Die kolumbianische Drogenökonomie und ihre Bekämpfung
Transcription
Die kolumbianische Drogenökonomie und ihre Bekämpfung
Eberhard Karls Universität Tübingen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät Institut für Politikwissenschaft BACHELORARBEIT Die kolumbianische Drogenökonomie und ihre Bekämpfung im Rahmen des Plan Colombia Vorgelegt von: Telefon: Studiengang: Sarah Klemm B.A. Politikwissenschaft HF/ Medienwissenschaft NF Fachsemester: Matrikelnr.: Gutachter: Prof. Dr. Hans-Jürgen Bieling Ort: Abgabetermin: Tübingen 02.04.2013 Erklärung Ich erkläre hiermit, dass ich diese Arbeit selbstständig und nur mit den angegebenen Hilfsmitteln angefertigt habe und dass ich alle Stellen, die dem Wortlaut oder dem Sinn nach anderen Werken oder dem Internet entnommen sind, durch Angabe der Quellen als Entlehnung kenntlich gemacht habe. Mir ist bewusst, dass Plagiate als Täuschungsversuch gewertet werden und im Wiederholungsfall zum Verlust der Prüfungsberechtigung führen können. ______________________ ______________________ Ort, Datum Unterschrift Inhaltsverzeichnis I. Einleitung ...................................................................................................................... 6 II. Fallanalyse: der Konflikt in Kolumbien ...................................................................... 9 II.1 Der Beginn der Auseinandersetzungen .................................................................. 9 II.2 Der Siegeszug des Drogenhandels in Kolumbien ................................................ 10 II.3 Die Komplexität des kolumbianischen Falls ........................................................ 11 II.4 Der Plan Colombia .............................................................................................. 14 III. Theoretischer Hintergrund: Kolumbien als Kriegsökonomie .................................. 16 IV. Operationalisierung .................................................................................................. 18 IV.1 Datenquellen ....................................................................................................... 19 V. Diachroner Vergleich................................................................................................. 20 V.1 1999...................................................................................................................... 20 V.1.1 Informalisierung ............................................................................................ 20 V.1.2 Äußere Expansion ......................................................................................... 21 V.1.3 Innere Expansion und Entgrenzung .............................................................. 22 V.2 2002...................................................................................................................... 22 V.2.1 Informalisierung ............................................................................................ 23 V.2.2 Äußere Expansion ......................................................................................... 24 V.2.3 Innere Expansion und Entgrenzung .............................................................. 25 V.3 2007...................................................................................................................... 25 V.3.1 Informalisierung ............................................................................................ 26 V.3.2 Äußere Expansion ......................................................................................... 27 V.3.3 Innere Expansion und Entgrenzung .............................................................. 28 VI. Plan Colombia – ein Erfolgsmodell? ....................................................................... 29 VI.1 Erfolge des Plan Colombia................................................................................. 29 VI.2 Probleme und unerwünschte Nebenwirkungen .................................................. 30 VI.2.1 Zivile Opfer .................................................................................................. 30 VI.2.2 Probleme der Entlaubungsaktionen ............................................................. 31 VI.2.3 Der militärische Sieg als einzige Strategie .................................................. 33 VII. Fazit......................................................................................................................... 35 Literaturverzeichnis ........................................................................................................ 38 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Kolumbien und seine Departements .......................................................... 8 Abbildung 2: US-Hilfen an Kolumbien 1998-2007 ....................................................... 15 Abbildung 3: Kokaanbau in der Andenregion 1994-1999 ............................................. 21 Abbildung 4: Kokaanbaufläche und besprühte Fläche in Kolumbien 1995-2002 ......... 24 Abbildung 5: Kokaanbaufläche in Kolumbien 1995-2007............................................. 26 Abbildung 6: Kokainproduktion in Kolumbien 1995-2007 ........................................... 27 Abbildung 7: Kokaanbau in der Andenregion 1999-2007 ............................................. 28 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE I. Einleitung “The Americas have a drug problem. South America produces almost all of the world’s cocaine, and North America consumes half of it” (UNODC 2008a: 1). Seit Jahrzehnten engagieren sich die USA mehr als jedes andere Land der Welt bei der Bekämpfung des globalen Drogenhandels. Sie implementierten dabei eine strikte Prohibitionspolitik und legten den Schwerpunkt ihrer Maßnahmen auf die Angebotsbekämpfung – nach dem Prinzip: Wo keine Drogen produziert werden, gibt es auch nichts zu konsumieren. Seit der Verbreitung von Kokain als Modedroge in den 1970er- und 1980er-Jahren konzentriert sich ein Großteil ihrer Anstrengungen auf die Andenregion, mit den Kokaanbauländern Kolumbien, Bolivien und Peru. In Südamerika hat Koka eine lange Tradition als Heilpflanze. Doch die aus den Blättern gewonnene Koka-Paste dient auch als Grundlage für die Herstellung der pulverförmigen Droge Kokain-Hydrochlorid. Bereits in den 1970er-Jahren proklamierte Präsident Richard Nixon daher den War on Drugs. In dessen Zentrum: Kolumbien, Ursprungsland von zeitweise bis zu 80 Prozent des weltweit verfügbaren Kokains und Schauplatz des längsten Krieges des amerikanischen Kontinents. Seit den 1960er-Jahren kämpfen dort Guerillabewegungen, Paramilitärs und der Staat um politische und militärische Vorherrschaft und um die Einnahmen aus dem Drogengeschäft. Mit dem sogenannten Plan Colombia (PC) verabschiedeten die Regierungen der USA und Kolumbiens 1999 ein Drogenbekämpfungsprogramm, mit dessen Hilfe dem florierenden Kokainhandel und dem zunehmenden Kontrollverlust des kolumbianischen Staates Einhalt geboten werden sollten. Mehr als zehn Jahre und viele Milliarden US-Dollar (USD) später herrscht in Kolumbien noch immer kein Frieden. Nichtsdestotrotz wird der PC von zahlreichen US-amerikanischen Politikern als ein Erfolgsmodell im Krieg gegen die Drogen betrachtet. Er dient bei der Bekämpfung des Kokain- und Heroinhandels in anderen Ländern als Vorbild. So erklärte beispielsweise Mike Mullen, USamerikanischer Admiral und von 2007 bis 2011 Vorsitzender des Joint Chiefs of Staff (Vereinigte Stabschefs), bei einem Besuch in Kolumbien 2010: “I see the same kinds of challenges in Afghanistan, and I also see them in Mexico. And there’s a great deal to be 6 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE learned from the success that has been seen here in Colombia” (zitiert nach WOLA 2010a: 2). Der PC stieß jedoch auch auf scharfe Kritik, insbesondere von Seiten verschiedener Menschenrechtsorganisationen und südamerikanischer Politiker, die ihn für einseitig militärisch halten und seine Vorbildfunktion anzweifeln. Hinsichtlich möglicher zukünftiger politischer Entscheidungen im Bereich der Drogenbekämpfung ist es wichtig, ein klareres Bild von den Auswirkungen des PC zu erhalten. Die zentrale Frage, mit der ich mich in meiner Bachelorarbeit auseinandersetzen möchte, lautet daher: Inwiefern wurde die Drogenökonomie in Kolumbien durch den Plan Colombia nachhaltig reduziert? Um die Auswirkungen des PC beschreiben zu können, führe ich einen diachronen Vergleich durch. Ich untersuche dabei Zustand und Volumen der kolumbianischen Drogenökonomie im Jahr vor dem PC, zwei Jahre nach dessen Inkrafttreten und im Jahr nach der Kernphase. Meine These lautet: Der Plan Colombia kann nicht als Erfolgsmodell der Drogenbekämpfung gelten und auf andere Weltregionen übertragen werden. Er hat allenfalls eine kurzfristige Verbesserung der Sicherheitslage in Kolumbien herbeigeführt, die Koka- bzw. Kokainproduktion jedoch nicht nachhaltig reduziert. Ich werde im Folgenden zunächst auf den Fall Kolumbien eingehen, indem ich die Entstehung und Komplexität des dortigen Konflikts, die Ausbreitung des Kokainhandels und die Inhalte des PC darlege. In Teil III erläutere ich das Konzept von Kriegsökonomien nach Klaus Schlichte, das mir zur theoretischen Einordnung des Falles und zur Festlegung der Indikatoren für den diachronen Vergleich dient. In Teil V führe ich den Vergleich für die Jahre 1999, 2002 und 2007 durch. Die Ergebnisse des Vergleichs und die Probleme des PC werden daraufhin in Teil VI diskutiert und kritisch beleuchtet. Im Fazit fasse ich meine Resultate nochmals kurz zusammen. 7 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE Abbildung 1: Kolumbien und seine Departements 8 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE II. Fallanalyse: Der Konflikt in Kolumbien II.1 Der Beginn der Auseinandersetzungen Der in Kolumbien gewaltsam ausgetragene Konflikt ist, wie bereits erwähnt, der längste Krieg des amerikanischen Kontinents1. Sein Ausbruch ist auf einen La Violencia (Die Gewalt) genannten Bürgerkrieg zwischen 1948 und 1957 zurückzuführen. Dessen Auslöser war die Ermordung des Vorsitzenden der Liberalen Partei, Jorge Gaitán, die tatsächlichen Gründe waren jedoch komplexer. “La Violencia was a product of enormous dissatisfaction with a political system which saw economic and political power concentrated in the hands of a wealthy land-holding elite” (Inkster & Comolli 2012: 59). Der Bürgerkrieg, in dem die konservative Regierung gegen ein Bündnis aus Anhängern der Liberalen und kommunistischen Bewegungen kämpfte, kostete mehr als 200.000 Menschen das Leben (Schreiber 2011: 196). Beendet wurde er durch ein Abkommen, laut dem Konservative und Liberale fortan abwechselnd im Vierjahresrhythmus die Regierungsgeschäfte übernehmen sollten. Gegner der beiden großen Parteien wurden jedoch weiterhin bekämpft, die sozialen Probleme des Landes blieben ungelöst. Infolgedessen gründeten sich 1964, im offiziell ersten Jahr des bis heute andauernden Konflikts, die beiden Guerillabewegungen Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC, Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) und Ejército de Liberación Nacional (ELN, Nationales Befreiungsheer) sowie weitere, kleinere Gruppen, die in den darauffolgenden Jahrzehnten jedoch an Bedeutung verloren. Die Guerilla strebte nach einem Herrschaftswechsel in Kolumbien, wobei die FARC zunächst hauptsächlich um eine gerechtere Landverteilung kämpften, während das ELN stark marxistisch orientiert war bzw. ist (Schreiber 2011: 197). Als Reaktion auf die Aktivitäten der Guerilla entstanden ab 1965 paramilitärische Gruppen aus privaten Milizen der Großgrundbesitzer. Grundlage war ein Erlass der Regierung von 1964, der die Bildung von Selbstverteidigungstruppen 1 Krieg wird hier gemäß der Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) definiert als „gewaltsamer Massenkonflikt, in dem zwei oder mehr bewaffnete Streitkräfte an den Kämpfen unmittelbar beteiligt sind, dabei mindestens auf einer Seite reguläre Streitkräfte der Regierung; in dem ein Mindestmaß zentral gelenkter Organisation der Kriegsführenden und des Kampfes auf beiden Seiten gegeben ist, selbst wenn sich dies auf organisierte Abwehr oder auf strategisch-taktische Überfälle (Guerilla-Aktionen, Partisanenkrieg) beschränkt; und in dem die bewaffneten Operationen eine gewisse Kontinuität aufweisen, d.h. dass beide Seiten nach einer planmäßigen Strategie vorgehen. Dabei ist es gleichgültig, ob die Kämpfe auf dem Gebiet eines oder mehrerer Staaten stattfinden und wie lange sie dauern“ (Pfennig 2012: 117f). 9 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE erlaubte (Gray 2008: 73). Das Ziel der Paramilitärs war die Bekämpfung der Guerilla, die konservative Regierung unterstützte sie vielfach. Die unterschiedlichen Milizen bildeten im Laufe der Jahrzehnte zunehmend gut organisierte Blocks und schlossen sich 1997 schließlich in der Vereinigung Autodefensas Unidas de Colombia (AUC, Vereinigte Selbstverteidigungseinheiten Kolumbiens) zusammen. II.2 Der Siegeszug des Drogenhandels in Kolumbien Bei der Vermarktung von Koka bzw. Kokain wird – wie bei den meisten aus natürlichen Substanzen hergestellten Drogen – der höchste Profit am oberen Ende der Produktionskette erzielt. Bis zu 80 Prozent der Gewinne aus der Kokainproduktion verbleiben daher in den Ländern, in denen die Droge verkauft wird (Inkster & Comolli 2012: 18). Nichtsdestotrotz erzielen die Bauern der Andenländer mit Koka und der daraus hergestellten Koka-Paste um ein Vielfaches höhere Gewinne, als mit legalen Agrarprodukten. Bis zu den 1970er-Jahren wurde in Kolumbien nur sehr wenig Koka angebaut. Hauptproduzenten der traditionellen südamerikanischen Pflanze waren zu dieser Zeit die beiden anderen Andenländer Peru und Bolivien (Inkster & Comolli 2012: 55). Dies änderte sich Anfang der 1980er-Jahre durch die schlechte Wirtschaftslage in Kolumbien. Der schnelle Urbanisierungsprozess dieser Zeit hatte eine hohe Arbeitslosigkeit in den Städten zur Folge. Die Konzentration großer Landflächen in den Händen weniger Großgrundbesitzer führte zusätzlich dazu, dass zahlreiche Kleinbauern in die südlichen, wenig besiedelten Regionen des Landes migrierten, wo später die größten Kokaanbauflächen lagen. Der Anbau der Kokapflanze wurde für viele kolumbianische Bauern zur einzigen Möglichkeit, um den eigenen Lebensunterhalt zu sichern. Hinzu kam eine steigende Kokainnachfrage in den USA. Während der 1980er-Jahre wurde praktisch der gesamte kolumbianische Drogenhandel durch zwei mächtige Kartelle organisiert, die von den Großstädten Medellín und Cali aus operierten. Beide waren berüchtigt für den Einsatz von Auftragsmördern, den sogenannten sicarios: “The sicarios of the Medellin cartel were notorious for their brutality and inventiveness (…). By 1988 the city was experiencing a homicide every three hours” (Inkster & Comolli 2012: 58). 1987 unterschrieb die kolumbianische Regierung ein Auslieferungsabkommen mit den USA, um den 10 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE Drogenkartellen Herr zu werden. Dies hatte zunächst einen Anstieg der Gewalt zur Folge, mündete aufgrund des härteren Vorgehens der kolumbianischen Regierung und mit Unterstützung aus den USA aber schließlich in die Zerschlagung der beiden großen Kartelle. Langfristig führten das Ende des Medellín- und des Cali-Kartells zur Bildung zahlloser kleiner Mikro-Kartelle. Es begünstigte außerdem die Verstrickung der FARC und der AUC in den Drogenhandel. Die kolumbianische Kokaproduktion nahm nicht ab, im Gegenteil, Kolumbien stieg zum weltweit größten Produzenten von Koka auf. Sowohl die FARC als auch die AUC verfügten zu diesem Zeitpunkt aufgrund ihrer Involvierung in Kokaanbau und Drogenhandel bereits über große finanzielle Ressourcen und erhielten gleichzeitig einen regen Zulauf an Kämpfern. Der Konflikt verselbstständigte sich und der kolumbianische Staat schien dabei zunehmend machtlos. In dem Versuch, den Konflikt mit der Guerilla friedlich beizulegen, schuf die Regierung unter Präsident Andrés Pastrana Arango 1998 eine sogenannte Entspannungszone, die Zona de Distensión (Marcy 2010: 233). Die staatlichen Streitkräfte zogen sich aus diesem 42.000 Quadratkilometer großen Gebiet im Süden Kolumbiens zurück und überließen es den FARC. Die Guerilla nutzte die Zone fortan als Rückzugsgebiet und Ausgangspunkt für ihre Aktionen. II.3 Die Komplexität des kolumbianischen Falls Der kolumbianische Konflikt, wie er sich seit Ende der 1990er-Jahre darstellt, ist äußerst vielschichtig. Zahlreiche Faktoren tragen zu seiner langen Dauer bei. Dazu gehört beispielsweise die fließende Grenze zwischen Nichtkombattanten und Kombattanten. Die Zivilbevölkerung leidet zwar am meisten unter dem Konflikt, sie arbeitet aber auch wechselseitig mit der Guerilla, den Paramilitärs und den staatlichen Kräften zusammen. In diesem Zusammenhang ist auch die Kultur der Gewalt zu nennen, die sich in den fast fünf Jahrzehnten Krieg in der kolumbianischen Gesellschaft gebildet hat und den Friedensprozess erschwert (Jäger et al. 2007: 98ff.). Hinzu kommt die Geografie des Landes – das kolumbianische Territorium ist groß und insbesondere abgelegene ländliche Gegenden sind schwer zu kontrollieren. All diese Faktoren müssen für das Verständnis des Konflikts mitberücksichtigt werden. 11 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE Trotz der Komplexität des Falles kann angenommen werden, dass zwei Faktoren für die Dauer und eine mögliche Beendigung des Konflikts besonders relevant sind: Zum einen die Schwäche des Staates, auf die ich an dieser Stelle nur kurz eingehen kann, und zum anderen die Drogenökonomie und das damit verbundene ökonomische Gewinnstreben der bewaffneten Akteure. Die institutionelle Schwäche des kolumbianischen Staates durchzieht die Geschichte seiner Existenz: “The truth is that at no time in the history of the republic has the government in Bogotá been able to properly establish itself throughout the territory. In certain regions, the state has never held a monopoly on the use of force, does not provide basic infrastructure and social services, and does not protect property and persons” (Gray 2008: 71). Zusätzlich zum fragilen Gewaltmonopol und der fehlenden Erfüllung öffentlicher Aufgaben sind die meisten politischen, juristischen und militärischen Institutionen Kolumbiens in hohem Maße korrupt. Zahlreiche staatliche Eliten verdienen selbst am Drogenhandel und kooperieren mit den paramilitärischen Gruppen, ungeachtet der von diesen begangenen Menschenrechtsverletzungen. Dementsprechend gering ist das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat und in die Demokratie generell (Jäger et al. 2007: 38). Die Schwäche des Staates begünstigte wiederum die Etablierung der Drogenökonomie. Diese Drogenökonomie ist der Teil der kolumbianischen Kriegsökonomie, bei dem es um die Produktion von und den Handel mit Drogen geht. Sie verfestigte sich mit der zunehmenden Involvierung von Guerilla und Paramilitärs in die Produktion von Koka und Kokain. Damit einher gingen ein Zurücktreten der politisch-ideologischen Motive für den bewaffneten Kampf und eine Zunahme des ökonomischen Gewinnstrebens der Akteure. Am deutlichsten ist diese Entwicklung bei den paramilitärischen Gruppen. Diese sind an allen Stufen der Kokainproduktion beteiligt und beziehen daraus bis zu 70 Prozent ihrer Gesamteinnahmen (Jäger et al. 2007: 82). In den von ihnen kontrollierten Gebieten besteuern sie die Bevölkerung mit einer Abgabe, genannt colaboración. Weitere Einnahmen erzielen sie durch Erpressung und die finanzielle Unterstützung 12 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE durch Großgrundbesitzer und Unternehmen, die sich so Schutz vor den Angriffen der Guerilla erkaufen. Während das ELN nur marginal an der Drogenökonomie beteiligt ist, belaufen sich die Einnahmen der FARC aus dem Drogengeschäft auf mehrere Millionen USD jährlich. Dabei sind sie weniger an der Verarbeitung von Koka zu Kokain und dem Handel mit der Droge beteiligt. Sie kontrollieren vielmehr große Teile der Kokaanbaugebiete und erheben dort die sogenannte gramaje, eine Steuer in Höhe von acht Prozent auf die Produktion von Kokablättern und Koka-Paste (Labrousse 1999: 329). Andere wichtige Einnahmequellen der Guerilla sind Entführungen und Erpressung. Die politischen Motive der FARC existieren dabei nach wie vor, ökonomische Überlegungen haben aber stark an Bedeutung gewonnen. Es gibt sogar Fälle der Kooperation zwischen Paramilitärs und Guerilla zur beiderseitigen Gewinnsteigerung. Ein weiteres Indiz für die Bedeutung der ökonomischen Seite des Krieges ist der Zusammenhang zwischen dem Konfliktgrad einer Region und dem dortigen Ressourcenreichtum (Jäger et al. 2007: 73). Je größer die Kokaanbaufläche einer Region, desto mehr gewaltsame Todesfälle und bewaffnete Auseinandersetzungen gibt es. „Im Ergebnis hat sich der einst politisch dominierte Kampf, den die Guerillabewegungen gegen den kolumbianischen Staat und die diesen ‚unterstützenden‘ paramilitärischen Kräfte führten, mit der zunehmenden finanziellen Unabhängigkeit der Guerilla von ihrer sozialen Basis und der Paramilitärs von ihren Auftraggebern in einen Krieg verwandelt, der zwischen mächtigen bewaffneten Organisationen um den Zugang zu Ressourcen geführt wird. Zwar spielen ideologische Ziele für die Guerilla noch immer eine Rolle, die Stärke und Überlebenskraft der nichtstaatlichen Kriegsparteien liegt jedoch nicht in ihrer sozialen Basis, sondern in ihrem wirtschaftlichen Erfolg“ (Jäger et al. 2007: 89). Als die USA Ende der 1990er-Jahre begannen, stärker in den kolumbianischen Konflikt einzugreifen, erklärten sie dementsprechend die Bekämpfung der Drogenökonomie zu ihrem zentralen Anliegen, um so den bewaffneten Akteuren ihre finanzielle Grundlage zu entziehen. Im Folgenden werde ich Inhalt und Ziel des PC erläutern. 13 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE II.4 Der Plan Colombia Der Plan Colombia ging ursprünglich auf die Initiative des kolumbianischen Präsidenten Andrés Pastrana zurück. Pastranas Vorschlag war ein Zehn-Punkte-Plan, der unter anderem die Entwicklung von Alternativen zum Kokaanbau, die Verbesserung der Menschenrechtssituation in Kolumbien und Friedensgespräche mit der Guerilla beinhaltete und für den er die USA um finanzielle Unterstützung bat (Marcy 2010: 233). Die US-amerikanische Regierung unter Bill Clinton forderte jedoch ein deutlich aggressiveres, militärisch ausgerichtetes Vorgehen, um die Drogenökonomie und die Guerilla zu bekämpfen. Daher hatte der letztlich 1999 vom Kongress verabschiedete und ab 2000 in Kraft tretende Plan Colombia mit Pastranas ursprünglichem Vorschlag nicht mehr viel gemein: “The plan was essentially a White House text. (…) Neither the Colombian Parliament and its committees, nor the National Council for Peace (Consejo Nacional de Paz), an important Colombian institution at the time, had been invited to discuss the plan. The FARC had not been informed either. (…) While the earlier version of the plan had emphasized the need to find a peaceful solution to the Colombian conflict in order to reduce drug supplies, the new version was based on the rationale that a reduction of drug supplies was a precondition for achieving peace” (Friesendorf 2007: 130f.). Insgesamt sollte der PC 7,5 Mrd. USD kosten, der US-amerikanische Kongress bewilligte zunächst 1,3 Mrd. USD für die ersten beiden Jahre. Vier Milliarden wurden vom kolumbianischen Staat beigesteuert, den Rest sollten andere Geberländer übernehmen. Kolumbien wurde damit zum drittgrößten Empfänger von US-Hilfe nach Israel und Ägypten. Mehr als 75 Prozent des Geldes flossen an das kolumbianische Militär und die Polizei, ein wesentlich geringerer Anteil wurde für soziale Programme und die Entwicklung ökonomischer Alternativen zum Kokaanbau eingeplant (vgl. Abbildung 2). 14 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE Abbildung 2: US-Hilfen an Kolumbien 1998-2007 (Daten: WOLA 2010a) $1.200.000.000 $1.000.000.000 $800.000.000 $600.000.000 $400.000.000 $200.000.000 $0 Hilfen für Militär und Polizei Ökonomische und soziale Hilfen Das Ziel des PC war die Reduzierung von Kokaanbau, Kokainproduktion und Drogenhandel um 50 Prozent innerhalb von sechs Jahren. Dazu erhielt Kolumbien zum einen massive militärische Unterstützung – finanzieller Art, aber auch in Form von 61 Kampfhubschraubern und 500 Militärberatern (Marcy 2010: 234). Diese sollten die kolumbianische Armee bei der Bildung von drei 2.300 Mann starken Antidrogenbataillonen unterstützen, mit deren Hilfe die Guerilla aus den südlichen Departements Caquetá und Putumayo vertrieben werden sollte. Auf den Anbauflächen Putumayos wuchs damals genug Koka für die Hälfte der kolumbianischen Kokainproduktion. Der sogenannte Push into southern Colombia sollte dem ein Ende setzen (Friesendorf 2007: 132). Zum anderen war die Entlaubung von Kokaplantagen mit Hilfe von Flugzeugen, aus denen die Pflanzen mit einem Pestizid besprüht wurden, zentraler Bestandteil des PC. Ab 2001 wurde der PC im Rahmen der sogenannten Andean Regional Initiative (ARI) fortgesetzt. Deren Implementierung war eine Reaktion auf internationale Kritik am PC – insbesondere die Europäische Union war nicht bereit, das Programm mitzufinanzieren – und bezog Kolumbiens Nachbarstaaten in die Maßnahmen mit ein. So erhielten Bolivien, Brasilien, Ecuador, Panama, Peru und Venezuela im Jahr 2002 insgesamt mehr als 400 Millionen USD von den USA (Jäger et al. 2007: 240). Im Allgemeinen gilt die ARI jedoch als Fortsetzung des PC unter einem anderen Namen. 15 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE Insgesamt erhielt Kolumbien zwischen 2000 und 2008 ca. sechs Milliarden USD von den USA (Helfrich 2009: 2). Ab 2007/08 gab es politische Richtungswechsel hinsichtlich der Drogenbekämpfung. So legte die 2006 erzielte demokratische Kongressmehrheit in den USA 30 Prozent der Gelder für Kolumbien von militärischer auf nicht-militärische Hilfe um. Obwohl dies keinen grundlegenden Paradigmenwechsel mit sich brachte, können die Jahre 2000 bis 2007 als Kernphase des PC in seiner von der Clinton-Administration erarbeiteten Fassung angesehen werden (CIP 2012: 1). Ab 2007/08 traten Folgeprogramme in Kraft, wie die sogenannte Integrated Action und der National Consolidation Plan. Aus diesem Grund werde ich in meinem diachronen Vergleich die Kernphase des PC zwischen 2000 und 2007 untersuchen. Im Folgenden werde ich auf den theoretischen Hintergrund meines Forschungsvorhabens eingehen. III. Theoretischer Hintergrund: Kolumbien als Kriegsökonomie Zur theoretischen Erfassung des kolumbianischen Konflikts möchte ich mich auf Klaus Schlichtes Ansatz zu Kriegsökonomien beziehen. Schlichtes Konzept steht im Zusammenhang mit der nach dem Ende des Ost-West-Konflikts einsetzenden theoretischen Diskussion zur ökonomischen Seite moderner Kriege. Diese war zunächst von Autoren wie Paul Collier und Georg Elwert angestoßen worden: “Collier and likeminded researchers attacked the long-standing view that ideologies and identities, which they refer to as grievances, cause civil violence” (Gray 2008: 64). Sie gingen im Gegenteil davon aus, dass die Grundlage aktueller, lang andauernder Kriege das rationale, ökonomische Gewinnstreben der beteiligten Akteure ist. Demgegenüber betonte u.a. Jürgen Endres (2001: 29), dass ökonomisches Handeln als Konsequenz des Kriegsgeschehens angesehen werden kann, nicht jedoch als ursprüngliches Motiv der Akteure. Nach der Definition Klaus Schlichtes ist eine Kriegsökonomie ein „sozialer Raum, in dem die Verteilung und Aneignung von Ressourcen gewaltgesteuert verläuft: Physische Gewalt wird eingesetzt, um Güter zu erlangen, um Chancen ihrer Veräußerung abzusichern und um Ressourcen zu generieren“ (Schlichte 2002: 11). Randbedingung für die Bildung eines solchen sozialen Raumes ist meist ein 16 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE institutionell schwacher Staat, der zentrale Aufgaben nicht erfüllen kann. Aufständische Kräfte wie Rebellengruppen oder Warlords werden dann anstelle des Staates zu den zentralen Akteuren des Wirtschaftssystems. Sie übernehmen auch ehemals staatliche Aufgaben, wie den militärischen Schutz der Zivilbevölkerung (Jäger et al. 2007: 63). Kriegsökonomien können nasch Schlichte durch vier zentrale Merkmale charakterisiert werden: innere Expansion, äußere Expansion, Informalisierung und Entgrenzung. Innere Expansion bedeutet, dass Kriegsökonomien die Gesellschaft in all ihren Schichten durchdringen und dazu führen, dass immer mehr Güter zur Kriegsware werden. Waffen, Drogen, Bodenschätze und andere natürliche Ressourcen sind hart umkämpft und große Teile der Bevölkerung werden zu Kriegsteilnehmern. Durch die äußere Expansion beschränken sich Kriegsökonomien in der Regel nicht auf nationalstaatliche Grenzen. Sie destabilisieren ganze Regionen und bedrohen die politische und soziale Ordnung auch in benachbarten Ländern. Informalisierung beschreibt die Entstehung einer informellen Schattenwirtschaft und deren Ankoppelung an die Schattenseiten der Weltwirtschaft. Es ist insbesondere diese gewinnträchtige Ankoppelung, die einem Ende des Krieges im Weg steht. Das letzte Merkmal der Entgrenzung meint die Tendenz zur Aufhebung bekannter Grenzen in Kriegsökonomien. So lassen sich Kriegs- und Friedenszeiten ebenso wenig voneinander unterscheiden wie Zivilisten und Kombattanten. Auch eine klare Front ist nicht auszumachen. In den betroffenen Staaten kommt es zur Entstehung eines mit seiner Umwelt eng verbundenen Systems, „eines Systems von Macht und Profit, das auf der Fortexistenz des Zustandes ‚Krieg‘ beruht und allein durch die Beendigung des Krieges – also durch den Frieden – gefährdet ist“ (Endres 2001: 27). Im Ergebnis verselbstständigt sich der zugrundeliegende Konflikt, er wird zur alltäglichen finanziellen Grundlage großer Teile der Bevölkerung. Dieses Verständnis von der Funktionsweise und den Charakteristiken von Kriegsökonomien lege ich meiner Arbeit zugrunde. Es ermöglicht mir die Festlegung von Indikatoren zur Beschreibung der Ausmaße der Drogenökonomie in Kolumbien. Diese werden im folgenden Teil vorgestellt. 17 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE IV. Operationalisierung Die unten stehende Auflistung nennt die Indikatoren, die mir über das Ausmaß der Drogenökonomie Aufschluss geben, geordnet nach den vier Merkmalen von Kriegsökonomien nach Schlichte. Innere Expansion und Entgrenzung fasse ich zusammen, da beide Merkmale die innergesellschaftliche Ausbreitung der Kriegsökonomie und ihre Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung betreffen. Informalisierung: Kokaanbau in Kolumbien unter Berücksichtigung der einzelnen Departements Geschätzte Kokainproduktion in Kolumbien Kokainpreise in Kolumbien Größe der aus der Luft bzw. manuell vernichteten Kokaplantagen Menge des in Kolumbien beschlagnahmten Kokains Äußere Expansion: Kokaanbau und geschätzte Kokainproduktion in Peru und Bolivien Globales Kokainangebot Kokainnachfrage in den USA Innere Expansion Geschätzte Truppenstärke der FARC und der und Entgrenzung: paramilitärischen Gruppen Anzahl der Tötungsdelikte Anzahl der Binnenvertriebenen Die aufgelisteten Indikatoren ergeben kein erschöpfendes Bild von allen Aspekten der Drogenökonomie, sie ermöglichen es mir jedoch, Aussagen über die Auswirkungen des PC zu treffen. Bei meinen Betrachtungen zur Guerilla konzentriere ich mich auf die FARC und lasse das ELN aufgrund seiner militärischen Schwäche und seiner geringen Involvierung in die Drogenproduktion außen vor. Außerdem beschränke ich mich bei meinem Vergleich auf die Produktion von Koka bzw. Kokain. Zwar wird in Kolumbien auch Mohn zur Herstellung von Heroin angebaut, jedoch in sehr viel geringerem Ausmaß. So wurden 2007 in Kolumbien nur ungefähr zwei Tonnen Heroin 18 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE hergestellt – gegenüber rund 600 Tonnen (t) Kokain (UNODC 2009: 6). Die Betrachtung der Kokaproduktion ist daher ausreichend, um Aussagen über die Wirkungen des PC treffen zu können. Unter der Annahme, dass die institutionelle Schwäche des kolumbianischen Staates während der Kernphase des PC keine grundlegenden Änderungen erfahren hat, untersuche ich mithilfe des diachronen Vergleichs den Einfluss des von den USA mitfinanzierten PC (unabhängige Variable) auf die Drogenökonomie in Kolumbien (abhängige Variable). Ich versuche dabei nicht, einen deterministischen Zusammenhang zu postulieren. Ich möchte vielmehr herausfinden, ob die optimistischen Einschätzungen bezüglich des Erfolgs des PC von US-amerikanischer Seite zutreffend sind und die wichtigsten Gründe identifizieren. IV.1 Datenquellen Alle Untersuchungen und Publikationen zum Volumen der Produktion und des Handels mit Drogen stützen sich auf zwei zentrale Datenquellen: Dabei handelt es sich erstens um das United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC), das seinen Untersuchungen eine strenge Methodologie zugrunde legt und dessen Statistiken die von nationalen Regierungen bereitgestellten Daten mit den Ergebnissen eigener Beobachtungen kombinieren. Zweitens existieren zahlreiche von US-amerikanischer Seite erhobene Daten in Form von Publikationen des United States Office of National Drug Control Policy (ONDCP), bzw. des einmal jährlich erscheinenden International Narcotics Control Strategy Report (INCSR), herausgegeben vom US Department of State. Die Daten des ONDCP beruhen dabei vorrangig auf Satellitenbildern. Präzise Daten sind angesichts der illegalen Produktions- und Handelsstrukturen des Drogengeschäfts naturgemäß schwer zu erlangen und insbesondere das UNODC weist in seinen Berichten klar auf diese Schwierigkeiten hin. Die Größe der Kokaanbauflächen kann mithilfe von Satellitenbildern zwar relativ genau angegeben werden, dies erlaubt jedoch noch keine eindeutigen Aussagen über die Menge der tatsächlich geernteten Kokablätter. So kann eine kleinere Anbaufläche unter Umständen mehr Kokain hervorbringen als eine große Plantage, je nachdem welche Kokaart angebaut wird, inwiefern sie von Vernichtungsmaßnahmen betroffen ist etc. Dementsprechend sind die Werte für die Menge des aus kolumbianischer Koka 19 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE hergestellten Kokains Schätzungen, beruhend auf dem Potential der vorhandenen Anbauflächen. Selbst die Angaben zu der Größe der Anbauflächen in den Berichten von UNODC und ONDCP unterscheiden sich teils beträchtlich. Obwohl die Daten mit einigen Unsicherheiten behaftet sind, weisen insbesondere die seit 1999 jährlich veröffentlichten Berichte und Studien des UNODC auf klare Tendenzen hin. Aus diesem Grund werden diese Berichte von einer Mehrzahl der Autoren als Quelle herangezogen (Inkster & Comolli 2012: 16). Auch ich werde mich im Folgenden auf die Erhebungen des UNODC stützen und diese, wenn nötig, mit Daten der kolumbianischen Regierung und des, ebenfalls jährlich erscheinenden, INCSR kombinieren. V. Diachroner Vergleich Auf den folgenden Seiten werde ich den Zustand der Drogenökonomie in den Jahren 1999, 2002 und 2007 anhand der vorgestellten Indikatoren vergleichen, um daraufhin in Teil VI die Ergebnisse des Vergleichs und die Auswirkungen des PC zu diskutieren. V.1 1999 Das Jahr 1999 war das Jahr vor der Implementierung des Plan Colombia, in dem ein aggressiveres Vorgehen gegen die Drogenökonomie beschlossen wurde. In den Jahren davor waren Kokaanbau und Kokainproduktion in Kolumbien konstant angestiegen, so dass 1999 etwa 80 Prozent des weltweit erhältlichen Kokains aus kolumbianischen Kokapflanzen stammte. V.1.1 Informalisierung Der Kokaanbau in Kolumbien erreichte 1999 den historischen Höhepunkt von 160.100 Hektar (ha). Wie bereits erwähnt, wurde etwa die Hälfte davon in den südlichen Departements Putumayo und Caquetá angebaut, in denen auch die FARC und die AUC sehr aktiv waren. So verfügte Putumayo im März 1999 über 58.297 ha 20 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE Kokaanbaufläche, in Caquetá waren es 23.718 ha (UNODC 2003: 14). Die potenzielle Kokainproduktion erreichte dementsprechend ebenfalls hohe Werte, sie lag 1999 bei ca. 680 t. Der Preis für Kokain lag in Kolumbien bei 1.592 USD/kg. Vor dem PC gab es bereits Maßnahmen zur Vernichtung von Kokaplantagen – vorrangig aus der Luft – jedoch in sehr viel geringerem Ausmaß. So wurden 1999 insgesamt 43.111 ha Koka durch Besprühung aus der Luft zerstört (UNODC 2004: 51). Manuelle Vernichtung am Boden wurde damals noch nicht durchgeführt. Die Menge des beschlagnahmten Kokains betrug im Jahr vor dem PC ca. 47 t. V.1.2 Äußere Expansion Während sich der Kokaanbau in Kolumbien während der gesamten 1990er-Jahre ausgeweitet hatte, war er in Bolivien und Peru, den beiden anderen Koka produzierenden Andenländern, zurückgegangen. Tatsächlich erreichte die Kokaproduktion in beiden Ländern 1999 einen Tiefpunkt, wie aus Abbildung 3 ersichtlich wird. Abbildung 3: Kokaanbau in der Andenregion 1994-1999 (Daten: UNODC 2004) 250.000 ha 200.000 ha 150.000 ha 100.000 ha 50.000 ha 0 ha 1994 1995 Kolumbien 1996 Bolivien 1997 1998 1999 Peru So wurde in Peru 1999 auf 38.700 ha Koka angebaut, daraus wurden etwa 175 t Kokain gewonnen. In Bolivien wuchsen 21.600 ha Koka, die potenzielle Kokainproduktion betrug 60 t. Das globale Kokainangebot lag damit insgesamt bei etwa 925 t. 21 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE Die absolute Kokainnachfrage in den USA war während der 1980er- und 1990er-Jahre tendenziell gestiegen und lag im Jahr 1999 Schätzungen zufolge bei 422 t (World Drug Report 2010: 76). V.1.3 Innere Expansion und Entgrenzung Im Jahr 1999 hatten sich beide illegalen Gruppen, FARC und AUC, aufgrund ihrer steigenden Einnahmen aus dem Drogengeschäft zu schlagkräftigen, bewaffneten Akteuren entwickelt, denen der kolumbianische Staat in Truppenstärke und Ausrüstung nicht gewachsen war. Mit der zunehmenden Involvierung in den Drogenhandel schwand zwar die Akzeptanz der Bevölkerung für die politischen Anliegen der Guerilla wie auch der Paramilitärs, zahlreiche Zivilisten liefen aufgrund der guten Ausrüstung und vergleichsweise guten Bezahlung der Kämpfer dennoch zu einer der beiden Gruppen über. So bestanden sowohl die FARC als auch die AUC Ende der 1990erJahre aus etwa 20.000 Kämpfern (Schreiber 2011: 198). Die Sicherheitslage in Kolumbien war dementsprechend fatal. Im Jahr 1999 kam es insgesamt zu 24.355 Tötungsdelikten. Aufgrund der Kämpfe um die Kontrolle über ressourcenreiche Gebiete wurden 288.127 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Viele von ihnen flohen in die Großstädte Medellín, Cali und Bogotá, was dort zur Entstehung großer Armenviertel führte: “By 1998 the overall security situation in Colombia had deteriorated to the point where road travel out of Bogota, as well as Cali and Medellin to mention a few, was almost certain to result in either death or kidnapping, and Western governments were beginning to speculate that Colombia might be heading towards state failure amid a perfect storm of narcotics-enabled violence” (Inkster & Comolli 2012: 61f.). Dies war die Situation in Kolumbien, als die Maßnahmen des Plan Colombia einsetzten. V.2 2002 Im Jahr 2002 war der PC bereits seit zwei Jahren in Kraft. Der Push into southern Colombia wurde durchgeführt, 22 ebenso wie umfangreiche DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE Drogenvernichtungsmaßnahmen aus der Luft, insbesondere ab Dezember 2000. Erste Erfolge schienen sich daraufhin umgehend einzustellen. V.2.1 Informalisierung 2002 schrumpfte die Kokaanbaufläche in Kolumbien von 144.800 ha im Jahr 2001 auf 102.000 ha. Besonders auffällig war der Rückgang in den südlichen Departements, in denen die Drogenökonomie mit besonderer Härte bekämpft wurde. In Putumayo sank die Kokaproduktion auf 13.725 ha, in Caquetá waren es 2002 noch 8.412 ha (UNODC 2003: 14). Zu beobachten war allerdings auch ein Anstieg der Produktion in anderen Teilen Kolumbiens. Im Departement Arauca existierten 1999 beispielsweise keine Kokaplantagen, 2002 wurden dort 2.214 ha angebaut. Einen besonders deutlichen Anstieg verzeichnete die Region Nariño, wo die Anbaufläche von 3.959 ha im Jahr 1999 auf 15.131 ha im Jahr 2002 stieg. In Nariño wurden damit 1999 nur sechs Prozent von Kolumbiens Kokaproduktion angebaut – 2002 waren es 15 Prozent (UNODC 2003: 13). Der Anbau verteilte sich insgesamt gleichmäßiger über Kolumbiens ländliche Gegenden und wich dabei in die dichter bewaldeten Grenzregionen aus. Während 1999 in zwölf der 32 Departements Koka angebaut wurde, waren es 2002 bereits 21. Die Kokainproduktion in Kolumbien war bis 2002 auf 580 t gesunken, der Kokainpreis hatte sich mit 1.532 USD/kg aber kaum verändert. Die Drogenvernichtung aus der Luft wurde – wie geplant – stark intensiviert. Verantwortlich für ihre Durchführung ist die kolumbianische Drogenpolizei (Dirección de Antinarcóticos, DIRAN). Mit Unterstützung durch die USA besprühte sie allein 2002 130.364 ha Koka aus der Luft, mehr als 50 Prozent davon in Putumayo (UNODC 2003: 40). Die Reduzierung der Kokaanbaufläche ab 2000 schien den Erfolg der Besprühungen zu belegen (vgl. Abbildung 4). Die Menge des beschlagnahmten Kokains betrug 2002 etwa 95 t. 23 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE Abbildung 4: Kokaanbaufläche und besprühte Fläche in Kolumbien 1995-2002 (Daten: UNODC 2003) 180.000 ha 160.000 ha 140.000 ha 120.000 ha 100.000 ha Anbaufläche 80.000 ha 60.000 ha Besprühte Fläche 40.000 ha 20.000 ha 0 ha Um den Bauern eine Alternative zum Kokaanbau zu bieten, wurden zu Beginn des PC Programme zur sogenannten alternativen Entwicklung durchgeführt. Die Regierung unterstützte die Bauern beispielsweise durch Subventionen beim Anbau anderer landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Im PC waren von den 1,3 Mrd. USD der ersten zwei Jahre jedoch nur ca. 80 Mio. USD für derlei Maßnahmen vorgesehen. Der kolumbianische Staat verfügte darüber hinaus nicht über die nötige Infrastruktur und institutionelle Ausstattung, um die Programme erfolgreich umzusetzen. Die finanzielle Förderung von Alternativen zum Kokaanbau wurde daher ab 2002 gestrichen (Marcy 2010: 237). V.2.2 Äußere Expansion Die Reduzierung der Kokaanbaufläche in Kolumbien ging in den ersten Jahren des PC nicht mit einer deutlichen Zunahme in den beiden anderen Produzentenländern Bolivien und Peru einher. In Peru wuchs die Anbaufläche zwar auf 46.700 ha an, in Bolivien sank sie aber leicht ab und betrug 2002 noch 21.600 ha. Die Kokainproduktion der beiden Länder blieb mit 160 t bzw. 60 t relativ konstant. Dementsprechend sank das globale Kokainangebot auf etwa 800 t. Auch die Kokainnachfrage in den USA verzeichnete mit 360 t im Jahr 2002 einen leicht abnehmenden Trend. 24 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE V.2.3 Innere Expansion und Entgrenzung Nach dem 11. September 2001 wurden die FARC von den USA, und daraufhin auch von der kolumbianischen Regierung, als terroristische Organisation eingestuft, was zur Verschmelzung von Drogen- und Aufstandsbekämpfung beitrug: “In fact, it soon became clear that the Bush administration would escalate US involvement in Colombia” (Friesendorf 2007: 136). Durch die Unterstützung aus den USA dezimierte das kolumbianische Militär die FARC auf etwa 16.000 Mann. 2002 wurde außerdem die von Präsident Pastrana geschaffene Entspannungszone aufgelöst und die unter Druck geratene Guerilla wich in andere Gebiete aus. Die Truppenstärke der AUC wuchs unterdessen weiter und lag 2002 bei ca. 12.000 Mann (UNODC 2004: 40). Den Auseinandersetzungen mit den FARC fielen bei alledem zahlreiche Zivilisten zum Opfer, die Sicherheitslage in Kolumbien besserte sich zunächst nicht: “Violence escalated, and by March 2001, nearly ten thousand campesinos were displaced as guerrillas, paramilitaries, and the Colombian military fought for control over the coca-growing region” (Marcy 2010: 236). Im Jahr 2002 wurden insgesamt 28.837 Tötungsdelikte verübt und 412.553 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Damit gab es in Kolumbien insgesamt mehr als zwei Millionen Binnenvertriebene. Im gleichen Jahr wurde Álvaro Uribe Vélez, der für ein hartes Vorgehen gegen die FARC eintrat, zum Präsidenten Kolumbiens gewählt. Sein zentrales politisches Programm war die Política de Defensa y Seguridad Democrática (Demokratische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik), die wie der PC das Ziel verfolgte, den bewaffneten Gruppen ihre Drogeneinnahmen zu entziehen (Lessmann 2010: 384). Ein Bestandteil dieser Strategie war auch die Bildung eines Netzwerks von 1,5 bis zwei Millionen zivilen Informanten, mit dessen Hilfe Unterstützer der FARC enttarnt werden sollten. V.3 2007 Zwischen 2002 und 2007 wurden die militärische Bekämpfung der FARC und die Entlaubung von Kokaplantagen aus der Luft fortgesetzt. Hinzu kam die verstärkte manuelle Vernichtung von Anbauflächen durch Bodeneinheiten der DIRAN. Das kolumbianische Militär gewann die Kontrolle über 140 von 158 Provinzen, in denen 2002 noch keinerlei staatliche Präsenz vorhanden war. “Moreover, several FARC 25 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE commanders were captured or killed, and the Colombian government reported fewer massacres committed by non-state armed groups, and an increase in guerilla desertions” (Friesendorf 2007: 139). 2005 verabschiedete die kolumbianische Regierung ein Gesetz (Ley de Justicia y Paz) über die Demobilisierung und (faktisch) straffreie Reintegration paramilitärischer Kräfte (Vargas 2005: 127). Etwa 23.000 Kämpfer legten daraufhin offiziell ihre Waffen nieder, die AUC löste sich auf. Die ökonomische und politische Macht der Paramilitärs wurde durch das Gesetz jedoch nicht angetastet und in den Folgejahren bildeten sich erneut zahlreiche Selbstverteidigungsmilizen im gesamten Staatsgebiet. V.3.1 Informalisierung Der 2000 begonnene Trend des Schrumpfens der Kokaanbaufläche in Kolumbien endete 2005, als die Fläche erstmals wieder anstieg. 2007 lag sie mit 99.000 ha fast auf dem Stand von 2002, wie aus Abbildung 5 ersichtlich wird. Abbildung 5: Kokaanbaufläche in Kolumbien 1995-2007 (Daten: UNODC 2004; 2008b) 180.000 ha 160.000 ha 140.000 ha 120.000 ha 100.000 ha 80.000 ha 60.000 ha 40.000 ha 20.000 ha 0 ha 1995199619971998199920002001200220032004200520062007 Anbaufläche Die Anbaufläche verteilte sich dabei auf 23 Departements, hatte sich also weiter diversifiziert. In Nariño war sie auf 20.259 ha angestiegen, womit das Departement nun 21 Prozent der kolumbianischen Kokaplantagen beherbergte. Putumayo verzeichnete im Vergleich zu 2002 ebenfalls einen leichten Anstieg. Auffällig war das Auftauchen von Plantagen in traditionell eher untypischen Kokaanbaugebieten. In den Departements 26 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE Bolívar und Norte de Santander nahm die Anbaufläche im Vergleich zum Vorjahr beispielsweise um 136 bzw. 299 Prozent zu (UNODC 2008b: 67). Insgesamt wurde das Ziel des PC, die kolumbianische Kokaproduktion um 50 Prozent zu reduzieren, demnach klar verfehlt. Auch die Kokainproduktion war wieder angestiegen und betrug 2007 etwa 600 t. Sie war damit trotz der im Vergleich zu 1999 reduzierten Anbaufläche fast genauso hoch wie im Jahr vor dem PC (vgl. Abbildung 6). Der Kokainpreis in Kolumbien war leicht gestiegen und betrug ca. 2.201 USD/kg. Abbildung 6: Kokainproduktion in Kolumbien 1995-2007 (Daten: UNODC 2007b; 2009) 800 t 700 t 600 t 500 t 400 t 300 t 200 t 100 t 0t 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 Kokainproduktion Die Entlaubung von Kokaplantagen war mit unveränderter Intensität fortgesetzt worden. 2007 besprühte die DIRAN 153.135 ha aus der Luft, weitere 66.805 ha wurden manuell vernichtet (WOLA 2010a: 9). Beschlagnahmt wurden etwa 127 t Kokain. Der Anstieg der Koka- und Kokainproduktion konnte dadurch jedoch nicht verhindert werden. V.3.2 Äußere Expansion In Bolivien und Peru war seit 2003 ein Anstieg der Kokaanbaufläche zu beobachten. Diese betrug 2007 etwa 53.700 ha in Peru und 28.900 ha in Bolivien. Die Kokaproduktion in den drei Andenländern war damit insgesamt wieder über den Stand von 2001 angestiegen (vgl. Abbildung 7). 27 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE Abbildung 7: Kokaanbau in der Andenregion 1999-2007 (Daten UNODC 2008b) 250.000 ha 200.000 ha 150.000 ha 100.000 ha 50.000 ha 0 ha 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 Kolumbien Bolivien Peru Die beiden Länder produzierten 2007 etwa 290 t (Peru) bzw. 104 t (Bolivien) Kokain. Das globale Kokainangebot betrug demnach etwa 994 t und war damit höher als im Jahr 1999. Gleiches gilt für die Kokainnachfrage in den USA in Höhe von ca. 458 t (World Drug Report 2010: 76). V.3.3 Innere Expansion und Entgrenzung Die Sicherheitslage in Kolumbien hatte sich bis 2007 insgesamt verbessert, was nicht zuletzt auf die Schwächung der FARC zurückzuführen ist. Diese bestanden 2007 nur noch aus 8.000 bis 9.000 Kämpfern und waren aus vielen Regionen zurückgedrängt worden. Die Truppenstärke der Paramilitärs wurde demgegenüber auf etwa 6.000 Mann geschätzt, die sich nach der Auflösung der AUC in kleinen Milizen reorganisiert hatten. Die Anzahl der Tötungsdelikte war auf 17.198 zurückgegangen (Ministerio de Defensa Nacional 2012: 3). Bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen staatlichen Streitkräften und Guerilla wie auch zwischen Guerilla und Paramilitärs kamen jedoch weiterhin häufig vor, weswegen die Anzahl Binnenvertriebener unverändert hoch blieb. Im Jahr 2007 flohen erneut 305.966 Menschen aus ihrer Heimat. Damit gab es in Kolumbien insgesamt mehr als drei Millionen Binnenvertriebene, eine Zahl, die damals nur noch durch den Sudan übertroffen wurde (Friesendorf 2007: 157). 28 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE VI. Plan Colombia – ein Erfolgsmodell? Durch den diachronen Vergleich wird ersichtlich, dass der PC gemischte Ergebnisse hervorgebracht hat. Neben einigen vielversprechenden Veränderungen gab es auch unangenehme Auswirkungen, und selbst die auf den ersten Blick positiven Entwicklungen müssen kritisch beleuchtet werden. VI.1 Erfolge des Plan Colombia Die Entwicklung der Koka- und Kokainproduktion wurden im oben durchgeführten diachronen Vergleich dargelegt. Obwohl die potenzielle Kokainproduktion in Kolumbien durch den PC nicht abnahm, wurde die deutliche Reduzierung der Kokaanbaufläche von US-amerikanischer Seite als Erfolg gewertet und als Beweis für die Wirksamkeit der Kokavernichtung aus der Luft angesehen. Diese ist ein einfach durchführbares Mittel zur Einschränkung des Kokaanbaus, dessen langfristige Wirksamkeit jedoch umstritten ist. Der Haupterfolg des PC ist sicherlich die Verbesserung der Sicherheitslage in Kolumbien. So wurde, wie unter IV. gezeigt, die Truppenstärke der illegalen bewaffneten Akteure deutlich reduziert und die Anzahl der Tötungsdelikte ging zurück; der Staat kontrollierte 2007 so viele Gebiete wie lange nicht. Das unter Uribe aufgebaute Netzwerk ziviler Informanten, welches das Fehlen von geschultem Sicherheitspersonal in ländlichen Regionen ausgleichen sollte, führte allein in dessen erstem Amtsjahr zu einer Zunahme der Verhaftungen von Guerilla- oder paramilitärischen Kämpfern und Kollaborateuren um 167 Prozent (Jäger et al. 2007: 241). Die Schwächung der FARC zeigt sich auch in der abnehmenden Zahl von Entführungen – 2007 kam es zu insgesamt 502 Entführungen im Vergleich zu 2.882 im Jahr 2002 – und terroristischen Anschlägen – 387 im Jahr 2007, gegenüber 1.645 im Jahr 2002 (Ministerio de Defensa Nacional 2012: 3). Das Zurückdrängen der Guerilla ging mit einem rasanten Anstieg des Verteidigungsbudgets des kolumbianischen Staates einher, dessen Truppenstärke dementsprechend kontinuierlich zunahm. Bis heute gehören die kolumbianischen Verteidigungsausgaben im Verhältnis zu den Gesamtausgaben des Staates zu den höchsten der Welt. Indirekt führte der PC auch zu 29 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Kolumbiens, da die Schwächung der illegalen Gruppen und der Rückgang der Gewalt ausländische Investoren anlockten. VI.2 Probleme und unerwünschte Nebeneffekte Trotz verschiedener positiver Entwicklungen sind die ungewollten Folgen und negativen Aspekte des Plan Colombia ebenso zahlreich wie komplex. Die wichtigsten werde ich im Folgenden darlegen. VI.2.1 Zivile Opfer Die verbesserte Sicherheitslage in Kolumbien hatte einen hohen Preis, wie bereits an der Zahl Binnenvertriebener deutlich wurde. Die Fronten zwischen Staat, Paramilitärs und Guerilla verschärften sich, alle Kriegsparteien hatten hohe Verluste. Nichtsdestotrotz waren es Zivilisten, die am meisten unter der Eskalation des Konflikts litten. Insbesondere in strategisch wichtigen, ressourcenreichen Gebieten richtete sich ein Großteil der von den FARC und Paramilitärs verübten Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, um so Kontrolle auszuüben und den Nachschub an Arbeitskräften und Kombattanten sicherzustellen. In besonders umkämpften Gegenden konnten die Zivilisten kaum neutral bleiben. Sie hatten nur die Wahl zwischen Rebellion, Flucht und der Kollaboration mit einem der bewaffneten Akteure. Auch Zwangsrekrutierung von Jugendlichen war (und ist) ein häufiges Phänomen: Jeder vierte Kämpfer im Dienst der Guerilla oder der Paramilitärs ist jünger als 18 Jahre (Oldenburg 2010: 105). Die Zivilbevölkerung litt aber nicht nur unter den Aktionen der FARC und Paramilitärs, sondern vielfach auch unter der kolumbianischen Armee, wie das Beispiel der sogenannten falsos positivos zeigt. Hohe Militärangehörige zahlten zwischen 300 und 400 USD für jeden getöteten Guerillakämpfer, der ihnen überbracht wurde. Dies führte dazu, dass zahlreiche Sicherheitskräfte Jugendliche aus den ärmlichen Vororten der Städte entführten, sie töteten und als vermeintliche Guerillakämpfer auslieferten. Allein 2007 kam es zu 229 falsos positivos (Pachón 2009: 336). Menschenrechtsverletzungen wie diese waren aufgrund des militärischen Schwerpunkts des PC ein häufiges Phänomen. Unterstützt wurde diese Entwicklung durch das von der Regierung Uribe aufgebaute Netzwerk von zivilen Informanten und den Einsatz von Bauernsoldaten, die 30 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE das kolumbianische Militär unterstützen sollten. Die Grenzen zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten wurden dadurch zunehmend unklar und der PC beinhaltete keinerlei Strategie zum Umgang mit den genannten Menschenrechtsverletzungen. VI.2.2 Probleme der Entlaubungsaktionen Die Erfolge des PC führten die USA neben den militärischen Offensiven auf die Entlaubung der Kokaplantagen aus der Luft zurück. Tatsächlich ging die Anbaufläche in den Departements, in denen die meisten Besprühungsaktionen durchgeführt wurden, auch am stärksten zurück. Der dazu von der DIRAN betriebene Aufwand war allerdings groß. So wurden 2002 insgesamt 130.364 ha besprüht, die Anbaufläche nahm im gleichen Jahr allerdings nur um 42.736 ha ab. Darüber hinaus war die Kokavernichtung nur erfolgreich, wenn sie Jahr um Jahr wiederholt wurde. Das Departement Guaviare war beispielsweise bereits in den 1990er-Jahren wiederholten Entlaubungsaktionen ausgesetzt gewesen, wodurch der dortige Kokaanbau stark zurückgegangen und die Produktion in andere Regionen abgewandert war. Da sich die Besprühungen im Rahmen des PC zunächst auf Putumayo konzentrierten, war Guaviare im Jahr 2002 mit 27.381 ha Koka wieder zum Departement mit den meisten Plantagen geworden: “Fumigation works, but only in areas permanently sprayed with chemicals” (Friesendorf 2007: 144). Vielfach kritisiert wurden außerdem die ökologischen und gesundheitlichen Folgen der Entlaubung. Der als Round-Up bekannte Giftcocktail vernichtete neben Koka auch legale landwirtschaftliche Erzeugnisse und verschmutzte das Grundwasser. Menschen, die mit der Substanz in Berührung kamen, klagten vielfach über Augen- und Hautirritationen sowie eine Häufung von Atemkrankheiten (Friesendorf 2007: 132). Durch die negativen Erfahrungen, die viele Bauern mit den Vergiftungsaktionen der DIRAN sammelten, wuchs vielerorts der Unmut gegenüber den staatlichen Institutionen. Die Kokabauern erwiesen sich gleichzeitig als äußerst anpassungsfähig und kreativ, wenn es darum ging, ihre Kokapflanzen vor der Vernichtung zu retten. Viele wuschen das Gift direkt nach der Besprühung ab, um die komplette Zerstörung der Pflanzen zu verhindern. Pestizidresistente Kokaarten wurden gezüchtet und in Umlauf gebracht. Große, weithin sichtbare Anbauflächen wurden zur Ausnahme, die Bauern 31 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE reduzierten die Plantagengröße auf drei oder weniger Hektar und erhöhten im Gegenzug die Anzahl ausgesäter Pflanzen pro Hektar. Eine weitere Strategie ist die Vermischung von Koka mit legalen Pflanzen, so dass die illegalen Gewächse aus der Luft kaum noch zu erkennen sind. Zu beobachten war auch eine Zunahme der illegalen Plantagen in Nationalparks, in denen der Einsatz von Pestiziden verboten ist (Vargas 2005: 103f.). Auch die Drogenhändler passten sich an. Viele der Distributions- und Handelsstrukturen haben sich nach Mittelamerika verlagert; größere Kartelle gibt es seit der Implementierung des PC nicht mehr. Der kolumbianische Kokainhandel wird stattdessen von etwa Drogenumschlagpunkte 35 Mikro-Kartellen kontrollieren und organisiert, mit die mexikanischen zentrale Händlern zusammenarbeiten: “Some are guerilla fronts operating with much autonomy from their commanders. Some are purely criminal organizations. And many are direct descendants of the AUC paramilitary organization” (WOLA 2010a: 9). Ein weiterer bedeutender Aspekt ist die Verlagerung der Produktion – sowohl innerhalb Kolumbiens als auch in der Andenregion insgesamt. Dieses Phänomen ist unter dem Namen balloon effect bekannt. Wird ein gefüllter Ballon an einer Stelle zusammengedrückt, weicht die Luft an eine andere Stelle aus. Ähnlich verhalten sich Drogenproduktion und -handel (Friesendorf 2007: 20). Wie sich die kolumbianische Kokaproduktion von wenigen Schwerpunktgebieten in andere Departements sowie nach Bolivien und Peru verlagerte, wurde in Teil IV bereits gezeigt. In den Grenzregionen von Ecuador, Venezuela und Brasilien entstanden ebenfalls kleinere Anbaugebiete. Kolumbiens 6.000 Kilometer lange Grenze ist zu dünn besiedelt und geografisch zu schwer kontrollierbar, um das Abwandern der Produktion in die Nachbarländer zu verhindern. Über die Grenzen verlaufen Schmuggelpfade, auf denen die Drogen gen Norden transportiert werden; die Guerilla nutzt die Grenzregionen als Rückzugsgebiete. Im Ergebnis blieb die Kokainproduktion, wie gezeigt wurde, bei leicht abnehmender Anbaufläche konstant und nahm in den letzten Jahren des PC sogar zu. Betrachtet man diese Dynamiken, so wird klar, dass die Verlagerungseffekte einen Hauptgrund für den geringen Erfolg der Entlaubungsaktionen darstellen. Angesichts dessen kann von einer nachhaltigen Vernichtung der Kokaplantagen im Rahmen des PC keinesfalls die Rede sein – und damit auch nicht von einem durchschlagenden Erfolg. Im Gegenteil: 32 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE “Displacement is bad both for the US and for the countries in which the US tries to reduce illicit drug supplies through eradication and interdiction. It is bad for the US because displacement guarantees a relative stable, and often increasing, supply of illicit drugs, leading to the loss of billions of dollars invested into anti-drug initiatives. It is bad for cocaine and heroin producing and transit countries because displacement inevitably aggravates violence, corruption, human rights abuses, environmental destruction, the spread of AIDS, and other drug-related problems” (Friesendorf 2007: 170). Die Besprühung mit Pestiziden als Erfolgsrezept im Kampf gegen den Drogenanbau zu betrachten, greift demnach zu kurz. VI.2.3 Der militärische Sieg als einzige Strategie Ein weiteres zentrales Problem des PC war seine ausschließliche Fokussierung auf militärische Siege, die mit der problematischen Verschmelzung von Drogen- und Aufstandsbekämpfung einherging. Denn durch diese Verschmelzung wurden soziale und wirtschaftliche Gründe für die Abhängigkeit der Bauern vom Kokaanbau vollständig außer Acht gelassen. Die kolumbianischen Streitkräfte gewannen zwischen 2000 und 2007 zwar die Kontrolle über große Teile des Staatsgebiets, doch auf ihre militärischen Siege folgte keine ökonomische und soziale Aufbaustrategie. Am vollständigen Fehlen staatlicher Präsenz in vielen ländlichen Regionen wurde daher kaum etwas geändert, Maßnahmen zur Etablierung nicht-militärischer Institutionen waren im PC nicht vorgesehen. Dementsprechend bauten die Bauern immer wieder aufs Neue Koka an, um überleben zu können. Und nach dem Ende einer Militäroffensive kehrte die Guerilla schnell in die entsprechenden Gebiete zurück (CIP 2009). Aufgrund der ausschließlich militärischen Strategie blieb die Korruption in der Justiz und der politischen Elite Kolumbiens unangetastet. Probleme mit den Paramilitärs konnten so beispielsweise nicht nachhaltig gelöst werden, da zahlreiche Politiker selbst in paramilitärische Aktivitäten verstrickt waren. Die Schwäche des Justizsystems untergrub wiederum die Glaubwürdigkeit der militärischen Aktionen – nur ein winziger Bruchteil der zahlreichen Verhaftungen führte letztlich zu Verurteilungen. Unberücksichtigt blieben auch die Schere zwischen Arm und Reich und andere soziale Probleme des Landes. Neben Guatemala und der Dominikanischen Republik war 33 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE Kolumbien das einzige lateinamerikanische Land, in dem die ökonomische Ungleichheit zwischen 2000 und 2008 zunahm (ECLAC 2009: 17). Eine Drogenbekämpfungsstrategie kann und soll selbstverständlich nicht alle Probleme eines seit Jahrzehnten vom Krieg zerrütteten Landes lösen. Ein ausgewogener und nachhaltiger Ansatz sollte die genannten Aspekte aufgrund ihrer engen Verknüpfung mit dem Zustand der Drogenökonomie jedoch zumindest zur Kenntnis nehmen – insbesondere wenn er so groß angelegt und kostenintensiv ist wie es der PC war. Zusammenfassend erscheint die von den USA und Kolumbien im PC verfolgte Strategie auf den ersten Blick einfach und wirkungsvoll. Auf den zweiten Blick offenbart sie allerdings zahlreiche Schwächen, weswegen die Bilanz nach sieben Jahren PC bestenfalls gemischt ausfällt. 34 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE VII. Fazit In der vorliegenden Arbeit wurde mithilfe eines diachronen Vergleichs untersucht, inwiefern der Plan Colombia die kolumbianische Drogenökonomie beeinflusst hat und ob es demnach als angemessen gelten kann, das Programm als Vorbild für künftige Drogenbekämpfungsstrategien heranzuziehen. Es wurde gezeigt, dass der PC äußerst gemischte Ergebnisse aufweist und dass Erfolgsmeldungen mit Vorsicht zu genießen sind. Fest steht, dass Kolumbien 2007 ein sichereres und stabileres Land war als 1999. Die illegalen bewaffneten Akteure wurden stark geschwächt und die Opferzahlen gingen zurück. Fest steht aber auch, dass die verbesserte Sicherheitslage einen hohen Preis hatte und dass der kolumbianische Staat bis 2007 keinen Weg gefunden hatte, seine Bevölkerung vor Übergriffen aus den Reihen des eigenen Militärs zu schützen. Die FARC und die paramilitärischen Gruppen sind darüber hinaus bei weitem nicht geschlagen. Es bleibt unwahrscheinlich, dass der Konflikt in absehbarer Zeit durch den militärischen Sieg einer der Kriegsparteien beigelegt werden kann. Hinsichtlich seines zentralen Ziels – der Reduzierung der Koka- und Kokainproduktion um 50 Prozent – scheiterte der PC auf ganzer Linie. Die Vernichtung von Kokapflanzen hatte keinen nachhaltigen Erfolg. Das Schrumpfen der Anbaufläche in Kolumbien ging mit Zunahmen in Bolivien und Peru einher, hinzu kamen veränderte Anbaustrategien der Bauern. Im Ergebnis führte die von den USA im PC betriebene Angebotsbekämpfung weder zur Reduzierung des Drogenangebots, noch zu deutlich steigenden Kokainpreisen oder sinkender Nachfrage. Die Angebotsbekämpfung trotz dieser eindeutigen Mängel weiterhin als wichtigste – bzw. einzige – Drogenbekämpfungsstrategie einzusetzen und dabei den PC als Vorbild zu betrachten, erscheint daher unangebracht: “Colombia’s security gains are partial, possibly reversible, and weighed down by ‘collateral damage’. (…) Holding up Colombia as a ‘model’ is both superficial and dangerous” (WOLA 2010a: 1f). Meine eingangs aufgestellte These kann daher als bestätigt angesehen werden. Die Effekte des PC waren nicht nachhaltig und betreffen eher das Zurückdrängen der Guerilla als das der Drogenproduktion. Zentrale Gründe hierfür sind meiner Ansicht nach der balloon effect und die einseitige militärische Ausrichtung des PC. Um 35 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE nachhaltige Erfolge zu erzielen, müsste auf militärische Siege die schnelle Etablierung nicht-militärischer Einrichtungen folgen, um so der institutionellen Schwäche des Staates entgegen zu wirken und das Vertrauen der Bevölkerung in den politischen Apparat zu stärken. Die Vernichtung von Kokapflanzen wiederum kann nur dann längerfristig wirksam sein, wenn sie mit wirtschaftlichen und sozialen Projekten kombiniert wird, die der Bevölkerung Alternativen zum Kokaanbau und deren Vorteile aufzeigen, ihre Grundversorgung sicherstellen, Bildungseinrichtungen verbessern etc. In der Integrated Action (IA), dem Nachfolgeprogramm des PC in Kolumbien, werden die genannten Aspekte stärker betont. Dies entspricht den Vorstellungen der 2006 erlangten demokratischen Kongressmehrheit in den USA und des seit 2010 regierenden kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos. Es ist das erklärte Ziel der IA, die staatliche Präsenz in ländlichen Gebieten zu stärken und nach dem Abzug des Militärs eine regierbare, entmilitarisierte, drogen- und gewaltfreie Zone zurückzulassen (CIP 2012: 1). Vehementeres Vorgehen gegen die überall präsente Korruption ist ebenfalls zentral, dabei handelt es sich jedoch um einen sehr schwierigen Prozess, da entsprechende Vorwürfe häufig auch gegen höchste staatliche Eliten erhoben werden. Die kolumbianische Staatsanwaltschaft ermittelt im Moment beispielsweise gegen Álvaro Uribe, weil ihm die Verstrickung in paramilitärische Gruppen vorgeworfen wird (amerika21.de, 15.01.2013). Der PC ist Teil der internationalen, von den USA dominierten Antidrogenpolitik. Angesichts seiner ambivalenten Ergebnisse wäre es grundsätzlich an der Zeit, die Ausrichtung dieser Politik zu hinterfragen. Die bislang praktizierte Strategie hat offensichtlich nicht zu den gewünschten Ergebnissen geführt. Der World Drug Report 2008 nennt fünf ungewollte Folgen der Prohibition: die Entstehung krimineller Schwarzmärkte; die Policy-Verlagerung hin zur Angebotsbekämpfung und weg von der innergesellschaftlichen, gesundheitlichen Dimension der Drogenpolitik; die geografische Verlagerung in Form des balloon effect; die Verlagerung von Substanzen, also das Phänomen, dass Verbraucher je nach Verfügbarkeit und Preis unterschiedliche Drogen konsumieren; und die soziale Ausgrenzung und Marginalisierung von Drogenkonsumenten (Inkster & Comolli 2012: 53f). Mögliche alternative Drogenbekämpfungsmaßnahmen, die bisher nur von einzelnen Ländern auf nationaler Ebene eingesetzt werden, sind die Entkriminalisierung 36 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE des Drogenkonsums und Programme zur Nachfragereduzierung sowie zur Bekämpfung der Verbreitung von HIV/Aids und anderen Infektionskrankheiten unter Drogenkonsumenten. Die Rufe nach der Umsetzung solcher alternativer Strategien werden lauter, in den USA verhallen sie bislang jedoch ungehört. Die Richtungswechsel unter Barack Obama waren gering; die problematische Vermischung der Drogenbekämpfung mit dem War on Terror schreitet voran: „Ungeachtet ihrer hohen Kosten und Nebenkosten sowie ihrer notorischen Erfolglosigkeit zeichnet sich die auswärtige Drogenpolitik der USA im letzten Vierteljahrhundert durch eine große Kontinuität aus“ (Lessmann 2010: 395). Ob sich daran auch während Obamas zweiter Amtszeit nichts ändert, bleibt abzuwarten. Dass es für die nachhaltige Schwächung der Drogenökonomie und die Beendigung des kolumbianischen Konflikts mehr braucht als den PC mit seinen Militäroffensiven und Entlaubungsaktionen, brachte Prof. Marc Chernick von der Georgetown University in einer Anhörung vor dem US-amerikanischen Kongress auf den Punkt: “[P]eace will take more than battling the FARC or pushing coca cultivation into different corners of the country. It will ultimately require a negotiated settlement and the construction of a legitimate state presence that provides services, administers justice, promotes economic development and provides security. Current policy prioritizes security. It is a necessary but insufficient formula. Progress in confronting political violence, terrorism, and drug trafficking will only be made when the broader concerns are addressed and the illegal armed actors are re-incorporated into the political system after more than a half century of war” (US Congress 2004: 188). Die IA ist in dieser Hinsicht, ebenso wie die aktuell stattfindenden Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und den FARC, ein Schritt in die richtige Richtung. 37 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE Literaturverzeichnis CIP/Center for International Policy (Hrsg.) (2009). After Plan Colombia: Evaluating “Integrated Action”, the Next Phase of U.S. Assistance. Letzter Zugriff am 17.02.13 unter: http://www.ciponline.org/research/html/after-plan-colombia. CIP (Hrsg.) (2012). Waiting for Consolidation: Monitoring Colombia’s U.S.-aided Counterinsurgency and Development Program. Letzter Zugriff am 17.02.13 unter: http://www.ciponline.org/images/uploads/publications/120201_Waiting ForConsolidation.pdf. ECLAC/Economic Commission for Latin America and the Caribbean (2009). Social Panorama of Latin America. Letzter Zugriff am 17.02.13 unter: http://www.eclac.org/publicaciones/xml/0/37840/PSI2009-full-text.pdf. Endres, J. (2001). Kriegsökonomie und Persistenz innerstaatlicher Kriege. Annäherung an ein vernachlässigtes Forschungsfeld. In: Schreiber, W. (Hrsg.). Das Kriegsgeschehen 2001. Daten und Tendenzen der Kriege und bewaffneten Konflikte, S. 23-39. Opladen: Leske und Budrich. Friesendorf, C. (2007). US Foreign Policy and the War on Drugs – Displacing the cocaine and heroin industry. Abingdon; Oxon; New York: Routledge. Genschel, Ph. & Schlichte, K. (1997). Wenn Kriege chronisch werden: Der Bürgerkrieg. In: Leviathan, 25(4), S. 501-517. Gray, V. J. (2008). The New Research on Civil Wars: Does It Help Us Understand the Colombian Conflict? In: Latin American Politics and Society, 50(3), S. 63-91. Helfrich, L. (2009). Wie erfolgreich ist der „Krieg gegen Drogen“ in der Andenregion? GIGA/German Institute of Global and Area Studies Focus, 10(2009). Letzter Zugriff am 20.02.13 unter: http://www.giga-hamburg.de/dl/download.php?d=/ content/publikationen/pdf/gf_lateinamerika_0910.pdf. Inkster, N. & Comolli, V. (2012). Drugs, Insecurity and Failed States: the Problems of Prohibition. Abingdon; Oxon: Routledge. Jäger, Th.; Daun, A.; Lambach, D.; Lopera, C.; Maass, B. & Margraf, B. (2007). Die Tragödie Kolumbiens: Staatszerfall, Gewaltmärkte und Drogenökonomie. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. 38 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE Labrousse, A. (1999). Kolumbien und Peru: politische Gewalt und Kriminalität. In: Jean, F. & Rufin, J.-C. (Hrsg.). Ökonomie der Bürgerkriege, S. 313-343. Hamburg: Hamburger Edition. Lessmann, R. (2010). Flying Dutchman. Die internationale Drogenpolitik der ObamaAdministration. In: Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik, 3(3), S. 379396. Marcy, W. L. (2010). The Politics of Cocaine – How U.S. Foreign Policy Has Created a Thriving Drug Industry in Central and South America. Chicago: Lawrence Hill Books. Ministerio de Defensa Nacional de Colombia (2012). Información de criminalidad, resultados operacionales, afectación de las propias tropas y pie de fuerza. Letzter Zugriff am 20.02.13 unter: http://www.mindefensa.gov.co/irj/go/km/ docs/Mindefensa/Documentos/descargas/estudios%20sectoriales/info_estadistic a/Avance%20de%20la%20PoliticadeDefensaySeguridadnov2012.pdf. Münkler, H. (2002). Die neuen Kriege. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. Nachrichtenportal amerika21.de (15.01.2013). Justiz ermittelt erneut gegen ExPräsident Uribe. Letzter Zugriff am 20.02.13 unter: http://amerika21.de/ nachrichten/2013/01/75636/uribe-und-paramilitarismus. Schlichte, K. (2002). Gewinner und Verlierer. In: Medico International (Hrsg.). Ungeheuer ist nur das Normale: Zur Ökonomie der „neuen“ Kriege. Frankfurt a. M.: Medico International. Oldenburg, S. (2010). Zwischen Akzeptanz und Widerstand. Jugendliche Lebenswelten im kolumbianischen Bürgerkrieg. In: Imbusch, P. (Hrsg.). Jugendliche als Täter und Opfer von Gewalt, S. 95-132. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Pachón, M. (2009). Colombia 2008: Éxitos, Peligros y Desaciertos de la Política de Seguridad Democrática de la Administración Uribe. In: Revista de Ciencia Política, 29(2), S.327-353. Pfennig, W. (2012). Definitionen Moderne Politikwissenschaft. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. Rojas, D. M. (2007). Plan Colombia II: ¿más de los mismo? In: Colombia Internacional, 65(1), S.14-37. 39 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE Rufin, J.-C. (1999). Kriegswirtschaft in internen Konflikten. In: Jean, F. & Rufin, J.-C. (Hrsg.). Ökonomie der Bürgerkriege, S. 15-46. Hamburg: Hamburger Edition. Schreiber, W. (Hrsg.) (2011). Das Kriegsgeschehen 2009. Daten und Tendenzen der Kriege und bewaffneten Konflikte. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. UNODC/United Nations Office on Drugs and Crime (2003). Colombia – Coca Survey for December 2002 & Semi-Annual Estimate for July 2003. Letzter Zugriff am 17.02.2013 unter: http://www.unodc.org/pdf/publications/colombia_report_ 2003-09-25.pdf. UNODC (2004). Colombia – Coca Cultivation Survey for 2003. Letzter Zugriff am 17.02.2013 unter: http://www.mamacoca.org/docs_de_base/Cifras_cuadro_ mamacoca/UNODC_Colombia_Coca_Survey_for_2003_june2004.pdf. UNODC (2007a). Colombia – Coca Cultivation Survey for 2006. Letzter Zugriff am 17.02.13 unter: http://www.unodc.org/pdf/research/icmp/colombia_2006_ en_web.pdf. UNODC (2007b). Coca Cultivation in the Andean Region – A Survey of Bolivia, Colombia, Ecuador and Peru. Letzter Zugriff am 17.02.13 unter: http://www.unodc.org/documents/crop-monitoring/Andean_report_2007.pdf. UNODC (2008a). The Threat of Narco-Trafficking in the Americas. Letzter Zugriff am 17.02.13 unter: http://www.unodc.org/documents/data-and-analysis/Studies/ OAS_Study_2008.pdf. UNODC (2008b). Coca Cultivation in the Andean Region – A Survey of Bolivia, Colombia and Peru. Letzter Zugriff am 17.02.13 unter: http://www.unodc.org/documents/crop-monitoring/Andean_report_2008.pdf. UNODC (2008c). World Drug Report 2008. Letzter Zugriff am 17.02.13 unter: http://www.unodc.org/documents/wdr/WDR_2008/WDR_2008_eng_web.pdf. UNODC (2009). Colombia – Coca Cultivation Survey for 2008. Letzter Zugriff am 17.02.13 unter: http://www.unodc.org/documents/crop-monitoring/Colombia_ coca_survey_2008.pdf. UNODC (2010). World Drug Report 2010. Letzter Zugriff am 17.02.13 unter: http://www.unodc.org/documents/wdr/WDR_2010/World_Drug_Report_2010_l o-res.pdf. 40 DIE KOLUMBIANISCHE DROGENÖKONOMIE US Congress (2004). The War Against Drugs and Thugs: A Status Report on Plan Colombia Successes and Remaining Challenges – Hearing before the Committee on Government Reform. Letzter Zugriff am 17.02.13 unter: http://www.gpo.gov/ fdsys/pkg/CHRG-108hhrg96408/pdf/CHRG-108hhrg96408.pdf. US Department of State (2001). International Narcotics Control Strategy Report 2000 – South America. Letzter Zugriff am 17.02.13 unter: http://www.state.gov/j/inl/rls/ nrcrpt/2000/883.htm. US Department of State (2003). International Narcotics Control Strategy Report 2002 – South America. Letzter Zugriff am 17.02.13 unter: http://www.state.gov/ documents/organization/18169.pdf. US Department of State (2008). International Narcotics Control Strategy Report 2007 – Volume I Drug and Chemical Control. Letzter Zugriff am 17.02.13 unter: http://www.state.gov/documents/organization/102583.pdf. US Department of State (2009). International Narcotics Control Strategy Report 2008 – Volume I Drug and Chemical Control. Letzter Zugriff am 17.02.13 unter: http://www.state.gov/documents/organization/120054.pdf. Vargas Meza, R. (2005). Cultivos Ilícitos en Colombia: Elementos para un Balance. In: Rangel, A. (Hrsg.). Narcotráfico en Colombia: Economía y Violencia, S. 87144. Bogotá: Ed. Kimpres. WOLA/Washington Office on Latin America (Hrsg.) (2010a). Don’t Call it a Model. Letzter Zugriff am 17.02.13 unter: http://justf.org/files/pubs/notmodel.pdf. WOLA (Hrsg.) (2010b). Waiting for Change: Trends in U.S. Security Assistance to Latin America and the Caribbean. Letzter Zugriff am 17.02.13 unter: http://www.wola.org/sites/default/files/downloadable/Regional%20Security/201 0/Waiting%20for%20Change.pdf. WOLA (Hrsg.) (2011). A Cautionary Tale: Plan Colombia’s Lessons for U.S. Policy Towards Mexico and Beyond. Letzter Zugriff am 17.02.13 unter: http://www.wola.org/sites/default/files/downloadable/Cautionary_Tale.pdf. Wyler, L. S. (2008). CRS Report for Congress – International Drug Control Policy. Letzter Zugriff am 17.02.13 unter: http://www.csdp.org/research/ RL34543_20080623.pdf. 41