im Internet unter:
www.uni-halle.de
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Die Kritik an den deutschen Hochschulen, und insbesondere an ihren
Professoren ist unter Politikern und
den Massenmedien inzwischen schon
so sehr zum Allgemeingut geworden,
daß sich lange Zeit kaum jemand der
Mühe differenzierter Betrachtung unterziehen wollte. Jetzt hat die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) einen
Vorschlag auf den Tisch gelegt, dem
man die Sachkunde sicherlich nicht
ohne weiteres absprechen kann. Die
allgemeinen Schlagworte „Hochschulautonomie“, „Flexibilisierung“, „Eigenverantwortung“ und „Wettbewerbsfähigkeit“ werden in dem HRKPapier „Zum Dienst- und Tarif-, Besoldungs-, und Vergütungsrecht sowie
zur Personalstruktur in den Hochschulen“ konkret auf einen Gegenstand
angewandt und detailliert durchgespielt. Daß es sich bei diesem Gegenstand nun ausgerechnet um die Bezahlung der Hochschullehrer handelt,
hat die öffentliche Diskussion zusätzlich beflügelt. Anhand der Reformpläne der Bundesregierung, der Vorschläge der HRK, und den Stellungnahmen des Deutschen Hochschulverbandes hat sich mittlerweile eine
recht differenzierte und kontrovers geführte Debatte entwickelt.
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Kämpfer gegen Doping
Seite 9
Satire in Halle
Seite 10
Neues zur Evaluation
Seite 11
Kunstseminar Uni & Burg
Seite 12
AKTUELLES
F
Europäisches Forschungsprojekt
in der Biotechnologie
Ende Januar fand im kürzlich fertiggestellten Neubau des Instituts für
Biotechnologie der halleschen Universität (Direktor Prof. Dr. Rainer
Rudolph) das vierte Meeting innerhalb des von der Europäischen Kommission über drei Jahre geförderten
Projekts „Protein folding in cell
factories“ statt. Innerhalb des Verbundes, zu dem acht Gruppen aus sechs
Ländern (Finnland, Schweden, Großbritannien, Frankreich, Italien,
Deutschland) gehören, werden Faktoren untersucht, welche die Ausbildung der komplexen Struktur von
Eiweißmolekülen (Proteinen) beeinflussen. Die Erforschung des Vorgangs der Strukturbildung von Proteinen und der sie beeinflussenden Faktoren hat eine große Bedeutung in
der Arzneimittelherstellung, denn
zahlreiche Proteine kommen bei Diagnose und Behandlung von Krankheiten zum Einsatz. Diese können ihre
Funktion nur in der einen, korrekten
Struktur erfüllen.
Neben fachlichen Vorträgen und Diskussionen erhielten die 22 Gäste bei
einem Ausflug in die südliche Umgebung von Halle einen Einblick in die
Geschichte sowie aktuelle Entwicklungen der Region. Unter anderem stand
der Besuch des Naumburger Doms
und der vom französischen Unternehmen ELF erbauten Erdölraffinerie in
Leuna auf dem Programm.
Das Institut für Biotechnologie beteiligt sich derzeit im Rahmen der internationalen europäischen Zusammenarbeit an drei europäischen
Verbundprojekten im Bereich „Cell
factories“.
Peter Neubauer
Ein neues Jubiläum naht:
Schon in drei Jahren wird wieder Geburtstag gefeiert. Die Wartezeit kann
man in Monate, Wochen, Tage und
Stunden umrechnen.
Im Internet finden Sie sogar demnächst die jeweils aktuelle Sekundenzahl:
www.500jahre.uni-halle.de
Festabend für alle freundlichen
StuhlspenderInnen
Im Januar 1998 hatte die „Erste Hallesche Winternacht“ den Auftakt gegeben für die Spendenaktion „Stühle für
die Aula“. Universitätsangehörige, Firmen, Persönlichkeiten des öffentlichen
Lebens, einzelne Leute, Paare und
ganze Gruppen sicherten sich für je
360 DM „ihren“ Stuhl.
Bis Januar 1999 waren so schon über
zwei Drittel der benötigten 320 Stühle
bezahlt. Sie wurden, mit den Namen
der SpenderInnen versehen, in den Semesterferien aufgestellt.
Um allen, die ihre Verbundenheit mit
der halleschen Universität bekundet
haben, zu danken, hat sie der Rektor
für Samstag, den 8. Mai 1999, zu einem Festabend eingeladen.
Bei dieser Gelegenheit werden sie in
den Genuß einiger kleiner Vorführungen kommen und eine Neuauflage
der spektakulären Show erleben, die in
der „Ersten Halleschen Winternacht“
von der Modeklasse der Burgprofessoren Thomas Greis und Joachim Schielicke gezeigt worden war.
Corporate-Design-Broschüre
erschienen
Das neue Corporate Design der Martin-Luther-Universität ist jetzt als
32seitige Broschüre erschienen. Alle
wichtigen Anwendungsfälle, wie
Wort-Bild-Marken, Briefbögen, Visitenkarten, Zeugnisse, Urkunden, Formulare etc. sind mit genauen Bemaßungen abgebildet. Im April wird die
Broschüre gemeinsam mit Musterexemplaren der neuen Briefbögen und
Visitenkarten zunächst an alle Professoren versandt. Die Hochschulleitung
erhofft sich nun eine weitere Homogenisierung des Erscheinungsbildes
der Universität. Auf der Homepage
der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit
(http://www.verwaltung.uni-halle.de/
DEZERN1/PRESSE/welcome.htm) ist
das gesamte Corporate Design als
PDF-File einsehbar.
„Der kleine Trompeter“ spielte in
Wirklichkeit Horn . . .
Die Aufarbeitung der Musikpädagogik
in der ehemaligen DDR stand Anfang
März im Mittelpunkt eines ganztägigen Symposiums am Institut für Musikpädagogik der halleschen Universität.
Ein interessierter Kreis von knapp 20
MusikpädagogInnen aus Ost und
West widmete sich in Halle diesem
Thema, nachdem ein erstes erfolgreiches Treffen bereits im Februar 1997
in Berlin vorangegangen war.
Abgeschlossene und laufende Forschungsarbeiten bildeten den Gegenstand einer Diskussion, die inhaltlich
wie methodisch in größter Offenheit
geführt wurde. Thematisiert wurden
dabei auch die „Probleme für Westdeutsche bei der Erforschung der
DDR-Musikpädagogik – selbstkritische
Anmerkungen und Folgerungen“ (Prof.
Dr. Heinz Antholz) bzw. „Geschichtsund politiktheoretische Gedanken eines Wessis ohne Ossi-Erinnerung“
(Prof. Dr. Ulrich Günther).
Sieglinde Siedentop aus Halle stellte
ihre im Februar erfolgreich verteidigte
Studie „Musikunterricht in der DDR in
den Klassen 1 bis 4“ vor. Prof. Dr. Georg Maas, Gastgeber des Symposiums, untersuchte die in Halle eingereichten musikpädagogischen Promotionsschriften der DDR-Zeit.
Wie wichtig eine vorbehaltlose Aufarbeitung jenseits pauschaler Diskreditierung oder Idealisierung ist, zeigt
sich in Halle in unmittelbarer Nähe
des Instituts für Musikpädagogik, wo
die Gedenktafel des „Kleinen Trompeters“ an der Einfriedungsmauer zum
Riveufer angebracht ist. Das im Musikunterricht der DDR fest verankerte Lied
„Der kleine Trompeter“ ist ein Beispiel
für die Indoktrination durch Lieder im
Schulunterricht, die vor
Geschichtsfälschung nicht halt machte: Weder war der Trompeter „klein“
(ein Kind), noch spielte er Trompete
(sondern Horn) ...
Aktuelles kurz notiert
Universitätstage
erneut in Naumburg
Unter dem Motto „Naumburger
Universitätstage – die Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg stellt sich
vor“ werden auch im Jahr 1999 die
traditionellen Universitätstage in der
Region Sachsen-Anhalt weitergeführt.
Auf Grund des großen Interesses der
Stadt Naumburg und in Anknüpfung
an den Erfolg im Jahre 1997 wurde
diese Stadt erneut als Veranstaltungsort gewählt.
Die Martin-Luther-Universität HalleWittenberg präsentiert sich vom 19.
bis zum 22. April mit einem vielschichtigem Programm in der Öffentlichkeit.
Die Vielfalt des Programms, von der
Studieninformation und Studienberatung über Vorträge für die Bevölkerung der Stadt sowie eine Veranstaltung für UnternehmerInnen der Region bis hin zur einer Ausstellung von
Schätzen aus den naturwissenschaftlichen Museen und Sammlungen der
Universität, ermöglicht einem breiten
Publikum Einblicke in das universitäre
Leben, in Lehre und Forschung.
Einen umfassenden Bericht über den
Verlauf der Veranstaltungswoche lesen Sie in der Mai-Ausgabe der
Universitätszeitung.
Ansprechpartnerin für alle Fragen
rund um die Universitätstage:
Dr. Monika Lindner
Stabsabteilung Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 0345 / 55-2 14 22
Fax.: 0345 / 55-2 27 08 2
e-mail:
[email protected]
Erste Promotion am
Institut für Informatik
Am 12. Februar 1999 fand am Fachbereich Mathematik und Informatik
die Verteidigung der ersten Promotion
in Informatik an dem 1991 neu gegründeten Institut für Informatik statt.
Die Diplominformatikerin Janett
Mohnke (geb. 1967) wurde mit der
Gesamtnote „magna cum laude“
promoviert, die sie für ihre Arbeit „A
Signature Based Approach to Formal
Logic Verification“, ein Thema aus
dem Bereich Korrektheitsüberprüfung
digitaler Systeme, erhielt. Gutachter
der Arbeit waren Prof. Dr. Bernd
Becker, Universität Freiburg i. Br.,
Prof. Dr. Sharad Malik, Princeton
University, und Prof. Dr. Paul Molitor,
Universität
Halle.
Endlich im Kasten!
Unser Periodikum „scientia halensis“
(Universitätszeitung / Wissenschaftsjournal) soll nicht untergehen im unübersehbaren Wust papierener Werbung und Information, sondern es
möchte mühelos gefunden und mit
Muße gelesen werden!
Deshalb haben wir mit Hilfe des Dezernats VI spezielle Kästen fertigen
lassen, aus denen ab sofort an zwanzig verschiedenen Plätzen der Universität regelmäßig die jeweils neueste
Ausgabe entnommen werden kann.
Die Standorte dieser Kästen befinden
sich in den Instituten Brandbergweg
23 (u. a. Kommunikationswissenschaften und Japanologie), Domplatz 1 (Genetik), Domplatz
5 (Geowissenschaften), Emil-Abderhalden-Straße 7(u. a. Soziologie und
Politikwissenschaften), FriedemannBach-Platz 6 (Physik), Große Steinstraße 73 (Wirtschaftwissenschaften),
Kröllwitzer Straße 44 (u. a. Geschichte und Kunstgeschichte), Kurt-MothesStraße 2 (Chemie), Kurt-Mothes-Straße 3 (u. a. Biochemie und Biologie),
Neuwerk 21 (Geobotanik), TheodorLieser-Straße 5 (Mathematik), außerdem in der Geusaer Straße in Merseburg (Ingenieurwissenschaften).
Das Studentenwerk gestattete uns, die
Mensen Harz, Weinberg und Merseburg sowie die Nebenmensen Hoher
Weg, Selkestraße und „Tulpe“mit den
Kästen auszustatten. Am Universitätsplatz wird die „scientia halensis“ auch
künftig im Melanchthonianum (Kasten), im Löwengebäude und im Juridicum liegen (in den Nischen rechts
und links der Haupttreppe bzw. auf
der Ballustrade am Eingang zur Bibliothek).
Sehbehindertenarbeitsplatz
in der Universitäts-Bibliothek
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Blinde oder Sehbehinderte haben die
gleichen Rechte wie alle, die über gesundes Augenlicht verfügen. Doch die
meisten Einrichtungen der Öffentlichkeit
sind noch nicht genügend auf solche
Besonderheiten bzw. das Anderssein
Einzelner eingestellt. Das ist aufwendig
und auch mit Kosten verbunden. Benachteiligungen sind leider viel zu oft
die Folge.
Es stehen heute technische Mittel zur
Verfügung, mit denen persönliche
Nachteile ausgeglichen werden können. Die technischen Neuerungen im
Bereich der Nachteilsausgleiche sind
bemerkenswert und werden ständig verbessert, insbesondere im Zuge der Entwicklung der Mikroelektronik.
Einen erfreulichen Schritt in diese Richtung konnte jetzt die Universitäts- und
Landesbibliothek Halle (ULB) in der August-Bebel-Straße gehen. Im Katalograum wurde ein Sehbehindertenarbeitsplatz mit Spezialsoftware installiert, der
nun – nach seiner Wiederherstellung –
funktionstüchtig ist. Um eine „Wiederherstellung“ handelt es sich deshalb,
weil bereits im Mai 1996 eine solche
Ausrüstung hier ihren Platz fand, von
der allerdings (kaum zu glauben!) wichtige Teile durch Diebstahl abhanden
kamen. Der einzige Vorteil, den die
Zeitverzögerung mit sich brachte: „Die
neue Anlage ist noch besser, sie ist
nach den modernsten Gesichtspunkten
ausgestattet“, erklärt Elke Dierichen,
Schwerbehindertenvertrauensfrau der
Universität. Sie hat mit ihrem Engagement die erneute Einrichtung des Sehbehindertenarbeitsplatzes entscheidend
vorangetrieben.
Nutzen können den Leseplatz alle sehbehinderten Personen, die in den Katalogen der Bibliothek recherchieren wollen, ob es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität, Studierende oder
auch einfach literaturinteressierte Bürger sind.
Eine bis zu 16fache Vergrößerung der Schrift ist am Sehbehindertenarbeitsplatz in der ULB möglich.
Wer sich mit Computer-Technik nicht
auskennt, braucht sich deswegen keine Sorgen zu machen, denn der Arbeitsplatz wird durch Bibliotheksmitarbeiter betreut, die gerne helfen. Derzeit gibt es an der halleschen Universität 15 sehbehinderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Studierende, so Elke Dierichen.
Was leistet der Computer?
Ulrich Kehl, Mitarbeiter des Universitätsrechenzentrums, freut sich als selbst Betroffener besonders über
die Einrichtung des neuen Sehbehindertenarbeitsplatzes, weil sich damit für einen breiten Kreis sehbehinderter Bibliotheksnutzer ganz neue Möglichkeiten eröffnen.
Fotos (2): Olbertz
Am großen 20-Zoll-Bildschirm können
Schriften beliebig vergrößert werden.
Das Programm „Zoom Text XTRA plus
Version 6 Level 2“ sorgt für riesige
Buchstaben (bis 16fach vergrößert).
„Auch eine Farbe für den Hintergrund
bzw. die Schrift kann man sich aussuchen, wenn man möchte“, erläutert
Bibliotheksmitarbeiter Dr. Reinhard
Worch. Nicht zuletzt ist der Computer
in der Lage, eingescannte Texte –
nach gewünschtem Tempo – schnell
oder langsam vorzulesen. Sogar zwischen einer männlichen oder weiblichen Stimme kann gewählt werden.
Wer also lieber „Petra“ zuhören
möchte, als „Peter“, ein Mausklick genügt...!
Wichtig für Sehschwache ist das am
Computer angeschlossene Lesegerät,
das aufgelegte Bücherseiten auf dem
Bildschirm in starker Vergrößerung
wiedergibt. Der Bildschirm kann auch
geteilt werden: Eine Hälfte dient dann
zum Lesen, die andere Hälfte ist für
Mitschriften gedacht. Und der Computer enthält eine multilinguale Software, das heißt, der Nutzer hat die
Möglichkeit zwischen Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch zu wählen.
Auch Blindenarbeitsplatz
Zeitgleich mit der Wiederherstellung
des Sehbehindertenarbeitsplatzes wurde auch ein Blindenarbeitsplatz im
Bibliothekskatalograum eingerichtet.
Hier gibt es noch eine spezielle Tastatur, ebenfalls eine Vorleseeinrichtung
für Dokumente aller Art und weitere
vielfältige Hilfefunktionen. Dieser Leseplatz jedoch ist aufgrund technischer
Probleme vorübergehend noch nicht
benutzbar. Seine Funktionstüchtigkeit
soll so schnell wie möglich hergestellt
werden. (Die Universitätszeitung wird
darüber berichten). „Die Mittel für beide Arbeitsplätze“, so Helmut Lenz, Behindertenbeauftragter in der Allgemeinen Sozialberatung des Studentenwerks Halle, „flossen zum weitaus
größten Teil aus der Kanzlerreserve,
ingesamt rund 35.000 DM.“ Für die
Wiederherstellung des Sehbehindertenarbeitsplatzes trug die ULB die Kosten. „In dem Blindenarbeitsplatz stekken außerdem noch mehr als tausend
Mark Spendenmittel, die teils aus der
Kollekte der Universitätsgottesdienste
stammen“, hebt Lenz hervor. Er freut
sich besonders über die neuen Computerplätze, erhalten doch dadurch
mehr behinderte junge Menschen eine
Chance, in Halle zu studieren. Man
könne dies jedenfalls nun auch guten
Gewissens Sehbehinderten empfehlen.
Nach einer Sozialerhebung des BMBF
von 1995 leiden 15 Prozent aller behinderten oder chronisch kranken Studierenden Deutschlands an Sehschädigungen, das entspricht zwei Prozent
der Gesamtstudentenzahl.
Ute Olbertz
Zettelkataloge im Netz
Fünf Millionen Katalogzettel eingescannt
Die Universitäts- und Landesbibliothek
hat – bis auf eine Ausnahme – die
Zettelkataloge in ihrer Zentrale (August-Bebel-Str.) digitalisiert. Insgesamt
wurden etwa fünf Millionen Katalogzettel gescannt. Derzeit sind der Alphabetische Katalog (für Bücher der
Erscheinungsjahre 1930 bis 1990),
der Schlagwortkatalog (1945 bis
1990), der Hochschulschriftenkatalog
sowie der Zentralkatalog des Landes
Sachsen-Anhalt über das WWW verfügbar. Finanziert wurde das Projekt
durch Sondermittel des Landes Sachsen-Anhalt.
Die Suche in einem der gescannten
Kataloge am Bildschirm erinnert an
das Blättern in den früheren Zettelkatalogen. Die alten – teils handschriftlichen – Eintragungen werden
auf dem PC reproduziert. Blättern –
vorwärts und rückwärts, in kleinen
und großen Schritten – ist möglich.
Bücher können auch aus dem Magazin für die Ausleihe bestellt werden.
Dies geschieht nach dem Verfahren,
das sich im Online-Katalog bewährt
hat. Der Benutzer gibt lediglich seinen Namen sowie die Benutzernummer ein: Das umständliche Ausfüllen
von Leihscheinen entfällt.
Heiner Schnelling
AKTUELLES
Wo der Computer
Bücher vorliest . . .
Wissenschaftliche Zeitschriften und
Journale gibt es in aller Welt, für sämtliche Disziplinen und in vielen Sprachen. Wenn es aber um die Reputation der AutorInnen geht, fallen einige
wenige ganz besonders ins Gewicht.
Auch in Halle forschen und lehren ProfessorInnen, die sich durch Publikationen in international renommierten
Fachzeitschriften einen Namen gemacht haben. Wir stellen Ihnen hier
hiesige WissenschaftlerInnen mit ihren
in „Nature“ oder „Science“ veröffentlichten Forschungsergebnissen vor: Erscheinungsbild und Leistungsfähigkeit
eines jeden Organismus wird wesentlich durch die Ausprägung seiner Erbinformation bedingt. Dabei wird durch
den Prozeß der „Gen-Expression“ die
Information vom Trägermolekül DNA
abschnittsweise in Genprodukte überschrieben (transkribiert). Obwohl alle
Zellen eines Organismus die gleichen
Gene enthalten, wird deren Expression
zeitlich örtlich und mengenmäßig unterschiedlich gesteuert. Dabei können
Substanzen in der zellulären Umgebung,
z. B. Wachstumsfaktoren, Hormone
oder Nährstoffe einzelne Gene im
Zellkern gezielt beeinflussen. An „Modellorganismen“ und „Modellgenen“
versucht man, die Wirkketten aufzuklären, von der „Wahrnehmung“ solcher
Substanzen durch die Zelle, der Übertragung von Signalen über die Zellmembranen ins Zellinnere bis zur
Transkription der DNA im Zellkern.
Zucker als Energiequelle
Karin Breunig in „Science“
Das letzte Kettenglied
Als letztes Glied der Kette wirkt im
Zellkern ein Transkriptionsaktivator,
das Protein Gal4, der an die einzelnen GAL-Gene bindet und die GenExpression aktiviert. Ist keine
Galactose im Medium vorhanden,
wird die Gal4-Aktivierungsfunktion
durch einen Inhibitor, das Gal80 Protein, unterdrückt, das sich an Gal4
anlagert. Diese inhibitorische Wirkung wird durch Galactose aufgehoben; ungeklärt war aber bisher die
Frage, wie dies geschieht.
Der Arbeitsgruppe von Karin Breunig
gelang es, das fehlende Glied in die
Signalkette einzufügen. Es handelt
sich dabei um das Gal1 Protein, das
als Enzym die chemische Umsetzung
der Galactose in der Zelle katalysiert.
Wenn Gal1 den Zucker Galactose
gebunden enthält, kann es mit
Gal80 einen Komplex bilden. Mit
Hilfe mutierter Gal1 Varianten einer
Düsseldorfer Arbeitsgruppe konnte
bewiesen werden, daß diese Komplexbildung Voraussetzung für die
der Regulation des Stoffwechsels
durch Nährstoffe war bisher nicht bekannt. Interessanterweise ist Gal1
selbst das Produkt eines GAL Gens,
so daß die aktivierende Wirkung des
Proteins durch Beschleunigung seiner
Synthese verstärkt wird. Diese positive
Rückkopplungsschleife gewährleistet
eine schnelle und effiziente Induktion
des Galactose-Stoffwechsels.
Molekulare Schalter
Karin Breunig studierte in Heidelberg Biologie und
untersuchte schon in ihrer Dissertation (Promotion
zum Dr. rer. nat. 1979) die Frage, wie Gene gezielt an- und abgeschaltet werden können. Nach
kurzem Forschungsaufenthalt am Europäischen
Molekularbiologischen Labor (EMBL) in Heidelberg wechselte sie an die Universität Düsseldorf,
wo sie sich 1989 habilitierte und bis 1996 forschte und lehrte. Sie ist verheiratet und hat eine
14jährige Tochter.
Seit ihrer Berufung an die Martin-Luther-Universität leitet sie die Arbeitsgruppe Molekulargenetik
am Institut für Genetik.
1996 publizierte sie (mit fünf anderen Autoren) in
SCIENCE 272: 1662–1665 wichtige Ergebnisse
ihrer Arbeiten zur Regulation der Genexpression.
galactose-abhängige Inaktivierung
von Gal80 ist.
Die katalytische Aktivität von Gal1
wird für die Inaktivierung von Gal80
jedoch nicht gebraucht.
Somit kommt dem Gal1 Protein eine
duale Rolle zu: als Enzym (Galactokinase) leitet es den Galactose-Abbau
ein und als regulatorisches Protein
bewirkt es die Aktivierung der GAL
Gene durch Galactose. Diese Form
Anzeige
Ein solches, in die Genetik-Lehrbücher
eingangenes Modellsystem, ist das
sog. „GAL Regulon“ der Bäckerhefe
Saccharomyces cerevisiae. Es umfaßt
eine Gruppe von Genen, die gemeinsam aktiviert werden, wenn das
Nährmedium den Zucker Galactose
enthält. Die Produkte der GAL Gene
erlauben der Zelle dann, diesen Zukker als Kohlehydrat- und Energiequelle zu nutzen.
Das GAL Regulon ist eines der ersten
Beispiele, bei dem man die Übertragung des Galactose-Signals vom
Medium bis zum Transkriptionsapparat in allen molekularen Details zu
verstehen beginnt.
Foto: privat
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Das Gal80 Protein stellt einen molekularen Schalter dar, durch den Gene
an- und abgeschaltet werden können.
Mit gentechnischen Methoden wurden in Insekten, in Pflanzen und auch
in Säugerzellen Gal4-aktivierte Gene
erzeugt. Wird es in Zukunft möglich
sein, diese Gene mit Hilfe von Gal80
ganz gezielt regulieren zu können und
arbeiten andere „Genschalter“ nach
ähnlichem Prinzip?
Zunächst gilt es die Wirkungsweise des
Schalters genauer zu verstehen. Zum
Beispiel: wie und wo in der Zelle wird
Gal80 durch Gal1 inaktiviert? Wichtiges Werkzeug für die Bearbeitung dieser Fragen in der Arbeitsgruppe von
Karin Breunig ist neben der Bäckerhefe
Saccharomyces cerevisiae die Milchhefe Kluyveromyces lactis, bei der die
GAL Gene ähnlich, aber nicht gleich
reguliert werden. Vergleichende Analysen und Gen-Übertragungen von einer Art in die andere geben Einblick in
regulatorische Netzwerke, aber auch
in die Evolution des Regulationssystems.
Darüberhinaus hat die Hefe Kluyveromyces lactis biotechnologische Bedeutung. Folglich bestehen enge Kontakte
zur Industrie bzw. zu angewandten
Forschungsfeldern. Die Nachwuchsgruppe von Dr. Raffael Schaffrath untersucht beispielsweise die hemmende
Wirkung eines von K. lactis produzierten Toxins auf die Vermehrung bestimmter Pilze; als Mitglied eines europäischen Consortiums arbeitet Karin
Breunig seit Jahren an der Entwicklung
von K. lactis als „Zellfabrik“ für die
Produktion von wirtschaftlich relevanten Proteinen mit.
Margarete Wein
Südslavisten aus Halle bei Workshop in Kroatien
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aus den fakultäten
und fachbereichen
Hallesche Forscher
in der Wissenschaftspublizistik der Welt (II)
Bei den Kroatisten der Philosophischen
Fakultäten der Universitäten in Zagreb
und Rijeka waren im Wintersemester
1998/99 Südslavisten – Studierende
und MitarbeiterInnen – der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und
der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg zu Gast. Anlaß der
Einladung war ein Workshop über einen
der bedeutendsten kroatischen Sprachgelehrten des 17. Jahrhunderts, den jesuitischen Missionar Bartol Kašic.
Federführend in der organisatorischen
Vorbereitung war Frau Dr. Dorothea König (Würzburg); Frau Prof. Angela Richter (Halle) und Herr Prof. Christian
Hannick (Würzburg) verantworteten die
inhaltliche Vorbereitung der Teilnehmer
beider deutschen Universitäten.
Leben und Werk von Bartol Kašic (1575
–1650), dem Verfasser der ersten kroatischen Grammatik (1604), Poeten und
verdienstvollen Bibelübersetzer, wurden
den Gästen durch Vorträge kroatischer
Wissenschaftler nahegebracht und von
allen Teilnehmern unter verschiedensten
Aspekten diskutiert. Vor allem der historisch-kulturelle Hindergrund wurde intensiv beleuchtet.
Von besonderem Interesse ist die Tatsache, daß eine Bibelübersetzung des
Bartol Kašic, die in den Jahren 1631–
1636 entstand, obgleich von Experten
der damaligen Zeit hochgeschätzt, bis
ins 20. Jahrhundert ungedruckt blieb,
weil sie politischen Querelen zum Opfer fiel. Um so erfreulicher ist es, daß
jetzt eine deutsche Übersetzung dieser
Bibel zum Druck vorbereitet wird. Sie
erscheint Ende 1999 im Paderborner
Schöningh-Verlag in der Reihe „Biblia
slavica“.
Titelblatt einer aktuellen Schrift über Bartol
Kašic
Für die deutschen Gäste drängten sich
bei der Diskussion der Bedeutung von
Bartol Kašic für die Entwicklung der serbisch-kroatischen Literatursprache natürlich Parallelen zu Luther und seiner
Bibelübersetzung auf. Im Rahmen seines missionarischen Wirkens sah Kašic
bald, wie hinderlich für die Kommunikation dialektale Grenzen sind. Daher
erkannte er die Notwendigkeit, eine
lingua communis, mit deren Hilfe die
(religiösen) Schriften leichter verbreitet
und ökonomischer hergestellt werden
konnten, zu schaffen. Bemerkenswert
ist, daß er zu diesem Zweck nicht seinen eigenen cakavischen, sondern den
štokavischen Dialekt (von ihm selbst
illyrisch, bosnisch oder slavisch genannt) wählte, weil dieser im westlichen
Balkan am meisten verbreitet war. Damit legte Kašic den Grundstein für die
Entwicklung des Štokavischen zu einer
Schriftsprache von Kroaten und Serben.
Allerdings konnte diese Idee einer gemeinsamen Sprache für Serben, Kroaten, Montenegriner und Bosnier erst
Mitte des 19. Jahrhunderts – dank der
Bemühungen der kroatischen Illyristen
und der Serben um Vuk Karadzic – verwirklicht werden.
Die heutige politische Situation in den
Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien, wo es eher um betont natio-
nale Belange jeder einzelnen Volksgruppe als um die Pflege von Gemeinsamkeiten geht, läßt diesen Aspekt der
Bedeutung von Kašic keineswegs in den
Vordergrund treten. Denn auch in der
kroatischen Gesellschaft geht es heute
vor allem um die Unterschiede zu anderen Völkern und um das eigene nationale Profil.
In diesem Kontext gibt es freilich auch
Gratwanderungen zwischen wissenschaftlichem Interesse und der latenten
Gefahr nationalistischer Vereinnahmung.
Neben dem wissenschaftlichen Programm bot der Workshop auch zahlreiche Möglichkeiten, die jahrtausendealte Kultur Kroatiens kennenzulernen,
die dankbar angenommen wurden. Außerdem denken Gastgeber und Gäste
aus Rijeka und Halle an eine Wiederbelebung der wissenschaftlichen Kontakte, die es ja bereits einmal gab. Die
Zusammenarbeit soll zunächst Publikationsmöglichkeiten in den Zeitschriften
des jeweiligen Partners sowie Studenten- und Wissenschaftleraustausch umfassen. Die Kontakte jetzt zu erneuern
ist ein Gebot der Stunde.
Gisela Havranek /
Dubravka Friesel-Kopecki
Aspekte
100 Jahre Magdalenenkapelle
als Universitätskirche
Festwoche mit Gottesdienst, Vorträgen und Konzerten
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Es war am 9. Mai vor genau hundert
Jahren, als die hallesche Universität
einen großen Festtag erlebte: Die
Maria-Magdalenen-Kapelle der Moritzburg wurde nach umfassender Rekonstruktion zur Universitätskirche geweiht. Welch große Bedeutung man
damals auch in der Stadt diesem Ereignis beimaß, wird in einem Bericht
der damaligen „Saalezeitung“ vom
10. Mai 1899 deutlich: „Würdig wurde der Weiheakt durch einen imposanten Festzug eingeleitet, zu dem
sich die Teilnehmer an der Universität
versammelten. Um ½ 12 Uhr setzte
sich der Zug von hier aus, die Promenade entlang, nach der Moritzburg zu
in Bewegung. ... Den Ehrengästen
schloß sich eine größere Anzahl von
Vertretern der hiesigen Geistlichkeit
an und diesen der Lehrkörper der
Universität, zuerst die Professoren in
ihren feierlichen Talaren, mit den Dekanen der vier Fakultäten an der Spitze, alsdann die Privatdozenten und
schließlich die Beamten der Universitätsverwaltung.“ Es ist die Rede von
einem „vielhundertköpfigen Publikum,
das sich zum großen Teil aus Vertretern der studierenden Jugend rekrutierte“. An der Pforte angelangt, ergriff der Kultusminister das Wort und
übergab im Auftrag des Kaisers den
Schlüssel zur renovierten Kapelle.
Die Weihung des neuerstandenen
Gotteshauses wurde durch den Generalsuperintendenten Textor gemeinsam mit den beiden Universitätspredigern Prof. Dr. Willibald Beyschlag
und Konsistorialrat Prof. Dr. Hermann
Hering vorgenommen. Hering hielt
die Predigt, die er mit den Worten aus
Luthers Lieblingspsalm einleitete:
„Dies ist der Tag, den der Herr gemacht, lasset uns freuen und fröhlich
darin sein.“ Die Hochschule erlebe
heute einen solchen Tag, denn sie besitze nun ein eigenes Gotteshaus, und
ihre Angehörigen bräuchten nicht
mehr im Heiligsten Gäste zu sein.
Höhen und Tiefen
Der Festtag beendete eine lange
Durststrecke. Von „Verwahrlosung“
der Magdalenenkapelle schreibt die
Saalezeitung und weist damit auf die
nicht immer sonnige Vergangenheit
der nun bald 500jährigen hin. Der
Wechsel von Höhen und Tiefen
scheint typisch für ihre Geschichte zu
sein. Sie wurde geliebt und verachtet,
ja vergessen, war lange Zeit nur eine
Lagerhalle, 1805 Heu- und Strohmagazin, ehe sie zum Fouragelager
für Napoleons Truppen wurde. Salztonnenreifen der Böttchermeister verwahrte man unter ihrem Dach, und
1841 beherbergte sie „Kochmaschinen“ der preußischen Militärverwaltung. Dabei war die Kirche als „eigentliches Kleinod“ der erzbischöflichen Moritzburg erbaut worden. Sie
diente als Stifts- und Wallfahrtskirche,
erzbischöfliche Hauskapelle, fürstliche
Hofkirche, Garnisonskapelle und
schließlich auch als Universitätskirche, die seit 1921 den Alt-Lutheranern zur Mitnutzung überlassen ist.
Ihre äußere Gestalt hat die Kirche
freilich im Laufe der Jahrhunderte gewandelt. Erst in den vergangenen
hundert Jahren, nach der Renovierung als Universitätskirche mit neogotischer Ausmalung, blieb ihr Aussehen
weitgehend konstant.
Kostbare Reliquien
Zwei Jahre nach dem Einzug des Erzbischofs Ernst von Wettin in seine
Wohngebäude der Moritzburg im
Jahre 1505 begann man mit dem
Bau der Schloßkapelle, die 1509 vollendet und der heiligen Maria Magdalena geweiht wurde. Von diesem Ereignis kündet eine Bronzetafel. Die
zweite Weihe erfolgte 1514 durch
Kardinal Albrecht von Brandenburg,
dem Nachfolger des Erzbischofs. Er
ließ eine Weihetafel an der Nordwand
der Kapelle mit seinem Wappen anbringen, gestaltet von Peter Schroth,
die heute noch als wertvollstes künstlerisches Detail der Kirche gilt. Bekannt wurde die Kirche durch ihren
Schatz an Heiligtümern, das berühmte „Hallesche Heiltum“, das Kardinal
Albrecht zusammentrug. Man zählte
21.484 Reliquienstücke, die – weil ihnen Heil- und Wunderkräfte zugeschrieben wurden – den Anlaß zu
Wallfahrten für Tausende gaben.
Nachdem die Schätze nach 1521 in
den Dom überführt wurden, zog Ruhe
in die Kirche ein, sie fiel in den Stand
einer einfachen Burg-Kapelle zurück.
Mit dem Abzug Albrechts sind die
kostbaren Reliquien auf ganz
Deutschland verteilt worden und gelten heute großteils als verschollen.
Universitätsgottesdienste
Die besondere Atmosphäre eines kleinen Kirchenraums gereichte der Kapelle nicht immer zum Vorteil. Der
Praktische Theologe Prof. Dr. Eberhard Winkler hebt hervor, daß die
Theologische Fakultät der halleschen
Universität zunächst bei aller Freude
über das eigene Gotteshaus Wert
darauf gelegt habe, die akademischen Gottesdienste weiter im Dom
zu halten, weil die Plätze bei weitem
nicht ausreichten. Daß die Kapelle
dennoch im 20. Jahrhundert zur
wichtigsten Stätte des Universitätsgottesdienstes wurde, ist Heinrich
Hering zu danken, der zunächst wegen stimmlicher Probleme die vierzehntägigen Gottesdienste hierher
verlegte. Eigentlich wollte die Fakultät
die Magdalenenkapelle eher für kleine Seminargottesdienste oder akademische Trauerfeiern, Abendmahlfeiern
und für studentische Gruppen nutzen.
In der DDR war die Kapelle zwar als
Baudenkmal geschätzt, als Kirche
aber eher still und unbekannt, wenn
auch regelmäßig Gottesdienste stattfanden. Erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands erlebte mit den
Universitätsgottesdiensten auch die
Bedeutung der Magdalenenkapelle
neuen Aufschwung. Mehr Besucher –
auch aus den alten Bundesländern
zugezogene – stellten sich ein. Nicht
zuletzt steht die Kapelle heute für die
Praxis eines neuen, erfolgreichen
Konzepts der Uni-Gottesdienste. Da
viele der christlichen Angehörigen der
Universität in ihren Ortsgemeinden
engagiert sind, sollte ein Universitätsgottesdienst etwas „Besonderes“ bieten. „Ein Sinn des Universitätsgottesdienstes läßt sich darin finden,“ erklärt Eberhard Winkler, „daß Hochschullehrer (es müssen nicht nur
Theologen sein) ihr Fachwissen mit
dem aktuellen Glaubenszeugnis verbinden und damit einen Beitrag zum
Dialog zwischen Erkenntnis und Bekenntnis, Wissenschaft und Glauben
leisten.“ Seit dem 1. April 1996 ist
Prof. Dr. Ernst-Joachim Waschke als
Universitätsprediger im Amt. Mit dem
Staatsvertrag zwischen der Kirche und
dem Land Sachsen-Anhalt ist die Berufung in dieses Amt wieder möglich
geworden und bedeutet zugleich die
Neubelebung einer alten Tradition,
die im 19. Jahrhundert durch die berühmten halleschen Universitätspre-
Innenansicht der Magdalenenkapelle
diger Friedrich Daniel Schleiermacher
(1768–1834) und Friedrich August
Tholuck (1799–1877) begründet wurde. Heute predigen nicht nur Theologen der Universität, sondern auch
Wissenschaftler verschiedener anderer Fachgebiete treten in das schon
von Luther geforderte „allgemeine
Priesteramt aller Gläubigen“ ein.
Universitätsweit spricht der Themenkreis der Gottesdienste ein breites Publikum an und stärkt die Zusammengehörigkeit der Universitätsgemeinde.
Lehrende und Studierende finden hier
einen Ort der Besinnung des Nachdenkens und des Gedankenaustauschs.
Festwoche zum Jubiläum
Wie begeht nun die Universität das
Jubiläum ihrer Kapelle? Vom 25. bis
30. Mai 1999 wird eine Festwoche
stattfinden. Von Ernst-Joachim
Waschke erfahren wir, daß in dieser
Zeit täglich um 20 Uhr Vorträge und
Konzerte auf dem Programm stehen.
Am Eröffnungstag wird die Kunsthistorikerin Dr. Irene Roch-Lemmer zur
Baugeschichte der Kapelle sprechen,
und Prof. Dr. Heinrich Nickel widmet
sich dem „Halleschen Heiltum“. Am
darauffolgenden Tag geht es in einem
Vortrag von Prof. Dr. Eberhard Winkler um die Geschichte der Magdalenenkapelle als Universitätskirche,
und Pfarrer Dr. Klaus Engelbrecht
stellt die Geschichte der Selbständigen evangelisch-lutherischen Gemeinde dar. Am 27. Mai folgt ein
Konzert des Universitätschores, bei
dem vier Motetten von Georg Philipp
Telemann und ein Magnificat von Johann Rosenmüller mit Chor und
Streichorchester sowie Basso continuo
aufgeführt werden. Viele interessierte
Zuhörer und -schauer lockt sicher
auch eine Bläserserenade am 28.
Mai um 17 Uhr in den Hof der Mo-
Fotos (2): Klett
ritzburg. Am gleichen Abend folgt
noch um 20 Uhr ein Konzert mit den
Solisten Alexei Korniliev aus Moskau
(Trompete) und Martin Rost aus Sralsund (Orgel). Der 29. Mai hält um
20 Uhr ein Chorkonzert mit dem Jugendchor „Ostinato“ der Selbständigen evangelisch-lutherischen Gemeinde bereit. Und am Sonntag, dem
30. Mai, beschließt um 10 Uhr ein
Festgottesdienst die Festwoche. Die
Predigt wird Prof. Dr. Ernst-Joachim
Waschke halten. Darüber hinaus gibt
es von Dienstag bis Samstag in der
Zeit von 14.30 bis 15.30 Uhr Führungen in der Magdalenenkapelle mit
anschließender Orgelmeditation und
einer Dia-Projektion zum „Halleschen
Heiltum“. Wer also mehr über die Kapelle in der Moritzburg erfahren
möchte, sollte diese interessanten Angebote nicht versäumen.
Ute Olbertz
Das prächtige Eingangsportal der Kapelle
Impressum
Herausgeber:
Der Rektor
Prof. Dr. Reinhard Kreckel
Redaktion und Layout:
Jens Gerth, Dr. Monika Lindner, Ute Olbertz, Stefan Schwendtner
(Koordination), Dr. Margarete Wein
Anschrift:
Rektorat der Martin-Luther-Universität
06099 Halle/Saale
Ruf:
(0345) 5 52 14 20/22/24, 5 52 10 08
Telefax:
(0345) 5 52 70 82, 5 52 72 08
e-mail-Adressen:
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Internet-Adresse:
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Grafik-Design:
Barbara und Joachim Dimanski, Halle
Druckvorstufe:
Satz & Grafik Halle
Druck:
Union Druck Halle
Aspekte
Goethe und die Universität zu
Ausstellung der Kustodie im Museum Universitatis
Hallisches Salz
Entwallet nicht der Erde dort ein Wunderquell?
Und füllt geraume Becken mit erprobtem Naß,
Das bald verdampfend werte Gaben hinterläßt:
Die größte Gabe, sag‘ ich wohl mit kühnem Wort,
Die allergrößte, welche Mutter Tellus beut!
Sie gibt uns Gold und Silber aus dem reichen Schoß,
Das aller Menschen Aug‘ und Herzen an sich zieht;
Sie reicht das Eisen allgemeinem Kunstgebrauch,
Das so zerstört als bauet, so verderbt als schützt;
Sie reicht uns tausend abertausend andres Gut:
Doch über alles preis‘ ich den gekörnten Schnee,
Die erst‘ und letzte Würze jedes Wohlgeschmacks,
Das reine Salz, dem jede Tafel huldiget!
Johann Wolfgang von Goethe
Jahre Goethes geognostischer und
mineralogischer Korrespondent in
Halle war. Er schätzte diesen Mann
und bemerkte mehrfach – nicht ohne
einen gewissen Stolz – seine beratende Mitwirkung bei dessen Hauptwerk
„Deutschland geognostisch-geologisch dargestellt“. Der erste Band erschien 1821 in Weimar und ist Goethe gewidmet. Die ebenfalls in der
Ausstellung gezeigte geologische
Deutschland-Karte hat Goethe nach
seiner Farbenlehre gestaltet. Eine
Zeichnung des Dichters vom Petersberg soll den Besucher sowohl an
dessen Porphyrforschung als auch an
Goethe als Kunstbetrachter und
Zeichner erinnern.
Am 5. Juli 1803 schrieb er an Friedrich von Schiller unter dem Eindruck
Foto: Klett
dings nicht bewahrheitet. Gall war
nur kurze Zeit in Halle. Im Jahre
1805 hörten Goethe und Reil gemeinsam seine Vorlesungen über die
Beziehungen individueller Schädelformen zu geistigen Leistungen und Besonderheiten. Goethe nannte diese
Vorlesungen den „Gipfel der vergleichenden Anatomie“.
Reil wurde 1787 als Extraordinarius
nach Halle berufen und nahm ein
Jahr später (1788) den Platz seines
verstorbenen Lehrers Goldhagen als
ordentlicher Professor der Therapie,
als Direktor des Klinikums und als
Stadtphysikus von Halle ein. Er war
außerdem Leiter der Kriegslazarette
im Raum Halle-Leipzig und starb am
22. November 1813 im Hause seiner
Schwester in Halle an Kriegstyphus.
Johann Wolfgang von Goethe; Porträtbüste von Gustav Walther (gest. 1927) nach Christian Daniel
Rauch, um 1900, Zentrale Kustodie
Anläßlich des Goethe-Jahres 1999
zeigt die Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg eine Sonderausstellung über die wissenschaftlichen Beziehungen Johann Wolfgang von
Goethes zur Alma mater halensis.
Der Dichter besuchte in den Jahren
1802, 1803 und 1805 mehrmals die
Saalestadt. Seit dem Erscheinungsjahr
der Wolfschen Prolegomena ad Homerum 1795 bestand zwischen Goethe und dem berühmten halleschen
Philologen und Altertumswissenschaftler Friedrich August Wolf im Hinblick
auf dessen bahnbrechende HomerKritik wissenschaftlicher Kontakt. Im
Jahre 1786 traf der Dichter den Gelehrten erstmals in Jena. Um Pfingsten
1805 verbrachte Wolf längere Zeit
bei Goethe in Weimar. Sie begegneten sich außer in Halle auch in Lauchstädt. Bedeutsam ist der Briefwechsel
zwischen beiden und Wolfs Mitarbeit
an der Jenaer Literatur-Zeitung. Goethe notierte später über seine Begegnung mit dem herausragenden Gelehrten: „ein Tag mit diesem Mann
zuzubringen, trägt ein Jahr gründlicher Belehrung ein.“
Verbindung zu halleschen Wissenschaftlern
Nach 1806 übernahm der Theologe
August Hermann Niemeyer als Rektor
und späterer Kanzler die ehrenvolle
Aufgabe, die Verbindung der Universität und ihres Lehrkörpers zu Goethe
aufrechtzuerhalten. Beide besuchten
sich häufig in Weimar und Halle.
Goethe fand in Niemeyer einen Förderer seiner dramatischen Bemühungen. Letzterer war regelmäßiger Besucher der Weimarer Theateraufführungen in Lauchstädt. Im Juli 1802 vermittelten Wolf und Niemeyer ein Zusammentreffen Goethes mit den
Naturwissenschaftlern Georg Simon
Klügel und Ludwig Wilhelm Gilbert,
deren physikalischen Versuchen er
beiwohnte. Das von Johann Salomo
Christoph Schweigger herausgegebene Jahrbuch verschaffte Goethe einen
Überblick über die Fortschritte in Physik und Chemie. Schweigger schenkte
ihm 1818 einen Polarisationsapparat,
da sich beide mit der Farbenlehre beschäftigten.
Weitere hallesche Gelehrte wie die
Theologen Friedrich Daniel Ernst
Schleiermacher und Friedrich August
Gotttreu Tholuck, der Naturphilosoph
Henrik Steffens, die Mediziner Franz
Joseph Gall, Justus Christian von Loder, Johann Friedrich und Philipp
Friedrich Theodor Meckel sowie Johann Christian Reil standen mit Goethe im wissenschaftlichen Austausch.
Mit Johann Christian Reil und den
beiden Anatomen Philipp Friedrich
Theodor (1756–1803) und Johann
Friedrich Meckel (1781–1833) erlangte die Friedrichs-Universität zu
Halle in der Entwicklung der Medizin
des 18. Jahrhunderts eine zweite Blütezeit. Goethe besichtigte im Juli
1802 die weltberühmte anatomischzoologische Sammlung der Meckels
im „Riesenhaus“ am Großen Berlin.
In der Ausstellung kann man das von
Goethe so bewunderte Präparat aus
der Schädelsammlung des Halleschen
Anatomischen Institutes betrachten.
Auf der Oberfläche des Schädels sind
„Sinne“ wie Dichtsinn, Scharfsinn,
Schlauheit, Bedächtigkeit usw. dargestellt. Inaugurator dieser Methode zur
Darstellung von Eigenschaften war
Franz Joseph Gall (1758–1828), der
Begründer der Phrenologie – der Lehre von der Erkennung geistiger Eigenschaften an der Formgestaltung des
Kopfes –, auch als Gallsche Schädellehre bezeichnet. Sie hat sich aller-
Foto: Dietrich
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Autograph von Johann Wolfgang v. Goethe vom Juli 1822 unter dem Verzeichnis der in Marienbad
vorkommenden Gebirgs- und Gangarten, Universitäts- und Landesbibliothek
Bei der 1814 erfolgten Wiedereröffnung des von Reil 1809/10 geschaffenen Solbades mit dazugehörigem
Theater hat Goethe als sein Freund
ihm in dem Gedicht „Was wir bringen“ ein bleibendes Denkmal gesetzt.
Als Exponate des Instituts für Geologische Wissenschaften sind Belegsteinproben aus der Sammlung von Christian Keferstein zu sehen, der für viele
der menschlichen und wissenschaftlichen Erlebnisse:
„Versäumen Sie ja nicht, sich in Halle
umzusehen, wozu Sie manchen Anlaß
haben.“
Die Ausstellung präsentiert in sieben
Abschnitten Goethes Wissenschaftsbeziehungen zu den halleschen Universitätsinstituten und akademischen
Sammlungen, wie zum Beispiel zum
Aspekte
Halle
ersten deutschen Philologischen Institut oder zum Botanischen Garten, der
Anatomischen und der Archäologischen Sammlung. Als Goethe 1803
von Lauchstädt aus nach Halle reiste,
besuchte er Friedrich August Wolf,
der ihm am 6. Mai die Münzsammlung zeigte. Ein einführendes Kapitel
beschäftigt sich mit der Stadt Halle
und ihrer Umgebung, so mit den von
Goethe aufgesuchten reizvollen Stätten. Zu sehen sind hier das Reichardtsche Anwesen am Giebichenstein und
das Bad Wittekind in zeitgenössischen
Darstellungen. Der hallesche Komponist Johann Friedrich Reichardt wurde
schon um 1780 mit Kompositionen
zu Goethes Oden bekannt. 1781
setzte er seine Vertonungen fort. Der
Dichter bedankte sich mehrfach für
diese Aufmerksamkeit und besuchte
ihn und seinen „höchst gefälligen Familienkreis“ sehr gern.
Goetherezeption in Halle
Foto: Klett
Die Ausstellung endet mit Zeugnissen
der Goetherezeption der halleschen
Universität. Neben seltenen Exponaten des Goetheforschers und -samm-
Johann Christian Reil (1759–1813), Marmorbüste im Universitätshauptgebäude von Ernst Friedrich August Rietschel (1804–1861), 1852, Zentrale Kustodie
lers Günther Schmid werden
Goetherezitationen auf historischen
Schallplatten der Phonetischen
Sammlung und Werke aus der in der
DDR politisch umstrittenen Prometheus-Graphikmappe, die 1982 von
Roland Rittig, Mitarbeiter am Germanistischen Institut der Universität, herausgegeben wurde, präsentiert. Aus
der Sondersammlung der Universitäts- und Landesbibliothek bereichern
zahlreiche Handschriften und Bücher
von halleschen Professoren die Expo-
sition. Bei den beiden ausgestellten
Goethe-Autographen handelt es sich
im ersten Falle um eine Abschrift eines amtlichen Schreibens aus Jena.
Es wurde von Goethes langjährigem
Sekretär Johann August Friedrich
John (1794–1854) am 18. November
1830 angefertigt und ist an den Direktor des Botanischen Gartens der
Universität Jena, Dr. Friedrich Siegmund Voigt gerichtet. Goethe bestätigte selbst die Richtigkeit: „Die Übereinstimmung der Abschrift mit dem
Original bezeugt. Weimar d. 15. Dez.
1830, JW Goethe“.
Der zweite Autograph befindet sich
auf dem „Verzeichniß der um Marienbad vorkommenden Gebirgs=und
Gangarten. Bzgl. auf Goethes 1sten
Band zur Naturwissenschaft überhaupt.“ Diese Aufstellung schrieb
Goethes Diener Karl Stadelmann, der
von ihm vielfach für seine naturwissenschaftlichen Studien herangezogen
wurde. Stadelmann unterstützte Goethe auch bei seinen mineralogischen
Studien und Ankäufen. Der Dichter
vermerkte am Ende des Verzeichnisses: „Drey Exemplare der Sammlung
und des Verzeichnisses abgegeben an
das Museum zu Tepl an Dr. Haider an
Grafen Sternberg Ende Juli 1822.G“
Die Handschrift wurde in den 30er
Jahren im Auftrag von Günther
Johann Wolfgang von
Goethe und die Universität
zu Halle
Ausstellung vom 13. April
bis 24. Mai 1999 im Museum Universitatis
(Löwengebäude, Universitätsplatz 11)
der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Öffnungszeiten:
dienstags bis freitags
10–13 Uhr und 14–16 Uhr
samstags 14–16 Uhr
sonntags 15–18 Uhr
Ausstellungseröffnung
am 13. April 1999, 17 Uhr
Schmid – wie viele seiner Sammlerstücke – in den Werkstätten der
Stadt Halle, Burg Giebichenstein, eingebunden.
Eigene Exponate und Leihgaben
Die umfangreiche Sonderausstellung
dokumentiert die Goetheschen Verbindungen zur halleschen Universität
anhand eigener Bestände aus dreizehn akademischen Sammlungen und
Museen, unterstützt von Leihgaben
aus dem Stadtarchiv Halle und dem
Landesmünzkabinett Sachsen-Anhalt
der Staatlichen Galerie Moritzburg
Halle, mit teilweise noch nie ausgestellten Sachzeugen. Eröffnet wird sie
mit einem musikalischen Programm
von Studierenden des Instituts für Musikpädagogik: „Goethe-Vertonungen
des 19. Jahrhunderts“.
Ralf-Torsten Speler
Bild rechts: Bronzemedaille auf den Tod Friedrich
Daniel Ernst Schleiermachers (1768–1834), gestaltet von Carl Fischer (1802–1865), 1834,
Münzsammlung der Universität
Foto: Göltz
Foto: Göltz
Goethe in seinem Weimarer Haus; Ölgemälde von Otto Rasch (1862–1932), Weimar, um 1900, Goethe-Sammlung Günther Schmid, Zentrale Kustodie
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Aus dem Senat
Neue Studiengänge locken
Der Akademische Senat der Universität
trat am 10. Februar zu seiner 8. und
am 10. März zu seiner 9. Sitzung zusammen. Folgende Beschlüsse und Informationen sind von beiden Sitzungen
zusammenzufassen:
Preisverleihungen
Zu Beginn der Februar-Sitzung standen
feierliche Preisverleihungen an vier erfolgreiche junge Wissenschaftler der
Universität auf dem Programm. Für seine herausragende Diplomarbeit auf
dem Gebiet der Festkörpermechanik
erhielt der Physiker Dirk Lorenz den Anton-Wilhelm-Amo-Preis. Die Leistungen
dreier Wissenschaftlerinnen wurden mit
dem Dorothea-Erxleben-Preis gewürdigt. Für ihre hervorragende strafrechtliche Dissertation und ihre weitere wissenschaftliche Arbeit nahm Dr. Dietlinde
Albrecht den Preis entgegen. Ebenfalls
ausgezeichnet wurde Dr. Gerlind Stoller
für ihre international anerkannten wissenschaftlichen Beiträge zur enzymkatalysierten Proteinfaltung und zur Enzymologie einer neuen Familie von Faltungshelferproteinen. Schließlich erhielt
Dr. Corinna Wiedorn den ErxlebenPreis für ihre Arbeit zur geometrischen
Gruppentheorie, der zur Klassifikation
der endlichen einfachen Gruppen beitragen wird.
Besuch des Kultusministers
Über einen Arbeitsbesuch des Kultusministers Gerd Harms Anfang Februar
berichtete der Rektor dem Senat. Der
Minister habe sich bei einem Rundgang einen Überblick zur Standortund Gebäudesituation der Universität
verschafft. In einer Reihe von Gesprächen, unter anderem mit dem Rektorat
und mit Vertretern des StudentInnenrates, informierte sich Harms über aktuelle Schwerpunkte in Forschung und
Lehre.
Ausschreibungen/Stellentausch
Ein Ausschreibungstext für die C4-Stelle „Vorderorientalische Archäologie“
am Fachbereich Kunst-, Orient- und
Altertumswissenschaften wurde im Senat einschließlich der Zusammensetzung der Berufungskommission bestätigt. Auch einem Tausch hinsichtlich
der Stellenwertigkeit zwischen der C3Stelle „Verteilte Informationssysteme“
(FB Mathematik/Informatik, URZ) und
der C4-Stelle „Didaktik der Chemie“
(FB Chemie) gab der Senat grünes
Licht. Die neue C4-Professur „Verteilte
Informationssysteme“ wurde zur Ausschreibung verabschiedet. Mit dieser
Professur ist die wissenschaftliche Leitung des Universitätsrechenzentrums
verbunden. Eine Denominationsänderung auf Antrag der Medizinischen Fakultät betraf die Umwidmung der C4Professur „Kardiologische Intensivmedizin“ in „Innere Medizin/Kardiologie“.
Anmeldungen für Berufungen
Der Prorektor Struktur und Finanzen
stellte in der März-Sitzung des Senats
zwei Listen mit Anmeldungen für Berufungen 1999 und 2000 vor, die als
Grundlage für Haushaltsplanungen
dienen. Danach sollen in diesem Jahr
insgesamt 13 Berufungen und im kommenden Jahr 23 Berufungen erfolgen.
Berufungen/
Vertretungsprofessuren
Drei Berufungslisten wurden in der
März-Sitzung verabschiedet. Es handelte sich um die Listen für die C4Professuren „Allgemeiner Pflanzenbau/
Ökologischer Landbau“, „Konvexe
Analysis und Optimierung“ sowie die
C3-Professur „Volkwirtschaftslehre, insbesondere Umweltökonomik“ (ge-
meinsame Berufung mit dem Umweltforschungszentrum). In der Februar-Sitzung stimmte der Senat einer Reihe
von Vertretungsprofessuren zu. Hier
aber gab es die Einschränkung, daß
1999 nur zwölf Vertretungen finanzierbar sind und eine Vertretung in der Regel nur in der Vorlesungszeit erfolgt.
Für darüber hinaus gehende Vertretungen müssen die Fachbereiche/Fakultäten freigewordene Personalstellen als
Finanzierungsquelle benennen. In diesen Fällen prüft das Personalamt gemeinsam mit dem entsprechenden
Fachbereich die Realisierbarkeit.
Mittelaufteilung/
Haushaltsplanung 2000
Die Beschlußvorlagen der Strukturkommission zur Mittelaufteilung 1999
fanden nach ausgiebiger Diskussion
Zustimmung im Senat. Das betraf die
Aufteilung der Mittel für Kommunikation (Titel 513 01), die Mittelaufteilung
der Titelgruppe 69 (für Lehraufträge,
Hilfskräfte und Gastvorträge) und die
Aufteilung der Mittel im Titel 685 01
für Mitgliedsbeiträge an Vereine, Verbände und Gesellschaften. Des weiteren verabschiedeten die Senatoren
eine Vorlage der Exkursionskommission über „Grundsätze für die Aufteilung der Exkursionsmittel 1999“. Auch
der Beschlußentwurf der Strukturkommission zur Haushaltsplanung 2000
passierte den Senat. Ferner wird nach
dem Willen des Senats die Vergaberichtlinie für Gewährung von Zuwendungen aus der Titelgruppe 77 „Pflege
internationaler Beziehungen“ in ihrem
Geltungsbereich erweitert (siehe
Homepage der Universität).
Frauenförderung
Die Senatsmitglieder bestätigten eine
Vorlage zur „Verfahrensweise bei der
Vergabe der Mittel für Frauenförderung“, die gemeinsam vom Prorektorat
Strukturentwicklung und der Frauenkommission erarbeitet wurde. Danach
werden künftig in der Titelgruppe 71
Mittel zur Frauenförderung bereitgestellt, die im Rahmen der wissenschaftlichen Qualifikation von Frauen eingesetzt werden können. Das bezieht sich
z. B. auf Sachmittelzuschüsse für Projekte, die Promotionen oder Habilitationen von Frauen fördern, Zuschüsse
zum Besuch von Tagungen, für Weiterbildungsveranstaltungen sowie die Unterstützung von Aufwendungen bei
Veröffentlichungen.
Altersteilzeitvereinbarungen
Eine Vorlage des wissenschaftlichen
Mittelbaus, wonach sieben vorliegenden Anträgen auf Altersteilzeitvereinbarungen unverzüglich entsprochen
werden soll und die freiwerdenden
Stellenteile schnellstmöglich für die
Einstellung von wissenschaftlichem
Nachwuchs (unter Berücksichtigung
der Strukturvorstellungen der Universität) zur Verfügung gestellt werden sollen, fand Zustimmung im Senat.
Ständige Gastprofessuren
Keine Einwände gab es gegen die Einrichtung zweier ständiger Gastprofessuren – entsprechend einer Empfehlung der Strukturkommission – an der
Universität. Die Professuren heißen
„Christian-Wolff-Professur“ und „KurtMothes-“ bzw. „Julius-Kühn-Professur“. Die Wolff-Professur kann für einen begrenzten Zeitraum an Wissenschaftler/-innen aus theologischen, juristischen, wirtschaftswissenschaftlichen
oder philosophischen Gebieten vergeben werden. Die Mothes- bzw. KühnProfessur ist für mathematisch-naturwissenschaftlich-technische oder landwirtschaftliche Wissenschaftsgebiete
gedacht. Darüber hinaus bestätigten
die Senatoren eine dreimonatige Gastprofessur am Fachbereich Biologie.
Honorarprofessuren/
Ehrendoktorat
Zugestimmt wurde den Anträgen der
Fachbereiche Physik und Pharmazie jeweils auf Verleihung einer Honorarprofessur. Außerdem befürworteten die Senatsmitglieder einstimmig den Antrag
des Fachbereichs Kunst-, Orient- und
Altertumswissenschaften auf Verleihung
der Ehrendoktorwürde an den jüdischen Gelehrten Prof. Dr. Emil Fackenheim, Jerusalem, emeritierter Professor
für Philosophie an der Universität Toronto, der bis 1938 – bevor er nach
London emigrierte – in Halle studiert
hat. (Voraussichtlicher Termin der Verleihung: 12. Mai 1999).
Abgabe von kp-Stellen
Eine ausgiebige Diskussion entfachte
im Senat die Umsetzung eines Senatsbeschlusses vom 3. Juli 1996 zur Abgabe von sogenannten kp-Stellen (ein
kp-Vermerk bedeutet, daß die entsprechende Stelle nach Ausscheiden ihres
derzeitigen Inhabers nicht wieder besetzt werden kann). Da ein Großteil
der 1996 festgelegten kp-Stellen noch
besetzt ist, die Universität aber zur Stellenrückgabe verpflichtet ist, muß auf
derzeit freie Strukturstellen zurückgegriffen werden. Der Senat beauftragte
in der Februar-Sitzung das Rektorat,
die 34 im Jahr 1999 zurückzugebenden Stellen festzulegen und anschließend den Senat zu informieren. In der
März-Sitzung gab es eine erneute Debatte um diese Stellen. Zunächst wurden aus Zeitgründen unbesetzte Stellen
zurückgegeben, jedoch soll in einer
anschließenden Strukturdiskussion im
Gesamtzusammenhang noch über die
endgültige Verteilung dieser Stellen
verhandelt werden (ausführlich siehe
Homepage der Universität:
„zuv1.verwaltung.uni-halle.de/senat“).
Neuer Sonderforschungsbereich
Der Akademische Senat befürwortete
den Antrag auf Einrichtung eines Sonderforschungsbereichs „Oxidische
Grenzflächen“, der an die Deutsche
Forschungsgemeinschaft gerichtet werden soll. An dem Sonderforschungsbereich beteiligen sich Arbeitsgruppen
des Fachbereichs Physik der halleschen
Universität, Wissenschaftler der Universität Leipzig sowie des Max-Planck-Instituts für Mikrostrukturphysik Halle.
Sprecher des SFB ist Prof. Dr. Henning
Neddermeyer (Uni Halle).
Studiengänge
Künftig gibt es an der Universität einen
Diplomstudiengang „Pflege- und Gesundheitswissenschaft“, so ein Senatsbeschluß. Er kommt durch eine Modifizierung des bisherigen Studiengangs
„Pflegewissenschaft“ und die Integration
des Studiengangs „Medizinpädagogik“
zustande. Ein ortsgebundener NC soll
noch festgelegt werden. Die entsprechende Diplomprüfungsordnung sowie
die Satzung zur Änderung der Prüfungsordnung (Feststellung der Studienbefähigung Berufstätiger ohne Hochschulzugangsberechtigung) befürwortete der
Senat. Die vom Fachbereich Pharmazie
beantragte Novellierung der Studienordnung für den Studiengang Pharmazie (Staatsexamen) wurde im Senat
zur Weiterleitung an das Ministerium
befürwortet. Ebenso bestätigte der Senat die neue Studienordnung Medizin
(Staatsexamen) auf Antrag der Medizinischen Fakultät.
Zwei weitere attraktive Diplomstudiengänge werden zum Wintersemester
1999/2000 an der Universität angeboten: „Bioinformatik“ kann man künftig
am Fachbereich Mathematik und Informatik (in Zusammenarbeit mit den
Fachbereichen Biologie, Biochemie/
Biotechnologie, Chemie und Pharmazie) studieren. Neu ist, daß für besuchte
Lehrveranstaltungen bzw. erbrachte Leistungsnachweise Kreditpunkte vergeben
werden, die europaweit Gültigkeit haben. Der zweite neue Studiengang
heißt „Biomedizinische Materialien und
Verfahren“ am Fachbereich Ingenieurwissenschaften. Im Senat wurde angeregt, die Bezeichnung des Studiengangs noch einmal zu überdenken. Die
entsprechenden Studien-, Prüfungsund Praktikumsordnungen für beide
Studiengänge wurden im Senat zur
Weiterleitung an das Kultusministerium
verabschiedet.
Promotionsordnung
Endlich hat die Philosophische Fakultät
eine Promotionsordnung. Die Erarbeitung dieser Ordnung hat an der Fakultät schon seit längerer Zeit für Kopfzerbrechen gesorgt. In der Februar-Sitzung des Senats konnte sie nun verabschiedet werden.
Fortbildungskurse
Die Senatsmitglieder beschlossen die
Einrichtung eines einsemestrigen Fortbildungskurses im Fach Musik/Lehramt
an Sekundarschulen und Gymnasien
zum Wintersemester 1999/2000 und
zum Sommersemester 2000. Außerdem wird ein Fortbildungskurs im Fach
Geschichte für GymnasiallehrerInnen
zum Wintersemester 1999/2000 eingerichtet.
Fernstudienzentrum
Die Senate der Universitäten und
Fachhochschulen Sachsen-Anhalts unterzeichneten 1996 einen befristeten
Vertrag zur Einrichtung eines europäischen Fernstudienzentrums mit Sitz in
Köthen im Rahmen eines Hochschulverbundes. Jetzt ging es um die Verlängerung dieses Vertrages. Die Senatoren ermächtigten den Rektor zur Unterzeichnung einer Fortsetzungsvereinbarung, sofern sich eine Mehrheit der
Hochschulen Sachsen-Anhalts ebenfalls dazu entschließt.
Zentrum für Europäische Studien
Die von der Forschungskommission
und der Strukturkommission empfohlene Schließung des Zentrums für Europäische Studien wurde im Senat bestätigt. Eine spätere Wiederbelebung der
Einrichtung, sofern die wissenschaftlichen Voraussetzungen gegeben sind,
sei nicht ausgeschlossen.
Verwaltungs- und
Benutzungsordnung
Die vorgelegte Verwaltungs- und Benutzungsordnung des Instituts für Gesundheits- und Pflegewissenschaft i.G.
an der Medizinischen Fakultät passierte problemlos den Senat.
Ute Olbertz
Professor Ulrich Haas neuer Vorsitzender der Anti-Doping-Kommission
„Der Kampf gegen das Doping im
Sport ist von grundlegender Bedeutung für die olympische Bewegung.
Wird er nicht konsequent geführt, besteht die Gefahr, daß diese ihre
Glaubwürdigkeit verliert, der olympische Sport seinen pädagogischen Anspruch gefährdet und die Spiele sich
dann ausschließlich über Unterhaltung
und Vermarktung definieren.“ So steht
es in der Präambel des Anti-DopingPapiers von Deutschem Sportbund und
Nationalem Olympischem Komitee für
die IOC-Konferenz in Lausanne.
Als engagierter Verfechter dieses Gedankens nimmt der Jurist Ulrich Haas
am 1. Mai seine Tätigkeit als neuer
Vorsitzender der Anti-Doping-Kommission des NOK und des DSB auf. Gerade 34jährig, wurde dem Professor für
Bürgerliches Recht, Zivilprozeßrecht
und Handelsrecht an der Juristischen
Fakultät der Martin-Luther-Universität
damit ein außerordentlich verantwortungsvolles Amt übertragen. Und das
in einer Zeit, in der die Doping-Problematik zum dominierenden sportpolitischen Thema geworden ist. Darüber,
aber auch über seinen beruflichen
Werdegang und manches andere unterhielten wir uns mit ihm.
Herr Professor Haas, Sie verlebten
Ihre Kindheit und Jugend in den
verschiedensten Ländern. Wie kam
es dazu?
Mein Vater war beruflich in einer EGInstitution tätig. Wir wohnten zuerst
nördlich von Mailand, in Varese. Dort
besuchte ich die Europaschule. Später
siedelten wir nach Luxemburg über, wo
ich auch mein Abitur ablegte.
Begannen Sie dann sofort mit dem
Jura-Studium?
Nein, zuerst studierte ich ein Jahr lang
in den USA, am Albion College in Michigan, Wirtschaftswissenschaften und
Informatik. 1983 schrieb ich mich
dann in Regensburg für das Studium
der Rechtswissenschaften ein.
Sie wurden schon sehr früh – noch
vor dem zweiten Staasexamen –
promoviert. Was war Ihr Forschungstehema?
Ich befaßte mich in meiner Dissertation mit der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, einem damals gerade
sehr aktuellen Thema. Auf diese Problematik war ich bereits in Lausanne
gestoßen, wo ich einen Teil meiner
Studienzeit absolvierte.
Wollten Sie von Anfang an die
Hochschullehrer-Laufbahn einschlagen?
Nein. Eigentlich war meine Berufsplanung damals mehr auf eine Tätigkeit
als Anwalt ausgerichtet. Während der
Ausbildung arbeitete ich deshalb
u. a. auch dreieinhalb Monate in einer
Anwaltskanzlei in Perth, an der Westküste Australiens.
Was bewirkte die Änderung Ihrer
beruflichen Laufbahn?
Der Zivilrechtler Professor Peter Gottwald, bei dem ich meine Dissertation
schrieb, weckte in mir das Interesse für
die Forschungstätigkeit an der Universität. Ich wurde bei ihm 1992 wissenschaftlicher Assistent und habilitierte
mich schließlich im Sommer 1996.
Seit dem 1. April 1997 sind Sie
nun Universitätsprofessor in Halle.
Sind Sie gern in dieser Stadt?
Auf jeden Fall. Ich lebe inzwischen mit
meiner Frau und meinem Sohn hier.
Wir haben eine schöne Wohnung im
Paulusviertel gefunden – kurzum, wir
fühlen uns in Halle sehr wohl.
Ihre Forschungs- bzw. Arbeitsschwerpunkte sind Gesellschaftsrecht, Internationales Zivilprozeßrecht, Erbrecht und Sportrecht.
Letzteres interessiert uns vor allem
im Zusammenhang mit Ihrer neuen Funktion. Seit wann arbeiten
Sie auf diesem Gebiet?
Schon während meiner Regensburger
Zeit war ich häufig für den Deutschen
Leichtathletik-Verband tätig. Die ADK
wurde auf mich vor allem durch meine
Tätigkeit als Gutachter im Fall Katrin
Krabbe (Sperre wegen Medikamentenmißbrauchs, d. R.) aufmerksam.
Dieser Fall ging ja damals durch
alle Instanzen und wirbelte viel
Staub auf. Demnach haben Sie
durch Ihr Gutachten den DLV vor
einer Schadensersatzforderung in
Millionenhöhe bewahrt!
Es ging in dem Verfahren für beide
Parteien um viel Geld, wobei mich vor
allem die rechtliche Problematik fesselte. Später habe ich dann – sozusagen
als Konsequenz aus dem Krabbe-Fall
– mitgeholfen, eine Athletenvereinbarung zu erarbeiten. Das ist ein Vertrag
zwischen den Sportverbänden und der
jeweiligen Sportlerin bzw. dem Sportler, der die zentralen Fragen der Sportausübung im gemeinsamen Interesse
regelt.
Sie sind also gewissermaßen Experte für sportliche Regelverletzungen, und dazu gehört ja in vorderster Reihe das Doping ... Aber
Sie forschen auch „ganz allgemein“ auf dem Gebiet des Sportrechts. Worin besteht hier gegenwärtig die Problematik?
Das Besondere am Sport ist sein umfassender internationaler Geltungsanspruch. Diese Globalisierung des
Sportgeschehens steht im Spannungsverhältnis zum Geltungsanspruch nationaler Rechtsordnungen. Hinzu
kommt, daß die gesamte Sportwelt gegenwärtig in einem Umbruch begriffen
ist. Die Professionalisierung, d. h. die
berufsmäßige Sportausübung, hat besondere Abhängigkeiten des Einzelnen
von der Teilnahme am organisierten
Sportgeschehen geschaffen. Auch die
Kommerzialisierung des Sports hat zu
neuen Spannungsfeldern geführt –
wenn man etwa an die verschiedenen
Möglichkeiten der Finanzierung sportlicher Großereignisse denkt, beispielsweise das Sponsoring, die Vergabe
von Film- und Fernsehrechten etc.
Zurück zum Doping. Wodurch
kommt es nach Ihrer Meinung zu
einer solchen Verschärfung des
Problems?
Doping ist zwingend mit dem Hochleistungssport verbunden. Allerdings existiert das Problem – nämlich der Versuch, sich persönliche Vorteile verschaffen zu wollen – schon, so lange
es Sport gibt. Auch zu Zeiten der Ritterspiele oder der griechischen Olympiade. Gegenwärtig wird es durch die
steigende Tendenz zur Kommerzialisierung noch verstärkt. Es entsteht ein
immer größerer Leistungsdruck, nicht
zuletzt durch die Medien.
Aber verkörpert der Sport nicht vor
allem Ideale?
Natürlich. Deshalb spielt er ja gerade
diese elementare Rolle in unserer Gesellschaft. Er lebt jene Ideale vor, die
wir – aber auch der Staat – für förderungswürdig halten: Chancengleichheit, Leistung, Fairness ... Durch Doping entfernen wir uns von diesen
Idealen. Somit entfallen dann auch die
Gründe für eine Förderung durch den
Staat. Der Sport ist um so höher angesehen, je mehr er gesellschaftlich verankert ist.
Seit 1991 gibt es in Deutschland
die Anti-Doping-Kommission. Welche Aufgaben hat sie im einzelnen?
Erst einmal obliegt ihr die Durchführung und Weiterentwicklung des Doping-Kontroll-Verfahrens, vor allem für
die Trainigskontrollen. Außerdem arbeitet die ADK mit den wissenschaftlichen Institutionen zusammen, die mit
Doping-Fragen befaßt sind, berät die
Sportverbände, erstellt und verbreitet
Foto: Klett
.............................
.......................................................................
Aufklärungsmaterial und prüft bekanntgewordene Doping-Vergehen im
Auftrag der betreffenden Verbände.
Wie lang sind die „Vorwarnzeiten“
für Überprüfungen?
Inzwischen schon recht kurz, höchstens
vier Stunden. Meist sind sie sogar unangemeldet.
Und die Forschung?
Sie wird staatlich gefördert – auch die
Labors in Kreischa (Sachsen) und Köln.
Die ADK hat hierbei nur beratende
Funktion.
Vor kurzem fand die Doping-Konferenz des IOC in Lausanne statt.
In den Medien las, sah, hörte man
anschließend viele enttäuschte
Stimmen. Manche(r) hatte sich
wohl konkretere Festlegungen versprochen, vor allem hinsichtlich einer einheitlichen Sperre bei Doping-Vergehen.
Ich denke, es wurde doch eine ganze
Menge erreicht. Ziel konnte es in einem ersten Schritt nur sein, den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ zu finden
und umzusetzen.
Wäre das vielleicht eine DopingBekämpfung, die sich lediglich am
Schutz der Gesundheit orientiert?
Nein, das ist auf jeden Fall zu wenig.
In den von Otto Schily in Lausanne
vorgetragenen deutschen Standpunkten geht es vor allem um die Gewährleistung von Chancengleichheit im
Wettkampf. Jetzt – nach der Konferenz
– müssen wir versuchen, den in
Deutschland geschaffenen hohen
Standard (hinsichtlich der Kontrolldichte und geringer Vorwarnzeiten) international durchzusetzen. Das wird und
muß möglich sein. Ohne Chancengleichheit verliert der Sport seine moralisch-ethische Rechtfertigung und
wird untergehen, denn was gäbe es
dann noch für einen Unterschied zwischen Wettkampf und Zirkus?
Und die im Ergebnis der Verlautbarungen von Lausanne zu schaffende Internationale AntidopingAgentur, die ja schon im Vorfeld
ihres Bestehens teilweise stark kritisiert wird – ist sie das „non plus
ultra“ der Doping-Bekämpfung?
Sie ist auf jeden Fall ein ganz wichtiger
Schritt in die richtige Richtung – hin zu
einem weltweit operierenden unabhängigen Kontrollteam. Durch diese
Agentur sollen alle Doping-Tests in den
olympischen Sportarten koordiniert
werden. Die Forschungsförderung gehört ebenfalls zu ihren Aufgaben. Für
den „Anschub“ all dessen stehen ca.
25 Millionen DM zur Verfügung.
Das ist zwar nicht genug, aber zumindest ein Anfang. Die Schlagkraft und
Glaubwürdigkeit der Agentur steht und
fällt – neben dem finanziellen Engagement – mit der Besetzung durch die
richtigen Personen.
Meinen Sie, daß auch ohne einheitliche Strafe, z. B. eine zweijährige Sperre bei Erstvergehen, oder
gar durch Ausschluß, dem Doping
der Garaus gemacht werden
kann?
Einheitliche, glaubwürdige und abschreckende Strafen sind für die Doping-Bekämpfung sehr wichtig. Weder
die Zuschauer noch die Geldgeber
werden sich auf die Dauer betrügen
lassen. Jeder wünscht sich doch, daß
die besten Sportler gewinnen und nicht
die besten Chemiker!
Das bedeutet also, daß SportlerInnen, die dopen, mehr und mehr
– sowohl moralisch als auch ökonomisch – zu Außenseitern werden. Aber wird es jemals einen
völlig dopingfreien Sport geben?
Das zu hoffen, wäre illusorisch. Einzeltäter wird es immer geben. Auch Verbrechen sind ja in unserer Gesellschaft
nicht völlig auszuschalten. Doch Doping auf ein erträgliches Maß zu reduzieren – das ist sicher in absehbarer
Zeit möglich.
Herr Professor Haas, wir danken
Ihnen für dieses Gespräch und
wünschen Ihnen für Ihr neues Amt
und für die Tätigkeit an der Juristischen Fakultät viel Erfolg.
Mit Ulrich Haas unterhielt sich Monika
Lindner.
interview
Kämpfer gegen Doping
„Sport fasziniert wegen seiner Ideale,
weniger wegen der sportlichen Leistung. Letztere ist nämlich zutiefst irrational. Der 400m-Läufer beispielsweise erreicht nach größter Anstrengung
lediglich seinen Startpunkt.“
Ulrich Haas
Kultur in unserer Nachbarschaft: Die Kiebitzensteiner
K KUULLTT U
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Satire in der Moritzburg
Kenner meinen sicher nicht zu unrecht,
das hallesche Kabarett sei gegenwärtig
die beste Wirkungsstätte in Deutschland für dieses künstlerische Genre.
Das liegt nicht zuletzt an dem besonderen Flair, das die ständige Spielstätte
im Rundsaal der Moritzburg bietet –
den hautnahen Kontakt zum Publikum
inbegriffen.
Ein wenig Historisches
Seit 1971 ist das Ensemble im Südturm
der Moritzburg beheimatet. Seine Geschichte beginnt aber bereits viel früher, denn unter dem Namen „Die
Kiebitzensteiner“ tritt es schon seit 32
Jahren auf. Doch die Kabarettentwicklung reicht in Halle noch weiter zurück.
Im Jahre 1963 riefen einige mutige
Schauspieler des damaligen Jugendtheaters „Junge Garde“ ein satirisches
Kabarett ins Leben. Rolf-Jürgen Voigt,
gelang dieser „Seiltanz“. Es hatte einen
guten Namen – vor allem beim Publikum. Und das sowohl in der Stadt, in
der Region, als auch über die damaligen Bezirksgrenzen hinaus. Man spielte immer vor ausverkauftem Saal. Karten mußten oft Monate (bis zu einem
Jahr!) vorher bestellt werden.
KabarettistInnen wie Irmgard BraunTrautmann und Henry Braun, die auch
zu den Gründern des halleschen Kabaretts gehörten, hatten an diesem Erfolg wesentlichen Anteil.
Als sich die politische Situation immer
mehr zuspitzte, wurde die Arbeit für die
Kiebitzensteiner zunehmend komplizierter. Rolf Voigt – gerade hatte er das
Theater als Intendant übernommen –
brachte 1989 zusammen mit der Berliner Distel-Autorin Inge Ristock das Programm „Keine Mündigkeit vorschützen“ heraus – gegen den Willen der
zuständigen SED- Funktionäre. So war
Herr Voigt, welche Wünsche – vielleicht auch Träume – haben Sie
für die Zukunft der Kiebitzensteiner?
Wichtig ist, daß die „Kiebitze“ ein endgültiges „Nest“ bekommen, daß
uns die Moritzburg als Heimstätte der Satire in Halle erhalten bleibt. Eine
glückliche Lösung für die Zukunft wären gewissermaßen drei Standbeine
für das Kabarett: der Spielbetrieb, eine Gaststätte und die Agenturtätigkeit für die Vermarktung unserer Programme – regional und bundesweit
– sowie für den Einkauf von guten Programmen anderer Kabartettisten.
Wie steht es um junge BesucherInnen aus der Universität?
Es wäre schön, wenn die Studentinnen und Studenten bei ihren Weg zum
„Turm“ auch ein wenig mehr nach Süden schauen würden oder – was
noch besser wäre – öfter in unsere Vorstellungen kämen.
Sehen Sie Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit der MartinLuther-Universität?
Mit dem Institut für Sprechwissenschaft und Phonetik arbeiten wir bereits
zusammen, doch ich könnte mir auch eine engere Verbindung zum Institut für Philosophie vorstellen. So wäre es sicher spannend und für unsere
Arbeit sinnvoll, mit Philosophen über Zukunftsvisionen zu diskutieren. Mit
dem Germanistischen Institut ist eine Zusammenarbeit ebenfalls denkbar.
der heutige Intendant, gehörte bereits
damals zu den ersten halleschen Kabarettisten und war einer der Gründer
dieses Ensembles. Seine heutige Bezeichnung lautet korrekt „Die Kiebitzensteiner – Satirisches Theater der Stadt
Halle“. Was vielleicht nicht allgemein
bekannt ist: Das Kabarett ist seit 1992
einer von zwei Teilen des „Theaters für
Figuren und Satire“. Über dessen andere „Hälfte“, das Puppentheater, berichteten wir schon im Dezember.
Seiltanz zwischen Kunst und Politik
Doch blicken wir noch einmal zurück in
die Vergangenheit. Kabarett in der
DDR – das war ein ständiger Balanceakt zwischen politisch Machbarem und
satirischem Anspruch. Denn: Dieses
Kunstgenre hatte einerseits eine gewisse Ventilfunktion, diente aber andererseits auch als demokratisches Aushängeschild. Dem halleschen Ensemble
Foto: Petsch
Drei Fragen an den Intendanten
The Swing Sisters: v. l. n. r. Angelika Weiz, Anke Schenker, Ines
Paulke
Ernstgenommenwerdens gab ... Dank
dieser Zensur wurden wir von unseren
Zuschauern bewundert ob unseres
Mutes und unserer List, mit der wir unsere mehr oder weniger scharfen Pointen an der Zensur vorbeischmuggelten.“ Daß aber Satire zu allen Zeiten
ihre Stimme gegen Mißstände jeglicher
Art erhebt – also zu allen Zeiten ihre
Berechtigung hat – wurde manchem
Kabarettbesucher erst allmählich wieder bewußt.
Inzwischen ist diese Durststrecke weitgehend überwunden, und oft ist der
Saal wie früher zum Bersten voll. So
auch kürzlich bei der Premiere des
Kästner-Abends „Die Welt ist rund“ zu
dessen hundertstem Geburtstag. Für
ein Kästner-Programm wurde übrigens
1989 erstmalig der Zuschauerraum
ganz im Sinne des Autors in ein „Café“
umgestaltet, d. h., man saß an Tischen, was seitdem so geblieben ist.
das Verbot vorprogrammiert. Doch wer
das Glück hatte, eine Premierenkarte
zu bekommen, gab seine Eindrücke
durch „Mundpropaganda“ weiter. Als
das Programm dann wieder kurzzeitig
gespielt werden durfte, war der Saal
natürlich übervoll. Aber da stand
schon der Herbst 1989 ins Haus.
Schwerer Neubeginn in neuer Zeit
Auch das hallesche Kabarett war gegen Publikumsrückgang nicht gefeit.
Lag das Potential für satirische Programme vor der politischen Wende gerade in der Übertretung der durch die
sozialistischen Machthaber gesetzten
Normen, so existierten diese jetzt nicht
mehr. Warum also noch Kabarett? Das
zu Kritisierende war doch aus der Welt!
Der Autor Peter Ensikat beschreibt diese Situation so: „ Ach, wir haben sie
verloren, die Zensur, die uns Kabarettleuten so ein wunderbares Gefühl des
Markenzeichen: Vielfalt
Foto: Gottlieb
.............................
.......................................................................
Menschen, die neuierig sind, die etwas erleben wollen und für die Kritik
kein Fremdwort ist, sind im halleschen
Satiretheater gut aufgehoben. In den
Vorstellungen spürt man, daß Kabarett nicht etwa billiges Amüsement ist.
Die Satire als künstlerisches Medium
– das fordert von den fünf
SchauspielerInnen eine ständige Auseinandersetzung mit aktuellen Problemen, denn nach wie vor ist das aktuell-politische Kabarett die „Hauptschiene“ bei der Programmgestaltung. Provozieren, zum Denken anregen und natürlich auch zum Lachen
bringen will man das Publikum. So
beispielsweise in den aktuell-politischen Programmen „Alles Gute
kommt von oben“, „Rente sich wer
kann“ oder „Herrenpart(y)ie“. Auch
„Nimm zwei – Weiber im Anzug“ ist
politische Satire pur. Doch wer nicht
unbedingt Fan dieser Kabarettrichtung ist, kommt ebenfalls voll auf seine Kosten. Das hallesche Ensemble
fühlt sich auch den Klassikern dieses
Genres verpflichtet: Gegewärtig stehen – außer Kästner natürlich – ein
Brecht-Programm, die Friedrich-Hollaender-Revuette „Ich sitze immer im
falschen Zug“ oder „Wir sind süß –
aber doof“, eine Revue von Rudolf
Herrenpart(y)ie: V. l. n. r. Werner Ziebig,
Gisbert-P. Terhorst, Detlef Nier
und Herbert Nelson, auf dem Spielplan. Oft sind auch auswärtige prominente Künstler in den Burgmauern zu
Gast. Da sang Heinz Rennhack mehrmals vor ausverkauftem Haus KreislerLieder unter dem Motto „Über die Liebe und andere Grausamkeiten“. Oder
„The Swing Sisters“ – um bei den Gästen zu bleiben. Wer echten Swing
mag, sollte sich die drei Damen nicht
entgehen lassen. Ines Paulke, Anke
Schenker und die vielen auch aus der
Soul- und Funk-Szene bekannte Angelika Weiz singen und agieren unter Peter Schroths Regie auf ganz hervorragende Weise. (Professor Schroth ist
übrigens identisch mit dem gleichnamigen Schauspieldirektor des Badischen Staatstheaters Karlsruhe.)
Gastspiele nah und fern
Es würde hier zu weit führen, alle laufenden Programmme zu beschreiben.
Anzumerken ist aber unbedingt, daß
sich allein in Halle der Vorhang mehr
als 200 Mal während einer Spielzeit
hebt. Hinzu kommen im Jahr ca. 60
Gastspiele: in Weißenfels, Bernburg,
Dessau, Magdeburg, Erfurt, Berlin,
München, Karlsruhe, Stuttgart, Hamburg, Göttingen, Bonn, Antwerpen,
Brüssel und in mancher anderen Stadt.
Außerdem wird jedes zweite Jahr im
Rundsaal der Moritzburg ein Humorund Satirefestival veranstaltet. Viele
national und international bekannte
Künstler fanden aus diesem Grunde
schon den Weg nach Halle, unter ihnen das Stuffet Puppet Theatre, die
Clowns Ursus und Nadeschkin oder
Mensching und Wenzel, Claudio Cinelli, Hanns-Dieter Hüsch, Bruno Jonas, Volker Pipers, Horst Schroth, Pascal von Wroblewsky, Kabaretts wie
„Die Distel“, „Die Stachelschweine“
und „Die Herkuleskeule“. Was auch
wichtig ist: Die Kiebitzensteiner stellen
an zwei Tagen jeder Woche ihre Spielstätte freien Gruppen aus der Musikund Schauspielszene für Proben und
Auftritte zur Verfügung. Das Satirische
Theater ist also eine gute Adresse in
Halle – für beinahe jeden Geschmack.
Und wem eine Vorstellung mal völlig
„gegen den Strich geht“, sollte bedenken: Ein Satiriker oder Kabarettist, der
etwas macht, was wirklich allen gefällt,
macht ganz bestimmt etwas falsch!
Monika Lindner
Evaluation soll die Studienqualität verbessern
Evolution durch Evaluation
Die Überschrift ist mehr als ein nettes
Wortspiel, sie ist – jedenfalls an unserer
Universität – Programm. Mit den an
der Martin-Luther-Universität laufenden
und geplanten Evaluationsprojekten
sollen die Fakultäten, Fachbereiche
und Institute unterstützt und motiviert
werden, die Qualität von Studium und
Lehre zu sichern und – wo nötig – weiterzuentwickeln. Diese verbessern zu
wollen, ohne die Lehrenden und Studierenden miteinzubeziehen, wäre von
vornherein ein Unterfangen ohne Aussicht auf Erfolg. Deshalb wird auch auf
eine möglichst breite Beteiligung aller
Universitätsangehörigen gesetzt. Das
hat der Akademische Senat auf seiner
Dezembersitzung im letzten Jahr so beschlossen.
Konzeptphase weitgehend abgeschlossen
In den letzten eineinhalb Jahren wurde
in Sachen Lehrevaluation bereits viel
erreicht: Mit Hilfe von zweckgebundenen Mitteln aus dem Hochschulsonderprogramm III konnte das Evaluationsbüro im Prorektorat für Studium und
Lehre eingerichtet werden. In Pilotprojekten einzelner Fachbereiche wurden
erste Erfahrungen mit verschiedenen
Evaluationsmethoden gesammelt. Seit
dem Sommersemester 1998 finden in
fast allen Fachbereichen und Fakultäten Lehrveranstaltungsevaluationen
statt. Eine schriftliche Umfrage unter allen HochschullehrerInnen informiert
über deren Einstellung zur Lehrevaluation und zur Lage in den einzelnen Fächern. Die Ergebnisse werden demnächst bekanntgegeben. Da Evaluation
kein ausschließlich von oben gesteuer-
ter Prozeß sein soll, sorgen seit Anfang
dieses Jahres Beauftragte für die nötige Verankerung der Lehrevaluation in
den Fachbereichen und Fakultäten.
Last but not least kann die Konzeptphase als weitgehend abgeschlossen
gelten: Das Gesamtkonzept der Evaluationskommission steht und ist vom
akademischen Senat auch so bestätigt
worden. Bei diesem Konzept handelt
es sich um ein „Drei-Säulen-Modell“.
Lehrveranstaltungsevaluation
Sie ist die erste Säule und besteht bereits seit einigen Semestern. Die Lehrenden erhalten mit den Befragungen
von Veranstaltungsteilnehmerinnen
und -teilnehmern eine Rückmeldung
von seiten der Studierenden darüber,
wie diese die Qualität einzelner Lehrveranstaltungen beurteilen. Die Umfrageergebnisse und die daraus resultierenden Verbesserungsmöglichkeiten
sollen mit den Teilnehmenden an den
jeweiligen Veranstaltungen am Semesterende diskutiert werden. Der Zweck
der Lehrveranstaltungsbefragungen
besteht folglich darin, Hinweise über
die Verbesserung der Lehrveranstaltungen zu erhalten und diese wiederum in
die Lehrpraxis umzusetzen. Für die
Auswahl der Lehrveranstaltungen und
die Koordination der Befragungen in
den einzelnen Fachbereichen und Fakultäten ist der jeweilige Beauftragte
für die Evaluation von Studium und
Lehre zuständig.
Neu in diesem Semester ist das Angebot des Evaluationsbüros, bei Veranstaltungen mit weniger als fünfzehn
Teilnehmenden leitfadengestützte
Gruppendiskussionen zu moderieren
bzw. Einzelinterviews mit den Studierenden (mit oder ohne den Lehrenden)
durch eine ausgebildete wissenschaftliche Hilfskraft des Evaluationsbüros
durchzuführen.
Die beiden anderen Säulen des Konzepts, auf denen die Lehrevaluation an
der Martin-Luther-Universität beruht,
betreffen nicht einzelne Lehrveranstaltungen, sondern Studienfächer beziehungsweise Studiengänge als Ganzes:
das heißt ihre Struktur, ihre Organisation und ihre Praxis. Das sind die Evaluationen im Universitätsverbund (die
zweite Säule) und die AbsolventInnenbefragungen (die dritte Säule).
Fachevaluationen im Universitätsverbund
Für die zeitgleichen Evaluationen von
Studienfächern – im Verbund mit den
beiden Partneruniversitäten Jena und
Leipzig – ist ein dreistufiges Verfahren
vorgesehen. Auf der ersten Stufe geht
es um eine Selbstevaluation ausgeWeitere Informationen zu den
einzelnen Evaluationsprojekten bietet die Netzseite des
Evaluationsbüros: http://
www.verwaltung.uni-halle.de/
prorstu/eval/evalhom.htm
wählter Studienfächer anhand gemeinsam bestimmter Qualitätsziele mit Hilfe von Befragungen der Studierenden
und Lehrenden. Aufbauend auf den
Selbstevaluationsberichten aus den
drei Universitäten, wird auf der zweiten
Stufe dann eine externe Gutachtergruppe in Halle, Jena und Leipzig die
Lehrsituation in diesen Studienfächern
untersuchen und Empfehlungen erarbeiten. Auf der dritten Stufe werden
zwischen den evaluierten Studienfächern und den jeweiligen Universitätsleitungen Vereinbarungen über die Sicherung und, wo notwendig, die Verbesserung der Lehre getroffen. Im
Wintersemester 1999/2000 soll mit
der ersten gemeinsamen Evaluierungsrunde begonnen werden.
AbsolventInnen-Befragungen
Während es sich bei der Fachevaluation im Universitätsverbund um ein
sehr intensives und aufwendiges Vorgehen handelt, an dem sich folglich
auch nur maximal drei Fächer pro Studienjahr beteiligen können, wird bei
der dritten Säule, der AbsolventInnenBefragung, auf eine möglichst breite
Abdeckung des gesamten Spektrums
der an der Martin-Luther-Universität
angebotenen Fächer gesetzt. In dieser
schriftlichen Umfrage, die vom Prorektorat für Studium und Lehre durchgeführt wird, sollen alle StudienabgängerInnen befragt werden. Beginn der
Aktion ist der 1. April 1999; der Erhebungszeitraum erstreckt sich auf ein
ganzes Studienjahr. Sobald die Ergebnisse vorliegen, werden sie an die
Fachbereiche, Fakultäten und Institute
weitergeleitet.
Die konzeptionellen Weichen für eine
reformorientierte, selbstorganisierte
Lehrevaluation sind also gestellt, nun
liegt es vornehmlich an den Universitätsangehörigen, die Chance zur
„Evolution“ der Studienqualität auch
zu nutzen.
Martin Winter
Vierundzwanzig Fragezeichen
Miniporträt Eberhard von Borell
9. Was ist Ihrer Meinung nach die
erste Aufgabe der Wissenschaft?
Erkenntnisfortschritt für das Überleben
im Einklang mit der Natur.
10.
Was haben Intelligenz und
.......................................................................
Menschlichkeit miteinander zu
tun?
Nichts.
11. Welchen bedeutenden Menschen unserer Zeit hätten Sie gern
als Gesprächspartner(-in)?
Oskar Lafontaine nach seinem Rücktritt.
12. Wie schätzen Sie das Verhältnis zwischen Mensch und Technik
17. Was hat Sie bisher am meiein?
sten erfreut?
Es wird durch eine zunehmende AbDas ist schwer zu sagen. Ich denke da
hängigkeit des Menschen von der
an sehr intensive emotionsgeladene
Technik bestimmt. Diese Entwicklung
Ereignisse, wie das Verliebtsein und
halte ich für akzeptabel, solange Techdas Erleben der Geburt meiner Kinder.
nik beherrschbar bleibt, dem Men18. Wo sehen Sie Ihre Schwäschen nutzt und ihm dadurch nicht eschen?
sentielle soziale Bindungen vorlegen
Zu viele Dinge gleichzeitig anpacken
gehen.
zu wollen.
13. Was halten Sie von Werbung?
19. Wo sehen andere Ihre StärFür originelle und witzige Werbung
ken?
habe ich etwas übrig.
Das kommt darauf an, wen Sie dazu
14. Wie reagieren Sie, wenn Sie
befragen. Mir wird desöfteren besich schrecklich ärgern?
scheinigt, den „richtigen Riecher“ zur
Das hängt vom jeweiligen Anlaß ab.
rechten Zeit zu haben.
Die Bandbreite reicht von Wutausbrü20. Was erwarten Sie von der
chen bis hin zu stiller Betroffenheit.
Jahrtausendwende?
15. Worüber haben Sie sich in IhNichts Wesentliches bis auf ein Comrem Leben am meisten geärgert?
puterchaos.
Wahrscheinlich über einige meiner
21. Welchen Ort der Welt möchLehrer in der Schule.
ten Sie unbedingt noch kennenler16. Wenn Sie sich sehr freuen,
nen?
was tun Sie dann?
Den unberührten Urwald fernab von
Das kommt auf die Situation an. Von
jeglicher Zivilisation.
stiller innerer Freude über Hände22. Womit verbringen Sie Ihre
reiben bis hin zu Begeisterungslauten
Freizeit am liebsten?
und Umarmungen ist alles möglich.
Mit meiner Familie beim Ski- und
Fahrradfahren.
Foto: Klett
1. Warum sind Sie in Halle und
nicht anderswo?
InHalle lief meine erste Bewerbung auf
eine Professur an einer deutschen
Hochschule. Es hat geklappt, und die
ganze Familie hat sich hier gut eingelebt.
2. Wenn nicht Landwirtschaftswissenschaftler, was wären Sie
dann geworden?
Biologe oder Tiermediziner.
3. Was war an Ihrer Studienzeit am
besten?
Das soziale und kulturelle Umfeld am
studienort, die Erfahrungen aus der
landwirtschaftlichen Praxis und die experimentellen Arbeiten im Labor.
4. Wer war für Sie der/die wichtigste Lehrer/in?
Die Betreuer meiner Diplom- und Doktorarbeit.
5. Welchen Rat fürs Leben geben
Sie Ihren KollegInnen?
Für die Beantwortung dieser Frage fühle ich mich noch zu jung.
6. Welchen Rat fürs Überleben geben Sie Ihren StudentInnen?
Immer zielstrebig den wirklichen Interessen folgen unddas vielfältige Angebot einer Universität nutzen.
7. Wenn Sie Rektor dieser Alma
Mater wären – was würden Sie als
erstes tun?
Beförderung des Lehraustausches zwischen den Fachbereichen dieser und
benachbarter Universitäten. Aufbau
von interdiszuiplinär angelegten
Forschungsdepartments.
8. Wenn Sie Bundesminister für
Forschung wären – was würden Sie
niemals tun?
Forschen.
.............................
.............................
.......................................................................
23. Wie lautet Ihre Lebensmaxime?
In unserem Familienwappen steht:
„veritas et claritas“.
24. Was halten Sie von Interviews?
Der Reiz eines Interviews liegt in der
Spontaneität der Antworten des Befragten.
Aus der Vita:
geboren 1956 in Darmstadt;
1977– 1984 Studium der Agrarbiologie in Stuttgart-Hohenheim;
1987 Promotion;
1988–1990 Forschungsaufenthalt an
der University of Guelph, Kanada;
1991–1994 Assistent Professor an
der Iowa State University in Ames,
USA;
seit 1994 Professor für Tierhaltung
und Nutztierökologie an der Landwirtschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität;
verheiratet seit 1985 mit Susanne von
Borell;
drei Kinder.
MUROF FORUM
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Gemeinsames Seminar von Universitäts- und Burg-StudentInnen
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studentisches
Kunstvermittlung „crossover“
Moderne Kunst macht es dem Betrachter heute nicht leicht, sie zu verstehen.
Kunst zu präsentieren und einem Publikum zu vermitteln, ist Aufgabe von Institutionen wie Galerien, Museen,
Sammlungen usw., wird aber auch von
Presse und Politik beeinflußt. Wie vermittelt wird, ist vor allem vom Publikum abhängig und geprägt durch gesellschaftliche Verhältnisse und Kunstauffassungen. Anlaß, dies zu diskutieren, gab das im Wintersemester 1997/
98 für Kunstgeschichtsstudenten und
Studenten der Burg Giebichenstein angebotene Seminar von Dr. Johannes
Stahl. Der Kurator aus Bonn ist bereits
ein Jahr lang mit dem Projekt
„Kunst ___ Sachsen-Anhalt“
beschäftigt. Die Ausstellung hierzu mit
dem Titel „Verlängerte Frohe Zukunft“
wurde am 21. März in der Moritzburg
eröffnet und ist dort noch bis zum 18.
Mai 1999 zu sehen.
Kunsthistoriker und das „richtige
Leben“
In dem Seminar mit dem Titel „Einführung in die Strukturen der Kunstvermittlung“ hatten etwa 20 Studentinnen
und Studenten aus Bonn und Halle –
hier waren es Studierende der MartinLuther-Universität und der Hochschule
für Kunst und Design Burg Giebichenstein – die Gelegenheit, praktische Erfahrungen in Köln und Bonn sowie in
Halle und Leipzig darüber zu sammeln, wie Kunst vermittelt wird und
aus welchen Gründen unterschiedliche
Wege gegangen werden. Die Blockveranstaltung ermöglichte den TeilnehmerInnen neben Kontakten zu Studierenden anderer Universitäten auch
Gespräche mit Veranstaltern. Solche
Einblicke in die Berufspraxis des Kunst-
nale Resonanz erworben werden kann.
Ganz anders wiederum wurde der
nächste Tag in Köln erlebt. Kunstvermittlung ist hier oft ein Spektakel der
Superlative. Die Kunstmesse art cologne, Sonderschauen und Fünf-SterneAusstellungen wie „I love New York“
im renommierten Museum Ludwig werden zu Attraktionen. Es sind Veranstaltungen, die über aktuelle Tendenzen
informieren, internationale Beachtung
und ihren Widerhall in den Massenmedien finden.
Kulturelles Gefälle – ja/nein?
Wo ist das kulturelle Gefälle größer:
zwischen Köln und Bonn oder Halle
und Leipzig oder vielleicht zwischen
Leipzig und Halle? Diese und andere
Fragen sollten im zweiten Teil des Seminars, der in Halle und Leipzig stattfand, beantwortet werden. Ausgangspunkt bildeten Referate und Diskussionen über beide Orte als Kunststädte.
Dabei ging es unter anderem um die
Kunstauffassung und Kulturpolitik der
DDR, welche die Kunstvermittlung
maßgeblich bestimmten. Natürlich
wurde auch über die aktuelle Situation
gesprochen, und wie im ersten Teil,
sollten Besuche verschiedener Institutionen helfen, die Unterschiede zwischen den beiden Städten zu erschließen. Leipzig versteht sich gern als
Kunststadt. Nachdem das Museum für
bildende Künste und die Hochschule
für Grafik und Buchkunst als Zeugnisse dieser Tradition vorgestellt wurden,
wandten sich die Studenten den aktuellen Bestrebungen zu. Neben renommierten Galerien wie „Eigen+Art“, die
bereits mit fünf Künstlern auf der Documenta X vertreten war, wurde vor
etwa einem Jahr in öffentlicher Träger-
Auszug aus dem Veranstaltungskalender
20. April, 19.30 Uhr: „Alle Tassen!“ Anmerkungen zur Kulturgeschichte
der Tasse. Rita Gründig, Staatliche Galerie Moritzburg Halle
22. April, 19.00 Uhr: Der Förderkreis lädt ein: BILD-IM-BISS.
27. April, 19.30 Uhr: „Standortdesign“. Ein Gespräch mit Dr. Johannes
Stahl und Dr. Gerd Harms, Kultusminister des Landes Sachsen-Anhalt
16. Mai, 18 Uhr: „Über einige Hebel der Kritik“. Matthias Flügge, Herausgeber der Zeitschrift „neue bildende kunst“
18. Mai: Auflösung des „Sonnenblumenfelds“ von Ludwig Ehrler
18. Mai, 16 Uhr, „Alle Tassen!“ Anmerkungen zur Kulturgeschichte der
Tasse mit Rita Gründig. Danach „Großer Café-Klatsch“ mit Ute Brade
18. Mai, 18 Uhr: Aus-Führungen. Cornelia Wieg, Dr. Johannes Stahl,
Joachim Penzel
18. Mai, 20 Uhr: Lesung mit Detlef Opitz: Klio. Annotate zur Moritzburg
Führungen
20. April, 18 Uhr, Raumerlebnis/Raumverständnis
4. Mai, 19 Uhr, Verlängerte Frohe Zukunft in der Dämmerung
16. Mai, 15 Uhr, Installation als Kunstform
(weitere Führungen nach Vereinbarung)
historikers sind in Seminaren selten,
denn meist geht es um die Vermittlung
von Inhalten. Zudem ließ die „crossover“ zusammengesetzte Gruppe von
vornherein auf lebendige Diskussionen
hoffen.
Viel Kunst in Köln, Bonn, Leipzig
und Halle
Zunächst ging es im November nach
Köln und Bonn. Die Studentinnen und
Studenten stellten in Referaten vor Ort
die jeweiligen Institutionen vor und zur
Diskussion. Dabei waren es in Bonn
Projekte wie die „Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik
Deutschland“ an der „Museumsmeile
Bonn“, die einer kritischen Betrachtung
unterzogen wurde. Hier nämlich war
die Gefahr zu spüren, Kunst und Kultur könne zu einem Instrument der Politik werden, die dort gerade stattfindende Ausstellung „Gen-Welten“ könne eine „Werbeveranstaltung“ sein.
Der anschließende Besuch des Bonner
Kunstvereins ließ erkennen, wie mit begrenzten Mitteln und mit großem Engagement seit Jahrzehnten überregio-
schaft die „Galerie für zeitgenössische
Kunst“ eröffnet, die erste in den neuen
Bundesländern. Gespräche mit Galeristen und Künstlern zeigten, daß in
Leipzig nicht nur Projekte mit Hilfe von
Investitionen der Stadt oder Sponsoren
entstehen, sondern daß gerade Einzelinitiativen viel bewirken können.
Der Besuch „alternativer Kunststandorte“ in Leipzig erschließt Kunstkonzepte, die in kein Museum passen. Alternativen und Impulse von „unten“ –
wie in Leipzig – sind auch in Halle nötig, und es gibt sie! „Kunst“, so Robert
Musil, „ist dort, wo wir sie am wenigsten erwarten“, z. B. in der Altbauwohnung einer Kunststudentin. Bereits viermal wurden hier Ausstellungen von
Studenten aus verschiedenen Fakultäten der Burg Giebichenstein präsentiert. Die Erfahrungen in Halle und
Leipzig sowie der Vergleich mit Köln
und Bonn lassen Vorstellungen von
dem entstehen, was man Halle alles
wünschen könnte. Eine erste Frucht
des ungewöhnlich vielseitigen Seminars konnte jedoch schon geerntet
werden: Die Ausstellung „eins a staub“
von Frauke Frötschl und Jan Apitz, die
Olaf Martens: Ohne Titel, 1999 (Ausschnitt), eines der Kunstwerke in der „Verlängerten Frohen Zukunft“. Der Künstler – hallescher Szenefotograf und Insidern als „Kultfigur“ der Modefotografie bekannt, präsentiert seine „Deutschen Klischee-Bilder“ parallel zu dieser Ausstellung an Litfaßsäulen der
Stadt.
kürzlich in der „Elfmetergalerie“ des
Instituts für Kunstgeschichte stattfand.
Sie ist ein Ergebnis der durch das Seminar geknüpften Kontakte und findet
hoffentlich viele Folgeprojekte zwischen angehenden Künstlern und
Kunsthistorikern. Kunst in Halle hat
also – nett gesagt – Entwicklungspotential.
Im Seminar sind Fragen nach der Aussagekraft des Kunststandortes Halle,
nach den Bedingungen und Möglichkeiten für Kunst und Kunstvermittlung
vor Ort und im Land entstanden.
Die eingangs genannte Ausstellung
„Verlängerte Frohe Zukunft“ will in einer Veranstaltungsreihe (siehe Kasten
links) Gelegenheit geben, über genau
diese Punkte nachzudenken. Ihr thematisches Anliegen lautet „Kunst am
Ort“. Das heißt konkret: 29 KünstlerInnen zeigen in 29 verschiedenen
räumlichen Situationen 29 einzelne Arbeiten in und außerhalb der Moritzburg. Man darf gespannt sein, wieviele
Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker das begleitende Veranstaltungsangebot nutzen werden.
Katja Spitzer